Ehe - Familie - Gemeinde: Theologische Und Soziologische Perspektiven Auf Fruhchristliche Lebenswelten (Arbeiten Zur Bibel Und Ihrer Geschichte) (German Edition) 9783374036226, 3374036228


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German Pages 320 [273] Year 2014

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Table of contents :
Cover
Impressum
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Die Frage nach der Ehescheidung im Neuen Testament
The Sinful Body - Paul on Marriage and Sex
Kinder und Eltern in frühchristlichen Gemeinden
Parenting, Surrogate Parenting, and Teaching - Reading the Household Codes as Sources for Understanding Socialization and Education in Early Christian Communities
What Does Love Have to Do with It? - Sibling Relationships among Judean Jews in the First–Third Centuries CE
Von Bienen, Blättern und Bohnen - Die Bildersprache der stoischen Eheprotreptik
Leben in Annäherung und Abgrenzung - Zur Intention christlicher Lebensführung im Ersten Petrusbrief
Inklusion und Exklusion als Strukturmerkmale christlicher Identität in der Theologie des Paulus
The Early Christ-Movement in its Mediterranean Context - Texts, Groups and Identities
Die Konzeptualisierung des Verhältnisses von Mann und Frau in christlichen Familien des 2. und 3. Jahrhunderts - Zur Relation von christlichem Diskurs und sozialer Wirklichkeit
Soziologie und Theologie des Neuen Testaments – ein hermeneutischer Konflikt
Zu den Autorinnen und Autoren
I. Stellenregister
II. Sach- und Begriffsregister
III. Autorenregister
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Ehe - Familie - Gemeinde: Theologische Und Soziologische Perspektiven Auf Fruhchristliche Lebenswelten (Arbeiten Zur Bibel Und Ihrer Geschichte) (German Edition)
 9783374036226, 3374036228

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Dettinger | Landmesser · Ehe – Familie – Gemeinde

Welche Rolle spielt die sozialwissenschaftliche und sozial­ geschichtliche Forschung für die neutestamentliche Wissenschaft? Wie lässt sich das Verhältnis zwischen sozial- und kulturgeschicht­ lichen Aspekten der antiken mediterranen Welt und ethisch-theo­ logischen Entwürfen des frühen Christentums bestimmen? In ex­ emplarischen Untersuchungen zu familiären und gemeindlichen Strukturen des frühen Christentums und seiner antiken Umwelt wurden diese beiden Fragestellungen auf einer internationalen Ta­ gung im Oktober 2012 an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen konkretisiert. Der Band dokumentiert die Tagungsbeiträge, die historische, sozialgeschichtliche, altphilologi­ sche sowie judaistische und theologische Einsichten offenlegen und zueinander ins Verhältnis zu setzen suchen.

Dorothee Dettinger | Christof Landmesser (Hrsg.)

Ehe – Familie – Gemeinde Theologische und soziologische Perspektiven auf frühchristliche Lebenswelten

ABG 46 ISBN 978-3-374-03622-6

Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte EUR 34,00 [D]

Ehe – Familie – Gemeinde

Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte

Herausgegeben von Beate Ego, Christof Landmesser, Rüdiger Lux und Udo Schnelle

Band 46

Ehe – Familie – Gemeinde Theologische und soziologische Perspektiven auf frühchristliche Lebenswelten

Herausgegeben von Dorothee Dettinger und Christof Landmesser

EEVANGELISCHE V A N G ELISC H E VVERLAGSANSTALT ERL A G S A N STA LT Leipzig Leipzig

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2014 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · Leipzig Printed in Germany · H 7733 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt. Cover: Jochen Busch, Leipzig Satz: Zacharias Bähring, Leipzig Druck und Binden: Hubert & Co., Göttingen ISBN 978-3-374-03622-6 www.eva-leipzig.de

Vorwort Frühchristliche Lebenswelten in den Blick zu nehmen, erfordert wie von selbst ein multiperspektivisches Vorgehen. Historische, sozialwissenschaftliche, altphilologische sowie judaistische und theologische Disziplinen weisen hier gewinnbringende Erkenntnisse aus, die jedoch gerade in ihrer wechselseitigen Bezogenheit aufeinander einen besonderen Reiz und ein bei Weitem noch nicht ausgeschöpftes Potential fruchtbarer Forschung bereithalten. Dieses Potential bewusst zu thematisieren und konkret zu nutzen, unternahm eine Tagung der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen vom 25.–27. Oktober 2012. Mit dem Titel der Veranstaltung »Soziologie und Theologie des Neuen Testaments – Der familienethische Diskurs des frühen Christentums und seiner Umwelt« wurden die beiden Leitfragen der Tagung kenntlich gemacht, die den Horizont der Beiträge und Diskussionen umrissen. So stand zum einen die Fragestellung nach dem Verhältnis von sozialwissenschaftlicher bzw. sozialgeschichtlicher Methode und neutestamentlicher Wissenschaft durchgehend im Blickpunkt der Überlegungen. Zum anderen galt als leitendes Anliegen, diese übergreifende Fragestellung als exemplarische Untersuchung hinsichtlich der urchristlichen Familienstrukturen im antiken Umfeld zu konkretisieren. Dass der besondere Reiz dieser Fragestellung im interdisziplinären Charakter der Thematik ganz natürlich begründet ist, belegte die in den Diskussionen oft im Vordergrund stehende Perspektivenfrage. Prägende Eigenheiten und Entwicklungen frühchristlicher Lebenswelten wurden rekonstruiert und in ihren interdisziplinären Aspekten ins Gespräch gebracht. So gelang es, Strukturen und Profile verschiedener Disziplinen deutlicher erkennen zu können bzw. umgekehrt nicht ausgebildete Aspekte der jeweiligen Profilierung erkennbar zu machen und zu analysieren. Der vorliegende Band dokumentiert die Tagungsbeiträge in ihren zumeist infolge der Diskussionen und weiteren Überarbeitungen fortgeschriebenen Versionen. Der erste Beitrag »Die Frage nach der Ehescheidung im Neuen Testament« von Christof Landmesser greift eine bedeutsame familienethische Frage auf, die im Neuen Testament mit unterschiedlichen theologischen Akzenten beantwortet wird. Troels Engberg-Pedersen nimmt in seinem Beitrag »The Sinful Body. Paul on Marriage and Sex« die Positionen zu Ehe und Sexualität in der Stoa und bei Paulus vergleichend auf. Andreas Lindemann befasst sich in seinem Beitrag mit »Kindern und Eltern in frühchristlichen Gemeinden« und fokussiert vor dem Hintergrund des antiken Judentums und der hellenistischen Traditionen die Rolle von Kindern in frühchristlichen Gemeinden, wie sie in Schriften des Neuen Testaments und der frühen Kirche deutlich werden. Die Gestaltung der Familienbeziehungen betrachtend fügt sich auch der vierte Beitrag von Mar-

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Vorwort

garet Y. MacDonald ein. Sie gibt unter dem Titel »Parenting, Surrogate Parenting, and Teaching. Reading the Household Codes as Sources for Understanding Socialization and Education in Early Christian Communities« einen Einblick in Prozesse der Sozialisation und Erziehung in christlichen Familien. Einen Einblick in Geschwister-Relationen in jüdischen Familien bietet Michael Satlow in dem Beitrag »What Does Love Have to Do with It? Sibling Relationships among Judean Jews in the First–Third Centuries CE«. Matthias Becker eröffnet in seinem Beitrag »Von Bienen, Blättern und Bohnen. Die Bildersprache der stoischen Eheprotreptik« eine altphilologische Perspektive auf soziale, religiöse und individuelle Dimensionen, die der Ehe in der Stoa zugeordnet werden. Bezogen auf die Situation der Adressaten des Ersten Petrusbriefs analysiert Dorothee Dettinger das mitunter ambivalente Verhältnis der Christen zu ihrem Umfeld und weist dabei in ihrem Beitrag »Leben in Annäherung und Abgrenzung. Zur Intention christlicher Lebensführung im Ersten Petrusbrief« neben den sozialen Gegebenheiten auf die theologischen Begründungsstrukturen als Handlungsmotivation hin. Die Verbindung soziologischer Konzepte mit der neutestamentlichen Wissenschaft konturiert der Beitrag »Inklusion und Exklusion als Strukturmerkmale christlicher Identität in der Theologie des Paulus« von Friederike Portenhauser. In der Anwendung systemtheoretischer Begrifflichkeiten verschafft sie Einblicke in die komplexe Generierung von Identität in paulinischen Gemeinden, die soziale und theologische Dimensionen umfasst. Der Frage nach der Identitätsbildung der frühen Christen widmet sich auch Philip Esler in seinem Beitrag »The Early Christ-Movement in its Mediterranean Context. Texts, Groups and Identities«, wobei er Kriterien dieser Identitätsstiftung benennt und den trans-ethnischen Charakter der Zusammengehörigkeit der christlichen Bewegung betont. In historischer Perspektive entfaltet Karen Piepenbrink in ihrem Beitrag »Die Konzeptualisierung des Verhältnisses von Mann und Frau in christlichen Familien des 2. und 3. Jahrhunderts. Zur Relation von christlichem Diskurs und sozialer Wirklichkeit« Erkenntnisse, die in der Konfrontation der Christen und ihrer Umwelt, wie sie etwa in apologetischen Schriften dokumentiert sind, hervortreten. Schließlich rundet Gerd Theißen das Bild mit einem forschungsgeschichtlichen Überblick zur Entwicklung der sozialgeschichtlichen Forschung innerhalb der neutestamentlichen Wissenschaft ab. Mit dem Titel »Soziologie und Theologie des Neuen Testaments – ein hermeneutischer Konflikt« führt er in seinem Beitrag in grundsätzlicher Perspektive in eine Vielzahl der mit dem Diskurs verbundenen Themenkomplexe ein, um in programmatischer Weise einen grundlegenden Rahmen zu skizzieren. Der vorliegende Band will keine umfassende Darstellung bieten. Dennoch können unterschiedliche Schlaglichter zu Ehe – Familie – Gemeinde den weiten Horizont des Themenspektrums zur Sprache bringen. Unser Dank gilt zuerst allen Beiträgerinnen und Beiträgern. Ebenso danken wir allen, die bei der genannten Tagung bei der Organisation und Durchführung mithalfen, besonders Friederike Portenhauser und Gerda Scheytt. Für die Bearbeitung des Manuskripts sowie die Erstellung der

Vorwort

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Register gilt Friederike Portenhauser und Mirijam Scherm unser Dank, ebenso sind hier Alexander Beyer, Frank Dettinger, Christina Kuß, Nadine Quattlender, Dr. Jörg Schneider, Nicole Sieber und Thomas Stäbler zu nennen. Dem Verlag, namentlich Frau Dr. Annette Weidhas, Mandy Schüller und Anne Grabmann danken wir für die konstruktive Zusammenarbeit. Die Tagung wurde durch die großzügige Unterstützung der Fritz-ThyssenStiftung möglich, die Erstellung des Bandes wurde zudem durch einen Druckkostenzuschuss der Fritz-Thyssen-Stiftung maßgeblich gefördert. Der FritzThyssen-Stiftung gilt unser herzlicher Dank.

Perouse und Tübingen im März 2014 Dorothee Dettinger und Christof Landmesser

Inhaltsverzeichnis Christof Landmesser Die Frage nach der Ehescheidung im Neuen Testament . . . . . . . . . 11 Troels Engberg-Pedersen The Sinful Body Paul on Marriage and Sex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Andreas Lindemann Kinder und Eltern in frühchristlichen Gemeinden . . . . . . . . . . . . 61 Margaret Y. MacDonald Parenting, Surrogate Parenting, and Teaching Reading the Household Codes as Sources for Understanding Socialization and Education in Early Christian Communities . . . . . . . . 85 Michael L. Satlow What Does Love Have to Do with It? Sibling Relationships among Judean Jews in the First–Third Centuries CE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Matthias Becker Von Bienen, Blättern und Bohnen Die Bildersprache der stoischen Eheprotreptik . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Dorothee Dettinger Leben in Annäherung und Abgrenzung Zur Intention christlicher Lebensführung im Ersten Petrusbrief . . . . . . 135 Friederike Portenhauser Inklusion und Exklusion als Strukturmerkmale christlicher Identität in der Theologie des Paulus . . . . . . . . . . . . 157 Philip F. Esler The Early Christ-Movement in its Mediterranean Context Texts, Groups and Identities . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

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Inhaltsverzeichnis

Karen Piepenbrink Die Konzeptualisierung des Verhältnisses von Mann und Frau in christlichen Familien des 2. und 3. Jahrhunderts Zur Relation von christlichem Diskurs und sozialer Wirklichkeit . . . . . . 195 Gerd Theißen Soziologie und Theologie des Neuen Testaments – ein hermeneutischer Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

Zu den Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Sach- und Begriffsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

Die Frage nach der Ehescheidung im Neuen Testament Christof Landmesser

Die Frage nach der Ehescheidung im Neuen Testament ist ein konkretes und faszinierendes Beispiel theologischer Reflexionsarbeit mit Blick auf konkrete Lebensverhältnisse und Lebensstrukturen im Raum des frühen Christentums. In dieser Frage lässt die Jesus-Tradition und deren Aufnahme in der Urchristenheit eine beachtenswerte Sonderstellung erkennen, die – wenn überhaupt – allenfalls ansatzweise in der Antike und der neutestamentlichen Umwelt Parallelen hat. Die antiken Gesellschaften gehen mehr oder weniger selbstverständlich davon aus, dass eine Ehescheidung prinzipiell möglich ist. Dies wird zunächst mit einigen bezeichnenden Beispielen, die durchaus vermehrt werden könnten, belegt werden, um dann die neutestamentlichen Texte zu dieser Frage vorzustellen. – Eine einfache Doppelfrage soll die Analyse der neutestamentlichen Texte begleiten. Erstens: Was kann den neutestamentlichen Texten über die tatsächliche Praxis der Ehescheidung entnommen werden? Das wäre eine soziologische Bestandsaufnahme. Zweitens: Welche Absicht der Einflussnahme auf die Sozialstruktur der Ehe wollen die Texte erreichen? Dies wäre der beabsichtigte theologische Beitrag zur sozialen Ausgestaltung der konkreten Lebensumstände.1

1. Ehescheidung im Alten Orient, in Griechenland und in Rom Bereits im altbabylonischen Recht der 1. Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. ist eine durch den Mann veranlasste Ehescheidung ohne Angabe von Gründen

Der Frage nach der Ehescheidung im weiteren und im näheren Umfeld der neutestamentlichen Tradition kann hier nur exemplarisch nachgegangen werden. In jedem erwähnten Bereich sind die Verhältnisse mehr oder weniger komplex. Dies spiegelt sich auch in den jeweiligen Fachdiskussionen wider.

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Christof Landmesser

möglich,2 wie der Codex Hammurapi zeigt.3 Eine solche Ehescheidung wurde – wie Scheidungsurkunden dieser Zeit belegen – durch die Formel ›Du bist nicht meine Frau‹, möglicherweise in Verbindung mit dem symbolhaften Zerschneiden des Saums des Kleides der Frau, durch den Mann vor einem Gericht vollzogen.4 Eingeschränkt wurde dieses Recht des Mannes etwa bei Krankheit der Frau. Eine Frau konnte ihrerseits immerhin in begründeten Einzelfällen eine Scheidung anstreben. Die §§ 137–140 des Codex Hammurapi regeln die finanziellen Leistungen, die ein Mann seiner Frau im Fall einer willkürlichen Scheidung zu entrichten hatte. Diese Zahlungen hatten ausdrücklich das Ziel, die Erziehung der Kinder durch die Frau und ihre eigene Existenz zu sichern. Solche finanziellen Leistungen entfielen bei einem Fehlverhalten der Frau.5 – Für gewöhnlich war nach altbabylonischem Recht also eine Scheidung auf Veranlassung des Mannes möglich, die Frau und ihre Kinder sollten aber weitgehend sozial abgesichert werden. Was wir exemplarisch für den Alten Orient an altbabylonischem Recht beobachten können, wird im Griechenland des 6. und 5. Jahrhunderts v. Chr. durchaus vergleichbar geregelt, wobei offensichtlich der Frau ausdrückliche Rechte eingeräumt werden. – Diodor erwähnt in seiner griechischen Weltgeschichte in Buch XII6, dass bereits in der Gesetzgebung des Charondas7, also wohl im 6. Vgl. dazu ausführlich Raymond Westbrook, Old Babylonian Marriage Law, AfO.B 23 (1988), 69–88. – Nach Codex Hammurapi (CH) § 128 ist das Zustandekommen einer Ehe an einen Ehevertrag gebunden. Vgl. auch Horst Klengel, König Hammurapi und der Alltag Babylons, Düsseldorf/Zürich 1999, 230–231. 3 Der Codex Hammurapi ist in seiner Grundlage wohl das Werk des Königs Hammurapi von Babylon (1793–1750) (vgl. Rykle Borger, Akkadische Rechtsbücher, in: TUAT I, Gütersloh 1982–1985, 32–95: 39–40). 4 Westbrook, Marriage Law, 69. 5 Im Fall des Ehebruchs sollen die Ehefrau und der die Ehe brechende Mann ertränkt werden, wenn sie nicht ausdrücklich vom Ehemann und vom König begnadigt werden (CH § 129). Ehebruch kann die Todesstrafe zur Folge haben (CH § 130). – Ruiniert die Frau den eigenen Hausstand, während ihr Mann in Kriegsgefangenschaft ist, dadurch, dass sie zu einem anderen Mann geht, dann wird ihr der Prozess gemacht, und sie wird ertränkt (CH § 133). – Will eine Frau ihren Mann verlassen, und stellt sich bei der Verhandlung heraus, dass sie ihren Ehemann vernachlässigt hat oder den Hausstand ruiniert hat, dann darf der Mann die Frau verstoßen (CH § 141). Wenn er in diesem Fall eine andere Frau heiratet, kann er seine erste Frau als Magd behalten, zu finanziellen Leistungen ist er ihr gegenüber dann nicht mehr verpflichtet. Stellt sich aber heraus, dass der Mann die Frau vernachlässigt hat, dann kann die Frau ihre Mitgift nehmen und wieder in das Haus ihres Vaters zurückkehren. Also zumindest in diesem Fall ist der Frau die Initiative zur Scheidung möglich (CH § 142). Vgl. zu diesen Fragen Klengel, Hammurapi, 193–197. 6 Diodoros, Griechische Weltgeschichte. Buch XI–XIII, übersetzt von Otto Veh, eingeleitet und kommentiert von Wolfgang Will, BGrL 45, Stuttgart 1998, 101–177. 7 Diodor berichtet in seiner Weltgeschichte Buch XII,11–19 von Gesetzen, die er Charondas zuordnet, wobei er in cap. 18 die Gesetze für den Fall der Ehescheidung erwähnt (Diodoros, Weltgeschichte, 117–118). 2

Die Frage nach der Ehescheidung im Neuen Testament

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Jahrhundert v. Chr., nicht nur der Mann sich von seiner Frau trennen konnte, dass vielmehr auch die Frau die Möglichkeit hatte, ihren Mann zu entlassen (ἀπολύειν) und mit einem anderen Mann ihrer Wahl zusammenzuleben.8 Diese nach dem Bericht Diodors freie Scheidungspraxis wird eindrucksvoll bestätigt durch das Recht von Gortyn. In Gortyn auf Kreta wurde in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Fundamenten eines römischen Theaters eine beeindruckende Inschrift in zwölf Kolumnen und insgesamt 600 Zeilen entdeckt, die ursprünglich aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. stammt.9 In diesem vorzüglich erhaltenen Rechtskodex wird die Möglichkeit der Ehescheidung sowohl auf Veranlassung des Mannes wie auch der Frau vorausgesetzt.10 Konkret geregelt werden die zu entrichtenden Zahlungen für den Fall, dass Mann und Frau voneinander geschieden werden.11 Die Zahlungen richten sich auch danach, wem die Schuld an der Scheidung durch einen Richter zugesprochen wird, wobei im strittigen Fall ein Eid zu leisten ist. – Ein Blick nach Athen im 5. Jahrhundert v. Chr. und später bestätigt12 die freie Scheidungspraxis der Griechen.13 Kommt es bei einer angestrebten Ehescheidung nicht zu Unstimmigkeiten etwa wegen der Rückzahlung der Mitgift, so wird die ἀπόπεμψις, also die Entlassung der Frau, ohne behördliche Maßnahmen durchgeführt. Möchte allerdings eine Frau einseitig die Scheidung, muss sie das Verlassen des Mannes (ἀπόλειψις) mittels eines Rechtsbeistandes gegenüber dem Archon erklären.14 – Auch nach Platon kann eine Ehe geschieden werden, wenn sich Mann und Frau nicht verstehen, wenn 8

νόμος ὁ διδοὺς ἐξουσίαν τῇ γυναικὶ ἀπολύειν τὸν ἄνδρα καὶ συνοικεῖν ᾧ ἂν βούληται

(Diodoros, Weltgeschichte, XII,18). 9 Zur Einführung in das Recht von Gortyn vgl. Ronald F. Willetts, The Law Code of Gortyn, Kadmos.S 1, Berlin 1967, 3–35. Es handelt sich um die wohl bedeutendste Rechtsinschrift des archaischen Griechenlands in zwölf Kolumnen. 10 Vgl. dazu Willetts, Law, 28–29. 11 Kolumne II, 46 – III, 5 (zitiert nach Willetts, Law, 40–41). 12 Zumindest für das 5. Jahrhundert v. Chr. haben wir Belege dafür, dass die Ehescheidung aufgrund der Initiative sowohl des Mannes wie auch der Frau möglich war. Dass auch die Frau eine Ehescheidung veranlassen konnte, war aufgrund des untergeordneten Status der Frau auch in der athenischen Demokratie durchaus bemerkenswert. Nach Plutarch trennt sich Perikles (etwa 490–429) von seiner Frau mit deren Zustimmung, weil ihnen ihr Zusammenleben nicht mehr angenehm war (εἶτα τῆς συμβιώσεως οὐκ οὔσης αὐτοῖς ἀρεστῆς), weil sie also nicht mehr glücklich miteinander waren, und Perikles nimmt sich sogleich die etwas zwielichtige, aber als Weise geltende Aspasia zur Frau. Die bisherige Frau des Perikles kann dann einen anderen Mann heiraten (Plutarch, Per. 24). 13 Zwischen Mann und Frau wird aber dennoch weithin ein Unterschied gemacht, der die jeweilige Rolle beider bei der Scheidung unterstreicht: Der Mann führt bei einer Scheidung aktiv das ἀποπέμπειν, das ›Wegschicken‹ durch, durch die Frau geschieht dagegen das ἀπολείπειν, das ›Verlassen‹. – Zu den Regelungen im Fall der Ehescheidung im antiken Griechenland vgl. Jens-Uwe Krause, Antike, in: Andreas Gestrich/Jens-Uwe Krause/Michael Mitterauer, Geschichte der Familie, Europäische Kulturgeschichte 1, KTA 376, Stuttgart 2003, 21–159: 66–68. 14 Vgl. dazu Isaeus, Orationes III,78; Demosthenes, Gegen Onetor I,17.

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sich herausstellt, dass ihre Charaktere nicht zusammenpassen (ἐὰν δὲ ἀνὴρ καὶ γυνὴ μηδαμῇ συμφέρωνται τρόπων ἀτυχίᾳ χρώμενοι).15 Im Fall einer angestrebten

Scheidung soll aber – und das ist hier das Bemerkenswerte – ein Gremium von zehn Männern und zehn Frauen gebildet werden, die den Versuch einer Versöhnung unternehmen sollen (συναλλάττειν). Erst wenn dieser Versöhnungsversuch nicht erfolgreich sein sollte, soll die Ehe als rechtmäßig geschieden gelten. Für die geschiedenen Ehepartner sollen geeignete neue Ehepartner gesucht werden, damit die Kinder in geordneten Verhältnissen aufwachsen oder – für den Fall der bisherigen Kinderlosigkeit – damit überhaupt Nachkommen gezeugt werden. Und zuletzt ist eine Wiederheirat anzustreben, damit die Geschiedenen nicht vereinsamt und ohne Pflege altern müssen. Nach griechischem Recht des 5. Jahrhunderts kann also die Scheidung sowohl vom Mann wie auch von der Frau ausgehen, ohne dass besondere Gründe vorliegen müssten.16 Auch hier soll die Existenz der Frau und die Erziehung der Kinder abgesichert werden. Grundsätzlich ist die Wiederheirat erlaubt und – wie im Fall der bisherigen Kinderlosigkeit der Frau – geradezu das Ziel einer Scheidung. Die attischen Regelungen sind pragmatisch und sozial orientiert, sie zielen auf die Vermeidung eines unglücklichen Lebens, aber auch, um dies zumindest noch zu erwähnen, – im Fall einer Pflichtscheidung etwa wegen Ehebruchs – auf die Wahrung der sittlichen Reinheit. Das römische Privatrecht wurde erstmals in der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. mit dem sogenannten Zwölf-Tafel-Gesetz schriftlich fixiert.17 Dieses Gesetz, das nur in fragmentarischen Kopien erhalten ist, nachdem der Urtext wahrscheinlich beim Gallierbrand 387 v. Chr. verbrannte, hatte bis in die Kaiserzeit eine enorme Wirkung. Es galt – wie Livius es formuliert – als fons omnis publici privatique iuris, als die Quelle allen öffentlichen und privaten Rechts.18 Nach Ciceros zweiter Philippischer Rede (gegen Antonius) ermöglicht das Zwölf-TafelGesetz, dass ein Mann seine Frau verstößt, indem er ihr die Schlüssel abnimmt und sie vertreibt.19 Damit ist allerdings nur der Brauch beschrieben, wie eine Scheidung nach dem Zwölf-Tafel-Gesetz durchgeführt werden konnte. Es ist anPlaton, leg. XI 929 e – 930 b. Als einen weiteren Scheidungsgrund erwähnt Platon die Kinderlosigkeit einer Ehe über zehn Jahre (Platon, leg. VI 784b). 16 Auch in Griechenland gab es jedoch ausdrücklich Scheidungsgründe, die nicht auf einem Fehlverhalten der Frau beruhten, wie etwa die zehnjährige Kinderlosigkeit (vgl. Platon, leg. VI 784b). 17 Vgl. die knappen Hinweise zum Zwölf-Tafel-Gesetz bei Dieter Medicus, Art. Tabulae duodecim, in: Der kleine Pauly Bd. 5, 1979, 482–483; Max Kaser, Das Römische Privatrecht. Erster Abschnitt: Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht, HAW 3,3,1, München 1955, 15.17.24–26. 18 Livius, Historiarum ab urbe condita libri, III, 34. 19 Cicero, 2. Philippika, 28,69. »Suas res sibi habere iussit, ex duodecim tabulis clavis ademit, exegit.« Üblicherweise waren mit der Scheidung bestimmte Bräuche verbunden, die – auch wenn sie im Zwölf-Tafel-Gesetz erwähnt werden – wohl nicht unbedingt erforderlich waren. Die Scheidung besteht in der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft durch die Willenserklärung des Mannes oder beider Ehepartner gemeinsam. 15

Die Frage nach der Ehescheidung im Neuen Testament

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zunehmen, dass in früher Zeit, bis ins 3. Jahrhundert v. Chr., eine Ehescheidung wohl auf Veranlassung des Mannes möglich war, aber doch nur bei bestimmten Verfehlungen der Frau.20 In der frühen Zeit geht die dos, also die Mitgift, die die Frau in die Ehe einbringt, ganz in das Vermögen des Mannes über, sie wird noch nicht als Versorgung für die Frau nach einer möglichen Trennung betrachtet. Spätestens für die vorklassische und klassische Zeit, also gegen Ende der Republik und zu Beginn der Kaiserzeit, ist es belegt, dass auch die Frau eine Ehescheidung veranlassen konnte.21 Überhaupt wurde die römische Scheidungspraxis wesentlich freier. Wenn die Ehescheidung nicht in Übereinstimmung beider Partner erfolgte (divortium), genügte eine Erklärung, die durch einen Boten überbracht werden musste. In dieser Zeit war eine Scheidung nicht mehr an rechtlich oder moralisch festgelegte Gründe gebunden, wenn auch eine leichtfertige Scheidung gesellschaftlich nicht in gutem Ansehen stand. Für den Mann wurde eine Scheidung dadurch erschwert, dass er die von der Frau in die Ehe eingebrachte dos zurückzahlen musste. Dennoch führte die relative Leichtigkeit der Ehescheidung zu recht häufigen Trennungen und raschen Wiederheiraten, wodurch – notabene – das eigentlich geltende Verbot der Polygamie zuweilen faktisch durch sukzessive Polygamie umgangen wurde. Wohl auch dieser Sachverhalt führte Augustus dazu, um die Zeitenwende verschiedene Ehegesetze zu erlassen, die die Familie stärken und die leichtfertige Auflösung von Ehen verhindern sollten. Von besonderer Bedeutung sind die lex Iulia de maritandis ordinibus aus dem Jahr 18 v. Chr. und die lex Papia Poppaea aus dem Jahr 9 n. Chr., die bereits in der klassischen Literatur als eine Einheit aufgefasst und als lex (leges) Iulia et Papia (Poppaea) bezeichnet wurden.22 Insbesondere die lex Iulia formuliert deutliche Erschwernisse für die von der Frau veranlasste Ehescheidung, wenn etwa die verbotswidrige Scheidung durch eine Frau wohl wirkErst für die 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. ist der Fall des Spurius Carvilius Ruga überliefert, der nach Gellius (2. Jahrhundert n. Chr.) als erster Scheidungsfall überhaupt gilt, was historisch aber nicht haltbar ist. Die hier berichtete Scheidung wird ohne Schuld der Frau aufgrund ihrer Kinderlosigkeit durchgeführt. Gellius berichtet, dass Spurius Carvilius Ruga die Frau, von der er sich trennte, nach wie vor geliebt habe, dass er aber einen Eid abgelegt habe, nur zu heiraten, um Nachkommen zu zeugen (vgl. Gellius, Noctes Atticae, 4,3,1–2). 21 Vgl. die Hinweise bei Kaser, Privatrecht, 72–74.278–280. 22 Vgl. dazu Kaser, Privatrecht, 271–274. In der lex Iulia de maritandis ordinibus finden sich Eheverbote, in beiden Ehegesetzen aber auch eine Ehepflicht für Männer im Alter von 25–60 Jahren und für Frauen im Alter von 20–50 Jahren. – Sanktionen gegen Ehelose bestanden in der Einschränkung der Erwerbsfähigkeit von Todes wegen, also insbesondere der Einschränkung von Erbschaften. Ehelose (caelibes) können nichts, Kinderlose (orbi) können nur die Hälfte von dem erwerben, was ihnen als Erbe oder Legat zufällt. Das nicht Erworbene ist dann verfallen (caducum) und kommt Testamentserben und Legataren zu, die mindestens ein Kind haben, ansonsten geht es an das aerarium, später an den fiscus. – Zum Eherecht im Rom der neutestamentlichen Zeit vgl. auch Krause, Antike, 119–121. 20

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sam war, die Frau aber keinen Anspruch auf die dos hatte; oder wenn einer Freigelassenen, die ihren Patron heiratete, verboten wurde, sich gegen dessen Willen scheiden zu lassen. Die lex Iulia ist also der Versuch, den überhandnehmenden Ehescheidungen entgegenzutreten, die in der frühen Kaiserzeit belegt sind.23 Die augusteischen Ehegesetze fanden gar lyrisches Echo im Carmen Saeculare von Horaz.24 – Trotz dieser restriktiven Ehegesetze bleibt die römische Praxis aber freizügig und ermöglicht sowohl dem Mann wie auch der Frau die Scheidung.

2. Ehescheidung im Alten Testament und im Frühjudentum Die frühjüdischen Stellungnahmen zur Frage nach der Ehescheidung können allenfalls dahingehend als einheitlich angesehen werden, dass eine Ehescheidung als grundsätzlich möglich erachtet wird. In vielen Texten wird die Möglichkeit der Ehescheidung mit einem Verweis auf die Tora begründet, weshalb zunächst ein kurzer Blick auf das Alte Testament zu werfen ist, wobei der für unsere Fragen relevante theologische Argumentationshintergrund hier allenfalls angedeutet werden kann. Im Alten Testament begegnet der Vorgang der Ehescheidung etwa, wenn Abraham nach Gen 21,1–21 seine Nebenfrau Hagar auf Drängen Sarahs wegschickt (V. 14).25 Diese Entlassung hat für Hagar katastrophale Konsequenzen, und sie erwartet den Tod ihres Sohnes, da ihr die Lebensgrundlage entzogen ist. Nur das Eingreifen Gottes selbst kann sie noch retten. In diesem Fall ist also die Ehescheidung, zumindest eine Trennung der Frau vom Haus des Mannes, möglich ohne Absicherung der Existenz der Frau.26 Auch in dieser Zeit war die Ehescheidung kein formaler Rechtsakt, sondern ein faktischer Vorgang, es besteht auch kein Formgebot für das repudium, die Scheidungserklärung. 24 Horaz, Carmen saeculare, 17–24: »diva, producas subolem patrumque prosperes decreta super iugandis feminis prolisque novae feraci lege marita, certus undenos deciens per annos orbis ut cantus referatque ludos ter die claro totiensque grata nocte frequentis«. »Göttin, laß es nicht an nachwachsender Jugend fehlen und gib Gedeihen zu den Schlüssen des Senates über Beförderung der Heiraten und über jenes Ehegesetz, die reiche Quelle neuer Nachkommen: damit der bestimmte Kreislauf von zehnmal elf Jahren die Gesänge und die Spiele wieder bringe, die in dreien glänzenden Tagen und ebenso vielen holden Nächten die Freude des zudrängenden Volkes sind.« (Übersetzung von Johann Peter Uz, in: Quintus Horatius Flaccus, Oden und Epoden. Lateinisch und deutsch, übersetzt von Christian Friedrich Karl Herzlieb und Johann Peter Uz, eingeleitet und bearbeitet von Walther Killy und Ernst A. Schmidt, Zürich/München 1981, 314–317; vgl. auch die Übersetzung des Carmen Saeculare in: Jens Schröter/Jürgen Zangenberg [Hrsg.], Texte zur Umwelt des Neuen Testaments, UTB 3663, Tübingen 3 2013, 16–18.) 25 Das Verb für das Wegschicken der Hagar durch Abraham lautet ‫ ַו ְיַׁשְּלֶחָה‬. 26 Vgl. David Instone-Brewer, Divorce and Remarriage in the Bible. The Social and Literary Context, Grand Rapids, Michigan/Cambridge, U.K. 2002, 23. 23

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Die Möglichkeit der Ehescheidung wird durch Dtn 24,1–4 bestätigt.27 Dieser Text wird im Frühjudentum häufig für die Begründung der Möglichkeit der Ehescheidung und ihre Form herangezogen.28 In Dtn 24,1–4 wird einem Mann verboten, dass er die Frau, von der er sich hat scheiden lassen und die auch ihren nächsten Mann durch Tod oder Scheidung verliert, ein zweites Mal heiratet. In V. 1 dieses Textes wird dabei die Möglichkeit der Ehescheidung faktisch vorausgesetzt; das wurde in neutestamentlicher Zeit als grundsätzliche Erlaubnis der Ehescheidung interpretiert.29 Als Scheidungsgrund wird dort genannt, dass die Frau vor den Augen ihres Ehemannes ›keine Gnade finde‹, weil er an ihr ‫ֶע ְר ַות ָּדָבר‬, »etwas Hässliches« oder »eine schändliche Sache« gefunden habe. Nach Dtn 24,1–4 geschieht eine Ehescheidung dadurch, dass der Mann einen Scheidebrief schreibt (‫)ֵסֶפר ְּכ ִריֻתת‬30, diesen seiner Frau aushändigt (‫) ְו ָנַתן ְּב ָי ָדּה‬ und sie aus seinem Haus wegschickt (‫) ְוִׁשְּלָחּה ִמֵּביתֹו‬. Es wird vorausgesetzt, dass die geschiedene Frau einen anderen Mann heiraten kann (vgl. auch Jer 3,1–5).31 Im Alten Testament ist aber dann doch auch noch ein anderer Ton zu hören, wenn in Mal 2,13–16 kritisiert wird, dass ein Mann die Frau seiner Jugend verlasse. Wer so handelt, der bedeckt mit Unrecht, mit Gewalttat (‫ )ָחָמס‬sein Kleid.32

Vgl. Eckart Otto, Theologische Ethik des Alten Testaments, ThW 3,2, Stuttgart/Berlin/Köln 1994, 54–57; Heinrich Baltensweiler, Die Ehe im Neuen Testament. Exegetische Untersuchungen über Ehe, Ehelosigkeit und Ehescheidung, AThANT 52, Zürich/ Stuttgart 1967, 32–34. 28 Zur Interpretation von Dtn 24,1–4 im Frühjudentum vgl. Reinhard Neudecker, Das »Ehescheidungsgesetz« von Dtn 24,1–4 nach altjüdischer Auslegung. Ein Beitrag zum Verständnis der neutestamentlichen Aussagen zur Ehescheidung, in: Bib. 75 (1994), 350–387. 29 Vgl. Mk 10,4. 30 Vgl. Jes 50,1; Jer 3,8. – Vgl. dazu David Instone-Brewer, Deuteronomy 24:1–4 and the Origin of the Jewish Divorce Certificate, in: JJS 49 (1998), 230–243. 31 Nur in einzelnen Fällen wird die Möglichkeit der Ehescheidung ausgeschlossen, etwa wenn ein Mann seine Frau zu Unrecht beschuldigt, nicht als Jungfrau in die Ehe eingetreten zu sein (Dtn 22,19). Im Alten Testament findet sich dagegen nicht nur in Dtn 24,1–4 die Vorstellung, dass eine Ehe auf Veranlassung des Mannes geschieden werden kann. Nach Lev 21,7 kann die geschiedene Frau allerdings keinen Priester heiraten. – In Jer 3,1–5 ist davon die Rede, dass es unmöglich ist, dass eine von ihrem Mann entlassene Frau ihren ersten Mann wieder heiraten kann, nachdem sie als geschiedene Frau inzwischen einen anderen geheiratet hat. Dies dient als Bild dafür, dass Jahwe sein abtrünniges Volk nicht wieder aufnehmen kann. 32 Zur kontroversen Interpretation von Mal 2,15–16 vgl. Martin A. Shields, Syncretism and Divorce in Malachi 2,10–16, in: ZAW 111 (1999), 68–86: 76–86; vgl. auch mit anderen Akzenten Daniela Drost, Maleachi 2,10–16: Eine Vorstufe zur christlichen Ehetheologie?, in: Rüdiger Althaus/Rosel Oehmen–Vieregge/Jürgen Olschewski (Hrsg.), Aktuelle Beiträge zum Kirchenrecht. Festgabe für Heinrich J.F. Reinhardt zum 60. Geburtstag, Adnotationes in Ius Canonicum 24, Frankfurt am Main u. a. 2002, 89–104. 27

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Dies ist in dieser Form freilich eine einzelne Stimme, und bereits der Prophetentargum ändert auch Mal 2,16 in sein Gegenteil: ›But if you hate her, release her‹.33 Das rabbinische Schrifttum lässt erkennen, dass in nachneutestamentlicher Zeit Ehescheidungen im Bereich des Judentums durchaus häufig vorkamen.34 Von wenigen Ausnahmen abgesehen war die Scheidung – soweit dies rekonstruierbar ist – wohl nur dem Mann möglich. Die Diskussion galt im Wesentlichen nicht der Frage, ob dem Mann die Scheidung überhaupt erlaubt sei, die Schulmeinungen unterschieden sich vielmehr in der Bestimmung eines angemessenen Scheidungsgrundes. Hier allerdings gab es erhebliche Differenzen. Die Diskussion entzündete sich an der Auslegung des Ausdrucks ‫ֶע ְר ַות ָּדָבר‬, »etwas Hässliches« oder »eine schändliche Sache«, womit in Dtn 24,1 der mögliche Scheidungsgrund bezeichnet wird.35 Bei der Interpretation dieser Wendung standen sich nach mGittin IX 10 – um nur einen Text in den Blick zu nehmen – etwa die Schulen Schammais und Hillels gegenüber. Von den Schammaiten wird die strenge Haltung überliefert, dass nur etwas, was als ‫ֶע ְר ָוה‬, als »eine schändliche Sache« zu bezeichnen ist, als Scheidungsgrund anzuerkennen sei, wobei hier nicht näher beschrieben wird, was genau als ›Schändliches‹ aufgefasst werden soll. Antithetisch dazu wird die Haltung der Hilleliten beschrieben, die es als legitim ansahen, dass ein Mann seine Frau aus beinahe jedem Grund ent-

Tg. Jonathan zu Mal 2,16: ‫( ארי אם סנית לה פטרה‬vgl. auch Gershon Brin, Divorce at Qumran, in: Moshe Bernstein/Florentino García Martínez/John Kampen [Hrsg.], Legal Texts and Legal Issues. Proceedings of the Second Meeting of the International Organization for Qumran Studies, Cambridge 1995. Published in Honour of Joseph M. Baumgarten, StTDJ 23, Leiden/New York/Köln 1997, 231–244: 235). – Es handelt sich hier um eine für Targume typische ›converse translation‹ (vgl. dazu Michael L. Klein, Converse Translation: A Targumic Technique, in: Bib. 57 [1976], 515–537). Vgl. auch die Übersetzung von Mal 2,16a in der Vulgata: »cum odio habueris dimitte dicit Dominus Deus Israhel«. 34 Vgl. Baltensweiler, Ehe, 37–39. – Zu den frühjüdischen und rabbinischen Vorstellungen bezüglich der Frage nach der Ehescheidung vgl. auch die Hinweise bei InstoneBrewer, Divorce and Remarriage, 59–132; Frank Kleinschmidt, Ehefragen im Neuen Testament. Ehe, Ehelosigkeit, Ehescheidung, Verheiratung Verwitweter und Geschiedener im Neuen Testament, Arbeiten zur Religion und Geschichte des Urchristentums 7, Frankfurt am Main u. a. 1998, 175–180. Nach Michael L. Satlow, Jewish Marriage in Antiquity, Princeton/Oxford 2001, 214 hatten im Raum des palästinischen Judentums im 1. Jahrhundert n. Chr. auch Frauen das Recht, eine Ehescheidung aktiv anzustreben. Erst das rabbinische Recht räumte nur dem Mann die Möglichkeit einer Ehescheidung ein. Vgl. dazu auch Hubert Frankemölle, Ehescheidung und Wiederverheiratung von Geschiedenen im Neuen Testament, in: Theodor Schneider (Hrsg.), Geschieden – Wiederverheiratet – Abgewiesen? Antworten der Theologie, QD 157, Freiburg/Basel/Wien 1995, 28–50: 31–33; Ernst Bammel, Markus 10,11f. und das jüdische Eherecht, in: ZNW 61 (1970), 95–101. 35 Die LXX übersetzt mit ἄσχημον πρᾶγμα, womit ein sittliches Fehlverhalten der Frau angedeutet gesehen werden kann. 33

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lassen konnte,36 und zuletzt wird noch Rabbi Akiba erwähnt, der ebenfalls im Anschluss an Dtn 24,1 eine Scheidung als möglich ansieht, wenn einem Mann eine andere Frau besser gefällt. Gemeinsam ist allen drei Positionen, dass eine mögliche Ehescheidung als bereits in der Tora erlaubt galt. Die Mischna dokumentiert ausführlich die Rechtsbestimmungen für die Durchführung der Scheidung und auch die vom Ehemann eventuell zu leistenden Zahlungen. Das Ziel einer Scheidung musste im Scheidebrief mit den Worten festgehalten werden: ›So bist du erlaubt jedermann‹ (mGittin IX 3a). Damit war die soziale Absicherung der Frau durch eine Wiederheirat zumindest möglich. Sehr viel restriktiver als in den rabbinischen Texten scheint in der Gemeinde von Qumran die Frage nach der Ehescheidung beantwortet worden zu sein. Dort gab es wohl Ehescheidungen,37 die sukzessive Polygamie wurde aber doch wohl geächtet.38 Diese Einschränkung macht eine Begründung notwendig, die mit einem Verweis auf Gen 1,27 in Verbindung mit Gen 7,9.15 versucht wurde: »Als ein Männliches und ein Weibliches hat Er sie geschaffen und die in die Arche gingen, zwei und zwei gingen sie in die Arche«.39 Im hellenistisch geprägten Frühjudentum galt die Scheidung ebenfalls als erlaubt. So setzt wohl auch Josephus Dtn 24,1 voraus, wenn er eine Scheidung ›aus irgendeinem Grund, von denen es viele gibt‹, als möglich erklärt.40 Josephus war selbst mehrmals nacheinander verheiratet.41 Die zuerst erwähnte Frau hatte ihn von sich aus verlassen,42 die zweite hier von Josephus genannte Frau hatte er entlassen (ἀπεπεμψάμην), weil ihm ihre Verhaltensweisen oder Vgl. mGittin IX 10c. Diese großzügige Auslegung von Dtn 24,1 in manchen Kreisen des Judentums darf freilich nicht den Blick dafür verstellen, dass zum Schutz vor leichtfertigen Scheidungen im Ehevertrag hohe Hochzeitsverschreibungen festgelegt wurden, die im Fall der Scheidung seitens des Mannes an die Frau zu bezahlen waren. Ebenso wurde die Scheidung erschwert, wenn die Frau besonders schutzbedürftig war. Es gab im Judentum der neutestamentlichen Zeit wohl auch Stimmen, die eine Ehescheidung kritisch beurteilten (vgl. dazu Kurt Niederwimmer, Askese und Mysterium. Über Ehe, Ehescheidung und Eheverzicht in den Anfängen des christlichen Glaubens, FRLANT 113, Göttingen 1975, 22–23). 37 CD XIII,17; 11Q19 LIV,4. 38 CD IV,20–V,1. 39 Vgl. zur komplexen Diskussion um die Frage nach der Ehescheidung in Qumran auch Hermann Lichtenberger, Schöpfung und Ehe in Texten aus Qumran sowie Essenerberichten und die Bedeutung für das Neue Testament, in: Lutz Doering/HansGünther Waubke/Florian Wilk (Hrsg.), Judaistik und neutestamentliche Wissenschaft. Standorte – Grenzen – Beziehungen, FRLANT 226, Göttingen 2008, 279–288. Zur komplexen Diskussion um die Frage nach der Ehescheidung in den Schriften von Qumran vgl. auch Instone-Brewer, Divorce and Remarriage, 61–72; Vered Noam, Divorce in Qumran in Light of Early Halakhah, in: JJS 56 (2005), 206–223; Tom Holmén, Divorce in CD 4:20–5:2 and 11 QT 57:17–18. Some Remarks on the Pertinence of the Question, in: RdQ 18 (1998), 397–408; Brin, Divorce at Qumran. 40 Josephus, Ant IV, 253. 41 Josephus, Vita 414–415.426–427. 42 Josephus, Vita 415. 36

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Charaktereigenschaften missfielen (μὴ ἀρεσκόμενος αὐτῆς τοῖς ἤθεσιν).43 Seine dritte Frau schätzte er offensichtlich sehr.44 Dass eine Frau ihren Mann verließ, wie Josephus das von seiner zuerst genannten Frau schildert, entsprach nach seiner Überzeugung gerade nicht jüdischem Recht. Er beschreibt in Antiquitates XV, wie Salome, die Schwester des Herodes, ihrem Mann Kostobar den Scheidebrief zukommen lässt, und er bemerkt dazu ausdrücklich, dass dies nicht den Gesetzen der Juden entsprach (οὐ κατὰ τοὺς Ἰουδαίων νόμους).45 Es zeigen sich bei dem Verhalten von Salome, die eine zum Judentum übergetretene Idumäerin war, deutliche Einflüsse hellenistischer Rechtsauffassungen.46 Auch Philo erinnert an Dtn 24,1–4.47 Er greift ausdrücklich ein Motiv auf, das wir bereits bei Platon kennengelernt haben: die Frage nach einer möglichen Versöhnung des Mannes mit einer von ihm geschiedenen Frau, wenn auch in dem speziellen Fall, der in Dtn 24 vorausgesetzt wird. Eine Versöhnung eines Mannes mit seiner geschiedenen Frau, die aber inzwischen einen anderen Mann geheiratet hatte und durch Scheidung oder Tod des Mannes wieder frei geworden war, gilt ihm als unmöglich. Ein Mann, der zu einer solchen Versöhnung bereit wäre, soll als unmännlicher Weichling gebrandmarkt werden, weil er das für das Leben Nützlichste (τὸ βιωφελέστατον), nämlich den Hass gegen das Böse, aus seiner Seele beseitigt habe. Philo sieht in diesem Fall Ehebruch und Kuppelei (μοιχεία und προαγωγεία) vereinigt und fordert die Todesstrafe für Mann und Frau. Dies ist im Bereich des antiken Judentums eine außergeJosephus, Vita 426. Josephus, Vita 427. 45 Josephus, Ant XV, 259. 46 Es sei hier nur angemerkt, dass die Frage, ob eine Frau im Frühjudentum die Möglichkeit gehabt habe, selbst eine Scheidung in derselben Weise und Freiheit wie der Mann auszusprechen, diskutiert wird. Jüdische Hochzeitsurkunden aus Elephantine werden so interpretiert, dass sie ein Scheidungsrecht auch von Frauen erkennen lassen. Auch Scheidungsurkunden, die in der Wüste Juda gefunden wurden, werden in diese Richtung interpretiert. Dabei geht es insbesondere um den Papyrus Ṣe’elim 13, der – je nach Rekonstruktion des Textes – einen Scheidebrief einer Frau an ihren Mann oder eine Antwort einer Frau auf einen Scheidebrief seitens ihres Mannes darstellt (vgl. zu dieser kontroversen Diskussion David Instone-Brewer, Jewish Women Divorcing Their Husbands in Early Judaism: The Background to Papyrus Ṣe’elim 13, in: HThR 92 [1999], 349–357; Adiel Schremer, Divorce in Papyrus Ṣe’elim 13 Once Again: A Reply to Tal Ilan, in: HThR 91 [1998], 193–202; Tal Ilan, Notes and Observations On a Newly Published Divorce Bill from the Judaean Desert, in: HThR 89 [1996], 195–202; zur Diskussion um die Frage nach dem Recht jüdischer Frauen im Frühjudentum vgl. Robert Brody, Evidence for Divorce by Jewish Women?, in: JJS 50 [1999], 230–234; Eduard Schweizer, Scheidungsrecht der jüdischen Frau? Weibliche Jünger Jesu?, in: EvTh 42 [1982], 294–300: 294–297; Bernadette Brooten, Zur Debatte über das Scheidungsrecht der jüdischen Frau, in: EvTh 43 [1983], 466–478; Dies., Konnten Frauen im alten Judentum die Scheidung betreiben? Überlegungen zu Mk 10,11–12 und 1Kor 7,10–11, in: EvTh 42 [1982], 65–80). 47 Philo, spec. III, 30–31. 43 44

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wöhnliche Interpretation von Dtn 24,1–4. – Einen Hinweis auf hellenistischen Einfluss gibt es in Philo, spec. III, 82, wo Philo im Anschluss an Dtn 22,13–21 der zu Unrecht beschuldigten Frau, bei Eintritt in eine Ehe nicht mehr Jungfrau gewesen zu sein, die Möglichkeit einräumt, den Mann zu verlassen. Nach Dtn 22,19 wird der Frau nicht die Scheidung ermöglicht, vielmehr wird dem Mann, der seine Frau zu Unrecht beschuldigt hat, die Möglichkeit definitiv genommen, sich von dieser Frau scheiden zu lassen. Kurze Zwischenbilanz In den antiken Gesellschaften vom Alten Babylon bis nach Rom und ebenso im alttestamentlich-frühjüdischen Kontext zeigt sich hinsichtlich der Frage nach der grundsätzlichen Möglichkeit der Ehescheidung schon bei einer oberflächlichen Betrachtung eine beeindruckende Übereinstimmung. Eine Ehescheidung gilt überall als eine Möglichkeit, auch wenn sie – wie insbesondere im frühen römischen Recht oder auch im jüdisch-hellenistischen Bereich von Philo – moralisch disqualifiziert werden konnte. Die Ehescheidung konnte stets vom Mann beantragt oder durchgeführt werden, die Frau konnte die Ehescheidung in bestimmten Fällen auch anstreben, wobei diese Möglichkeit im Bereich des Alten Testaments ausgeschlossen und im rabbinischen Judentum – zumindest in weiten Kreisen – auf sehr wenige Fälle eingeschränkt war. Für das Frühjudentum des 1. Jahrhunderts n. Chr. ist in dieser Frage eine größere Offenheit anzunehmen. Die Ehescheidung hatte in neutestamentlicher Zeit sowohl im Bereich des Judentums wie in der römisch-hellenistischen Umwelt stets das Ziel der Wiederheirat, die insbesondere für die Frau eine soziale Absicherung bedeuten konnte.

3. Ehescheidung im Neuen Testament Die Frage der Ehescheidung wird im Neuen Testament in den synoptischen Evangelien – ausführlich im Markus- und im Matthäusevangelium – und von Paulus diskutiert. Diese Texte zeigen, dass sich die urchristlichen Gemeinden in dieser Frage sowohl von ihrer römisch-hellenistischen wie auch von ihrer jüdisch geprägten Umgebung grundsätzlich unterscheiden wollten, auch wenn die Texte deutliche Einflüsse aus dem einen wie dem anderen Bereich erkennen lassen. Die Auflösung einer Ehe gilt allen neutestamentlichen Texten übereinstimmend als ein Akt, der dem ursprünglichen Willen Gottes widerspricht und deshalb untersagt werden muss. Die konkrete Begründungsstruktur, die jeweilige Bewertung der Ehescheidung und mögliche Ausnahmeregelungen sind jedoch bemerkenswert unterschiedlich. Im Folgenden werden die erkennbaren Argumentationstypen kurz skizziert. In den synoptischen Evangelien wird die aktuelle Auseinandersetzung der christlichen Gemeinden ausdrücklich gemacht. In Mk 10 und Mt 19 werden in narrativer Stilisierung die Pharisäer als die Opponenten Jesu genannt, denen

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eine bestimmte Praxis in Fragen der Ehescheidung unterstellt wird. Zweierlei ist dabei zu erkennen: 1. Jesus hat in der Frage nach der Ehescheidung eine Auseinandersetzung mit jüdischen Autoritäten geführt. 2. Der Vorwurf gegen die jüdischen Autoritäten war wohl schon von Jesus, dann aber erst recht von der ersten christlichen Gemeinde der, dass die unterstellte frühjüdische Scheidungspraxis zu frei, zu beliebig war und dass diese nicht dem Willen Gottes entsprach. Die Diskussion diente dazu, die eigenen besonderen Anforderungen in Fragen der Ehescheidung zu reflektieren und theologisch zu begründen und eine restriktive Scheidungspraxis durchzusetzen. 3.1. Die Kritik an der freien Scheidungspraxis (Mk 10,2–9) In Mk 10,2–12 wird die Frage nach der Ehescheidung in zwei Abschnitten diskutiert.48 Die Verse 2–9 erzählen von einer Auseinandersetzung Jesu mit den Pharisäern; die Verse 10–12 bieten eine Jüngerbelehrung durch Jesus. Aus der Sicht der christlichen Gemeinde werden damit die Außen- und die Innenperspektive wahrgenommen.49 Die Frage nach der Möglichkeit der Ehescheidung ist jeweils die gleiche, der Argumentationskontext aber unterscheidet sich wesentlich und muss bei der Interpretation beachtet werden. Die Pharisäer eröffnen nach V. 2 das Gespräch mit der Frage, ob es überhaupt erlaubt sei, dass ein Mann seine Ehefrau entlasse.50 Sie wollen Jesus

Die Perikope zur Ehescheidung in Mk 10,2–12 bildet den ersten Teil einer möglicherweise vormarkinischen Sammlung von Einzelperikopen zu den Themen Ehe (V. 2–12), zur Würde der Kinder (V. 13–16), zu Besitz (V. 17–27) und zur Familie (V. 28–31) (vgl. dazu Heinz-Wolfgang Kuhn, Ältere Sammlungen im Markusevangelium, StUNT 8, Göttingen 1971, 146–191). Eine eigene markinische Zusammenstellung behauptet dagegen etwa Dieter Lührmann, Das Markusevangelium, HNT 3, Tübingen 1987, 15 und 171. Zu den relevanten Beobachtungen hinsichtlich der zusammengehörigen Perikopen und den sich daraus ergebenden Fragen vgl. die knappen Hinweise bei Eve-Marie Becker, Das Markus-Evangelium im Rahmen antiker Historiographie, WUNT 194, Tübingen 2006, 12–14. – Zu dem Abschnitt Mk 10,2–12 vgl. Baltensweiler, Ehe, 43–77. 49 Vgl. Michael Theobald, Jesu Wort von der Ehescheidung. Gesetz oder Evangelium?, in: ThQ 175 (1995), 109–124: 113–114. 50 Instone-Brewer, Divorce and Remarriage, 133–134 möchte auch in Mk 10,2 ergänzen κατὰ πᾶσαν αἰτίαν, ›for any matter‹, da dieser Zusatz im Frühjudentum immer mitgehört worden sei, die Frage nach einer prinzipiellen Möglichkeit der Ehescheidung aber gar nicht nachvollziehbar gewesen sei. Dieser Eingriff in den Text verdeckt allerdings gerade die Besonderheit der markinischen Fassung im Sinne einer Radikalisierung der Frage nach der Ehescheidung gegenüber der gängigen frühjüdischen Auffassung, die auf die prinzipielle Abwehr der Ehescheidung durch Jesus zielt. Sollte hinter diesem Streitgespräch eine historische Reminiszenz stehen, dann hätten die Pharisäer möglicherweise von der prinzipiellen Ablehnung der Ehescheidung durch Jesus gehört, womit er sich tatsächlich fundamental von der frühjüdischen Position unterschieden hätte. Genau darin liegt die Provokation, die bei der Ergänzung von Instone-Brewer aufgehoben wird. Mit seinem Versuch, eine konsistente Haltung Jesu über die synoptischen Evangelien 48

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›versuchen‹. Damit wird das folgende Gespräch sogleich als ein Streitgespräch zwischen den Pharisäern und Jesus erkennbar.51 Auf die von den Pharisäern gestellte Frage antwortet Jesus nach Mk 10,3 in für die Streitgespräche typischer Weise mit einer Gegenfrage: »Was hat euch Mose geboten?« Mit dem Personalpronomen der 2. Person Plural im Dativ ὑμῖν, ›euch‹ markiert Jesus eine Distanz zu den religiösen Autoritäten seiner Zeit.52 Die Gegenfrage Jesu provoziert die Offenlegung der Position seiner Gegner, die eigentlich ihrerseits dessen Meinung erkunden wollten. Mit ihrer Antwort in V. 4 erinnern die Pharisäer die Schriftstelle Dtn 24,1: »Mose hat uns erlaubt, einen Scheidebrief zu schreiben und die Frau – so ist zu ergänzen – zu entlassen.«53 Die Zuspitzung des Gesprächs ist jetzt geradezu umgekehrt: Nicht mehr die Meinung Jesu ist der Gegenstand der Kritik, sondern die Position der Pharisäer wird im Lichte der Schrift zur Diskussion gestellt. Die Antwort Jesu auf die von den Pharisäern anfangs gestellte Frage erfolgt erst in V. 9. Zunächst kommentiert Jesus die Meinung der Pharisäer (V. 5–8). Die im Anschluss an Dtn 24,1 ermöglichte Ehescheidung wird von ihm in V. 5b als ein Gebot bezeichnet, das »um eurer Herzenshärtigkeit willen euch aufgeschrieben worden ist«. Die Herzenshärtigkeit (σκληροκαρδία) verunmöglicht die Erfüllung des ursprünglichen Willens Gottes. Der Anlass für die Ermöglichung der Ehescheidung ist demnach die Unfähigkeit der Menschen, den eigentlichen Willen Gottes zu erfüllen.54 Die ermöglichte Ehescheidung erweist sich somit als eine von Mose eingeführte Konzession für das Leben unter der Bedingung der Sünde.55 Diese Konzession hebt aber den ursprünglichen Willen Gottes keinesfalls auf. hinweg zu rekonstruieren, verwischt Instone-Brewer gerade die Besonderheiten der Darstellungen im Markus- bzw. im Matthäusevangelium. 51 Mit dem Verb πειράζειν wird bereits in Mk 8,11 bei der Zeichenforderung der Pharisäer und in Mk 12,15 bei der von einigen Pharisäern und Herodianern gestellten Frage nach der Steuer deren gegnerische Haltung zu Jesus zum Ausdruck gebracht. – Wird hier ausdrücklich ein Streitgespräch geschildert, dann wird deutlich, dass das Erkenntnisinteresse der Pharisäer nicht darin besteht, eine Einsicht über die Ehescheidung gewinnen zu wollen. Das Ziel der Frage ist vielmehr, die aus ihrer Sicht problematische Haltung Jesu zu diesem Thema offenzulegen. 52 Mit Lührmann, Markusevangelium, 169. 53 Die Scheidungsmöglichkeit kann im Anschluss an Dtn 24,1 in der jüdischen Auslegung geradezu als ein Privileg Israels verstanden werden (vgl. dazu Hermann L. Strack/Paul Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch. Erster [Doppel-]Band: Das Evangelium nach Matthäus, München 21956, 312.805 [mit Textverweisen]). 54 Zum Begriff der σκληροκαρδία und seinem traditions- und religionsgeschichtlichen Hintergrund vgl. Klaus Berger, Hartherzigkeit und Gottes Gesetz. Die Vorgeschichte des antijüdischen Vorwurfs in Mc 10,5, in: ZNW 61 (1970), 1–47. 55 Vgl. Christof Landmesser, Art. Ehescheidung II. Neues Testament und Urchristentum, RGG4 Bd. 2, 1999, 1094–1095: 1094. Es ist also zwischen dem Schöpfungswillen und der Konzession durch Mose deutlich zu unterscheiden (so richtig Kleinschmidt, Ehefragen, 192).

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Der Verweis auf Mose und die Tora kann die unterstellte freie Scheidungspraxis nicht legitimieren. Jesus rekurriert deshalb in den Versen 6–9 auf den ebenfalls in der Schrift erkennbaren ursprünglichen Willen Gottes. Der ursprüngliche Wille Gottes ist verbunden mit der Erschaffung des Menschen. Jesus verweist zunächst auf Gen 1,27: »Von Anfang der Schöpfung aber hat er [sc. Gott] sie als Mann und als Frau geschaffen«. Natürlich wird an dieser Schriftstelle nicht über eine mögliche Ehescheidung reflektiert. Dies gilt auch für das zweite von Jesus hier ins Spiel gebrachte Schriftzitat aus Gen 2,24: »Deshalb wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen, [und er wird seiner Frau fest anhangen]56, und die zwei werden ein einziges Fleisch sein, so dass sie nicht mehr zwei, sondern ein einziges Fleisch sind.« Im vorliegenden Argumentationsgang wird durch die Verknüpfung der beiden Schriftstellen ein Zusammenhang zwischen der Erschaffung der Menschen als Mann und als Frau und dem Streben von Mann und Frau zueinander hergestellt: Weil Gott die Menschen als Mann und als Frau erschaffen hat, genau deshalb wird ein Mann seine Eltern verlassen und seiner Frau fest anhangen. Die Einheit von Mann und Frau erweist sich damit als eine Möglichkeit, die mit der Erschaffung der Menschen eröffnet ist.57 Die Aussage von Mk 10,6–9 ist nicht, dass Gott die Menschen von vornherein als Ehepaare erschaffen habe, dass sie also eine Ehe eingehen müssten, um den Schöpferwillen zur Erfüllung zu bringen. Jesus weist hier eine Schöpfungsperspektive auf. Die Erschaffung der Menschen als Mann und als Frau ermöglicht die eheliche Verbindung.58 Die Konsequenz, dass Mann und Frau ein Fleisch sind, dass sie also unlöslich miteinander verbunden sind, ergibt sich erst aufgrund der Wahrnehmung dieser Möglichkeit (V. 8). Wird diese Möglichkeit wahrgenommen, dann erweist sich Gott auch als der, der Mann und Frau Die textkritische Frage, ob καὶ προσκολληθήσεται πρὸς τὴν γυναῖκα αὐτοῦ zum ursprünglichen Text gehört, ist hier nicht zu entscheiden, wäre es doch im negativen Fall eine sachgemäße Ergänzung. Dieser Satzteil könnte später eingefügt worden sein, um dem Missverständnis vorzubeugen, V. 8 (καὶ ἔσονται οἱ δύο εἰς σάρκα μίαν) bezöge sich auf Vater und Mutter (vgl. Bruce M. Metzger, A Textual Commentary on the Greek New Testament. A Companion Volume to the United Bible Societies’ Greek New Testament [Fourth Revised Edition], Stuttgart 21994, 88–89). 57 Damit wird Gen 2,24 in einen gegenüber Gen 2,23 veränderten Argumentationskontext gestellt. Nach Gen 2,23–24 verlässt Adam Vater und Mutter, weil er die Einheit mit der Frau erkennt (sie ist »Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch«); anders ist die Einheit von Mann und Frau nach der Argumentation Jesu nach Mk 10,7–8 nicht die Begründung für die angestrebte eheliche Verbindung, sondern deren Konsequenz. Eine vergleichbare Vorstellung findet sich auch in der futurischen Wendung in 1Kor 6,16: [ἢ] οὐκ οἴδατε ὅτι ὁ κολλώμενος τῇ πόρνῃ ἓν σῶμά ἐστιν; ἔσονται γάρ, φησίν, οἱ δύο εἰς σάρκα μίαν. – Die gegenüber Gen 2,23–24 veränderte Argumentation wird nicht erkannt, wenn die Einheit von Mann und Frau auch für Mk 10,6–7 als Voraussetzung und nicht als Konsequenz verstanden wird (so aber etwa bei Baltensweiler, Ehe, 58). 58 Die Ehe wird letztlich durch das Eheversprechen im Rahmen eines Ehevertrages geschlossen, woraufhin die Ehepartner auch von Gott miteinander verbunden werden (vgl. Instone-Brewer, Divorce and Remarriage, 141). 56

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miteinander verbunden hat, weil er die Menschen mit dieser Möglichkeit, die in Freiheit wahrzunehmen ist, geschaffen hat. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll ein Mensch nicht scheiden (V. 9). Die Scheidung einer bereits eingegangenen Ehe wäre – nach dem Markusevangelium – die nachträgliche Zerstörung dessen, was zuvor die Eheleute aufgrund der von Gott gegebenen Perspektive für sich beansprucht hatten. Wo aber mit den Möglichkeiten, die Gott mit der Schöpfung gegeben hat, willkürlich umgegangen wird, da wird auch der Schöpfer verachtet. Mit dem hier notierten Verbot der Ehescheidung kritisiert Jesus nach dem Markusevangelium die den Pharisäern unterstellte und aus seiner Sicht willkürliche Scheidungspraxis. 3.2. Das Verbot der Ehescheidung mit folgender Wiederheirat (Mk 10,10–12) Die Frage nach der Ehescheidung wird in den Versen 10–12 von den Jüngern nochmals gestellt.59 Die Antwort Jesu ist im Kontext des Markusevangeliums die für die christliche Gemeinde verbindliche Anweisung. Zumindest für die hier adressierten Gemeinden ist die Möglichkeit der durch eine Frau veranlassten Scheidung mit im Blick, wie V. 12 erkennen lässt. In diesen Versen erscheint nun ein Motiv, das im Streitgespräch mit den Pharisäern noch keine Rolle gespielt hat: Eine Scheidung wird mit Ehebruch in Verbindung gebracht. Nicht die Scheidung als solche bedeutet Ehebruch, dieser entsteht vielmehr durch Scheidung mit folgender Wiederheirat.60 Die WiederMit der Ortsangabe καὶ εἰς τὴν οἰκίαν πάλιν in V. 10a wird die Differenz zwischen der Jüngerbelehrung und der vorangestellten Auseinandersetzung Jesu mit den Pharisäern narrativ angedeutet. Diese Jüngerbelehrung findet in einem Haus statt, wie dies bereits beim Rangstreit der Jünger nach Mk 9,33 der Fall war. Dieses erzählerische Element und die gegenüber den V. 2–9 anderen Fragesteller weisen auf den veränderten Argumentationskontext hin. 60 Die Wendung in V. 11 μοιχᾶσθαὶ ἐπὶ τινά ist wohl zu übersetzen mit ›Ehebruch treiben mit jemandem‹. Auch wenn der Ausdruck im Griechischen singulär ist, kann er als Aramaismus erklärt werden (vgl. Berndt Schaller, Die Sprüche über Ehescheidung und Wiederheirat in der synoptischen Überlieferung, in: Eduard Lohse/Christoph Burchard/Berndt Schaller [Hrsg.], Der Ruf Jesu und die Antwort der Gemeinde. Exegetische Untersuchungen Joachim Jeremias zum 70. Geburtstag gewidmet von seinen Schülern, Göttingen 1970, 226–246: 240–245). – Schaller geht im Anschluss an Mk 10,2–9 von einem apodiktischen Nein Jesu zur Ehescheidung aus (V. 2–9), wozu er in den V. 10–12 eine »im Bereich der christlichen Gemeinden Syriens« geltende Regelung sieht, die in nachösterlicher Zeit aufgrund der tatsächlich vorkommenden Ehescheidungen erforderlich wurde (Schaller, a. a. O., 243). Richtig ist sicher, dass die beiden Positionen in V. 2–9 und V. 10–12 nicht identisch sind und dass die V. 10–12 sicher kein apodiktisches Scheidungsverbot voraussetzen. Ob allerdings die V. 2–9 tatsächlich die Meinung Jesu präzise wiedergeben, muss offen bleiben. Der Argumentationskontext erfordert keine vollständige Stellungnahme zur Frage nach der Ehescheidung, es geht vielmehr um die vom Verfasser des Markusevangeliums den jüdischen Auto59

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heirat ist im Umfeld des Neuen Testaments in der Regel das Ziel einer Ehescheidung. Anders hier: Mit der Bezeichnung einer Ehescheidung mit folgender Wiederheirat als Ehebruch ist nicht nur eine religiös-moralische Ablehnung solcher Vorgänge notiert, es erfolgt vielmehr geradezu eine Kriminalisierung dieser Verhaltensweisen.61 Ehebruch ist ein Verstoß gegen den Dekalog62 und wird nach Dtn 22,22–27 unter die Drohung der Todesstrafe gestellt.63 Eine schärfere Verurteilung von Ehescheidung mit folgender Wiederheirat gibt es nicht. Scheidung mit folgender Wiederheirat soll in der adressierten markinischen Gemeinde grundsätzlich verboten werden. Der gesamte Abschnitt Mk 10,2–12 verbindet also zwei Stellungnahmen zur Frage der Ehescheidung in unterschiedlichen Diskussionskontexten. In der Außenperspektive wird die den Pharisäern unterstellte Scheidungspraxis abgelehnt, in der Innenperspektive der Gemeinde wird die Scheidung mit folgender Wiederheirat scharf untersagt.64 Der Verfasser des Markusevangeliums nimmt die Realität der Ehescheidung in seiner Umwelt als gegeben wahr. Aus allem, was wir historisch feststellen können, waren sowohl im frühjüdischen wie im römisch-hellenistischen Raum Ehescheidungen keine Seltenheit. Die Identität der christlichen Gemeinde hätte nach seinen Vorstellungen in der Makroperspektive ihr Merkmal gerade darin, dass die Ehescheidung grundsätzlich abgelehnt wird. Aber offensichtlich gibt es Ehescheidungen in der vom Markusevangelium adressierten Gemeinde, ritäten unterstellte Haltung zu dieser Frage. – Für Mk 10,12 erkennt auch Theobald, Ehescheidung, 114 eine »Tolerierung der Scheidung bei gleichzeitigem Verbot einer Wiederheirat für den Eheteil, der die Entlassung des Partners zu verantworten hat«. 61 Unklar ist, auf welche Frau sich die Wendung ἐπ’ αὐτήν in V. 11 bezieht (vgl. Joachim Gnilka, Das Evangelium nach Markus. 2. Teilband: Mk 8,27–16,20, EKK II/2, Zürich/ Braunschweig/Neukirchen-Vluyn 31989, 74). Entscheidend ist das Faktum des Ehebruchs, der allerdings erst durch die Heirat der zweiten Frau entsteht. 62 Vgl. Ex 20,14; Dtn 5,18. 63 Dass in neutestamentlicher Zeit die Todesstrafe wegen Ehebruchs wirklich vollzogen wurde, ist eher zu bezweifeln. Es ist aber immerhin auf Joh 7,53–8,11 hinzuweisen, wonach Schriftgelehrte und Pharisäer hinsichtlich der auf frischer Tat ertappten Ehebrecherin die in Dtn 22,22–24 geforderte Todesstrafe erinnern und offensichtlich deren Bestätigung von Jesus erwarten. Nach b Sanhedrin 41ab wurde seit 30 n. Chr. die Todesstrafe nicht mehr ausgeführt (vgl. dazu William Loader, Sexuality in the New Testament. Understanding the key texts, London 2010, 81 mit Anm. 7 [S. 139]; InstoneBrewer, Divorce and Remarriage, 126 mit Anm. 156). 64 Es ist zu vermuten, dass der Verfasser des Markusevangeliums sich damit einer ihm überlieferten Position anschließt. Der Hinweis in V. 12 auf eine mögliche aktive Trennung einer Frau von ihrem Mann könnte nachträglich an V. 11 angeschlossen worden sein, um den römisch-hellenistischen Rechtsverhältnissen gerecht zu werden. Für diese Annahme könnte die in V. 11 und V. 12 jeweils unterschiedlich gestaltete Protasis des Konditionalsatzes sprechen. Es wäre dann anzunehmen, dass V. 11 ursprünglich unabhängig von V. 12 in judenchristlichem Kontext tradiert wurde und dass dann möglicherweise der Verfasser des Markusevangeliums mit Rücksicht auf die hellenistisch geprägte Gemeinde, die er im Blick hatte, V. 12 hinzufügte.

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weshalb die besondere Jüngerbelehrung erforderlich wird. Wenn die Ehe schon geschieden wird, dann darf keine Wiederheirat erfolgen. Mit der Bewertung der Ehescheidung mit folgender Wiederheirat will der Verfasser des Markusevangeliums die Stabilität der einzelnen Ehe schützen. – Ob dies in der markinischen Gemeinde tatsächlich wirksam war, können wir kaum überprüfen. 3.3. Die Bewertung der Ehescheidung als Ehebruch und die Ausnahmeregelung des Scheidungsverbots bei Unzucht (Mt 19,3–9 und 5,31.32) Der Verfasser des Matthäusevangeliums erörtert an zwei Stellen die Frage nach der Ehescheidung: 1. in Mt 19,3–9, wo er den Gesprächsgang zwischen den Pharisäern und Jesus aus Mk 10,2–9 aufnimmt und in signifikanter Weise bearbeitet, und 2. in der dritten Antithese der Bergpredigt (Mt 5,31.32). In Mt 19,3–9 wird die Frage nach der Ehescheidung ausschließlich in einem Gespräch Jesu mit den Pharisäern diskutiert, die Jünger reagieren erst in V. 10 auf diese Auseinandersetzung. Die wichtigste Veränderung in der matthäischen Fassung des Streitgesprächs ist die Ergänzung der Frage der Pharisäer in V. 3, ob es erlaubt sei, dass ein Mann seine Frau entlasse κατὰ πᾶσαν αἰτίαν, was hier mit ›aus jedem Grund‹ zu übersetzen ist.65 Damit wird die Diskussion um die Auslegung des Ausdrucks ‫› ֶע ְר ַות ָּדָבר‬eine schändliche Sache‹ aus Dtn 24,1 aufgenommen.66

Die zunächst ebenso mögliche Übersetzung von κατὰ πᾶσαν αἰτίαν mit »aus irgendeinem Grund« erweist sich als nicht angemessen. Der inhaltliche Unterschied zwischen den beiden Übersetzungen wird deutlich, wenn die Bedeutung der jeweiligen Negation bewusst gemacht wird. Die Frage, ob die Ehescheidung ›aus jedem Grund‹ möglich sei, hätte bei einer negativen Antwort zum Ergebnis: nicht aus jedem, aber doch vielleicht aus dem einen oder anderen Grund. Bei einer abschlägigen Antwort auf die Frage, ob die Ehescheidung ›aus irgendeinem Grund‹, also ob Ehescheidung überhaupt möglich sei, muss die Antwort lauten: Ehescheidung ist aus keinem Grund, also überhaupt nicht erlaubt. Letzteres ist die im Markusevangelium gestellte Frage mit der entsprechenden Antwort. Wollte der Verfasser des Matthäusevangeliums also die Frage nach der Ehescheidung überhaupt gestellt haben, dann hätte er seine markinische Vorlage nicht mit κατὰ πᾶσαν αἰτίαν ergänzen müssen, die Markusvorlage hätte völlig ausgereicht. Dass der Verfasser des Matthäusevangeliums die Frage so verstanden haben will, dass die Pharisäer nach vielleicht doch möglichen Gründen der Ehescheidung fragen, lässt sich mit Blick auf Mt 19,9 eindeutig feststellen, wo gerade ein möglicher Grund für die Ehescheidung benannt wird. 66 Der Verfasser des Matthäusevangeliums beteiligt sich als Judenchrist damit an der innerjüdischen Diskussion. Dies wird auch daran deutlich, dass er den in Mk 10,12 zu findenden Hinweis auf die – zumindest wahrscheinlich – römisch-hellenistischen Rechtsverhältnissen entsprechende Möglichkeit, dass auch eine Ehefrau die Scheidung veranlassen kann, nicht übernimmt. Das Matthäusevangelium ist von einem Judenchristen an eine hauptsächlich judenchristlich geprägte Gemeinde gerichtet. 65

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Nach Mt 19,3 fragen die Pharisäer nicht nach der Möglichkeit der Ehescheidung überhaupt, sie fragen vielmehr, in welchen Fällen Ehescheidung statthaft sei. Der Verfasser des Matthäusevangeliums benennt in V. 9 einen konkreten Grund, unter dessen Voraussetzung die Ehescheidung zuzulassen ist.67 Nur im Fall der πορνεία ist eine Ehescheidung erlaubt, wobei mit Unzucht sexuelles Fehlverhalten im weitesten Sinne gemeint sein kann.68 In der Angabe des genannten Grundes kann eine gewisse Nähe zu der Position der Schammaiten erkannt werden. Anders als die Schammaiten bezeichnet auch der Verfasser des Matthäusevangeliums hier eine Ehescheidung mit folgender Wiederheirat als Ehebruch. Die im Matthäusevangelium erkennbare Meinung unterscheidet sich von der schammaitischen zudem dadurch, dass Jesus bei der Ablehnung der Ehescheidung nicht mit der Deutung von Dtn 24,1 einsetzt, sondern betont mit dem in der Schrift zugänglichen Willen des Schöpfers.69 Erst nach der Feststellung des Schöpferwillens kann dann auch die Ausnahme erwähnt werden. Auch in der dritten Antithese der Bergpredigt (Mt 5,31.32) wird vom Verfasser des Matthäusevangeliums die Unzuchtklausel notiert. Der dabei gebrauchte Ausdruck παρεκτὸς λόγου πορνείας kann als eine Übersetzung von ‫ ֶע ְר ַות ָּדָבר‬aus Dtn 24,1 MT verstanden werden. Λόγος steht für ‫ָּדָבר‬, mit dem Begriff πορνεία soll das hebräische Wort ‫ ֶע ְר ָוה‬wiedergegeben und zugleich konkretisiert werden. Hier wird gegenüber der markinischen Position eine in zwei Punkten schärfere Bewertung der Ehescheidung deutlich: 1. Nicht erst eine Ehescheidung mit folgender Wiederheirat, sondern die Scheidung als solche wird bereits als Ehebruch gewertet, der durch den Mann veranlasst wird.70 2. Ehebruch Möglicherweise hat der Verfasser des Matthäusevangeliums für diese Ausnahmeregelung in Mk 10,10–12 einen Ansatzpunkt gefunden, weil dort ja nicht die Ehescheidung, sondern nur die Ehescheidung mit anschließender Wiederheirat verboten war. 68 Der Bedeutungsumfang des Ausdrucks πορνεία lässt sich kaum eindeutig bestimmen (so auch Frankemölle, Ehescheidung, 36). In jedem Fall ist ein die eheliche Beziehung zerstörendes Verhalten im Blick. Es ist anzunehmen, dass im Judentum neutestamentlicher Zeit die Ehescheidung im Falle der Unzucht als ein Pflichtgebot galt (so richtig Ulrich Luz, Das Evangelium nach Matthäus. 1. Teilband: Mt 1–7, EKK I/1, Zürich/Braunschweig/Neukirchen-Vluyn 21989, 275 mit Anm. 46). Dies spiegelt sich in der frühjüdischen und in der rabbinischen Literatur wider (Prov 18,22a LXX [ὃς ἐκβάλλει γυναῖκα ἀγαθήν, ἐκβάλλει τὰ ἀγαθά· ὁ δὲ κατέχων μοιχαλίδα ἄφρων καὶ ἀσεβής]; vgl. bereits das Eifersuchtsgesetz in Num 5,11–31). Weitere Hinweise bei Strack/Billerbeck, Kommentar I, 316–317. – Die Differenz zwischen der matthäischen und der gängigen jüdischen Auffassung besteht in der jeweiligen Voraussetzung. Das Pflichtgebot der Ehescheidung ist im damaligen Judentum eine Präzisierung der grundsätzlichen Erlaubnis der Ehescheidung; bei Matthäus dient der Hinweis auf die πορνεία dagegen der Einschränkung des ansonsten stets geltenden Ehescheidungsverbots. 69 Durch die Übernahme der wesentlichen Begründungselemente aus Mk 10, also mit dem Verweis auf Gen 1,27 und 2,24, bekommt die Ablehnung der Ehescheidung gegenüber den erwähnten frühjüdischen Positionen ein theologisch größeres Gewicht. 70 Der Sinn der dritten Antithese wird gerade verkehrt, wenn behauptet wird, dass nach diesem Text der Mann die Ehe scheiden und seine Frau entlassen könne und dass 67

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liegt auch vor, wenn ein Mann eine entlassene Frau heiratet. Letzteres bedeutet eine dramatische Zuspitzung im Umfeld des Ehescheidungsverbots und in lebensweltlicher Perspektive die Gefährdung der Lebensgrundlage geschiedener Frauen, wird diesen damit doch die Möglichkeit der existenziellen Absicherung durch eine Wiederheirat entzogen.71 Für das Matthäusevangelium gilt: Jede Ehescheidung ist – abgesehen von dem Fall der durch die Frau begangenen Unzucht – eine schwere Schuld des Mannes. Bei dieser Verschärfung des Ehescheidungsverbots gegenüber Mk 10 ist jedoch bemerkenswert, dass mit der Unzuchtklausel ein Fall benannt wird, der – trotz des grundsätzlichen Scheidungsverbots – eine Ehescheidung ermöglicht. In Lk 16,18 als der Parallele zu Mt 5,32 fehlen die Bewertung einer jeden Scheidung als Ehebruch und die Unzuchtklausel;72 als Ehebruch seitens des Mannes wird aber auch dort die Ehescheidung mit Wiederheirat bzw. die Heirat einer Geschiedenen gewertet.73 Für den Verfasser des Matthäusevangeliums scheinen Ehescheidungen eine die Gemeinde bedrohende Praxis darzustellen. Offensichtlich war es aus seiner Sicht erforderlich, mit sehr klaren Bewertungen die Häufigkeit der Ehescheidungen zu reduzieren. Die Veranlassung der Ehescheidung durch eine Frau erwähnt er in Abgrenzung zu Mk 10,12 nicht eigens. Dies lässt darauf schließen, dass eine solche Praxis in seinem Umfeld eher unüblich war. Das scharfe Verbot mit der Bewertung der Ehescheidung als Ehebruch soll eine solche in der christlichen Gemeinde geradezu unmöglich machen. – Auch die unmittelbare Wirkung dieser Texte in den adressierten Gemeinden kann histoerst mit der Wiederheirat der Frau der Ehebruch vollzogen würde (gegen Baltensweiler, Ehe, 69). 71 In der Bewertung der Heirat einer geschiedenen Frau als Ehebruch kann gerade kein Schutz der Frau erkannt werden. Es wird wohl zuweilen unterstellt, dass diese Bewertung Männer davon abhalten könnte, ihre Frauen zu entlassen. Das dürfte der Lebenspraxis kaum entsprochen haben. Es handelt sich vielmehr um eine Abwehr jeder Ehescheidung und Wiederheirat mit drastischen Mitteln (mit Luz, Matthäus I/1, 270–271; gegen Loader, Sexuality in the New Testament, 89). – Vgl. auch die ähnlich scharfe Bestimmung in Lk 16,18, wo ebenfalls die Ehescheidung durch einen Mann mit folgender Wiederheirat und die Heirat einer geschiedenen Frau als Ehebruch gewertet werden. 72 Nach Lk 16,18 wird die Ehescheidung nicht als solche, sondern – wie im Markusevangelium – die Ehescheidung mit folgender Wiederheirat als Ehebruch bezeichnet (gegen Baltensweiler, Ehe, 62, der in Lk 16,18 jede Ehescheidung unabhängig von einer möglichen Wiederheirat als Ehebruch bezeichnet sieht; richtig dagegen Michael Wolter, Das Lukasevangelium, HNT 5, Tübingen 2008, 556: »Verboten wird weder die Scheidung [Mk 10,2–9 hat Lukas nicht übernommen] noch eine zweite Ehe als solche, sondern dass ein geschiedener Mann erneut heiratet und dass ein Mann eine geschiedene Frau heiratet.«). 73 Es ist offensichtlich, dass der Verfasser des Lukasevangeliums nicht sonderlich an der Frage nach der Ehescheidung interessiert ist. Er handelt sie in einem Satz ab. Zudem ist bemerkenswert, dass gerade der hellenistisch geprägte Verfasser des Lukasevangeliums die Scheidungsmöglichkeit seitens der Frau nicht im Blick hat.

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risch nicht nachvollzogen werden. Es wird aber deutlich, dass die Ehescheidung ein Phänomen war, das vom Verfasser des Matthäusevangeliums als besonders bedrohlich wahrgenommen wird, weshalb er sehr deutlich Stellung nimmt. 3.4. Die Ablehnung der Ehescheidung zum Zweck der sexuellen Askese und die Ehescheidung um des Friedens willen (1Kor 7,10–16) In 1Kor 7,1 greift Paulus die ihm von den Korinthern gestellte Frage auf, ob ein Mann sich grundsätzlich der geschlechtlichen Begegnung mit einer Frau enthalten solle. Es gab in Korinth offensichtlich Gemeindeglieder, die forderten, dass Christinnen und Christen in strenger sexueller Askese zu leben hätten.74 Brisant wurde die Forderung nach grundsätzlicher sexueller Askese, weil sie auch auf verheiratete Gemeindeglieder bezogen wurde.75 Für Paulus ist aber – wie sich den Versen 2–6 entnehmen lässt – eine radikale sexuelle Enthaltsamkeit innerhalb der Ehe unverantwortlich und schädlich, sie wäre allenfalls in gegenseitiger Übereinstimmung, zeitlich begrenzt und zum Zweck des Gebets angemessen. Die Ehe eignet sich nicht für enthusiastisch-asketische Lebensformen.76 Nachdem Paulus in 1Kor 7,2–6 grundsätzliche sexuelle Askese innerhalb der Ehe abgelehnt und in V. 7 seine eigene Präferenz der Ehelosigkeit notiert Vgl. Andreas Lindemann, Der Erste Korintherbrief, HNT 9/1, Tübingen 2000, 157, der allerdings nicht von einer ›asketischen‹ Haltung sprechen möchte. In 1Kor 7,1 wird die konträre Position zu der in den Kapiteln 5 und 6 vorausgesetzten Haltung einiger Gemeindeglieder in Korinth erkennbar, die – gewissermaßen unter dem Dach der Gemeinde – ihre sexuellen Bedürfnisse rücksichtslos ausleben wollten. – Dass Paulus in 1Kor 7,1 eine aus Korinth gestellte Anfrage zitiert, vertritt auch Judith M. Gundry-Volf, Controlling the Bodies. A Theological Profile of the Corinthian Sexual Ascetics (1 Cor 7), in: Reimund Bieringer (Hrsg.), The Corinthian Correspondence, BEThL 125, Leuven 1996, 519–541: 522. 75 So auch Lindemann, Korintherbrief, 184: »In Korinth scheint eine Strömung vorhanden gewesen zu sein, die von dem in V. 1b zitierten Grundsatz her das Eingehen einer Ehe ablehnte und darüber hinaus für die Auflösung bestehender Ehen plädierte (V. 8–11).« Diese Fragestellung muss auch für 1Kor 7,10–11 beachtet werden, wo es sich nicht einfach um eine beliebige Auflösung der Ehe handelt (der von 1Kor 7,1 her vorgegebene argumentative Kontext wird nicht hinreichend beachtet von Heinz Külling, Ehe und Ehelosigkeit bei Paulus. Eine Auslegung von 1. Korinther 6,12–7,40, Zürich 2008, 73). – In 1Kor 7,1b ist selbstverständlich nicht die Meinung des Paulus notiert, sondern wird der Inhalt der Anfrage an Paulus wiedergegeben (gegen etwa Niederwimmer, Askese, 83–84). Die Argumentation des Paulus in den folgenden Versen lässt gerade erkennen, dass er eine wesentlich differenziertere Sicht hat, als sie in V. 1b notiert wird. Die gesamte Argumentation des Paulus wird schief und inkonsistent, wenn in V. 1b seine Position unterstellt wird. Es hilft dabei auch nicht die Ausflucht, das Prinzip sexueller Askese werde von Paulus »nicht […] als Gesetz, sondern als Maxime« vertreten (so Niederwimmer, a. a. O., 84, vgl. auch a. a. O., 88). 76 Die Ehe – so kann man Paulus interpretieren – ist ein Lebensraum, der von beiden Partnern gemeinsam und verantwortlich zu gestalten ist. In jeder Hinsicht sind die Ehepartner vor ihrem gemeinsamen Herrn eng miteinander verbunden (vgl. 1Kor 11,11: πλὴν οὔτε γυνὴ χωρὶς ἀνδρὸς οὔτε ἀνὴρ χωρὶς γυναικός ἐν κυρίῳ). 74

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hat, erörtert er in den Versen 8–16 die ihm gestellte Frage noch einmal in anderer Perspektive. Die Rigoristen in Korinth gehen offensichtlich so weit, dass sie sexuelle Enthaltsamkeit innerhalb der Ehe fordern (V. 2–6), dass sie aber eigentlich – wie die Verse 8–16 zu erkennen geben – den Stand der Ehelosigkeit grundsätzlich vorziehen, was in letzter Konsequenz zur Forderung der Ehescheidung zum Zweck sexueller Askese führt.77 Die von 1Kor 7,1 her im Raum stehende Frage nach einer grundsätzlichen sexuellen Askese diskutiert Paulus im Folgenden mit Blick auf die Ehe, weshalb es naheliegt, dass er jetzt von der Ehescheidung reden muss. Dabei wendet er sich an drei Personengruppen. Zunächst spricht er zu den Unverheirateten und den Witwen (V. 8), dann zu den Verheirateten (V. 10) und zuletzt diskutiert er die Frage hinsichtlich der Verheirateten, die mit einem ungläubigen Partner oder einer ungläubigen Partnerin verbunden sind (V. 12–16).78 An alle drei Gruppen gibt Paulus Empfehlungen, die jeweils mit einer in einem Konditionalsatz formulierten Konzession verbunden sind. Die Unverheirateten sollen unverheiratet bleiben (V. 8b), es sei denn, sie können die sexuelle Enthaltsamkeit nicht durchhalten (V. 9). Den mit einem anderen Gemeindeglied verheirateten Christinnen und Christen verbietet er geradezu die Ehescheidung (V. 10b.11b), wobei er einer Frau, die sich bereits von ihrem Mann mit dem Ziel der Scheidung getrennt hatte oder im Begriff war, sich scheiden zu lassen, zugesteht, diese Trennung unter bestimmten Bedingungen aufrechtzuerhalten (V. 11a).79 Und den mit einem ungläubigen Partner oder einer ungläubigen Partnerin VerZumindest wird Paulus in der von ihm in 1Kor 7,1 abgewehrten Position eine grundsätzliche Skepsis gegenüber der Institution der Ehe erkannt haben (vgl. auch die Erwägungen von Helmut Merklein, Der erste Brief an die Korinther. Kapitel 5,1–11,1, ÖTBK 7/2, Gütersloh/Würzburg 2000, 113; Gundry-Volf, Controlling, 540–541). 78 In den Versen 8 und 12 spricht Paulus die gemeinte Personengruppe mit dem Verb λέγω an. Die Einleitung des Scheidungsverbots in V. 10 wird bereits dadurch hervorgehoben, dass Paulus anstelle von λέγω das Verb παραγγέλλω einsetzt. Die Differenz erhöht die Aufmerksamkeit, wobei der Nachdruck auch dadurch gesteigert wird, dass Paulus einen Ausdruck benutzt, der nur an zwei weiteren Stellen seiner Briefe und ebenfalls in paränetischem Zusammenhang erscheint (1Kor 11,17; 1Thess 4,11); das Verb παραγγέλλω gehört nicht zu seinem bevorzugten Wortschatz. – Ist also bereits die Verwendung des Verbs παραγγέλλω in V. 10a auffällig, so wird das Gewicht des in V. 10b und 11b notierten Scheidungsverbots dadurch entscheidend geprägt, dass Paulus auf das an sich schon eindringliche Verb παραγγέλλω sofort die Präzisierung folgen lässt: οὐκ ἐγὼ ἀλλʼ ὁ κύριος, ›nicht ich, sondern der Herr‹. Subjekt des folgenden Scheidungsverbots ist demnach nicht Paulus, sondern der κύριος, Jesus Christus selbst. Dass dies keine beiläufige Bemerkung ist, lässt die Einleitung in die Anweisungen für die mit ungläubigen Partnern Verheirateten in V. 12a erkennen, wo Paulus ausdrücklich selbst, nicht aber der κύριος spricht: ἐγὼ οὐχ ὁ κύριος. Das in den Versen 10b und 11b formulierte Scheidungsverbot bekommt durch die Rückführung auf den κύριος, Jesus Christus, höchste Autorität und erlaubt – so könnte man annehmen – keinen Widerspruch. 79 Hier sind deutlich römisch-hellenistische Regelungen vorauszusetzen, wonach auch Frauen die Möglichkeit der Ehescheidung hatten (vgl. Lindemann, Korintherbrief, 164.184–185). 77

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heirateten legt er nahe, sich bei Zustimmung des Partners oder der Partnerin nicht von diesen zu trennen (V. 12b.13), wobei dann eine Ausnahme vorliegt, wenn die ungläubigen Partnerinnen oder die ungläubigen Partner die Ehe nicht mehr aufrechterhalten wollen. Die Empfehlung der Ehescheidung zum Zweck der sexuellen Askese weist Paulus zurück: »Für die Verheirateten aber ordne ich an …« (V. 10), und in einem Nachsatz fügt er hinzu: »… nicht ich, sondern der κύριος, dass sich eine Frau von ihrem Mann nicht scheide«, und in V. 11b: »ein Mann soll seine Frau nicht entlassen«.80 Als ein Gebot des Herrn bekommt das Scheidungsverbot höchstes Gewicht. Geradezu dramatisch muss deshalb die in V. 11a in das Gebot des Herrn eingefügte Parenthese wirken. Paulus schränkt das Scheidungsverbot faktisch ein: »wenn sie sich aber getrennt hat [oder: wenn sie sich trennen will], bleibe sie unverheiratet oder versöhne sich mit ihrem Mann«. Mit diesem prospektiven Konditionalsatz hat Paulus den Fall vor Augen, dass sich eine Christin möglicherweise von ihrem Mann getrennt hat oder beabsichtigt, sich von ihm scheiden zu lassen.81 Er fordert von der scheidungswilligen Frau nicht zuerst die Versöhnung mit allen Mitteln, wie es im Anschluss an das Scheidungsverbot erwartet werden könnte, eine Versöhnung steht vielmehr gleichberechtigt neben der Möglichkeit, von nun an unverheiratet, also geschieden zu bleiben. Damit wird das scheinbar absolute Scheidungsverbot von Paulus faktisch relativiert. Bereits in V. 11a, also innerhalb des Hinweises auf das die Ehescheidung untersagende Herrenwort, deutet er eine Einschränkung des Verbots der Ehescheidung an. Dass Paulus aber ein Gebot des κύριος auch nur andeutungsweise korrigiert, und dies noch innerhalb des Zitats dieses vom κύριος stammenden Wortes, ist eine Annahme, die nicht aufrechtzuerhalten ist.82 Es liegt aber nur dann keine Korrektur des Herrenwortes vor, wenn Paulus das Gebot Offensichtlich war die Forderung der Rigoristen bei einer verheirateten Frau der Gemeinde in Korinth bereits auf fruchtbaren Boden gefallen. Die hier gemeinte Frau hat die Scheidung vollziehen lassen oder zumindest beantragt, um in der geforderten sexuellen Askese zu leben. – Die Forderung nach einer Ehescheidung mit dem Ziel der sexuellen Askese weist Paulus in den Versen 10 und 11b mit dem Hinweis auf das Gebot des κύριος also scharf zurück. Die Passivform von χωρίζω kann mit ›sich scheiden lassen‹ übersetzt werden (vgl. Walter Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, 6., völlig neu bearbeitete Auflage, hrsg. von Kurt Aland und Barbara Aland, Berlin/New York 1988, 1774). 81 Dass die hier gebrauchte Passivform χωρισθῇ im gegenwärtigen Kontext auch ›sich scheiden lassen wollen‹ bedeuten kann, wird in Verbindung mit V. 15 deutlich, wo die Präsensform dieser Passivwendung die noch nicht vollzogene Scheidung meint, wäre ansonsten doch die Aufforderung zum Vollzug der Scheidung mit dem Imperativ χωριζέσθω überflüssig. 82 Durchaus begründet entsteht eine Irritation, wenn hier in 1Kor 7,10 ein allgemeines Verbot der Ehescheidung aus dem Munde des Herrn wahrgenommen wird, dem Paulus mit V. 11 faktisch widerspricht, was aber kaum nachvollziehbar ist. Niederwimmer, Askese, 100 konstruiert für V. 11 den Fall, dass Paulus eine Frau im Blick habe, die sich vor der Taufe bereits habe scheiden lassen. Davon ist im Text aber schlicht nicht die Rede. 80

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des κύριος an dieser Stelle nicht als ein allgemeines Scheidungsverbot versteht, sondern dieses konsequent auf den hier diskutierten Zusammenhang bezogen sehen will.83 Die Erwähnung dieser Konzession verhindert das Missverständnis, dass Paulus mit der Erinnerung an das Gebot des κύριος ein für alle Fälle geltendes Scheidungsverbot vertreten möchte. Die Parenthese in V. 11a deutet an, dass das Scheidungsverbot präzise dies meint: Eine Frau soll zum Zweck der sexuellen Askese keine Scheidung von ihrem Mann beantragen, ein Mann soll zum Zweck der sexuellen Askese seine Frau nicht entlassen.84 In die Diskussionslage der korinthischen Gemeinde hinein sagt Paulus durch die Bezugnahme auf den κύριος mit höchster Autorität versehen: Eine Scheidung zum Zweck der sexuellen Askese ist nicht erlaubt, sie zerstört vielmehr gerade solche Lebensverhältnisse, die dem Leben dienen sollen und die deshalb zu schützen sind. Die grundsätzliche sexuelle Enthaltsamkeit, die die Rigoristen in Korinth forderten, war wohl religiös motiviert.85 Aber eine solche Scheidung, die angeblich dem Gottesdienst und der frommen Praxis dienen sollte, wird vom κύριος untersagt. Dass Paulus kein absolutes Scheidungsverbot kennt, lassen auch die Verse 12–16 erkennen, wo er den mit einem ungläubigen Partner oder einer ungläubigen Partnerin verheirateten Frauen und Männern die Ehescheidung für den Fall einräumt, dass der ungläubige Partner oder die ungläubige Partnerin die Trennung anstrebt. Zu einem für alle Fälle geltenden Scheidungsverbot passt auch diese Ausnahmeregelung nicht mehr.86 Nach Merklein ist das Scheidungsverbot des κύριος in der Sicht des Paulus ein »unbedingt gültige[r] Grundsatz«, den er aber nicht »als unter allen Umständen einzuhaltendes Regulativ der Praxis angesehen haben muß«, was Merklein mit der in V. 11 von Paulus eingefügten Parenthese begründet (Merklein, Korinther, 116). Merklein erkennt also durchaus die faktische Einschränkung des Herrenwortes. 84 Wird der in 1Kor 7,1 eröffnete Argumentationskontext wahrgenommen, bedarf es nicht mehr der schwierigen Unterscheidung eines apodiktischen Herrenwortes, das Paulus mit einer kasuistischen Anweisung ergänzt habe (so Theobald, Ehescheidung, 110– 113). Die ›kasuistische Anweisung‹ des Paulus bliebe doch ein klarer Widerspruch zu dem apodiktischen Herrenwort. Für wie weitgehend Paulus das Herrenwort zur Ehescheidung hält und wie genau seine Kenntnisse der Jesustradition zur Ehescheidung sind, lässt sich unserem Kontext nicht entnehmen (das bemerkt richtig William Loader, Sexuality and the Jesus Tradition, Grand Rapids, Michigan/Cambridge, U.K. 2005, 89–90). 85 Eine ähnliche Position kann als Hintergrund der Abwehr in 1Tim 4,3 vermutet werden. 86 Paulus spricht hier wieder – wie bereits in V. 8 – dezidiert in der ersten Person Singular: λέγω ἐγὼ οὐχ ὁ κύριος. Diese Wendung wäre freilich missverstanden, wollte man in der folgenden Stellungnahme einen Widerspruch zum Gebot des κύριος erkennen. Dass in V. 10 und 11 ein Gebot des κύριος notiert wurde, ist – wie bereits erwähnt – gerade deshalb naheliegend, weil die dort abgelehnte Vorstellung die ist, dass eine religiös motivierte Scheidung zum Zweck eines wie auch immer gearteten Gottesdienstes zu fordern sei. Dies wird mit dem Hinweis auf den Willen des κύριος, dem mit der Scheidung angeblich gedient werden sollte, abgelehnt. Für die ganz anders gelagerte Problematik, die Paulus in den Versen 12–16 erörtert, hat er kein Gebot des κύριος. Dennoch spricht Paulus in der Autorität des Apostels Jesu Christi, als der er sich im Präskript mit dem ersten Satz des 1. Korintherbriefes vorgestellt hatte. Was Paulus »den Übrigen« zu sagen 83

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Paulus kennt also unterschiedliche, durch das konkrete Leben veranlasste Einschränkungen des grundsätzlich geltenden Scheidungsverbots. Er begründet diese Einschränkungen ausdrücklich, wenn er die Korinther daran erinnert, dass Gott sie ἐν εἰρήνῃ, im Frieden oder auch für den Frieden berufen hat (V. 15b).87 Es ist hier der Friede im Sinne des umfassenden ‫ ָׁשלֹום‬gemeint.88 Wo der ‫ָׁשלֹום‬ herrscht, da sind die Lebensverhältnisse in Ordnung.89 Dieser von Gott im Versöhnungsgeschehen durch Christus verschaffte Friede ist das entscheidende Kriterium für das Handeln der Christen. Der Friede ermöglicht das Leben90 und zerstört dieses nicht, weshalb er auch von lebenszerstörenden Verhältnissen befreit.91 In der korinthischen Gemeinde gibt es also offensichtlich Ehescheidungen. Die Gründe mögen vielfältig gewesen sein, sie sind uns im Einzelnen nicht bekannt. Paulus wendet sich ausdrücklich gegen eine Ehescheidung zum Zweck der sexuellen Askese, er öffnet aber die Möglichkeit der Scheidung im Fall der schon vollzogenen Trennung und der religionsverschiedenen Ehepaare. Paulus geht mit der Wirklichkeit der korinthischen Gemeinde so um, dass wohl seine restriktive Sicht hinsichtlich der Ehescheidung erkennbar wird, womit aber doch theologisch begründet eine Lebensmöglichkeit eröffnet wird. hat, ist also nicht gegen das Gebot des κύριος gerichtet, es steht diesem auch keinesfalls gleichgültig gegenüber, sondern es entspricht dem, was er als Apostel der Gemeinde in Korinth mitteilen möchte (vgl. die Formulierung in 1Kor 1,2), auch wenn er sich nicht ausdrücklich auf eine wörtliche Herrentradition berufen kann. 87 Die Präpositionen εἰς und ἐν liegen im neutestamentlichen Griechisch sehr nahe beieinander (vgl. Friedrich Blass/Albert Debrunner, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch. Bearbeitet von Friedrich Rehkopf, Göttingen 171990, § 206; vgl. auch die Hinweise bei Lindemann, Korintherbrief, 167). Mit Blick auf Röm 5,1 kann der Friede als Ziel des Versöhnungs- und Rechtfertigungsgeschehens verstanden werden (vgl. auch Charles K. Barrett, A Commentary on the First Epistle to the Corinthians, BNTC, London 1968, 166). 88 Zur Umfassendheit des Begriffs ‫ ָׁשלֹום‬vgl. Ps 85,11: ‫ֶחֶסד־ ֶוֱאֶמת ִנְפָּגׁשּו ֶצ ֶדק ְוָׁשלֹום ָנָׁשקּו‬. 89 Auch hier gilt, was Paulus im gleichen Brief noch betonen wird: οὐ γάρ ἐστιν ἀκαταστασίας ὁ θεὸς ἀλλʼ εἰρήνης (1Kor 14,33a). Wird in 1Kor 14,33 die ἀκαταστασία auf die ungeordnete und unübersetzte Zungenrede bezogen, so ist es nicht schwierig, die drohende Unordnung für den Fall zu erkennen, dass ein gläubiger Ehepartner bei einem scheidungswilligen ungläubigen Ehepartner der Scheidung nicht zustimmt. Es entstünden Streit und möglicherweise Hass, die dem Frieden, in den und für den die Christen durch Gott berufen sind, fundamental widersprechen. 90 Friede und Leben gehören im Leben der Christen nach Paulus eng zusammen (vgl. Röm 8,6: τὸ γὰρ φρόνημα τῆς σαρκὸς θάνατος, τὸ δὲ φρόνημα τοῦ πνεύματος ζωὴ καὶ εἰρήνη) und kommen durch die Rechtfertigung im Leben der Glaubenden als einem Leben im Geist zur Wirkung (vgl. den gesamten Zusammenhang in Röm 8,1–11 und Röm 5,1–2). 91 In nachneutestamentlicher Zeit wird im Bereich der christlichen Gemeinden die Trennung von einem Ehepartner bei Unzucht erwähnt (Justin, Apologie 2,2; Herm, mand IV,1,4–11). Im Hirt des Hermas wird dem des Ehebruchs überführten Ehepartner oder der Ehepartnerin eine einmalige Möglichkeit der Umkehr eingeräumt (ebd.; vgl. dazu Kleinschmidt, Ehefragen, 213–214).

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4. Hermeneutische Schlussbemerkung Die neutestamentlichen Texte stimmen darin überein, dass sie die in ihrer Umwelt beinahe durchgängig als selbstverständlich vorausgesetzte Möglichkeit der Ehescheidung mit einigem theologischen Begründungsaufwand bestreiten. Ehescheidung ist allenfalls in Einzelfällen zugelassen, und übereinstimmend wird in solchen Fällen die Wiederheirat ausgeschlossen, die in der Umwelt gerade das Ziel einer Scheidung ist. Die Ehescheidungspraxis ist aber in jedem Fall eine Realität – nicht nur in der Umwelt der christlichen Gemeinden, sondern bereits in den frühen Gemeinden selbst, wie 1Kor 7,10–11 und Mk 10,10–12 erkennen lassen. Die in den neutestamentlichen Schriften erkennbaren Stellungnahmen zur Frage nach der Ehescheidung sind keineswegs einheitlich. Schon diese Beobachtung erlaubt es nicht, aus den letztlich wenigen Texten einfache Handlungsanweisungen für die eigene Gegenwart abzuleiten. Wie in allen ethischen Fragen ist eine Orientierung gegenwärtigen Handelns an den neutestamentlichen Schriften deutlich anspruchsvoller. Für ethische Entscheidungen in der Gegenwart müssen eigene Antworten formuliert werden, die sich freilich an dem in den christlichen Ursprungstexten entfalteten Heilsgeschehen zu orientieren haben. Auch in dieser Hinsicht ist in jeder aktuellen Gegenwart eine diese Gegenwart als Kontext einbeziehende Interpretationsleistung erforderlich.92 Nach den neutestamentlichen Texten verschafft die Botschaft von der βασιλεία τοῦ θεοῦ oder paulinisch das Evangelium von Jesus Christus einen veränderten Blick auf die konkrete Lebensgestaltung, der sich mit der je gängigen Scheidungspraxis nicht zufriedengibt. Dies geschieht keineswegs einheitlich und in Teilen durchaus mit problematischen Konsequenzen. Dennoch ist der Versuch aller diskutierten Texte deutlich, konkreten Einfluss auf die Lebenspraxis ihrer Adressaten zu gewinnen und so die Lebensstrukturen im Sinne ihres Christusglaubens ihrerseits zu prägen. Die neutestamentlichen Texte verschaffen einen Einblick in die tatsächliche Lebensgestaltung der ersten christlichen Gemeinden. Die in den synoptischen Evangelien und bei Paulus notierten Hinweise zur Ehescheidung spiegeln kaum umfassend die Ehescheidungspraxis in den jeweiligen Gemeinden,93 auf die sie allenfalls selektiv und kritisch reagieren. In diesen Texten ist aber auch zumindest ein Teil des Diskurses erkennbar, über den die neutestamentlichen Autoren bzw. die an der Entwicklung der TraDie neutestamentlichen Stellungnahmen bieten eben solche kontextabhängigen Interpretationsleistungen in allen Texten, die sich zur Ehescheidung äußern. Ihre Kontextgebundenheit ist gerade in ihren unterschiedlichen Akzentuierungen klar zu erkennen. 93 Luz, Matthäus I/1, 275 möchte im Anschluss an Mt 5,31–32 »die Eherechtspraxis der matthäischen Gemeinde« erkennen. Der Verfasser des Matthäusevangeliums teilt freilich eher seine eigene, durchaus radikale Sicht hinsichtlich der Frage nach der Ehescheidung mit. Auf eine konkrete Praxis in einer bestimmten Gemeinde lässt sich im Anschluss an diesen Text noch nicht schließen. 92

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ditionen Beteiligten die Lebensverhältnisse bewerten und prägen wollten. Die mit den neutestamentlichen Texten gestellte Aufgabe ist es, den Schöpferwillen und das Erlösungs- und Befreiungshandeln Gottes im Christusgeschehen, die sich in ihrer Perspektive auf das Leben entsprechen, miteinander mit Blick auf die konkreten Gegebenheiten zu verbinden. Das war in der Antike eine Herausforderung und bleibt es für die Frage nach den christlichen Lebensformen bis in die Gegenwart. Das Kriterium des umfassenden Friedens ist dabei ein Kriterium für das Handeln der Glaubenden, das jeder formalen Argumentation theologisch weit überlegen ist.

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Introduction It is well known that there were several, rather different social institutions in the ancient world that all fall under what we call »family«. Thus in an excellent discussion and overview that summarized the most recent studies of »family« among historians of the ancient world, Halvor Moxnes in 1997 identified at least the following three phenomena under the concept: the »household«, »kinship« and the »family« in a narrower sense as constituted by marriage.1 In this essay I aim to focus on a single corner of this broad field: »family« as constituted by marriage, and in particular the sexual rela­tion­ship between husband and wife that forms a central part of marriage. In fact, the focus is even nar­rower since I will concentrate on a single figure: Paul. However, the theme of Paul’s understanding of marriage and sex is in fact quite large since it immediately brings in his understanding of the human body in all its aspects, including his two favoured designations for it: sȏma (»body«) and sarx (»flesh«). Seen in that way, Paul’s re­marks on marriage and sex contain in a nutshell his whole »theology«, that is, his whole com­pre­hensive understanding of God and Christ, the world, human beings, the past, the present and the fu­ture. Our overall theme, then, will be to see precisely how all these features of Paul’s general world-view are played out in what he says about marriage and sex.2 See Halvor Moxnes, What is Family? Problems in Constructing Early Christian Families, in: Halvor Moxnes (Hrsg.), Constructing Early Christian Families. Family as Social Reality and Metaphor, London/New York 1997, 13–41. 2 The literature on Paul, sex and marriage is of course huge. Important for my own work have been the following works: David L. Balch, 1Cor 7,32–35 and Stoic debates about Marriage, Anxiety, and Distraction, in: JBL 102 (1983), 429–439; Will Deming, Paul on Marriage and Celibacy. The Hellenistic Background of 1 Corinthians 7, Society of New Testament Studies 83, Cambridge 1995; Konrad Gaiser, Für und wider die Ehe, Dialog mit der Antike 1, München 1974; William Loader, The New Testament on Sexuality, Grand Rapids, Mich./Cambridge, UK 2012, ch. 4; Dale B. Martin, The Corinthian Body, New Haven/London 1995, ch. 8; Dale B. Martin, Paul without Passion. On Paul’s Rejection of Desire in Sex and Marriage, in: Halvor Moxnes (Hrsg.), Constructing Early Christian Families. Family as Social Reality and Metaphor, London/New York 1997, 201–215; Anthony C. Thiselton, The First Epistle to the Corinthians, NIGTC, Grand Rapids, Mich. 2000. 1

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Few texts preserved for us from the ancient world speak so reflectively about sexual relations in and out of marriage as do 1 Corinthians chapters 5–7. One other comparable text that comes to mind is Plutarch’s treatise Amatorius or On Love. 3 Both texts discuss issues of gender in relation to sexual relations. Both address the explicitly sexual, that is, bodily, character of the marital relation­s hip. And both also relate – though in im­mensely dif­fer­ent ways – human sexual relations to the divine, whether Eros and Aphrodite or the Jewish God. A detailed comparison of these two texts would be highly illuminating. Here, how­ever, my aim is far more restricted. In the first half of the essay I will situate Paul’s view of sex in mar­r iage within his wider, theological understanding of the human physical body of sarx and sȏma. In the second half I will show, in relation to 1 Thessalonians 4 and 1 Corinthians 5–7, that although Paul did »condone« sex in marriage, his »apocalyp­t i­c ism« gave him a quite nega­t ive view of it as something belonging to the present kosmos that would very soon go away.

1. Sarx and Sôma: Partial Overlap and Some Differentiation The two concepts of sarx and sȏma, which are so pervasive in Paul, differ in one respect, but are also far more closely similar than, for instance, Rudolf Bultmann would allow in his classic treat­ment.4 Both basically refer to the human, physical body of flesh and blood or, as Danker has it, the »living body« of human beings.5 The difference lies in the valorization. Whereas sarx has either neutral or negative connotations, and the same generally holds of sȏma, the latter may also be used in two (possibly connected) ways that give the term a more positive connotation. For the neu­tral and negative connotations of sarx, see, e. g., 1Cor 15,39 (neutral: on different earthly types of body) and 15,50 (negative: flesh and blood cannot inherit the kingdom of God). For the neutral and negative connotations of sȏma, see, e. g., 1Cor 15,40 (neutral: on the heavenly »bodies«) and Rom 7,25 (nega­tive: the »body of death«). How­ever, in a few pas­sages sȏma is also used in a far more posi­tive sense, as in the expression »pneu­matic sȏma« in 1Cor 15,44 or in the talk of »a single sȏma« of all Christ believers (Rom 12,5; 1Cor 10,17; 12,13 and 27). Here the latter use may well be con­nected with the former, in that it is

3 See, e. g., the recent edition with full annotation and interpretive essays: Plutarch, Dialog über die Liebe. Hrsg. v. Herwig Görgemanns, SAPERE 10, Tübingen 22011. 4 Rudolf Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 91984, 193–203 and 232–253. An extensive account of the history of research is Robert Jewett, Paul’s Anthropological Terms, Arbeiten zur Geschichte des antiken Judentums und des Christentums 10, Leiden 1971, 49–166 and 201–304. 5 See Frederick William Danker, A Greek-English Lexicon of the New Testament and other Early Christian Literature, Chicago 32000, 983.

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the pneuma (to be found in a »pneumatic sȏma«) that makes all Christ be­lievers part of a single sȏma.6 In any case, sȏma differs from sarx by allowing for the more positive use. By con­trast, it would prob­ably be a Pauline con­tradiction in terms were one to speak of a »pneumatic sarx«. Sarx is already either neutral or negative, presumably because it refers to the distinctly earthly form of the body and just that. So far, then, one might say that sȏma simply stands for »material body« of some form, which might then consist of several different types of matter: flesh and blood or pneuma. It is along these lines that Bultmann construed the sȏma as being sharply different from sarx in that sȏma refers to the »I« or »person« who, as bodily (in some form), is able to relate to the body in this or the other way.7 It is clear, how­ever, from Bultmann’s own account that such a modern, philosophical read­ing has dif ­fi culties with Paul’s own far more directly material way of thinking, both when he speaks of sȏma as made up of the usual matter of flesh and blood and also when he speaks of the directly ma­terial side of the »pneumatic« sȏma.8 It is much better, therefore, to think of Paul’s understanding of the concept of sȏma as first and foremost referring to the physical body of flesh and blood – but then also as capable of being extended into the special notion of a »pneu­matic sȏma«, which is pre­cise­ly the physical body of flesh and blood as transformed by the (material) pneuma. What this argument shows is that there is a very large overlap between sarx and sȏma in Paul as connoting »physical body of flesh and blood«. However, the fact that the concept of sarx, in par­ti­cular, does not allow for a positive transformation also serves to raise the philosophical ques­tion, as Bult­mann also saw, what it is about the sarx (and, we may now add, sȏma) in the neutral sense that makes them both come out also with a negative valoriza­tion. To answer this question, we need to look carefully at some of Paul’s lists of sinful behaviour (tra­di­tionally called »vice lists«). Can we detect a certain rationale behind the various items in these lists that explains the negative valoriza­tion by tying them back to the physical body of flesh and blood?

2. The Root of the Different Types of Sinful Behaviour – a Stoic Premiss A very good example of what Paul is after is the list of sinful types of activity (erga tȇs sarkos) given in Gal 5,19–21, which is then explicitly contrasted with 6 I am relying here on my own analysis of Paul’s understanding of the pneuma in: Troels Engberg-Pedersen, Cosmology and Self in the Apostle Paul. The Material Spirit, Oxford 2010. 7 See Bultmann, Theologie, 196–203. 8 Note how Bultmann twice (p. 193 and 203) characterizes an approach to Paul’s use of sôma that builds, e. g., on the straightforwardly physical use of the term in 1Cor 15,35ff., 2Cor 5,1ff.; 12,2–4 and, not least, 1Cor 7,1–7 as »metho­disch falsch«.

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a »virtue list« in 5,22–23.9 In the negative list there are basically three types of sinful activity: activities distinctly connected with the body of flesh and blood (porneia, akatharsia, aselgeia, methai, kȏmoi), a few activities connected with false gods (eidȏlolatria, pharmakeia) and a considerable amount of ac­tivities that are »counter-social« (the rest). Is it possible to find a single root here? Here we may be distinctly helped by bringing in a basic idea in Stoic ethics that lies at the root of their theory of oikeiȏsis, that is, the manner in which human beings may develop from hav­ing the initial valorization of the child (which may, in fact, unfortunately continue also in grown-ups) to having the entirely different valorization that goes into a mature form of morality.10 A quo­ta­tion from Cicero De Finibus 3.16 will show what is meant. »It is the view of those whose system I adopt, that immediately upon birth (for that is the proper point to start from) a living creature feels an attachment for itself (ipsum sibi conciliari), and a commendation (commendari) towards preserving itself and loving (diligere) its own constitution (status) and those things which tend to preserve that constitution; while on the other hand it con­ceives an antipathy (alienari) to destruction and to those things which appear to threaten de­struc­tion. In proof of this they urge that infants desire (appetere) things conducive to their health and reject things that are the opposite before they have ever felt pleasure or pain; this would not be the case, unless they felt love for (diligere) their own constitution and were afraid of destruction. But it would be impossible that they should feel desire (appetere) at all unless they possessed self-con­scious­ness (sensus sui), and as a result of this (eoque) loved themselves (diligere se). This leads to the conclusion that it is love of self (se diligere) which supplies the starting-point«.11

I have quoted extensively here to let the reader see the basic point of the Stoic theory. There are two things to be noted. The first is that the theory is intended to pro­vide an ex­planation of any kind of action by infants as rooted in some form of elementary »desire« (appe­tere). The other thing is that this desire is not a desire for pleasure since the expla­na­tion given for the desire invokes two combined things, first a rudimentary form of »self-con­scious­ness« (sensus sui), which lies behind what the text calls »love of self« (diligere se), 9 The negative list runs as follows (my tr.): »sexual immorality (porneia), uncleanness (akatharsia), wanton­ness (aselgeia), idolatry (eidȏlo­latria), the cast­ing of spells (pharmakeia), enmities (echthrai), strife (eris), emulation (zȇlos), fits of anger (thymoi), selfish intrigues (eritheiai), dissensions (dicho­stasiai), factions (haireseis), cases of ill will (phthonoi), drunkenness (methai), partying (kȏmoi) and similar things«. 10 I studied this concept in: Troels Engberg-Pedersen, The Stoic Theory of Oikeiosis. Moral Development and Social Interaction in Early Stoic Philosophy, Aarhus 1990. For some of the central sources and incisive discussion see also Antony A. Long/David N. Sedley, The Hellenistic Philosophers 1, Cambridge 1987, 346–354. 11 Cicero, De Finibus. Tr. H. Rackham, LCL Cicero 17, Cambridge, Mass./London 1914, with some changes and Latin keywords added.

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and second­ly an awareness of the child’s own »con­stitution« (status), which is nothing other than the physical body. In the light of this par­ti­cular awareness of one’s own body, things in the world are di­vided up into things that tend to preserve that constitution and things that threaten its destruction. Thus the basic »desire« is for pre­servation, not pleasure. What we have seen here is the idea of a fundamental self-referentiality behind all human action, which includes an awareness of the individual person’s own body. Let us speak of this as »self- and body-orientation at stage 1« (SBO1). The Stoic idea is that this type of orientation towards one’s »self« and its »constitution« lies behind any kind of human action, no mat­ter how much a human be­ing may eventually develop and change its understanding of its own »self« and what its »consti­tu­tion« actually is. On the Stoic view – and they were surely right – the SBO1 remains in place all through as the basic feature of human beings that explains action. What happens next on the Stoic picture is that as a human being grows up, he or she may ex­tend SBO1 so that it becomes the orientation that governs all the person’s acts in the wider range of actions that now become possible for the grown-up person.12 Where the newborn baby has a very limited range of possible actions, the grown-up person has a far wider range that will, among other things, directly impinge on other people. Still, if SBO1 is only extended (as opposed to changed, see in a moment), it will remain a developed (because more self-conscious) form of »self- and body-orientation« though now at stage 2 (SBO2). This type of orientation lies behind all acts that are either focused on the agent’s own body or on obtaining as many »goods« (preferred things) as pos­sible for oneself as opposed to others. In Stoicism such acts are expressions of the vices and it will be immediately clear that the two basic forms of vicious (»moral« as opposed to »religious«) act types listed by Paul in Gal 5,19–21 also fill the bill completely. Here there is a full or developed SBO as at stage 2, which accounts for the two basic vices that Bultmann also identified as Sinn­lich­keit and Selbstsucht.13 But the Stoics also wanted to say that these types of acts in a way remain at the level of the child even though the grown-up person has had the chance to do much better. SBO2 is precisely an extension in a single direction of SBO1, where other developments would also have been pos­sible. It is different, then, with morally good acts, which are based on a re­inter­ pre­ta­tion of the »self« and its »con­sti­tu­tion« (what the »self« fundamentally is) as a being who is rational (has rea­son) and who is therefore oriented towards Nature as a whole (which in Stoicism is also God). Such a re­inter­pretation will radi­cal­ly relativize any concern that the agent might have for obtaining things in the world for his or her own body or generally for him- or her­self. As part of that reorientation, morally good acts are fundamentally other-regarding since they re­flect an under­standing of others as being com­pletely on a par with one12 13

See for this Engberg-Pedersen, The Stoic Theory, ch. 4. See Bultmann, Theologie, 239.

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self (since all humans are precisely that: rational beings). It is very im­por­tant to see, however, that even with this reinterpretation of the »self« and its »constitution«, the underlying SBO1 remains in place. That is what explains the fact that human beings who have gone through this reorientation may actually act on behalf of others. It is also what explains the crucial fact that even when a fully grown-up human being may be suffused with all those virtues that are essentially other-regarding, he or she (the »wise person«) may also from time to time – when it is, as it were, allowed for by considerations for the whole of Nature – act on his or her own behalf in re­lation to bodily or other goods. However, such goods are no longer real »goods«. They are »in­dif­fer­ent« (adiaphora) in the sense that the »wise person« (as distinct from the vicious one) is precisely not oriented towards getting such things for oneself, but instead towards doing what is right with regard to Nature or the world as a whole. Still, some »indifferents« are also »preferable« (proêgmena – and indeed ob­jectively so) as seen in relation to the physical body of the »wise person«. Corres­pond­ing­ly, some »indifferents« are »dis-preferable« (apoproêgmena – and again objectively so). And so, where it is possible and allowed for, the »wise person« will (also) act to obtain »preferable indif­fer­ents« (but will not regret it if she fails). All of this will in fact turn out to be highly relevant to Paul. Right now we must focus on what it shows about the root of sinful behaviour within Paul’s own understanding. The Stoics brought the vicious SBO at level 2 back to the sheer fact of the physical bodiliness of human beings in their theory about SBO1 as a basic human phenomenon. Do we find something similar in Paul? Did Paul also take it that the sheer fact of the physical bodiliness of human beings lies behind and accounts for vicious acts of the kind identified by the Stoics at SBO2 and listed by Paul in Gal 5,19–21? Con­versely, did he even think that the sheer fact of the physical bodiliness of human beings (sȏma and sarx in a neutral sense) necessarily led to such acts (as ex­pressions of sȏma and sarx in a negative sense)?

3. The Root of the Different Types of Sinful Behaviour – Paul in Galatians Paul does not, of course, explicitly operate with the double form of SBO that we have articulated on the basis of the Stoic theory. But we may use that theory to ask whether he is in fact talking – in the terminology of the Stoic theory – of SBO2 only or of SBO2 together with SBO1, which is an in­trinsic part of the physical body of flesh and blood. To put it differently, is he only talking, in the list of »acts of the flesh« he gives in Gal 5,19–21, of a misuse of the physical body? Or does he want to get rid of those acts together with their root: the physical body as such? The latter suggestion may seem counterintuitive. But in fact we know from else­where, viz. 1 Corinthians 15, that in the escha­to­logical picture »flesh and blood cannot inherit the Kingdom of God« (15,50) and what does in­ herit the kingdom is the physical body of flesh and blood as transformed by the

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pneuma.14 That holds, of course, for the final consummation. The pos­sibility we should explore is whether this picture was taken back by Paul into the life of Christ believers in the present and if so how. For reasons of space we unfortunately need to be very brisk here. I shall present a few initial arguments for the claim that a broader reading of Galatians shows that Paul saw the listed »acts of the flesh« as a »natural« and »necessary« expression of the physical body of flesh and blood as such, in other words, that he too, like the Stoics, would refer SBO2 back to an original SBO1 that is in­trinsic to having such a body. In that case, however, unlike the Stoics, who allowed for the pos­si­b­il­ity of a transforma­tion of the »self« and its »constitution« even among human beings of flesh and blood, when Paul wanted to get rid of the »acts of the flesh« at the level of SBO2, he in fact also wanted to get rid of the physical body itself that gave rise to those acts. For him there was no use of the phys­ical body that was wholly unproblematically »good«. First, in 5,24 Paul speaks of Christ believers as having »crucified the flesh with its passions and desires«. If we here take the passions and desires (at SBO2) not as defining the flesh, but as brought about by it (after all, he speaks of the flesh together with the passions and desires), then what Christ believers have crucified are not just the passions and desires them­selves (the misuse), but also the physical body which gives rise to them. Second, in the same verse, Paul speaks of »crucifying the flesh«. Though obviously metaphor­ical in its use here, this phrase does not seem to leave very much behind of the flesh once the opera­tion has been performed. Note in addition that Paul is here speaking of the present: Christ be­lievers have already crucified the flesh. Third, at 2,19–20 Paul describes the same process as applied to himself: I have been crucified with Christ; I no longer live. This immediately reminds one of the fundamental notion of an »I« or »self« that underlies and is spelled out in the Stoic theory of SBO1. In that case, the fact that he has been »crucified with Christ« means that the whole orien­ta­tion to­wards a »self« and the physical con­ stitution of that self that was part of Paul’s physical bodiliness to begin with has by now been can­celled or annulled. Fourth, at 6,14 Paul again states that »I« have been crucified and here to the whole world (the kosmos). Since in Paul’s cosmological world-view anything that is made up of flesh and blood will be part of the present kosmos, the implication is once again that all flesh and blood, including Paul’s own body, has been left behind. So far, then, we may conclude that there are indications in Galatians that Paul was prepared to go much further away from the »self« in its physical, bodily form than what we meet in Stoicism just because he saw physical bodiliness as the root of a form of SBO that would necessarily result in vici­ous acts. Would such a po­sition be surprising? In fact not. For the whole of Galatians is framed 14

For arguments for this reading of the sôma pneumatikon, see my Cosmology, ch. 1.

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by the »apo­calyptic« stance that Paul is drawing on in 6,14 at the end of the let­ter, just as he has em­phatically introduced it at its be­gin­ning when he states that Christ has acted to »extract us from the present evil age« (1,4). It seems likely that Paul wanted this fun­da­mental, eschatological picture to be di­rect­ly re­flected in the way he and his Christ be­lievers should also see themselves and their acts here and now.

4. The Root of the Different Types of Sinful Behaviour – Paul in Romans In Romans we find a similar picture. Rom 1,18–2,8 contains a list of vicious acts (1,29–31) that bear witness to a false = self-directed orientation vis-à-vis (a) others and (b) God. The list is preceded by an account (1,24–27) of (c) certain vicious types of act that are distinctly bodi­ly, because sexual. Thus we find all three types of vicious acts that we met in Gal 5,19–21. However, while all the »moral« ones (a and c) belong under SBO2, they are summarized at 2,8 under the single vice of eri­theia, that is, »selfishness« or »self-concern«, and not under anything that focuses distinctly on the physical body. This fact raises two sets of questions. First, are there indications else­where in Romans that Paul did want to tie all forms of sinful be­haviour in with the physical body of flesh and blood, that is, to con­clude back from SBO2 to SBO1 and the sheer fact of phys­ical bodi­liness? Conversely, are there indications that any type of behaviour that is tied to the physical body of flesh and blood, which in itself implies SBO1, is eo ipso necessarily sinful? The second question is prompted by two thoughts. One is that in Rom 1,26 Paul implies that in addition to the kind of »use« (chrȇsis) of the body in sexual matters that is »against nature« (para chrȇsin), there is another one that is »natural« (tȇn physikȇn chrȇsin). So, not every use of the body is apparently a misuse. The other thought is that although Paul does his best in Romans 1–3 to de­scribe both non-Christ-believing Gentiles and Jews as being more or less completely wedded to sinful activity (as we know, they are »all under sin«, 3,9), he clearly would not rule out that from time to time they might in fact »do good« (2,9). Indeed, he even states that (some) Gentiles may »by nature« do what the (Mosaic) law requires (2,14). Again, the physical body apparently does not always prevent people from doing good. So, perhaps it is not intrinsically sinful after all? However, there is one passage in Romans that shows that Paul did see the physical body as being intrinsically sinful: his famous analysis of »weakness of the will« (akrasia) in Rom 7,7–25, which leads into his account in 8,1–13 of the »pneu­ma­tic« state in which such weakness has been over­come.15 Two fea­ I am relying here on my own discussion of this crucial passage in: Troels EngbergPedersen, The Reception of Graeco-Roman Culture in the New Testament: The Case of

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tures are especially relevant in this text. The first is that the phenomenon it ad­dresses is that of »desire« (epi­thymia, 7,7–8), which it immediately connects with »sin« (hamartia, 7,7 and through­out). In itself this does not tell us much since »desire« may mean many things. The second feature, however, lies in the fact that the kind of sin discussed here, namely, »desire«, is specif­ic­ally tied to the body of flesh and blood in such a manner that it will be inerad­ic­ably present when­ever there is such a body. This is spelled out in 7,14–25, which begins from stat­ing that the person who is being de­scribed is »fleshly« (sarkinos, 7,14), ends up by hav­ing him ask who will rescue him from »this body (!, sȏma) of death« (7,24) and in the intervening passage literally situ­ates sin in the bodily »limbs« (7,23). The psychological agony that Paul spells out so force­fully in the pas­sage is precisely that of a per­son who sees (without being able to control it) his body acting on its own against everything that he himself wills in his mind. If we connect this analysis of the change from a pre-Christ-believing state to the fully »pneu­matic« state described in 8,1–13 with the accounts of sinful, fleshly behaviour we came across in Gal 5,19–21 and Rom 1,18–32, there is one very clear conclusion to be drawn.16 Human beings who do not have the pneuma in them all funda­men­tally belong on the wrong side of the fence that separates sin and death from the kind of »life« that is brought in and vouched for by the pneuma. And why? Because they have a body of flesh and blood, as this is described in Rom 7,7–25. That is, just by having a body of flesh and blood, human beings are necessarily sinners. Sinful SBO2 (or at least, the constant, inalienable risk of that) follows necessarily from the SBO1 that is part and parcel of having a physical body of flesh and blood. Read in this way, Rom 7,7–25 spells out the bodily basis for Paul’s claim in 1,18–3,20 that all human beings (Jews as well as Gentiles) who have not responded to the Christ event are inextricably »under sin« (3,9). Just by having a body of flesh and blood, they are invariably exposed to realizing that there is »sin in their limbs«. The risk of porneia and all the remaining self-oriented vicious acts can never be eradicated. This conclusion is strongly supported by Paul’s remarks in 8,1–13 concerning those who do have the pneuma and have therefore come out on the other side of the fence. Not only do they »walk […] in accordance with (kata) the pneuma« (8,4) or »are […] in (en) the pneuma« (8,9) when »God’s pneuma«, »Christ’s pneuma« and indeed Christ himself »lives« or is »in you« (8,9–10). No, when these things obtain, their »body is dead« (to […] sȏma nekron, 8,10). That, then, is what re­moves them from being under the risk of sinning. But is their body completely and really dead? Of course not. This term is used in the Romans 7.7–25, in: Mogens Müller/Henrik Tronier (Hrsg.), The New Testament as Reception, JSNT Suppl. Ser. 230, Sheffield 2002, 32–57 (with references to the most pertinent literature). 16 I am presupposing here (as we know since Werner Georg Kümmel) that Rom 7,7–25 describes a pre-Christ-believing Jew – as seen from Paul’s post-Christ-believing perspective.

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same quasi-meta­phorical way as the term »crucify« in Gal 5,24. That is also the reason why Paul may go on in a more directly paraenetical mood in 8,13 to enjoin the Romans to »put the acts of the body (tas praxeis tou sȏmatos) to death by means of the pneuma«. Still, while the body does remain alive in a rudimentary sense, it is, for all intents and purposes, dead – or as if it were dead;17 correspond­ing­ly, any acts of the body should be put to death.18 Here we see that Paul did think of the final, eschato­log­ical transformation, which he incidentally spells out wholly explicitly in 8,11 (just after 8,9–10), as playing di­rectly back into the lives of Christ believers here and now. For Paul, then, all forms of behaviour that reflect the body of flesh and blood are eo ipso in principle sinful. They are all necessarily liable to fit in under the description given of them in Rom 7,7–25. This conclusion also answers the two additional questions we asked. First, it is not just illicit forms of sexual behaviour – those Paul spoke of in Rom 1,16 as being »against nature« – that are in principle sinful and to be eradicated: all forms are (including the »natural use« of the body in sexual matters, 1,26), since they all run the risk of turning into genu­ine cases of sin. Second, the same holds for any good forms of other-regarding activity that is not directly based in the body but is done by people who do not have the pneuma in them. They will all ultimately be based in the SBO at level 1 that is intrinsic to having a physical body. And so the risk is always there that they may turn into cases of sin. We asked what it is about both sarx and sȏma in the neutral sense that makes them both come out also with a negative valoriza­tion. And we now know the answer. The physical body of flesh and blood (x) is necessarily sinful since it contains as an in­trin­sic part of itself an orientation towards a »self« and the bodily constitution of that »self« (y, SBO1) that constantly runs the risk of leading to acts that are vicious by expressing a full orientation to­wards the bodily self (z, SBO2) that underlies »desire« (epithymia) and may be identified in more modern terms as an orientation towards Sinn­lichkeit and Selbstsucht. Against this background, we may now consider Paul’s view of sex in marriage. If any kind of bodily behaviour, including sexual behaviour, is in principle sinful, then how could Paul have any­t hing but a negative view of sex even in marriage? Also, if he in principle wanted to do away al­to­gether with the physical body of flesh and blood and its praxeis, and if action in this world depends – as the Stoic theory sensibly had it – on just such a body and its SBO at level 1, then how at a more general level will human beings who are governed by the pneuma be at all able to act? Note here how the text almost forces one to paraphrase its meaning by using a phrase (»as if«) that will turn centrally up in Paul’s account of sexual activity in 1 Corinthians 7. 18 That there is no inconsistency between claiming that the body is dead and telling people to put its praxeis to death reflects the precise logical character of Pauline paraenesis. 17

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5. 1Thess 4,3–8: Sex in Holiness and Honour It is natural to begin with the earlier letter, 1 Thessalonians. Two points about 1Thess 4,3–8 are of special interest here. First, Paul enjoins the Thes­sa­lonian men to have sex with their own wives only and »in holiness (hagiasmos) and hon­our (timȇ)« and so to abstain from three things whose inner connection is not immediately obvious: porneia (4,3), having sex (even with their own wives) »in the passion of de­sire« (4,5) and having sex with a »brother’s« wife (4,6).19 Here it is prob­able that we should take the initial re­fer­ence to porneia as an umbrella term for the two further re­strictions that are then speci­fied. As the Thessalo­nians’ »holiness« (hagiasmos) stands to porneia (4,3), so their having sex with their own wives »in holiness (again hagiasmos) and honour« (4,4) seems to stand to their having it »in the passion of desire« (4,5). And having sex with a »brother’s« wife will directly fall under por­neia, that is, an illicit form of sex. Thus both Bultmann’s Sinn­lich­keit (»in the passion of desire«) and his Selbstsucht (with a »brother’s« wife) are singled out here as cases of porneia or illicit sex. The other important point is that Paul does his utmost to place sex in marriage under the per­spective of God. His whole injunction is an expression of »God’s will« (4,3), which is precisely »your holiness« (4,3 and again 4,4). The enjoined behaviour is contrasted with that of the Gen­tiles »who do not know God« (4,5). God will punish the kind of behaviour Paul rejects (4,6). Indeed, God »has called you, not for uncleanness (akatharsia), but in holiness (again ha­gias­ mos)« (4,7). Finally, anyone who rejects what Paul has just attempted to enforce will thereby reject »God who also sends his own pneuma into you« (4,8). It is difficult to think of any more powerful form of sanction behind Paul’s exhortation. How, then, does Paul imagine the Thessalonians’ having sex with their wives »in holiness and honour«? Would the Thessalonians themselves know? It would have been quite clear to them what they must not do. But would they know how to put Paul’s positive injunction into practice? One thing is »in honour«. Here they might perhaps understand what is meant. And later Christians might get some help from 1Petr 3,7, which enjoins the men to »give honour (timȇ )« to their wives »as co-inheritors of the gift of life so that your prayers will not be hindered«, an injunction which may or may not reflect what Paul himself had in mind. But what about the constant reference to »holi­ness«, which also chimes in with Paul’s earlier and later wish in the letter that God may make the Thes­sa­lonians »blameless in holiness (hagiȏsynȇ)« at the parousia (3,13) or again »may sanctify (hagiasai) you completely« so that »your whole pneuma and soul and body may be preserved blamelessly« at the parousia (5,23)? How, within such a general per­spec­tive, might the Thessalo­nians have sex with their 19 For this interpretation of 4,6 see, e. g., the convincing discussion in Abraham J. Malherbe, The Letters to the Thessalonians, The Anchor Bible 32B, New York 2000, 231–233.

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wives in »holiness«? Only Paul knows (one may guess). What the text suggests (if nothing more) is that in addi­tion to abstaining from porneia – an abstention that means having sex »without the passion of desire« and not infringing on a brother’s marriage – there is a particular way of having it that re­flects God’s will to »holiness«. Exactly what that way was is not made clear. And that may in fact be part of Paul’s point. It is difficult to get rid of the sense that in order to live up to God’s will for »holiness« and to having the pneuma which he was constantly giving them, the Thessalonian men should have as little sex as pos­sible, or at least pay as little attention to it as at all possible. Instead, their attention should be directed else­where: towards God (for »holiness«) and towards their wives (?, for »honour«). To understand this further we may ask what is actually meant by the last item in Paul’s triad: »(i) in holiness and (ii) in honour (and) (iii) not in the passion of desire« (4,4–5). Dale Martin has argued that it means what it says: without desire. »We must take Paul at his word and not attempt to make him say that he is opposing not desire but inordinate desire«.20 Martin’s idea is that Paul may have had the notion of a sexual »inclination« or »urge« that is not a full »desire«. The former might then be acted on, but the latter should be quenched. This would correspond to the distinction be­tween SBO2 (»the passion of desire«) and SBO1 (a purely bodily inclination or urge: appetere in Cicero) that we developed on the basis of Stoic theory. In fact, in a later ver­sion of the argument Mar­tin explicitly connects the idea he ascribes to Paul with Sto­i­cism.21 How­ever, can we be sure that what Paul was against here was only SBO2? It is quite true that the Stoics re­served both the terms of »passion« (pathos) and »desire« (epithymia) to that level, whereas they spoke of orexeis (»inclinations«) and hormai (»urges«) at level 1. But do we know that Paul would not have termed even such in­cli­na­tions and urges »de­sires« (epithymiai), par­ticularly since he had not drawn the explicit distinction between SBO1 and SBO2, and since the term »de­sire« had a wide range of uses in Greek without being tied to any particular philo­sophical sys­tem? In other words, while Paul definitely re­jected SBO2, he might also have seen any expression of the physical body that verged on something like »desire« as be­ing in­cluded in his own ban on »the passion of desire«, which would then cover both SBO2 and SBO1. Which reading should one choose? Here I would tentatively suggest that the latter reading may be preferable – and actually more in line with the claim made by Martin himself. The reason is partly that it connects so well with the strong emphasis in the passage on religious »holiness« and partly that it is completely consistent with Paul’s valorization of the physical body of flesh and blood as we have developed it before coming to the present passage. That body unfortunately exists as part of »this kosmos«. But it will eventually be completely overcome – actually, one supposes, when Christ be­lievers will be snatched up 20 21

Martin, Corinthian Body, 216 (Martin’s italics). See Martin, Paul Without Passion, 205–207.

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into the clouds to meet the Lord in the air, as Paul goes im­me­diately on to say in 1Thess 4,17. Meanwhile, Christ believers should use the pneu­ma that they also possess – indeed, the pneuma that God is constantly giving them according to 4,8 – to reduce the body’s »natural« urges to a minimum and to direct their attention away from any such practice.

6. 1 Corinthians 5–6: Paul against Sexual and Moral Sins – But Also Much More Than That We saw that in Galatians 5 and Romans 1, Paul was explicitly talking of illicit sexual relations, just as the types of non-sexual relations with others that he castigates are precisely those that are vici­ous, because self-serving. But we also saw that there were indications that he was in fact talking of all »acts of the body« (praxeis tou sȏmatos, Rom 8,13), which would in principle be sinful even though they might not all be »unnatural« and »illicit«. Similarly, in 1 Corinthians 5–6, where he is again primarily con­cerned with sexual relations, it is precisely illicit sexual relations that are his topic. We shall see, however, that it does not follow that there are other types of be­haviour in sexual matters that are fine, good and in general just »licit«. In fact, 1Cor 6,12–20, in particular, com­ pli­cates con­siderably Paul’s supposedly exclusive focus on the »illicit« types of sexual behaviour in chapters 5–6. Before we come to that we may just note that in 1Cor 5,1–6,11 Paul is working with the same kind of triad that we already know so well, for instance in 5,10 and 11 and 6,9–10. There are first sexually misbehaving people (pornoi, 5,10–11; 6,9), then people who are »greedy« (pleonektai, 5,10–11; 6,10) in nonsexual, other-regarding relationships and finally people who have the wrong religious orientation and are »idolaters« (eidȏlolatrai, 5,10–11; 6,9). This pattern trades on the in­timate relationship between the »self« and the body at the level of SBO2 and on the contrast that Paul saw between that and the proper di­rected­ ness elsewhere: towards the real God. Next, in 6,12–20, Paul is osten­sibly arguing once more against porneia. That may seem a bit strange since he has already done that quite extensively. What is more, it appears that in 6,12–20 he uses arguments against porneia that are too strong, namely, so that they might equally well be used against any kind of sexual relationship. To see this we again need to be very brisk. First, Paul at one point states that the body as a whole (as distinct from the stomach) is not for porneia, but for the Lord and vice versa (6,13b). This striking claim suggests that the handling of one’s body as a whole must be directly ori­ented towards the Lord. Is that possible when a person has sex? Chapter 7 will suggest that it is not (see 7,5 and 32–34). Second, one must handle one’s physical body in the light of the fact that God has re­sur­rected the Lord »and will also resurrect us through his power« (6,14). That power is the pneuma. So, one must handle one’s physical

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body in the light of the fact that when resurrected it will be transformed into a body that is pneu­ma­tic, as Paul shows later in the letter (chapter 15). Is that at all possible when a person has sex? Third, Paul later contrasts the one who has sex with a prostitute and is »one body« with her (6,16a) with the one who »has sex with the Lord« and is »one pneuma with him« (6,17).22 Does this contrast not pertain to anybody who has sex? Fourth, in drawing that contrast and in support of his claim about having sex with a prostitute, Paul cites a passage in Scrip­ture (»The two shall become one flesh«, 6,16b) that is usually brought in to explain the sex­ual re­lationship in marriage. So, do the two basically come to the same thing? Fifth, when Paul contrasts all other sins a human being may make as being »outside the body« with the person who commits porneia and thereby »sins against his own body« (6,18), does the body-directedness of the latter not spill over into any kind of sex? Finally, Paul concludes chapter 6 by emphasizing the entirely new and changed form that the Cor­inthians’ bodies have (and should have) due to the fact that they con­stitute a »temple for the holy pneuma that is in you« (6,19). It remains true, as Paul began (6,12), that »All is allowed for me«, but we now understand that this in fact only holds as things are decided for them by God.23 Thus they are in fact not free to use their physical bodies the way they would like. Instead, they must use them to »praise God with your body« (6,20). Can they do that while having sex? Again chapter 7 suggests not (7,5). The claim here is certainly not that in 1Cor 6,12–20, Paul is arguing against all kinds of sex­ual behaviour. He is very explicitly arguing against porneia, which does not strictly refer to sex in mar­r iage. But the whole picture he draws of two opposed types of bodiliness – the physical body and the body which is »one pneuma« with Christ – in fact implies that any kind of sex­ual activity will be problematic. Since one might feel that in 5,1–6,11, Paul has al­ready argued suf ­fi ci­ently against porneia, the suspicion arises that in 6,12–20, he brings in these par­ticularly force­ful arguments against porneia by way of introduction to his discussion of sex within marriage in chap­ter 7. In that chapter, although he does not argue against sex within mar­r iage, but on the contrary enjoins married couples to engage in it (if they cannot stay celibate, that is), he nevertheless also brings in con­side­ra­tions that show that not just ideally (as in his own case) but also in the actual practice of those mar­r ied couples, the sexual relationship is meant to be engaged in in a manner that in fact reduces it almost to nothing. 6,12–20 may be read as giving the theo­logi­cal basis for that claim.

22 I do not apologize for this quite uncouth rendering. Is this not what Paul actually means? 23 For this idea compare 1Cor 3,21–23.

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7. 1 Corinthians 7: Sex in Marriage As-If-Not 24 The overt line of the chapter is clear enough. Paul agrees in principle with what some of the Cor­inthians have written to him: it is good for a man not to touch a woman (7,1). Even more, he would prefer that all men were like himself (that is, celibate, 7,7). Never­theless, he »condones« (cf. 7,6) that each partner in a married couple »renders his or her due« to the partner (7,3). And the reason is clear: to avoid cases of porneia (7,2) and »in order that Satan may not tempt you because of your lack of self-control (akrasia)« (7,5). Here sex in marriage is recommended as a duty, and as Paul’s further discussion shows, the purpose is to keep the sexual urge at a minimum, in fact to quench sexual desire. Again we may refer to Dale Martin’s analysis, according to which Paul saw marriage as functioning »not as a legitimate avenue for the expression of desire but as what will preclude it altogether«; »marriage is the prophylaxis against ›burning‹ [cf. 7,9]; that is, marriage guards against the experience of desire«.25 The line of preferring celibacy but enjoining sex if necessary runs through the whole chapter. On the one hand, keeping off altogether from having sex is the better position, both in Paul’s own case (7,7 and 8) and in that of those who are capable of adopting it (7,37–38). On the other hand, where it is necessary one should give in to the sexual urge or allow others to do so, either in an already established marriage (7,2–5) or when unmarried men or widows (7,8–9) or young virgins (7,25–40) engage in marriage. Though not so good, Paul repeatedly insists that this position is kalon, that is, »fine«, OK, »good (enough)« (7,26, cf. 7,37–38). He even explicitly states that those who be­have like that »do not sin« (7,28; 7,36). In fact, the overt purpose of the chapter is to insist against the celibates among the Corinthians that while their position is admittedly the better one, having sex in mar­r iage is fine, OK, good (enough), not a sin since it is better than »burning« with desire. Underlying this double message on Paul’s part there is a whole set of cultural presuppositions that Dale Martin has done much to articulate based, not least, on the gendered views of the bodies of men and women to be found in the medical writers of the Graeco-Roman world.26 However, there also is an entirely different idea behind Paul’s message, which is contained in Paul’s »apo­calyp­ ticism«: that »the form of the present kosmos is about to go away« (7,31). This presupposition is arti­culated in two places. One is 7,17–24, where Paul argues that each believer should remain »with God« in the social, this-worldly position in which he or she was »called« (7,24) since this position does not matter at all. The following analysis of the chapter rests on a number of exegetical decisions. There is unfortunately no room to defend them here. In general, see Thiselton, Commentary, and Loader, Sexuality. 25 Both quotations are from Martin, Corinthian Body, 214. It is a pity that William Loader has not been persuaded by Martin’s analysis, see Loader, Sexuality, 200. 26 See Martin, Corinthian Body, 200–205. 24

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The only thing that matters is a complete directedness towards God (or Christ). Everything else, including those social status positions that otherwise go into defining a person’s identity, is »nothing« (ouden, 7,19). It simply does not matter and no at­ten­tion whatever should be given to it. This is a stark claim. But exactly what relation­ship with those social status positions is ac­tual­ly implied in it? This question is then addressed in the second passage in chapter 7 that articu­lates Paul’s »apocalyp­ticism«: 7,29–31. Here Paul famously states that the men who are married should be »as if they were not« (ὡς μὴ ἔχοντες, sc. γυναῖκας, 7,29) and he ends by generalizing this to the claim that those who »use« or »handle« the kosmos should be »as if they were not« making any »use« of it (ὡς μὴ καταχρώμενοι, sc. τὸν κόσμον, 7,31). Exactly how is that to be practised? I shall propose a double answer. In one central respect the logic of the as-if-not may be eluci­dated by the Stoic theory of »indifferents«. In another respect Paul takes the Stoic theory even fur­t her in the direction of articulating a distinct distancing from the »in­dif­fer­ents« (in the present case, from having sex with one’s wife) which actually renders it »dispreferable« as opposed to »prefer­able« to have anything to do with them. The Stoic theory, as we know, operates with a kind of double evaluation of things in this world as being both completely »indifferent« vis-à-vis the only thing that matters – living in accord­ance with Nature – and also either »preferable« or »dis-preferable«. This will then also show itself in people’s actions. People with the ultimate Stoic insight into the good will act in this world for the purpose of ob­tain­ing what is »preferable« and avoiding what is »dis-preferable«. They will also »pre­fer« that their actions are successful. But they will also distance themselves com­pletely from those actions and their immediate objects since in all that they think, feel and do they will let them­selves be governed by a concern for the truly good only, which is acting in accordance with Nature. In this light, when Paul enjoins his addressees to use or handle the present kosmos as-if-not, what he is saying – to begin with, at least – is that they should take exactly the distancing step from direct involvement with things in the present kosmos that the Stoic wise man also takes when he fo­cuses alone on the single good. Although Paul »condones« that his addressees may marry and have sex, nevertheless they should do it as a thing that has no intrinsic value whatever compared with the only thing that has such value, namely, the exclusive directedness towards God or Christ. They may marry and have sex, but these things must not matter to them. They should be totally »in­different«. Go through the motions (as it were), but do not place any intrinsic value on them. This reading implies that chapter 7 of 1 Corinthians contains two movements instead of one. There is first the movement away from celibacy, a movement that insists that while celibacy is better than having sex in marriage, the latter is nevertheless »allowed« where it is necessary in order to keep the sexual urge at a minimum. But then there also is a second movement back again: even when people do have sex in marriage, they must not place any intrinsic value on it. They may do it if it is necessary. But they must not see it as being in any

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sense important, worth having or good. Instead, they must in principle distance themselves completely from it.

8. Pauline One-Sidedness in Comparison with the Stoics The Stoic theory of »indifferents« may also help us to see a distinct one-sided­ ness in Paul’s views on mar­r iage and sex that comes out if one asks whether – among »indifferents« – he would consider mar­­­riage and sex something »preferable« or »dis-preferable«. The Stoics were free to say that it was »preferable«, because in fact »natural«, for human beings to marry and have sex.27 Indeed, even the philosophical »virtuoso«, the Stoic »wise man« (to be compared with the religious »virtuoso« in Paul himself), would find it »preferable« to marry and have sex where this would not meet with any obs­tacles but actually reflect the ways of Nature. With Paul it is different. Here, as we know, the reli­gious »virtuoso« would live in celibacy. And if we were to ask where, as seen from the perspective of that »virtuoso«, marriage and sex would be found on a scale of values even when Paul »condones« it, the answer would have to be: among things that are »dis-preferable«. In fact, Paul explicitly states that much when he says: »I would prefer28 that all human beings were like myself« (7,7). We must conclude that while Paul made use of an idea (the as-if-not) which shows him to be well in line with the central Stoic idea of »indifferents«, he also left the Stoics behind when it comes to the other side of the Stoic distinction: he at­tached no positive value whatever to any of the »in­dif­ferents« and would rather, if pressed, have seen them as »dis-preferable«. In his »value theory«, then, Paul was even more of an extremist than the Stoics, who were famously thought in Antiquity to be quite extreme in their insistence on the single good. Why this difference? The answer is not difficult to find. After all, the Stoics were drawing value distinctions in relation to this present kosmos, as it were from within it. The single good was to live in accordance with »Nature« or »God« or this present kosmos itself and as a whole, but not with something that lay outside the kosmos or would be the present kosmos transformed. It is en­tirely different in Paul. There, what was left behind when a Christ believer was gazing in the proper di­rec­tion was precisely the present kosmos as a whole, which was bound to physical bodies of flesh and blood. No wonder, then, that when Christ believers were still living under the circumstances of that kosmos, they would This is clear from the pretty extensive discussion of marriage in relation to the Stoic »wise man« that we find traces of in a line that runs from Antipater of Tarsus (2nd cent. BCE) over Seneca and Musonius Rufus (1st cent. CE) to Epictetus and Hierocles (2nd cent. CE). See the fine discussion in Balch, Stoic Debates. 28 Paul’s Greek word, θέλω, means »I wish«, but may also be used in cases where what is wished for is not fulfilled. This is well captured by translating the word as »would prefer«. 27

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not be allowed to ascribe any value of its own to any phenomenon that makes up this world, in­cluding marriage and sex, in fact rather the contrary. For these things are all tied to the physical body of flesh and blood. But sex in marriage is not declared to be sinful! And it should be if the argument of this essay has been on target. However, what Paul actually says is that the (Christ-believing) person who mar­r ies or gives in marriage (7,28.36) does not sin. This is different from saying that the act itself does not fall under the category of sin. Even more, the first time Paul says that the person does not sin (7,28), he immediately adds the point made in 7,29–31, which is precisely about how the person should distance himself (and here he is male!) completely from having sex with his wife in mar­r iage. Thus the underlying idea may be that while the sexual act will in itself be sinful to the extent that it reflects the physical body of flesh and blood, the person removes himself from sinning if he manages to engage in mar­ital sex completely as-if-not, that is, without having the slightest inkling of wish, desire or even in­clination or urge for it, but just out of necessity, whether medical or social. Here there is a distanc­ing from one’s own physical body of flesh and blood that will not just prevent SBO at level 2, in­ cluding »passions« and full-blown »desires« in the Stoic vocabulary, but also the more funda­mental, »natural« SBO at level 1 with its rudimentary hormai (urges) and orexeis (in­cli­nations). If a person manages to achieve that feat, then he or she will not on their own sin, even though the acts them­selves as expressions of such urges and inclinations are in fact sinful.

9. Final Problematization The upshot of all this is that Paul did have a distinctly negative view of sex even in marriage. Even though he allows it both in 1 Thessalonians and 1 Corinthians, he hedges this allowance in ways that show that he would in principle prefer even married people not to have any sex. This is all as we should expect on the basis of Paul’s fundamental understanding of sarx and sȏma, which is the reason why we spent so much time on bringing that into the open. We may conclude by coming back to two questions we have already raised. First, are all types of act done by an unredeemed person who is still living in flesh and blood necessarily sinful? Are there no types of act at all that would belong on the opposite side of the fence? Second, if we are right in claiming that Paul’s target was – in the Stoic terminology we have developed – not just all acts that reflect SBO2, but also in principle all acts that reflect the more fundamental SBO1, and if the latter – again, on the Stoic theory – is a kind of SBO that underlies all action, then how may one think of action at all on the part of the redeemed person, both the one who is on his way towards the final goal and may hence be enjoined, for in­stance, to have sex with his wife as-if-not and also the person who in the eschatological future has been completely transformed in such a way that no body of flesh and blood is any longer left in place?

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On the first question: Yes, we saw that there are types of act even on the part of an unre­deemed person that would belong on the »good« side of the fence. These are types that are formally identical with those expressing the kind of virtuous attitudes that are found in the person who has been redeemed, e. g. those listed by Paul in Gal 5,22–23 as the »fruit of the pneuma«. Even the un­redeemed person may from time to time do acts that are identical to those expressing »love, joy, peacefulness, long-suffering, kindness, goodness, faith­fulness, mildness, self-control«, and he or she may even do such acts partly for the same reasons. Only, such people will not do them from the same overall state of mind and thus not reliably so. For the risk is always there, since these people live in bodies of flesh and blood, that the underlying SBO1 may express itself in acts that reflect SBO2. On the second question, then: What kind of action may we find in the redeemed person, in whom both SBO2 and 1 have been eradicated, the person whose body is »dead« (Rom 8,10)? That is in fact a very good question. If we consider first the redeemed person in his or her final state when the physical body has been completely transformed by the pneuma (at the resurrection, that is), it is very difficult to find a good answer. It is more than likely that there will be no sex at all (in heaven). And it is very difficult to see that there will be any other kind of action as we know it since this is always based in the physical body in the way this was precisely developed by the Stoics (SBO1). If we then consider the redeemed person in his or her intermediary state after reception of the pneuma but before the final, complete trans­for­mation, it seems that the only answer one can give is to suggest that while there may remain enough of the physical body of flesh and blood for there to be action at all, this body will have been »overlaid« with pneuma to such an extent that one may also think of such a body as being virtually dead (again Rom 8,10). Having one’s body »overlaid« with pneuma will remove a per­son’s SBO not just at level 2, but also for all intents and purposes at level 1, leaving behind at that level the bare minimum that is needed for human action. It is pre­sum­ably this extremely low level of physical in­volvement that Paul is calling his addressees to practise if they need to have any sex at all in lawful marriage. That, I submit, is what Paul means by asking them to have sex both »in holiness and honour and not from any passion of desire« (1Thess 4,4–5) and also »as if not« (1Cor 7,29). It could hardly be less in­vit­ing. It must not be more inviting.

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Kinder und Eltern in frühchristlichen Gemeinden Andreas Lindemann

In den Schriften des frühen Christentums spielen Kinder1 und das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern eine vergleichsweise geringe Rolle. Das mag auf den ersten Blick erstaunen, denn Kinder waren im jüdischen wie auch im paganen römisch-hellenistischen Kulturkreis eine Selbstverständlichkeit. Aber private schriftliche Dokumente, etwa familiäre Briefe aus der Feder von Mitgliedern urchristlicher Gemeinden, sind uns nicht erhalten; es wäre also nicht richtig, aus der geringen Zahl textlicher Belege zu unserem Thema auf die tatsächlichen Verhältnisse zurückzuschließen. Wir können nur versuchen, die erhaltenen literarischen Texte, also die Evangelien und die Apostelgeschichte sowie die eher einen »offiziellen« Charakter tragenden Briefe, auf entsprechende Informationen hin zu befragen.

1. Kinder und Eltern im antiken Judentum Kinder waren (und sind natürlich auch heute) im Judentum die Garanten für den Fortbestand der Familie als Bestätigung des Schöpfungssegens und der an Abraham ergangenen Verheißung Gottes.2 Kinderlosigkeit konnte in biblischer Zeit als Fluch oder Strafe verstanden werden;3 umgekehrt galt die »unfruchtbare« Frau, die doch noch Kinder bekam, real (Ps 113,9) und auch im übertragenen Sinn (Jes 49,20) als Empfängerin einer besonderen Gnadengabe Gottes.4 Schwangerschaftsabbruch und Kindesaussetzung, die in der paganen Umwelt zwar nicht alltäglich, aber auch nicht ungewöhnlich waren,5 wurden im Judentum und dann auch im Christentum strikt abgelehnt.6 Das griechische Wort für Kinder ist παιδία, Säuglinge werden βρέφη genannt, τέκνα sind »Nachkommen«, unabhängig vom Alter. 2 Gen 22,17; 26,4; vgl. 1,28. 3 Lev 20,20–21; Hos 9,11–12.16; 2Sam 6,16−23. 4 Vgl. dazu Peter Thrams/Wolfram Drews, Art. Kinderlosigkeit, in: RAC XX, Stuttgart 2004, 952−955. 5 Dazu Christina Tuor-Kurth, Kindesaussetzung und Moral in der Antike. Jüdische und christliche Kritik am Nichtaufziehen und Töten neugeborener Kinder, FKDG 101, Göttingen 2010. 6 Vgl. Andreas Lindemann, Schwangerschaftsabbruch als ethisches Problem im antiken Judentum und im frühen Christentum, in: Ders., Glauben, Handeln, Verstehen. 1

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Die Kinder erhielten eine religiöse und auch eine nichtreligiöse Bildung, Jungen und Mädchen in unterschiedlicher Weise.7 Zwar deuten die etwa im Proverbienbuch überlieferten Aussagen zur Kindererziehung darauf hin, dass äußerlich die Disziplin und inhaltlich die Weitergabe der Tradition im Vordergrund stand, aber nicht unbedingt die Hinführung zum eigenständigen Denken;8 in späterer weisheitlicher Literatur empfiehlt jedoch Pseudo-Phokylides, man solle von Kindern nicht zu viel fordern, sondern ihnen freundlich begegnen: »Sei nicht launisch gegen deine Kinder, sondern milde. Wenn dein Kind sich gegen dich vergeht, so soll den Sohn die Mutter zurechtweisen oder die Ältesten der Familie oder die Gemeindeältesten«.9 Im Aristeasbrief fragt der König einen der mit der Übersetzung der Heiligen Schriften ins Griechische befassten jüdischen Gelehrten, welches die größte Nachlässigkeit sei; er erhält die Antwort: »Wenn einer sich nicht um seine Kinder (τέκνα) kümmert und sich nicht bemüht, sie auf jegliche Weise zu erziehen«, und der Gelehrte fügt hinzu: »Wir beten immer zu Gott, nicht so sehr für uns selbst als für unsere Nachkommen, daß sie alle Güter besitzen mögen. Jedoch zu sehen, daß die Kinder (παιδία) besonnen werden, das geschieht durch Gottes Macht.«10 Philo von Alexandria11 sieht in der Zeugung von Kindern ein Gebot und zugleich eine Gabe Gottes: »Alle aufrichtigen Gottesverehrer werden das Naturgesetz der Kindererzeugung erfüllen.«12 Die Verehrung Gottes und die im Dekalog geforderte Verehrung der Eltern seien kaum voneinander zu trennen, denn die Eltern seien bei der Zeugung Diener Gottes (θεοῦ ὑπηρέται, Decal 111). Geschlechtsverkehr ohne Zeugungsabsicht gilt als verwerflich (Spec Leg III 113), Abtreibung und Kindesaussetzung bewertet Philo als Mord.13 Erziehung besteht Studien zur Auslegung des Neuen Testaments, Band II, WUNT 282, Tübingen 2011, 284−307. Ferner A. Lindemann, Kinder in der Welt der Antike als Thema gegenwärtiger Forschung, in: ThR 76 (2011), 82−111. 7 Vgl. Dtn 6,20−24; dazu Karin Finsterbusch, Die kollektive Identität und die Kinder. Bemerkungen zu einem Programm im Buch Deuteronomium, in: Gottes Kinder. JBTh 17 (2002), Neukirchen-Vluyn 2002, 99−120. Für das Judentum der nachbiblischen Zeit Günter Stemberger, Kinder lernen Tora. Rabbinische Perspektiven, in: JBTh 17 (2002), 121−137; Günter Mayer, Erziehung und Schule im antiken Judentum, in: Forschungsmagazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz 11 (1995), 4−13. 8 Vgl. Spr 13,1.24; 29,17 u. ö. 9 Ps-Phocyl 207−209 (Übers. Nikolaus Walter, in: JSRHZ IV/3, Gütersloh 1983, 214– 215, der auf Dtn 21,18−21 verweist). Vgl. Pieter W. van der Horst, The Sentences of Pseudo-Phocylides. With Introduction and Commentary, SVTP 4, Leiden 1978, 247–248. 10 EpArist 248,2–3 (Übers. Norbert Meisner, in: JSHRZ II/1, Gütersloh 21977, 76–77); vgl. Thomas Wiedemann, Adults and Children in the Roman Empire, London 1989, 194. 11 Philonis Alexandrini Opera quae supersunt, ed. L. Cohn/P. Wendland, I-VI, Berlin 1896–1915 [= 1962]. 12 Praem Poen 108: Πάντες δὲ οἱ θεραπευταὶ θεοῦ γνήσιοι νόμον ἐκπληρώσουσι φύσεως τὸν ἐπὶ παιδοποιΐᾳ.

Spec Leg III 110–119. Philo spricht Spec Leg III 110 von der φυσικὴ ἀπνθρωπία der diese Praxis übenden Völker; damit gibt er eine gängige antijüdische Polemik zurück

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vor allem darin, dass das Kind geprägt wird: Kleine Kinder sind noch ganz unvernünftig, denn die Natur (φύσις) hat sie noch nicht zu denkenden Wesen erzogen; und selbst wenn sie bisweilen handeln und reden wie vernünftige Menschen, so geschieht dies nicht ἀπὸ λογικὴς ἕξεως (Leg All III 210). Inwieweit solche Aussagen die familiäre Wirklichkeit bei Juden in Alexandria oder überhaupt im Diaspora-Judentum spiegeln, können wir natürlich nicht sagen; die Art der Erziehung wird nicht unerheblich von der sozialen Umgebung abhängig gewesen sein, in der ein Kind aufwuchs. Sicher scheint aber zu sein, dass das Verbot der Kindestötung oder Kindesaussetzung nicht nur eine theoretische Norm war, sondern auch tatsächlich eingehalten wurde; römische Autoren wie etwa Tacitus haben das wahrgenommen und kommentiert.14

2. Kinder in den synoptischen Evangelien Die griechischen Worte für »Kind« sind im Neuen Testament relativ häufig belegt.15 Aber nur in wenigen Fällen geht es im buchstäblichen Sinne um (kleine) »Kinder«16 und oft liegt metaphorischer Sprachgebrauch vor.17 Eine konkrete Altersangabe begegnet nur bei der Tochter des Jairus, die zwölf Jahre alt ist (Mk 5,42); ihr Vater nennt sie »mein Töchterlein« (τὸ θυγάτριόν μου, Mk 5,23), während der Erzähler sie als παιδίον bezeichnet (5,39.41, vgl. Lk 8,42.54). Für das damalige Judentum war dieses Alter die Grenze, von der an ein Mädchen nicht mehr als Kind anzusehen war.18 (Belege bei Hans Conzelmann, Heiden – Juden – Christen. Auseinandersetzungen in der Literatur der hellenistisch-römischen Zeit, BHTh 62, Tübingen 1981, 116). 14 Tacitus Hist V 5,3: Den Juden ist »sehr an Bevölkerungszuwachs gelegen; selbst von den nachgeborenen Kindern eines zu töten, ist in ihren Augen eine Sünde« (… et necare quemquam ex agnatis nefas). Tacitus Historien. Lateinisch-deutsch, ed. Joseph Borst, München 21969, 516–517. 15 Τέκνον begegnet im NT 99mal, παιδίον 52mal und παῖς 24mal; »Säugling« ist achtmal belegt (Angaben nach Kurt Aland, Vollständige Konkordanz zum Griechischen Neuen Testament, Band II. Spezialübersichten, Berlin 1978). Mit Ausnahme von βρέφος bezeichnet keines dieser Worte schon für sich genommen das »Kind« im eigentlichen Sinne. Insbesondere das häufige τέκνον lässt keine Rückschlüsse auf das Alter des betreffenden »Kindes« zu. 16 Einen Überblick über alle neutestamentlichen Texte gibt Gerhard Haufe, Das Kind im Neuen Testament, in: ThLZ 104 (1979), 625−638; dabei berücksichtigt er auch Texte, die im übertragenen Sinn vom Kind sprechen. 17 Als Metapher spielt »Kind« im NT und auch sonst in religiöser Literatur eine große Rolle, wenn von der Gottesbeziehung des Menschen die Rede ist; vgl. Klaus Berger, Die Amen-Worte Jesu. Eine Untersuchung zum Problem der Legitimation in apokalyptischer Rede, BZNW 39, Berlin 1970, 44–45. 18 Für Jungen galt die Zeit zwischen dem vollendeten 12. und dem vollendeten 13. Lebensjahr als »der äußerste Termin, an dem die Gewöhnung auch an die schwereren Gebote einsetzen sollte. 3Esra 5,41 werden die Zwölfjährigen deshalb schon zu den Er-

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Wie zeichnen die synoptischen Evangelien die Haltung Jesu zur Familie und zu Kindern? Das Markusevangelium setzt eine sehr distanzierte Beziehung zwischen Jesus und seiner Familie voraus (3,20–21.31−35).19 In der Logienquelle wird die Aussage Jesu überliefert, Nachfolge und Familie seien unvereinbar: Nur wer Vater, Mutter, Ehefrau, Kinder, Geschwister und darüber hinaus auch sein eigenes Leben »hasst«, kann »mein Jünger« sein, sagt Jesus in Lk 14,26.20 Andererseits ist es nach Lk 11,11−13/Mt 7,9–10 Q selbstverständlich, dass ein Vater auf die von seinem Sohn geäußerte Bitte um einen Fisch oder um ein Ei positiv reagiert.21 In Lk 7,31–32/Mt 11,16–17 Q wird das Gleichnis von den Kindern überliefert, deren Spiel nicht zustande kommt; die erzählte Szene wirft »ein Licht auf die Beurteilung von Kindern durch Jesus«, der »eine alltägliche Beobachtung« aufgreift, die »treffend und ohne Hang zur Romantisierung« ist.22 Das Sondergutgleichnis in Lk 15,11−32 spricht nicht nur vom »verlorenen Sohn«, sondern wachsenen gerechnet« (Paul Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch II, München 51969, 145; Belege a. a. O., 144−147); Mädchen wurden bis zum Alter von elf Jahren und einem Tag als Kinder angesehen (a. a. O., 10). 19 Vgl. Dieter Lührmann, Das Markusevangelium, HNT 3, Tübingen 1987, 77: Mit Jesu Wort in V. 34–35 »ist ›Familie‹ neu bestimmt«, wobei in V. 35 ausdrücklich auch die Schwestern erwähnt werden. 20 Vgl. Michael Wolter, Das Lukasevangelium, HNT 5, Tübingen 2008, 516: »μισεῖν bezeichnet hier nicht das affektive ›hassen‹«, sondern entsprechend dem hebr. Verb anf die negative Entscheidung gegen eine Person. Der Paralleltext Mt 10,37 ist zurückhaltender formuliert: Wer die Familie »mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert«. Vgl. dazu William D. Davies/Dale C. Allison, A Critical and Exegetical Commentary on the Gospel According to Saint Matthew. Vol. II. Commentary on Matthew VIII−XVIII, Edinburgh 1991, 221: »Q’s very Semitic ›does not hate‹ has been altered to the less offensive but still accurate ›love more‹«. 21 Wolter, Lukasevangelium, 413: Indem als Gegensatz zum Fisch die Schlange und als Gegensatz zum Ei der Skorpion genannt wird, will »die lk Fassung ganz gezielt von Größen sprechen, die das Kind schädigen, um mit Hilfe der Absurdität des abgewiesenen Handelns die Evidenz des Beispiels rhetorisch zu steigern«. Auch Christine Gerber, Bitten lohnt sich (Vom bittenden Kind). Q 11,9−13 (Mt 7,7−11/Lk 11,9−13), in: Ruben Zimmermann (Hrsg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 119−125: 122 meint, es sei »etwas Selbstverständliches benannt«, doch sieht sie einen kritischen Akzent: »Niemand würde sich die Mühe machen, seinem um Nahrung bittenden Kind etwas Ungenießbares wie einen Stein auszuhändigen oder gar eine Schlange zu suchen [!]; eher würde man die Bitte ignorieren. Auch dass die Eltern sich darauf verstehen, ihren Kindern gute Gaben zu geben (V. 13a), dürfte den Erfahrungen entsprechen. Dass sie es stets täten, wird nicht gesagt«. 22 Peter Müller, Vom misslingenden Spiel (Von den spielenden Kindern). Q 7,31−35 (Mt 11,16−19/Lk 7,31−35), in: Ruben Zimmermann (Hrsg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, 100−109: 101. Zu Kinderspielen in der Antike s. Rolf Hurschmann, Art. Kinderspiele, DNP 6, Stuttgart 1999, 467–468; ferner Josef N. Neumann/Marcus Sigismund, Art. Geburt, Kindheit und Jugendzeit, in: Klaus Scherberich (Hrsg.), Neues Testament und Antike Kultur, Bd. 2: Familie – Gesellschaft − Wirtschaft, Neukirchen-Vluyn 2005, 52–56: 55–56.

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es schildert auch das Verhalten des diesen Sohn wieder annehmenden Vaters und lässt so die Bedeutung familiärer Beziehungen erkennen. Bemerkenswert ist, dass die die Speisungserzählung abschließende Notiz in Mk 6,44, es hätten »fünftausend Männer« gegessen, in Mt 14,21 präzisiert wird: »etwa fünftausend Männer χωρὶς γυναικῶν καὶ παιδίων«; der Evangelist lässt also ein Interesse daran erkennen, dass auch Frauen und Kinder Empfänger der wunderbaren Gabe waren.23 In einigen Wundererzählungen wenden sich Eltern um ihrer Kinder willen an Jesus: In Mk 5,22–23 bittet Jairus für seine sterbende Tochter, in Mk 7,24−30 erwartet eine Syrophönizierin, Jesus werde ihre Tochter von einem unreinen Geist befreien. In Mk 9,14−29 bittet ein Vater zunächst Jesu Jünger und dann Jesus selber um die Heilung seines an Epilepsie leidenden Sohnes. In diesen Szenen wird die elterliche Fürsorge jeweils eindrücklich gezeichnet, die Kinder selber kommen allerdings kaum in den Blick. Nur bei zwei Szenen ist es anders. In der Perikope vom Rangstreit (Mk 9, 33−37) verlangt Jesus von demjenigen, der πρῶτος sein möchte, er müsse πάντων ἔσχατος καὶ πάντων διάκονος sein, und das exemplifiziert er an einem zufällig anwesenden Kind. Während in der Mt-Fassung der Vorbildcharakter des Kindes stark betont wird (»… wenn ihr nicht werdet wie die Kinder«, 18,3–4), geht es im Mk-Text tatsächlich um das Kind selbst: Jesus umarmt es und nimmt es damit an (V. 36b).24 Das abschließende Logion in V. 37: »Wer eines dieser Kinder annimmt auf meinen Namen, der nimmt mich an, und wer mich annimmt, nimmt nicht mich an, sondern den, der mich gesandt hat«25, ist offenbar als eine nachösterlich26 anzuwendende Konkretion des Handelns Jesu zu verstehen: Jesus hat sich mit dem Kind »identifiziert«; wer ein Kind aufnimmt, hat damit Jesus selber und so letztlich Gott aufgenommen. Das Kind ist hier nicht als ein Symbol zu verstehen, und das Jesuslogion ist auch kein Gleichnis, sondern Jesus spricht von der konkreten Aufnahme (oder Annahme) von Kindern »auf meinen Namen« (ἐπὶ τῷ ὀνόματί μου). Sind die in 9,33−37 erwähnten Kinder als von ihren Eltern ausgesetzt oder verlassen zu denken? Oder geht es um unversorgte Waisen? Die erzählte Szene spielt »im Haus« (9,33) und setzt also voraus, dass sich das Kind dort aufhält (V. 36). So bezieht sich das Logion auf der Ebene des Markusevangeliums wohl 23 Ebenso in Mt 15,38 gegenüber Mk 8,9a. Nach Davies/Allison, Matthew II, 493 ist nicht gemeint »›without women and children‹ as though the crowd were all male, but ›besides women and children‹«. Es könne sogar eine Anspielung auf die biblische Überlieferung von der Zählung des Volkes während der Wüstenwanderung vorliegen. 24 Die Geste ist besonders emphatisch, Mt und Lk haben sie gestrichen; sie begegnet nochmals in Mk 10,16 (s. u.), auch dort ist sie in den Parallelen bei Mt und vor allem bei Lk deutlich abgeschwächt worden. 25 Zum zweiten Teil des Logions gibt es in der Q-Überlieferung eine gewisse Parallele, freilich ohne Bezug auf Kinder (Lk 10,16/Mt 10,40). 26 Das ἐμὲ δέχεται meint die Aufnahme des erhöhten, nachösterlichen Christus (vgl. Mt 25,35ff.).

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nicht allein auf solche Kinder, die sich in einer besonderen Notlage befinden, sondern es bezieht sich auf Kinder überhaupt. Dabei fordert Jesus nicht eine bestimmte »Gesinnung« Kindern gegenüber, sondern er spricht von einem konkreten Verhalten, wie es zuvor mit der Wendung πάντων διάκονος (vgl. V. 35) zum Ausdruck gebracht worden war. In der Szene von der Segnung in Mk 10,13−16 sind Kinder nun das unmittelbare Thema.27 In V. 15 gelten sie zwar als Beispiel für ein von Erwachsenen gefordertes Verhalten (ἀμὴν λέγω ὑμῖν, ὃς ἂν μὴ δέξηται τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ ὡς παιδίον, οὐ μὴ εἰσέλθῃ εἰς αὐτήν), aber in der erzählten Handlung stehen die Kinder selber und Jesu Verhalten ihnen gegenüber im Mittelpunkt. Nach dem Kontext halten sich Jesus und die Jünger immer noch in dem in 10,10 erwähnten Haus auf, als man Kinder bringt, die Jesus »berühren«, also segnen soll (V. 13a). Wer die Kinder bringt, wird nicht gesagt – es könnten die Eltern sein, vielleicht auch ältere Geschwister, vielleicht sogar Fremde.28 Erstaunlicherweise reagiert nicht Jesus auf die indirekt vorgetragene Bitte, sondern die Jünger (V. 13b) machen »ihnen« (αὐτοῖς)29 heftige Vorhaltungen (ἐπετίμησαν αὐτοῖς), ohne dass deutlich wird, was die Jünger konkret tun oder sagen.30 Gründe für ihr Verhalten nennt der Erzähler nicht31, denn die Aktion der Jünger dient offenbar nur dazu, die Reaktion Jesu zu provozieren32: Er »wird unwillig« (V. 14a: ἠγανάκτησεν), d. h. es kommt zu einem scharfen Konflikt zwischen ihm und den Jüngern33; seine Aussage »Lasst die Kinder zu mir kommen! Hindert sie nicht! Denn solchen gehört die Gottesherrschaft« (V. 14b.c) erweist

Vgl. zum Folgenden Andreas Lindemann, Die Kinder und die Gottesherrschaft. Markus 10,13−16 und die Stellung der Kinder in der späthellenistischen Gesellschaft und im Urchristentum, in: Ders., Die Evangelien und die Apostelgeschichte. Studien zu ihrer Theologie und zu ihrer Geschichte, WUNT 241, Tübingen 2009, 109−134. 28 Die Wendung προσέφερον impliziert nicht, dass die Kinder getragen werden – in Lk 18,15, wo man Säuglinge »bringt«, ist das natürlich anders. 29 Gemeint sind sicherlich nicht die Kinder, sondern diejenigen, von denen die Kinder gebracht werden. Heinrich Greeven (Albert Huck/Heinrich Greeven, Synopse der drei ersten Evangelien, Tübingen 131981) hält die von den meisten Handschriften gegen den ägyptischen Text bezeugte Lesart τοῖς προσφέρουσιν für ursprünglich, nach Bruce M. Metzger, A Textual Commentary on the Greek New Testament, Stuttgart 21994, 89 entstand diese Lesart sekundär »in order to avoid possible ambiguity as to who it was that the disciples were rebuking«. 30 Die Bedeutungsbreite von ἐπιτιμᾶν ist groß (vgl. Walter Bauer, Wörterbuch s. v.). 31 Erklärungsversuche auf der Ebene der erzählten Welt (die Jünger wollen nicht, dass Jesus gestört wird; die Kinder gelten womöglich als »unrein« o. ä.) sind unnötig. 32 Offensichtlich ist der ganze Text eine »ideale Szene«; vgl. Rudolf Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, FRLANT 29, Göttingen 101995, 32.58−60. 33 Das Verb ἀγανακτεῖν signalisiert große Empörung (vgl. Mt 21,15: Die Hohenpriester sind »unwillig« über Jesu Tempelreinigung); in den Parallelen zu Mk 10,14 fehlt dieser Akzent in Jesu Reaktion. 27

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sich damit als ausdrücklich gegen die Jünger gerichtet (εἶπεν αὐτοῖς).34 Das Verhalten der Jünger hatte gezeigt, dass Kinder sich gegen andere nicht wehren können, und deshalb wendet sich Jesus ihnen besonders zu. Er unterstreicht das Gewicht des von ihm Gesagten durch seine sehr ausführlich geschilderte, die ganze Szene abschließende Segenshandlung (V. 16). Es ist durchaus möglich, dass die Erzählung von der Kindersegnung Anhalt an einem realen Verhalten des irdischen Jesus hat; dass der scharfe Konflikt zwischen Jesus und den Jüngern auf eine historische Begebenheit zurückgeht, ist aber unwahrscheinlich. Vermutlich spiegelt sich hier ein nachösterlicher, innergemeindlicher Konflikt. Denn worum geht es, wenn auf der Gemeindeebene und dann im Evangelium erzählt wird, die Jünger hätten Kinder daran hindern wollen, »zu Jesus zu kommen«? Die Frage, ob man Kinder über Jesus belehren dürfe, war sicherlich nicht strittig.35 Kontrovers aber könnte schon in relativ früher Zeit darüber diskutiert worden sein, ob Kinder zur christlichen Gemeinde gehören und also getauft werden durften;36 die Jünger repräsentieren offensichtlich diejenigen, die das »verhindern« wollen, und Jesu Wort, die Teilhabe an der Gottesherrschaft gelte auch Kindern (V. 14.16), bedeutete umgekehrt, dass ihnen die Zugehörigkeit zur Gemeinde (und also wohl auch die Taufe) nicht verweigert werden sollte.37 Es entspricht natürlich der erzählten Szene, dass Jesus nicht tauft und auch keinen »Taufbefehl« ausspricht; aber die Jünger bekommen von ihm die Anweisung, Kindern den Zugang zu ihm zu ermöglichen. Eine allgemeine Praxis der Kindertaufe lässt sich daraus nicht ab34 Das Fehlen von αὐτοῖς in den Parallelen zeigt an, dass die Aussage hier als eine prinzipielle Sentenz verstanden wird. 35 Haufe, Kind, 627 hält es für möglich, dass sich der Text auf »eine wahrscheinlich umstrittene Praxis kirchlichen Kinderkatechumenats« bezieht und als dessen »Rechtfertigung zu verstehen« ist; hiergegen vorgebrachte »innergemeindliche Bedenken« würden durch die Aussage in V. 14 »niedergeschlagen«. Aber angesichts der religiösen und pädagogischen Praxis zumal in der jüdischen Umwelt sind solche »Bedenken« höchst unwahrscheinlich. 36 Joachim Gnilka, Das Evangelium nach Markus. 2. Teilband. Mk 8,27−16,20, EKK II/2, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1979, 81–82 meint, das Verhältnis zu den Kindern sei »kein aktuelles Gemeindeproblem« gewesen; und das Problem Kindertaufe sei »für diese frühe Zeit nicht zu erwarten«. Gnilka führt das Wort in V. 14 und die Szene als Ganze auf Jesus selbst zurück; aber dann bleibt das Verhalten der Jünger unerklärt. 37 Peter Müller, In der Mitte der Gemeinde. Kinder im Neuen Testament, NeukirchenVluyn 1992, 77 sieht die Kinder als Repräsentanten der »Kleinen«, deren Zugehörigkeit zur Basileia umstritten war. »Es muß vor und in der Zeit des Markus Strömungen gegeben haben, die die Zugehörigkeit zu den Gemeinden reglementieren und damit bestimmte Personengruppen entweder gar nicht oder nicht voll zulassen wollten. Es geht dabei offenbar nicht in erster Linie um die Taufe als solche. Es geht viel stärker um die Frage von Zulassungsbedingungen, die erfüllt sein mußten, was neben anderen Personengruppen auch bei Kindern fraglich war.« Aber »Zulassungsbedingungen« fordern die Jünger nur in der Szene mit den Kindern; und die Zugehörigkeit zur Gemeinde ist seit frühester Zeit durch die Taufe bestimmt.

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leiten; aber die Szene ist zumindest ein Zeugnis für einen über diese Frage geführten innergemeindlichen Streit, wobei sich die Tradenten mit Jesu Haltung identifizierten, da andernfalls die Szene ja gar nicht überliefert worden wäre.38

Exkurs: Jesus als Kind Die einzige namentlich erwähnte Person, von deren Kindheit im Neuen Testament erzählt wird, ist Jesus von Nazareth.39 Die entsprechenden Texte sind zwar vergleichsweise spät entstanden, sie geben aber einen Eindruck von dem ihnen zugrundeliegenden Familienbild. So wird in Lk 2 eine junge jüdische Familie geschildert, zu der Vater, Mutter und ein Kind gehören. Der neugeborene Jesus wird liebevoll versorgt (2,7),40 es werden die in der Tora gebotenen Handlungen vollzogen (2,21−24.39). Um den immerhin schon zwölfjährigen Sohn (2,42) kümmern sich die Eltern voll Sorge, als er nach dem Besuch des Passafests in Jerusalem verschwunden ist. In dem Vorwurf der Mutter (2,48) ist auch die Erleichterung zu spüren, nachdem die Eltern den verloren Geglaubten im Tempel gefunden haben; dabei wird Jesus von seiner Mutter ausdrücklich als τέκνον angesprochen. Auffällig ist die erzählerische »Lücke« zwischen dem ganz kleinen Jesus und dem Zwölfjährigen; dabei scheint die Szene in 2,41−5041 immer noch von einer dreiköpfigen Familie zu erzählen.42 Diese Lücke wird ausgefüllt in der »Kindheitserzählung des Thomas« (KThom)43; deren Text ist zwar vergleichsweise jung, aber die in ihr enthaltenen Überlieferungen sind möglichweise bis ins zweite Jahrhundert zurückzuführen.44 Der anfangs fünfjährige Jesus verhält sich altersgemäß – er spielt am Bach und baut einen Staudamm, er formt kleine Vögel aus Ton und reagiert zor38 Hans Windisch, Zum Problem der Kindertaufe im Urchristentum, in: ZNW 28 (1929), 118−142: 123: »Das Taufen von erwachsenen und halberwachsenen Kindern liegt durchaus schon im Horizont des NT. Nur für die Säuglingstaufe hat das NT kein direktes Zeugnis«. Das ist vom Textbefund her natürlich richtig; aber an wen ist bei »erwachsenen und halberwachsenen Kindern« zu denken? 39 Vgl. zum Folgenden Marc Kleijwegt, Art. Kind, in: RAC XX, Stuttgart 2004, 865−947: 913−917. 40 Vgl. dazu Wolter, Lukasevangelium, 125–126. 41 Vgl. Henk Jan de Jonge, Sonship, Wisdom, Infancy: Luke II.41−51a, in: NTS 24 (1978), 317−354. 42 Aus 2,42 geht nicht hervor, dass Jesus inzwischen Geschwister hatte; erst in 8,19−21 ist in Übernahme von Mk 3,31–32 von Jesu ἀδελφoί die Rede. 43 Vgl. zum Folgenden Ursula Ulrike Kaiser, Die Kindheitserzählung des Thomas, in: Christoph Markschies/Jens Schröter (Hrsg.), Antike christliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. I. Band: Evangelien und Verwandtes. Teilband 2, Tübingen 2012, 940−959, danach vor allem auch der zitierte Text der KThom (Übersetzung der syrischen Parallelüberlieferung von J. Tropper). 44 Kaiser, Kindheitserzählung, 936. KThom kennt auch die Überlieferung in Mt 2, endet aber explizit mit der (modifizierten) Übernahme von Lk 2,41−52.

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nig, wenn er gestört wird; er ist dabei freilich mit Wunderkräften begabt, die für andere nicht immer angenehm sind. Als Sechsjähriger verflucht er ein anderes Kind, das ihn geärgert hatte; auf die Zurechtweisung durch Josef reagiert er mit Empörung. Ein Lehrer namens Zachäus, der das hört, schlägt Josef vor, Jesus zu ihm in den Unterricht zu schicken; er will ihm Lesen und Schreiben beibringen, aber der Junge soll auch lernen, ältere Menschen zu ehren und Gleichaltrige freundlich zu behandeln. Jesus soll mit Kulturtechniken vertraut gemacht werden und mit angemessenen Umgangsformen. Die Schilderung des Unterrichts45 entspricht sicherlich zeitgenössischer Praxis, trägt vielleicht aber auch karikaturenhafte Züge, denn Zachäus beschränkt sich darauf, dem Schüler mehrfach die Buchstaben aufzusagen, vom Alpha bis zum Omega. Jesus erwidert, Zachäus kenne ja nicht einmal das Alpha: »Lehre zuerst das Alpha, und dann wollen wir dir auch, was das Beta angeht, glauben!« Anschließend beschreibt und »erklärt« Jesus dem Lehrer mit beredten Worten die äußere Gestalt des Buchstaben Alpha. Verzweifelt bricht Zachäus den Unterricht ab. Anschließend wird erzählt, dass Jesus seiner Mutter im Haushalt und seinem Vater auf dem Feld sowie in der Werkstatt hilft, wobei er Wunder tut. Nun macht Josef einen zweiten Versuch, Jesus unterrichten zu lassen. Aber auch der zweite Lehrer scheitert am intellektuell überlegenen Jesus; er wird zornig und schlägt Jesus, der daraufhin den Lehrer verflucht, der bewusstlos zu Boden fällt. Josef ist angesichts dessen bekümmert und sagt zu Maria: »Daß du ihn ja nicht vor die Tür läßt, denn die, die ihn erzürnen, sterben!« Es war Josef gewesen, der Jesus zu den Lehrern gebracht hatte; wenn er nun seine Frau für die aus Jesu Aktivitäten außerhalb des Hauses entstandenen Probleme verantwortlich macht, so mag sich darin familiäre Alltagserfahrung widerspiegeln. In der dritten Lehrergeschichte findet Jesus in der Schule (διδασκαλεῖον) auf dem Lesepult ein Buch. Aber er liest es nicht; nach einer der Textfassungen gibt ihm der Heilige Geist die Kraft, die Umstehenden das Gesetz zu lehren, nach einer anderen Textfassung stammt das in dem Buch Geschriebene nicht aus dem Gesetz, und Jesus braucht es schon deshalb nicht zu lesen. Reidar Aasgaard nennt das KThom eine »children’s story«, die möglicherweise für Kinder oder vielleicht sogar von Kindern geschrieben worden war:46 Jesus wird beschrieben als ein hilfsbereites, aber auch zum Zorn neigendes und zu besonderen Taten befähigtes Kind, das zu Streichen aufgelegt ist und sich als ein den Lehrern weit überlegener Schüler erweist. Die Frage, ob es solche Kinderbücher in der Antike tatsächlich gab, lässt sich kaum beantworten.47 »Die Überlieferung [sc. dieser Lehrergeschichten] ist z. T. verworren« (Kaiser, Kindheitserzählung, 948 Anm. 133); auf kleinere Details kann im Folgenden nicht eingegangen werden. 46 Reidar Aasgaard, The Childhood of Jesus. Decoding the Apocryphal Infancy Gospel of Thomas, Eugene 2009, 192−213. 47 Aasgaard, Childhood, 193−202 verweist auf die Erwähnung solcher Geschichten in antiken Texten; es wäre zu untersuchen, ob etwa bestimmte märchenhafte Texte inner45

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Ursula Ulrike Kaiser fragt demgegenüber wohl mit Recht, ob das KThom nicht eher »ein Kinderbuch für Eltern« war.48 Sicherlich bietet die Schilderung des familiären Alltagslebens auf dem Dorf oder in einer kleinen Stadt nicht ohne Weiteres ein Abbild der Realität im zweiten oder auch in einem späteren Jahrhundert; aber das KThom zeichnet offenbar doch eine Familienwirklichkeit, die für die Leserinnen und Leser jedenfalls grundsätzlich plausibel sein mochte. Jesus passt sich zunehmend dem in der Gesellschaft üblichen Verhalten an, wozu auch gehört, dass er Kranken und Verletzten hilft und dass alle von ihm Verfluchten am Ende doch gerettet bzw. geheilt werden. Dazu passt auch, dass nach einigen weiteren wunderbaren Szenen der Schluss der KThom weitgehend Lk 2,41−52 entspricht.49

3. Kinder als Thema in den neutestamentlichen Briefen 3.1 Der Apostel Paulus stellt seine Beziehung zu den von ihm gegründeten Gemeinden bisweilen im Bild des Verhältnisses der Eltern bzw. des Vaters zu Kindern dar:50 Der Vater beaufsichtigt die Kinder (1Kor 4,21), die ihrerseits unmündig und unverständig (νήπιοι) sind (1Kor 14,20; 2Kor 6,13; vgl. 1Kor 13,11).51 Von wirklichen Kindern spricht Paulus nur in 1Kor 7,14. In Korinth gab es offenbar die Auffassung, sexuelle Beziehungen seien zu vermeiden;52 das galt offenbar insbesondere auch für die eheliche Verbindung mit einem »ungläubigen« Partner, wie aus dem Argumentationsgang in 1Kor 7,12−16 hervorgeht. Paulus erklärt, die Auflösung einer solchen »Mischehe« hänge allein von der Entscheidung des ἄπιστος ab (V. 12–13); es bestehe kein halb der »Erwachsenenliteratur« zumindest auch für Kinder bestimmt waren, doch gebe es hier eine Forschungslücke (199−201). 48 Ursula Ulrike Kaiser, Jesus als Kind. Neuere Forschungen zur Jesusüberlieferung in den apokryphen »Kindheitsevangelien«, in: Jörg Frey/Jens Schröter (Hrsg.), Jesus in apokryphen Evangelienüberlieferungen. Beiträge zu außerkanonischen Jesusüberlieferungen aus verschiedenen Sprach- und Kulturtraditionen, WUNT 254, Tübingen 2010, 253−269: Als Mutter könne sie sich vorstellen, »welche Entlastung es bringen könnte zu lesen, dass nicht nur die eigenen Kinder, sondern auch Jesus handgreiflichen Streit mit anderen Kindern hatte, Geschirr zerbrochen hat und frech und besserwisserisch den Eltern oder Lehrern gegenüber aufgetreten ist« (269). 49 Eine Differenz zu Lk 2,46–47 liegt darin, dass Jesus die Lehrer im Tempel durch seine Fragen »zum Verstummen brachte und die Hauptstücke des Gesetzes und die Sinnsprüche der Propheten deutete«. 50 1Thess 2,11; 2Kor 12,14. In Phil 2,22 bezieht Paulus dieses Bild auf seine Beziehung zu Timotheus; in 1Thess 2,7 vergleicht er sich sogar mit einer Kinder nährenden Amme. 51 Vgl. Christine Gerber, Paulus und seine »Kinder«. Studien zur Beziehungsmetaphorik der paulinischen Briefe, BZNW 136, Berlin 2005. 52 Dieser Gedanke scheint hinter der von Paulus in 1Kor 7,1 aus einem korinthischen Brief zitierten Aussage zu stehen: καλὸν ἀνθρώπῳ γυναικὸς μὴ ἅπτεσθαι.

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Anlass, die Ehe (etwa aus Gründen der »Reinheit«) aufzulösen, denn der (oder die) »Ungläubige« werde durch den »gläubigen« Partner »geheiligt« (V. 14a). Andernfalls, so fügt Paulus in V. 14b hinzu, wären ja »eure Kinder unrein«53, die doch in Wahrheit »heilig« sind (νῦν δὲ ἅγιά ἐστιν).54 In V. 14b wechselt Paulus von der bisherigen unpersönlichen Redeweise (3. Pers. Sing., V. 12−14a) in die direkte Anrede und spricht von »euren Kindern«; so appelliert er an die Gefühle der Adressaten, sie sollten bei der Frage, ob die Beziehung zum »ungläubigen« Partner »unrein« mache oder nicht, an die eigenen Kinder denken. Der Satz »nun aber sind sie heilig« ist so formuliert, dass er die Zustimmung jedenfalls des christlichen Elternteils voraussetzt. Da in 7,12−14 die mögliche »Verunreinigung« in einer »Mischehe« zur Diskussion steht, sind die τέκνα, von denen Paulus spricht, vermutlich in einer »inter-religiösen« Ehe gezeugt und geboren worden, und so kann es sich in der noch jungen korinthischen Gemeinde nur um kleine Kinder handeln.55 Ob sie getaufte Glieder der christlichen Gemeinde sind, lässt sich ungeachtet des Begriffs ἅγιος nicht sagen.56 Vielleicht bezieht sich der Ausdruck »heilig« auf die Abstammung vom christlichen Elternteil, vielleicht aber deutet Paulus damit auch an, dass der »gläubige« Vater bzw. die »gläubige« Mutter die »heiligen« Kinder entsprechend erziehen soll.57 Nach Tertullian De anima 39,4 verdankt sich die in 1Kor 7,14 erwähnte »Heiligkeit« der Kinder »sowohl dem Vorzug der Abstammung als auch der Unterweisung der Erziehung (ex institutionis disciplina)«58; Tertullian nimmt offenbar an, dass es zur Zeit des Paulus einen Die Vokabel ἀκάθαρτος begegnet bei Paulus nur hier; der zweite Beleg im Corpus Paulinum (2Kor 6,17) ist Teil des m.E. unpaulinischen Einschubs 2Kor 6,14−7,1. 54 Ἅγιος hat an dieser Stelle beinahe die Bedeutung »(kultisch) rein«; Paulus setzt voraus, dass sich ein gläubiger Christ durch den sexuellen Umgang mit seinem heidnischen Ehepartner nicht »verunreinigt«, womit die Unterscheidung zwischen »rein« und »unrein« faktisch aufgehoben wird. 55 Gerhard Delling, »Nun aber sind sie heilig«, in: Ders., Studien zum Neuen Testament und zum hellenistischen Judentum, Göttingen 1970, 257–269: 267–268 meint, Paulus denke an »erwachsene Abkömmlinge«, die »vor der Christwerdung der Eltern« geboren wurden und die anders als ihre Eltern »den Eintritt in die christliche Gemeinde ablehnen«. Auch nach Wolfgang Schrage, Der erste Brief an die Korinther. 2. Teilband. 1Kor 6,12−11,16, EKK VII/2, Solothurn/Neukirchen-Vluyn 1995, 108 ist es »naheliegend, daß die Nichttaufe von Kindern, die allerdings nicht nur Minderjährige umfassen werden, etwas mit der Nicht-Einwilligung des nichtchristlichen Ehepartners oder der Kinder zu tun haben könnte«. 56 Vgl. David F. Wright, The Origins of Infant Baptism – Child Believersʼ Baptism? in: Ders., Infant Baptism in Historical Perspective. Collected Studies, Studies in Christian History and Thought, Colorado Springs 2007, 3–21:14–15.20. 57 Versteht man die den Abschnitt abschließende Aussage in 7,16 (τί γὰρ οἶδας […] εἰ […] σώσεις;) als einen Aufruf zu »missionarischer« Zuversicht, dann könnte die Aussage νῦν δὲ ἅγιά ἐστιν eine analoge Intention enthalten. Vgl. Andreas Lindemann, Der Erste Korintherbrief, HNT 9/I, Tübingen 2000, 167. 58 Tertullian fügt hinzu: Ceterum, inquit (sc. Paulus), immundi nascerentur; vgl. den Vulgatatext: alioquin filii vestri immundi essent. 53

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»Unterricht« im christlichen Glauben gab, möglicherweise als Voraussetzung für die spätere Taufe (s. u.). Warum spricht Paulus in seinen uns erhaltenen Briefen nur an dieser einen Stelle von Kindern? Offensichtlich war das Thema sonst niemals an ihn herangetragen worden, so dass man sein Schweigen jedenfalls nicht überbewerten darf.59 Hat Paulus aufgrund seiner »Naherwartung« die Geburt von Kindern gar nicht mehr erwartet?60 Ist die, allein aus der Perspektive des Mannes formulierte, Aussage in 1Kor 7,29b (οἱ ἔχοντες γυναῖκας ὡς μὴ ἔχοντες ὦσιν) womöglich als ein Aufruf zu ehelicher Askese zu verstehen? Gegen solche Annahmen spricht die Tatsache, dass Paulus in 1Kor 7,2−5 die Praktizierung der Sexualität ausdrücklich bejaht und dass er in 7,29ff. von den Adressaten jedenfalls nicht fordert, sie sollten angesichts des καιρὸς συνεσταλμένος die bestehenden Bindungen einschließlich der Sorge um die Kinder vernachlässigen.61 Paulus wird also Kinder in den Familien der Gemeindeglieder für selbstverständlich gehalten haben.62 Etwa hundert Jahre später schreibt Justin, die Christen würden um der Aufzucht der Kinder willen heiraten oder aber enthaltsam leben (Apol I 29,1). 3.2 In den Deuteropaulinen wird in der Haustafel Kol 3,18−4,1 von der Beziehung zwischen Kindern und Eltern (3,20) bzw. zwischen Vätern und Kindern (3,21) gesprochen.63 Der Autor denkt die τέκνα offenbar als unmittelbare Hörer und damit wohl auch als (getaufte?) Glieder der Gemeinde, ihnen gilt einerseits die an sie gerichtete uneingeschränkte Gehorsamsforderung (3,20: ὑπακούετε τοῖς γονεῦσιν κατὰ πάντα)64, sie hören aber andererseits auch die an die Väter gerichtete Weisung, die Kinder nicht zu »reizen, damit sie nicht mutlos werden« (3,21). Die hier ausgesprochene Eltern-Kind-Beziehung folgt also nicht dem Maßstab von Befehl und Gehorsam.65 Paulus erwähnt auch das »Herrenmahl« nur im Ersten Korintherbrief und nur aufgrund der in Korinth entstandenen Konflikte, im Grunde also »zufällig«. 60 So Christina Urban, Art. Die Rollen der Familienmitglieder, in: Klaus Scherberich (Hrsg.), Neues Testament und Antike Kultur. Band 2: Familie – Gesellschaft − Wirtschaft, Neukirchen-Vluyn 2005, 17–20: 19: Paulus kennt christliche Familien (1Kor 16,15), aber »er entwickelt aufgrund seiner Naherwartung keine Familienethik«. 61 Zum Problem einer Überbewertung der »Naherwartung« des Paulus vgl. Andreas Lindemann, Die Zukunft Gottes und die Gegenwart des Menschen. Beobachtungen zur Eschatologie des Paulus, in: Ulrich H. J. Körtner (Hrsg.), Die Gegenwart der Zukunft. Geschichte und Eschatologie, Neukirchen-Vluyn 2008, 123−148. 62 Vgl. die zweimalige Erwähnung des »Haus des Stephanas« (1Kor 1,16; 16,15); dazu Karin Lehmeier, Oikos und Oikonomia. Antike Konzepte der Haushaltsführung und der Bau der Gemeinde bei Paulus, MThS 92, Marburg 2006, 338−342. 63 Vgl. Dieter Lührmann, Neutestamentliche Haustafeln und antike Ökonomie, in: NTS 27 (1981), 83−97. 64 Der Hinweis auf Christus in der Erläuterung in V. 20b (»denn dies ist wohlgefällig ἐν κυρίῳ«) hat bestätigende, nicht eine kritische Funktion. 65 Michael Wolter, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon, ÖTBK 12, Gütersloh/Würzburg 1993, 201: Die Väter sollen von ihrer patria potestas »einen solchen 59

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In Eph 6,1 ist die Weisung an die Kinder aus Kol 3,20a übernommen; sie wird aber nicht unerheblich modifiziert, denn der Verfasser streicht die Wendung κατὰ πάντα,66 und er nennt zugleich durch den Hinweis auf den κύριος einen kritischen Maßstab.67 Sollte die gut bezeugte Wendung ἐν κυρίῳ die ältere Lesart sein,68 so wäre damit das Kriterium für den Gehorsam der Kinder und zugleich ein Maßstab für die Weisungen der Eltern genannt. Überdies trägt der Text in Eph 6,1 einen gegenüber Kol 3,20 stärker grundsätzlichen Charakter.69 Die Forderung an die Väter, die Kinder nicht zu überfordern (6,4: μὴ παροργίζετε τὰ τέκνα ὑμῶν), ist jetzt verbunden mit der Aufforderung, die Kinder »christlich zu erziehen« (… ἐν παιδείᾳ καὶ νουθεσίᾳ κυρίου).70 Παιδεία meint hier jedenfalls nicht »Zucht«, sondern eher so etwas wie »Bildung«.71 Damit betont der Autor des Epheserbriefes die Verantwortung der Eltern für die Zukunft72 − er rechnet also, wie Gerhard Sellin zutreffend schreibt, »mit einem längeren Dasein der Kirche auf Erden und nicht mit einer nahen Parusie, freilich auch nicht mit einer eliminierten Zeit«.73 Gebrauch machen, der ihren Kindern nicht das Selbstvertrauen nimmt«; damit würden die Väter »zu einem rationalen Einsatz ihrer Befugnis angehalten«. In der Schrift »Kinderzucht« des (Pseudo-)Plutarch werden die Eltern aufgerufen, ihre Kinder nicht zu überfordern, denn »davon erschöpft sinken sie ab und sind, auch sonst von ihren Mißerfolgen seelisch niedergedrückt, nicht (mehr) zum Lernen bereit« (Kinderzucht, 13). 66 Philo und der römische Philosoph Musonius fragen, ob man den Eltern »in jeder Hinsicht« gehorchen müsse, und sie geben darauf eine verneinende Antwort. 67 Die Formulierung τὰ τέκνα, ὑπακούετε τοῖς γονεῦσιν ὑμῶν ἐν κυρίῳ τοῦτο γάρ ἐστιν δίκαιον in Eph 6,1 unterscheidet sich also deutlich von der in Kol 3,20. 68 So Gerhard Sellin, Der Brief an die Epheser, KEK 8, Göttingen 2008, 458 Anm. 169; zur textkritischen Diskussion vgl. Metzger, Textual Commentary, 541–542. 69 Sellin, Epheserbrief, 460: Gerechtigkeit ist eine grundsätzlichere Tugend als das »Wohlgefallen«. »›Gerecht‹ ist ein Verhalten, das die Gemeinschaft stabilisiert und fördert und – im Falle der Familie – den Frieden des ›Hauses‹ wahrt. Der Gehorsam der Kinder ist dafür notwendig. Die Formulierung aus Kol 3,20 (›wohlgefällig im Herrn‹) ist dem Verfasser des Eph offenbar zu schwach.« Im Eph folgt überdies das ins Grundsätzliche abgewandelte Dekaloggebot Ex 20,12. 70 Vgl. Andreas Lindemann, … ἐκτρέφετε αὐτὰ ἐν παιδείᾳ καὶ νουθεσίᾳ κυρίου (Eph 6.4). Kinder in der Welt des frühen Christentums, in: NTS 56 (2010), 169−190. 71 Philo schreibt zu Dtn 8,5 (»…wie ein Mensch seinen Sohn erzieht«), es werde gesagt, dass Gott handelt um der παιδεία und νουθεσία des Menschen willen (Deus Imm 54). 72 Margaret Y. MacDonald, A Place of Belonging: Perspectives on Children from Colossians and Ephesians, in: Marcia J. Bunge, The Child in the Bible, Grand Rapids 2008, 278−304: 300–301: »The merging of household and house-church space in the New Testament era created unique opportunities for the evangelization of children«; Eph 6,4 markiere »the beginning of considerable interest in the Christian socialization of children«. 73 Sellin, Epheserbrief, 462. Vgl. auch Hans Hübner, An Philemon. An die Kolosser. An die Epheser, HNT 12, Tübingen 1997, 253: »Wer sich in die gottgesetzte Familienordnung fügt, dem hat Gott ein langes Leben verheißen.« Hier melde sich »die weisheitliche Überzeugung vom Tun-Ergehens-Zusammenhang, die doch bereits im AT radikal problematisiert wurde«.

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3.3 In der Haustafel in 1Petr 2,18−3,7 wird die Beziehung zwischen Eltern und Kindern gar nicht erwähnt.74 Die Pastoralbriefe dagegen sprechen jedenfalls indirekt von Kindern, insofern es in 1Tim 3,4.12 heißt, die ἐπίσκοποι und διάκονοι müssten ihrem »Haus« gut »vorstehen« und ihre Kinder »in Unterordnung halten« (τέκνα ἔχοντα ἐν ὑποταγῇ), denn wer den eigenen οἶκος nicht zu führen verstehe, könne auch nicht für die ἐκκλησία θεοῦ sorgen (3,5).75 In Tit 1,6 verlangt »Paulus« von »Titus«, jeder der von ihm in Kreta eingesetzten πρεσβύτεροι müsse »unbescholten« sein und nur einmal verheiratet; auch müsse er »gläubige Kinder« haben, denen man »heillosen Wandel« und »mangelnde Bereitschaft zur Unterordnung« nicht vorwerfen kann (τέκνα ἔχων πιστά, μὴ ἐν κατηγορίᾳ ἀσωτίας ἢ ἀνυπότακτα). Ob die Wendung τέκνα ἔχων πιστά bedeutet, dass diese Kinder getauft sind, lässt sich nicht sagen; ein christlicher Unterricht ist aber jedenfalls anzunehmen. Dass in christlichen Familien Kinder geboren werden, ergibt sich aus 1Tim 2,15; 5,14.76 Aber der Verfasser der Pastoralbriefe sagt nirgendwo etwas über die Kinder selber.

4. Kinder in den späteren Schriften des zweiten Jahrhunderts In dem in den 90er Jahren verfassten Brief der römischen an die korinthische Kirche (»Erster Clemensbrief«)77 werden in 21,6−8 Maßstäbe für das Verhalten von Christen genannt, wobei sich eine deutliche Hierarchie zeigt: Dem Herrn sollen wir Ehre erweisen (τὸν κύριον … ἐντραπῶμεν), geboten ist »ehrfürchtige Scheu gegenüber den leitenden (Männern)«, die Älteren sind zu ehren, die Jungen sind zu erziehen in der Furcht Gottes.78 Die Frauen sollen zum Guten ge74 Norbert Brox, Der erste Petrusbrief, EKK XXI, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1979, 126 verweist auf »den Eindruck von Zufälligkeit in der Anwendung des verfügbaren paränetischen Arsenals«. Zwischen Kol und Eph, aber wahrscheinlich nicht zwischen 1Petr und den beiden Deuteropaulinen besteht ein direkter literarischer Zusammenhang. 75 Nach Peter Müller, Art. Kind/Kindheit, in: RGG4, Tübingen 2001, 968 wirkt in der Haustafel Kol 3,18ff. »der befreiende Impuls der Jesusbotschaft auf die Grundstruktur des Hauses als sozialer Größe deutlich ein«, während in den Pastoralbriefen »die herkömmlichen Strukturen des Hauses wieder in den Vordergrund« treten. 76 Die Aussage, die Frau werde »gerettet durch Kindergebären«, braucht nicht als Repression gegenüber Frauen ausgelegt zu werden, wenn man mit der Möglichkeit ideologisch-religiös motivierter Askeseforderungen rechnet. Anders zu beurteilen ist 1Tim 2,11−14; das hier formulierte Schweigegebot entspricht dem sekundären Einschub in 1Kor 14,34−35. Die Weisung dort dürfte auf den Verfasser des 1Tim bzw. auf dieselbe theologische Tendenz zurückzuführen sein (vgl. Lindemann, Der Erste Korintherbrief, 315–321). 77 Zu den Einleitungsfragen zum 1Clem vgl. Andreas Lindemann, Der erste Clemensbrief, in: Wilhelm Pratscher (Hrsg.), Die Apostolischen Väter. Eine Einleitung, UTB 3272, Göttingen 2009, 59−82. 78 Οἱ πρεσβύτεροι sind nicht »die Ältesten«, wie der zugeordnete Begriff οἱ νέοι zeigt.

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lenkt werden,79 und dann heißt es (21,8): »Unsere Kinder sollen der Erziehung in Christus teilhaftig werden« (τῆς ἐν Χριστῷ παιδείας μεταλαμβανέτωσαν) und »lernen« (μαθέτωσαν), »was Demut (ταπεινοφροσύνη) bei Gott gilt, was reine Liebe bei Gott erreicht, wie die Furcht (φόβος) vor ihm gut und groß ist und alle rettet (σώζων πάντας), die in ihm fromm wandeln in reiner Gesinnung«. Horatio Lona meint, es gebe »recht wenig Spezifisches in dieser Ermahnung an die Kinder als Gruppe innerhalb der Gemeinde«80; aber es ist doch bemerkenswert, dass sich der Autor überhaupt zu solchen auf die Kinder bezogenen Aussagen veranlasst sieht, wobei er Grundgedanken jüdischer Weisheit aufnimmt (Spr 15,33; Sir 1,27). Ausdrücklich nennt er inhaltliche Erziehungsziele und beschränkt sich nicht auf die Einschärfung des von Kindern zu leistenden Gehorsams. Welchen Status innerhalb der Gemeinde die hier erwähnten Kinder möglicherweise haben, geht aus dem Text nicht hervor. Ignatius von Antiochia grüßt in Smyrn 13,1 »die Häuser meiner Brüder mit Frauen und Kindern« (γυναιξὶ καὶ τέκνοις), dazu die »Jungfrauen, die ›Witwen‹ genannt werden«; es handelt sich um »the two main social groups that constituted the community: (a) house-holders with wives and children; (b) ›virgins called widows‹«, was sich offenbar auf die in 1Tim 5,3−16 erwähnte Personengruppe bezieht.81 Ob die ausdrücklich erwähnten Kinder nur zur Familie gehören oder auch zur Gemeinde, lässt sich nicht sagen.82 Polykarp von Smyrna mahnt die Adressaten seines Briefes nach Philippi, sie sollten zunächst sich selber und dann auch ihre Frauen belehren (διδάξωμεν), allen in Liebe zugetan zu sein, »und den Kindern eine Erziehung zur Gottesfurcht geben« (τὰ τέκνα παιδεύειν τὴν παιδείαν τοῦ φόβου τοῦ θεοῦ, 4,2). Der Unterricht der Kinder ist also offenbar eine Aufgabe der Frauen, vermutlich also der Mütter. Ob Polykarp an einen spezifisch religiösen Unterricht für Kinder denkt, lässt sich nicht sagen; jedenfalls sollen die Kinder das lernen, was für alle gilt. In dem umfangreichen Buch »Hirt« des Hermas83 schreibt Hermas als Autor, ihm sei gleich nach seiner ersten Vision vorgeworfen worden, seinem Hause gegenüber zu nachsichtig und seinen Kindern gegenüber zu freundlich (φιλότεκνος) gewesen zu sein; er sei deshalb ins Unglück geraten. Er solle aber 1Clem 21,7 enthält einen Schweigebefehl für die Frauen, der an die Glosse in 1Kor 14,34–35 und an 1Tim 2,11−15 erinnert. Vgl. Andreas Lindemann, Die Clemensbriefe. Die Apostolischen Väter I, HNT 17, Tübingen 1992, 29 (Exkurs: Frauen im 1 Clem). 80 Horacio E. Lona, Der erste Clemensbrief, KAV I, Göttingen 1998, 284; vgl. Lindemann, Clemensbriefe, 80. 81 William R. Schoedel, Ignatius of Antioch. A Commentary on the Letters of Ignatius of Antioch, Hermeneia, Philadelphia 1985, 252. 82 Das gilt auch für Ign Pol 8,2, wo freilich weniger klar ist, dass Ignatius wirklich an Kinder denkt. 83 Zu den hier besonders schwierigen Einleitungsfragen s. David Hellholm, Der Hirt des Hermas, in: Wilhelm Pratscher (Hrsg.), Die Apostolischen Väter. Eine Einleitung, UTB 3272, Göttingen 2009, 226−253. 79

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nicht müde werden, seine Kinder zu ermahnen (νουθετῶν σου τὰ τέκνα)84, damit sie, »wenn sie von ganzem Herzen Buße tun, in die Bücher des Lebens zu den Heiligen geschrieben werden« (Vis I 3,1−2).85 Deutlich ist, welche Forderung der Autor damit an seine Adressaten richtet: Sie sollen verstehen, dass zu einer christlichen Familie sittliche Zucht und Selbstdisziplin gehören; und sie sollen wissen, dass der Vater für die Einhaltung dieser Norm zu sorgen hat.86 Bemerkenswerte Hinweise zur Erziehung der Kinder gibt Tertullian in seinem Werk De idololatria. Christen, so stellt er fest, dürften keinesfalls Lehrer werden, denn dann kämen sie ständig mit den heidnischen Göttern bzw. Götzen in Kontakt. Aber das bedeute nicht, dass die Kinder der Christen nichts lernen sollen; es sei nämlich eher möglich, die litterae nicht zu lehren als sie nicht zu lernen.87 Lesen und Schreiben seien die Grundlage für alles Wissen: »Wie könnten wir die weltlichen Studien (saecularia studia) verwerfen, ohne die doch die religiösen Studien (diuina) nicht zu bestehen vermögen?«88 Origenes weist den von Kelsos erhobenen Vorwurf zurück, bei den Christen seien die »am wenigsten gebildeten Menschen« (ἀπαιδευτοτάτοι) darum bemüht, »Kinder und unverständige Frauen« so zu beeinflussen, dass sie den eigenen Vater und auch die Lehrer missachten; die Christen seien im Gegenteil darum bemüht, »auch die philosophisch Gebildeten zur Annahme unserer Gottesverehrung zu bekehren und sie von der Erhabenheit und Reinheit derselben Nach Norbert Brox, Der Hirt des Hermas, KAV VII, Göttingen 1991, 88 sind die in Vis I 3,1 erwähnten Kinder als erwachsen zu denken; dazu passt nicht ganz, wenn Brox zu 3,2 schreibt, es werde dem Hermas »eine beharrliche Erziehungsarbeit eingeschärft, deren Ziel darin liegt, daß die Schlechtigkeit in den Kindern überwunden wird«. Letzteres setzt doch voraus, dass diese Kinder noch der Aufsicht des Vaters unterliegen. 85 In Mand XII 3,6 heißt es ausdrücklich: »Wenn du sie [sc. die Gebote] nicht befolgst, sondern außer acht läßt, werden weder du noch deine Kinder (τὰ τέκνα σου) noch deine Familie (ὁ οἶκος σου) Rettung erlangen«. Hermas hatte zuvor gesagt, die Gebote seien »unerfüllbar«. 86 In Sim IX 29,1 wird von gläubigen Menschen gesprochen, die wie unschuldige kleine Kinder sind (ὡς νήπια βρέφη ἐισίν). Nach Brox, Hirt, 456 ist gemeint, dass es Christen gibt, »die noch überhaupt nicht mit Sünde und Schlechtigkeit in Berührung kamen«, freilich bezogen »auf ihr Leben seit der Taufe«. Die Aussage sei »charakteristisch für die Frömmigkeit« des Hermas, sage »aber nichts über seine Liebe zu Kindern«. 87 Der Schüler kann sich leichter als der Lehrer von den »Befleckungen« fernhalten, die vor allem bei Festlichkeiten mit dem Schulwesen verbunden sind (Tertullian, De idololatria 10). 88 Vgl. Peter Gemeinhardt, Das lateinische Christentum und die antike pagane Bildung, Studien und Texte zu Antike und Christentum 41, Tübingen 2007, 511: »Bildung erwarben antike Christen nicht, insofern sie Christen, sondern insofern sie antike Menschen mit einem bestimmten kulturellen Erbe waren.« Vgl. Christoph Markschies, Lehrer, Schüler, Schule: Zur Bedeutung einer Institution für das antike Christentum, in: Ulrike Egelhaaf-Gaiser/Alfred Schäfer (Hrsg.), Religiöse Vereine in der römischen Antike. Untersuchungen zu Organisation, Ritual und Raumordnung, Studien und Texte zu Antike und Christentum 13, Tübingen 2002, 97–120: 103: »Die meisten Christen besuchten wohl ohne großes Zögern als Schüler den paganen Elementarunterricht«. 84

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zu überzeugen«. Die Kinder (παῖδες) würden keineswegs vom Unterricht in der Philosophie ferngehalten, sondern sie lernen im Gegenteil, dass die wichtigsten philosophischen Lehren schon von den Propheten Gottes und von den Aposteln Jesu vorgetragen wurden.89 Wenn der Schüler Jesus in der Kindheitserzählung des Thomas das griechische Alphabet lernen soll und wenn das von dem ersten Lehrer genannte weitere Erziehungsziel nicht die Tora ist, sondern ein freundlicher Umgang mit den Mitmenschen, so soll Jesu Reaktion darauf möglicherweise die Überlegenheit der Christen über diese Bildung anzeigen.90 Vielleicht wollten sie sich mit diesen kleinen Schulszenen gegen den Vorwurf zur Wehr setzen, das Christentum sei die Religion der Ungebildeten.91

5.

Zur Frage der Taufe von Kindern im frühen Christentum

Das Problem der kirchlichen Praxis der Kinder- oder Säuglingstaufe war zeitweilig dogmatisch belastet; darauf ist hier nicht einzugehen. Es geht lediglich um die historische Frage, ob sich aus den (wenigen) Texten, die von Kindern sprechen, deren Taufe ableiten lässt, oder ob sich zeigen lässt, dass die Kindertaufe nicht praktiziert bzw. sogar ausdrücklich verworfen wurde. Paulus erwähnt in 1Kor 1,14−17, er habe in Korinth einzelne Personen getauft, und er spricht darüber hinaus von der Taufe des οἶκος des Stephanas. Zweifellos kann man nicht von einer »Oikos-Formel« sprechen, als handele es sich um einen terminus technicus für den Übertritt einer ganzen Familie zur christlichen Gemeinde. H. Löhr stellt mit Recht fest, die Erwähnung des »Hauses« allein reiche nicht hin, einem Text, der von der Taufe des »Hauses« spricht, »die Vorstellung von der Taufe kleiner Kinder zuzuschreiben«, da die Taufe eines Kindes nirgends ausdrücklich erwähnt werde.92 Aber da Paulus im Falle des Stephanas Origenes, Contra Celsum III 55–58. Vgl. Jutta Tloka, Griechische Christen. Christliche Griechen. Plausibilisierungsstrategien des antiken Christentums bei Origenes und Johannes Chrysostomus, Studien und Texte zu Antike und Christentum 30, Tübingen 2005, 18−21 zur »Problemanzeige: Christentum und παιδεία«. 90 Vgl. Reidar Aasgaard, Uncovering Children’s Culture in Late Antiquity: The Testimony of the Infancy Gospel of Thomas, in: Cornelia B. Horn/Robert R. Phenix (Hrsg.), Children in Late Ancient Christianity, Studien und Texte zu Antike und Christentum 58, Tübingen 2009, 1−28; Tony Burke, »Social Viewing« of Children in the Childhood Stories of Jesus, a. a. O., 29−44. 91 Vgl. Walter Bauer, Das Leben Jesu im Zeitalter der neutestamentlichen Apokryphen, Tübingen 1909, 92−94. 92 Hermut Löhr, Kindertaufe im frühen Christentum. Beobachtungen an den neutestamentlichen Apokryphen, in: David Hellholm u. a. (Hrsg.), Ablution, Initiation, and Baptism. Waschungen, Initiation und Taufe. Late Antiquity, Early Judaism, and Early Christianity. Spätantike, Frühes Judentum und Frühes Christentum, Band II, BZNW 176/II, Berlin 2011, 1531−1552: 1537. 89

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explizit vom οἶκος spricht, kann jedenfalls nicht allein an die Taufe des Mannes gedacht sein. Der Einwand, die Mahnung in 16,15–16 zur Unterordnung unter die οἰκία des Stephanas schließe die Möglichkeit aus, dass Kinder mit gemeint sein könnten,93 trägt nichts aus, da die herausgehobene Stellung eines »Hauses« natürlich nicht bedeuten muss, dass jedem einzelnen Angehörigen des Hauses eine solche Stellung zukam.94 Es gibt kein Indiz dafür, dass bei der Taufe eines »Hauses« die unmündigen Kinder ausgeschlossen wurden; sie dürften vielmehr Anteil an der neuen christlichen Lebenspraxis des »Hauses« erhalten und so wahrscheinlich auch die Taufe empfangen haben.95 Das dürfte vermutlich auch gegolten haben, wenn einem getauften Ehepaar Kinder geboren wurden; jedenfalls gibt es keine Aussagen darüber, wann und unter welchen Bedingungen Kinder getaufter Eltern ihrerseits getauft werden durften.96 Wenn es in den Tauferzählungen der Apostelgeschichte in der Regel heißt, das »Haus« habe die Taufe empfangen,97 so wird damit zwar nicht gesagt, jeder einzelne Angehörige des »Hauses« sei gläubig geworden,98 aber Lukas deutet umgekehrt auch nicht an, dass einer der Angehörigen des »Hauses« die Taufe abgelehnt habe oder sie ihm verweigert worden sei. In Apg 16,30−34 erhält der römische Kerkermeister in Philippi auf seine Frage, was er tun müsse, um gerettet zu werden, die Antwort: »Glaube an den Herrn Jesus und so wirst du und dein Haus gerettet werden« (V. 31), und dann verkündigen Paulus und seine Begleiter ihm das Wort des Herrn σὺν πᾶσιν τοῖς ἐν τῇ οἰκίᾳ αὐτοῦ.99 Der Kerkermeister καὶ οἱ αὐτοῦ πάντες werden »sogleich« getauft (V. 33b)100, ohne dass von einem vorausgehenden Bekenntnis die Rede ist.101 Nach V. 34 hält er dann mit den anderen Tischgemeinschaft καὶ ἠγαλλιάσατο πανοικεὶ πεπιστευκώς τῷ θεῷ; damit soll sicher nicht gesagt werSo Ludger Schenke, Zur sogenannten »Oikosformel« im Neuen Testament, in: Kairos 13 (1971) 226−243: 243. 94 Vgl. Lehmeier, Oikos, 338−342. 95 Kleijwegt, RAC XX, 918 unter Verweis auf 1Kor 7,14: »Von christlichen Eltern abstammende K[inder] gehörten offenbar wie selbstverständlich zur die nahe Wiederkunft Christi erwartenden Gemeinde […] In der Folgezeit galten Säuglings- u[nd] K[inder]taufe als grundsätzlich zulässig«. 96 Selbst wenn nicht das ganze »Haus« zum christlichen Bekenntnis konvertierte (vgl. die 1Kor 7,12−16 geschilderte Problematik), scheint die Taufe jedenfalls nicht aus Altersgründen verweigert worden zu sein. Dass es zu Konflikten kommen konnte, wenn Angehörige der Familie, nicht aber der pater familias Christen wurden, erwähnt Tertullian im Apologeticum (3,4). 97 Apg 16,15 (Lydia wird getauft »und ihr Haus«). 98 Vgl. Friedrich Avemarie, Die Tauferzählungen der Apostelgeschichte. Theologie und Geschichte, WUNT 139, Tübingen 2002, 83−103. Der Hinweis auf einen festen Ablauf: Predigt, Glaube, Taufe trägt insofern wenig aus. 99 Die Worte σὺν πᾶσιν τοῖς ἐν τῇ οἰκίᾳ αὐτοῦ fehlen im Papyrus 127 (5. Jh.). 100 Παραχρῆμα fehlt im Papyrus 127. 101 Gerhard Barth, Die Taufe in frühchristlicher Zeit, Neukirchen-Vluyn 22002, 118 meint, entsprechend der Zielsetzung der Apg sei das nicht anders zu erwarten; da Lukas 93

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den, »das ganze Haus« habe sich darüber gefreut, dass er als Einziger gläubig geworden war.102 Der Autor des Epheserbriefes fordert seine Adressaten dazu auf, Kindern eine christliche Erziehung zu geben (6,4); vermutlich setzt er voraus, dass diese Kinder getauft waren, oder die Taufe war das baldige Ziel einer solchen παιδεία καὶ νουθεσία κυρίου.103 Wäre die Taufe kleiner Kinder im 2. Jahrhundert etwas grundsätzlich Neues gewesen, so hätte sich das in der theologischen Argumentation vermutlich niedergeschlagen; zumindest hätte es eine Debatte über das (Mindest-)Taufalter gegeben, wofür es aber keine Belege gibt.104 K. Aland hat gemeint, die Säuglingstaufe sei überflüssig, »solange man im Zeitalter der eschatologischen Naherwartung lebt, das in seinen Ausstrahlungen sicher bis tief ins 2. Jahrhundert reicht«105; aber ein Zusammenhang zwischen Kindertaufe und (Nachlassen der) Naherwartung ist nicht nachzuweisen und von der Sache her auch unwahrscheinlich, zumal allenfalls für die ersten Jahrzehnte des Christentums von einem »Zeitalter der eschatologischen Naherwartung« gesprochen werden könnte. H. Löhr kommt nach der Durchsicht der apokryph gewordenen Texte zu einem Ergebnis, das sich auch aus den kanonisch gewordenen und aus den patristischen Quellen ergibt: »Dass Kinder- bzw. Säuglingstaufe in der Frühzeit des Christentums nicht vorkamen, wird man zwar nicht sagen können, aber in der Erinnerung des Anfangs … spielt eine solche Praxis keine bedeutende Rolle, und, was vielleicht noch bezeichnender ist, sie wird theologisch nicht konzeptualisiert.«106 Der früheste eindeutige Beleg für die Praxis der Kindertaufe ist Tertullian. Wenn er in diesem Zusammenhang Jesu Wort aus Mk 10,13 zitiert: »Hindert sie nicht, zu mir zu kommen« (nolite illos prohibere ad me uenire), so bestätigt er indirekt, dass dieses Wort zugunsten der Kindertaufe verwendet wurde. Seine Missionserfolge zeigen wolle, »würde die penible Erwähnung eines Taufunterrichts nur stören«. Warum? 102 Dass die Sklaven und auch das Vieh zum οἶκος gerechnet wurden, sagt nichts über das hier zur Diskussion stehende Thema; eine Zwangstaufe von Sklaven ist jedenfalls unwahrscheinlich, auch wenn Sklaven möglicherweise die Taufe erduldeten und sich nicht von sich aus für sie entschieden. 103 Barth, Taufe, 119 und andere sehen in Hebr 6,1ff. den Hinweis »auf eine der Taufe vorangehende Grundunterweisung«, aber der Bezug der Wendung διδαχὴ βαπτισμῶν auf die (einmalige) Taufe ist keineswegs sicher. Vgl. Erich Grässer, An die Hebräer. 1. Teilband. Hebr 1−6, EKK XVII/1, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1990, 342: Es kann sich »nur um einen uns nicht mehr näher bekannten Initiationsritus handeln, der möglicherweise aus wiederholtem Untertauchen und der Handauflegung bestand«. 104 Eine Übersicht über die in Frage kommenden Quellenbelege gibt Joachim Jeremias, Die Kindertaufe in den ersten vier Jahrhunderten, Göttingen 1958, 11–22; vgl. Heinrich Kraft (Hrsg.), Texte zur Geschichte der Taufe, besonders der Kindertaufe in der alten Kirche, KlT 174, Berlin 21969. 105 Kurt Aland, Die Säuglingstaufe im Neuen Testament und in der alten Kirche. Eine Antwort an Joachim Jeremias, TEH NF 86, München 1961, 77–78. 106 Löhr, Kindertaufe, 1548.

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eigene Auslegung − »Sie sollen also kommen, wenn sie herangewachsen sind, wenn sie lernen, wenn sie darüber belehrt sind, wohin sie gehen sollen; mögen sie Christen werden, wenn sie Christus zu kennen vermögen (veniant ergo dum adolescunt ... fiant Christiani cum Christum nosse potuerint)« − steht im Widerspruch zum Wortlaut des Logions und auch zu dem in der Szene Mk 10,13−16 geschilderten Verhalten Jesu gegenüber den Kindern.107 Offensichtlich kritisiert Tertullian eher eine gängige Praxis als dass er eine Neuerung zurückweist.108 Er plädiert im Übrigen auch für einen Taufaufschub bei noch nicht verheirateten Personen, weil ihnen doch noch mancherlei Versuchungen im Leben drohen; vor allem auch die Paten würden sich gefährden, wenn sich zeige, dass sie das mit der Taufe verbundene Versprechen möglicherweise nicht einhalten können. Tertullian versteht die mit der Taufe verbundene Sündenvergebung also primär von einem moralischen Aspekt her.109

6. Ergebnis Das früheste Christentum sah von Anfang an die Kindheit als eine besonders schützenswerte Phase im Leben des Menschen an. Gemeinden traten unter Berufung auf Jesus für den eigenen Wert der Kinder ein, wofür die in Mk 10,13−16 erzählte Szene ein deutlicher Beleg ist. Die Gemeinden sahen sich auch in der Pflicht, den Kindern eine auf den Glauben bezogene Erziehung zu vermitteln; so ist es wohl kein Zufall, dass zwar nicht Paulus selber, aber der sich auf Paulus berufende Autor des Epheserbriefes in 6,4 die Forderung nach der Erziehung der Kinder ἐν παιδείᾳ καὶ νουθεσίᾳ κυρίου in das Schema der Haustafel eingefügt hat. Dass in den frühchristlichen Schriften von Kindern und damit verbunden auch von der Beziehung zwischen Eltern und Kindern nur selten gesprochen wird, ist kein Indiz für ein Desinteresse an den Kindern und ihrem Wohlergehen, sondern eher ein Zeichen dafür, dass es darüber offenbar keine Kontroverse gab – abgesehen von dem der in Mk 10,13−16 erzählten Szene zugrundeliegenden Konflikt, der unter Hinweis auf die Autorität Jesu gelöst wurde.

Tertullian fragt ironisch (Bapt 18,6): »Warum hat es das unschuldige Alter so eilig mit der Vergebung der Sünden?« 108 So m. R. Joachim Jeremias, Nochmals: die Anfänge der Kindertaufe: eine Replik auf Kurt Alands Schrift: »Die Säuglingstaufe im Neuen Testament und in der alten Kirche«, TEH NF 101, München 1962, 55. 109 Bapt 18,1: Die Amtsträger wüssten, dass die Taufe nicht vorschnell erfolgen darf (ceterum baptismum non temere credendum esse, sciunt quorum officium est). In Bapt 18,2.3 wendet Tertullian viel Argumentationskraft auf, um die so rasch erfolgte Taufe des äthiopischen Eunuchen und auch die des Paulus plausibel zu machen. 107

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Parenting, Surrogate Parenting, and Teaching Reading the Household Codes as Sources for Understanding Socialization and Education in Early Christian Communities Margaret Y. MacDonald

Few scholars have paid detailed attention to the exhortations concerning the child-parent relationship in the household codes of Colossians and Ephesians or in the household management material of the Pastoral Epistles.1 Yet, the new interdisciplinary interest in children and childhood is gradually making its presence felt in the study of the New Testament and early Christianity and invites re-examination of the Haustafeln from new angles.2 In keeping with the topic of this conference, my paper will concentrate on one specific dynamic of social transformation which is revealed by this early Christian discourse: the socialization and education of children. In this paper, I revisit some of the heuristic use of the sociology of knowledge which New Testament scholars explored in the 1980s in order to shed light on the process of socialization. Here, I will also take account of developments in the social sciences since the appearance of Peter L. Berger and Thomas A. Luckmann’s influential study, The Social Construction of Reality.3 I will briefly discuss the theoretical orientation which is often referred to as social constructionism and which has had a broad impact on many fields, including sociology

Scholars who have paid detailed attention to the child-parent relationship in the household codes include Peter Müller, In der Mitte der Gemeinde. Kinder im Neuen Testament, Neukirchen-Vluyn 1992, 326–348; Peter Balla, The Child-Parent Relationship in the New Testament and its Environment, WUNT 155, Tübingen 2003, 165–178. See also Margaret Y. MacDonald, A Place of Belonging. Perspectives on Children from Colossians and Ephesians, in: Marcia J. Bunge (Hrsg.), The Child in the Bible, Grand Rapids, MI 2008, 278–304; The Power of Children. The Construction of Christian Families in the Greco-Roman World, forthcoming Waco, Texas (Baylor University Press) 2014. Some of the ideas in this paper are developed in more detail in this forthcoming volume. 2 For the impact of new research on childhood on field see especially Reidar Aasgaard, Children in Antiquity and Early Christianity. Research History and Central Issues, in: Familia 33 (2006), 23–46. 3 See Peter L. Berger/Thomas A. Luckmann, The Social Construction of Reality, Garden City, NY 1966. 1

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and social psychology.4 Ultimately concerned with socialization and education, and with the role of the child-parent relationship within these social processes, my essay is also informed by recent findings emerging from Roman Family Studies, especially with respect to the variety of forms of parenting activities and educational influences on children throughout the life course.

1. The Social Construction of Reality Influence of sociology of knowledge on New Testament study can be traced back to the 1970s with a frequently cited essay by Wayne Meeks on the relationship between the Fourth Gospel and a sectarian community.5 This influence continued in the highly acclaimed The First Urban Christians: The Social World of the Apostle Paul (1983). As has been frequently noted, Meeks made little direct appeal to sociological theory in The First Urban Christians.6 Nevertheless, careful reading of Meeks’ volume reveals the foundational impact of the sociology of knowledge. According to Meeks, references to the social world of Christianity have a »[…] double meaning, referring not only to the environment of the early Christian groups but also to the world as they perceived it and to which they gave form and significance through their special language and other meaningful actions. One is the world they shared with other people who lived in the Roman Empire; the other, the world they constructed.«7 See for example Vivien Burr, Social Constructionism, London 22003, 1. See Wayne Meeks, The Man from Heaven in Johannine Sectarianism, in: JBL (1972), 44–72. 6 For Meeks’ description of his own methodology, see especially Wayne Meeks, The First Urban Christians. The Social World of the Apostle Paul, New Haven/London 1983, 2.6. As has been recently documented by David G. Horrell in a volume celebrating the twenty-fifth anniversary of the publication of The First Urban Christians, the work was criticized for its »lack of consistent theoretical foundation«, and in fact the index reveals only a handful of direct references to Berger and Luckmann’s theories. See David G. Horrell, Whither Social-Scientific Approaches to New Testament Interpretation? Reflections on Contested Methodologies and the Future, in: Todd D. Still/David G. Horrell (Hrsg.), After the First Urban Christians. The Social-Scientific Study of the Pauline Christianity Twenty-Five Years Later, London/New York 2009, 7. 7 Meeks, Urban Christians, 8. Arguably this constructed world can be discerned most clearly and, at the time of publication, most controversially in the final chapter of the volume where Meeks sought to draw correlations between patterns of belief and patterns of life. For recent theoretical discussion of Meeks’ approach including a response to critiques of Meeks’ use of the concept of ›correlation‹ (heavily indebted to the Social Sociology of Knowledge) by Bengt Holmberg and Stanley Stowers, see Dale B. Martin, Patterns of Belief and Patterns of Life. Correlations in the First Urban Christians and Since, in: Todd D. Still/David G. Horrell (Hrsg.), After the First Urban Christians. The Social-Scientific Study of the Pauline Christianity Twenty-Five Years Later, London/New York 2009, 116–133. 4 5

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In the 1980s at Oxford, Meeks heavily influenced my work, even though I drew much more explicitly on the theories of Berger and Luckmann than did Meeks. I set out to explore the dialectical interaction between the Pauline churches and their symbolic universe, with an appeal to the three moments in social reality that must be considered in the study of the social world: externalization, objectification, and internalization. Seeking to examine the transformation of the Pauline symbolic universe which occurred with the incorporation of new generations into the second century CE, I was especially interested in Berger and Luckmann’s concept of institutionalization; this is the term used by them to refer to the overall dialectical process through which the symbolic universe is both constructed and altered. I paid special attention to Berger and Luckmann’s theory about the transformative quality of interactions that occur with the introduction of a third party, when institutions are experienced as a type of external force having a quality independent of the producers: ›There we go again‹ becomes ›This is how things are done‹! Thus in 1988, I wrote: »Berger and Luckmann speak of the introduction of this third party in terms of the arrival of a new generation in a way that proves useful for understanding the mechanisms involved in the introduction of a new generation within the church. Social formation can only be transmitted to a new generation as an objective world, which confronts the individual in a manner similar to the natural world.«8

My overall approach in The Pauline Churches was to speak of three levels of institutionalization: A brief discussion of the communities reflected in the undisputed letters of Paul in terms of community-building institutionalization was followed by an exploration of community-stabilizing institutionalization associated with Colossians and Ephesians. Here consideration of the problems associated with the disappearance of Paul, growth, and the passage of time involving the incorporation of a new generation were especially significant. A final level of institutionalization associated with the Pastoral Epistles was identified as community-protecting institutionalization, where problems involving false teaching lead to more radical transformation of the symbolic universe and introduction of social processes designed to preserve the tradition.9 Very much focused on the introduction, with the passage of time, of new generations into church groups in global terms, I paid little attention to the literal introduction of new generations, in the sense of the socialization of children and their ongoing formation throughout the life course. In this paper, I propose to return to my theoretical framework based on sociology of knowledge but with a specific focus on socialization and education, as reflected in the household code materials. 8 Margaret Y. MacDonald, The Pauline Churches. A Socio-historical Study of the Institutionalization in the Pauline and Deutero-Pauline Writings, Cambridge 1988, 12, citing Berger and Luckmann, Social Construction of Reality, 76–77. 9 See MacDonald, The Pauline Churches, 17–18.

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With Colossians and Ephesians, I will point to a newly visible interest in the socialization and education of children, in comparison to the undisputed letters.

2.

Col 3,20–21: A Direct Appeal to Children and Parents and the Socialization of Slave and Freeborn Members of the House Church

While much more interest has been expressed by commentators in the direct appeal to slaves in Col 3,22 than in the direct appeal to children in Col 3,20, the same applies to both exhortations, which use virtually identical language to address slaves and children: The direct address to such subordinate groups rather than via the pater familias is at least unusual.10 But this deliberate singling out of children as members present when the community is gathered and the epistle is read out loud takes on new significance if considered from the perspective of the social construction of reality. From this perspective, symbolic universes become fabricated through daily interactions. Influenced especially by such thinkers as Michel Foucault, scholars adopting social constructionist approaches have paid increasing attention to discourse and language in the development of how forms of knowledge are achieved by people in interaction. Thus, in a foundational study of social constructionism, as an approach which cuts across disciplines, the author highlights the importance of language: »By placing centre-stage the everyday interactions between people and seeing these as actively producing the forms of knowledge we take for granted and their associated social phenomena, it follows that language too has to be more than simply a way of expressing ourselves. When people talk to each other, the world gets constructed. Our use of language can therefore be thought of as a form of action, and some social constructionists take this ‘performative’ role of language as their focus of interest.«11

From this angle, the direct appeal to children seems even more significant. While the Apostle Paul makes extensive use of childhood and infancy metaphors, there is only one fleeting reference to the presence of children in community life: the puzzling reference to children of mixed marriage who are now holy (1Cor 7,14). But in Col 3,20, the performative quality of children being called out by name in the midst of the assembly constructs a world of belonging. Scholars who have drawn attention this include, among others: Franz Laub, Die Begegnung des frühen Christentums mit der antiken Sklaverei, Stuttgart 1982, 90; Marlis Gielen, Tradition und Theologie neutestamentlicher Haustafelethik. Ein Beitrag zur Frage einer christlichen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen, BBB 75, Frankfurt am Main 1990, 37–38.69–71.102.118.145. 11 Burr, Social Constructionism, 8. 10

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The social construction of reality invites examination of processes rather than social structures.12 Thus, instead of focusing simply on how the text reflects the structures of the household of antiquity, we are urged to contemplate how the oral performance of this exhortation creates and sustains a social world. In fact, overemphasis on structures can lead us to a misguided vision of singledimension identities of hearers as children, slaves, masters or parents governed by straightforward social rules. Instead, we need to imagine being called out by name as a dynamic and fluctuating social process: What does one hear as a child when one is also a slave? What does one hear when one is both a master and a parent or a slave and a parent?13 New research on slavery in Roman society supports this vision of multi-dimensional identity and multi-dimensional social interactions, based especially on inscriptional evidence where family terminology was employed freely in slave commemorations erected by freedpersons. Slaves were parents; slaves were children living with slave parents or apart from them; and, slaves were sometimes the biological children of their owners. Both as children and adults, slaves ultimately owed obedience to the heads of their households with a myriad of potential divided loyalties tied to the fragile family units they hoped to establish among themselves.14 The admonition for children to obey their parents in everything because it is their acceptable duty in the Lord in Col 3,20 and the call for fathers to avoid provoking their children in Col 3,21 are, on the surface, thoroughly conventional; both obedience, and pleas for moderation in discipline, are well attested in the sources. Yet, it is important to recognize that this type of exhortation acts as a form of socialization, a means by which the social world is internalized. The rule-like statements and the obvious connection to the world of the everyday, make an especially good example of what Berger and Luckmann identified as the institutionalization that occurs with the introduction of a new generation into the social world: ›This is how things are done!‹15 But because this language is so thoroughly rooted in the interactions of the everyday, it is perhaps more See Burr, Social Constructionism, 9. We cannot be completely certain, but there is a strong likelihood that slave children were part of the audience listening to the Colossian household code (Col 3,18–4,1). Given that the exhortation to slaves is by far the longest section of the Colossian household code, it is reasonable to conclude that slaves formed a significant segment of the housechurch community and there is no reason to exclude slave children from the instructions. Neither should we exclude the possibility, indeed probability, that some of the fathers exhorted in Col 3,21 were slave parents. 14 On the multiple identities of slaves based especially on inscriptional evidence see, for example, Dale Martin, Slave Families and Slaves in Families, in: David L. Balch/Carolyn Osiek (Hrsg.), Early Christian Families in Context. An Interdisciplinary Dialogue, Grand Rapids 2003, 207–230. 15 This taken for granted quality which has emerged so clearly in scholarly comparisons to other ancient texts also reflecting the household management topos is one of the reasons why household code teaching is often characterized as thoroughly conventional with only a thin veneer of Christian ethos. 12 13

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important to imagine how the symbolic universe appears to be altered even in a minor way. In his An Invitation to Social Constructionism, Kenneth J. Gergen draws attention to a balance between stability and fluidity in social construction, as one moves from one community setting to another (here we might substitute emerging early Christian communities for his friendship group): »The process of world construction is taking place wherever people are in communication, and in every relationship there are multiple traditions coming into contact, creating new formations of expression. There are also conflicts among traditions that continuously threaten their existence […]. There may also be conflicts with the realities and values shared in a friendship group clashing with those of one’s parents, or one’s religious views scorned by a friendship group. Social life is thus a seesaw dynamic between forces for stability and for change.«16

If we consider the seesaw dynamics alive in the construction of the social world shared by the members of the Colossian community, there are indications of new forms of expression revealed by the language of the household code.17 Recent scholarship has identified the promise of inheritance to slaves in Col 3,24 as offering evidence of a counter-cultural language in the household codes, where the concept takes on new meaning in social interactions. Appealing to the political theorist James C. Scott, some scholars have even seen evidence of a ›hidden transcript‹ where the community members are receiving a message about the treatment of slaves which only appears on the surface to match imperial ideals in order to appease tension with the broader society, but is understood in a distinct manner by members of the in-group.18 Here we need to consider the diverse phenomenon of pseudo-parenting or surrogate parenting. Although it is quite rare, inscriptional evidence suggests that sometimes slaves were raised with the expectation that they would share completely in the fate of freeborn children; in other words, they would share

Kenneth J. Gergen, An Invitation to Social Constructionism, London 22009, 50. See Meeks, Urban Christians, 93–94, citing Berger/Luckmann, Social Construction of Reality, 67–79. Indebted to Berger and Luckmann, Wayne Meeks spoke of close-knit groups, developing their own argot with the use of that argot knitting them ever more closely together. He drew attention to use of ordinary words with special nuances, drawing attention to the very term ekklēsia which in ordinary Greek refers to the voting assembly of citizens of a free Greek city – not a company of believers gathered in a house. 18 Many scholars have been influenced by the theories of James C. Scott on the hidden transcript. See especially Jerry L. Sumney, Colossians. A Commentary, NTL, Louisville, KY 2008; Brian J. Walsh/Sylvia Keesmaat, Colossians Remixed. Subverting the Empire, Downers Grove 2004. The meaning of this text requires much more discussion than is possible here. My main concern in this paper, however, is not to examine the teaching on slavery in detail, but to consider the relationship between such instruction and the socialization of children. 16 17

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in the inheritance (Col 3,24).19 Such equalizing practices and aspirations were not the norm, but it should be acknowledged that it was legally possible to adopt a freed child after manumission, which would lead to inheritance and freedpersons could be chosen as heirs.20 These possibilities should cause us to reflect carefully upon what is actually being promised to the slaves in Col 3,24. The promise of inheritance (klēros; cf. 1,12) is fittingly expressed as a future occurrence – something associated with the kingdom of God. In the social realm, slaves as slaves were completely barred from inheritance. But there is also something of the present reality experienced by slaves that is conveyed by this exhortation which sets it apart from the undisputed letters of Paul where metaphors of adoption and enslavement refer to the circumstances of the whole community.21 In contrast, in the midst of household code discourse, Col 3,24 is intended to shape real social interactions within the community between slaves and masters and is at the heart of the ideological justification for welcoming all – even slave children once destined to inherit nothing at all – as God’s chosen ones (cf. Col 3,11–12). A slave child upon hearing the Col 3,18–4,1 might find a place of belonging where all his or her friends were brothers and sisters in Christ. It is important to recognize, however, that pseudo-parenting sometimes took on – from our perspective at least – a much darker quality in the form of adoption of slave children as favorite or pet (known as delicia) children. As the extensive work of Christian Laes on this topic has shown, the phenomenon was complex and shaped by a variety of motivations. Some, but not all, delicia children were quazi-adopted for sexual purposes. Such happenings are by no means irrelevant for the audiences of the household codes. Among the many questions that could be asked: What if obedience to one’s master meant allowing one’s child to be adopted as a favorite, a delicia child? What if the adoptive parent was a non-believer?22 An inscription from Rome makes this clear: »To the gods of the underworld. Aulus Furius Crassus. Aulus Furius, the houseborn slave of Festus, has been considered a son. He lived four years, six months, twenty-nine days.« CIL 6.18754. Cited in Christian Laes, Delicia-Children Revisited. The Evidence of Statius’ Silvae, in: Véronique Dasen/ Thomas Späth (Hrsg.), Children, Memory and Family Identity in Roman Culture, Oxford 2010, 249. See also CIL 6.22972. Translated and cited in Beryl Rawson, Children and Childhood in Roman Italy, Oxford 2003, 259; see also 60–61. 20 See Laes, Delicia-Children Revisited, 249. 21 In his metaphorical description of being adopted as a child-heir of God in Galatians 3–4 and in Romans 8, Paul displays an awareness of the legal process of adoption, but the concepts of enslavement and inheritance are confined to the domain of metaphor and applied generally to the whole community. See Jennifer A. Glancy, Slavery in Early Christianity, Oxford 2002, for analysis of Paul’s complex use of slavery, kinship and adoption imagery in Galatians 3–4. 22 See Laes, Delicia-Children Revisited, 253. Here, Laes considers especially the poetic evidence from Statius’ Silvae. Laes has documented many aspects of the complex social phenomenon involving delicia children including the apparent lack of concern for the 19

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Pseudo-parenting took many forms in the Roman world and might even be said to be so common as to permeate the whole society. In an intriguing study on surrogate parenting, socialization, and the shaping of tradition, Ann-Cathrin Harders has pointed to several significant historical factors, including a demography where, broadly speaking, more than 25 percent would have lost their fathers by the age of 15 and the dislocation of children and parents caused by divorce and remarriage. She has spoken aptly of Roman »patchwork« families: »Care arrangements were rather flexible: children lived with stepparents, they were fostered by side kin or elder siblings, or they were adopted into another family. They were brought up in formidable ›patchwork families‹ which can neither be described in strict agnatic terms nor be paralleled with the nuclear family. Since a widowed or divorced mother often clung to natal kin for help, the pater familias, if still alive, or the next male agnate lost ground facing socially dominant surrogate fathers such as maternal uncles, step-fathers, and single mothers.«23

Harders’ observations beg the question: Who are the fathers of Col 3,21 and what were the possibilities for surrogate fatherhood? The possibility of single mothers acting as surrogate fathers is especially intriguing given the sustained references to women named without male counterparts in earliest Christian communities, including Nympha who has a church in her house (Col 4,15–16). Given the detailed interest in the slave-master relationship in the Colossian Haustafel, however, a further type of pseudo-parenting needs to be considered before dealing with the reference to fathers in Col 3,21: the role of the slave as wet nurse and caregiver.24 The role of the wet nurse illustrates the sometimes fuzzy distinction between socialization and education. Whereas education involves active and intentional communication of knowledge, socialization should be viewed »as a process in which a child internalized social structures and unconsciously learned the codes and standards of his [or her] social sphere.«25 Ancient authors philosophized about the selection of a wet nurse in a manner that makes their importance for the overlapping functions of socialization and edunatural slave parents and the effort on the part of ancient authors to depict an inverted relationship where the adoptive freeborn parent displays more emotional attachment to the child than the natural parents do. 23 Ann-Cathrin Harders, Roman Patchwork Families. Surrogate Parenting, Socialization, and the Shaping of Tradition, in: Véronique Dasen/Thomas Späth (Hrsg.), Children, Memory and Family Identity in Roman Culture, Oxford 2010, 53. 24 The wet nurse offers one of the best examples of the influence of non-kin relations and extended family to the experience of childhood in antiquity. See Véronique Dasen, Childbirth and Infancy in Greek Roman Antiquity, in: Beryl Rawson (Hrsg.), A Companion to Families in the Greek and Roman Worlds, Oxford 2011, 291–314: 309. See also Rawson, Children and Childhood in Roman Italy, 123. 25 Harders, Roman Patchwork Families, 50, citing Berger/Luckmann, Social Construction of Reality, 129–137.

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cation clear.26 With their influence extending well beyond the weaning period, these women were in a position to teach their young charges. If Christian wet nurses were owned or hired by non-believers, their teaching could take the form of evangelization.27 In considering the daily interactions which constructed the social world of early church groups, we need to take account of childcare where slave nurses would often care for slave children along with freeborn children. Believing slave children could even play a role in the process of socializing freeborn children. Quintilian recognized the influence of playmates on children when he spoke of not only the importance of the nurses’ standard of speech but also that of the slaves who were selected to be brought up with the child (The Orator’s Education 1.1.4–5, 8). The socialization and educational influences of slave wet nurses in the Roman world found a complement in the use of slave attendants, the paedagogi. Perhaps best known for accompanying children to school and offering rudimentary education, slave attendants also coached children in day-to-day behavior, including expectations for social events and their influence could be compared to other family members, such as grandmothers (Seneca, Letters 94.8–9). In addition to being occasions for conviviality, social events could include readings with literary and moral points being brought out by parents or by the slave attendants.28 Dinner parties would often include the use of slave children as servers who could, at the same time, experience elevated dinner conversations or the speeches of learned guests.29 The direct address to children in the household codes needs to be read in relation to such a background. Pauline letters were read aloud in the assembly (Col 4,15–16) and most likely were combined with readings, admonitions (Col 3,16) and a ritual meal (1Cor 11,17–34). Indeed, in Col 3,16, community members are instructed to admonish one another and to give thanks by singing psalms, hymns, and spiritual songs. Once again, children may well have participated in these activities. The involvement of children in religious rites of various kinds was a prime means of passing on religious knowledge in the Roman world and children singing at public feasts is well attested.30 26 See Soranus, Gynecology 2.18–20; ([Pseudo]-Plutarch, Moralia 3E; On the Education of Children). 27 For more detailed discussion see Carolyn Osiek/Margaret Y. MacDonald, A Woman’s Place. House Churches in Earliest Christianity, Philadelphia 2006, 64–65. 28 See Rawson, Children and Childhood in Roman Italy, 214, citing Seneca, Letters 94.8. 29 See Rawson, Children and Childhood in Roman Italy, 154–156. On the education of slave children, see also 187–191. In intellectual homes, slave children sometimes received literary training, going on to establish their own literary careers as librarians, tutors, and skilled readers (Nepos, Atticus, 14). 30 See Francesca Prescendi, Children and the Transmission of Religious Knowledge, in: Véronique Dasen/Thomas Späth (Hrsg.), Children, Memory and Family Identity in Roman Culture, Oxford 2010, 73–93; on children singing see especially 82–83. There is also evidence that children sang at private gatherings where the use of the word pueri makes it impossible to determine whether slaves or children are in view.

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In creating this opening for the participation of children, however, we should not overlook indisputable reinforcement of the authority of fathers in Col 3,21.31 Moreover, the points of contact between the Colossian household code and the ideologies and perspectives of slave holding are unmistakable. Not only is the scope of obedience (›in everything‹) the same for children and slaves; one senses a parallel between the authority of masters and fathers in the shift from obedience to both parents in the instructions to children (Col 3,20) to the authority of fathers alone over their children in the instructions concerning parents (Col 3,21). But when we consider the domain of daily interaction in church groups, several questions arise about the identity of the fathers and about whether these instructions merely replicate cultural ideals. It is clear that the identity of the fathers who are exhorted not to be overbearing to their children in Col 3,21 are believing fathers, but the same believing identity cannot be asserted with confidence about some of the other individuals treated in the pairs of relationships. While it has only rarely been recognized by interpreters, the concise exhortations to the Colossians (Col 3,18–4,1) leave room for the presence of the wives, children, and slaves of non-believing heads of households.32 Virtually no attention has been given to children living in these circumstances. Believing children’s (including slave children’s) obedience to non-believing parents may certainly ›please the Lord‹ (Col 3,20). But we might surmise that the Lord would also be pleased if a child made his or her way to the community, perhaps brought by a mother or slave attendant even without the knowledge of the pater familias. It is also reasonable to wonder (without, unfortunately, any real possibility to determine a correct answer), how many freeborn believing fathers were actually present in this community. Of this, however, we may be certain: Acting as a surrogate father was a common practice in the Roman world. The reference to the children belonging to believing fathers should perhaps not be taken too literally, allowing for fatherhood authority and protection to extend over children and slave children who, in reality, belonged to nonbelievers or were orphaned or abandoned. Even if it is utopian and futuristic, the promise of inheritance to slaves should also again be born in mind. Despite the fact that slave and freeborn children were often nursed and cared by the same slave care-givers, there is much literary evidence of an ideology that not only reinforced the chasm between slave and free in adulthood, but also encompassed differing expectations and treatment from the pater familias in childhood. Seneca offers especially important evidence to consider, including The strong reinforcement of the authority of the pater familias in law and in moral ideals is well known in the Roman world and the household codes reflect this cultural priority. 32 This has been recognized by Jean Noël Aletti in: Saint Paul. Épitre aux Colossiens, Paris 1993, 250. Given the idealized nature of the language, the references to mixed marriage that go back to Paul’s day (1Cor 7,12–16), and the keen interest in the situation of slaves in Colossians, it is a mistake to imagine that believing pairs were in the majority. 31

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the idea that while the pater familias must enforce the strongest discipline (or in Seneca’s words, be a severe and demanding maestro of virtue) with his own sons, but can afford to be indulgent with the household slaves, having little regard for their education and even taking delight in their vices.33 Such notions should cause to consider how the promise of inheritance in Colossians might challenge traditional notions of paternity and entitlement, especially with respect to the treatment and instruction of children in the community.

3. The Father/Teacher in Eph 6,1–4: From Socialization to Education Eph 6,4 calls for fathers to raise their children »in the discipline (paideia) and instruction (nouthesia) of the Lord«. John Barclay has argued that the verse points to a »significantly Christian body of instruction« that was to be imparted to children in a home setting.34 If Barclay is correct (and I believe he is), we have an example of where a concern for socialization has become a deliberate attempt to educate. In terms of the sociological theory discussed previously, this deliberate attempt to incorporate the next generation via education is a sign of community-stabilizing institutionalization – it is very much a case of this is how things are done. Fathers were the traditional custodians and disseminators of religious knowledge in the Roman world. Like the earliest collections of Christian teaching, this knowledge was often conveyed orally. Especially with respect to rites associated with the ancestor’s tradition, knowledge was passed down from father to father, generation to generation, with a particular attention to the cultivation of a child’s memory.35 Mothers and grandmothers also played an important role in the education of young children and of adolescent girls into adults. But the ideological emphasis on the education of sons by their fathers is unmistakable. Plutarch describes how »Cato the Elder took care of his son’s education himself when he could have employed the best tutors of his time. He taught him literature, law, and gymnastics. He also wrote a history book ›in big letters so that his son would have the means to learn about the traditions of his country at home‹«36. Contact between father and son, and even the socialization See especially Seneca, De Providentia 1.6, as discussed by Francesca Mencacci, Modestia vs. licentia. Seneca on Childhood and Status in the Roman Family, in: Véronique Dasen/Thomas Späth (Hrsg.), Children, Memory and Family Identity in Roman Culture, Oxford 2010, 223–225. 34 See John M. G. Barclay, The Family as the Bearer of Religion, in: Halvor Moxnes (Hrsg.), Constructing Early Christian Families, London/New York 1997, 77. 35 See Prescendi, Children and Transmission of Religious Knowledge, 73–75, citing especially Ovid, Fasti 5.431–2; Plutarch, On The Education of Children, Moralia 9E. 36 See Prescendi, Children and Transmission of Religious Knowledge, 77. For the emphasis placed on the education of sons, see also Harders, Roman Patchwork Families, 49–59. 33

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that occurred through accompanying and observing one’s father, were prized. According to Francesca Prescendi, the proclamation of young Greek boys, as recorded by Xenophon, might be equally at home in the Roman world, »I am not without experience because I continuously attended sacrifices«.37 While the New Testament household code has very often been understood as apologetic discourse, virtually no attention has been paid to the role of the child-parent and father-child exhortations within that discourse. Yet, the ideological importance of the role of fathers in preparing the next generation, preserving tradition, and ensuring continuity invites us to reflect on the possibility that apologetic intent is not confined to teaching on marriage and slavery, but extends to include parenting. The very public face of the father-son relationship and its significance for family identity has been insightfully described by AnnCathrin Harders: »The idea of imitatio patris went so far that the public perceived the son as the living image (imago, effigies) of his father. […] Physical resemblance of the body (corpus) and countenance (vultus) between father and son was not a question of nature but a question of socialization and ascription by others. The son as the spit and image of his father was the ultimate perpetuation of the family tradition as he did not define himself by an individual identity but by the continuation of his family identity. The shaping of tradition was therefore a very dynamic process since a son not only lived up to the memory of his ancestors but was actually living it by imitating his father.«38

Such notions were not lost on Flavius Josephus who emphasized the importance of rooting children in tradition in his apologetic discourse in Against Apion, appealing to values associated with the firm authority of the pater familias. According to Josephus, Jews living under the Law are as under a father and master (hupo patri toutō kai despotē; cf. Gal 3,24; Against Apion 2.174). Jews united under the Law are like the family ordered and rendered harmonious by the household head. The subordinate members of Jewish families exhibit piety (eusebeia) – a concept typically linked with devotion to matters of state and family, especially the obedience of children (Against Apion 2.181). The discipline delivered for disobedience matches the scope of discipline which is the prerogative of the Roman pater familias (Against Apion 2.217).39 The education of the next generation on the basis of what has been inherited from the past is, in a Prescendi, Children and Transmission of Religious Knowledge, 78, citing Xenophon, Anabasis 5.6.29. 38 Harders, Roman Patchwork Families, 52. 39 According to Shier and Reinhartz, Josephus’ comments reflect familiarity with the Roman concept of patria potestas which gave the pater familias absolute (life and death) authority over the members of his household, especially his children. See Adele Reinhartz/Kim Shier, Josephus on Children and Childhood, in: Studies in Religion 41 (2012), 370. 37

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remarkable passage, identified by Josephus as the priority of the Jews: »Above all we pride ourselves on the education of our children, and regard as the most essential task in life the observance of our laws and of the pious practices (eusebeian), based thereupon, which we have inherited« (Against Apion 1.60; trans. Thackeray, LCL). Such an approach has practical consequences, for the child’s upbringing is to be marked by sobriety from the very start (in contrast to the rowdy birth parties of the Romans). They should be taught to read and become thoroughly familiar with the traditions of the forefathers – deeds which should be imitated and laws in which children should be grounded (Against Apion 2.204).40 It is precisely for usurping of the educational authority of the pater familias over his children and his influence in the selection of appropriate teachers that Celsus criticized the early Christians. In houses (no doubt including house churches) and shops which included a large slave presence, children accompanied by ›stupid‹ women were exposed to a curriculum based on nonsense.41 The very antitheses of an assembly of honorable and intelligent men, the gatherings, according to Celsus, seem intent on targeting adolescent boys.42 It is against such a background that we should evaluate the exhortation to fathers to bring up their children in the discipline and instruction of the Lord in Ephesians. The curriculum which Celsus felt should be subject of ridicule remains unknown to us, although interesting insight into the content might be found in 1 Clement, which uses the same term for discipline or training (paideia) with respect to the instruction of children: »Let our children partake of the discipline (paideias) that is in Christ, let them learn the strength of humility before God and the power of pure love before God. Let them learn how the reverential awe of him is beautiful and great, and how it saves all those who conduct themselves in it [Or: in him] in a holy way, with a clear understanding. For he is the one who explores our understanding and desires. His breath is in us, and when he wishes, he will remove it« (1Clem 21,8-9; trans. Ehrman, LCL).43 1 Clement’s notion of the discipline which is in Christ combines concepts of reverential attitude towards the divine with ethical comportment. Such an approach also frames the exhortations in Eph 6,1–4 where the call to honour parents in Eph 6,2 is rooted in the command from the Decalogue (LXX Exod 20,12; Deut 5,16). New Testament commentators have debated whether the exhortations to children include adult children; the reference here to ancient scriptural For more extensive discussion of the role of children in Josephusʼ apologetic discourse, with parallel texts from Philo of Alexandria, see MacDonald, A place of Belonging, 267–288. 41 See Origenes, Against Celsus, 3.55; see also 3.44. 42 See Origenes, Against Celsus 3.50. On how Celsusʼ discourse presents Christianity as violating the ideals of masculinity see Osiek/MacDonald, A Woman’s Place, 134–135. 43 The commitment to instruct children surfaces in the deutero-Pauline works and finds further articulation into the teaching of the Apostolic Fathers (e. g. 2Tim 3,15; 1Clem 21,6.8; Did. 4.9; Pol. Phil. 4.2, Herm. Vis. 2.4.3). 40

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traditions does point a respectful attitude which should begin in childhood but culminate in ongoing care by adult children of parents into old age.44 Reverence for adult parents was a moral ideal that Romans shared with Jews in the ancient world.45 In seeking to understand the social context of the child-parent exhortations in the New Testament household codes, it is a mistake to exclude ongoing relations between adult children and their parents, and to envisage rigid endpoints for childhood and rigid demarcations between grown and young children.46 Attitudes towards the end of childhood were markedly different from modern western attitudes in a variety of respects, including the ongoing influence of parents on adult children in definitions of authority (patria potestas), the dominance of marriage without manus (where women remained fundamentally linked to her father’s line in terms of property and inheritance) and the great flexibility in determining when boys might undergo coming of age ceremonies. It is not surprising that 1 Clement makes an easy transition from a focus on specific children, to an appeal to believers as children when he presents the call of Christ through the Holy Spirit which repeats the words of the Psalms: »Come, children and hear me; I will teach you the reverential awe of the Lord« (1Clem 22,1; Ps 34,11; trans. Ehrman, LCL). The quotation from the Psalms is followed immediately with a description of God as a beneficent and compassionate Father (1Clem 23,1). Similarly, Ephesians appeals to the concept of fatherhood to link God the father with the community in the proclamation that God the Father is the one from whom every family (literally fatherhood, patria) on heaven and earth takes its name (Eph 3,14–15). The reference to paideia in Eph 6,4 resonates with a concept that has figured prominently in recent discussions of the Roman family: the life course. Paideia does not only refer to the upbringing of a child in the strict sense, but also to the formation of an adult. Josephus (Against Apion 2.171–2) refers to the concept in laying out the two schemes of education or training (paideia) (by precept and by practical exercising of the character) which are combined in Jewish teaching of the Law: See especially Exod 21,15.17; Prov 19,26; 20,20; 28,24; Mark 7,9–13; Mat 15,4–6. See MacDonald, A Place of Belonging, 283. That these exhortations refer primarily to adult children has been argued by Michael Gärtner, Die Familienerziehung in der alten Kirche, Köln 1985, 36–37. 45 See Laudatio Turiae LS 8393, col. i, 11.30-3. Cited in Geoffrey S. Nathan, The Family in Late Antiquity. The Rise of Christianity and the Endurance of Tradition, London 2000, 196. As can be witnessed, for example, in the famous inscription celebrating the feminine virtue and long univira marriage of the matron Turia, the Laudatio Turiae, the obedience of young children is closely linked to ideals about their prospective treatment of their parents. In the Laudatio Turiae, the wife receives the highest praise not only for being a model daughter, but also for treating her husband’s mother with the same devotion she demonstrated to her own parents. 46 On this topic see especially Rawson, Children and Childhood in Roman Italy, 142– 145. 44

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»Our legislator, on the other hand, took great care to combine both systems. He did not leave practical training in morals inarticulate; nor did he permit the letter of the law to remain inoperative. Starting from the very beginning with the food of which we partake from infancy and the private life of the home, he left nothing, however insignificant, to the discretion and caprice of the individual. What meats a man should abstain from, and what he may enjoy; with what persons he should associate; what period should be devoted respectively to strenuous labour and to rest« (Against Apion 2.173–74; trans. Thackeray, LCL).

This proclamation culminates in the statement cited previously about Jews living under the Law as under a Father and master.47 Building upon Jewish concepts the Pastoral Epistles also envision training from infancy and continuing throughout the life course. For example, in presenting the formation of Timothy, 2Tim 3,15 describes his education from infancy (brephos) in the sacred writings (hiera grammata).48 A second reference to Scripture (graphē) occurs in a text which also speaks of discipline or training (paideia) where there is a clear emphasis on teaching; in this case the instruction of adults is envisioned, but the teaching of children is by no means ruled out. Training (paideia) in righteousness is the purpose of Scripture according to 2Tim 3,16–17. One detects in this text the same emphasis on a combination of precepts and the practical application thereof which Josephus identifies as a hallmark of the teaching of the Law. In 2Tim 3,16–17 being grounded in Scripture (training in righteousness) involves teaching (didascalia), reproof (elegmon) and correction (epanorthōsis).49 It seems best to understand the instruction delivered by Fathers in Eph 6,4 as a similar type of practical instruction which calls for leadership on the part of Fathers (they should not provoke their children to anger) that extends into their old age and invites reciprocal reverence and obedience from their children. In Eph 6,1–4 we see evidence of increasing emphasis on the education of children which operates within the broader framework of the socialization that occurs through daily interactions. The life-course approach to the teaching of the Law in the Dead Sea Scrolls has recently also been highlighted by Cecilia Wassen in: Cecilia Wassen, On the Education of Children in the Dead Sea Scrolls, in: Studies in Religion 41 (2012), 350–363. 48 This term was widely employed by Greek-speaking Jews to refer to the Scriptures. See Luke T. Johnson, The First and Second Letters to Timothy, Anchor Bible 35A, 2001, 419. 49 Such links between the conceptual and the practical also can be found in the GrecoRoman world. In 2 Timothy, divinely inspired scriptures impart wisdom in the context of teaching and training for righteousness (2Tim 3,16). The saving role of education, as we see reflected in the Pastorals, draws its origins from »Hellenistic moral philosophy« (Dio Chrysostomos, Or. 32,15–16). This type of philosophical education is highly practical, centred on the pursuit of a life that is morally sound, and reflects the kind of teaching we see in the New Testament household codes (cf. Seneca, Ep. 94,1; Ps-Plutarch, Li. ed. 7D-F; cf. Tit 2,1–10). See Benjamin Fiore, The Pastoral Epistles, SP 12, Collegeville 2007, 22. 47

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4. Conclusion We have not paid due attention to the extent to which the educational motives of house-church communities intersected with that of the dominant society, the Roman imperial world. Ancient authors explicitly discuss the educational features of home life and even engage in debates as to whether it is best to educate a child at home or to send him or her out to school. Household life can be presented as an opportunity to instill life-forming virtues from infancy or as a source of corruption as children so easily witness immoral acts.50 It was in this world that early church groups had to negotiate the construction of identity. In so doing, early Christians made use of the mechanisms of socialization employed throughout society, involving home and school. Both the household and the school have emerged in discussions of early church history as possible models for the formation of the ekklēsia. But moving children to the center of the discussion, with attention to the life course, helps us to see how these two models may have functioned in tandem. The house church as school very much needs to be understood, especially in the earliest period, as a type of home school where educational and domestic priorities were in constant interaction. We need to acknowledge the complex exchanges of household and house-church life, where socialization and education often overlapped; the practical education of children and the progress and training from childhood to adulthood were central features of the social construction of reality.

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See, for example, Quintilian, The Orator’s Education 1.2.

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What Does Love Have to Do with It? Sibling Relationships among Judean Jews in the First–Third Centuries CE Michael L. Satlow

By the second half of the first century CE Christians were beginning to understand themselves as a kin group. Paul routinely addressed his letters to »brothers« and often »sisters«.1 In the book of Acts, the Christ-believers too frequently referred to each other as »brothers«.2 This terminology has generated an enormous amount of scholarship that seeks to understand how these Christians were using kinship terminology to create bonds of solidarity and a new group identity.3 Early Christian use of such language was hardly unique. By the late first century CE there had already been a long Jewish tradition, stretching back to the Hebrew Bible, that used sibling terminology (particularly »brother«) to refer to non-biologically related members of »Israel«.4 1 Maccabees, for example, a probably fictive letter from the Spartans to Onias states, »It has been found in a document about the Spartans and Jews that they are brothers and that they are of the seed of Abraham«.5 The sectarian documents of the Dead Sea Scrolls use »brother« to denote other members of their community.6 4 Maccabees uses »brother« to connote the relationship between fellow Jews.7 These three uses are all slightly different, showing how the term was deployed to create new kinship connections among Jews; between Jews and non-Jews (Spartans, in this case); and among members of a small insular sect. In a couple of papyri Bar-Kokhba addresses his followers as brothers, creating a fictive kinship among a band of

Rom 1,13; 1Cor 1,10; 1,26; 2Cor 1,8; 8,1; Gal 1,11; Phil 1,12; 1Thess 1,4; 2Thess 1,3. E. g., Acts 6,3; 9,30. 3 For especially good surveys of this literature, see Reidar Aasgaard, My Beloved Brothers and Sisters! Christian Siblingship in Paul, JSNTSS 265, London 2004; Philip A. Harland, Familial Dimensions of Group Identity: »Brothers« (ΑΔΕΛΦΟΙ) in Associations in the Greek East, in: JBL 124 (2005), 491–513. 4 Helmer Ringgren, ‫אח‬, ‘āch, in: G. Johannes Botterweck/Helmer Ringgren (Hrsg.), Theological Dictionary of the Old Testament, Bd.1, 188–193. 5 1Macc 12,21; Uriel Rappaport, The First Book of Maccabees. Introduction, Hebrew Translation, and Commentary, Jerusalem 2004, 288. 6 1QS 6.10, 6.22; 1QSa 1.18; CD (MS A) 6.20, 7.1, 7.2; CD (MS B) 20.18. 7 E. g., 4Macc 13,9. 1 2

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fighters.8 Moreover, as Philip Harland has noted, other non-Jewish, voluntary groups at this time also sometimes referred to each other using kinship (and specifically sibling) terminology. Seen in this context, the use of the terminology by early Christians is not very surprising or significant. At the same time, however, the Gospels make a noted attempt to caste Jesus as opposing the primacy of biological kinship. »Whoever comes to me and does not hate father and mother, wife and children, brothers and sisters, yes, and even life itself, cannot be my disciple« Jesus declares in Luke.9 In Matthew, Jesus says to Peter, »And everyone who has left houses or brothers or sisters or father or mother or children or fields, for my name’s sake, will receive a hundredfold and will inherit eternal life«.10 When seen against these texts, the kinship terms used by early Christians seem more significant: they seem to linguistically constitute a kin group meant to replace rather than supplement the biological one, an interpretation that takes added force from Paul’s denigration of marriage and biological reproduction. In this paper, I will use this debate as a jumping off point to consider actual sibling relationships among Jews in the early centuries of this era. This material dimension has received surprisingly little scholarly attention. Even Jesus, after all, was said to have brothers and sisters. What form did these sibling relationships take, and how might we relate to these real relationships some of the more ideological and prescriptive notions common at that time about how siblings should relate to each other? In addition to laying some groundwork for a more complex and sophisticated understanding of Jewish families in antiquity, this study will open up another lens through which we might approach the kinship terminology in the New Testament. »Brother« or »sister« might at times mean »comrade« or »colleague«, but far more frequently it indicated a biological relationship. And like all relationships, family or not, the ones that these terms signaled was as complex as the sibling relationships themselves. Siblings loved and hated each other. They were involved in and alienated from each other’s lives. But the fact that they were siblings was relevant, both to their own perceptions of their relationships to each other and to how others perceived them. Before proceeding, two preliminary comments, one theoretical and one methodological, are in order. First, I do not talk here, or anywhere else, of »the Jewish family«. This is because, in my view, there is no single »Jewish family«. Jews (as well as early Christians too) had families that in most ways resembled those of their neighbors, both geographically and socio-economically. In the second century CE, for example, a rich Jewish family in Sardis would have more resembled a rich Christian or pagan family than it would have resembled a »Jewish« family in Judea. Families structure themselves are determined by a large number of factors, mostly according to very local circumstances. One 8 9 10

P. Yadin 49 (=5/6XHev 49) and 59 (=5/6XHev 59). Luke 14,26. The parallel at Mat 10,37 does not include the reference to siblings. Mat 19,29.

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might perhaps argue for a cluster of features that distinguish, say, families of Jews, Christians, and others (not to mention »mixed« familial permutations) in a particular city or region, but I believe that it is seriously mistaken to apply a conceptual category like the Jewish family to Jews of different regions. The best that I can do here is thus to trace what we know of a few Jewish families, and from them perhaps to make some modest inferences about other families as well. That said, however, it is important to note that our sources simply do not allow for a rich portrayal of any single sibling relationship that would be of value to this inquiry. (As I will note below, I exclude the relationship between Herod and his sister Salome, and similar kinds of relationships, as atypical and prone to distortion by our sources.) Josephus, whose testimony is usually vital for reconstruction of Jewish life in the first century CE, writes much about ideal sibling relationships but little about actual, typical ones – even his own. Through inscriptions and papyri we can see glimpses of real families from this time period. I use early rabbinic evidence to supplement this evidence, not because I believe that this evidence provides a transparent view of Jewish family life, even in Galilee in the early third century where these compilations were apparently redacted, but because they seem to reflect a set of assumptions about family life that cohere with the more fragmentary, and probably earlier, epigraphical and documentary evidence.

1. Constraints and Contexts In their early groundbreaking work, P. Laslett and J. Hajnal developed social scientific models for understanding European household structures. In their early models, both scholars claimed that there was a single, dominant European household structure (mainly nuclear) that predated the industrial revolution.11 In the face of mounting evidence that challenged this model, these scholars later retreated slightly. While Hajnal suggested that there were two kinds of dominant household structures in pre-industrial Europe, Laslett argued that there were in fact four primary household structures, each of which was dominant within a particular geographical region within Europe.12 Even this, however, has proved to be too simplistic. It did not take long for increasing research to make clear that household structures were in fact highly sensitive to very local John Hajnal, European Marriage Pattern in Perspective, in: David Glass/David Eversly (Hrsg.), Population in History, Chicago 1965, 101–143; Peter Laslett/Richard Wall (Hrsg.), Household and Family in Past Time, Cambridge 1972. 12 John Hajnal, Two Kinds of Preindustrial Household Formation Systems, in: Population Development Review 8 (1982), 449–494; Peter Laslett, Family Household as Workgroup and Kingroup. Areas of Traditional Europe Compared, in: Richard Wall/ Jean Robin/Peter Laslett (Hrsg.), Family Forms in Historic Europe, Cambridge 1983, 513–563. 11

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conditions, and that it was difficult to make broad generalizations about »dominant« household structures within broad regions.13 This should hardly surprise us. Even in contemporary societies we see a wide range of household and broader kinship structures within given national – and even urban – borders. While this might seem on its surface to be a step backwards, Hajnal and Laslett’s pioneering research and the work it engendered in fact allowed us to clarify the factors that help to determine household formations. In his review of the research, David Kertzer has argued that household diversity can be explained primarily by three factors: political economic forces, demographic forces, and culture.14 Households are the product of individuals trying to organize their family relationships within the constraints of these three factors. In order to understand how families in Judea and the Galilee organized their households from the first to third centuries CE, then, and the sibling relationships within them, we must first sketch the forces and constraints that these household structures were meant to address. 1.1. Political Economy Most of our evidence – deriving from Josephus, the Babatha and other archives found in the Judean Desert, and early rabbinic literature – reflects a landed class of relatively modest means. Their landholdings were apparently comprised of a number of small, often non-contingent plots. In part, this was a function of the topography of both the cultivatable areas of the Judean Desert and upper Galilee, neither of which easily accommodates large fields. The landholders themselves did not appear to work this land; they employed slaves or other workers or rented it out through (occasionally complex) arrangements with sharecroppers. They registered their land with the Roman authorities and remitted some portion of their crop (probably 10%–20%) to them. 1.2. Demographic Forces While it appears that among wealthier classes women married for the first time in their mid-teens, the evidence for the more middling landed class suggests that within Judea the more typical age for a woman’s first marriage was closer to 20, whereas a man’s age at first marriage would be around 30.15 Given ancient mortality rates, there was a reasonably high chance that by the time a man was 30 his father would have died. Marriages appear to have been largely patrilocal, although since the bride and groom might well have been from the same settlement that may not have made much difference. As with most 13 See David I. Kertzer, Household History and Sociological Theory, in: Annual Review of Sociology 17 (1991), 155–179. 14 Kertzer, Household History, 174. 15 Michael L. Satlow, Jewish Marriage in Antiquity, Princeton 2001, 105–109.

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other societies in antiquity, all of which had high mortality rates and a lack of effective birth control, we should probably expect an average of 2–3 surviving offspring, although there would have been other children who did not survive to adulthood. We have no reason to suspect that within this population (except, perhaps, in the immediate years after the revolts of 70 and 132 CE) there would have been a gender imbalance. 1.3. Culture Three cultural norms – or as Josephus would call them, »ancestral traditions« – had some relevance in household formation. The first was polygyny. Jewish men were allowed to marry more than one wife and, as Josephus apologetically notes, sometimes actually did so. That, however, is almost our only extant evidence for Jewish polygyny in Judea in the 1st–3rd centuries and it is largely confined to very wealthy families. Our modest landowners overwhelmingly would have been monogamous, although Babatha, who should be counted in this group, entered a polygynous marriage after the death of her first husband.16 The second cultural norm was levirate marriage. The levirate marriage is a famous paradox. On the one hand, a man is forbidden from having sexual relations with his sister (including half-sisters); the wife of his brother; and two sisters.17 Yet on the other hand, the Torah requires levirate marriage: in the case when a man dies without having children, his widow is required to marry his brother, although he is allowed to reject the marriage and thus undergo a special ceremony of release.18 These rules engender in the rabbinic sources a long and complex series of legal discussions. Some of these discussions, which »think with« extreme hypothetical legal cases in order to elucidate the issues raised by these verses, are clearly farfetched. How often could it have happened, for example, that a man betrothed one of two sisters and forgot which one he betrothed?19 It is often difficult, however, to determine precisely how farfetched a particular case might be. »There are four brothers«, one mishnah begins, and »two of them marry two sisters[…]«20. If they die childless, what levirate ties and responsibilities exist? The answer to this question is of less concern to me here than the question itself – how outlandish is this case? Is it entirely hypothetical, or might it reflect the fact that whole families, living in close proximity to each other, did develop complex marital relationships? I suspect that scenarios like this were more common than we might suspect.

16 17 18 19 20

See Satlow, Jewish Marriage, 189–192. Lev 18,9.11.16.18. Deut 25,5–10. Mishnah Yebamot 2,6. Mishnah Yebamot 3,1.

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The third, and most important, cultural norm was the law of inheritance. Here biblical law – which appears to have been followed by at least some Judeans – was sharply different from Roman law. Whereas Roman law included women in the table of even intestate succession, Judean custom disallowed them. Women who had brothers were not to inherit their parents, even if their parents wanted to include them in the inheritance.21 The Torah, followed by rabbinic law, allows women to inherit only when they had no brothers.22 The Judean desert papyri provide some evidence that while many Jews in the first and second century adhered to this law of succession, daughters who had brothers often were given by other legal means a share of the patrimony. Families primarily used two legal strategies to transfer goods to their daughters, dowries and deeds of gift. Dowries always consisted of moveable goods and were usually relatively modest, whereas deeds of gifts to daughters often consisted of property, sometimes a dwelling or courtyard.23 We might expect – although there is no definitive evidence either way – that the property that parents transferred to a daughter was worth less than the property that would end up in the hands of her brothers. It is within this broader context and set of constraints that we must consider the issue of sibling relationships. What do we know about sibling relationships within these Jewish families in both Judea and the Galilee, and what might we reasonably be able to infer?

2. Reality The law of inheritance, the concentration of a family’s wealth in property, and the division of that property into small fields made it likely that even after the death of their father brothers would be involved in each other’s lives. Imagine a family of two brothers and a sister. The parents would give some of their wealth, particularly in movable property (e. g., textiles, jewelry, cash) but also perhaps including some land, to their daughter around the time of her wedding. When the father dies, the two brothers inherit the estate, although their father’s wife (who may or may not be their mother) has a lien on the estate for the amount of her prestipulated marital settlement. According to the biblical laws of inheritance, the first born son receives a double-portion – in this case, that would mean twothirds of the estate (after deducting what was owed to their father’s wife) goes to Num 27. Cf. Mishnah Baba Batra 8,2, setting the law of succession: (1) sons and their descendents; (2) daughters and their descendents; (3) brothers and their descendents; (4) paternal uncles. According to Mishnah Ketubot 4,1, if a court fined a man for seducing or raping a woman while the woman’s father still lived, and he then died before payment, the payment belongs to her brothers due to inheritance. 23 Satlow, Jewish Marriage, 97–100. Cf. Mordechai Akiva Friedman, Jewish Marriage in Palestine. A Cairo Geniza Study, Tel-Aviv/New York 1980, 1, 356–391. 21 22

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the oldest son and one-third to the youngest.24 In such a case, it would be more probable that the estate could be divided »cleanly«, with some fields given outright to the youngest son who might then move to a new household. Such a »clean« division, however, was not always easy. The composition of the holdings (e. g., unevenly sized or productive fields), the number of brothers (the more brothers the more equitable their inheritance settlement), or the availability and cost of dwellings (should one brother inherit their father’s dwelling, the others might not be able to find suitable housing in range of their landholdings) might all complicate such an arrangement. Moreover, I have found no evidence that the law of first-born inheritance was actually practiced. For better or worse, then, brothers were often stuck with each other. Their joint ownership of a family dwelling might have limited their mobility, often keeping them in close proximity, sometimes even in the same house. One mishnah discusses the case of brothers living together and sharing some, but not all, property and clothing.25 Another mishnah imagines brothers living in individual apartments within a single courtyard.26 A papyrus scrap, probably of a census or tax document, suggests that this was not an uncommon occurrence.27 Familiarity with one’s brother is assumed: According to one rabbinic source, a man is expected to know his brother’s handwriting, just as he knows the signature of his father and teacher.28 Whether or not they lived together, however, many more brothers found themselves in joint business ventures. Here, the documentary record is relatively strong. Several papyri use the conventional phrase »the inheritors of soand-so« to indicate ownership of a field.29 A »document of deposit« in Greek from 110 CE appears to deal with a case in which two brothers were in business with each other and one of them died, leaving his share of the business to his son. Rather than liquidate the property and clear the debt, the remaining brother wrote a kind of I.O.U. to his nephew.30 Papyri explicitly mention brothers owning fields jointly.31 Rabbinic sources, too, support the idea that brothers often found themselves jointly owning business property. One source discusses the possibility of Deut 21,17. Mishnah Beṣa 5,3; Tosefta Beṣa 4,5. Cf. Mishnah Kelim 18,9, on brothers splitting ownership of a single bed. There were, of course, cases in which brothers were able to take their share of the inheritance separately. Cf. Mishnah Nedarim 9,5. 26 Mishnah Erubin 6,7. It is unclear if this source refers to the brothers eating together at a single table in the courtyard or all being supported by a living father. Even in the latter case, though, the brothers could well decide to stay where they are after their father dies. 27 James H. Charlesworth/James C. Vanderkam/Monica Brady, Miscellaneous texts from the Judean Desert, Oxford/New York 2000, 222–223. 28 Mishnah Ketubot 2,10. 29 This phrase appears in Greek and Aramaic. See in XHev/Se 7, 9, 64. 30 P. Yadin 5. 31 XHev/Se 50, 62. 24 25

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brothers dividing a field that they presumably inherited together into individually held plots only to reunite them; most likely they would be more profitable that way.32 Rabbinic law dealing with the payment of second and poor tithes favors partnerships, explicitly mentioning property jointly owned by brothers.33 In some agricultural cases, brothers are in fact assumed to be acting in partnership.34 Special rules that govern brothers serving as witnesses reflect the assumption that they share interests.35 The rabbis are also aware of the tensions that such arrangements could create. One mishnah deals with a case in which brothers would like to treat their joint property in different ways: »Two brothers, one was poor and one was rich, and their father left them a bathhouse and an olive press. If [the father] made these [facilities] in order to rent them out [and then collect and use the proceeds], the rent money is split evenly. If [the father] made these [facilities] for their own use, the rich [brother] can say to the poor [brother]: ›Take your slaves and bathe in the bath-house‹, [or] ›Take your olives and process them in the olive press‹«.36

The problem is that the poor brother has no assets, like slaves and olives: He wants to rent out the facilities and take his share of the income. The rich brother, though, has more need of the facilities than the money. The mishnah sets a rule – that of original precedent and the intention of their father – to determine the use of the inherited assets. The trope of the rich and poor brothers, and the tensions between them, also appears elsewhere in rabbinic literature.37 Brothers could also take responsibility for burying each other, although given the relative paucity of evidence for this practice it seems likely not to have occurred frequently. Most men would be buried – or, as in the case of most of the extant evidence, interred in an ossuary – by their parents, children, or wives. A few ossuary inscriptions, however, that identify a man by his relationship to his brother indicate that in the lack of these relationships, a brother could bury him.38 In one case we also find a man burying his sister.39 Presumably, she was left without parents, a husband, or children. Our evidence is heavily weighted toward brother-brother relationships. We know far less about brother-sister relationships. Rabbinic law gives certain rights to an elder brother over his minor sister when their father has died, but there is Mishnah Peah 3,5. Tosefta Maaser Sheni 4,4. 34 Tosefta Sheviit 6,22. 35 Cf. Mishnah Baba Batra 3,4. 36 Mishnah Baba Batra 10,7. 37 Sipre on Deuteronomy 48 (L. Finkelstein [Hrsg.], Berlin 1939, 108). 38 Hanna M. Cotton u. a., Corpus Inscriptionum Iudaeae/Palestinae, Berlin 2010, Nr. 85, 392, 415, 1358, 1457. 39 Cotton, Corpus Inscriptionum, Nr. 564. 32 33

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no independent evidence than these rights were ever exercised.40 Rabbinic law also assumes that brothers could be sexually attracted to their sisters, but it is difficult to know what to make of this assumption.41 The women who received the bulk of their patrimony as moveable objects were more mobile than their brothers. Women, in fact, often appear to have moved to the house of their husbands and their family estates. Since many women probably married local men, that move may not have been far, but it nonetheless was indicative of the break between a woman and continuing interests in her family’s business interests. The evidence, here, though, indicates wide variability. Brothers and sisters could find themselves in business with each other, or on opposite ends of a legal suit over a property dispute.42 Josephus’ description of Herod’s and Salome’s relationship, which was so close as to be at times creepy (perhaps intentionally so, written by an author hostile to Herod upon which Josephus drew), is almost surely the result of literary tropes and polemics rather than a reflection of normal behavior. I have argued elsewhere that there is evidence that some Jewish women in Judea and the Galilee maintained some kind of relationship with their parents, even after they married.43 Some rabbinic sources recommend that a man marry the daughter of his sister, but one scholar has argued that this was, in fact, against the prevalent norm, in which endogamous marriages occurred through one’s brother’s line. That is, a man’s sister and her family was physically and conceptually more distant from him than his brother and his family.44 About sister-sister relationships, we know even less. Neither papyri nor epigraphic evidence from this period document any relations between sisters. If brothers from one family married sisters from another family, and the brothers were in partnership or lived locally, we might expect those sisters to maintain some sort of relationship. The sources, however, remain silent about what kind of relationship they might have had. In this context it is intriguing to consider Jesus’ relationship with his siblings. Jesus likely had siblings. According to Mark 6,3, Jesus’ neighbors have trouble taking seriously his teaching in the synagogue: »Is this not the carpenter, the son of Mary and brother of James and Joses [=Joseph] and Judas and Simon, and are not his sisters here with us?«45 Jesus’ sisters, as is typical in much literature from antiquity, are erased from the historical record; we never even learn their names. The brothers, though, fare slightly better. The New Testament mentions them only a couple times lumped together under the Mishnah Yebamot 13,1–5. Tosefta Qiddushin 5,10. 42 XHev/Se 12; 63. 43 Michael L. Satlow, Jewish In-Laws, the View from Antiquity, in: Christophe Badel/ Christian Settipani (Hrsg.), Les strategies familiales dans lʼAntiquité tardive, Paris 2012, 265–277. 44 Adiel Schremer, Kinship Terminology and Endogamous Marriage in the Mishnaic and Talmud Periods, in: Zion 60 (1995), 5–35 (in Hebrew). 45 Cf. Mat 13,55. 40 41

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general designation of the »brothers« (John 7,13; Acts 1,14; 1Cor 9,5). About one of his brothers, James, we appear to know slightly more. According to Acts, James served at least for a time as a leader among the emerging Christians in Jerusalem, on the one hand relaxing the requirements of Mosaic law on the Gentiles while on the other convolutedly deciding that some requirements do indeed apply to them.46 Paul mentions having met him and Josephus describes his execution at the hands of a run-away high priest, Ananus, probably around 62 CE.47 Starting in the third century the Letter of James was attributed to Jesus’ brother, but it is unlikely to be authentic, and even if it is, the Letter of James tells us little of historical value. Jesus and James would have had a different kind of relationship from the siblings discussed above because there was no property at stake. Their father was (if the Gospels are to be trusted) a craftsman, which would have made him both less wealthy and more mobile than landowners. The very economics of their family created a household in which siblings were less entangled in each other’s lives, and thus Jesus’ denigration of biological kinship was perhaps less radical than it initially appears. At the same time, though, James clearly gained prominence among Jesus’ early followers precisely due to his biological relationship to his brother. There should be nothing surprising in the fact that he followed his brother and that, following Jesus’ death, he claimed for himself a privileged position as the interpreter and bearer of Jesus’ will. Nor is there anything surprising about the fact that many people would have taken James’ claim seriously, if only because he was related by blood to Jesus. Biological kinship mattered, and to understand how and why we must turn to the ideological construction of kinship relationships in ancient Jewish households.

3. Ideology and Fictive Kinship Ancient sources insist that biological brothers had a special bond that demanded loyalty, love, and affection from each other. Nowhere in classical sources is this trope more coherently developed than in Plutarch’s tract, »On Brotherly Love«. Like the love of children for their parents, the love of brothers, Plutarch claims, is natural: »[M]ost friendships« he writes, »are in reality shadows and imitations of that first friendship which Nature implanted in children toward parents and in brothers toward brothers«48. Nature models friendship, as it were, through the affection that we naturally feel toward those related to us by blood. Even Plutarch, with his highly idealistic portrayal of brotherly love, recognizes that real life sometimes creates obstacles to its realization. In real life, 46 47 48

Acts 12,17; 15,13–21. Gal 1,19; Josephus, Ant. 20.200. Plutarch, On Brotherly Love 3 (Moralia 479D; translation LCL).

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Plutarch notes, outsiders sometimes attempt to undermine this bond. Brothers, however, must be careful to resist these attempts. Plutarch brings for an example the case of a woman jealous of her brother-in-law’s success: »We should be on our guard against the pernicious talk of relatives, of members of our household, and sometimes even of a wife who joins in the rest in challenging our ambition by saying: ›Your brother carries all before him and is admired and courted, but you are not visited by anybody and enjoy no distinction at all.‹ ›Not so‹ a sensible man would reply, ›I have a brother who is highly esteemed, and most of his influence is mine to share‹«49. According to Plutarch, the family is a single team, buffeted on many sides by those wanting to tear it apart for their own benefit. Plutarch’s contemporary Josephus too promotes the idea of brotherly love. Hence, in his retelling of the biblical tale of Joseph, Josephus writes of his brothers that they »bore themselves as though it were some stranger who was to receive the benefits indicated by these dreams, and not a brother, whose fortunes it was but nature that they should share, becoming his partners, as in parentage, so likewise in prosperity«50. The passage could have come straight from Plutarch: brothers should understand themselves as sharing in each other’s fortunes and misfortunes. Drawing on the same trope, Josephus writes that »Antipater […] became an object of intolerable abhorrence to the nation; for all knew that it was he who had contrived all the calumnies against his brothers«51. Josephus singles out those who kill their brothers as particularly wicked and impious.52 Herod pleads for one of his brothers on account of the »natural affection« that unites brothers.53 The expectation that brothers would favor each other also forms the backbone of Josephus’ creative retelling of the story of Korach’s rebellion in Numbers 16–18. According to Josephus, but found nowhere in the biblical account, Korach specifically accuses Moses of preferring his brother Aaron as high priest due to his relationship with him. Moses vociferously rejects this accusation.54 In Josephus, these and many other expressions of the value of brotherly affection are clearly part of a trope. Did real brothers or siblings, though, really feel and act upon such affection? Josephus himself provides an intriguing example of the sometimes uneasy relationship between the ideal and the real. Almost in passing, Josephus mentions that he had a brother, Matthias.55 As this brother had the same name as their father, he was most likely the eldest son. Matthias appears only once more in Josephus’s narrative. After the fall of Jerusalem, Josephus tells us that he secured amnesty for many of his acquaintances in the

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Plutarch, On Brotherly Love 16 (Moralia 486D-E, translation LCL). Josephus, Ant. 2.17 (translation LCL). Josephus, Bel. 1.552 (translation LCL). Josephus, Ant. 9.95; 11.298–299. Josephus, Bel. 1.507. Josephus, Ant. 4.14–15, 27. Josephus, Vita 8.

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city, including his brother Matthias.56 Josephus never tells us about Matthias’ activities during the war against Rome, or his feelings toward or relationship with his oldest brother. One wonders if the feelings of affection between the two did not quite approach Josephus’ own ideal. While our sources most frequently mention the ideal relationship between brothers, they also occasionally assume a similar relationship between brothers and sisters. One midrash, for example, asks why Shimon and Levi are singled out as Dinah’s brothers in Genesis 34,25: Are not all of Jacob’s sons her brothers? The answer is that by avenging her rape, Shimon and Levi »put out their selves on account of their sister«57. That is, because they showed exceptional devotion to her, Scripture rewarded them by referring to them, and not the others, as Dinah’s brothers. This ideal of brotherly love, as well as its application to fictive kinship, can also be seen in rabbinic sources. One rabbinic story, for example, tells of two brothers in the temple who raced to perform the sacrifice. Just as one brother reached the lamb, the other stabbed him. After the event, the storyteller continues, a rabbi stood in the temple and addressed, »our brothers, the house of Israel«. One of the points of this story was to reinforce the idea that the members of Israel are as bound to and responsible for each other as brothers.58 Out of the welter of possible issues and tensions that these sources could emphasize in sibling – particularly brother-brother – relationships, they focused most strongly on love, affection, and solidarity. As argued above, these relationships were rather more complex and centered primarily on concrete issues of property. Why, then, do the ideologues (except for Jesus or his biographers!) so heavily emphasize the affective and obligatory side of these relationships? I would like to suggest that this ideology was not simply a classical trope that was mindlessly picked up and used by Jews in antiquity, but that it was also useful to those Jews. When brothers who jointly owned property that was unprofitable to divide quarreled, the results were potentially disastrous. Sibling bonds then, as now, are usually weaker than parent-child bonds. It was in society’s interest to strengthen those bonds in order to maintain the stability of households. As in many unindustrialized countries today, »sibling relationships are of fundamental importance in determining family functioning and the family’s adaptation to the larger society, with sibling cooperation essential to attain marital and economic goals«59. A strong ideology that reinforced solidarity between siblings in this environment helped to take the edge off of the inevitable conflicts that otherwise threatened the attainment of these goals. Josephus, Vita 419. Mekhilta d’R. Ishmael, Shira 10 (Jacob Z. Lauterbach [Hrsg.], Philadelphia 1949, 221). 58 Tosefta Shevuot 1,4. Cf. Sipre on Deuteronomy 322 (Finkelstein, 371) for a case of non-Israelite asserting »as if« they were brothers of the Israelites. 59 Victor G. Cicirelli, Sibling Relationships in Cross-Cultural Perspectives, in: Journal of Marriage and Family 56 (1994), 16. 56 57

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4. Conclusions Despite Plutarch’s and Josephus’ moralizing, sibling relationships were (and are) not universal and abstract. Within a given society, the norm depends on several interrelated, concrete and material factors, and even then we should expect wide variations. This paper has attempted to tease out some of these norms for Jews living in Judea and the Galilee in the first two centuries of this era. Tracking the extant evidence, I have dealt here primarily with those Jews who held most of their wealth in land. Families with more liquid assets – as well as Jewish families that did not adhere to the Torah’s and rabbinic laws of inheritance – might well have looked quite different, with more distance between siblings, particularly brothers. This, then, perhaps obliquely can help us to make sense of both Jesus’ and Josephus’ relationships to their siblings. Jesus appears to have come from a family that supported itself through trade rather than land. It also might have been more mobile than many families. Both of these conditions might lead to weaker relationships between siblings. So too, while Josephus would gain estates from his Roman patrons, his earlier wealth may have come primarily from his connection to the Jerusalem priesthood. He maintained, of course, a relationship with his older brother, but they would have been less entangled in each other’s lives than if they were in business together. In closing, it is worth making one final observation. It is interesting to note that very specific material conditions can act in concert with more universal norms to create distinct family structures. In this case, the combination of landholding in non-easily divisible parcels with a law of succession that excludes women in most cases and divides the property almost equally among brothers and the law of levirate marriage would serve to strengthen ties between brothers, even as it potentially weakened ties between brothers and sisters or between sisters. This, of course, does not mean that brothers, even business partners, necessarily loved each other. But then again, what does love have to do it with it?

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Von Bienen, Blättern und Bohnen Die Bildersprache der stoischen Eheprotreptik Matthias Becker

Einleitung Die Ansichten der Stoiker über das Für und Wider der Ehe divergieren. Während einerseits kynische Einflüsse eine Abwertung der Ehe bedingten, wie etwa Zenons Politeia zu entnehmen ist,1 befürworteten andere stoische Philosophen die Ehe mit dem Argument ihrer Naturgemäßheit und der anthropologischen Überzeugung, dass der Mensch ein soziales Lebewesen sei, welches seinen Pflichten gegenüber der sozialen Gemeinschaft bzw. der Polis nicht zuletzt durch eheliche Paarung und Kindererziehung nachkomme.2 Wie signifikant das Thema innerhalb der stoischen Schulrichtung war, zeigen die teils fragmentarisch erhaltenen, teils nur dem Titel nach bezeugten Schriften Über die Ehe (Περὶ γάμου).3 Der gedankliche Ansatzpunkt dieser Texte war die grundsätzliche Frage, ob der Weise heiraten solle oder nicht. Während die Kyniker, wie bereits angedeutet, die Ehe verwarfen, bejahten einige Stoiker diese Frage nicht nur prinzipiell,4 sondern sogar entschieden und euphorisch im Sinne einer an junge Männer adressierten5 Eheprotreptik. Deren Vertreter namens Antipater aus Tarsos

Sabine Föllinger, Differenz und Gleichheit. Das Geschlechterverhältnis in der Sicht griechischer Philosophen des 4. bis 1. Jahrhunderts v. Chr., Stuttgart 1996, 265–266; Gretchen Reydams-Schils, The Roman Stoics. Self, Responsibility, and Affection, Chicago 2005, 145–147. Zu den Ansichten über das Geschlechterverhältnis, Sexualität, Liebe und Promiskuität in Zenons Politeia siehe Föllinger, Differenz, 268–272, und Robert Bees, Zenons Politeia, Leiden 2011, 96–143. 2 Föllinger, Differenz, 266–267. Zu den unterschiedlichen Positionen in der stoischen Debatte über die Ehe siehe überdies Will Deming, Paul on Marriage and Celibacy. The Hellenistic Background of 1 Corinthians 7, Cambridge 1995, 50–107. 3 Dazu Karl Praechter, Hierokles der Stoiker, Leipzig 1901, 121–122; Herwig Görgemanns, Einführung, in: Herwig Görgemanns u. a. (Hrsg.), Plutarch. Dialog über die Liebe. Amatorius, Tübingen 2006, 3–41: 24–27. 4 So z. B. Zenon (Diog. Laert. 7,121) und Chrysipp (Sen. De matrimonio frg. 24 Vottero = frg. 46 Haase). Von Zenons Schüler Persaios ist zumindest ein Buchtitel Περὶ γάμου überliefert (Diog. Laert. 7,36), und Kleanthes soll eine Schrift Περὶ ὑμεναίου verfasst haben (Diog. Laert. 7,175). 5 Zu dieser spezifischen Adressierung siehe Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 254,25: ὁ εὐγενὴς καὶ εὔψυχος νέος, Muson. 14, p. 76,12 Hense: ὦ νεανίσκε. 1

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(2. Jh. v. Chr.), Musonius Rufus (1. Jh. n. Chr.) und Hierokles (2. Jh. n. Chr.) stehen – neben Plutarch6 – im Zentrum der nun folgenden Betrachtungen. Antipater aus Tarsos nimmt nicht allein aus chronologischen Gründen die Frontstellung in dieser Autorenliste ein, sondern vor allem deshalb, weil er mit seinen beiden Schriften Über die Ehe (Περὶ γάμου) und Über das Zusammenleben mit einer Frau (Περὶ γυναικὸς συμβιώσεως)7 eine Wirkung auf Musonius, Plutarch und Hierokles entfaltete.8 Trotz der protreptischen Stoßrichtung all dieser Autoren samt ihrer idealisierenden Verklärung der Ehe muss darauf hingewiesen werden, dass die Rezeption Antipaters sowie das literarische Schaffen der ihm folgenden Eheverfechter im hier betrachteten Zeitraum von rund 300 Jahren als Bausteine nicht einer Sozialgeschichte der Ehe, sondern einer stoischen Ideengeschichte der Ehe aufzufassen sind: Die behandelten Texte erlauben keine Rückschlüsse darauf, ob bzw. inwiefern die propagierte eheliche Lebenspraxis in den philosophischen Adressatenkreisen jemals umgesetzt worden ist. Der werbende Charakter der Ausführungen dient dabei immer auch der Abgrenzung von anderslautenden und ambivalenten Ansichten der eigenen Schultradition. Dies ist der Grund, weshalb im Folgenden Seneca und Epiktet weitgehend ausgeblendet werden.9 Ein Aspekt der Einflussnahme Antipaters auf die drei genannten Autoren Musonius, Plutarch und Hierokles ist der besondere stilistische und argumentative Zugriff auf den Ehediskurs: Dieser zeichnet sich durch den regen Gebrauch metaphorischer Sprache und literarisch-mythologischer Reminiszenzen aus, die in den philosophischen Gedankengang der Eheprotreptik eingestreut sind. Die Studie Rainer Hirsch-Luipolds zur Bildersprache in Plutarchs Coniugalia Praecepta ausgenommen, ist dieser charakteristische Zug stoischer Strategien zur Begründung der Ehe und ihrer Bedeutsamkeit bislang nicht näher untersucht worden.10 Im Folgenden wird daher der Frage nachzugehen sein, Plutarch ist in seiner positiven Einstellung zur Ehe anerkanntermaßen von der stoischen Diatribe beeinflusst, siehe Praechter, Hierokles, 121–122; Daniel Babut, Plutarque et le stoïcisme, Paris 1969, 108–115; Görgemanns, Einführung, 22–27. 7 Möglicherweise verbirgt sich hinter diesen beiden Titeln ein einziger Text Über die Ehe, der den Zusatztitel Über das Zusammenleben mit einer Frau trug, siehe Peter Steinmetz, Die Stoa, in: Hellmut Flashar (Hrsg.), Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike Bd. 4/2: Die Hellenistische Philosophie, Basel 1994, 491–716: 638. 8 Föllinger, Differenz, 273–274 mit Anm. 246; Görgemanns, Einführung, 25. 9 Gleichwohl ist vor allem Senecas fragmentarisch überlieferte Schrift De matrimonio ein wichtiger Beitrag zur stoischen Eheliteratur, siehe dazu Marion Lausberg, Senecae operum fragmenta. Überblick und Forschungsbericht, in: Wolfgang Haase (Hrsg.), ANRW II/36.3, Berlin/New York 1989, 1879–1961: 1899–1917; Chiara Torre, Il matrimonio del sapiens. Ricerche sul De matrimonio di Seneca, Genua 2000. 10 Rainer Hirsch-Luipold, Pferde, Musen und Spargelkranz. Die Bedeutung der Bildersprache bei Plutarch am Beispiel der »Eheratschläge«, in: Manuel Baumbach/ Helga Köhler/Adolf Martin Ritter (Hrsg.), Mousopolos Stephanos. FS für Herwig Görgemanns, Heidelberg 1998, 105–118. Neuere Literatur zu den Coniugalia Prae6

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inwiefern Bildersprache in der stoischen Eheprotreptik zum Einsatz kommt und welche Funktion ihr in den Begründungsstrategien der Autoren zufällt.

2. Die Ehe in Bildern 2.1. Die soziale Dimension der Ehe Insofern der Mensch nach stoischer Lehre von Natur aus auf Gemeinschaft mit seinen Mitmenschen angelegt ist, wird begreiflich, weshalb die Ehe als Lebensform in der Oikeiosislehre zu verorten ist.11 Diese Lehre umfasst all jene Handlungen, die »die Erhaltung und Entfaltung der spezifischen menschlichen Natur«12 fördern. Neben der Selbsterhaltung und Sorge für die Gesundheit des eigenen Körpers gehören dazu auch der Respekt vor den eigenen Eltern und Verwandten, das Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung, die Gründung einer eigenen Familie, das politische Engagement und die philosophische Beschäftigung.13 Die Eheprotreptik seit Antipater reagiert nun auf die Haltung junger Männer, die in ihrer Begeisterung für die Philosophie zu wenig Interesse für die soziologischen Implikationen der ehelichen Zweisamkeit aufbringen. Diese argumentative Stoßrichtung, in welcher der philosophische und der eheliche Lebensstil keine Gegensätze bilden, sondern aufgrund der Oikeiosis eine Einheit, wird durch die verwendete Bildersprache besonders plastisch. So vergleicht Antipater in seiner Eheschrift die Erwachsenen- bzw. Vorfahrengeneration mit Blättern an einem schönen Baum, die mit der Zeit verwelken und abfallen. Der »schöne Baum« (καλὸν δένδρον), der hier für die staatliche Gemeinschaft steht, werde durch die Ehe wieder zum Blühen gebracht, weil Nachkommen gleich jungen Blättertrieben für einen ewig frischen Blätterbecepta (= CP) ist aufgelistet bei Matthias Becker, Ehe als Sanatorium. Plutarchs Coniugalia Praecepta und die Pastoralbriefe, in: Novum Testamentum 52 (2010), 241–266: 241–242 Anm. 2–3. 11 Föllinger, Differenz, 266–267; Gretchen Reydams-Schils, Human Bonding and Oikeiôsis in Roman Stoicism, in: Oxford Studies in Ancient Philosophy 22 (2002), 221– 251: 245–249; Robert Bees, Die Oikeiosislehre der Stoa. I. Rekonstruktion ihres Inhalts, Würzburg 2004, 189–193, 218–225; Carlos Lévy, Images de la famille dans le stoïcisme impérial, in: Alain Bresson u. a. (Hrsg.), Parenté et société dans le monde grec de l’Antiquité à l’âge moderne. Colloque international, Volos (Grèce) 19–21 juin 2003, Bordeaux 2006, 189–197 (passim); Ilaria Ramelli, Transformations of the Household Theory between Roman Stoicism, Middle-Platonism, and Early Christianity, in: Rivista di Filosofia Neo-Scolastica 2–3 (2008), 369–395 (passim). 12 Maximilian Forschner, Die stoische Ethik. Über den Zusammenhang von Natur-, Sprach- und Moralphilosophie im altstoischen System, Stuttgart 1981, 185–186; zur Oikeiosislehre siehe a. a. O., 142–159; Troels Engberg-Pedersen, The Stoic Theory of Oikeiosis. Moral Development and Social Interaction in Early Stoic Philosophy, Aarhus 1990; Bees, Oikeiosislehre. 13 Forschner, Die stoische Ethik, 186; Föllinger, Differenz, 277.

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stand sorgten.14 Offensichtlich spielt Antipater hier auf das berühmte Blättergleichnis aus Homers Ilias an, wo die menschliche Vergänglichkeit mit dem Entstehen und Vergehen von Blättern symbolisiert wird.15 Diesem poetisch ausgemalten anthropologischen Faktum der Sterblichkeit begegnet Antipater mit der nahezu soteriologischen Auffassung von der Ehe, die allein dem Staat »Nachfolger« (διάδοχοι) für die Vorfahren zu beschaffen vermag, ohne welche die Gesellschaft nicht nur aussterben würde, sondern auch im Kriegsfall mangels potentieller Soldaten unterlegen und damit gefährdet wäre. Diese auf die σωτηρία der Polis zielende Funktionalisierung der Ehe16 vertritt noch in der Kaiserzeit Hierokles, der ebenfalls den Gedanken der Generationennachfolge17 verarbeitet und womöglich auch subtil auf das homerische Blättergleichnis rekurriert. Homer stellt in seinem Gleichnis bekanntlich das »Geschlecht der Blätter« (φύλλων γενεή) dem »Geschlecht der Menschen« (ἀνδρῶν γενεή) gegenüber.18 Hierokles nun parallelisiert das Leben eines Individuums mit dem Bestand des Staates: Während das Einzelleben kurz sei, bestehe der Staat über viele Generationen (εἰς πολλὰς γενεάς) und mit göttlicher Hilfe sogar über lange Zeiten hinweg, wobei der Familiengründung im Rahmen der Ehe bei dieser Generationensukzession die entscheidende Rolle zukomme.19 Die durch die kinderstiftende Ehe ermöglichte Zeugung von Stammhaltern, welche die individuelle Sterblichkeit der Vorfahren überwinden, gibt somit Grund zur Hoffnung auf eine gute Zukunft der Einzelfamilie wie des größeren Kollektivs der Polisgemeinschaft. Dem melancholisch-düsteren botanischen Bild der zu Boden gewehten Herbstblätter bei Homer setzt Hierokles die karpologische Metapher der »göttlichen Frucht« (θεῖος καρπός) entgegen: So nennt er nämlich die Kinder,

Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 254,31–255,5. Hom. Il. 6,146–149. Zur Rezeption des Blättergleichnisses bei den Stoikern im Kontext von Ehe und Familie siehe einen Passus aus den Selbstbetrachtungen des Marcus Aurelius: Dort werden die homerischen Blätter ebenfalls – allerdings in einer minder positiven Weise als bei Antipater – mit Kindern assoziiert (10,34: φυλλάρια δὲ καὶ τὰ τεκνία σου). Für diesen Hinweis danke ich Christoph Begass (Tübingen). 16 Antipater spricht von der »Rettung« bzw. »Erhaltung« des Staates durch Ehe und Familie (SVF III, p. 254,31–32: οὐκ ἂν ἄλλως δύναιντο αἱ πόλεις σῴζεσθαι) bzw. von der πατρίδος σωτηρία (SVF III, p. 255,7–8). Auf das von Antipater angeführte Beispiel eines potentiellen Kriegsfalles greift wohl auch Hierokles zurück, wenn er den durch neugeborene Bürger gesicherten Bestand des Staates mit dem durch das Nachrücken von Soldaten gewährleisteten Bestand eines Heeres vergleicht, siehe Hierocl., p. 56,25–27 von Arnim. 17 Hierocl., p. 53,24–25 (Kinder als συμπαθεῖς διάδοχοι), p. 56,4–5 (διανοίᾳ χρώμενοι [sc. die Eltern] τοῦ χύσιν αὐτῶν εἰς πλεῖστον λαβεῖν τὴν διαδοχὴν καὶ παῖδας ἐκ παίδων ὑπολιπέσθαι), p. 56,23 (οἱ διαδεξόμενοι ἡμᾶς) und p. 56,29 (διαδοχή) von Arnim. 18 Hom. Il. 6,146.149. 19 Hierocl., p. 56,21–32: p. 56,27–32 von Arnim. 14 15

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deren Sprießen und Gedeihen eine kollektive Zuversicht begründet, in der sich die Überzeugung göttlicher Fürsorge spiegelt.20 Der Aspekt der Hoffnung erscheint Hierokles auch in anderer Hinsicht erwähnenswert, wenn es nämlich darum geht, die Familiengründung in den breiteren Kontext der Verwandtschaft und der Freundschaftsbeziehungen eines Ehepaares zu stellen. Familienplanung sei nach Hierokles nicht Privatsache des Paares, sondern sei eng verwoben mit der Liebe zu Verwandten und Freunden.21 Speziell die Eltern werden durch die Hervorbringung von Enkelkindern auf gebührende Weise geehrt. Denn dadurch wird nicht allein ihrem elterlichen Wohlwollen Respekt gezollt, sondern auch das Sicherheitsbedürfnis alternder Menschen berücksichtigt. Hier bedient sich nun der Stoiker der Seefahrermetaphorik: Wer heiratet und Kinder zeugt, der bringt seine Angehörigen wie Schiffe in einen Hafen, wo viele Anker die Schiffe im Wasser sichern.22 Die Schiffe stehen hier für die lebenserfahrenen Angehörigen, die in ihrem »bewegten«23 Leben durch die wachsende Familie zu innerer Ruhe kommen. Die Enkelkinder sind nicht willkürlich durch Anker versinnbildlicht, da der Anker sowohl in paganen als auch in christlichen Texten der Zeit ein Symbol der Sicherheit und Hoffnung ist.24 Nach diesem Exkurs zur Seefahrermetaphorik kehren wir nun zurück auf das Festland: Wird die positive Wirkung der Ehe auf Staat und Verwandtschaft mit der fruchtbaren und gedeihenden Natur verglichen, so dient das Bild der »Einöde« bzw. »Wildnis« (ἐρημία) bei Hierokles und Musonius dazu, auf die Konsequenzen der Ehelosigkeit für die Polisgemeinschaft hinzuweisen. Nach stoischer Auffassung ist der Mensch nicht für sich allein geboren, sondern zur Gemeinschaft mit seinen Mitmenschen bestimmt,25 für deren Fortdauern er, und zwar auch der Philosoph, durch Ehe und Familiengründung zu sorgen hat. 20 Hierocl., p. 53,20–21 von Arnim: Φημὶ τοίνυν καὶ σύμφορον εἶναι τὸν γάμον πρῶτον μὲν ὅτι θεῖον ὡς ἀληθῶς φέρει καρπὸν τὴν παίδων γένεσιν [...]. Zu den sich auf Kinder gründenden Hoffnungen siehe Hierocl., p. 56,32 von Arnim: ἐπ’ ἐλπίσιν [...] ταῖς ἀπὸ τῶν ἡμετέρων τέκνων. 21 Hierocl., p. 56,19–20 von Arnim: ὅθεν κατὰ τὸν φιλοσυγγενῆ καὶ φιλεταῖρόν ἐστιν ἡ περὶ γάμον καὶ τέκνα σπουδή.

Hierocl., p. 56,16–20 von Arnim. Hierocl., p. 56,19 von Arnim: σαλευούσαις ναυσίν. 24 Siehe z. B. Hebr. 6,18–19: κρατῆσαι τῆς προκειμένης ἐλπίδος· ἣν ὡς ἄγκυραν ἔχομεν τῆς ψυχῆς, ἀσφαλῆ τε καὶ βεβαίαν, Artem. Onir. 2,23: ἄγκυραι [...] τὸ ἀσφαλὲς σημαίνουσιν. Sachlich, das heißt in ihrem Bezug zum Element des Wassers sowie der Seefahrt, ähnelt den Vorstellungen des Hierokles übrigens eine Formulierung bei Plutarch, der in seinem Amatorius die Metapher von der »Windstille der Ehe« (γαλήνη ἡ περὶ γάμον) gebraucht (Plut. Amat. 751e). Dass die Lebensform der Ehe zu innerer Ruhe führt, wird dadurch eigens akzentuiert, da die Meeresstille ein sehr altes Bild für die Gemütsruhe ist, siehe Herwig Görgemanns, Anmerkungen, in: Herwig Görgemanns u. a. (Hrsg.), Plutarch. Dialog über die Liebe, 132–188: 138–139 Anm. 54. 25 Cic. Off. 1,22; Diog. Laert. 7,123: ἀλλὰ μὴν οὐδ’ ἐν ἐρημίᾳ φασι βιώσεται ὁ σπουδαῖος· κοινωνικὸς γὰρ φύσει καὶ πρακτικός. 22 23

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Dieser Bezug zur menschlichen Gesellschaft macht die Ehe naturgemäß;26 sie sorgt nach Musonius und Hierokles dafür, dass es in der Polis Häuser und Familien gibt, durch welche die Stadt nicht zur »Einöde« degeneriert.27 Mit dieser Verwilderungssymbolik geht nicht nur die Assoziation der Unfruchtbarkeit und Dürre einher, die der »göttlichen Frucht« des Nachwuchses diametral entgegensteht, sondern auch diejenige des rücksichtslosen Lebens wilder Raubtiere. Der Ehelose gleiche, so Musonius, dem einsamen Wolf, der sich ohne Sinn für Gemeinschaft und Gerechtigkeit unter Gewaltanwendung nur um seine eigenen Angelegenheiten und den eigenen Vorteil kümmere.28 Die Alternative zu diesem egoistischen Gehabe illustriert Musonius gleich im Anschluss mit einem anderen Tier, nämlich der Biene, die als Bild für die wahre menschliche Natur dient: So wie die Biene nicht alleine, sondern nur in gegenseitiger Fürsorge und Zusammenarbeit im Bienenstock zu leben vermöge, so könne auch die menschliche Polisgemeinschaft nur durch Tugend, Menschenfreundlichkeit, Güte, Gerechtigkeit und Nächstenliebe bestehen. Signum dieser naturgemäßen Fürsorge für den Nächsten sei die Familiengründung, da die Polis aus Familien bestehe, Familien jedoch aus der Ehe hervorgingen. Die Ehe sei für den Erhalt des Menschengeschlechts somit unerlässlich, und der Ehelose gebärde sich – gleich dem Wolf – als ein Feind dieser Gemeinschaft.29 Das Bild der Biene, das Musonius kontrastreich dem Bild des Wolfes gegenüberstellt, ist dabei mit Bedacht gewählt. Im Hinblick nämlich auf die Eruierung des ehelichen Geschlechterverhältnisses hat das Bienengleichnis in der griechischen Literatur eine lange Tradition, und zwar auch in den Schriften über Hauswirtschaft und Ehe.30 Während es vor Musonius zumeist in Form einer individuellen Symbolik Verwendung fand, um die guten Eigenschaften einer arbeitsamen und keuschen Ehefrau zu versinnbildlichen, ordnet es Musonius im Rahmen seiner Ehelehre in den kollektiven Kontext menschlicher Gesellschaft ein. Einen Vorläufer dieser Inbezugsetzung des tierischen Verhaltens zu Ehe Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 255,5–7: τῶν ἀναγκαιοτάτων καὶ πρώτων καθηκόντων νομίζουσι τὸ συγκραθῆναι εἰς γάμον, πᾶν μὲν τὸ τῇ φύσει ἐπιβάλλον σπεύδοντες ἐπιτελεῖν; Muson. 14, p. 71,10–11 Hense: κατὰ φύσιν δ’, εἴ τι ἄλλο, καὶ τὸ γαμεῖν φαίνεται ὄν; Hie26

rocl., p. 52,17–21 von Arnim. Muson. 14, p. 72,3–6, hier 5–6 Hense: καὶ ὅπως ἡ πόλις μὴ ἔρημος ᾖ; Hierocl., p. 56,31–32 von Arnim: τήν τε ἰδίαν μὴ περιορᾶν χώραν ἔρημον, ἀλλ’ ἐπ’ ἐλπίσιν ἱδρυμένην ταῖς ἀπὸ τῶν ἡμετέρων τέκνων. 28 Muson. 14, p. 72,6–13 Hense. 29 Muson. 14, p. 72,13–73,15 Hense. 30 Zur Bienenmetaphorik in ehebezogener Literatur siehe ausführlich und mit Belegen Sarah B. Pomeroy, Xenophon. Oeconomicus. A Social and Historical Commentary, with a new English Translation, Oxford 1994, 276–280. Prominent ist der Bienenvergleich auch in Plutarchs Coniugalia Praecepta, wo allerdings das Verhalten des Ehemanns, nicht das der Ehefrau, mit der Aktivität der Bienen verglichen wird (Plut. CP 48,145b), siehe dazu Sarah B. Pomeroy, Reflections on Plutarch, Advice to the Bride and Groom. Something Old, Something New, Something Borrowed, in: Sarah B. Pomeroy (Hrsg.), Plutarch’s Advice to the Bride and Groom and A Consolation to His Wife, 33–57: 55. 27

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und Nachkommenschaft hat Musonius freilich in Antipater. Dieser vergleicht nämlich den menschlichen Staat mit einer Schaf- und Rinderherde, die bei ausbleibendem Nachwuchs der »Schönheit« ermangelt.31 Diese ästhetische Facette der Ehe greift auch Hierokles auf; ich komme darauf unter Abschnitt 2.3 zurück. 2.2. Die religiöse Dimension der Ehe Mit der Tiermetaphorik eng verwoben ist ein zweites Hauptargument der Stoiker für die Ehe. Im Denken des Antipater, des Musonius und des Hierokles spielen neben dem Kollektiv des Staates und der Verwandtschaft auch die Religion und theologische Begründungsstrategien eine wichtige Rolle. Schon in dem soeben erläuterten Bienenvergleich ist der Bezug zum Göttlichen indirekt gegeben. Denn die mit Bienenverhalten verglichenen Eigenschaften der Tugend, Philanthropie, Freundlichkeit, Gerechtigkeit und Nächstenliebe, von denen Ehe und Familiengründung nach Musonius letztlich Zeugnis ablegen,32 sind genuin göttliche Eigenschaften. An anderer Stelle zählt Musonius nämlich die Wohltätigkeit und Menschenfreundlichkeit zu den Eigenschaften Gottes, die zugleich höchste Aufgabe des Menschen seien: Der Mensch als »Nachbildung« bzw. »Abbild Gottes« (μίμημα τοῦ θεοῦ) sei zu diesen Eigenschaften fähig, indem er danach strebe, seiner gottähnlichen Natur gemäß zu leben.33 Heirat und Kindererziehung als philanthropische Förderung des Gemeinwohls werden somit zu einem gottähnlichen Verhalten stilisiert. Womöglich wendet sich hier Musonius gegen differierende Ansichten seiner Adressaten, wonach die Ehelosigkeit eher dem gottgleichen Leben entspreche. Antipater jedenfalls sah sich rund zwei Jahrhunderte vor Musonius mit dieser Einschätzung seiner Zeitgenossen konfrontiert, die das hedonistische Leben des Junggesellen (ᾔθεος βίος) für ein gottgleiches (ἰσόθεος) Leben hielten.34 Diese Einstellung wertet Antipater als einen kulturellen Verfall der Menschheit. Denn eine derart libertinistische Gegenwartshaltung kontrastiert er, wenn auch lapidar, so doch bewusst mit der Zeit der Heroen, in welcher die Ehe noch selbstverständlich gelebt worden sei.35 Der Bezug zum Heroischen, der sowohl idealisierende als auch die Vergangenheit verklärende Züge aufweist, soll der Ehe ihre göttliche Würde wiedergeben.

Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 254,28–30: ὃν τρόπον τε ποίμνη ἐπιγονὴν μὴ ἔχουσα οὐ καλὴ οὐδὲ βουκόλιον εὐθηνοῦν, πολὺ μᾶλλον οὐδὲ πόλις οὐδ’ οἰκία.

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Muson. 14, p. 73,6–10 Hense. Muson. 17, p. 90,6–91,2 Hense; vgl. zur menschlichen Nachahmung göttlicher Eigenschaften auch Epict. Diss. 2,14,12–13. Zur gottähnlichen Natur des Menschen siehe Cic. Leg. 1,25. 34 Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 255,35–36. Auf das interessante Wortspiel ᾔθεος – ἰσόθεος macht Föllinger, Differenz, 278 mit Anm. 275 aufmerksam. 35 Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 255,32: τυγχάνει δὲ καὶ ἡρωϊκὸν τὸ πρᾶγμα; vgl. Föllinger, Differenz, 278. 32 33

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Bei dieser von einem kulturellen Deszendenzbewusstsein geprägten Gegenüberstellung von Heroenvergangenheit und ehefeindlicher Gegenwart bleibt Antipater allerdings nicht stehen. Unter Rekurs auf eine Formulierung des Sophokles wirft er provokant die rhetorische Frage auf, wer denn den Göttern opfern solle, wenn das Menschengeschlecht aussterbe – »etwa Wölfe oder das stiertötende Geschlecht der Löwen?«36 Bereits Antipater bedient sich also der Raubtiermetaphorik, zielt damit jedoch auf eine andere Aussage als Musonius ab: Wolf und Löwe markieren hier den Unterschied zwischen Mensch und Tier hinsichtlich der anthropologischen Vernunftbegabung und der Fähigkeit zu religiöser Praxis. Das Argument, dass die Ehe unerlässlich sei im Hinblick auf die Verehrung der Götter (εἰς τὴν τῶν θεῶν τιμήν),37 wird bereits von Platon gebraucht, der im Kinderzeugen über die menschliche Arterhaltung hinaus die Bereitstellung immer neuer Diener für die Gottheit sieht.38 Antipater folgend führen Musonius und Hierokles die Ehe durch verschiedene Hinweise auf den göttlichen Willen zurück, da im Einklang mit den Vorstellungen der antiken Religion die Ehe als Institution von den Göttern geschützt sei. Besonders ausführlich äußert sich hier Musonius, der das eheliche Leben als Dienst an Hera (Ἥρα ζυγία), Aphrodite und Eros versteht39 und zudem Ehe- und Kinderlosigkeit als schweres Vergehen gegen diese traditionell verehrten Götter sowie gegen Zeus, den Beschützer der Familie (ὁμόγνιος Ζεύς), interpretiert.40 Religion wird hier nicht nur als proprium humanum erkennbar. Vielmehr erhält die Ehe somit ganz unverhohlen den Charakter einer religiösen Pflicht, die dem Menschen obliegt. Zusätzlich zu der traditionell überlieferten Schutzherrschaft der Götter über Ehe und Familie findet sich bei den Stoikern eine dezidiert schöpfungstheologische Fundierung der Ehe. Um der naturgemäßen Bestimmung von Mann und Frau füreinander diese theologische Verwurzelung zu verleihen, greift Musonius auf den Kugelmenschenmythos aus Platons SymAntip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 255,9–10. Bei Sophokles ist von »stiertötenden Löwen« die Rede (Soph. Phil. 400–401). 37 Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 255,8. 38 Plat. Leg. 773e, dazu Föllinger, Differenz, 70, 278–279. 39 Muson. 14, p. 75,6–20 Hense. Ähnlich spricht auch Hierokles davon, dass Ehepaare den Schutzgöttern über Ehe und Familie geweiht seien, siehe Hierocl., p. 54,20–21 von Arnim: καθιερωμένων θεοῖς γαμηλίοις γενεθλίοις ἐφεστίοις. 40 Muson. 15A, p. 78,1–13 Hense; siehe dazu insgesamt Valéry Laurand, Philosophie et politique: La »référence« ambiguë de Musonius Rufus aux lois d’Auguste sur le mariage. Une lecture de Dion Cassius, Histoire romaine, LVI, 1–10 et de Musonius, XIII–XV, in: Perrine Galand-Hallyn/Carlos Lévy (Hrsg.), La villa et l’univers familial dans l’Antiquité et à la Renaissance, Paris 2008, 147–167, hier 155–156; Ramelli, Transformations, 376–377; Ilaria Ramelli, Hierocles the Stoic: Elements of Ethics, Fragments, and Excerpts. Translated by David Konstan, Atlanta 2009, 113–115 Anm. 22. Ganz analog hatte bereits Chrysipp argumentiert. Seneca mokiert sich darüber in seiner fragmentarisch erhaltenen Schrift De matrimonio: Ridicule Chrysippus ducendam uxorem sapienti praecipit, ne Iovem Gamelium et Genethlium violet (Sen. De matrimonio frg. 24 Vottero = frg. 46 Haase); vgl. dazu Reydams-Schils, Roman Stoics, 148. 36

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posion zurück,41 den er – im Unterschied zu Platon – einzig als Begründung der Heterosexualität auffasst.42 Der methodische Rückgriff auf eine mythologisch idealisierte Frühzeit mit dem Ziel, die Ehe im Glanz göttlicher Dignität erstrahlen zu lassen, hat dabei eine formale Parallele bei Antipater, der aus ähnlichen Motiven die Heroenzeit heraufbeschwört. Die subtile, Platon nie namentlich nennende, teils differenzierende, teils umdeutende Rezeption des Kugelmenschenmythos hat einen festen Platz in der stoischen bzw. stoisch beeinflussten Auseinandersetzung mit der Ehe: Bereits bei Antipater ist sie eruierbar, der davon ausgehend die eheliche Zweisamkeit lobend hervorhebt.43 Auch Plutarch orientiert sich daran, um die Einheit stiftende Liebe zu illustrieren, welche die Zweiheit der Geschlechter durch deren eheliche Einswerdung zu überwinden trachtet.44 Musonius nun rekurriert darauf, um darzulegen, dass die Geschlechtlichkeit von Mann und Frau sowie deren reziprokes Verlangen nach Partnerschaft und sexueller Gemeinschaft in der Spaltung des Menschengeschlechts (ἔτεμε δίχα τὸ γένος ἡμῶν) begründet sei, die der Schöpfergott (ὁ τοῦ ἀνθρώπου δημιουργός) einst vorgenommen habe.45 Wenn Musonius hier von »Spaltung« spricht, so ist damit weniger im negativen Sinne das körperliche Getrenntsein der Geschlechter akzentuiert als vielmehr die reziproke und schöpfungsbedingte Dualität von Mann und Frau, die in der Ehe zur Erfüllung kommt. Die Einheit schaffende Funktion der Ehe deutet Musonius dabei durch den besonders bildhaften Ausdruck des »Hineinmischens« (ἐγκεράννυμι) an: Der Demiurg habe in die Geschlechter eine starke, aufeinander bezogene Sehnsucht »hineingemischt« (πόθον ἰσχυρὸν ἀμφοῖν ἀλλήλων ἐνεκέρασεν).46 Inmitten der für Schöpfungsmythen nicht unkonventionellen Handwerker- und Künstlermetaphorik, die hier im Hinweis auf die hand41 Lévy, Images, 195; Laurand, Philosophie et politique, 158–159. Was die theologische Begründung der Ehe gemäß Musonius anbetrifft, so weist Ramelli auf Parallelen zum Apostel Paulus hin, siehe Ramelli, Transformations, 376–377 mit Anm. 22 (Lit.). Auch bei Plutarch spielt die theologische Grundlegung der Ehe eine wichtige Rolle, siehe Ramelli, Transformations, 393. 42 Muson. 14, p. 71,11–72,3 Hense; zum Kugelmenschenmythos siehe Plat. Smp. 189c–193d sowie Ruben Zimmermann, Geschlechtermetaphorik und Gottesverhältnis. Traditionsgeschichte und Theologie eines Bildfelds in Urchristentum und antiker Umwelt, Tübingen 2001, 56–62. 43 Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 256,25–26; dazu Föllinger, Differenz, 280, wo auf die subtile Auseinandersetzung mit Platons Kugelmenschenmythos aufmerksam gemacht wird. 44 Plut. Amat. 767d–e, dazu Görgemanns, Anmerkungen, 179 Anm. 377. Auch in seinen Coniugalia Praecepta ist der Rekurs auf diesen Mythos präsent, siehe Plut. CP 34,142e–f und Becker, Ehe, 246–247. 45 Muson. 14, p. 71,11–12 Hense. Zum Schöpfergott bei Musonius siehe auch Muson. 18B, p. 103,1–2 Hense. Dass die Geschlechter von Natur aus aufeinander hin geordnet sind und Beisammensein begehren, ist auch für Epiktet ein Beweis göttlichen Schöpferhandelns (Epict. Diss. 1,6,9). 46 Muson. 14, p. 71,16 Hense.

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werkliche Herstellung des Menschen anklingt, verarbeitet Musonius den von Antipater aufgebrachten Gedanken von der Ehe als δι’ὅλων κρᾶσις, der unter Abschnitt 2.3 näher beleuchtet wird. Im Unterschied zu Antipater lädt Musonios seine Anspielung auf die δι’ὅλων κρᾶσις theologisch auf, um die Naturgemäßheit der Ehe mit dem Argument religiöser Anthropologie zu unter­mauern. Der Rückgriff des Stoikers auf den Kugelmenschenmythos Platons mit seiner schöpfungs­t heologisch angereicherten Bildersprache, wonach der Demiurg das »Kunstwerk Mensch« als Mann und Frau herstellt, hat in der urchristlichen Literatur eine sachliche Parallele: Die schöpfungstheologische Begründung der Ehe, die sich im Urchristentum auf die Autorität der Schöpfungsberichte des Menschen aus der Genesis beruft, verankert die Ehe ebenfalls im Willen Gottes. Dass dieser Konnex von Schöpfung und Ehe ein wichtiges Anliegen der ersten Christen ist, zeigt dessen häufige Thematisierung im Neuen Testament.47 2.3. Die individuelle Dimension der Ehe Die bisherigen Erörterungen zeigen, dass die stoische Ehelehre zu einer soziopolitischen und religiösen Funktionalisierung tendiert. In der stoischen Eheprotreptik finden sich jedoch auch Begründungen der Ehe, die ihren Nutzen jenseits des Kollektivs sehen. Hier rückt dann vor allem das männliche Individuum als Nutznießer ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Ehe wird zwar laut stoischer Ethik zu den καθήκοντα gerechnet, d. h. zu den Dingen, die zwar naturgemäß, aber aus sittlicher Sicht weder gut noch schlecht (ἀδιάφορα) sind und somit »nicht ausschlaggebend für ein sittlich gutes, an der Tugend ausgerichtetes Leben«48. Dennoch sehen vor allem Antipater und Hierokles in der Ehe die Grundlage für ein gelingendes, vollkommenes und stabiles Leben, das der wissenschaftsasketischen Ehelosigkeit überlegen ist.49 Die Verwendung der Bildersprache dient in diesem Zusammenhang dazu, die eheliche Gemeinschaft als die tiefste und intensivste Beziehung zwischen Menschen begreiflich zu machen: Die Verzwecklichung der Ehe öffnet sich damit für die Vorstellung einer Siehe hierzu Mk 10,2–9, Mt 19,3–6, Eph 5,22–33, 1Tim 2,11–15; zur Bedeutung der ehebezogenen schöpfungstheologischen Argumentation im 1. Timotheusbrief siehe Becker, Ehe, 250–256. 48 Föllinger, Differenz, 275–277: 275; vgl. dazu auch Deming, Paul, 56–57. Zu den Begriffen καθήκοντα, ἀδιάφορα und κατορθώματα siehe Damianos Tsekourakis, Studies in the Terminology of Early Stoic Ethics, Wiesbaden 1974, 1–60; Forschner, Die stoische Ethik, 116–118.165–171.184–196. Zur Ehe als καθῆκον siehe Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 255,5–7; Hierocl., p. 52,25–27, p. 53,1–12 von Arnim, sowie Ramelli, Transformations, 372. 49 Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 254,25–27: Ὁ εὐγενὴς καὶ εὔψυχος νέος, ἔτι δ’ ἥμερος 47

καὶ πολιτικός, θεωρῶν διότι τέλειος οἶκος καὶ βίος οὐκ ἄλλως δύναται γενέσθαι ἢ μετὰ γυναικὸς καὶ τέκνων; Hierocl., p. 52,19–21 von Arnim: οἶκός τε ἡμιτελὴς μὲν τῷ ὄντι ὁ τοῦ ἀγάμου, τέλειος δὲ καὶ πλήρης ὁ τοῦ γεγαμηκότος, Hierocl. p. 53,1–2 von Arnim: λέγω δὲ τὴν παίδων γένεσιν καὶ βίου διεξαγωγὴν εὐσταθοῦς.

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einfühlsamen Liebesehe, die bei Musonius und dann vollends bei Plutarch zur vollen Ausreifung kommt. Das wohl ausdrucksstärkste Bild, mit dem Stoiker seit Antipater die Eigenart der ehelichen Verbindung zu fassen versuchen, ist jenes von der bereits erwähnten δι’ὅλων κρᾶσις. Antipater führt es ein, um »die Ehe als die intimste Form aller Freundschaften«50 zu denotieren, in welcher die Partner nicht nur am Besitz, den Kindern und am Seelenleben des Anderen teilhätten, sondern auch am Körper des Gegenübers. Laut Gretchen Reydams-Schils ist diese Vereinigung von Körper und Seele in der Ehe ein Spezifikum, wodurch die Stoiker traditionelle Auffassungen ehelicher Gütergemeinschaft weiterentwickeln und in der Ehetheorie neue Wege beschreiten.51 Während alle übrigen freundschaftlichen Beziehungen der Vermischung von Bohnen oder Ähnlichem glichen, die auch nach der Mischung nur nebeneinander lägen (κατὰ τὰς παραθέσεις μίξεσιν), ähnele die Ehe einer Mischung von Wasser und Wein.52 Es handelt sich bei dieser δι’ὅλων κρᾶσις um eine Begrifflichkeit der stoischen Physik, wobei bereits Chrysipp sich des Weinschorlenvergleichs bedient, um die kosmische Krasis aller Teile zu versinnbildlichen.53 Ein Blick auf die Rezeption dieses die vielschichtige Einheit der Ehepartner betonenden Bildes vor allem bei Plutarch54 zeigt, dass in der Stoa die Ehe als ein »Mikrokosmos« betrachtet wurde, dessen Charakteristikum die Harmonie seiner Teile, nämlich »die Sympathie von Mann und Frau«55, ist. Nach Hierokles wird in der Ehe die naturhafte Verbundenheit aller Dinge in besonderem Maße erlebbar und konkret, da Frau und Kinder den Inbegriff der kosmischen συμπάθεια bilden.56 Bees, Oikeiosislehre, 190–192 (zur ehelichen δι’ὅλων κρᾶσις): 190. Reydams-Schils, Roman Stoics, 153. Die materielle Vermögensgemeinschaft ist bei Antipater, Musonius und Hierokles der Entwicklung eines gemeinsamen Seelenlebens deutlich untergeordnet, siehe Fausto Goria, Zur ehelichen Gütergemeinschaft im philosophischen Denken der Griechen von Xenophon bis Ioannes Stobaios (übersetzt von Carolina Cupane Kislinger), in: Dieter Simon (Hrsg.), Eherecht und Familiengut in Antike und Mittelalter, München 1992, 99–119: 106–108. 52 Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 255,11–18; gedanklich vorbereitet wird die δι’ὅλων κρᾶσις bereits wenige Zeilen vor diesem Abschnitt, siehe ebd., p. 255,6: συγκραθῆναι εἰς γάμον. 53 Diog. Laert. 7,151, siehe dazu Bees, Oikeiosislehre, 190. 54 Plutarch (Plut. CP 34,142e–143a) ergänzt das Bild von der δι’ὅλων κρᾶσις um den Gedanken der Liebesehe (γάμος ὁ τῶν ἐρώντων) – eine Vorstellung, die in den erhaltenen Texten Antipaters und des Hierokles nicht explizit präsent ist, wohl aber bei Musonius, der die eheliche Liebe als »the highest form of eros« (Reydams-Schils, Roman Stoics, 159) versteht und die Liebe zwischen Alkestis und Admetos als vorbildlich rühmt, siehe Muson. 14, p. 74,9–75,18 Hense. Zur δι’ὅλων κρᾶσις bei Plutarch siehe Lisette Goessler, Plutarchs Gedanken über die Ehe. Diss. Univ. Basel 1958, Zürich 1962, 56–57; Becker, Ehe, 245–246. 55 Bees, Oikeiosislehre, 192. 56 Hierocl., p. 53,24–25 (Kinder als συμπαθεῖς διάδοχοι) p. 54,12 (Ehe als συμπαθὴς εὐνοία), p. 54,12–13 von Arnim: οὔτε δὲ συμπαθέστερόν τι γυναικὸς εὕροιμεν ἂν οὔτε τέκνων συγγενέστερον; dazu Bees, Oikeiosislehre, 189. Auf das eheliche συμπαθεῖν geht 50 51

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Nicht ohne Grund nennt Hierokles darum die Ehe etwas »Schönes« (καλόν), ja gar einen κόσμος, bei dem nicht der äußere architektonische Schmuck des Hauses die Schönheit der Familie ausmache, sondern die zusammenstimmende (συμφωνούντων) Einheit der Partner, die ihr Schicksal, ihr Hab und Gut, ihre Körper und ihre Seelen zum gemeinsamen Besitz machen.57 Das Harmonieren von Mann und Frau als Teile der Allnatur in einer Partnerschaft (κοινωνία)58 wird fernerhin mit einem Joch (ζεῦγος) verglichen. Dieses Bild dient seit Xenophons Oeconomicus in der Hauswirtschafts- und Eheliteratur dazu, die enge eheliche Verbindung von Mann und Frau zu beschreiben.59 Musonius und Hierokles greifen darauf zurück, um die psychische und physische Verbundenheit des Ehepaars als Symbiose (συμβίωσις)60 zu akzentuieren. Diese ist bei Musonius als gegenseitige Fürsorge gedacht, wobei sich jeder um den anderen kümmern solle. In dem Moment, wo ein Partner zum Egoismus tendiere, nur seine eigenen Angelegenheiten im Blick habe, degeneriere die Symbiose zu einem bloßen Zusammenwohnen unter einem Dach, was allerdings schlimmer sei als das Leben in der »Einöde« (ἐρημία).61 Wiederum ist es das Bild der einsamen Wildnis, das auch an dieser Stelle das Wesen des selbstzentrierten und solitär lebenden Menschen zeichnet. Auf den bildspendenden Bereich der Natur bezieht sich Musonius auch, um auf die Wichtigkeit der gedanklichen Eintracht (ὁμόνοια) von Ehegefährten hinzuweisen, die gewissermaßen wie das Joch auf Tieren als Verbindungsstück zwischen Mann und Frau fungieren soll: ὁμόνοια sei demnach das Signum zweier Seelen, die auf Besonnenheit, Gerechtigkeit und Tugend ausgerichtet seien. Menschen, die sich allerdings der Zweckheirat hingeben und nur aus Gründen der guten Abstammung, des Geldes oder der körperlichen Schönheit heiraten, vergleicht Musonius mit inkompatiblen Hölzern: Weder könne man ein gerades auch Plutarch ein, siehe Plut. CP 20,140e; 33,142e. Zur stoischen Sympathielehre siehe Bees, Oikeiosislehre, 136–142. 57 Hierocl., p. 54,14–25 von Arnim. Diesen Gedanken formuliert auch Musonius, der ihn, ähnlich wie Plutarch, in den Kontext der ehelichen Liebe einordnet (Muson. 14, p. 74,7–12 Hense). Auch die Ehefrau selbst, die philosophisch gebildet sich um die Angelegenheiten der Familie kümmert, ihre Kinder versorgt und ihrem Mann hilft, bezeichnet Musonius als κόσμος, und zwar für die Verwandten (Muson. 3, p. 12,2–5 Hense). 58 Die Ehe wird als κοινωνία bezeichnet bei Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 255,19; Muson. 13A, p. 67,6; 68,18 Hense, Muson. 13B, p. 69,7; 69,17 Hense, Muson. 14, p. 71,15; 72,11; 73,17–18 Hense; Plut. CP 138b; 20,140e; Hierocl., p. 52,17–19; 54,15–16; 55,2–3; 55,6–7 von Arnim. 59 Xen. Oec. 7,18. Zur Ehe als Jochgemeinschaft siehe Muson. 13A, p. 68,2 Hense, Muson. 14, p. 74,12 Hense, Hierocl., p. 54,19 von Arnim. Die auf die Ehe bezogene Jochbegrifflichkeit hat auch Eingang in die biblische Gräzität gefunden, vgl. 3Makk 4,8 (συνζυγεῖς = Eheleute); Mk 10,9; Mt 19,6 (jeweils συνέζευξεν). 60 Zur Ehe als συμβίωσις siehe Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 255,25, Muson. 13A, p. 68,5 Hense, Plut. CP 2,138d; 22,141b; 24,141c; Hierocl., p. 53,25–26 von Arnim. Plutarchs Eheratgeber unterstreicht das symbiotische Element zudem stilistisch durch ein gehäuftes Vorkommen von σύν-Komposita, siehe dazu die Liste bei Becker, Ehe, 246 Anm. 16. 61 Muson. 13A, p. 68,13–20 Hense.

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mit einem krummen Holzstück verbinden (συναρμόζειν) noch zwei krumme; ebenso wenig sei es möglich, dass sozialer Stand, Reichtum oder körperliche Schönheit Partnerschaftlichkeit und gedankliche Einheit erzeugen.62 Hierokles untermauert die singuläre Signifikanz der ehelichen ὁμόνοια darüber hinaus durch ein in der Eheliteratur häufig verwendetes Zitat aus dem sechsten Gesang der Odyssee Homers. Dort rühmt Odysseus gegenüber Nausikaa die ὁμοφροσύνη von Mann und Frau in häuslicher Einheit als das Beste im Leben.63 Wie die bisherigen Bilderörterungen erkennen lassen, betonen die stoischen Eheverfechter die Einheit des Ehepaares durch die Reziprozität und Kompatibilität der Geschlechter. Darauf weisen etwa die Bilder von Wasser und Wein, die zu einer Weinschorle werden, das Bild vom Joch, das aus zwei Lebewesen eine Jochgemeinschaft macht, oder auch das Bild von den beiden zusammengefügten Hölzern, die zu einem Holzstück werden. Dass also gerade die Dualität der Partner ihre Einheit konstituiert, verdeutlicht sehr anschaulich Antipater unter Rekurs auf den menschlichen Körper. Der Ehepartner sei wie eine zweite Hand, wie ein zweiter Fuß, ferner wie ein zweites Paar Hände bzw. wie ein zweites Paar Füße und schließlich wie ein zweites Augenpaar, wodurch sich insgesamt das Leben leichter meistern lasse.64 Prägnant fasst Antipater seine Einstellung in dem Satz zusammen, das individuelle Leben gelinge eher, wenn man »zwei statt einer werde« (δύο γεγονὼς ἀνθ’ ἑνός), da die gegenseitige Hilfe durch ein »anderes Selbst« (οἷον ἑαυτὸν ἕτερον) vorteilhafter sei als der bewusste Verzicht auf ein solches Gegenüber – sei es nun männlich oder weiblich. In diesem Hinweis auf den Partner als alter ego rekurriert Antipater unverkennbar auf philosophische Freundschaftstheorien.65 Wie Sabine Föllinger gezeigt hat, setzt sich Antipater hier einerseits mittels sprachlicher Allusion mit dem platonischen Kugelmenschenmythos auseinander, andererseits suggeriert er die Reziprozität und KomMuson. 13B, p. 69,4–70,7 Hense; zum Holzstückvergleich siehe p. 70,1–5 Hense. Mit dem Heiraten aus falschen Motiven beschäftigen sich auch Antip. Stoic. frg. 62, SVF III, p. 254,5–8 und Plutarch (Belege bei Becker, Ehe, 247 Anm. 21). Mit der Vorstellung, dass die Ehegatten zusammenfügbaren Hölzern ähneln, ist sachlich ein Passus bei Plutarch vergleichbar, der die Ehe als ein zusammengefügtes Gefäß versteht (Plut. CP 3,138e), siehe dazu und zu weiteren von Plutarch gebrauchten Bildern für die Ehe Becker, Ehe, 244–245. 63 Hierocl., p. 54,25–27 von Arnim, Hom. Od. 6,182–184 zitierend. Zum Gebrauch dieses Zitats in der Eheliteratur siehe Praechter, Hierokles, 78–79, 136–137. An prominenter Stelle führt es Plutarch an, um die durch Eros bewirkte Einträchtigkeit der Eheleute zu betonen (Plut. Amat. 770a, vgl. auch ebd. 757d). Die mythischen Referenzfiguren Odysseus und Penelope gelten bei Plutarch als ideales Ehepaar, weil sie ihre Ehe auf Besonnenheit gründeten, nicht auf finanziellen oder hedonistischen Nutzen (Plut. CP 21,140f–141a). 64 Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 256,17–33. 65 Die angeführten Zitate finden sich bei Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 256,25 und p. 256,31. Die Vorstellung vom »anderen Selbst« rekurriert auf die aristotelische Freundschaftstheorie, siehe Föllinger, Differenz, 280; Reydams-Schils, Roman Stoics, 149, ferner Ramelli, Transformations, 374. 62

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plementarität der Geschlechter, die er jedoch gleichzeitig durch seinen Gebrauch der Bilder unterläuft, die die Frau einseitig als Gehilfin des Mannes definieren.66 Was den Kugelmenschenmythos angeht, wo die Zweiheit der Geschlechter bzw. das Getrenntsein von Menschen generell als Götterstrafe negativ konnotiert ist, so fällt auf, dass Antipater die duale Lebensform in ein positives Licht rückt und in der Vereinzelung des Individuums eine Mangelhaftigkeit sieht, die in der Ehe überwunden werden muss. Zwar lädt Antipater seine Anspielung auf den Kugelmenschenmythos nicht schöpfungstheologisch auf, wie Musonius dies tut. Dennoch wird zumindest rudimentär erkennbar, dass die Einheit in der Zweiheit die ursprüngliche, aus Mann und Frau bestehende Menschennatur sei. Relikte dieser Vorstellung finden sich in dem Bild vom einhändigen und einfüßigen Menschen, der erst durch das Hinzukommen einer zweiten Hand und eines zweiten Fußes zu einem vollständigen Menschen mit einer »einzigen Seele« (μία ψυχή)67 wird. Diese Vorstellung einer zur totalen Einheit gerinnenden Komplementarität der Geschlechter entschärft Antipater durch die Bilder vom zweiten Hände-, Fuß- und Augenpaar, wodurch letztlich die Ehe als »Reduplikation des einen Teils«68 erscheint, nämlich des männlichen. Die »eine Seele«, die in der dualen Beziehung herangebildet werden soll, ist keine aus zwei Seelen zusammengeschmolzene, sondern explizit diejenige des Mannes, auf die hin sich die Frau ausrichtet. Daraus erhellt, dass die angestrebte Simplifizierung des Lebens durch die Ehe vor allem dem Mann dienen soll.69 Nichtsdestotrotz macht die Intention dieser physiologischen Bildersprache Antipater im Vergleich mit der Älteren Stoa zu einem Pionier der stoischen Ehetheorie, weil er die Relevanz der Ehe nicht mehr nur für das Kollektiv des Staates, sondern auch für das einzelne, wenn auch v. a. männliche, Individuum postuliert.70

3. Zur Funktion ehebezogener Bildersprache Wenn auch die erhaltenen stoischen Ehetexte nicht in dem Maße von Bildersprache Gebrauch machen, wie Plutarch dies in seinen Eheratschlägen in Form von Metaphern, Vergleichen, Gleichnissen, Anekdoten und Apophthegmata tut,71 so Föllinger, Differenz, 279–281. Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 255,19–21. 68 Föllinger, Differenz, 281. In dem methodischen Vorgehen, das eheliche Geschlechterverhältnis mit allerlei Bildern zu beschreiben, deren Inhalte teils die Reziprozität, teils die Verschiedenheit der Geschlechter hervorheben, hat Antipater in Plutarch einen späteren Nachahmer gefunden, siehe dazu Becker, Ehe, 243–247. 69 David M. Engel, Women’s Role in the Home and the State: Stoic Theory Reconsidered, in: Harvard Studies in Classical Philology 101 (2003), 267–288: 278. 70 Föllinger, Differenz, 281. 71 Plutarch spricht hier, einen Sammelbegriff benutzend, von sogenannten ὁμοιότητες (Plut. CP 138c), die inhaltlich all das Genannte umfassen, siehe Goessler, Plutarchs Gedanken, 44–45; Hirsch-Luipold, Pferde, 106 mit Anm. 4. 66 67

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bedienen sich die Stoiker seit Antipater im Umgang mit der Ehe doch der metaphorischen und vergleichenden Sprache. Antipater, Musonius und Hierokles machen Gebrauch von Bildern aus der Tier- und Pflanzenwelt, der Physik, der Kosmologie und der menschlichen Physiologie, wobei sie ihren Gedankengang oftmals durch literarische Zitate und mythologische Rekurse bereichern. Bereits Rainer Hirsch-Luipold hat Plutarchs Bildersprache in den Coniugalia Praecepta eine rein ausschmückende Funktion abgesprochen: Sprachliche Bilder transportierten demnach keinen »niedrigeren Wahrheitsgehalt« im Vergleich zu diskursiven Verfahren der Argumentation, sondern seien »integraler Bestandteil« einer Philosophie, die in die »Lebenswelt der Adressaten« hineinsprechen wolle.72 Diese erste Funktion einer lebensnahen Begründung der Ehe trifft zweifelsohne auch auf die Stoiker zu, die speziell in ihren Texten zur Ehe eine besondere Praxisorientierung erkennen lassen. Mit den zahlreichen Zitaten klassisch-griechischer Autoren (Homer, Sophokles oder Euripides)73 berufen sich die Stoiker nicht allein auf lebenspraktische Aphorismen literarischer Autoritäten, um ihre eigene Argumentation zu stützen. Vielmehr geht damit eine Poetisierung der Ehe einher, die dazu einladen möchte, über die Schönheit der Ehe zu reflektieren. Eine zweite Funktion der Bildersprache besteht in der Interpretation der Ehe als »Kosmos«. Wenn die Stoiker in ihrer Ehelehre die kinderstiftende Verbindung von Mann und Frau bildhaft mit nachwachsenden Blättertrieben, einer Schafoder Rinderherde, dem Verhalten der Bienen, einer Weinschorle, dem Sichern von Schiffen durch Anker, dem Zusammenklingen der Teile des Kosmos oder mit dem Zusammenspiel der Hände am menschlichen Körper in Bezug setzen, dann handelt es sich dabei nicht um reine Illustration. Denn der Mensch soll als Teil des Kosmos vermittels der metaphorischen Ausdruckweise mit dem ihn umgebenden Kosmos und seinen Bestandteilen in Beziehung gesetzt werden. Der häufige Verweis auf tierisches Verhalten im Hinblick auf Fortpflanzung impliziert den Gedanken, dass ein humanes Lebewesen, das sich gegen die naturbedingte Ehe entscheidet, in seinem Verhalten noch hinter den Tieren zurückbleibt – wird doch die soziale Menschengemeinschaft bei Antipater eindeutig mit einer Schafund Rinderherde verglichen. Besonders eindrücklich ist dabei die Vorstellung der gegenseitigen Sympathie und Harmonie der Ehepartner, welche die Ehe zu einem »Mikrokosmos« (Robert Bees) werden lässt. Nach stoischer Auffassung steht der Mensch nämlich durch das angestrebte Harmonieren der Teile in der Ehe, das heißt von Mann und Frau, in einem harmonischen Verhältnis zur Natur.74 Die physische und psychische Vereinigung der Ehegefährten ist damit gewissermaßen eine Widerspiegelung der Einheit des Kosmos im Kleinen. Hirsch-Luipold, Pferde, 116–118: 117. Zu Homer siehe z. B. Plut. CP 5,139a; 21,140f–141a; 38,143d; 48,145b; Hierocl., p. 54,25–27; 55,14–16 von Arnim; zu Sophokles z. B. Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 255,9–10; Plut. CP 26,141d–e; zu Euripides z. B. Antip. Stoic. frg. 63, SVF III, p. 255,19– 21; 255,25–31; Plut. CP 38,143c–d; 40,143e. 74 Bees, Oikeiosislehre, 189–190. 72 73

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Eine dritte Funktion der Bildersprache besteht darin, dass sie sich als besonders geeignetes Instrument erweist, die Einheit der Geschlechter in der Ehe zu umreißen. Hierbei handelt es sich um ein methodisches Vorgehen, an dem sich auch Plutarch in seinen Coniugalia Praecepta orientiert.75 Während es zahlreiche Studien zum Geschlechterverhältnis und speziell zur intellektuellen Gleichheit der Ehefrau bei Antipater, Musonius und Hierokles gibt, blieb die Analyse der Bildersprache in dieser Hinsicht, soweit ich sehe, bislang unberücksichtigt. Wie vor allem die neuere Forschung zeigen konnte, ist in der stoischen Definition des Geschlechterverhältnisses seit Antipater – trotz vieler Ansätze zur Emanzipation der Frau – dem Mann eine gewisse Vorrangstellung zugewiesen.76 Die auf die Ehe bezogenen Bilder mildern diese latente Benachteiligung der Frau ab: Für sich betrachtet, eröffnen die Bilder der δι’ὅλων κρᾶσις, der Weinschorle, des Jochs, der Sympathie im Kosmos, der verbundenen Hölzer, der zweiten Hand und des zweiten Fußes die Perspektive einer auf Kompatibilität und Reziprozität ausgerichteten Beziehung der Partner. Der von Musonius formulierte Gedanke, dass der Schöpfergott in Mann und Frau gegenseitige Sehnsucht nach Beisammensein und Partnerschaft hineingemischt habe, unterstreicht diese einheitsstiftende Funktion der Ehe und verleiht ihr überdies ein »metaphysisches Fundament«77: Aufeinander angewiesen zu sein wird dadurch als schöpfungs- und naturbedingte Gegebenheit angesehen. Die präsentierten Bilder lassen darüber hinaus eine wichtige inhaltliche Entwicklung stoischer Ehelehre vom Hellenismus bis in die Kaiserzeit hinein erkennen: Während Antipater die Ehe stark soziologisch funktionalisiert und den Akzent vor allem auf die Hilfsfunktion der Frau für den Mann legt, ist bei Musonius und Plutarch der Schritt zur Vorstellung einer genuinen Liebesehe zu beobachten, in welcher die reziproke Dualität der Partner im Zentrum steht.

Becker, Ehe, 244–246; 256–258. Siehe z. B. Föllinger, Differenz, 279–281; David M. Engel, The Gender Egalitarianism of Musonius Rufus, in: Ancient Philosophy 20 (2000), 377–391; Martha C. Nussbaum, Musonius Rufus – Enemy of Double Standards for Men and Women?, in: Karla Pollmann (Hrsg.), Double Standards in the Ancient and Medieval World, Göttingen 2000, 221–246; Georg Wöhrle, Wenn Frauen Platons Staat lesen. Oder: Epiktet und Musonius konstruieren Geschlechterrollen, in: Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft N. F. 26 (2002), 135–143; Engel, Women’s Role, passim, v. a. 275–285; ReydamsSchils, Roman Stoics, 150–159; Ramelli, Transformations, 380–381, 386. 77 Lévy, Images, 195 (»un fondement métaphysique«). 75 76

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Leben in Annäherung und Abgrenzung Zur Intention christlicher Lebensführung im Ersten Petrusbrief Dorothee Dettinger

1. Leben im Spannungsfeld »Geliebte, ich ermahne euch als Fremdlinge und Gäste, dass ihr euch von den fleischlichen Begierden, die gegen die Seele streiten, fernhaltet, führt euren Wandel unter den Völkern gut, damit sie, worin sie euch als Übeltäter verleumden, aus den guten Werken, die sie beobachten, Gott verherrlichen am Tage der Heimsuchung!« (1Petr 2,11–12)

Das Leben der Christen spielt sich inmitten der sie umgebenden Gesellschaft ab – unter den Nationen – und doch werden sie als »Fremdlinge« und »Gäste«1 angesprochen. Und diese Spannung wird fortgeführt: Als Fremde sollen die Christen sich einerseits von Begierden enthalten, die ihrer an Gott gebundenen Existenz widersprechen und sich damit von ihrem Umfeld unterscheiden – andererseits soll ihre Lebensführung von ihrem paganen Umfeld und ausdrücklich auch von denen, die ihnen Übles wollen, als gut anerkannt werden. Ein solches als gut respektiertes Handeln vermag, so der Verfasser des Ersten Petrusbriefs, selbst Übeltäter zu überzeugen und zum Ziel der Gotteserkenntnis und des Gotteslobs zu führen. In diesen zwei Versen wird zweierlei deutlich: zum einen, dass der Verfasser des Ersten Petrusbriefs die Existenz der Christen in einem Spannungsfeld sieht, das sich zwischen Annäherung an die allgemein als gut anerkannten Normen und Verhaltensweisen einerseits und Abgrenzung von früheren und mit dem christlichen Glauben nicht vereinbaren Normen und Verhaltensweisen andererseits bewegt, und zum anderen, dass der Verfasser des Ersten Petrusbriefs christliche Lebensführung nicht für sich betrachtet, sondern ihr eine gewisse Intention zuordnet.

1 Vgl. die Übersetzung nach Henry George Liddell/Robert Scott, A Greek-English Lexicon. With Revised Supplement, Oxford, New York 91996, 1337. Diese Übersetzung lässt die zeitliche Begrenzung des Aufenthalts und die Nichtzugehörigkeit zum zeitweiligen Umfeld deutlich erkennen.

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Sieht der Verfasser des Ersten Petrusbriefs die Adressatengemeinde(n) vor die Aufgabe gestellt, sich dem Umfeld anzupassen oder sich vom Umfeld abzugrenzen, so hat er dabei eine bestimmte Grundsituation der Christen innerhalb der sie umgebenden Gesellschaft vor Augen. Diese gilt es im Folgenden zu skizzieren, um die Intention des Verfassers, die seinen Weisungen zugrunde liegt, deutlicher erkennen zu können. Als Korrelat zum Verhältnis der Christen zu ihrem Umfeld, das heißt der soziologischen Beschreibung ihrer Situation, soll auch die sozusagen andere Seite in den Blick genommen werden, nämlich das Selbstverständnis der Christen und dessen zentrale theologische Begründungsstrukturen. In welchem Verhältnis diese beiden Perspektiven stehen und welche Auswirkungen ihr Zusammenspiel wiederum auf die Lebensführung der Christen hat, soll abschließend betrachtet werden.

2. Die Situation der Adressaten des Ersten Petrusbriefs Der Erste Petrusbrief ist offenkundig in eine Situation des Konflikts hinein geschrieben. Allein der sprachliche Befund, dass sich ein großer Teil der neutestamentlichen Belege für das Begriffsfeld πάσχειν und πάθημα im Ersten Petrusbrief findet, deutet darauf hin, dass Erfahrungen des Leidens die Grundsituation der adressierten christlichen Gemeinde(n) bildeten.2 Ob es sich bei dieser Leidenssituation um staatliche Verfolgung und lokale Repressalien oder eher um soziale Diskriminierung und Bedrohung durch Einzelne handelte, lässt sich nicht durch eindeutige Belege zweifelsfrei entscheiden.3 Williams warnt in diesem Kontext davor, eine sachlich unangemessene Dichotomie zwischen staatlicher Verfolgung und einzelnen Anfeindungen zu eröffnen, vielmehr sei von diversen Möglichkeiten auszugehen, die verbale Anschuldigungen bis hin zu gerichtlichen Prozessen beinhalten konnten.4 Entscheidend sei, notiert Feldmeier in diesem Zusammenhang, was der Erste Petrusbrief selbst hinsichtlich Vgl. 1Petr 1,6; 2,12.19–21; 3,9.13–18; 4,1.4.12–16.19; 5,9–10. Während etwa Vielhauer und Schnelle angesichts der starken Aussagen in 4,12.15– 16; 5,8–9 eher für staatliche Maßnahmen bis hin zu Verfolgungen als Hintergrund votieren, vgl. Philipp Vielhauer, Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter, Berlin 41985, 582.588; Udo Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 62007, 441–442, argumentieren etwa Goppelt und Broer/Weidemann etwas zurückhaltender hinsichtlich staatlicher Verfolgungen, vgl. Leonhard Goppelt, Der erste Petrusbrief, KEK 12/1, Göttingen 1978, 57–58; Leonhard Goppelt, Theologie des Neuen Testaments, hrsg. von Jürgen Roloff, Göttingen 31985, 492–493; Ingo Broer/Hans-Ulrich Weidemann, Einleitung in das Neue Testament, Würzburg 32010, 639–640. Vgl. zur Thematik auch Travis B. Williams, Persecution in 1 Peter. Differentiating and Contextualizing Early Christian Suffering, Supplements to Novum Testamentum 145, Leiden/Boston 2012, 239–297. 4 Vgl. Williams, Persecution, 299–326. 2 3

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des Leidens erkennen lasse. Der Fokus liege dabei nicht auf dem Verhältnis zum Staat, sondern eher auf der Bedrängnis durch das Umfeld, die sich von Skepsis bis hin zu einzelnen Übergriffen äußern konnte.5 Aus soziologischer Perspektive kann als einsichtige Ursache für dieses Phänomen angeführt werden, dass abweichendes Verhalten einer Gruppe in vielen Fällen soziale Reaktionen hervorruft. Da die gesamtgesellschaftlich dominanten Normen den gesellschaftlichen Status quo stabilisieren und geordnete Verhältnisse gewährleisten sollen,6 stellt wahrnehmbar unterschiedliches Verhalten die gesellschaftliche Ordnung implizit in Frage und wirkt deswegen bedrohlich. Bedeutsame Unterscheidungsmerkmale einer Minderheit können mithin dazu führen, dass die herrschende Mehrheit diese Unterschiede negativ bewertet und die Minderheitengruppe benachteiligt, ausgrenzt oder gar unterdrückt.7 Untersucht man die Situation der christlichen Gemeinden in Kleinasien am Ende des 1. Jahrhunderts, so wird deutlich, dass durchaus von solchen oder ähnlichen sozialpsychologischen Prozessen ausgegangen werden kann. Das Christentum erwies sich in der Tat als eine Religion, »die, wenn sie genau befolgt wurde, den ganzen Alltag, das religiöse und soziale Verhalten der Gläubigen prägte«8. Mithin wurden diese spezifischen Ausprägungen als Wille zur Abgrenzung interpretiert oder veranlassten das nichtchristliche Umfeld dazu, sich selbst abzugrenzen.9 Da viele Lebensvollzüge in der mediterranen Welt des 1. Jahrhunderts n. Chr. mit religiösen Kulten verbunden waren (wie etwa Geburt, Hochzeit, Tod, Festmähler, Vereinszusammenkünfte, Vertragsabschlüsse), die Christen sich diesen Kulten aber verweigerten, begegnete ihnen die sie umgebende nichtchristliche Gesellschaft mitunter mit Misstrauen und Vorurteilen.10 5 Vgl. Reinhard Feldmeier, Die Christen als Fremde. Die Metapher der Fremde in der antiken Welt, im Urchristentum und im 1. Petrusbrief, WUNT 64, Tübingen 1992, 108. Auch Walsh/Gottlieb gehen für die Zeit des 2. Jh. n. Chr. eher von privaten Klägern aus der nichtchristlichen Umwelt aus, die zu Christenprozessen führten, als von unmittelbar staatlichen Christenverfolgungen. Vgl. Joseph Walsh/Gunther Gottlieb, Zur Christenfrage im zweiten Jahrhundert, in: Gunther Gottlieb/Pedro Barceló (Hrsg.), Christen und Heiden in Staat und Gesellschaft des zweiten bis vierten Jahrhunderts. Gedanken und Thesen zu einem schwierigen Verhältnis, Schriften der Philosophischen Fakultäten der Universität Augsburg 44, München 1992, 3–86: 58. 6 Vgl. Rüdiger Peuckert, Abweichendes Verhalten und soziale Kontrolle, in: Hermann Korte/Bernhard Schäfers (Hrsg.), Einführung in Hauptbegriffe der Soziologie, Einführungskurs Soziologie 1, Wiesbaden 72008, 107–127: 109. 7 Vgl. Rainer Geißler/Sonja Weber-Menges, Art. Minderheiten/Randgruppen, in: Sina Farzin/Stefan Jordan (Hrsg.), Lexikon Soziologie und Sozialtheorie, Stuttgart 2008, 192–194: 192. 8 Walsh, Zur Christenfrage im zweiten Jahrhundert, 58. 9 Vgl. ebd. 10 Vgl. David L. Balch, Let Wives Be Submissive. The Domestic Code in 1 Peter, Monograph Series/Society of Biblical Literature 26, Chico, CA 1981, 74–82.118–119; Ernst Dassmann, Weltflucht oder Weltverantwortung. Zum Selbstverständnis frühchristlicher

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So konnten soziale Bindungen wie etwa an Familienmitglieder, Vertragspartner oder Vereinsmitglieder empfindlich gestört werden, wenn die Christen nach ihrer Konversion nicht mehr an den religiösen Handlungen teilnahmen oder gewissen Zusammenkünften aufgrund dieser Handlungen ganz fernblieben.11 Zudem gerieten die Christen zunehmend auch unter öffentlichen bzw. staatlichen Verdacht, weil der römische Staat selbst religiös gedeutet war. Beispielsweise verweigerten Christen die Kaiserkulte, die gesellschaftstragende Funktionen einnahmen, im Bestreben, Idolatrie zu vermeiden.12 Auf diese Weise konnte der Eindruck erweckt werden, die Christen verletzten die zentralen Grundlagen des Zusammenlebens und gefährdeten damit in ihren Häusern die Harmonie und – da die Häuser als Basis des Staates galten – schließlich die staatliche und gesellschaftliche Ordnung insgesamt. Immer wieder sahen sich Christen harten Vorwürfen ausgesetzt.13 So wirft etwa Tacitus den Christen Verbrechen, Unmoral und Menschenhass vor, und auch bei Plinius und Sueton ist Entsprechendes zu lesen.14 Darüber hinaus bezogen sich die Vorwürfe auch auf Aberglauben und Gemeinden und zu ihrer Stellung in der spätantiken Gesellschaft, in: Ingo Baldermann u. a. (Hrsg.), JBTh 7, Neukirchen-Vluyn 1992, 189–208: 196; Martin Ebner, Die Stadt als Lebensraum der ersten Christen, Das Urchristentum in seiner Umwelt I, Göttingen 2012, 24–25; Feldmeier, Die Christen als Fremde, 113–121; Dietrich-Alex Koch, Die Christen als neue Randgruppe in Makedonien und Achaia im 1. Jh. n. Chr., in: Hans-Peter Müller/Folker Siegert (Hrsg.), Antike Randgesellschaften und Randgruppen im östlichen Mittelmeerraum, Münsteraner judaistische Studien 5, Münster 2000, 158–188: 158; Dietrich-Alex Koch, Bilder aus der Welt des Urchristentums. Das Römische Reich und die hellenistische Kultur als Lebensraum des frühen Christentums in den ersten zwei Jahrhunderten. Mit 437 Abbildungen, Göttingen 2009, 181. 11 Vgl. Feldmeier, Die Christen als Fremde, 118–119; Williams, Persecution, 239– 245; Craig De Vos, Popular Graeco-Roman responses to Christianity, in: Philip F. Esler (Hrsg.), The Early Christian World, Bd. 2, London u. a. 2000, 869–889: 870–871; Walsh/ Gottlieb, Zur Christenfrage im zweiten Jahrhundert, 25; vgl. ferner Martin Ebner, Die Stadt als Lebensraum der ersten Christen, Göttingen 2012, 129–137. 12 Vgl. Williams, Persecution, 245–254; vgl. ferner Feldmeier, Die Christen als Fremde, 116; Reinhard Feldmeier, Gottes Volk an den Rändern der Gesellschaft, in: Friedrich Wilhelm Graf/Klaus Wiegandt (Hrsg.), Die Anfänge des Christentums, Frankfurt am Main 2009, 201–230: 205–210; Christine Mühlenkamp, »Nicht wie die Heiden«. Studien zur Grenze zwischen christlicher Gemeinde und paganer Gesellschaft in vorkonstantinischer Zeit, Jahrbuch für Antike und Christentum, Ergänzungsband, Kleine Reihe 3, Münster, Westfalen 2008, 3; De Vos: Popular Graeco-Roman responses to Christianity, 873. 13 Vgl. die Zusammenstellung der Quellen und Vorwürfe bei Stephen Benko, Pagan Criticism of Christianity During the First Two Centuries A.D., in: Wolfgang Haase (Hrsg.), Principat, ANRW 23/2, Berlin/New York 1980, 1055–1118; ferner Feldmeier, Die Christen als Fremde, 113–115; Marlis Gielen, Tradition und Theologie neutestamentlicher Haustafelethik. Ein Beitrag zur Frage einer christlichen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen, Bonner Biblische Beiträge 75, Frankfurt am Main 1990, 387–388; Walsh/Gottlieb, Zur Christenfrage im zweiten Jahrhundert, 23. 14 Vom Hass des Volkes gegenüber den Christen aufgrund von (scheinbar) begangenen Verbrechen schreibt Tacitus in seinen Annalen 15,44,2: »quos per flagitia invisos vul-

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die Verursachung von Unglück.15 Walsh und Gottlieb resümieren, die Christen seien in ihrer Umwelt durch auffälliges Benehmen und durch den Anspruch auf eine bessere Moral und die Absonderung oder zumindest die Unterscheidung von der Gesellschaft aufgefallen.16 Deswegen galten die Christen mitunter geradezu als »Spalter der Familien«17. Wenn der nordafrikanische Philosoph und Autor Apuleius Mitte des 2. Jh. n. Chr. von einer christlichen Frau schreibt, sie sei völlig verdorben, lasterhaft und betrügerisch,18 so mag dieses abwertende Urteil nicht erst plötzlich aufgekommen sein, sondern sich im Laufe der Zeit entwickelt haben, so dass als wahrscheinlich angenommen werden kann, dass auch um die Entstehungszeit des Ersten Petrusbriefs zumindest erste solcher Einschätzungen über die Christen im Umlauf waren.19 Auch der kleinasiatische Rhetor Aristides, der in der ersten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. wirkte, beklagt bei Kynikern und Christen, dass sie die Obrigkeiten nicht akzeptieren und sich verleumderisch verhalten würden. Sie seien zudem »unfähig, an den Aufgaben der Allgemeinheit mitzuwirken, aber die Hausgemeinschaft zu untergraben und in Unordnung zu bringen und ihre Mitglieder gegeneinander aufzuhetzen und zu behaupten, sie müssten alles anordnen, darin sind sie äußerst geschickt«20. Der Eindruck, die Hausgemeinschaft werde in ihrer Ordnung und Harmonie gestört, mag auch dadurch entstanden sein, dass Sklaven und Ehefrauen sich mitunter eigenständig zum Christentum bekehrten und damit nicht nur reli-

gus Chrestianos appellabat«. Auch dass den Christen selbst wiederum Menschenhass unterstellt wird, ist bei Tacitus zu lesen, Annalen 15,44,4: »haud proinde in crimine incendii quam odio humani generis convicti sunt«. Sueton bezeichnet in Caes Nero 16,2 die Christen als »genus hominum superstitionis novae ac maleficae«. Auch Plinius verbindet mit den Christen Verbrechen, so schreibt er von »flagitia cohaerentia nomini«. Freilich belegen vor allem Quellen aus späterer Zeit, etwa dem 2. Jh. n. Chr., welchen Vorwürfen die Christen ausgesetzt waren. So ist etwa bei Minucius Felix, Octavius 8,4– 9,6 von einigen dieser Beschuldigungen zu lesen. 15 So berichtet etwa Tertullian, der freilich erst etwas später auftrat, in seiner Schrift Apologeticum in 40,1–3, wie die Christen für jegliche Unglücke und Katastrophen verantwortlich gemacht werden: »quod existiment omnis publicae cladis, omnis popularis incommodi Christianos esse in causa[m]. si Tiberis ascendit in moenia, si Nilus non ascendit in arva, si caelum stetit, si terra movit, si fames, si lues, statim: ›Christianos ad leonem!‹«; vgl. ferner Fiedrowicz, Christen und Heiden. Quellentexte zu ihrer Auseinandersetzung in der Antike, 290; Williams, Persecution, 255–258. 16 Vgl. Walsh/Gottlieb, Zur Christenfrage im zweiten Jahrhundert, 29–30. 17 Walsh/Gottlieb, Zur Christenfrage im zweiten Jahrhundert, 41. Freilich spitzte sich diese Entwicklung des Misstrauens gegenüber den Christen vor allem im 2. und 3. Jh. n. Chr. noch zu, vgl. ebd; vgl. ferner De Vos, Popular Graeco-Roman Responses to Christianity, 879. 18 Vgl. Apuleius, Metamorphoses 9,14. 19 Ähnliche Argumentationen finden sich bei Feldmeier, Die Christen als Fremde, 115; Williams, Persecution, 207.217. 20 Aristides Rhetor, oratio 3.

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giöse Selbständigkeit demonstrierten, sondern möglicherweise auch von den Hauskulten Abstand zu nehmen versuchten.21 Mögen viele der extremen Vorwürfe gegenüber den Christen wie des Verbrechens oder der (sexuellen) Unmoral auch als unzutreffend gelten können, so weisen die Quellen doch darauf hin, dass die Christen offenkundig als eine Gruppe wahrgenommen wurden, die sich durch abweichende Verhaltensweisen in gewisser Hinsicht von der nichtchristlichen Mehrheitsgesellschaft absonderte.22 Zu fragen ist nun einerseits, welche Auswirkungen eine solche soziale Situation auf die Lebensführung der Christen hatte, und andererseits, welches Selbstverständnis die Christen dazu veranlasste, sich tatsächlich in gewisser Hinsicht von der nichtchristlichen Umgebung abzugrenzen. Dabei ist insbesondere zu fragen, welche theologischen Grundlagen diesem Selbstverständnis zugrunde liegen. Im Zusammenhang damit ist zu untersuchen, wie das Selbstverständnis der Christen in der Gesellschaft so bestimmt werden kann, dass deutlich wird, weswegen die Christen sich eben nicht völlig aus der Gesellschaft zurückzogen, sondern sich weiterhin in ihrem bisherigen Lebensumfeld aufhielten.

3. Das Selbstverständnis der Christen im Ersten Petrusbrief 3.1. Die Bindung an Gott als entscheidendes Fundament Als von Gott durch die Auferstehung Jesu Christi Wiedergeborene steht die Existenz der Christen unter dem Zeichen der Neuwerdung (1,3.23): Gott hat die Christen auserwählt (1,1; 2,9) und sie zu einem himmlischen Erbe berufen (1,4; 5,10), er hat sie erlöst (1,18) und sie zu seiner königlichen Priesterschaft, zu seinem Volk gemacht (2,9–10). Durch die Neuwerdung der Christen hat sich jedoch nicht nur ihre religiöse Orientierung fundamental verändert, sondern auch Fragen des gelebten Lebens sind durch diese Veränderung der Grundorientierung betroffen.23 Offenkundig erachtet der Verfasser des Ersten Petrusbriefs es als notwen21 So klagt etwa Kelsos, die Christen würden hauptsächlich Dumme, Sklaven, Frauen und Kinder überreden zu ihrem Glauben, vgl. Origenes, Contra Celsum 3,44. Vgl. ferner Williams, Persecution, 317–322; Ernst Dassmann/Georg Schöllgen, Art. »Haus II (Hausgemeinschaft)«, in: Theodor Klauser u. a. (Hrsg.), RAC XIII, Stuttgart 1986, 801– 905: 880–883; Feldmeier, Gottes Volk an den Rändern der Gesellschaft, 211; Susanne Heine, Frauen der frühen Christenheit. Zur historischen Kritik einer feministischen Theologie, Göttingen 1986, 104; Margaret Y. MacDonald, Early Christian Women and Pagan Opinion. The Power of the Hysterical Woman, Cambridge u. a. 1996, 122–123; Walsh/Gottlieb, Zur Christenfrage im zweiten Jahrhundert, 41–42. 22 Vgl. dazu etwa auch Williams, Persecution, 239. 23 Vgl. dazu auch Koch, Die Christen als neue Randgruppe in Makedonien und Achaia im 1. Jh. n. Chr., 158–159.

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dig, der veränderten Grundorientierung durch die Lebensführung Ausdruck zu verleihen. So fordert er die Adressaten seines Briefes auf, nicht mehr früheren Begierden nachzugeben, sondern heilig zu sein (1,13–16). Immer wieder betont der Verfasser, es sei notwendig, frühere Verhaltensweisen abzulegen (2,1.11–12; 4,3–4), um stattdessen das ganze Leben in Gottesfurcht zu führen (1,17; 2,17.18; 3,2.16), sich an der Heiligkeit Gottes selbst zu orientieren (1,14–15) und Christi Fußspuren zu folgen (2,21), sich als Gottes Volk auszuweisen (2,9–10), nach dem Willen Gottes zu leben (2,15; 4,2.19), der Gerechtigkeit zu leben (2,24; 3,14), einen guten Lebenswandel in Christus zu führen (3,16) und sich Gott gegenüber demütig zu zeigen (5,6). Es wird deutlich, dass der alles übergreifende Maßstab für die Existenz der Christen und für ihre Lebensführung die Bindung an Gott und damit verbunden die Orientierung am Vorbild Christi darstellt. Diese Bindung an Gott, die in der eschatologischen Begründung, von Gott auserwählt zu sein, wurzelt, stellt die Christen nunmehr jedoch vor die Frage, wie dieser Glaube im gelebten Leben konkretisiert werden kann. Es scheint dabei, dass der Verfasser des Ersten Petrusbriefs nicht nur die Abgrenzung von der Gottesfurcht widersprechenden Verhaltensweisen für nötig erachtet (2,1.11–12; 4,3–4), sondern auch, gerade den im nichtchristlichen Umfeld als gut anerkannten Normen zu entsprechen (2,12–17.18; 3,1–3), so weit sich dies als möglich und mit der Bindung an Gott vereinbar darstellt. Ist also einerseits in manchen Fällen die klare Abgrenzung angebracht, so kann es in anderen Fällen nötig sein, sich den Normen des Umfelds anzunähern. In dieser Spannung stehen die adressierten Christen und zu diesem Ringen um christusgemäße Lebensführung sind sie aufgefordert. 3.2. Die Christen als »Fremde« Der Verfasser des Ersten Petrusbriefs wählt für die Umschreibung dieser komplexen Reflexion der christlichen Existenz den Begriff der »Fremde« bzw. der »Fremden«. Dieses Motiv für das Dasein der Christen erweist sich als charakteristisch für die Argumentation im Ersten Petrusbrief. So werden sie zu Beginn des Briefes als Fremdlinge angesprochen (1,1), ihre Lebenszeit auf der Erde wird als Zeit in der Fremde bezeichnet (1,17) und sie werden als Fremdlinge und Gäste zu einem bestimmten Verhalten gemahnt (2,11). Betrachtet man die beiden Begriffe, die im Ersten Petrusbrief für Fremde gebraucht werden, näher, so ergeben sich folgende Beobachtungen. Im Profangriechischen bezeichnet πάροικος (1,17; 2,11) den Nichtbürger oder Fremden, der sich zwar ohne Bürgerrecht, aber auf Dauer in fremdem Gebiet niedergelassen hat;24 παρεπίδημος (1,1; 2,11) bezeichnet einen Gast, der sich nur kurze Zeit an Vgl. Art. πάροικος, in: Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur von Walter Bauer, hrsg. von Kurt Aland/Barbara Aland, Berlin/New York 61988, 1270; Rudolf Meyer/Karl Ludwig Schmidt/Martin Anton Schmidt, Art. πάροικος κτλ., in: ThWNT 5, Stuttgart 1954, 840–852: 840–841. 24

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einem fremden Ort aufhält.25 Die πάροικοι genossen rechtlichen Schutz, hatten aber auch Aufgaben und Pflichten – dies entspricht einer Lebensweise der aktiven Einbindung und Loyalität in einer fremden Gesellschaft.26 Die παρεπίδημοι waren nach antikem Verständnis gekennzeichnet durch Fremdheit der Geburt, Fremdheit der Sprache und Sitte und Fremdheit der Götter. Übertragen auf die Christen heißt das: Sie sind fremd aufgrund ihrer Wiedergeburt in der Taufe (1,3.23), sie sind fremd aufgrund ihres neuen Lebenswandels (1,13–15; 4,1–4) und sie sind fremd, weil sie keine anderen Götter mehr verehren, sondern allein ihrem Gott verpflichtet sind (4,3).27 Und doch leben sie inmitten der Gesellschaft und der sozialen Bindungen, deren Teil sie sind. Der Verfasser des Ersten Petrusbriefs ist sich bewusst, dass diese Spannung aus Loyalität und Abgrenzung Misstrauen bei der nichtchristlichen Gesellschaft hervorrufen kann, das heißt »that the nonconformity with a former way of life that the author encourages (1:14–16; 4:2–4) and the exclusive allegiance to God and Jesus Christ […] if practiced, would estrange believers socially and religiously from their nonbelieving neighbors«28. Dennoch geht der Verfasser des Ersten Petrusbriefs davon aus, dass die Christen weiterhin in die Gesellschaft eingebunden sind und ihr Loyalität schulden. Die Motivik der beiden Begriffsfelder des πάροικος und des παρεπίδημος im Ersten Petrusbrief bezieht sich darüber hinaus auch auf das Motiv der Diaspora, des Exil-Daseins, Israels zurück.29 In der LXX finden sich beide Begriffe im übertragenen Sinn der Fremdheit des Gottesvolks gegenüber den Völkern, die sich nicht nur in ethnischer, sondern vor allem auch in religiöser und ethischer Perspektive manifestiert. Diese Fremdheit ist zugleich mit der besonderen Gottesbeziehung im Sinn der herausgehobenen Zugehörigkeit zu Gott verbunden.30 25 Vgl. Art. παρεπίδημος, in: Griechisch–deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur von Walter Bauer, 1264; Walter Grundmann, Art. παρεπίδημος, in: ThWNT 2, Stuttgart 1967, 63–64; vgl. ferner Feldmeier, Die Christen als Fremde, 21; Gielen, Tradition und Theologie neutestamentlicher Haustafelethik, 377. 26 Vgl. Meyer/Schmidt/Schmidt, Art. πάροικος κτλ.: 840–841. 27 Vgl. Gielen, Tradition und Theologie neutestamentlicher Haustafelethik, 378–379; John Hall Elliott, 1 Peter. A New Translation with Introduction and Commentary, The Anchor Bible 37B, New York u. a. 2000, 457–462. 28 Elliott, 1 Peter, 461; vgl. ferner Christian Münch, Geschwister in der Fremde. Zur Ethik des Ersten Petrusbriefes, in: Thomas Söding (Hrsg.), Hoffnung in Bedrängnis. Zur Ethik des Ersten Petrusbriefes, Stuttgarter Bibelstudien 216, Stuttgart 2009, 130–164: 140. 29 Vgl. Goppelt, Der erste Petrusbrief, 81–82; Elliott, 1 Peter, 312–315; Grundmann, Art. παρεπίδημος; Miroslav Volf, Soft Difference. Theological Reflections on the Relation between Church and Culture in 1 Peter, in: Ex Auditu 10 (1994), 17; Feldmeier, Die Christen als Fremde, 8–20; 39–52; Reinhard Feldmeier, Der erste Brief des Petrus, ThHK 15/I, Leipzig 2005, 10. 30 Vgl. Feldmeier, Die Christen als Fremde, 96.100; Hans Bietenhard, Art. παρεπίδημος, in: Lothar Coenen/Klaus Haacker (Hrsg.), Theologisches Begriffslexikon zum Neuen

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Im Ersten Petrusbrief wurde dieses charakteristische Kennzeichen der Existenzweise des Gottesvolks auf die Christen übertragen.31 Auf diese Weise konnte es gelingen, die Erfahrung der Fremdheit der Christen (in der Gesellschaft) mithilfe des Rekurses auf die alttestamentliche Tradition mit den Fremdheitserfahrungen des Gottesvolks Israel in Beziehung zu setzen und damit auch eine theologische Deutung vorzunehmen. Deutlich greifen hier also das theologische und das soziale Verständnis ineinander und spiegeln gerade in dieser Zusammenfügung die spannungsvolle Situation wider, in der die Adressaten des Ersten Petrusbriefs stehen: Sie sind Zugehörige und doch Fremde der Gesellschaft.32 Das heißt, die christliche Existenz erscheint hier durch die »Aussonderung durch Gott« und die »Ausgrenzung durch die Gesellschaft«33 charakterisiert. Aufgrund des dezidiert theologisch geprägten Gedankengangs und der theologisch fundierten Begriffe im Ersten Petrusbrief scheint eine beinahe rein auf der sozialen Ebene angesiedelte Deutung, wie John Elliott sie vornimmt, dem theologischen Anliegen zu wenig Beachtung zuzumessen. Elliott argumentiert, der Begriff »Fremde« bezeichne vor allem einen bestimmten sozialen Stand der Christen, den sie als Menschen ohne volles Bürgerrecht in Kleinasien hatten, und zwar schon vor ihrer Konversion und nicht etwa erst als deren Folge.34 Als solche Randexistenzen hätten sie im neuen Haus Gottes dann eine neue Heimat und eine neue Identität gefunden.35 Feldmeier gibt dagegen zu bedenken, dass πάροικος weder in der paganen Literatur noch in der LXX eine bestimmte soziale Schicht, sondern eher allgemein Menschen ohne volle Bürgerrechte bezeichnet.36 Zudem wäre die bewusste Anrede der Christen im Ersten Petrusbrief als »Fremde« sehr merkwürdig, wenn »Fremde« als ein negativ konnotierter Begriff zu verstehen sei.37 Mit Volf und Williams ist mithin an der stark soziologisch orientierten Interpretation Elliotts zu kritisieren, dass der Aspekt, dass die Christen gerade durch ihre Konversion dem Umfeld fremder erschienen,

Testament. In Verbindung mit Jürgen Kabiersch u. a., Bd. I, Wuppertal, Neukirchen 1997, 519; Hans Bietenhard, Art. πάροικος, in: Lothar Coenen/Klaus Haacker (Hrsg.), Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament. In Verbindung mit Jürgen Kabiersch u. a., Bd. I, Wuppertal/Neukirchen 1997, 520–521. Darüber hinaus galt Abrahams Auswanderung – als Typos des πάροικος – als Zeichen des Glaubens und Gottesgehorsams. 31 Vgl. Gielen, Tradition und Theologie neutestamentlicher Haustafelethik, 378; Feldmeier, Die Christen als Fremde, 96–97. 32 Vgl. Gielen, Tradition und Theologie neutestamentlicher Haustafelethik, 379. 33 Vgl. Feldmeier, Der erste Brief des Petrus, 34. 34 Vgl. John Hall Elliott, A Home for the Homeless. A Sociological Exegesis of 1 Peter, Its Situation and Strategy, Philadelphia 1981. Elliott betont ausdrücklich, eine theologische Bedeutung in Verbindung mit der Fremdheit des Gottesvolks sei im Ersten Petrusbrief nicht gemeint, vgl. a. a. O., 232. 35 Vgl. Elliott, A Home for the Homeless, 220–232; 288. 36 Vgl. Feldmeier, Die Christen als Fremde, 14.21. 37 Vgl. Feldmeier, Die Christen als Fremde, 207.

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zu wenig Beachtung findet.38 Verweist Elliott auch auf den durchaus beachtenswerten sozialen Hintergrund der Situation im Ersten Petrusbrief, so scheint er doch die theologischen Aspekte, die im Ersten Petrusbrief auffällig betont und gerade mit dem Begriff der »Fremden« verbunden erscheinen, zu sehr außer Acht zu lassen.39 Die begriffliche Nähe sowie die semantischen Verbindungen zur LXX zum einen und die klaren theologisch begründeten Aussagen der Aussonderung und Abgrenzung zum anderen können hier nicht unbeachtet bleiben. Die Christen sind, so zeigt es der Verfasser des Ersten Petrusbriefs, gerade als auserwähltes Volk Gottes »Fremde«. Und als solchermaßen von der Gesellschaft Unterschiedene sind sie einerseits aufgefordert, in der Bindung an Gott und der Nachfolge Christi ihren übergreifenden Orientierungsmaßstab zu erkennen, und andererseits, sich so weit wie möglich den Strukturen und Normen des Umfelds anzunähern. Die Unterschiedenheit von der Gesellschaft stellt so verstanden nicht nur eine Folge des besonderen Gottesverhältnisses, sondern geradezu eine Aufgabe der Christen dar.40 Nicht der Rückzug aus der Welt resultiert aus dem Dasein als Fremde, sondern gerade das bewusste Leben in der Fremde.41 3.3. Lebensführung als Fremde – Lebensführung in der Fremde Der Verfasser des Ersten Petrusbriefs lässt das Anliegen erkennen, aus theologischen Erkenntnissen (wie zum Beispiel der Erwählung durch Gott) Orientierungsstrukturen für die soziale Praxis zu entwickeln – allerdings ohne diese Praxis der äußeren Form nach revolutionär verändern zu wollen. Daran, dass die gegenwärtige Lebenswelt der Christen ernst genommen und um christusgemäßes Verhalten innerhalb der gegebenen Strukturen und Möglichkeiten gerungen wird, zeigt sich, dass der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen im Oikos42 und in der Gesellschaft Beachtung zugemessen wurde. Die weltlichen Strukturen galten somit den Christen nicht oder zumindest nicht nur als zu überwindender Notstand, sondern vielmehr als Aufgabe und Raum der Bewährung. Angesichts des Vorwurfs der Illoyalität oder gar des Angriffs auf die gesellschaftlichen Ordnungen (vor allem, was soziale und kultische Konventionen anbelangt) betont der Verfasser des Ersten Petrusbriefs, wie oben beschrieben, die bestehenden Gemeinsamkeiten an Verhaltensnormen.43 Witherington wertet 38 Vgl. Volf, Soft Difference, 18; Williams, Persecution, 102.128. Elliott blendet diesen Aspekt zwar nicht völlig aus, versteht aber die Konversion zum christlichen Glauben und deren Folgen eher als zusätzliches Problem, das die ohnehin schon ausgegrenzten Christen noch mehr von der Gesellschaft entfremdet und isoliert. Vgl. Elliott, A Home for the Homeless, 224. 39 Ähnliches notiert etwa auch Feldmeier, Die Christen als Fremde, 209. 40 So auch Bietenhard, Art. παρεπίδημος; Feldmeier, Der erste Brief des Petrus, 99. 41 Vgl. Münch, Geschwister in der Fremde, 143. 42 Oikos soll hier und im Folgenden die antike Hausgemeinschaft bezeichnen. 43 Vgl. Ferdinand-Rupert Prostmeier, Handlungsmodelle im ersten Petrusbrief, Forschung zur Bibel 63, Würzburg 1990, 340. Balch macht darauf aufmerksam, dass auch

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diese Tendenz als Ausdruck christlicher Anpassung an die sozialen Strukturen mit dem Ziel, den christlichen Glauben weiterhin praktizieren und als gute Bürger des Staates gleichzeitig Zeugen für Christus sein zu können.44 Auch Balch deutet in diesem Sinn gerade die Mahnungen im Ersten Petrusbrief, die an die Haustafeln im Kolosserbrief und im Epheserbrief erinnern, als exemplarischen Versuch, die sozialpolitischen Spannungen zwischen der christlichen Gemeinde und der Gesellschaft zu beruhigen und die durch die Christen scheinbar in Frage gestellte Harmonie in den Häusern und in der Gesellschaft ausdrücklich zu betonen und zu unterstützen.45 Der hellenistisch-römischen Gesellschaft sollte signalisiert werden, dass die Verweigerung der Christen, gerade auch der christlichen Ehefrauen und Sklaven, gegenüber den religiösen Kulten und traditionellen Gebräuchen weder prinzipielle Isolation noch offenen Angriff bedeutete. Deswegen war es wichtig, diejenigen Normen in den Fokus zu rücken, die die Christen nach wie vor akzeptierten. Gerade die Unterordnung der Frauen beispielsweise war für dieses Anliegen, so Balch, ein geeigneter Topos, weil mangelnde Unterordnung von Ehefrauen eine mögliche Quelle für Anfeindungen und Verleumdungen gegen die Christen darstellte und im Gegensatz dazu die geforderte und praktizierte Unterordnung in der Hierarchie des Haushaltes als Ausweis für die Gesellschaftskonformität der Christen dienen konnte.46 Wie in 2,15 ausgedrückt, schreibt der Verfasser des Ersten Petrusbriefs einem solchen möglichst gesellschaftskonformen, vorbildlichen Leben das Potential zu, Verleumdungen und Spannungen zu beruhigen.47 Auch Popp argumentiert, das Verhalten der Christen musste verständlich und im allgemein anerkannten Sinn gut (καλός 2,12) erscheinen, um Anknüpfungspunkte für die nichtchristliche Umwelt aufrechtzuerhalten. Ein Handeln, so Popp, das sich der nichtchristlichen Umwelt plausibel darstelle, öffne Möglichkeiten für einen Dialog, gerade indem die Gemeinsamkeiten (der Christen und der Nichtchristen) deutlich betont würden.48 Eine konträre Meinung vertritt dagegen Elliott, der sich in seiner Untersuchung weniger auf 1Petr 2,11–3,12, als vielmehr auf den Abschnitt 1Petr 1,13– 2,10 konzentriert. Von diesen Versen ausgehend gelangt er zu dem Schluss, es handle sich bei der im Ersten Petrusbrief entfalteten Strategie nicht vorrangig um die Bemühung um größtmögliche Anpassung an die Gesellschaft, sondern der jüdischen Minderheit von römischer Seite Vorwürfe gemacht wurden, sie würden römische Gebräuche untergraben, zum Fehlverhalten anleiten und dadurch das gesellschaftliche System empfindlich stören, vgl. Balch, Let Wives Be Submissive. The Domestic Code in 1 Peter, 68–87. 44 Vgl. Ben Witherington, A Socio-Rhetorical Commentary on 1–2 Peter, Letters and Homilies for Hellenized Christians 2, Downers Grove, Ill. u. a. 2007, 160. 45 Vgl. Balch, Let Wives Be Submissive. The Domestic Code in 1 Peter, 81. 46 Vgl. a. a. O., 92–93. 47 Vgl. a. a. O., 87–88. 48 Vgl. Thomas Popp, Die Kunst der Konvivenz. Theologie der Anerkennung im 1. Petrusbrief, ABG 33, Leipzig 2010, 489.

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um bewusste Abgrenzung einer sich als eigene religiöse Gruppe wahrnehmenden Gemeinschaft.49 So beinhalte die Funktion der Haustafel beispielsweise vor allem die Stärkung des Zusammenhalts und der Identität der christlichen Gemeinde nach innen und die Aufrechterhaltung des sozialen Kontrasts nach außen.50 Witherington und Balch ist in ihren Einschätzungen insofern Recht zu geben, als die Erhaltung der gesellschaftlichen Akzeptanz ein wichtiges Moment darstellte, um auch weiterhin christliche Treffen abhalten und christliche Botschaft verkündigen zu können. Jedoch sollte diese Anpassung nicht als bemüht oder sozusagen sekundär verstanden werden. Es darf als wahrscheinlicher gelten, dass die Christen die schon bestehenden sozialen Strukturen beibehielten, in die sie ja bislang selbst eingebunden waren, als dass sie sich mühsam den herrschenden Ordnungen anpassten. Die Übereinstimmung christlicher Lebensorientierungen mit nichtchristlichen gesellschaftlichen Werten zeigt sich, wie es im Ersten Petrusbrief nahegelegt wird, in einigen Punkten tatsächlich gegeben. Dies verhält sich aber nicht so, weil diese Werte vorrangiger Maßstab des christlichen Handelns wären – denn dieser Maßstab ist und bleibt die christliche Identität.51 Wo diese auf dem Spiel steht, ist nicht den gesellschaftlich akzeptierten Verhaltensweisen nachzugeben, sondern mutig Zeugnis zu geben und das Misstrauen in Kauf zu nehmen, wie etwa in 1Petr 4,2–5 beschrieben wird. Insofern ist ausgehend von Elliotts These der bewussten Abgrenzung der Christen gegenüber der Gesellschaft der Punkt sehr ernst zu nehmen, dass die Christen sich, laut dem Verfasser des Ersten Petrusbriefs, durchaus von gewissen Verhaltensweisen fernhalten sollten. Allerdings bezieht Elliott die durchaus auch vorhandene Betonung der Gemeinsamkeiten oder der Anerkennung des guten Lebenswandels der Christen (1Petr 2,12) zu wenig in seine Interpretation ein. 3.4. Bewältigung der Fremdheit Holloway bringt die konträren Thesen Balchs und Elliotts (»the so-called BalchElliott debate«52) in Verbindung, indem er auf soziologische und psychologische Untersuchungen zurückgreift, die sich mit der Bewältigung von Vorurteilen und Ausgrenzung befassen. So zeigt er, dass oft verschiedene Strategien zugleich bzw. dynamisch angewandt werden, um Situationen der Ausgrenzung und der Konfrontation mit Vorurteilen zu bewältigen. Bezogen auf die Gemeinde, die der Verfasser des Ersten Petrusbriefs vor Augen hat, bedeutet das, dass die in 1Petr 1,13–2,10 beschriebene Strategie der bewussten Abgrenzung, verbunden Vgl. Elliott, A Home for the Homeless, 217–218; vgl. ferner die Darstellung bei Holloway, in: Paul A. Holloway, Coping with Prejudice. 1 Peter in Social-Psychological Perspective, WUNT 244, Tübingen 2009, 116–117. 50 Vgl. Elliott, A Home for the Homeless, 231. 51 Vgl. Johannes Woyke, Die neutestamentlichen Haustafeln. Ein kritischer und konstruktiver Forschungsüberblick, Stuttgarter Bibelstudien 184, Stuttgart 2000, 51; Elliott, 1 Peter, 584. 52 Holloway, Coping with Prejudice, 116. 49

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mit der Entwicklung einer eigenen Identität einerseits, und die in 1Petr 2,11– 3,12 beschriebene Strategie der größtmöglichen Annäherung andererseits, nur vereinbar sein können, wenn beide Strategien angesehen werden als »practical coping strategies that serve the same concrete objective and can be pursued in tandem by someone seeking to cope with the stress of prejudice«53. Mag diese von Holloway vorgeschlagene Verbindung der unvereinbar erscheinenden Modelle im Sinn des vielfältigen Ausdrucks verschiedener Bewältigungsstrategien auch nicht zu einer vollkommen befriedigenden Harmonisierung der Thesen Elliotts und Balchs oder zu der Formulierung eines einheitlichen Konzepts im Ersten Petrusbrief führen, so bietet sie dennoch eine weiterführende Perspektive. Denn es zeigt sich, dass als Ausgangspunkt für die ethischen Weisungen im Ersten Petrusbrief das Ringen der frühen Christen um Verhaltensweisen wahrgenommen werden muss, die völlig unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden sollen. Diese Ansprüche ergeben sich allerdings nicht allein im Zusammenhang des Umgangs mit Erfahrungen der sozialen Ausgrenzung und der Vorurteile, sondern resultieren gerade auch aus den theologischen Aspekten. Verstanden sich die Christen einerseits als Berufene, Wiedergeborene, Erlöste (1Petr 1,2–3.18; 2,9–10.21.24–25; 3,18; 5,10.12) und wollten sie dieser neuen Existenzgrundlage gelebten Ausdruck verleihen, so sahen sie sich andererseits in bereits vorhandene Strukturen hineingestellt, deren grobe Verletzungen nicht abzusehende Folgen für die einzelnen Christen und für die christliche Gemeinde bzw. die christliche Bewegung als Ganze haben würde. Es wird somit deutlich, dass theologische Aspekte und soziologische Elemente ineinander greifen und ein komplexes Ganzes bilden. Nicht die Umwälzung der gesellschaftlichen und häuslichen Strukturen stellte das Ziel christlichen Lebens und Handelns dar, sondern das christusgemäß gelebte Leben innerhalb der Situationen und Lebensbezüge, in denen sich die Christen vorfanden. Dieses christusgemäße Leben geht dabei nicht in der Bewältigung der schwierigen Situation der Christen in der Gesellschaft auf, sondern es birgt darüber hinaus auch Potential in sich. Dementsprechend ordnet der Verfasser des Ersten Petrusbriefs der christlichen Lebensführung auch eine bestimmte Intention zu.

4. Intention christlicher Lebensführung Ein bestimmendes Grundmotiv des Gedankengangs im Ersten Petrusbrief, das immer wieder im Zusammenhang mit der christlichen Lebensführung genannt wird, ist das Zeugnis-Geben für den Glauben bzw. für Gott. So wird das prinzipielle Ziel jeglichen Verhaltens der Christen in 1Petr 2,12 folgendermaßen benannt: ἵνα ἐν ᾧ καταλαλοῦσιν ὑμῶν ὡς κακοποιῶν ἐκ τῶν καλῶν ἔργων ἐποπτεύοντες δοξάσωσιν τὸν θεὸν ἐν ἡμέρᾳ ἐπισκοπῆς. Der Sinn des rechtschaf53

Holloway, Coping with Prejudice, 117 (Hervorh. im Orig.). 234.

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fenen und guten Wandels der Christen besteht also darin, gerade durch den als gut anerkannten Lebenswandel auf die Bindung an Gott zu verweisen. Das heißt, dem Handeln der Christen eignet, nach der Darstellung des Verfassers des Ersten Petrusbriefs, eine dezidiert missionarische Dimension.54 Dies wird zum Beispiel auch in der Forderung an die Ehefrauen in den haustafelähnlichen Mahnungen sehr deutlich, wenn es in 1Petr 3,1–2 heißt: Ὁμοίως αἱ

γυναῖκες, ὑποτασσόμεναι τοῖς ἰδίοις ἀνδράσιν, ἵνα καὶ εἴ τινες ἀπειθοῦσιν τῷ λόγῳ, διὰ τῆς τῶν γυναικῶν ἀναστροφῆς ἄνευ λόγου κερδηθήσονται, ἐποπτεύσαντες τὴν ἐν φόβῳ ἁγνὴν ἀναστροφὴν ὑμῶν. Das finale ἵνα leitet die eigentliche Intenti-

on ein: Die ungläubigen Ehemänner, die sich dem Evangeliums-Wort bisher verschlossen haben, sollen durch das Verhalten ihrer Frauen für den Glauben gewonnen werden.55 Auffällig ist daran, dass den Frauen als den sozial Untergeordneten überhaupt zugetraut und zugemutet wird, auf ihre Männer großen Einfluss auszuüben und sie für den christlichen Glauben gewinnen zu können. Eine weitere Intention kann sozusagen als apologetische bzw. beschwichtigende Dimension bezeichnet werden. Auch diese kommt gerade in der Mahnung an die Frauen klar zum Ausdruck. Die zugrundeliegende Schwierigkeit eines potentiellen Konfliktes zwischen einer christlichen Ehefrau und einem nichtchristlichen Ehemann bestand darin, dass nach Meinung antiker Ethiker (wie etwa Xenophon, Plutarch, Cicero) die Ehefrau ihrem Mann in religiösen Fragen und Vollzügen prinzipiell folgen sollte, die christlichen Ehefrauen aber gerade zur Abgrenzung von der religiösen Praxis ihrer nichtchristlichen Ehemänner aufgerufen waren.56 Diese religiöse Verweigerung konnte leicht als Auflehnung gegen die häusliche Ordnung insgesamt aufgefasst werden.57 Die Mahnung zur Unterordnung der Ehefrauen gibt insofern ein apologetisches, beschwichtigendes Moment zu erkennen, als die Ehefrauen zur bewussten Beibehaltung der hierarchischen Ordnung im Oikos angehalten werden. Die Ehefrauen sollen auf diese Weise zeigen, dass ihre religiöse Selbständigkeit nicht Ausdruck einer prinzipiellen Rebellion gegen die bestehenden Hierarchien ist, sondern dass vielmehr »der vorbildliche Lebenswandel […] Folge ihrer Bindung an Gott ist«58. Vgl. etwa auch Feldmeier, Der erste Brief des Petrus, 104; Jens Herzer, Petrus oder Paulus? Studien über das Verhältnis des Ersten Petrusbriefes zur paulinischen Tradition, WUNT 103, Tübingen 1998, 235. 55 Feldmeier macht darauf aufmerksam, dass κερδαίνω der Missionsterminologie zugehören dürfte und verweist in diesem Zusammenhang auf 1Kor 9,19–22, vgl. Feldmeier, Der erste Brief des Petrus, 119, Anm. 407. Ähnliches notiert auch Elliott, vgl. Elliott, 1 Peter, 558. 56 Vgl. Goppelt, Der erste Petrusbrief, 214–215. Vgl. Plutarch, Con. Praec. 19; vgl. Xenophon, Oec. 7.8; Cicero, Leg. 2.8.19–22. 57 Vgl. etwa Carolyn Osiek, Das Neue Testament und die Familie, in: Concilium 31 (1995) 4, 287–293: 287.291; Balch, Let Wives Be Submissive. The Domestic Code in 1 Peter, 89–93; David L. Balch, Neopythagorean Moralists and the New Testament Household Codes, in: Wolfgang Haase (Hrsg.), Principat, ANRW 26/1, Berlin 1992, 380–411: 395. 58 Gielen, Tradition und Theologie neutestamentlicher Haustafelethik, 519 (Hervorh. im Orig.). 54

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In einer Situation, die womöglich Konflikte verursacht, werden die christlichen Ehefrauen also zum (Lebens-)Zeugnis aufgerufen.59 Indem die Frauen durch ihre praktizierte Unterordnung ihre grundsätzliche Loyalität gegenüber ihren Ehemännern (und damit die grundsätzliche Akzeptanz der gesellschaftlichen Ordnung) unter Beweis stellen, können sie auf diese Weise dem Vorwurf der Untergrabung gesellschaftlicher Ordnungen entgegenwirken.60 Wie ungewöhnlich dieses intentionale Konzept des Handelns im zeitgenössischen Kontext erscheinen mag, zeigt sich, wenn man diese Unterordnungsforderung mit den Unterordnungsforderungen in paganer Literatur vergleicht. Die Aufforderung zur Unterordnung an die Ehefrauen kann zunächst als für die damalige Gesellschaft gewöhnliche Haltung angenommen werden. Etwa Aristoteles, Xenophon, Columella, ebenso wie Philo vertreten dieses Modell.61 Es fällt jedoch auf, dass dieser gewöhnlichen Unterordnung im Ersten Petrusbrief ein ungewöhnliches Ziel zugeordnet wird. Mit dem finalen ἵνα angeschlossen werden die Motivation und zugleich die Absicht angegeben, durch die praktizierte Unterordnung der Frauen die Ehemänner für den christlichen Glauben zu gewinnen. Dieses auf die Frauen angewandte Modell entspricht der grundlegenden Idee des Ersten Petrusbriefs, das Leben so zu führen, dass das Verhalten der Christen von der sie umgebenden Gesellschaft als gut und vorbildlich anerkannt wird, um gleichzeitig gerade in diesem allgemein vorbildlichen Lebenswandel auf den christlichen Glauben hinzuweisen und diesen ansichtig und plausibel zu machen. Grundsätzlich wird auch in der Paränese an die Frauen das leitende Konzept des Ersten Petrusbriefs durchgehalten: Die Christen bzw. hier die christlichen Ehefrauen werden zur größtmöglichen Loyalität innerhalb der weltlichen Hierarchien aufgerufen, die aber in als unchristlich qualifizierten Verhaltensweisen und in der Verehrung heidnischer Götter ihre Grenze hat. Diese Einfügung in die gesellschaftliche Ordnung kann nach Ansicht des Verfassers des

Vgl. etwa auch Andreas Köstenberger, Marriage and Family in the New Testament, in: Ken M. Campbell (Hrsg.), Marriage and Family in the Biblical World, Downers Grove 2003, 240–284: 253–255. Vgl. ferner Gielen, Tradition und Theologie neutestamentlicher Haustafelethik, 519; Christoph W. Stenschke, Married Women and the Spread of Early Christianity, in: Neotestamentica 43 (2009)1, 145–194: 179. 60 Vgl. etwa MacDonald, Early Christian Women and Pagan Opinion, 199–200. Eine vergleichbare apologetische Argumentation wird auch bei Josephus sichtbar, vgl. Flavius Josephus, Contra Apionem II, 201. Vgl. ferner die Darstellung über apologetische Absichten dieser Schrift bei Christine Gerber, Antijudaismus und Apologetik. Eine Lektüre des Titusbriefes vor dem Hintergrund der Apologie Contra Apionem des Flavius Josephus, in: Christfried Böttrich/Jens Herzer (Hrsg.), Josephus und das Neue Testament. Eine Lektüre des Titusbriefes vor dem Hintergrund der Apologie Contra Apionem des Flavius Josephus, WUNT 209, Tübingen 2007, 335–363: 339–343. 61 Vgl. Aristoteles, Pol I, 1253b und 1259a, b; Xenophon, Oiconomica 18; Columella, De re rustica 12; Philo, Hypothetica 7,3. 59

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Ersten Petrusbriefs gerade durch die Bindung an Gott ermöglicht werden und soll gleichzeitig auf diese verweisen. Auch an weiteren Stellen im Ersten Petrusbrief zeigt sich diese weitere Intention der christlichen Lebensführung. So kommt das apologetische Moment etwa auch in 2,15 und 3,13–17 zum Ausdruck. Aufgabe und Potential der Lebensführung der Christen scheinen also darin zu liegen, eine Antwort auf die Verleumdungen der Außenwelt zu geben.62 Im Begriff ἀναστροφὴ καλή (2,12) kommt diese doppelte Intention der Lebensführung der Christen nochmals pointiert zum Ausdruck: Sie soll einerseits im gesellschaftlich konventionellen Sinn verlaufen – aber gleichzeitig als »Erkennungszeichen für die dem Handeln zugrundeliegende Lebensorientierung«63 dienen. Der Lebenswandel der Christen enthält hier also ambivalente Ziele und bildet damit genau die Spannung ab, in der die Christen sich sehen, bzw. in der der Verfasser des Ersten Petrusbriefs die Christen sieht: Die Christen sollen keinen Anstoß erregen und dennoch den Glauben ansichtig und plausibel machen. Die apologetische Intention der christlichen Lebensführung, die die größtmögliche Annäherung an das nichtchristliche Umfeld beinhaltet, gründet sich damit nicht nur auf der externen Motivation, der sozial schwierigen Situation beizukommen. Vielmehr resultiert diese Intention auch aus der theologischen, das heißt der internen Motivation, die Möglichkeit zum Dialog und zur Verkündigung der christlichen Botschaft offenzuhalten. Gerade im Handeln, das auch in den Augen des nichtchristlichen Umfelds als gut respektiert wird, soll die Bindung der Christen an Gott sichtbar werden. Keine zeitenthobenen ethischen Weisungen stellen die Orientierungsgrößen der Christen dar, sondern das Ringen um das christusgemäße Leben gerade in den alten Strukturen. Es gilt, den Drahtseilakt64 zu wagen zwischen der Verpflichtung gegenüber Gott, die den letztgültigen Maßstab des Handelns darstellt und in einigen Punkten klare Abgrenzung gebietet, und der Annäherung an gewohnte Strukturen der Gesellschaft, wo dies nötig ist – und mit der Bindung an Gott nicht im Widerspruch steht –, um den Dialog und Anknüpfungspunkte aufrechtzuerhalten und so die Heiden zum Lob Gottes zu führen (2,12) und um die Verleumdungen zum Verstummen zu bringen (vgl. 2,15). Trotz aller Bemühungen im Ersten Petrusbrief, die Gemeinsamkeiten mit der hellenistischen Umwelt hervorzuheben und durch den allgemein vorbildlichen Lebenswandel einen Freiraum zu schaffen, wird jedoch auch deutlich, dass der Autor des Ersten Petrusbriefs nicht intendiert, die christliche Botschaft so weit zu verbiegen, bis sie eben mit den gesellschaftlichen Normen übereinstimmt. Die Gemeinsamkeiten mit der Umwelt sind nicht als bemühte Anpassung an ein prinzipiell nicht passendes Konzept zu verstehen. Vielmehr geht der Autor des Ersten Petrusbriefs davon aus, dass die Christen gerade aus 62 63 64

Vgl. etwa auch Feldmeier, Der erste Brief des Petrus, 102. Prostmeier, Handlungsmodelle im ersten Petrusbrief, 435. Vgl. Witherington, A Socio-Rhetorical Commentary on 1–2 Peter, 127.

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ihrem Gottesverhältnis heraus ein in den Augen der Gesellschaft vorbildliches Leben führen können. Gleichzeitig bieten die Weisungen im Ersten Petrusbrief der christlichen Gemeinde und den Christen selbst auch die Möglichkeit, eine Identität zu entwickeln. Woyke ist Recht zu geben, wenn er darauf hinweist, dass das apologetische Element eher die Konsequenz als den Impetus der Aussagen im Ersten Petrusbrief darstelle.65 Die Intention des Verfassers des Ersten Petrusbriefs, so Woyke weiter, sei nicht oder zumindest nicht vorrangig die »Akkommodation an eine feindselige Umwelt, um größeres Leiden zu vermeiden, sondern primär […] die Stärkung der Identität des einzelnen Christen/der einzelnen Christen nach innen und […] die Bewahrung der Integrität der Gemeinde nach außen«66. Damit wird auch deutlich, warum eher von einem dynamischen Prozess der Annäherung an das nichtchristliche Umfeld gesprochen werden sollte als von einer bemühten Assimilation, das heißt, dass eher von einer bewussten Beibehaltung oder einer Wiederaufnahme bisheriger Strukturen und Normen ausgegangen werden kann. Eine bewusste Preisgabe spezifisch christlicher Strukturen und Normen zugunsten einer radikalen Anpassung, Assimilation oder Akkommodation an eine geradezu fremde Kultur ist hingegen nicht anzunehmen, da die Christen ja vor ihrer Bekehrung Teil der Gesellschaft waren. Insofern ist Volf Recht zu geben, wenn er notiert, die Christen seien nicht von außerhalb in ihre soziale Welt gekommen, um sich an die neue Umgebung anzupassen wie Immigranten der zweiten Generation, oder um die Umgebung gemäß der ihnen eigenen Vorstellungen umzuformen wie Siedler, oder um eine kleine Binnenwelt zu gründen wie Migranten mit Aufenthaltsgenehmigung. Die Christen seien keine Außenseiter gewesen, die Insider werden wollten, sondern sie seien bereits Insider gewesen, die von ihrer Kultur aufgrund ihrer religiösen bzw. theologischen Neugeburt abgewichen seien. Der christliche Unterschied bestehe also nicht in einer Einfügung von etwas Neuem in etwas Altes von außen her, sondern im Hervorbrechen von etwas Neuem innerhalb des Raums des Alten.67 Gerade weil die Veränderung im doppelten Sinn von innen her geschieht, nämlich durch die innere Veränderung der Christen aufgrund ihrer Konversion und durch die Tatsache, dass sie ja Teil der Gesellschaft waren, kann nicht von einer mühsamen Assimilation an die Normen des Umfelds unter Preisgabe etwaiger eigener Normen und Strukturen ausgegangen werden.68 Somit sind die in der Forschungsliteratur oft verwendeten Begriffe wie Anpassung, Angleichung oder Integration abzuwehren oder zumindest differenziert zu betrachten.69 Denn im soziologischen Sinn meint Anpassung einen VeränderungsproVgl. Woyke, Die neutestamentlichen Haustafeln, 51. Woyke, Die neutestamentlichen Haustafeln, 50–51. Ähnlich argumentiert etwa J. de Waal Dryden, Theology and Ethics in 1 Peter. Paraenetic Strategies for Christian Character Formation, WUNT II 209, Tübingen 2006, 137–138. 67 Vgl. Volf, Soft Difference, 18–19. 68 Vgl. die ähnliche Argumentation bei Feldmeier, Die Christen als Fremde, 192. 69 Vgl. »Anpassung und Abgrenzung« bei Koch, Die Christen als neue Randgruppe in 65 66

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zess von Gewohnheiten und Orientierungen, um sich sozial zu integrieren, und Integration die bewusste Angleichung an (fremde) Wertstrukturen.70 Von einer Veränderung hin zu einer fremden Kultur kann in der Situation der Gemeinde(n) des Ersten Petrusbriefs jedoch nicht ausgegangen werden. Vielmehr bleiben die Christen dem Bestehenden so nahe wie möglich und behalten so viele Normen und Strukturen wie möglich bei, um Loyalität zu demonstrieren und wenig Anstoß zu erregen. Gleichzeitig fordert die übergreifende Bindung an Gott aber auch deutliche Abgrenzung, wo es nötig ist. In solchen Situationen sollen die Christen furchtlos handeln (vgl. 3,14). Die Intention, die einem solchen Ringen um christusgemäßes Leben zugrunde liegt, steht, wie hier deutlich wurde, nicht allein mit der Bewältigung der sozial schwierigen Situation der Christen in Zusammenhang, sondern stellt sich zugleich zum einen als missionarische und zum anderen als apologetische Intention dar. Motivation und Ziel christlicher Lebensführung fallen gewissermaßen in eins: Die Nichtgläubigen sollen zum Lob Gottes geführt werden: »Geliebte, ich ermahne euch als Fremdlinge und Gäste, dass ihr euch von den fleischlichen Begierden, die gegen die Seele streiten, fernhaltet, führt euren Wandel unter den Völkern gut, damit sie, worin sie euch als Übeltäter verleumden, aus den guten Werken, die sie beobachten, Gott verherrlichen am Tage der Heimsuchung!« (1Petr 2,11–12)71.

Makedonien und Achaia im 1. Jh. n. Chr., 159 bzw. »Integration und Abgrenzung« bei Dietrich-Alex Koch, Christsein in Philippi und Korinth: Integration und Abgrenzung frühchristlicher Gemeinden in den römischen Provinzen Makedonien und Achaia, in: Neotestamentica 43 (2009) 2, 334–353: 334–335; »Integration und Distanz« bei Horacio E. Lona, Zur Struktur von Diog 5–6, in: Vigiliae christianae 54 (2000) 1, 32–43: 32–33; »acculturate« bei Balch, Let Wives Be Submissive. The Domestic Code in 1 Peter, 119. 70 Vgl. Karl-Heinz Hillmann, Wörterbuch der Soziologie. Mit 19 Grafiken und einer Zeittafel, Stuttgart 52007, 30.383. 71 Vgl. Lauri Thurén, Argument and Theology in 1 Peter. The Origins of Christian Paraenesis, Journal For the Study of the New Testament, Sheffield 1995, 134; Gielen, Tradition und Theologie neutestamentlicher Haustafelethik, 366. Dieses Motiv erinnert deutlich an die Konstellation, die rund um die Bergpredigt entworfen wird, vgl. Mt 5,16: So soll euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen. – In beiden Zusammenhängen wird dem Handeln der Christen also große Wirkung auf die Gesellschaft zugeschrieben.

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Inklusion und Exklusion als Strukturmerkmale christlicher Identität in der Theologie des Paulus Friederike Portenhauser

1. Identität. Eine hermeneutische Vorbemerkung Identität hat Konjunktur. Dieses Wort ist seit den 1970er Jahren in unserer Gesellschaft mehr und mehr zu einem Modewort avanciert. Aus unserer Alltagssprache ist dieses Wort kaum mehr wegzudenken. Aber auch im wissenschaftlichen Kontext hat die Rede von Identität schon lange Einzug in die Diskurse vieler Disziplinen gehalten. Der ursprünglich aus der philosophischen Logik stammende Begriff ist vor allem in der psychologischen und soziologischen Theoriebildung weiterentwickelt worden. Indem ich den Begriff der Identität als Beschreibungskategorie für die paulinische Theologie verwende, möchte ich ausdrücklich auch eine hermeneutische Frage stellen: Unter welchen Voraussetzungen haben sozialwissenschaftliche Theorieelemente erschließende Kraft für die Theologie? Inwiefern können sie einen Beitrag zum tieferen Verständnis neutestamentlicher Texte leisten?1 Dabei ist die Frage nach Identität keine rein moderne, die nur von außen an die neutestamentlichen Texte herangetragen würde. Zwar begegnet weder in den Paulusbriefen noch in den anderen Schriften des Neuen Testaments das Wort »Identität«. Die mit diesem Stichwort verbundene Thematik jedoch spielt im Neuen Testament sehr wohl eine Rolle: Die Autoren der neutestamentlichen Schriften waren in den ersten Jahrzehnten der Entstehung des Christentums herausgefordert, erst einmal zu bestimmen, worin Christsein besteht, worauf es sich gründet und wie es sich konkret in der Lebensgestaltung äußert. Besonders deutlich lässt sich das bei den Paulusbriefen erkennen. In diesen Gelegenheitsschreiben reagiert Paulus auf jeweils individuelle Situationen, Anfragen oder Problemlagen junger christlicher Gemeinden, die er zumeist selbst gegründet hat. Und gerade im Eingehen auf diese konkreten Verhältnisse entwickelt Paulus seine Theologie, die dann auch über ihre situativen Kontexte hinaus, aber nicht von ihnen ablösbar, die Frage nach dem Inhalt christlicher Identität beantwortet. Christliche 1 Mein Anliegen ist nicht eine sozialgeschichtliche Untersuchung neutestamentlicher Texte; vielmehr möchte ich mithilfe soziologischer Theorieelemente exemplarisch beschreiben, auf welche Weise und mit welchem Inhalt Paulus christliche Identität theologisch konstruiert.

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Identität ist also ein zentrales Thema für Paulus, das wesentlich zum Abfassen seiner Briefe und zur Entwicklung seiner Theologie beigetragen hat. Was aber meint »Identität« eigentlich? Bei genauerer Betrachtung philosophischer, psychologischer und soziologischer Identitätstheorien lassen sich bestimmte Strukturen des Begriffs aufzeigen, die hilfreiche Beschreibungskategorien auch für die Exegese der Paulusbriefe darstellen können. Exemplarisch möchte ich dies anhand der Strukturelemente Inklusion und Exklusion aufzeigen.

2. Identität und Differenz als Strukturelemente von »Identität« 2.1. Identität und Differenz in der Alltagssprache und im philosophisch-logischen Identitätsbegriff Bereits der stereotype Gebrauch2 des Wortes »Identität« in der Alltagssprache weist auf die Struktur von Identität und Differenz hin. Eine der beiden Bedeutungen, welche mit »Identität« im stereotypen Gebrauch verbunden wird, ist die vollständige bzw. größtmögliche Übereinstimmung oder Gleichheit zwischen zwei Größen. In diesem Sinne wird das Wort z. B. in juristischen Zusammenhängen verwendet, wenn in einem Strafverfahren die Identität eines Tatverdächtigen mit dem Täter festgestellt wird. Die andere Bedeutung des Stereotyps Identität bezeichnet die Eigentümlichkeit des Wesens, die einen Menschen kennzeichnet und als Individuum von anderen Menschen unterscheidet. Dies lässt sich auch auf Gruppen übertragen; dann geht es um Wesensmerkmale, Selbst- oder Fremdzuschreibungen, die eine Gruppe von einer oder mehreren anderen unterscheidet. Mit Paul Ricœur gesprochen sind also die Selbigkeit (idem) und die Selbstheit (ipse) die beiden Bedeutungskomponenten des Identitätsbegriffs.3 Identität als Selbigkeit verweist auf den Ursprung des Identitätsbegriffs in der philosophischen Logik. Dort bezeichnet die numerische Identität »eine ausgezeichnete zweistellige Relation, nämlich diejenige, in der jeder Gegenstand allein zu sich selbst steht«4 (a ist dasselbe wie a; a ≡ a). Qualitative Identität hingegen gibt »die Beziehung zwischen verschiedenen Gegenständen gleicher Art«5 an (a ist das Gleiche wie b; a = b). Bei Identität (lat. identitas, gebildet von 2 Der Begriff des Stereotyps wird hier im Anschluss an Hilary Putnam verwendet (vgl. Hilary Putnam, Die Bedeutung von »Bedeutung«, hrsg. und übersetzt von Wolfgang Spohn, Frankfurt a. M. 1979, bes. 67–72). 3 Vgl. Paul Ricœur, Das Selbst als ein Anderer, aus dem Französischen von Jean Greisch in Zusammenarbeit mit Thomas Bedorf und Birgit Schaaff, Übergänge. Texte und Studien zu Handlung, Sprache und Lebenswelt 26, München 1996, 144–147. 4 Kuno Lorenz, Art. Identität II, in: HWP Bd. 4, 1976, 144–148: 144. 5 Anton Hügli/Poul Lübcke, Art. Identität, in: Dies. (Hrsg.), Philosophielexikon. Per-

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lat. idem = derselbe/dasselbe) geht es also um den Selbstbezug einer Entität sowie um ihr Verhältnis zu anderen Entitäten; Identität steht daher immer auch im Zusammenhang mit einem Wechselspiel aus Integration und Abgrenzung. 2.2. Inklusion und Exklusion in der Systemtheorie Niklas Luhmanns »Am Anfang steht [...] nicht Identität, sondern Differenz«.6 So lautet eines der leitenden Paradigmen der Systemtheorie des Soziologen Niklas Luhmann (1927–1998). Deren Ziel ist es, die moderne Gesellschaft mithilfe eines Instrumentariums zu beschreiben, das ihrer hohen Komplexität gerecht wird.7 Luhmann zufolge ist die moderne Gesellschaft ausdifferenziert in verschiedene soziale Systeme wie Recht, Wirtschaft, Kunst, Religion, Erziehung, Massenmedien und Wissenschaft.8 Dabei wird von Luhmann »[j]eder soziale Kontakt [...] als System begriffen bis hin zur Gesellschaft als Gesamtheit der Berücksichtigung aller möglichen Kontakte«.9 Diese Systeme sind von Luhmann sogenannte »autopoietische« bzw. »selbstreferentielle Systeme«, die die »Fähigkeit [haben], Beziehungen zu sich selbst herzustellen und diese Beziehungen zu differenzieren gegen Beziehungen zu ihrer Umwelt«.10 Grundlegend für Luhmanns Theorie ist also die Differenz von System und Umwelt.11 Systeme haben nach Luhmann die soziale Funktion, sich von ihrer Umwelt abzugrenzen und zugleich ihre eigenen Grenzen zu stabilisieren. Damit werden sie von anderen Systemen, das heißt von ihrer Umwelt, unterscheidbar. So wird die Umwelt zur Voraussetzung für die Identität des Systems.12 Erst in der Differenz zur Umwelt ist die Einheit des Systems erkennbar; umgekehrt formiert sich die Einheit der Umwelt durch ihre sonen und Begriffe der abendländischen Philosophie von der Antike bis zur Gegenwart, rowohlts enzyklopädie 453, Neuausgabe Reinbek bei Hamburg 1997, 307–308: 307. 6 Niklas Luhmann, Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, stw 666, Frankfurt a. M. 71999, 112. – Zum Bezug des Identitätsproblems auf die funktional differenzierte Gesellschaft als selbstreferentielles System vgl. auch Ders., Identitätsgebrauch in selbstsubstitutiven Ordnungen, besonders Gesellschaften, in: Odo Marquard/Karlheinz Stierle (Hrsg.), Identität, Poetik und Hermeneutik 8, München 1979, 315–345. 7 Vgl. Axel Bohmeyer, Inklusion und Exklusion in systemtheoretischer Perspektive. Ausleuchtung eines soziologischen Theoriedesign im Kontext des Erziehungssystems, in: JCSW 50 (2009), 63–89: 64. 8 Zur funktionalen Differenzierung der modernen Gesellschaft vgl. Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft 2, Frankfurt a. M. 1997, 743–776; Bohmeyer, Inklusion und Exklusion, 65–66. Vgl. bereits Luhmanns Grundlagenwerk zur Systemtheorie: Luhmann, Soziale Systeme. 9 A. a. O., 33. 10 A. a. O., 31. Zum Begriff der Autopoiesis als Selbstreproduktion der Systeme vgl. a. a. O., 43–44.60ff. u. ö. 11 Vgl. a. a. O., 35–37. Später kann Luhmann auch sagen: »Ein System ›ist‹ die Differenz zwischen System und Umwelt.« (Niklas Luhmann, Einführung in die Systemtheorie, hrsg. von Dirk Baecker, Heidelberg 42008, 66.) 12 Vgl. Johann Dieckmann, Luhmann-Lehrbuch, UTB 2486, München 2004, 235.

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Differenz zum System. So ist auch in Luhmanns Systemtheorie die Unterscheidung von Identität und Differenz eine Grundstruktur. Für unsere Überlegungen ist das von Luhmann geprägte Begriffspaar Inklusion/Exklusion von Bedeutung, lässt sich doch anhand der Entwicklung dieses Begriffspaars die Struktur von Identität und Abgrenzung deutlich zeigen. Diese Struktur von Inklusion und Exklusion hat sich nämlich innerhalb der Systemtheorie im Laufe ihrer geschichtlichen Entwicklung gegen Luhmanns anfängliche Intention durchgesetzt.13 In seinen frühen Arbeiten spricht Luhmann ab Mitte der 1970er Jahre von Inklusion, ohne dass er bereits den Gegenbegriff der Exklusion verwenden würde.14 Luhmann bearbeitet mithilfe dieses Terminus der Inklusion »die Fragestellung der Einbeziehung von Personen in gesellschaftliche Kommunikation«15. In der modernen Gesellschaft, die nicht mehr in erster Linie durch gesellschaftliche Schichten gegliedert, sondern durch funktionale Ausdifferenzierung gekennzeichnet ist, erhöhen sich die Möglichkeiten der Kommunikation innerhalb der Teilsysteme wie Politik, Recht und Wissenschaft. Damit hat eine deutlich größere Anzahl an Menschen die Chance, an gesellschaftlichen Prozessen zu partizipieren: »Inklusion bedeutet, daß alle Funktionskontexte für alle Teilnehmer des gesellschaftlichen Lebens zugänglich gemacht werden«16. Die Partizipation der Individuen geschieht nicht mehr über die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Schicht; vielmehr ist sie weniger festgelegt und auch wechselnd in allen gesellschaftlichen Teilsystemen möglich. Inklusion ist für den frühen Luhmann ein teleologischer Begriff: Die moderne Gesellschaft ist auf die immer weiter fortschreitende Inklusion ihrer Mitglieder ausgerichtet; Inklusion versteht Luhmann in der funktional ausdifferenzierten Gesellschaft als Postulat und zunehmend auch als Realität.17 Einen Gegenbegriff zur InklusiZur theoriegeschichtlichen Entwicklung des Begriffspaars Inklusion/Exklusion innerhalb der Luhmannschen Systemtheorie vgl. Sina Farzin, Inklusion/Exklusion. Entwicklungen und Probleme einer systemtheoretischen Unterscheidung, Bielefeld 2006; Bohmeyer, Inklusion und Exklusion, 68–74; Markus Göbel/Johannes F.K. Schmidt, Inklusion/Exklusion. Karriere, Probleme und Differenzierungen eines systemtheoretischen Begriffspaars, in: Soziale Systeme 4 (1998), 87–118, bes. 92–102. 14 Zu Luhmanns früher Verwendung des Inklusionsbegriffs vgl. Niklas Luhmann, Evolution und Geschichte, in: Ders., Soziologische Aufklärung 2. Aufsätze zur Theorie der Gesellschaft, Opladen (11975) 21982, 150–169; vgl. auch Farzin, Inklusion/Exklusion, 39–49. Den Terminus »Inklusion« übernimmt Luhmann von Talcott Parsons (s. dazu Anm. 16 sowie Sina Farzin, Art. Inklusion/Exklusion, in: Dies./Stefan Jordan [Hrsg.], Lexikon Soziologie und Sozialtheorie. Hundert Grundbegriffe, Stuttgart 2008, 121–123: 121–122), der ihn ebenfalls differenzlos gebraucht. 15 Farzin, Inklusion/Exklusion, 39. 16 Luhmann, Evolution und Geschichte, 160. Luhmann referiert hier – zustimmend – Talcott Parsons’ Inklusionsverständnis. 17 Nach Luhmann gilt in der modernen, durch funktionale Differenzierung gekennzeichneten Gesellschaft »als Postulat und in zunehmendem Maße auch in der Realität das Prinzip der Inklusion aller in alle Funktionssysteme: Jede Person muß danach 13

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on führt Luhmann nicht ein; was ein solcher bezeichnen könnte, scheint für die Zukunft der Gesellschaft eine immer geringere Rolle zu spielen. Erst ab Mitte der 1990er Jahre arbeitet Luhmann den Begriff der Exklusion theoretisch aus.18 Damit reagiert er auf ein Defizit seiner Systemtheorie, das anhand der gesellschaftlichen Wirklichkeit offensichtlich geworden war: Exklusion, also der Ausschluss »von Personen aus der funktionssystemischen Kommunikation«19, ist ein gesellschaftliches Faktum, das sich gegenüber dem Postulat einer zunehmenden Inklusion aller Individuen in alle gesellschaftlichen Teilsysteme als widerständig erweist. Zwar entwickelt die moderne, funktional ausdifferenzierte Gesellschaft dagegen »Mechanismen, Einbeziehung auch in kritischen Fällen zu sichern«20, und wandelt so faktische Exklusionen in Inklusionen um. Doch auch dadurch kann Exklusion nicht vollständig ausgeschlossen werden. Die Theorie der Beschreibung gesellschaftlicher Einheit ohne ein Außen erweist sich als brüchig. Luhmann beginnt zu fragen: »Wie kann es Inklusion geben, wenn es keine Exklusion gibt?«21 Und er antwortet unter dem Eindruck der Lebenswirklichkeit auf diese Frage: »Zur Überraschung aller Wohlgesinnten muß man feststellen, daß es doch Exklusionen gibt, und zwar massenhaft und in einer Art von Elend, das sich der Beschreibung entzieht. Jeder, der einen Besuch in den Favelas südamerikanischer Großstädte wagt und lebend wieder herauskommt, kann davon berichten«22. Auch begriffstheoretisch überdenkt Luhmann seinen Ansatz und kommt zu dem Schluss, ein Begriff sei »[t]heorietechnisch« nur dann verwendbar, »wenn er sichtbar macht, was er ausschließt«23. Im Falle der Inklusion »fehlt ein Begriff, [sic!] für das, was fehlt, wenn Inklusion nicht zustandekommt«24. Von Inklusion könne also nur gesprochen werden, wenn es auch Exklusion gebe: »›Inklusion‹ bezeichnet dann die innere Seite der Form, deren äußere Seite ›Exklusion‹ ist«25. Zugang zu allen Funktionskreisen erhalten können je nach Bedarf, nach Situationslagen, nach funktionsrelevanten Fähigkeiten oder sonstigen Relevanzgesichtspunkten.« (Niklas Luhmann, Gesellschaftliche Struktur und semantische Tradition, in: Ders., Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft 1, Frankfurt a. M. 1980, 9–71: 31.) Zur Inklusion als teleologischem Prinzip in Luhmanns frühen Schriften vgl. Bohmeyer, Inklusion und Exklusion, 69; Farzin, Inklusion/Exklusion, 48–49. 18 Vgl. Niklas Luhmann, Inklusion und Exklusion, in: Ders., Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, (11995) Wiesbaden 22005, 226–251. 19 Farzin, Inklusion/Exklusion, 49. 20 A. a. O., 51. 21 Niklas Luhmann, Jenseits von Barbarei, in: Ders., Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft 4, Frankfurt a. M. 1995, 138–150: 147. 22 Ebd. 23 Luhmann, Inklusion und Exklusion, 227. 24 Ebd. 25 A. a. O., 229.

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Dieser Blick in die Entwicklung der Systemtheorie hat gezeigt: In einem Theoriegebäude, in dem Exklusion als Gegenbegriff zu Inklusion zunächst nicht vorgesehen war, zwingt die Empirie zur Korrektur der Theorie. Integration lässt sich nicht ohne Ab- und Ausgrenzung vollziehen. Exklusion ist die selbstverständliche Kehrseite von Inklusion. In der gesellschaftlichen Diskussion wird mit Exklusion meist ein nach Möglichkeit zu vermeidendes, negativ bewertetes Phänomen, nämlich das des Ausschlusses einzelner Gruppen oder Individuen aus der Gesellschaft, bezeichnet.26 Mit der Einsicht in die Notwendigkeit von Exklusion für Inklusionsvorgänge kann dem Begriff der Exklusion diese negative Konnotation genommen werden. Er wird dann nicht mehr normativ, sondern rein deskriptiv gebraucht.27 Die beiden Pole Identität und Differenz, Integration und Abgrenzung, Inklusion und Exklusion haben sich als grundlegende Strukturmerkmale des Identitätsbegriffs sowohl in der philosophischen als auch in der soziologischen Theoriebildung erwiesen. Diese Strukturelemente lassen sich auch in der paulinischen Theologie erkennen.28 Denn für Paulus ist es eine wichtige Frage, inwiefern Christsein sich durch Identifikation mit oder Unterscheidung von der Umwelt auszeichnet.29 Vgl. Bohmeyer, Inklusion und Exklusion, 64. Farzin, Art. Inklusion/Exklusion, 122 weist auf »die konstitutive Verknüpfung beider Begriffe [der Inklusion und Exklusion]« in der – es wäre zu ergänzen: späteren – Systemtheorie hin. »Im Zentrum des Interesses stehen […] Abgrenzungsmechanismen, die jeder Konstruktion […] sozialer […] Identität zugrunde liegen und implizite oder explizite E[xklusion] hervorbringen.« (A. a. O., 122–123.) 28 Die Anwendung von Elementen der Luhmannschen Systemtheorie auf die paulinische Theologie erfolgt hier innerhalb enger Grenzen: Weder Luhmanns Beschreibung der modernen Gesellschaft noch seine Charakterisierung der Religion in ihrer Funktion für diese Gesellschaft werden übernommen. Diesbezüglich sind deutliche Unterschiede zu antiken Gesellschaften wahrzunehmen, die mithilfe sozialgeschichtlicher Untersuchungen zu konkretisieren wären. Ich wende nicht inhaltliche Implikationen der Systemtheorie, sondern lediglich die Struktur von Inklusion und Exklusion auf die paulinische Theologie an. Eine ausführlichere Untersuchung von 1Kor 1–4 vor dem Hintergrund von Luhmanns Systemtheorie, freilich eng in kontextuelle afrikanische Theologie eingebunden, bietet Chukwudi Anya, Inclusion and Exclusion. Biblical-Exegetical Approach to 1Cor 1–4 in the Light of System Theory of Niklas Luhmann, Düren 2011. 29 Vgl. zur Thematik von Inklusion und Exklusion im frühen Christentum auch den Beitrag von Dorothee Dettinger, Leben in Annäherung und Abgrenzung. Zur Intention christlicher Lebensführung im Ersten Petrusbrief, in diesem Band S. 135–155. Dettinger arbeitet für 1Petr ebenfalls die Spannung zwischen der mit Abgrenzung verbundenen Entwicklung einer eigenen Identität einerseits und einer größtmöglichen Annäherung andererseits heraus. Mit ihrer Rede von »Annäherung« möchte Dettinger den Terminus »Integration« vermeiden, da dieser eine bewusste Angleichung an fremde Wertestrukturen impliziere; eine solche sei aber für die in 1Petr angesprochenen Christen nicht anzunehmen (vgl. a. a. O., 151–152). Die Unterscheidung von Inklusion und Exklusion ist hier weiterführend. Zur Bedeutung von Abgrenzungsvorgängen für die christliche 26 27

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3. Integration und Abgrenzung in der Theologie des Paulus am Beispiel von 1Kor 1,18–31 3.1. Zur Frage nach der christlichen Identität im 1. Korintherbrief Die bereits angesprochene Kontextualität der paulinischen Briefe ist am deutlichsten erkennbar in der Korrespondenz des Paulus mit der Gemeinde in Korinth. Geht es im 2. Korintherbrief vor allem um das Verhältnis zwischen Paulus und der Gemeinde, so im 1. Korintherbrief hauptsächlich um konkrete Fragen, Probleme und Auseinandersetzungen innerhalb der Gemeinde – und zwar indem Paulus Fragen der Gemeinde beantwortet und auf in der Gemeinde bestehende Schwierigkeiten, von denen er Kenntnis erhalten hat, reagiert.30 Mit der Situation der Gemeinde ist auch die Paulus konkret gestellte Herausforderung, die neue christliche Identität dieser Gemeinde zu beschreiben, im 1. Korintherbrief am deutlichsten sichtbar. Deshalb möchte ich meine Fragestellung exemplarisch anhand dieses Briefes untersuchen. Die gemeindeinternen Auseinandersetzungen im 1. Korintherbrief betreffen zum einen das Verständnis der Auferstehung der Toten (1Kor 15) und zum anderen eine Reihe von wichtigen ethischen Fragen wie die Sexualethik (c. 5–7), das Essen von Götzenopferfleisch (c. 8,1–11,1), das Verhalten im Gottesdienst und beim Herrenmahl (c. 11) sowie im Zusammenhang mit dem Gottesdienst auch die Bedeutung der Geistesgaben (c. 12–14). Damit sind drei Bereiche markiert, auf die sich die ethischen Fragen beziehen, nämlich der private (c. 5–7), der öffentliche (c. 8,1–11,1) und der innergemeindliche Bereich (c. 11–14).31 Der Raum der Gemeinde kann dabei als derjenige gelten, in dem sich alle ethischen Fragen bewähren müssen, hat doch das Verhalten im privaten und im öffentlichen Bereich auch Auswirkungen auf die Gemeinde. So fordert Paulus in 1Kor 5,5.11–13 den Ausschluss von Unzüchtigen aus der Gemeinde; und in der Frage der Götzenopfermahlzeiten macht er die Rücksicht auf den anderen (ὁ ἕτερος, 10,24.29), konkreter noch auf den Schwachen (ὁ ἀσθενῶν, 8,11) unter den Geschwistern (οἱ ἀδελφοί, 8,11–13) zum Maßstab des christlichen Handelns. Die drei Bereiche des privaten, des öffentlichen und Identitätsbildung vgl. in Bezug auf das 2. und 3. Jahrhundert auch Karen Piepenbrink, Die Konzeptualisierung des Verhältnisses von Mann und Frau in christlichen Familien des 2. und 3. Jahrhunderts. Zur Relation von christlichem Diskurs und sozialer Wirklichkeit, in diesem Band S. 195–211, bes. 207–208. 30 Dass Paulus auf konkrete schriftliche Anfragen aus der korinthischen Gemeinde antwortet, ist etwa in 1Kor 7,1 erkennbar; aus 1Kor 1,11 geht hervor, dass Paulus »durch die Leute der Chloë« von in der Gemeinde herrschenden Streitigkeiten (ἔριδες) erfahren hat; vgl. zum Eingehen auf die spezifische Gemeindesituation auch 5,1; 11,18; 15,12, ferner 8,1; 12,1; 16,1. 31 Vgl. Karl-Wilhelm Niebuhr, Die Paulusbriefsammlung, in: Ders. (Hrsg.), Grundinformation Neues Testament. Eine bibelkundlich-theologische Einführung, in Zusammenarbeit mit Michael Bachmann u. a., UTB 2108, Göttingen 42011, 196–293: 221.

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des innergemeindlichen Lebens sind als einzelne zwar unterscheidbar, lassen sich jedoch nicht voneinander trennen; vielmehr gibt es Wechselwirkungen zwischen ihnen. Das Christusgeschehen als einende Perspektive umgreift das ganze Leben der Glaubenden. Indem Paulus das Gemeindeleben als Integral der verschiedenen Lebensbereiche versteht, grenzt er die Glaubenden aber gleichzeitig von ihrer nicht an Gott als den Vater Jesu Christi glaubenden Umwelt ab. Diese notwendig mit einer Identifizierung einhergehende Struktur der Abgrenzung kommt sprachlich etwa in 1Kor 5,12–13 zum Ausdruck, wo Paulus zwischen außen und innen, zwischen οἱ ἔξω und οἱ ἔσω unterscheidet.32 Die Behandlung der ethischen Fragen steht im 1. Korintherbrief unter der leitenden Perspektive von Einheit und Verschiedenheit bzw. Einheit und Vielheit in der Gemeinde. Diese Perspektive thematisiert Paulus bereits im ersten Kapitel des Briefes zum ersten Mal. In 1Kor 1,10–17 kritisiert der Apostel die in der Gemeinde aufgetretenen σχίσματα (V. 10) und mahnt zur Einheit. In c. 12 entfaltet er die Thematik im Hinblick auf den einen Geist und die verschiedenen Gaben (V. 1–11) und mithilfe der Metapher von dem einen Leib und den vielen Gliedern (V. 12–31). Einheit und Vielheit innerhalb der Gemeinde gründen im Christusgeschehen. Das wird schon daran deutlich, dass Kreuz und Auferstehung den 1. Korintherbrief inhaltlich rahmen: So handelt Paulus am Anfang des Briefes in 1Kor 1,18–2,5 vom λόγος τοῦ σταυροῦ und am Ende in 1Kor 15 von der Auferstehung Christi in ihrer grundlegenden Bedeutung für die Auferstehung der Toten.33 Dabei hat die Rede vom λόγος τοῦ σταυροῦ Neben 1Kor 5,12–13 spricht Paulus auch in 1Thess 4,12 von οἱ ἔξω. An beiden Stellen gilt sein eigentliches Interesse jedoch nicht den Menschen außerhalb der Gemeinde, sondern den Glaubenden. Die Rede von οἱ ἔξω ergibt sich gerade aus der Struktur von Identität und Differenz. – Es handelt sich freilich um eine nicht nur bei Paulus zu findende, sondern im Urchristentum gebräuchliche Redeweise, die im Neuen Testament noch in Mk 4,11 und Kol 4,5 begegnet (vgl. dazu Walter Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, hrsg. von Kurt Aland/Barbara Aland, Berlin/New York 61988, 565 s.v. ἔξω 1aβ; Christian Wolff, Der erste Brief des Paulus an die Korinther, ThHK 7, Leipzig 3 2011, 110). 33 Vgl. Niebuhr, Paulusbriefsammlung, 221. Zum sachlichen Zusammenhang der Rede vom λόγος τοῦ σταυροῦ und von der Auferstehung vgl. auch Hans Weder, Das Kreuz Jesu bei Paulus. Ein Versuch, über den Geschichtsbezug des christlichen Glaubens nachzudenken, FRLANT 125, Göttingen 1981, 139–141; Florian Voss, Das Wort vom Kreuz und die menschliche Vernunft. Eine Untersuchung zur Soteriologie des 1. Korintherbriefes, FRLANT 199, Göttingen 2002, 63; Margaret M. Mitchell, Rhetorical Shorthand in Pauline Argumentation. The Functions of ›the Gospel‹ in the Corinthian Correspondence, in: L. Ann Jervis/Peter Richardson (Hrsg.), Gospel in Paul. Studies on Corinthians, Galatians and Romans, FS Richard N. Longenecker, JSNT.S 108, Sheffield 1994, 63–88: 70–71 fasst die Rede vom λόγος τοῦ σταυροῦ in 1Kor 1,18 als Synekdoche auf und sieht darin zugleich die Auferstehung mitgemeint (vgl. auch Hans Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther, KEK 5, Göttingen 2(.12)1981, 59, der die Wendung als »erschöpfende Inhaltsangabe des Evangeliums« bezeichnet; dagegen Dieter Zeller, Der erste Brief an die Korinther, KEK 5, Göttingen 2010, 111.113). Für dieses Kreuz und 32

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in 1,18 im Kontext des Briefes die Funktion, die zuvor in 1,10–17 erwähnten miteinander konkurrierenden Gruppen in der korinthischen Gemeinde auf das zu verweisen, was sie eint, nämlich den gekreuzigten Christus als Grund ihrer christlichen Existenz.34 Paulus spricht die Glaubenden also an dieser zentralen Stelle des 1. Korintherbriefes auf ihre gemeinsame Identität in Christus an, um den Spaltungen innerhalb der Gemeinde entgegenzuwirken.35 Die Integration der verschiedenen Gemeindegruppen zu einer Einheit in Christus erfolgt dabei über die Abgrenzung nach außen. 3.2. Identität und Abgrenzung in 1Kor 1,18–31 Den Gedankengang in 1Kor 1,18–3136 beginnt Paulus damit, dass er in V. 18–21 den λόγος τοῦ σταυροῦ (V. 18) der σοφία τοῦ κόσμου (V. 20) gegenüberstellt. Bildet V. 18 die Überschrift über diesen Abschnitt, so wird in V. 19–20 beschrieben, dass die Weisheit der Welt angesichts des Wortes vom Kreuz keinen Bestand hat. V. 21 schildert die Unmöglichkeit der Gotteserkenntnis von Auferstehung umgreifende Verständnis des λόγος τοῦ σταυροῦ spricht auch der unmittelbare Kontext von V. 18 mit der Erwähnung des εὐαγγελίζεσθαι in V. 17. 34 Die inhaltliche Verbindung zwischen der Kritik an den σχίσματα in der Gemeinde (1,10–17) und dem Abschnitt über den λόγος τοῦ σταυροῦ (1,18ff.) stellt Paulus durch den Verweis auf seine Evangeliumsverkündigung und deren Inhalt, den σταυρὸς τοῦ Χριστοῦ, in 1,17 her. Der Bezug auf die Verkündigung ist auch mit der Erwähnung des κήρυγμα in V. 21 sowie durch κηρύσσω in V. 23 gegeben. Inhalt dieser Verkündigung ist das Kreuz, das heißt der gekreuzigte Christus: Dass ὁ σταυρός in V. 18 als Metonymie für den Gekreuzigten steht (vgl. dazu auch Voss, Das Wort vom Kreuz, 62), ergibt sich aus der Parallele zum Χριστὸς ἐσταυρωμένος in v. 23 (vgl. auch 1,13 und 2,2). 35 Zur Inklusivität in 1Kor 1,18–31 vgl. auch Christian Strecker, Die liminale Theologie des Paulus. Zugänge zur paulinischen Theologie aus kulturanthropologischer Perspektive, FRLANT 185, Göttingen 1999, 271–273. 36 Sachlich reicht der in 1Kor 1,18 beginnende Abschnitt bis 2,5. Die Verse 2,1–5 beziehen den λόγος τοῦ σταυροῦ nochmals konkret auf die Predigt des Paulus vom Gekreuzigten. Das Kreuz wird in der Rede vom Χριστὸς ἐσταυρωμένος (1Kor 2,2) wieder aufgenommen, das Motiv der Verkündigung durch ὁ λόγος μου καὶ τὸ κήρυγμά μου (V. 4). Ebenso spielen die σοφία (V. 1.4.5) und die Oppositionen von ἀσθένεια (V. 3) und δύναμις (V. 4.5) sowie von Gott und Menschen (V. 5) eine Rolle. Es wird jedoch anhand struktureller und inhaltlicher Parallelen der besonders enge Zusammenhang von 1,18–25 und 1,26–31 aufgezeigt werden, der eine Konzentration auf diese Verse rechtfertigt. Zur Zusammengehörigkeit von 1,18–31 aufgrund von Beobachtungen zur semantischen und pragmatischen Kohärenz vgl. auch Hermann von Lips, Weisheitliche Traditionen im Neuen Testament, WMANT 64, Neukirchen-Vluyn 1990, 324–327, ohne dass dessen Schlussfolgerung, 1,18–31 gehöre zur argumentatio, 2,1–5 zur narratio des Briefes (vgl. a. a. O., 326), damit übernommen werden müsste; anders exemplarisch für die Mehrzahl der Exegeten Voss, Das Wort vom Kreuz, 51–52 mit Anm. 2, der 1,26–31 und 2,1–5 als gleichberechtigte Veranschaulichungen von 1,18–25 ansieht; Petrus J. Gräbe, The Power of God in Paul’s Letters, WUNT II/123, Tübingen 2000, 45–50; Andreas Lindemann, Der Erste Korintherbrief, HNT 9/I, Tübingen 2000, 49.

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Seiten der Welt einerseits und Gottes rettendes Handeln an den Glaubenden andererseits.37 V. 22–24 stellen den Glauben an Christus als einen die jüdische wie die griechisch-heidnische Existenz überbietenden Weg dar. V. 25 knüpft noch einmal an die in V. 18–21 eingeführte Gegenüberstellung von Gott und Welt an und beschreibt das Wirken Gottes als Überbietung aller menschlichen Möglichkeiten. Der zweite Teil des Abschnitts (V. 26–31)38 wird eröffnet durch eine zweifache Abfolge von jeweils drei parallel strukturierten Teilsätzen (V. 26.27–28): Gott beruft und erwählt gerade das, was nach weltlichen Maßstäben töricht (V. 26.27a), schwach (V. 26.27b) und gering (V. 26.28) ist.39 Was in den Augen der Welt erstrebenswert ist, hat demgegenüber vor Gott keinen Bestand (vgl. V. 19–20). V. 30 beschreibt die Konsequenz des Handelns Gottes für die Glaubenden, nämlich ihre Existenz ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ. V. 29 und 31 stellen parallel zueinander als Ziel des in V. 26–28 und V. 30 geschilderten rettenden und richtenden Handelns Gottes dar, dass jeglicher menschliche Selbstruhm vor Gott ausgeschlossen ist (V. 29) und Rühmen allein in Berufung auf Gott, also in der Form des Gotteslobes, geschehen soll (V. 31). Damit sind V. 18–25 und V. 26–31 parallel aufgebaut: V. 18–21.25 und 26–28 stellen jeweils Gott und Welt einander gegenüber, woraufhin in V. 22–24 und 30 aus dieser Struktur der Abgrenzung Aussagen über die Identität der Glaubenden gewonnen werden.

Abb. 1: Gliederung 1Kor 1,18–31: V. 18–25 // V. 26–31 a

V. 18–21 Das Wort vom Kreuz und die Weisheit der Welt

b

V. 22–24 Der Glaube an Christus überbietet die jüdische wie die griechische Existenz

a

V. 25 Das Wirken Gottes als Überbietung aller menschlichen Möglichkeiten



V. 26–28 Gott beruft und erwählt das Törichte, Schwache und Geringe

c

V. 29 Ausschluss des menschlichen Selbstruhms



V. 30 Die Existenz ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ als Konsequenz des Handelns Gottes für die Glaubenden

c

V. 31 Das Rühmen ἐν κυρίῳ als Ziel des Handelns Gottes

Διὰ τῆς σοφίας in v. 21 bezieht sich auf die menschliche Weisheit, die nicht zur Gotteserkenntnis führen kann (vgl. zur Diskussion Wolff, ThHK 7, 38 mit Anm. 80). 38 Gegenüber 1Kor 1,18–25 markieren das begründende und veranschaulichende βλέπετε γάρ sowie die Anrede ἀδελφοί in V. 26 einen Neueinsatz. Helmut Merklein, Der erste Brief an die Korinther, Bd. 1: Kapitel 1–4, ÖTBK 7/1, Gütersloh/Würzburg 1992, 197 spricht zutreffend davon, dass es sich bei 1,26–31 um eine »Exemplifizierung von 1,18–25« handle. 39 V. 26–28 sind auch sprachlich elaboriert: In V. 26 werden in einem Dreischritt die Bereiche von Weisheit, Stärke bzw. Macht sowie Vornehmheit genannt; in V. 27–28 werden sie in dieser Reihenfolge entfaltet anhand der Oppositionen Erwählung der Torheit der Welt – Vernichtung der Weisheit der Welt, Erwählung der Schwachheit der Welt – Vernichtung der Stärke der Welt, Erwählung der Niedrigkeit der Welt – Vernichtung der Vornehmheit der Welt. 37

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3.2.1. Abgrenzung a) Die Gegenüberstellung von Gott und Welt in 1Kor 1,18–21.25 // 26–28 Paulus beginnt den neuen Abschnitt in 1Kor 1,18 mit einer Gegenüberstellung von ἀπολλύμενοι und σῳζόμενοι. Das Wort vom Kreuz, das heißt die Evangeliumspredigt des Paulus, erweist sich als die κρίσις, anhand derer die Menschen in Verlorene und Gerettete geschieden werden. Durch den Gebrauch der Verben ἀπόλλυμαι und σῴζομαι eröffnet Paulus die Perspektive des eschatologischen Gerichts.40 Das, was die innerlich gespaltene Gemeinde zu einen vermag, nämlich der Bezug auf den gekreuzigten Christus, trennt sie gerade vom κόσμος (V. 20). Auf der einen Seite stehen in V. 18 also die Verlorenen, die dem Bereich des κόσμος zugeordnet sind (V. 20–21); auf der anderen Seite stehen die Geretteten, die zu Gott gehören (V. 18.21). Dieser Dualismus durchzieht den gesamten Textabschnitt 1Kor 1,18–31: hier die Welt, benannt durch die Wörter ὁ κόσμος (V. 20–21.27–28), ὁ αἰὼν οὗτος (V. 20),41 οἱ ἄνθρωποι (V. 25) sowie πᾶσα σάρξ (V. 29; vgl. V. 26: κατὰ σάρκα);42 dort Gott, wobei θεός insgesamt 14mal innerhalb von 1Kor 1,18–31 steht, dazu in V. 31 im Schriftzitat43 κύριος, und auf die Seite Gottes zudem Christus gehört, der in V. 23 als Χριστὸς ἐσταυρωμένος (vgl. V. 18: ὁ λόγος ὁ τοῦ σταυροῦ) und in V. 30 als Χριστὸς Ἰησοῦς genannt wird. Die Bezeichnungen οἱ ἀπολλύμενοι und οἱ σῳζόμενοι (V. 18) werden außerdem durch verschiedene Verben wieder aufgenommen: das Verlorensein durch ἀπόλλυμι Vgl. Lindemann, HNT 9/I, 44; Voss, Das Wort vom Kreuz, 64; Wolff, ThHK 7, 35; Zeller, KEK 5, 106. Vgl. dazu bei Paulus auch 2Kor 2,15; 4,3. Gerichtshandeln drückt auch καταισχύνω in 1Kor 1,27 aus (vgl. Wolff, a. a. O., 44; Rudolf Bultmann, Art. αἰσχύνω κτλ., in: ThWNT Bd. I, 1933, 188–190: 188–189). 41 Paulus gebraucht αἰών in V. 20 gleichbedeutend mit κόσμος (vgl. die parallelen Wendungen σοφία τοῦ κόσμου, σοφία τοῦ αἰῶνος τούτου sowie σοφία τοῦ κόσμου τούτου in 1Kor 1,20; 2,6; 3,19. Auch aus der Struktur von 1Kor 1,20 lässt sich diese Parallelität erschließen. Die apokalyptische Wendung ὁ αἰὼν οὗτος (bei Paulus neben 1Kor 1,20 noch 2,6[bis].8; 3,18; 2Kor 4,4; Röm 12,2) ist negativ qualifiziert (vgl. zu dieser negativen Konnotation vor allem 2Kor 4,4; Gal 1,4). Vgl. Hermann Sasse, Art. αἰών, αἰώνιος, in: ThWNT Bd. I, 1933, 197–209: 203–204.205–207; Lindemann, HNT 9/I, 45. 42 Mit πᾶσα σάρξ ist in Anlehnung an alttestamentlichen Sprachgebrauch die ganze Menschheit, mit κατὰ σάρκα »nach menschlichen Maßstäben« gemeint (vgl. Lindemann, HNT 9/I, 49.51). So ist bei allen oben genannten die »Welt« bezeichnenden Begriffen – zumindest auch, wenn nicht gar zentral – die Menschenwelt im Blick. 43 Der in 1Kor 1,31 durch καθὼς γέγραπται als Schriftzitat kenntlich gemachte Satz ὁ καυχώμενος ἐν κυρίῳ καυχάσθω, der sich ohne die Einleitungswendung auch in 2Kor 10,17 findet, wird meist auf Jer 9,22–23, bisweilen auch auf 1Sam 2,10 LXX zurückgeführt. Eine eindeutige Textbasis für diesen Satz lässt sich jedoch nicht nachweisen. Paulus zitiert möglicherweise aus mündlicher (weisheitlicher) Tradition. Zur Herkunft des Schriftzitats vgl. Wolff, ThHK 7, 46 Anm. 131; Dietrich-Alex Koch, Die Schrift als Zeuge des Evangeliums. Untersuchungen zur Verwendung und zum Verständnis der Schrift bei Paulus, BHTh 69, Tübingen 1986, 35–36. 40

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und ἀθετέω in V. 19 (im Zitat aus Jes 29,14)44 sowie durch καταισχύνω (zweimal in V. 27) und καταργέω (V. 28); auf der anderen Seite kehrt das Gerettetsein terminologisch wieder in den Verben σῴζω (V. 21) und ἐκλέγομαι (V. 27.28; vgl. auch οἱ κλητοί V. 24 und ἡ κλῆσις V. 26). Durch diese finiten Verbformen wird Gott explizit als Urheber des rettenden und richtenden Handelns gekennzeichnet – anders als in den Partizipien ἀπολλύμενοι und σῳζόμενοι, die dies nur implizit enthalten.45 Die Trennung von Geretteten und Verlorenen, die soziologisch als Abgrenzung der Christen von ihrer nichtchristlichen Umwelt sichtbar wird, ist also dem Anspruch des Paulus nach keine, die von der christlichen Gemeinde oder von Paulus selbst vollzogen würde; vielmehr begründet Paulus sie mit dem Handeln Gottes. Damit erfährt die soziologisch greifbare Abgrenzung der korinthischen Christen eine dezidiert theologische Begründung.

Abb. 2: Semantische Oppositionen I: Verlorene – Gerettete // Welt – Gott46

οἱ ἀπολλύμενοι (V. 18)

οἱ σῳζόμενοι (V. 18)

ἀπόλλυμι // ἀθετέω (V. 19)

σῴζω (V. 21)

καταισχύνω (V. 27) // καταργέω (V. 28)

ἐκλέγομαι (V. 27.28; vgl. οἱ κλητοί V. 24, ἡ κλῆσις V. 26)

ὁ κόσμος (V. 20–21.27–28)

ὁ θεός (V.18.20.21.24.25.27.28.29.30)

ὁ αἰὼν οὗτος (V. 20)

κύριος (V. 31)

οἱ ἄνθρωποι (V. 25)

Χριστὸς ἐσταυρωμένος (V. 23; vgl. V. 18:

πᾶσα σάρξ (V. 29; vgl. V. 26: κατὰ σάρκα)

ὁ λόγος ὁ τοῦ σταυροῦ) Χριστὸς Ἰησοῦς (V. 30)

Paulus zitiert Jes 29,14 in wörtlicher Übereinstimmung mit der Septuaginta; er setzt lediglich das besser in seinen Kontext passende ἀθετήσω an die Stelle des inhaltlich schwächeren κρύψω der LXX (vgl. Ps 32,10 LXX); vgl. dazu Wolff, ThHK 7, 36 mit Anm. 71; Koch, Schrift, 152–153. 45 Aus 1Kor 1,18 geht hervor, dass der λόγος τοῦ σταυροῦ selbst die Scheidung hervorruft (vgl. dazu auch Voss, Das Wort vom Kreuz, 64; Wolfgang Schrage, Der erste Brief an die Korinther, 1. Teilband: 1Kor 1,1–6,11, EKK VII/1, Zürich/Braunschweig/ Neukirchen-Vluyn 1991, 172). 46 Die hier in Abb. 2 und 3 aufgeführten semantischen Oppositionen beschreibt ähnlich auch Merklein, ÖTBK 7/1, 171–174. 44

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b) Die Gegenüberstellung von Torheit und Weisheit, Schwäche und Stärke, Niedrigkeit und Vornehmheit in 1Kor 1,18–21.25 // 26–28 So klar die Trennung von ἀπολλύμενοι und σῳζόμενοι, von Gott und Welt zu sein scheint, so sehr changieren die mit den semantischen Oppositionen σοφία und μωρία verbundenen Begrifflichkeiten. Auf der Seite der Weisheit werden ἡ σοφία τῶν σοφῶν und ἡ σύνεσις τῶν συνετῶν genannt (V. 19 im Zitat aus Jes 29,14), zudem der σοφός, der γραμματεύς und der συζητητής (V. 20) sowie in V. 26 neben den σοφοί auch die δυνατοί und die εὐγενεῖς. In V. 25 steht parallel zu σοφός als Adjektiv ἰσχυρός (beide im Komparativ; zu ἰσχυρός vgl. τὰ ἰσχυρά in V. 27, dort ganz analog parallel zu οἱ σοφοί). Ebenso wird in V. 24 δύναμις parallel zu σοφία genannt (δύναμις steht zudem in V. 18). Auf der Seite der Torheit hingegen steht das σκάνδαλον in V. 23 parallel zu μωρία; zudem gehören hierher das Schwache (τὸ ἀσθενές V. 25, τὰ ἀσθενῆ V. 27) sowie das, was von niedriger Herkunft und verachtet ist (τὰ ἀγενῆ, τὰ ἐξουθενημένα, V. 28), was nichts gilt (τὰ μὴ ὄντα, V. 28). Weisheit und Torheit sind also semantisch verknüpft mit den Oppositionen von Stärke und Schwäche sowie von Vornehmheit und Niedrigkeit. Abb. 3: Semantische Oppositionen II: Torheit – Weisheit // Schwäche – Stärke // Niedrigkeit – Vornehmheit ἡ μωρία (V. 18.21.23)

ἡ σοφία (V. 19.20.21.24.30)

μωραίνω (V. 20)

ἡ σοφία τῶν σοφῶν // ἡ σύνεσις τῶν συνετῶν (V. 19)

τὸ μωρόν (V. 25), τὰ μωρά (V. 27)

σοφός (V. 25)

τὸ σκάνδαλον (V. 23)

ὁ σοφός (V. 20), οἱ σοφοί (V. 26.27) γραμματεύς (V. 20) ὁ συζητητής (V. 20)

τὸ ἀσθενές (V. 25), τὰ ἀσθενῆ (V. 27)

ἰσχυρός (V. 25) τὰ ἰσχυρά (V. 27) ἡ δύναμις (V. 18.24) οἱ δυνατοί (V. 26)

τὰ ἀγενῆ (V. 28)

οἱ εὐγενεῖς (V. 26)

τὰ ἐξουθενημένα (V. 28) τὰ μὴ ὄντα (V. 28)

τὰ ὄντα (V. 28)

c) Die paradoxe Zuordnung von Gott und Welt zu Torheit und Weisheit Für das Verhältnis der semantischen Oppositionen von Weisheit und Torheit einerseits sowie Geretteten und Verlorenen andererseits ergibt sich nun jedoch ein überraschender Befund. Zu erwarten wäre eine klare Zuordnung entspre-

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chend des dualistischen Charakters, den der Text auf den ersten Blick zu haben scheint. Dieses Erwartbare durchkreuzt Paulus allerdings, weil alle menschlichen Erwartungen vom Kreuz Christi selbst durch-kreuzt werden. So wird die σοφία von Paulus weder ausschließlich auf die Seite Gottes noch ausschließlich auf die der Welt gestellt. Vielmehr wechselt die Zuordnung innerhalb des Textes: In v. 20 ist von der σοφία τοῦ κόσμου die Rede, in v. 21.24 hingegen von der σοφία (τοῦ) θεοῦ (vgl. v. 30: σοφία ἀπὸ θεοῦ). Bereits in v. 17 und dann in v. 19–20 ist die Weisheit negativ qualifiziert; erst ab v. 21 wird der Terminus positiv gefüllt durch die Verbindung mit dem Genitivattribut θεοῦ.47 Ebenso changiert der Begriff der μωρία: Das, was der Welt als Torheit gilt und damit menschlich negativ qualifiziert ist, hat Gott erwählt (v. 27); auch die Torheit der Verkündigung (v. 21) gehört auf die Seite der Weisheit Gottes. Paulus kann diesen Gedanken sogar noch zu der Aussage steigern, dass das, was bei Gott töricht sei, das nach menschlichen Maßstäben Weise überbiete (v. 25). Das Kreuz Christi als Ausgangs- und Kristallisationspunkt des Textes vereint disparate Bedeutungen und polarisiert diese gegeneinander.48 Dabei wird die σοφία τοῦ κόσμου nicht generell entwertet oder abgelehnt; sie wird aber für gegenstandslos erklärt im Hinblick auf Gottes Selbstoffenbarung in Christus und auf das endzeitliche Gericht.49 An diese menschliche Weisheit knüpft Gott in seinem Heilshandeln nicht an; vielmehr stellt das Christusgeschehen diese menschliche Weisheit total infrage. Alle menschlichen Werte und Maßstäbe werden angesichts des Kreuzestodes Christi in ihr Gegenteil verkehrt, ja ad absurdum geführt. Es kommt zu einer »Umwertung der Werte«, einer »Inversion«.50 Christliche Identität ist paradox.51 Diese Umkehrung kommt nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich zum Ausdruck, indem der Begriff der σοφία mit gegensätzlichen Bedeutungen verbunden wird. Die Inversion bleibt aber nicht auf die Opposition von Weisheit und Torheit beschränkt, sondern wird von Paulus ebenso auf die Gegenüberstellung von Stärke und Schwäche sowie von Vornehmheit und Niedrigkeit übertragen: Die δύναμις θεοῦ (v. 18.24) wird den δυνατοί der Welt (v. 26) gegenübergestellt; und das, was in der Welt von Zu den Verständnismöglichkeiten der inhaltlich schwierigen Wendung ἐν τῇ σοφίᾳ τοῦ θεοῦ vgl. Alexander J.M. Wedderburn, ἐν τῇ σοφίᾳ τοῦ θεοῦ – 1Kor 1,21, in: ZNW 64

47

(1973), 132–134; Merklein, ÖTBK 7/1, 181–182. Vgl. Strecker, Die liminale Theologie, 263. Merklein, ÖTBK 7/1, 173 spricht von einer dialektischen Verwendung der semantischen Oppositionen und folgert, »daß das ›Wort vom Kreuz‹ sein eigenes semantisches System konstituiert« (ebd.) bzw. »einen semantischen Paradigmenwechsel [setzt]« (a. a. O., 174). 49 Vgl. Wolff, ThHK 7, 37 Anm. 79. 50 Vgl. zum Begriff der Inversion Strecker, Die liminale Theologie, 279–291. 51 Vgl. zur paradoxen Struktur christlicher Identität nach Paulus auch Friederike Portenhauser, Identität als Nichtidentität. Zum Verständnis des Christen nach Paulus, Luther und Bultmann, in: Ulrich H.J. Körtner u. a. (Hrsg.), Bultmann und Luther. Lutherrezeption in Exegese und Hermeneutik Rudolf Bultmanns, Hannover 2010, 209–231, bes. 210.231. 48

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niedriger Herkunft und verachtet ist (V. 28), wird dem nach menschlichen Maßstäben Vornehmen (V. 26) entgegengesetzt.52

Abb. 4: Die paradoxe Zuordnung von Gott und Welt zu Torheit und Weisheit

Welt

Gott

Weisheit der Welt

Weisheit Gottes/Torheit der Welt

ἡ σοφία τοῦ κόσμου (V. 20)

ἡ σοφία (τοῦ) θεοῦ (V. 21.24; vgl. V. 30: ἡ σοφία

ἡ σοφία τῶν σοφῶν (V. 19)

ἀπὸ θεοῦ)

οἱ σοφοὶ κατὰ σάρκα (V. 26)

ἡ μωρία τοῦ κηρύγματος (V. 21) τὸ μωρὸν τοῦ θεοῦ σοφώτερον τῶν ἀνθρώπων ἐστίν (V. 25) τὰ μωρὰ τοῦ κόσμου (V. 27)

Stärke/Macht der Welt οἱ δυνατοί (V. 26)

Kraft Gottes/Schwachheit der Welt ἡ δύναμις θεοῦ (V. 18.24) τὸ ἀσθενὲς τοῦ θεοῦ ἰσχυρότερον τῶν ἀνθρώπων (V. 25) τὰ ἀσθενῆ τοῦ κόσμου (V. 27)

Hoheit/Vornehmheit der Welt οἱ εὐγενεῖς (V. 26) τὰ ὄντα (V. 28)

Niedrigkeit der Welt τὰ ἀγενῆ τοῦ κόσμου καὶ τὰ ἐξουθενημένα (V. 28) τὰ μὴ ὄντα (V. 28)

Zur Bedeutung von δυνατοί und εὐγενεῖς vgl. Wolff, ThHK 7, 42–43; Merklein, ÖTBK 7/1, 198. Anhand von 1Kor 1,26–28 wird vielfach auf die soziale Zusammensetzung der Gemeinde in Korinth geschlossen, vgl. dazu immer noch klassisch Gerd Theißen, Soziale Schichtung in der korinthischen Gemeinde. Ein Beitrag zur Soziologie des hellenistischen Urchristentums, in: Ders., Studien zur Soziologie des Urchristentums, WUNT 19, Tübingen 31989, 231–271, bes. 232–234.

52

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Die soziologisch beschreibbare christliche Identitätsbildung durch Abgrenzung wird also in 1Kor 1,18–31 zum einen theologisch begründet. Zum anderen wird nicht einfach eine Trennung zwischen Gott und Welt beschrieben. Vielmehr werden, da Gott Urheber der Abgrenzung ist, zugleich die Maßstäbe der Welt in ihr Gegenteil verkehrt. Zwar wird eine Abgrenzung zwischen »innen« und »außen«, zwischen Geretteten und Verlorenen vorgenommen. Christliche Identität stellt faktisch einen Gegenentwurf zu bestehenden Identitäten dar. Gleichzeitig werden jedoch die zur Unterscheidung herangezogenen wertenden Kategorien von Weisheit und Torheit, Stärke und Schwäche, Vornehmheit und Niedrigkeit nicht nur infrage gestellt, sondern vollständig unterlaufen.53 Selbst die Kategorien von Gott und Mensch werden durchbrochen mit dem Hinweis auf Christus, der auf die Seite Gottes gehört (vgl. V. 30: ἀπὸ θεοῦ) und gerade als Gottes Kraft (V. 18.24) und Gottes Weisheit (V. 24) durch seinen Kreuzestod (vgl. V. 18.23) die glaubenden Menschen erlöst (vgl. V. 30: ἀπολύτρωσις). So wird die Struktur der Exklusion von Paulus zwar beschrieben, gleichzeitig wird aber vor dem Horizont des göttlichen Heilshandelns auch die Vorläufigkeit dieser Struktur erkennbar. Ähnliches lässt sich über die Struktur der Inklusion in 1Kor 1,18–31 sagen. 3.2.2. Identität a) Der Glaube an Christus als die jüdische wie die griechisch-heidnische Existenz überbietender Weg (V. 22–24) Die angesprochene christliche Gemeinde, in die Paulus durch das nachgestellte ἡμῖν in V. 18 neben den Korinthern auch sich selbst ausdrücklich und betont mit einbezieht,54 wird bezeichnet als οἱ σῳζόμενοι (V. 18; vgl. σῴζω V. 21), als οἱ πιστεύοντες (V. 21) und als οἱ κλητοί (V. 24, vgl. ἡ κλῆσις V. 26). Die Benennung als οἱ σῳζόμενοι in V. 18 im Gegenüber zu οἱ ἀπολλύμενοι beschreibt, so hatten wir gesehen, deutlich eine Struktur von Inklusion und Exklusion. Auch die Berufenen, die κλητοί in V. 24 werden im Kontrast zu – nun nicht einer, sondern zwei – anderen Gruppen genannt, nämlich zu Juden und Griechen (V. 23).55 Soziologisch lassen sich auch hier Inklusion und Exklusion als zwei Sei53 Weder, Kreuz, 151 und im Anschluss an ihn auch Voss, Das Wort vom Kreuz, 80 setzen zutreffend die Überschrift »Die unterlaufene Denkweise« bzw. »Die unterlaufene Denkweise der Welt« über 1Kor 1,22–24. 54 Ἡμῖν bezieht sich auf alle an Christus Glaubenden (vgl. Weder, Kreuz, 138 Anm. 72; Lindemann, HNT 9/I, 44), die dann in V. 21 als οἱ πιστεύοντες genannt, in V. 23 als ἡμεῖς angesprochen und in v. 24 als κλητοί bezeichnet werden. 55 Ganz ähnlich differenziert Paulus in 1Kor 10,32 zwischen Ἰουδαῖοι, Ἕλληνες und der ἐκκλησία τοῦ θεοῦ als einer dritten, die beiden Ersteren überbietenden Größe. – Die Unterscheidung zwischen Juden und Griechen lässt jüdisches Denken erkennen: »Gemäß jüdischem Verständnis wird die Menschheit in Juden und die sie umgebenden Griechisch sprechenden Heiden [...] unterschieden (vgl. auch [1Kor] 10,32; 12,13; Röm. 1,16; 2,9f.; 3,9; Gal. 3,28; Kol. 3,11).« (Wolff, ThHK 7, 39.) Diese Unterscheidung ist

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ten eines Zuschreibungsvorgangs erkennen: Indem Paulus die neu entstandene Gruppe der κλητοί von den bisherigen Gruppen der Ἰουδαῖοι und der Ἕλληνες unterscheidet, formuliert er zugleich ihre neue Identität. Identität erwächst aus Abgrenzung. Die Darstellung des christlichen Glaubens als eine der jüdischen und der griechisch-heidnischen Existenz übergeordnete Identität56 weist jedoch eine strukturelle Besonderheit auf. Sie erschöpft sich nicht in der Abgrenzung; vielmehr präzisiert Paulus in v. 24, dass die Christen gerade aus Juden und Griechen berufen werden und somit Juden und Griechen wiederum einschließen. Die der Identitätsbildung dienende Abgrenzung der Glaubenden wird nicht abschließend vollzogen, sondern beinhaltet die Möglichkeit, dass Juden und Heiden, die zunächst ausgeschlossen sind, unter der Voraussetzung des Glaubens (vgl. die Bezeichnung als οἱ πιστεύοντες in v. 21) gerade wieder einbezogen werden können. Dies ist erklärtes Ziel der Missionspredigt des Paulus, auf die in v. 18 als λόγος τοῦ σταυροῦ, in v. 21 als κήρυγμα und in v. 23 mit dem Verb κηρύσσω verwiesen wird. Die zunächst der Inklusion der Glaubenden dienende Exklusion der Juden und Griechen hat somit in einem zweiten Schritt auch deren Inklusion zum Ziel. Damit deutet sich eine Perspektive der paulinischen Theologie an, die über die systemtheoretisch beschreibbare Struktur von Inklusion und Exklusion hinausgeht: Identität und Differenz, Integration und Abgrenzung, Inklusion und Exklusion sind auch bei Paulus die zwei Seiten des einen Identitätsbildungsprozesses, die notwendig zusammengehören. Weil Identität nicht ohne Differenz zu denken ist, ist mit der Struktur der Abgrenzung auch keine Abwertung verbunden. Aber die paulinische Theologie bleibt nicht bei der Abgrenzung stehen. Die gescheiterte Intention Luhmanns, Inklusion als teleologisches Prinzip der Systemtheorie zu etablieren, holt Paulus – in eschatologischer Perspektive – durch den Verweis auf den Gott ein, der in Christus Juden und Griechen beruft. Die in Luhmanns Theorie aufgrund möglicherweise schon in 1Kor 1,20 erkennbar, wenn dort der σοφός als Oberbegriff, der γραμματεύς als jüdischer und der συζητητής als griechischer Repräsentant der Weisheit aufgefasst werden (so Wolff, a. a. O., 37; Markus Lautenschlager, Abschied vom Disputierer. Zur Bedeutung von συζητητής in 1Kor 1,20, in: ZNW 83 [1992], 276–285: 283–284; Merklein, ÖTBK 7/1, 179; anders Zeller, KEK 5, 108). 56 Die im Anschluss an neutestamentlichen, u. a. paulinischen Sprachgebrauch geprägte frühchristliche und altkirchliche Bezeichnung des christlichen Glaubens als des »dritten Weges« bzw. der Christen als des »dritten Geschlechts« (tertium genus) neben Griechen (Heiden) und Juden hat zwar eine breite Wirkung entfaltet und scheint auch eine griffige Charakterisierung frühchristlicher Identität darzustellen (zu den altkirchlichen Belegen dieser Wendung vgl. Adolf von Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, Erster Band: Die Mission in Wort und Tat, Leipzig 41924, 259–289, bes. 264–267.285–287). 1Kor 1,22–24 wird durch diese Formulierung jedoch in missverständlicher Weise aufgenommen, da sie nahelegt, es handle sich um einen gleichberechtigten dritten Weg neben – also außerhalb von – Juden und Heiden, wohingegen Paulus in 1Kor 1 eine diese beiden »Wege« überbietende und einschließende Existenz im Blick hat. In den altkirchlichen Zeugnissen ist diese paulinische Intention jedoch nach Harnack, a. a. O., 262 mitgemeint.

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der faktischen gesellschaftlichen Verhältnisse nicht durchzuhaltende Idee der Vollinklusion hat so in der Theologie des Paulus ihren Platz.57 Als Ziel der christlichen Missionspredigt wird sie freilich nicht von Menschen, sondern von Gott gewährleistet; nicht innerweltlich, sondern eschatologisch.58 Damit ist die den Glauben an Christus kennzeichnende Struktur von Exklusion und Inklusion extern bestimmt.59 b) Die Existenz ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ als Konsequenz des Handelns Gottes für die Glaubenden (v. 30) Das Gegenstück zur Beschreibung des Christseins als einer der jüdischen und der griechisch-heidnischen Existenz übergeordneten Identität in 1Kor 1,22–24 bildet im zweiten Teil des Textes (v. 26–31) v. 30. Dies wird schon daran deutlich, dass innerhalb von 1Kor 1,18–31 nur in v. 23–24 und v. 30 explizit von Christus die Rede ist. Die neue, aus der Abgrenzung entstehende Identität der Glaubenden ist wesentlich bestimmt durch Christus. Die von Paulus häufig zur 57 Diese Idee der Vollinklusion deutet sich in der Systemtheorie an, insofern nach Luhmann die Religion ein Teilsystem der Gesellschaft ist, das in anderen Funktionssystemen stattfindende Exklusionen nicht verstärkt. Dementgegen ziehe die Exklusion aus einem Funktionssystem normalerweise auch die aus anderen Funktionssystemen nach sich: »Die Exklusionen verstärken sich wechselseitig […]. Der losen Kopplung der positiven Integration scheint eine strikte Kopplung der negativen Integration zu entsprechen.« (Niklas Luhmann, Die Religion der Gesellschaft, hrsg. von André Kieserling, stw 1581, Frankfurt a. M. 2002, 242.) Wer keine Arbeit habe, habe wenig Geld, verliere die Wohnung, den Zugang zu ausreichender medizinischer Versorgung usw. Hingegen sei Religion »das einzige Teilsystem der Gesellschaft, das sich nicht in die Integration von Exklusionsverhältnissen einreiht […]; auch die von anderen Systemen Ausgeschlossenen (zum Beispiel die Armen) können in die religiöse Kommunikation eingeschlossen werden.« (Giancarlo Corsi, Art. Religion, in: Claudio Baraldi/Giancarlo Corsi/Elena Esposito, GLU. Glossar zu Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, stw 1226, Frankfurt a. M. 1997, 156–159: 159; vgl. Luhmann, Die Religion der Gesellschaft, 241–243.) Freilich lässt sich Luhmanns Religionsbegriff nicht ohne Weiteres auf das paulinische Verständnis der glaubenden Existenz übertragen. 58 Zu dieser aus eschatologischer Perspektive beschreibbaren Vollinklusion vgl. sachlich auch Zeller, KEK 5, 112: Die durch das Kreuz bewirkte »Umwertung der Werte […] ist freilich nur vom Standpunkt des Glaubens her erkennbar. So ergeben sich neue Gegensätze: Den Christen […] steht die ›Welt‹ – eindeutig anthropologisch verstanden – bzw. ›dieser Äon‹ gegenüber, beide Gruppen umfassen wiederum ›Juden‹ und ›Griechen‹. Paulus urteilt vom endzeitlichen Handeln Gottes aus, das der ganzen Menschheit gilt und die heilsgeschichtlichen Polarisierungen aufhebt. Die Menschen spalten sich freilich wieder je nach ihrer Stellung zum Kreuz in solche, die verloren gehen, und solche, die gerettet werden.« – Hier wäre im Anschluss die Frage nach der Allversöhnung in der paulinischen Theologie zu diskutieren (vgl. dazu exemplarisch Jens Adam, Paulus und die Versöhnung aller. Eine Studie zum paulinischen Heilsuniversalismus, Neukirchen-Vluyn 2009). 59 Zur Externität christlicher Identität nach der Theologie des Paulus vgl. auch Portenhauser, Identität als Nichtidentität, 218–221.230.

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Bezeichnung der christlichen Identität verwendete Formel vom Sein ἐν Χριστῷ60 (hier ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ) wird in v. 30 durch einen Relativsatz näher bestimmt, der neben σοφία auch δικαιοσύνη, ἁγιασμός und ἀπολύτρωσις als Inhalte christlicher Identität nennt. So wird christliche Identität nicht nur negativ in der Abgrenzung, sondern auch positiv durch Weisheit, Gerechtigkeit (das heißt Rechtfertigung), Heiligung und Erlösung bestimmt. Die inhaltlich und durch das Stichwort »Christus« erkennbare Verbindung von v. 30 zu v. 22–24 bindet die so bestimmte christliche Identität an das Kreuzesgeschehen zurück, das in v. 23 durch die Rede vom Χριστὸς ἐσταυρωμένος aufgerufen wird. Wird der Abschnitt 1Kor 1,18–31 nun wieder im Kontext des gesamten 1. Korintherbriefes betrachtet und die Rahmung des Briefes durch Kreuz (1,18–31) und Auferstehung (c. 15) berücksichtigt, so lässt sich der Verweis auf den Gekreuzigten in 1,18.23 auch als Hinweis auf die sachlich eng mit dem Kreuz verbundene Auferstehung Christi begreifen, welche die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten begründet. Mit diesem eschatologischen Ausblick ist erneut die Perspektive der Inklusion angedeutet.

60 Vgl. zum ἐν Χριστῷ neben 1Kor 1,30 auch 2Kor 5,17; Gal 3,28; Röm 6,11; 8,1; 12,5 u. ö.; vgl. Friederike Portenhauser, Eschatologische Existenz. Zum Verständnis der Glaubenden in der paulinischen Theologie anhand von 2Kor 5,17, in: Hans-Joachim Eckstein/Christof Landmesser/Hermann Lichtenberger (Hrsg.), unter Mitarbeit von Jens Adam und Martin Bauspieß, Eschatologie – Eschatology. The Sixth Durham-Tübingen Research Symposium: Eschatology in Old Testament, Ancient Judaism and Early Christianity (Tübingen, September, 2009), WUNT 272, Tübingen 2011, 209–228: 213–215.

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Friederike Portenhauser

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The Early Christ-Movement in its Mediterranean Context Texts, Groups and Identities Philip F. Esler

Introduction My aim in this essay is to argue for a specific understanding of the early Christmovement in its first century context. Both expressions, »Christ-movement« and »context«, are conscious choices in an area of problematic and contested terminology. By using the expression »Christ-movement«, I am signalling my concern with the precise nature of this phenomenon in the first century CE and with the distinctive identity or identities of Christ-followers and groups of Christ-followers of that period. This enterprise is likely to be hindered by adherence to the language of »Christianity« and »Christians«, with their overload of associations from later historical periods. By using »context« I am entering another area that requires careful consideration, as a 1999 collection of anthropological essays entitled The Problem of Context well illustrates.1 My own approach to context ultimately derives from the social anthropology of Bronislaw Malinowski and his view that »the meaning of a word must always be gathered, not from passive contemplation of this word, but from an analysis of its functions, with reference to a particular culture«2. While »culture« itself is an elastic expression, it basically means a society’s shared values, symbols, behaviour, and assumptions. Culture has been usefully described as »the way we do things around here«. My primary interest lies in the meanings New Testament texts conveyed to their original audiences, although I have written on how such meanings can be incorporated into a New Testament theology by being linked to the communion of saints.3 In my examination of the texts for historical meaning, I use 1 Roy Dilley (Hrsg.), The Problem of Context. Methodology and History in Anthropology, Bd. 4, New York/Oxford 1999. 2 Bronislaw Malinowski, The Problem of Meaning in Primitive Languages, in: Charles K. Ogden/Ivor A. Richards, The Meaning of Meaning. A Study of the Influence of Language Upon Thought and of the Science of Symbolism, London 1938 (1923), 296–336: 309 (emphasis added). 3 Philip F. Esler, New Testament Theology. Communion and Community, Minneapolis 2005.

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Philip F. Esler

social-scientific ideas and perspectives both heuristically, to put new questions to them, and also interpretatively, to make sense of the answers these questions provide, a process akin to drawing lines between the dots. To understand the culture of the first century CE Mediterranean, under the inspiration of Bruce Malina’s 1981 work The New Testament World, I have long considered that helpful insights come from twentieth century Mediterranean ethnography and its investigations into honour and shame, patron and client relations, collectivist rather than individualist social orientations, limited good, purity concerns and so on. In 2011 I published a book on Old Testament narrative in which I maintained the continuing usefulness of such features in understanding plot and characterisation especially.4 Yet when we set the Christ-movement in its first century context characterised by a particular culture, we need more social-scientific theory than this. Throughout the New Testament we encounter relationships between groups of Christ-followers and other groups, especially ethnic groups, in their context and, indeed, among Christ-follower groups themselves. For the last fifteen years I have utilised two broad areas of theory to assist with such issues. At the most general level, to understand group phenomena, I have been employing the social identity theory developed by Henri Tajfel and John Turner at Bristol University in the 1970s and 1980s.5 This remains one of the liveliest areas in social psychology today. The core of this theory is that individuals derive part of their identity, called »social identity«, from belonging to groups, especially in situations where one’s ingroup exists in tension with outgroups. Identity always involves a differentiation between who we are and who we are not. Tajfel identified three components of social identity: (a) a cognitive component, meaning the knowledge that one belongs to a group; (b) an evaluative component, in the sense that one’s belonging to a group could have a positive or a negative value connotation; and (c) an emotional component in the sense that the cognitive and evaluative aspects and one’s being a member of it could be accompanied by emotions (including love or hatred, like or dislike) that were directed towards one’s own group or towards other groups.6 Social identity theory also extends to behavioural norms and group beliefs that characterise a particu4 Philip F. Esler, Sex, Wives, and Warriors. Reading Biblical Narrative with Its Ancient Audience, Eugene, OR 2011. 5 See Henri Tajfel (Hrsg.), Differentiation between Social Groups. Studies in the Social Psychology of Intergroup Relations, European Monographs in Social Psychology 14, London 1978 and Henri Tajfel/John Turner, An Integrative Theory of Intergroup Conflict, in: William G. Austin/Stephen Worchel (Hrsg.), The Social Psychology of Intergroup Relations, Monterey, CA 1979, 33–47. For a recent summary of social identity theory, see Philip F. Esler, An Outline of Social Identity Theory, in: J. Brian Tucker/ Coleman A. Baker (Hrsg.), T&T Clark Handbook to Social Identity in the New Testament, London 2014, 13–39. 6 Tajfel, Differentiation, 28–29.

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lar group and its identity.7 Daniel Bar Tal has helpfully explored the nature of beliefs in the identity of groups and the social identity derived from belonging to them.8 While social identity theory covers most groups, one particularly important instance for interpreting first century texts is the ethnic group (which was indeed within Tajfel’s purview from the time when he first developed the theory).9

1. Ethnic Identity Notions of ethnic relations and identity have existed in social-scientific thought since Max Weber wrote on the area in 1922.10 Yet it was only after World War II that notions of ethnicity came into great prominence as theories of racism fell out of favour.11 Recent debate on the subject centers especially on two broad approaches. For some ethnic identity is essentialist or »primordial«, meaning that ethnic groups have and have long had clusters of markers, mainly cultural (but sometimes allegedly biological) in nature, that produce a sort of ethnic essence or objective reality that cannot be escaped from. For others ethnic identity is constructed and denotes forms of cultural and social life created by the relevant actors. Huge energy was given to the idea of ethnic identity as constructed in an important essay published by Norwegian anthropologist Fredrik Barth in 1969.12 Barth argued against the primordial position, urging that a group’s sense of itself interacting with other groups came first and that cultural indicators (which frequently changed over time) were deployed, as a boundary, to express that group identity. So understood, ethnic identity was a field of ascription and identification that certain groups used to manage their relationships with other groups.13 Whereas some constructivist accounts of ethnic identity Michael A. Hogg/Dominic Abrams, Social Identifications. A Social Psychology of Intergroup Relations and Group Processes, London/New York 1988, 157–158. 8 Daniel Bar Tal, Group Beliefs. A Conception for Analyzing Group Structures, Processes, and Behavior, New York 1990 and Daniel Bar Tal, Group Beliefs as an Expression of Social Identity, in: Stephen Worchel u. a. (Hrsg.), Social Identity. International Perspectives, London 1998, 93–113. 9 See Tajfel, Differentiation, 2.46.83–84. 10 Max Weber, Ethnic Groups, in: Guenther Roth/Claus Wittich (Hrsg.), Economy and Society. An Outline of Interpretive Sociology, London/Berkeley 1968, 385–398 (dt. Orig. 1922). On this essay, see Michael Banton, Max Weber on »ethnic communities«: a critique, in: Nations and Nationalism 13 (2007), 19–35. 11 See David M. Miller, Ethnicity Comes of Age. An Overview of Twentieth Century Terms for Ioudaios, in: Currents in Biblical Research 10 (2012), 293–311, for a discussion on the rise of ethnic notions in the twentieth century. 12 Fredrik Barth, Introduction, in: Fredrik Barth (Hrsg.), Ethnic Groups and Boundaries. The Social Organization of Culture Difference, London 1969, 9–38. 13 See my application of this approach to Romans: Philip F. Esler, Conflict and Identity in Romans. The Social Setting of Paul’s Letter, Minneapolis 2003. 7

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treat it as fictive, the preferable view (after Barth) is that ethnic identities are malleable but not sheer fabrications. This is what has been called »the moderate constructivist« position.14 But this left the question of what made a group ethnic. Barth himself proposed that an ascription of someone to a social category was ethnic in character »when it classifies a person in terms of his basic, most general identity, presumptively determined by his origin and background«15. In 1922 Max Weber had reached a similar position in stating that »ethnic groups« were those that »entertain a subjective belief in their common descent«16. Barth’s formulation, however, is still very general and in 1996 John Hutchinson and Anthony Smith provided a more useful list of criteria (which should be taken as diagnostic not constitutive of ethnic identity to accord with Barth’s ascriptive approach): a) a common proper name to identify the group; b) a myth of common ancestry; c) a shared history or shared memories of a common past, including heroes, events and their commemoration; d) a common culture, embracing such things as customs, language and religion; e) a link with a homeland, either through actual occupation or by symbolic attachment to the ancestral land, as with diaspora peoples; and f) a sense of communal solidarity.17 In this formulation ethnicity is a much wider and more inclusive category than religion, which here features as only one of three aspects in the fourth of six areas. For a contemporary example of ethnic identities that have religious components I will cite the Unionist and Nationalist communities of Northern Ireland. Ethnic identity is the key one in Northern Ireland even though religion is some times very prominent.18 It is possible to have social situations where ethnic identity and religion intersect, rather than the latter forming part of the former (as perhaps with Turkish Muslims living in the Netherlands who have varying degrees of attachment to Turkish vis-à-vis Dutch ethnic identity).19 Nev14 Hannah Zagefka, The Concept of Ethnicity in Social Psychological Research, in: International Journal of Intercultural Relations 33 (2009), 228–241: 230. 15 Barth, Introduction, 13 (emphasis added). 16 Weber, Ethnic Groups, 389. 17 John Hutchinson/Anthony Smith (Hrsg.), Ethnicity, Oxford 1996, 3–14: 6–7. 18 See Claire Mitchell, Behind the Ethnic Marker. Religion and Social Identification in Northern Ireland, in: Sociology of Religion 66 (2005), 3–21 and Dies., The Religious Content of Ethnic Identities, in: Sociology 40 (2006), 1135–1152. 19 Maykel Verkuyten/Borja Martinovic, Social Identity Complexity and Immigrants’ Attitude Toward the Host Nation. The Intersection of Ethnic and Religious Group Identification, in: Personality and Social Psychology Bulletin 38 (2012), 165–177.

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ertheless, the situation in which religious phenomena are subsumed into a wider ethnic identity is of critical importance in understanding the first century CE Christ-movement for the reason that the Ioudaioi and other ethnic groups of the first century are best understood in this way. David Goodblatt, in a consideration of the respective merits of the language of ethnicity vis-à-vis that of nationalism in relation to ancient Ioudaioi, has reached the view that they are essentially equivalent, but prefers to use nationalism.20 While this is an arguable proposition,21 his recognition that the identity at issue is not primarily a religious one accords with the position for which I am arguing here.

2. Ethnic Identity and the Contra Apionem of Josephus My primary evidence for this comes from the Contra Apionem of Josephus.22 Josephus is not defending his people from attack on the basis that they are a sui generis social category. Rather he argues that they are a particularly impressive example among the forty or so groups whom he names laoi, ethnê or genê in the Mediterranean region of that time. These are best understood as ethnic groups (as just outlined) who also possess a polity, either as autonomous states (in a few cases) or as colonized states (in most cases). All of them (bar one or two anomalous exceptions, like the Hycsos) are named after their ancestral homelands: Romaioi, Aegyptioi, Persai, Syroi, Indoi, Ioudaioi and so on.23 Josephus actually cites a saying of Aristotle to the effect that the name Ioudaioi derives from the place Ioudaia.24 To avoid exceptionalism we should translate Ioudaioi »Judeans« and not »Jews«.25 Analysis of the Contra Apionem reveals that data relating to all six of the Smith and Hutchinson criteria are found in connection with the Judeans, while features corresponding to one or more of these criteria are cited for many of the other ethnic groups mentioned. I have argued elsewhere that in this text Josephus outlines the broad culture of the Judeans, focusing on the Mosaic heritage and referred to with terminology such as katastasis or politeuma (»conDavid Goodblatt, Elements of Ancient Jewish Nationalism, New York 2006, 1–27. I prefer the view of Irad Malkin whom he quotes on p. 4: »Whereas nationalism is certainly a modern phenomenon, ethnicity is not« (in Irad Malkin [Hrsg.], Ancient Perceptions of Greek Ethnicity, Cambridge, MA/London 2001, 16). 22 See Philip F. Esler, Judean Ethnic Identity in Jesphusʼ Against Apion, in: Zuleika Rodgers/Margaret Daly-Denton/Anne Fitzpatrick McKinley (Hrsg.), A Wandering Galilean. Essays in Honour of Sean Freyne, Leiden 2009, 73–91. 23 Esler, Conflict and Identity in Romans, 63. 24 Josephus, Contra Apionem, 1.179. 25 For a recent discussion of many of the issues involved in translating Ioudaios, see David M. Miller, The Meaning Ioudaios and Its Relationship to Other Group Labels in Ancient Judaism, in: Currents in Biblical Research 9 (2010), 98–126. 20 21

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stitution«), or epitêdeumata (»institutions«), and that nomoi (laws and customs) and eusebeia, the proper attitude toward and worship of God, fall within this broad category, in the manner of Smith and Hutchinson’s fourth criterion.26 Although Josephus is always careful to show that the Judeans are an ethnic group like the others in the Mediterranean world, he also makes clear that for them divine worship has an unusually prominent role; this emerges when he says that Moses »did not make worship (eusebeia) a part of virtue (arête), but the virtues part of it« (2.170). This reminds us of the contemporary position in Northern Ireland where religion plays an important role in Unionist or Nationalist ethnic identities. A link with a homeland, Smith and Hutchinson’s fifth criterion, is also prominent in the way Josephus defends the Judeans. He employs patris (»homeland«) nine times in all, including in relation both to the Judeans (1.210 and 2.277) and also the Egyptians (2.29 and 2.34), the Hycsos (1.242) and Homer (2.14). At one point he says, »Let each person reflect on his own homeland (patris) and household (oikos), and he will not disagree with what I have said« (2.284). This shows his belief that everyone, Judean and non-Judean, has identities that derive from their ethnic group and their family. Josephus is arguing that Judeans are a meritorious example of the ethnic groups that exist in his world; they do not lie in some other social category. One feature of the Judean patris (not that they were unique in this) is the prominence of their capital city, Jerusalem, and its Temple, features to which Josephus devotes considerable attention (1.109; 1.127; 1.197–199; 2.102–109).

3. Judeans vis-à-vis Christ-Followers: A Case of Asymmetric Group Identities Even though an increasing number of biblical critics are now using the expression »ethnic« and »ethnicity« rather than »religious« or »religion«, it is very doubtful whether there is an adequate appreciation of the fact that what is at stake here is not merely a change of nomenclature. Thus, most New Testament scholarship, even at times from researchers using the »ethnic« word, still presupposes the long established two-religion model of what was going on in the first century: On the one hand we have a religion »Judaism«, whose adherents were »Jews«, and on the other we have another religion, still frequently called »Christianity« whose adherents were »Christians«. »Judaism« and »Christianity« are understood as two examples, two group identities, from within the same category and the relationship between them is seen as a symmetrical one. Telling evidence for this is the almost universally accepted yet quite misleading metaphor of the »parting of the ways« to epitomise the eventual separation of

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Philip F. Esler, Judean Ethnic Identity in Josephus’ Against Apion, 84.

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these two entities, with its image of two figures of the same type sorrowfully bidding farewell to one another at a fork in the road. As soon as we confront the identity of first century CE Christ-followers, however, the recognition that in the Ioudaioi we are dealing with an ethnic group, the Judeans, not the members of a religion »Judaism« whom we call »Jews«, necessitates something of a revolution in our thought. The fundamental issue is that we now have two group identities of a quite different type that accordingly stand in an asymmetrical relationship to one another. Not apples and oranges, but chalk and cheese. Even at the earliest period, in the few years after the death of Jesus, the fact that his followers were creating groups focused on the risen Christ, and in which they were developing novel beliefs and behavioural norms, meant that a new group identity had come into existence. Even if Christ-followers were 100% Judean at that time, not only did this identity clearly have distinctive features, but it was non-ethnic in character. By this I mean that it was differentiated from Judean ethnic identity and provided alternative bases for identity construction. In certain forms it caused offence to other Judeans who were not Christ-followers. The best evidence for this is Paul’s statement in Gal 1,13 that he strongly persecuted »the assembly of God« (ekklêsia tou Theou) and tried to destroy it. Paul was acting in defence of one aspect of Judean ethnic identity, its cultural tradition (Ioudaismos, which is usually mistranslated as »Judaism«), when he tried to wipe out the ekklêsia tou Theou. In some unspecified way, the Christ-followers Paul persecuted were acting contrary to the Mosaic heritage. To understand what Paul had against them, we should be thinking of treason rather than heresy, although even that word, with its resonance of the modern State, sounds anachronistic here. In terms of social identity theory, this ekklêsia was a new type of group, even to the extent of bearing a name different from the synagôgai of the Judeans. By belonging to it members would have enjoyed a unique social identity; that is to say, a part of who they said they were as individuals would have come from their membership of that group. The group to whom Hebrews was addressed, which I consider was composed of Judean Christ-followers,27 had also been persecuted after they had turned to Christ (Heb 10,32–34). The asymmetry between the identities of Judeans and Christ-followers became even starker when these early ekklêsiai admitted non-Judeans into their membership. As soon as this happened, the identity of such a group inevitably acquired a trans-ethnic dimension, in that it encompassed ingroups of Judeans and non-Judeans but within a super-ordinate identity in-Christ. The main social enactment of this identity was the table-fellowship of the one loaf and one cup of the Lord’s Supper (1Cor 10,16–17), usually in the context of houses (oikoi). Judeans would have (rightly) considered such a blurring of ethnic boundaries See Esler, »Judean Ethnic Identity and the Purpose of Hebrews«, in: Andrew B. McGowan/Kent Harold Richards (Hrsg.), Method & Meaning. Essays on New Testament Interpretation in Honor of Harold A. Attridge, Atlanta, GA 2011, 469–489: 474–476.

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a major threat to Judean identity; as Peter says in Acts 10,28: »You know how unlawful (athemiton) it is for a Judean to associate with or visit a non-Judean (allophylos)«. I have long considered it probable that this happened very early, so that the ekklêsia tou Theou that Paul tried to destroy already contained Judeans and non-Judeans, mainly for the reason that the big problem mentioned in Galatians 1,11–2,14 is table-fellowship between Judeans and non-Judeans (2,12), whereas no other problem is mentioned (circumcision being seen in some quarters as the »solution« to this problem; it is not itself the problem). But even if that development came later, we should not underestimate its momentous significance. While the reverberations of the emergence of this new identity are felt throughout the New Testament, I will only be able to give a few examples here, first from Hebrews and then from John. My point is to show just how much data there is in these texts that attests to the creation of a new, non-ethnic group identity for Christ-followers in direct contrast to Judean ethnic identity.

4. Hebrews Consider the opening verses of Hebrews: In many and various ways God spoke of old to our fathers (patrasin) by the prophets; but in these last days he has spoken to us by a Son, whom he appointed the heir of all things, through whom also he created the world (Heb 1,1–2; RSV).

It is surprising within the wider context of first century CE Mediterranean culture to see the author subverting the widespread first century preference for the old over the new.28 In terms of group identity, however, these verses set the stage for the replacement of ethnic identity by a different identity presented as superior.29 The author is deliberately challenging the importance, indeed relevance, of the origin and background of the Judeans, especially the links to the people’s ancestors, their »fathers (pateres)«, a key diagnostic feature of ethnic identity, and replacing them with someone else, a Son.30 A similar picture occurs in relation to Abraham, the putative progenitor of the Judeans. The expression »the descendants (sperma) of Abraham« occurs at Heb 2,16. While this indicates that the intended addressees of Hebrews were Judean Christ-followers, the author does not use the language of physical descent in relation to the group but that of fictive kinship. We see this in Heb 2,10–18 See Philip F. Esler, Community and Gospel in Luke-Acts. The Social and Political Motivations of Lucan Theology, SNTS Monograph Series 57, Cambridge 1987, 212–217, on the preference for the ancestral in first century CE Mediterranean culture. 29 This is the argument in Esler, Judean Ethnic Identity and the Purpose of Hebrews. 30 A. a. O., 481. 28

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where he mentions the »sons« (huioi) whom God brought to glory (2,10), Jesus’ »brothers« (adelphoi; 2,11–12) and the children (paidia) whom God has given Jesus (2,13) and who share the same nature with him (2,14). They are his »brothers« (adelphoi) whom he was like in every respect, including having been tempted like them (2,17–18). The author of Hebrews thus moves from ethnic to fictive familial language to encapsulate features of the group identity. While the author’s audience share Judean ethnic identity, that is to say, share the markers described above, including descent from Abraham, the relationship that really matters is quite different. For they now have God as father and Jesus as their brother; they are, in fact, »holy brothers« (Heb 3,1). The extraordinary lengths to which the author will go to subvert physical descent, a key aspect of ethnic identity, are nowhere plainer than in his views on Melchizedek. The author states that Melchizedek met Abraham and blessed him and received a tithe from him (cf. Genesis 14,17–24) and explains his name (Heb 7,1–2). He then adds: He is without father or mother or genealogy (agenealogêtos), and has neither beginning of days nor end of life, but resembling the Son of God he continues a priest forever (Heb 7,3; RSV).

Whereas Judean ethnic identity valorised physical descent from Abraham, here we have a man greater than Abraham who has no such descent. The author repeats the point in v. 6 by commenting that a person who had »no named physical descent from them (mê genealogoumenos ex autôn)«, that is, who had no ethnic link with the descendants of Abraham (v. 5), took the tithe from Abraham.31 But there is more. In reliance on the ancient view that semen contained homunculi (who were miniature, fully-formed human beings), so that the mother was little more than a receptacle, the author claims that because Levi, the progenitor of Israel’s priests, was in the loins of Abraham, he (Levi) also acknowledged Melchizedek as his superior at the same time Abraham did (Heb 7,9–10). This meant that a superior form of priesthood, now reactivated in Jesus, existed before the Levitical priesthood, which lay at the heart of Judean eusebeia.32 I will note one last depreciation of Judean ethnic identity and its replacement with something else in Hebrews. It concerns the homeland of the Judeans. Judeans traced their claim to the ownership of the land to the fact that God had bestowed it on Abraham. Philo even wrote that for Abraham coming to Canaan was like coming home.33 Yet in Heb 11,8–16 the author runs the extraordinary argument that Abraham did not actually receive the land, but lived in it as A. a. O., 483. Ebd. 33 Philo, Abraham 62; as noted by Craig R. Koester, Hebrews. A New Translation with Introduction and Commentary, The Anchor Bible 36, New York 2001, 485. 31 32

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though it were foreign, as a stranger and exile, as he looked forward to another homeland (patris), a heavenly one, a city God had prepared for him (and those with him).34 For the author of Hebrews the land was irrelevant, as it was the heavenly city in which Abraham was really interested. This position represents just one dimension of the extent to which in Chapter 11 the author of Hebrews is reworking the collective memory of Israel relating to some of the great Israelites of the past to provide a distinctively different collective memory for his Christ-follower addressees.35

5. The Gospel of John Let us move now to the Fourth Gospel.36 One startling statistic drives home the importance of Judean ethnic identity in this Gospel: whereas the word Ioudaios appears five times in Matthew, six in Mark and five in Luke, it appears 72 times in John. There seems to me little, if any justification, for not attributing to Ioudaios in the Fourth Gospel its ordinary, ethnic meaning, a meaning essentially the same, I would suggest, as it has in the Contra Apionem of Josephus, a document written around the same time as John’s Gospel. I will begin with a statement from the Prologue: He came to that which was his own and his own people (idioi) did not receive him. But to all who received him, who believed in his name, he gave them the power to become children of God (tekna tou Theou), who were born not of blood (ex haimatôn), nor of the will of the flesh (ek thelêmatos sarkos) nor of the will of a man (ek thelêmatos andros) but of God (1,11–13).

Here John is establishing a sharp contrast between an outgroup and an ingroup. The former are »his own people«, surely the Judeans. They are characterised by an identity partially at least constituted by physical descent (»blood« and »flesh«), ultimately (as we will learn later) based on their being children of Abraham, where men choose marriage partners from among their own ethnic group and father children from them. The latter identity, of those who believe in his name, is very different. It is based on a divine initiative so that ingroup members are »children of God«. Here John is drawing upon kinship as a primary form of group-belonging Esler, Judean Ethnic Identity and the Purpose of Hebrews, 485. Philip F. Esler, Collective Memory and Hebrews 11. Outlining a New Investigative Framework, in: Alan Kirk/Tom Thatcher (Hrsg.), Memory, Tradition, and Text. Uses of the Past in Early Christianity. Semeia Monographs 52, Atlanta, GA 2005, 151–171. 36 See Philip F. Esler, From Ioudaioi to Children of God. The Development of a NonEthnic Group Identity in the Gospel of John, in: Anselm C. Hagedorn/Zeba A. Crook/ Eric Stewart (Hrsg.), In Other Words. Essays on Social Science Methods and the New Testament in Honor of Jerome H. Neyrey, Sheffield 2007, 106–137. 34

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in this culture but creating a fictive version of it, so that believers in Christ are, as Malina and Rohrbaugh suggest, »God’s kinfolk«.37 Some of these issues crop up later in the exceptionally revealing exchange between Jesus and Judeans in John 8,31–59. Mediterranean anthropology assists in understanding the broad cultural context for this passage, since the encounter is explicable as an extended example of what Pierre Bourdieu called »challenge-and-response«.38 This begins with an ambiguous challenge, »[…] and the truth will make you free« (John 8,32), which elicits a typical response in honour and shame terms, but also one that immediately evokes the looming presence of Judean ethnic identity: We are descendants (sperma) of Abraham and we have never been enslaved to anyone. How do you say, »You will become free« (8,33).

This is an outburst of ethnic pride on their part; they gloried in belonging to an ethnic group that counted as its progenitor so illustrious a figure as Abraham. We recall that Fredrik Barth regarded ethnic identity as presumptively determined by someone’s origin and background, while Max Weber considered members of an ethnic group entertained a subjective belief in their common descent. Although Jesus soon acknowledges their Abrahamic descent (v. 37), he disagrees with their suggestion that their father is God (v. 42). This takes us back to the Prologue; these Judeans are not tekna tou Theou; rather, they are people delineated by physical descent, from Abraham. They are Jesus’ idioi who do not accept him. During the argument that follows, Jesus will go so far as to suggest that their father is the devil (v. 44). At the end, however, Jesus shows that he is not content to leave unchallenged the importance of Abraham. Not only does Jesus claim that Abraham rejoiced to see his day (v. 56), but even more provocatively he adds, »Truly, truly, I say to you, before Abraham was, I am« (v. 58), at which they try to kill him. It is hard to imagine a more extreme statement than this for persuading the Johannine audience of the insignificance of ethnic descent in the new dispensation, where those who believed in Jesus became tekna tou Theou. I will cite one last Johannine passage shortly after this that nicely illuminates the gaping and awkward fault-line between Judean ethnic identity and the new identity of the Christ-movement, one of a novel socio-religious kind. At John 9,27, when the Judeans are interrogating the man whom Jesus had cured of blindness for a second time, he asks them, »Why do you want to hear it again? Do you too want to become his disciples?« They revile him for this, sayFor this paragraph, see Esler, From Ioudaioi to Children of God, 125–127; for »God’s kinfolk«, see Bruce J. Malina/Richard H. Rohrbaugh, Social-Science Commentary on the Gospel of John, Minneapolis 1998, 32. 38 On the challenge-and-response dimension to John 8,31–59, see Philip F. Esler, The First Christians in Their Social Worlds, London/New York 1994, 87–88. 37

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ing, »You are his disciples, but we are the disciples of Moses (9,28)«. C. K. Barrett has noted that »Disciples of Moses« was »not a regular term for rabbinic scholars«39. But this is a large understatement given that he is able to cite only one place in rabbinic literature where the expression appears (in a baraitah in Yoma 4a).40 The expression is plainly highly unusual, a point obscured by Craig Keener in saying that it probably »echoes genuine Pharisaic tradition« and then referring to the fact that later rabbis »could speak of ultimately receiving traditions from Moses on Sinai« as if the receipt of traditions from someone in the distant past was in any way comparable to saying they were the disciples of Moses.41 If rabbis after the first century CE did not regard themselves as disciples of Moses, there is even less reason to think any Judeans did at the time of the Johannine Gospel. Nor would we at all expect them to. Consider how Josephus presents Moses in the Contra Apionem (2.151–189). It is certainly not as a teacher with whom Judeans have a discipleship relationship, but as a law-giver (nomothetês). Just as the Athenians had Solon, the Spartans Lycurgus and the Locrians Zaleucus (2.154, 225), so too the Judeans had Moses as their nomothetês (2.154, 156, 161, 165, 173). But Moses was the most ancient of them all (2.154), a figure from the remote past (2.156). It is not Moses as a teacher, but the Law he delivered that counts – enshrining as it does neither a monarchy nor oligarchy nor democracy but a theocratic form of constitution (2.164–5) and listened to by Judeans every week (2.175). The Mosaic Law was a central prop of Judean ethnic identity, forming an important part of what I have noted above Hutchinson and Smith describe as their fourth indicator of ethnic identity, ›a common culture, embracing such things as customs, language and religion‹. John thus falls into error when he attributes to Judeans the idea that they saw themselves as »disciples of Moses«. But it is easy to see why he made this mistake, a mistake that is extremely revealing of the issues of identity in play in his Gospel. The word »disciple« (mathêtês) appears nearly eighty times in John and is also extremely frequent in the other Gospels and in Acts. It denotes a link between Christ-followers and Jesus Christ of a very particular kind. Aware of its central role in the creation and maintenance of Christ-movement identity, John mistakenly projected it onto representatives of another identity altogether, namely, ethnic Judeans. By equating the relationship Christ-followers enjoyed with Jesus with the way Judeans regarded Moses, he inappropriately imagined 39 Charles K. Barrett, The Gospel According to St John. An Introduction with Commentary and Notes on the Greek Text, London 21978, 362. On this point Barrett is noted (in the first edition of his commentary) with evident approval by Raymond E. Brown, The Gospel According to John (I– XII), Bd. 1/3, The Anchor Bible, New York 1966, 374. 40 He obtained this single reference from Strack, Hermann L./Billerbeck, Paul: Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch. Zweiter Band: Das Evangelium nach Markus, Lukas und Johannes und die Apostelgeschichte, München 51969, 2, 535. 41 Craig S. Keener, The Gospel of John. A Commentary, Bd. I, Peabody, MA 2003, 791.

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their world through the prism of his experience. But we should not be too hard on him for this; everyone today who considers that in the New Testament we are dealing with two religions, »Judaism« and »Christianity«, is committing much the same mistake!

6. Conclusion So what sort of identity was that of the Christ-movement? No single epithet captures it. Certainly »religious« begs more questions than it answers. I introduced »socio-religious« above but that is not very much better. In terms of social identity theory, Christ-followers had a strong sense of themselves as a group, experienced certain emotions by virtue of so belonging, and evaluated themselves in relation to various outgroups. They existed mainly as house-based groups, heavily dependent on fictive kinship terminology to express their sense of belonging, with a powerful sense of the presence of God and of their teacher and Lord, Jesus Christ. »Discipleship« and faith capture central behavioural norms and group beliefs. Some of them, in the Pauline mission field for example, by admitting non-Judeans to their community developed an identity that was notably trans-ethnic. For the moment, however, probably the best approach is to bracket the question of which word, if any, best describes their identity. Nor do we need to produce the right expression to be able to appreciate the very different and asymmetrical identities of Judean vis-à-vis Christ-follower or to know that this difference is a vital part of the social context of the first century CE within which the New Testament texts should be interpreted.

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Die Konzeptualisierung des Verhältnisses von Mann und Frau in christlichen Familien des 2. und 3. Jahrhunderts Zur Relation von christlichem Diskurs und sozialer Wirklichkeit Karen Piepenbrink

Einleitung Das Verhältnis von Mann und Frau wird in christlichen Schriften des 2. und 3. Jahrhunderts vielfältig reflektiert. Dies geschieht etwa im Rahmen dogmatischer Kontroversen, speziell mit gnostischen Gruppierungen, die z. T. radikale Positionen zur Ehe vertreten, in apologetischen Texten, wenn christliche Lebenspraxis in Relation zu jener der paganen Umwelt thematisiert wird, oder auch in Traktaten, die Aspekte christlicher Lebensführung erörtern. Die wichtigsten Autoren sind Irenaeus von Lyon, Tertullian und Cyprian im lateinischen Westen sowie Origenes und Clemens von Alexandrien im griechischen Osten. Ihre Vorstellungen zum Verhältnis der Geschlechter sowie zur Ehe sind in der theologischen wie der historischen Forschung bereits des Öfteren diskutiert und kontextualisiert worden.1 Um Redundanz zu vermeiden, möchte ich deren Auffassungen im Folgenden nicht im Detail referieren, sondern konzentriere mich auf die Frage, wie sie in der Beschäftigung mit diesem Themenkomplex das Verhältnis zur paganen Umwelt konzipieren und wie sich diese Konzeptionen zur sozialen Wirklichkeit verhalten.2 Einen Überblick über die Behandlung der Thematik bei den verschiedenen Autoren gibt Barbara Quint, Die Ehe im frühen Christentum (vorkonstantinische Zeit), in: Dies./Jochen Martin (Hrsg.), Christentum und antike Gesellschaft, Darmstadt 1990, 169–208; speziell zu Clemens von Alexandrien, der sich eingehend mit der Kritik an der Ehe befasst und seinerseits eine tendenziell »ehefreundliche« Haltung einnimmt, siehe Jean-Paul Broudéhoux, Mariage et famille chez Clément d’Alexandrie, Paris 1970. 2 Dabei wird – abweichend von radikal konstruktivistischen Positionen – vorausgesetzt, dass soziale bzw. historische Wirklichkeit grundsätzlich zum Gegenstand historischer Forschung erhoben werden kann; siehe zu dem Problemkomplex etwa die Beiträge in Jens Schröter/Antje Eddelbüttel (Hrsg.), Konstruktion von Wirklichkeit. Beiträge aus geschichtstheoretischer, philosophischer und theologischer Perspektive, Berlin/New York 2004. 1

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Zunächst einmal ist zu konstatieren, dass die Relation zum heidnischen Umfeld im christlichen Ehe- und Familiendiskurs des betrachteten Zeitraumes kein prominentes Sujet darstellt.3 Referenztexte unserer Autoren sind vorrangig die einschlägigen Passagen des Neuen Testaments. In ihren Exegesen thematisieren sie entsprechend primär das Verhältnis zur jüdischen Welt, auch noch im 2. und 3. Jahrhundert, als die Auseinandersetzung mit dem Judentum lebenspraktisch an Bedeutung abnimmt.4 Kommt die Ehefrage in theologischen Disputen zur Sprache, ist die Beschäftigung mit der paganen Umwelt nur von geringer Relevanz, ausgenommen den Fall, dass ein Autor seine Kontrahenten zu diskreditieren sucht, indem er ihnen vorhält, sich nicht ausreichend von nichtchristlichen Haltungen und Praktiken zu distanzieren oder mit antiken Philosophemen zu operieren, die er selbst zu christlichen Überzeugungen kontrastiert. Eine höhere Präsenz hat die Thematik in apologetischen Texten, die partiell auch heidnische Adressaten im Blick haben bzw. eine Leserschaft, die bereits einer christlichen Gemeinde angehört, aber pagan sozialisiert ist.5 In sämtlichen Textgattungen nehmen die Autoren zudem auf Leserinnen und Leser Bezug, die zwar ihrerseits christlich geprägt sind, aber mit einem paganen Partner oder sonstigen nichtchristlichen Familienmitgliedern zu tun haben. Insbesondere die Problematik der gemischtreligiösen Ehen merken sie in dem Zusammenhang immer wieder an.6 Wenn christliche Autoren die Beziehung von Mann und Frau in einer Ehe unter Christen in Relation zu jener unter Nichtchristen besprechen, gelangen sie zu stark divergierenden Einschätzungen: Teils werden prinzipielle Gegensätze insinuiert, teils augenfällige Parallelen herausgestrichen.

1. Differenzen zur paganen Umwelt Unterschiede werden vor allem in Zusammenhängen markiert, in denen Autoren sich um die Konzeption einer christlichen Ehe bemühen und diese u. a. über die Differenz zur Ehe unter pagani explizieren. Zentrale Aspekte, die dabei regelmäßig erörtert werden, sind abweichende Einstellungen zum Ehebruch, zur Ehescheidung, zur Funktion von Sexualität in der Ehe oder zu möglichen 3 Dies gilt für die Ehethematik generell, zu der sich zwar zahlreiche Bemerkungen finden, die aber nur selten systematisch behandelt wird; vgl. Derrick S. Bailey, Mann und Frau im christlichen Denken, Stuttgart 1963 (engl. Orig. 1959), 26; Quint, Ehe, 196–197. 4 Siehe z. B. Tert. uxor. 1,2; Tert. monog. 6–7. 5 Zu Adressatenkreis und Leserschaft christlicher Apologien siehe z. B. Klaus Rosen, Von der Torheit für die Heiden zur wahren Philosophie. Soziale und geistige Voraussetzungen der christlichen Apologetik des 2. Jahrhunderts, in: Raban v. Haehling (Hrsg.), Rom und das himmlische Jerusalem. Die frühen Christen zwischen Anpassung und Ablehnung, Darmstadt 2000, 124–151. 6 Siehe etwa Tert. uxor. 2,2.7.

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Ehehindernissen. Dass unsere Autoren zu all diesen Themenbereichen Positionen formulieren, die sie mit genuin christlichen Begründungen versehen, ist bekannt. Folgt aus der spezifischen Begründung aber auch in der Sache eine grundsätzliche Diskrepanz zu Haltungen der pagani? Für den Ehebruch gilt das nicht in der Pauschalität, die beispielsweise Justin und Minucius Felix in ihren apologetischen Schriften oder Cyprian in seinem Werk Ad Donatum suggerieren. Diese gehen übereinstimmend davon aus, dass pagani Ehebruch tolerierten, wenn nicht gar goutierten, was sie besonders mit Hinweis auf die entsprechenden Mythen begründen.7 Letztere aber leisten zweifelsohne kein Abbild der sozialen Wirklichkeit: Ehebruch mit einer verheirateten Frau gilt auch in der griechisch-römischen Antike als eklatantes Fehlverhalten. In Rom wird bereits in republikanischer Zeit von einem Ehemann erwartet, dass er sich von seiner Gattin trennt, wenn diese Ehebruch begangen hat. Kommt er dem nicht nach, ist er sozial diskreditiert. Mit der Lex Claudia de adulteriis des Augustus wird der Gegenstand staatlicherseits gesetzlich geregelt: Adulterium wird danach als öffentliches Vergehen eingestuft, das unter bestimmten Bedingungen sogar von Außenstehenden zur Anzeige gebracht werden kann.8 Den christlichen Autoren ist zweifellos zuzustimmen, wenn sie ein christliches Spezifikum in der Einschätzung ausmachen, dass bereits von Ehebruch zu sprechen sei, wenn eine verheiratete Person eine andere allein ansehe, um sie zu begehren, bzw. lediglich der Wille zum Ehebruch vorliege.9 Einen Ehebruch »im Herzen« und dessen weitgehende Gleichsetzung mit einem real vollzogenen Bruch der Ehe kennt die pagane Welt nicht. Auch die Position, dass, wer eine geschiedene Frau heiratet, Ehebruch begeht oder seine Gattin zum Ehebruch veranlasst, wenn er sie aus der Ehe entlässt,10 wäre für einen nichtchristlichen Römer unverständlich. Eine weitere Abweichung besteht aus Sicht unserer Autoren darin, dass aus christlicher Perspektive hinsichtlich des Ehebruchs nicht zwischen den Geschlechtern differenziert werden solle. Gerade dies aber ist offenbar selbst unter Christen nur schwer zu kommunizieren.11 Seitens des Staates wird diesbezüglich im betrachteten Zeitraum klar zwischen den Geschlechtern unterschieden: So hat eine Frau keine Möglichkeit, ihren Mann wegen Ehebruchs Cypr. ad Donat. 8; Iustin. apol. 2,12; Min. Fel. Oct. 31,4. Siehe dazu Judith Evans-Grubbs, »Pagan« and »Christian« Marriage. The State of the Question, in: Journal of Early Christian Studies 2 (1994), 361–412: 379. 9 Z. B. Athenag. leg. 32; Iustin. apol. 1,15; Tert. idol. 2; Tert. pudic. 6; Theophil. Autol. 3,13. 10 Zu der Vorstellung etwa Clem. strom. 2,146,2 unter Rekurs auf Mt 5,32; 19,9; Mk 10,11; Lk 16,18. 11 Noch in der Spätantike äußern viele Christen diesbezüglich Unverständnis; hierzu mit Quellen- und Literaturhinweisen Karen Piepenbrink, Christliche Identität und Assimilation in der Spätantike. Probleme des Christseins in der Reflexion der Zeitgenossen, Frankfurt/M. 2005, 224. 7 8

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zu verklagen. Sie hat lediglich die Chance, die Trennung zu initiieren und ihre Mitgift zu reklamieren. Der Mann hingegen kann sich von seiner Frau, wenn sie Ehebruch begangen hat, trennen und sie im Anschluss noch gerichtlich belangen.12 Selbst in der konstantinischen Gesetzgebung zur Ehescheidung, die zumindest zum Teil christlich inspiriert scheint, werden Mann und Frau noch sehr verschieden behandelt.13 Von diesen Merkmalen abgesehen, liegt die zentrale Differenz zwischen christlichen und nichtchristlichen Einstellungen nicht in dem Umstand, dass die pagane Welt Ehebruch billigt, sondern dass sie ihn nur in den Fällen annimmt, in denen die beteiligte Frau verheiratet ist und über den Bürgerstatus verfügt, sei es den römischen oder jenen einer provinzialen Stadt. Eine außereheliche Affäre mit einer unverheirateten Frau bzw. einer Freigelassenen oder Sklavin gelten nach römischem Recht nicht als Ehebruch (adulterium). Das aber bedeutet nicht, dass solches Verhalten toleriert würde. Hier kann es zu Konflikten mit dem Vater oder Vormund der betroffenen Frau bzw. dem Besitzer der Sklavin kommen. Beim Verkehr mit einer unverheirateten freien Frau ist überdies eine Klage wegen »Unzucht« (stuprum) möglich.14 Im Hinblick auf die Scheidung weicht die von Christen propagierte Haltung erheblich von römischen Usancen ab. Im 2. und 3. Jahrhundert sind staatlicherseits nicht einmal Scheidungsgründe erforderlich. Minucius Felix geht davon aus, dass die libertinäre Haltung der pagani auch zu dieser Thematik durch ihre kulturelle Prägung durch Mythen zu erklären sei.15 Dass die Trennung gesellschaftlich nicht problematisiert wird und auch juristisch kaum Hinderungsgründe bestehen, ist für die soziale Praxis ohne Zweifel bedeutsam. Die Ursachen für die Diskrepanz dürften aber auf einer anderen Ebene zu suchen sein, als Minucius Felix in seinen polemischen Bemerkungen suggeriert: Die historische Forschung nimmt an, dass die vergleichsweise hohe Zahl von Trennungen kein gesamtgesellschaftliches Phänomen darstellt, sondern besonders in der sozialen Elite praktiziert wird. Dies hat mit der Tatsache zu tun, dass Eheschließungen dort eingesetzt werden, um politisch relevante Bindungen zu knüpfen, die je nach Bedarf gelöst und neu hergestellt werden. Im Prinzipat wird auf dem Weg besonders versucht, Kaisernähe zu gewinnen. Der Umfang der Scheidungen lässt sich überlieferungsbedingt kaum seriös beziffern. Judith Evans-Grubbs, »Pagan« and »Christian« Marriage, 379–380. Judith Evans-Grubbs, Law and Family in Late Antiquity. The Emperor Constantine’s Marriage Legislation, Oxford 1995, bes. 205–216. 14 Zur Unterscheidung von adulterium und stuprum im kaiserzeitlichen römischen Recht siehe Dig. 48,5,35: Stuprum committit, qui liberam mulierem consuetudinis causa, non matrimonii, continet, excepta videlicet concubina. Adulterium in nupta admittitur, stuprum in vidua vel virgine vel puero committitur; zur Bedeutung dieser Delikte in der augusteischen Gesetzgebung siehe Angelika Mette-Dittmann, Die Ehegesetze des Augustus. Eine Untersuchung im Rahmen der Gesellschaftspolitik des Princeps, Stuttgart 1991, 34. 15 Min. Fel. Oct. 31,4. 12 13

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Evans-Grubbs hat vor einigen Jahren die These vertreten, dass Scheidungen auch im Senatorenstand nicht so stark verbreitet gewesen seien, wie oft vermutet wird. Die Annahme, dass Trennungen hier an der Tagesordnung gewesen seien, beruht ihren Beobachtungen zufolge primär auf Bemerkungen etwa bei Seneca, Martial oder Juvenal, die keinesfalls ein Abbild sozialer Wirklichkeit präsentieren, sondern sich von stadtrömischen Praktiken dezidiert distanzieren wollen.16 In einer prosopographischen Studie, die von der augusteischen Zeit bis etwa 200 n. Chr. reicht, weist sie unter 562 namentlich bekannten Frauen lediglich 51 Scheidungen nach.17 Auch hinsichtlich der Funktion der Sexualität in der Ehe und den Bestrebungen, dem Partner attraktiv zu erscheinen, sind die Differenzen nicht so ausgeprägt, wie einige christliche Autoren zu vermitteln suchen, etwa wenn sie formulieren, dass die Sexualität in Ehen unter pagani nicht primär der Zeugung, sondern der Lust diene.18 Selbst Tertullian konzediert, dass auch Christinnen und Christen bestrebt seien, dem Partner durch ihre äußere Erscheinung zu gefallen und dazu allerlei Anstrengungen unternähmen.19 Dies wird von christlichen Autoren zum Teil als Devianz von christlichen Normen und Verharren bei paganen Praktiken gewertet. So erwähnt Cyprian die Verwendung von Schminke in einem Atemzug mit der Bereitschaft, Ehen mit pagani einzugehen, und bezeichnet dies als eines der Fehlverhalten von Christen, die er als Ursachen für die Verfolgungen unter Kaiser Decius betrachtet.20 Daneben begegnet aber auch die Position, dass solches Verhalten selbstverständlich Teil der Ausrichtung auf den Ehepartner sei, die nahezu notwendig mit der Ehe verbunden ist. Letzteres findet sich besonders in Kontexten, in denen zugunsten von Virginität oder Witwenschaft argumentiert wird, wo anders als in der Ehe eine exklusive Ausrichtung auf Gott möglich sei.21 Überdies ist zu dem Themenkomplex zu bemerken, dass die Vorstellung, dass der Zweck der Ehe in der Zeugung von Kindern zu suchen sei und eheliche Sexualität eben darin ihre Bestimmung habe, auch unter pagani prädominiert.22 In literarischen Zeugnissen finden wir zwar Hinweise darauf, dass wechselseitiges Begehren besonders in jungen Ehen nicht unüblich ist; in philosophischen Texten, speziell solchen stoischer Provenienz, werden jedoch – z. T. mit den gleichen Argumenten, deren sich christliche Autoren bedienen – Mäßigung

Evans-Grubbs, »Pagan« and »Christian« Marriage, 369. Evans-Grubbs, »Pagan« and »Christian« Marriage, 367. 18 Vgl. Tert. cult. fem. 2,4. 19 Tert. castit. 12; Tert. cult. fem. 2,1.4. 20 Cypr. laps. 6. 21 Cypr. hab. virg. 9; Tert. pudic. 16. 22 Dazu etwa Suzanne Dixon, The Roman Family, Baltimore/London 1992, 86; vgl. auch Dies., Sex and the Married Woman in Ancient Rome, in: David L. Balch/Carolyn Osiek (Hrsg.), Early Christian Families in Context. An Interdisciplinary Dialogue, Grand Rapids/Cambridge 2003, 111–129. 16 17

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und Selbstbeherrschung propagiert.23 Überdies gestaltet es sich problematisch, aus den entsprechenden kaiserzeitlichen Dichtungen, die intensive emotionale Beziehungen unter Ehepartnern suggerieren, auf die soziale Wirklichkeit zu schließen. Die grundlegende Diskrepanz zwischen Christen und Heiden scheint mir in dem Zusammenhang weniger in der Einschätzung der Sexualität innerhalb als vielmehr außerhalb der Ehe zu liegen. Weitere markante Abweichungen machen christliche Autoren in der Einstellung zu standesrechtlichen Heiratsbeschränkungen aus, von denen sich die Kirche distanziert, die in der römischen Gesellschaft der Kaiserzeit aber weit verbreitet sind, besonders für Angehörige des Senatorenstandes. Damit einher geht die Ablehnung des Konkubinats durch Christen, der in der paganen Welt bedeutsam ist, um längerfristig angelegte Verbindungen unter Personen zu ermöglichen, die kein matrimonium iustum schließen können.24 Rechtspraktisch ist die christliche Position in vorkonstantinischer Zeit freilich nicht von Bedeutung. Bislang haben wir Beispiele betrachtet, bei denen christliche Autoren Differenzen zwischen christlich und pagan perzipieren, die aus Sicht der heutigen Forschung zum Teil soziale Wirklichkeit widerspiegeln, großenteils aber deutlich von dieser abweichen. Daneben lassen sich prinzipielle Unterschiede konstatieren, die von den Autoren nicht als solche benannt werden – weniger weil sie ihnen nicht bewusst geworden wären, als vielmehr aufgrund der Tatsache, dass die Abgrenzung zu paganen Haltungen für sie hier offenbar nicht relevant ist. Dabei handelt es sich gerade um Aspekte, bei denen die Differenz zur heidnischen Umwelt besonders groß ist. Das gilt etwa für die aus christlicher Sicht zentrale Vorstellung, dass die Ehepartner sich wechselseitig »heiligen« (sanctificare) können, wenn sie einander in ihrem Glauben stärken. Ein Bezug auf die pagane Welt ist nur dort von Belang, wo dieser Gesichtspunkt angeführt wird, um in Hinsicht auf gemischtreligiöse Ehen gegen religiös motivierte TrennunVgl. Dale B. Martin, Paul Without Passion. On Paul’s Rejection of Desire in Sex and Marriage, in: Halvor Moxnes (Hrsg.), Constructing Early Christian Families. Family as Social Reality and Metaphor, London/New York 1997, 201–215, bes. 205–207 mit Verweis auf Martha Nussbaums Studie zum diesbezüglichen stoischen Diskurs (Martha C. Nussbaum, The Therapy of Desire. Theory and Practice in Hellenistic Ethics, Princeton 1994). 24 Zur Differenzierung von matrimonia iusta und iniusta siehe Susan Treggiari, Roman Marriage. Iusti coniuges from the Time of Cicero to the Time of Ulpian, Oxford 1991, bes. 49–51; zur christlichen Haltung in Abgrenzung zu den Bestimmungen des römischen Staates siehe Régis-Claude Gerest, Als die Christen noch nicht in der Kirche heirateten, in: Jochen Martin/Barbara Quint (Hrsg.), Christentum und antike Gesellschaft, Darmstadt 1990, 209–240 (zuerst 1967); zur christlichen Position auch Charles Munier, Ehe und Ehelosigkeit in der Alten Kirche (1.–3. Jahrhundert), Bern u. a. 1987, 105–106 (aus dem Franz. von Annemarie Spoerri); zur Bewertung des römischen Konkubinats aus christlicher Perspektive siehe Elisabeth Herrmann, Ecclesia in republica. Die Entwicklung der Kirche von pseudostaatlicher zu staatlich inkorporierter Existenz, Frankfurt/M. u. a. 1980, 108–115. 23

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gen zu argumentieren. Ein anderes Phänomen, bei dem die Abweichung von der heidnischen Umgebung so fundamental ist, dass eine Argumentation mit ihr nicht zielführend wäre, ist etwa die zeitweilige sexuelle Abstinenz in der Ehe zum Zweck der verstärkten Ausrichtung auf Gott oder auch der Verzicht auf eine Eheschließung mit der gleichen Motivation.25 Ähnlich verhält es sich mit Annahmen, die an eschatologische Erwartungen geknüpft sind, etwa die Vorstellung, dass mit der Aufhebung der Dichotomie Mann-Frau auch die Ehe nicht mehr existieren werde.26 Eine weitere entscheidende Differenz zwischen christlichen Aussagen zum Themenbereich Ehe und der paganen Welt, die wiederum nicht expliziert wird, ist in der geringen Relevanz der Familie in christlichen Schriften zu sehen. Betrachtet man die einschlägigen Textpassagen, so fällt auf, dass die Autoren sich zumeist auf die Mann-Frau-Beziehung konzentrieren, wobei ihr Fokus sich entweder auf das Paar richtet oder sie die Perspektive eines der beiden Partner, meist jene der Frau, wählen. Daneben kann die Relation von Eltern und Kindern in den Blick genommen werden oder auch ihr Verhältnis zu den im Haus lebenden Sklaven. Eine darüber hinausgehende Verortung der Ehe innerhalb der Familie findet hingegen kaum statt. Hier ist ein grundlegender Unterschied zum traditionell römischen Verständnis auszumachen, bei dem die Beziehung der Partner zueinander oder ihre Haltung zu den Kindern gewöhnlich nicht isoliert betrachtet, sondern in den Kontext der Familie gestellt werden. Rollenerwartungen resultieren dort nicht allein aus der Stellung als Ehemann/Ehefrau bzw. Vater/Mutter, sondern zusätzlich aus der Position in der Familie als Ganzer. Dabei ist von Bedeutung, ob die Frau in die Familie des Ehemannes eintritt oder in der Natalfamilie verbleibt, was im von uns betrachteten Zeitraum die Regel ist.27 Beide Partner stehen in Beziehung zu verschiedenen agnatischen und kognatischen Verwandten, die nicht zuletzt spezielle Funktionen bei der Erziehung der Kinder übernehmen.28 All diese Phänomene begegnen im christlichen Ehediskurs kaum, auch nicht im 2. und 3. Jahrhundert, als sich das Christentum zunehmend im Römischen Reich assimiliert. Ist von »Brüdern« und »Schwestern« eines Ehemannes oder einer Ehefrau die Rede, meint dies in aller Regel keine leiblichen Verwandten, sondern Angehörige der christlichen

Zu letzterem z. B. Athenag. leg. 33. Clem. paed. 1,10,3. Eine vergleichbare Argumentation findet sich bei Tertullian; hierzu Quint, Ehe, 179. 27 Zur Differenzierung von Manusehe und manusfreier Ehe siehe etwa Treggiari, Roman Marriage, 16–36. 28 Dazu Maurizio Bettini, Familie und Verwandtschaft im antiken Rom, Frankfurt/ New York 1992 (ital. Orig. 1986), bes. 13–14; Richard P. Saller, Roman Kinship: Structure and Sentiment, in: Beryl Rawson/Paul Weaver (Hrsg.), The Roman Family in Italy. Status, Sentiment, Space, Canberra/Oxford 1997, 7–34; Ann-Cathrin Harders, Suavissima soror. Untersuchungen zu den Bruder-Schwester-Beziehungen in der römischen Republik, München 2008, bes. 317.320 (mit Ausblick auf die Kaiserzeit). 25

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Gemeinde.29 Familiäre Beziehungen werden hier metaphorisch verwendet, um das Verhältnis unter Gemeindeangehörigen zu illustrieren.30 Bei der Thematisierung der Ehe wird vielfach eine Einzelperson, Mann oder Frau, vorgestellt, die im Begriff ist, eine Ehe einzugehen oder bereits in einer Ehe lebt und sich mit den Erwartungen und dem Verhalten des Partners auseinandersetzt. Dabei ist vorausgesetzt, dass die betreffende Person selbstverantwortlich über ihre Lebensform entscheidet. Sie orientiert sich dabei – so die Überlegung – zunächst einmal an ihren persönlichen Bedürfnissen. Tertullian demonstriert dies etwa im Zusammenhang mit Überlegungen von Witwen zu einer etwaigen zweiten Ehe: Die dabei relevanten Motive charakterisiert er als »fleischliches« bzw. »weltliches Begehren« (concupiscentia carnalis resp. concupiscentia saeculi).31 Bei letzterem denkt er besonders an die auch unter Christen gängige Position, dass die Ehe für die Frau unumgänglich sei, um ihre materielle Versorgung sicherzustellen.32 Von möglichen Erwartungen ihrer Ursprungsfamilie oder der Familie ihres verstorbenen Ehemannes ist dabei nicht die Rede. Tertullian nennt zwar Personen, die versuchten, auf die Frau Einfluss zu nehmen, offensichtlich andere Frauen, tituliert diese aber als »geschwätzige, müßige, trunkene und neugierige Gefährtinnen« (loquaces, otiosae, vinosae, curiosae contubernales),33 ohne zu präzisieren, um welche Personen es sich handelt und in welchem Verhältnis diese zur betreffenden Frau stehen. Bei einer Witwe besteht zweifelsohne eine Besonderheit darin, dass ihr pater familias meist nicht mehr am Leben und sie daher sui iuris ist, was ihr hinsichtlich einer zweiten Eheschließung einen größeren Entscheidungsfreiraum gewährt, als er bei der ersten Ehe gewöhnlich existiert. Das aber dürfte bei Tertullian nicht von Belang sein. Ihm kommt es an der Stelle wesentlich darauf an, die von ihm Siehe etwa Athenag. leg. 32; vgl. Tert. apol. 39. Zu dem Phänomen Eva Marie Lassen, The Roman Family: Ideal and Metaphor, in: Halvor Moxnes (Hrsg.), Constructing Early Christian Families. Family as Social Reality and Metaphor, London/New York 1997, 103–120: bes. 103; Reidar Aasgaard, Brotherhood in Plutarch and Paul: Its Role and Character, in: Moxnes (Hrsg.), Constructing Early Christian Families, 166–182: bes. 178–180; Christine Gerber, Familie als Bildspender, in: Kurt Erlemann u. a. (Hrsg.), Neues Testament und antike Kultur, Bd. 2: Familie, Gesellschaft, Wirtschaft, Neukirchen-Vluyn 2005, 48–52; Carolyn Osiek, What We Do and Don’t Know About Early Christian Families, in: Beryl Rawson (Hrsg.), A Companion to Families in the Greek and Roman Worlds, Oxford 2011, 198–213: 211. 31 Tert. uxor. 1,4,5; zu der Stelle speziell mit Blick auf die soziale Zugehörigkeit der angesprochenen Frauen siehe Georg Schöllgen, Ecclesia sordida? Zur Frage der sozialen Schichtung frühchristlicher Gemeinden am Beispiel Karthagos zur Zeit Tertullians, Münster 1984, 207–208; zur Position Tertullians zu einer zweiten Ehe auch Roland Goeden, Zur Stellung von Mann und Frau, Ehe und Sexualität im Hinblick auf Bibel und Alte Kirche. Diss. Göttingen 1969, 111. 32 Tert. uxor. 1,4–5; vgl. Tert. monog. 16; zu der Thematik mit weiteren Quellenbelegen siehe Jens-Uwe Krause, Witwen und Waisen im Römischen Reich, Bd. 4: Witwen und Waisen im frühen Christentum, Stuttgart 1995, 109. 33 Tert. uxor. 1,8,5. 29 30

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für eine zweite Ehe genannten Motive als »weltlich« zu klassifizieren und sie mit einer explizit christlichen Haltung zu kontrastieren. Die Witwe ist seinem Verständnis nach mit einem Normenkonflikt konfrontiert, indem sie zwischen »weltlichen« und »christlichen« Verhaltenserwartungen abwägen muss. Die Tatsache, dass die als »weltlich« eingeschätzten Normen mit bestimmten sozialen Bezugsgruppen assoziiert sind, ist für ihn nicht relevant. Dies zu thematisieren, wäre gar kontraproduktiv, da so deutlich würde, dass der Entschluss der Einzelnen von zahlreichen Faktoren abhängt und sich damit diffiziler gestaltet, als wenn man von der freien Wahl ausgeht. In der sozialen Wirklichkeit verhält es sich historischen Forschungen zufolge anders: Keith Bradley etwa hat auf der Basis umfangreicher empirischer Studien eine Reihe von Kernmerkmalen römischer Ehe ermittelt und dabei u. a. festgestellt, dass Ehe und Kinderzeugung eher als gesellschaftliche Pflicht denn als Resultat persönlicher Entscheidung begriffen werden.34 Ehen werden vielfach vom Vater arrangiert.35 Auch dass Mütter gewöhnlich Einfluss nehmen, ist literarisch bezeugt.36 Zwischen Christen und Nichtchristen existieren in der Hinsicht offenbar keine grundlegenden Differenzen. Welche Gründe lassen sich für die weitgehende Absenz der Familie im genannten Kontext im christlichen Diskurs annehmen? Ein Moment, das in dem Zusammenhang zu berücksichtigen ist, ist, dass die traditionelle römische Familie, mit der Historiker zumeist operieren, vor allem ein Phänomen der sozialen Eliten ist. Die Mehrzahl der Christen entstammt nach heutigem Forschungsstand den mittleren sozialen Schichten, in denen die Kernfamilie vorherrscht und Seitenverwandte von geringerer Bedeutung sind als im Senatorenstand.37 Anders steht es bei der Bezugnahme auf die Ahnen, die kein reines Oberschichtenphänomen ist, auch wenn sie hier besondere Formen annimmt.38 Die Parentalia etwa werden in weiten Kreisen begangen und auch von Christen ist bekannt, dass sie sich hieran beteiligen.39 Gleichwohl handelt es sich um Keith Bradley, Discovering the Roman Family. Studies in Roman Social History, Oxford 1991, 171. 35 Zum Arrangement von Ehen siehe Suzanne Dixon, From Ceremonial to Sexualities. A Survey of Scholarship on Roman Marriage, in: Beryl Rawson (Hrsg.), A Companion to Families in the Greek and Roman Worlds, Oxford 2011, 245–261, bes. 248. 36 Dixon, Roman Family, 50. 37 Gleichwohl umfasst der einzelne Haushalt auch hier in den meisten Regionen des Reiches in der Regel nur die Kernfamilie; siehe dazu Dixon, Roman Family, 7; Sabine R. Hübner, Household Composition in the Ancient Mediterranean – What Do We Really Know?, in: Beryl Rawson (Hrsg.), A Companion to Families in the Greek and Roman Worlds, Oxford 2011, 73–91. 38 Zu den Formen römischen Ahnenkultes in der Nobilität, die sich in republikanischer Zeit herausbilden, siehe Harriet I. Flower, Ancestor Masks and Aristocratic Power in Republican Culture, reprint Oxford 1996. 39 Diese Problematik wird besonders in der Spätantike im christlichen Diskurs eingehend diskutiert; siehe zu der Thematik etwa Paul-albert Février, Kult und Geselligkeit. Überlegungen zum Totenmahl, in: Jochen Martin/Barbara Quint (Hrsg.), Christentum 34

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ein paganes Fest. Inwieweit Christen an Familienfesten teilnehmen können, die pagan konnotiert sind, ist ein bei christlichen Autoren verbreitetes Thema, das aber im von uns untersuchten Zeitraum weniger im Zusammenhang mit der Familie erörtert wird als vielmehr mit der Idololatrie. Ein berühmtes Beispiel sind die Ausführungen Tertullians, der trotz seiner – auch in den Phasen, in denen er nicht dem Montanismus anhängt – vergleichsweise rigorosen Positionen Christen die Teilnahme an Familienfestivitäten keineswegs untersagt, sofern es sich nicht ausdrücklich um Einladungen zum Opfer handelt.40 Eine andere Ursache dürfte im Christentum selbst zu suchen sein. So ist die Familie als sozialer Verband weniger leicht in christlichem Sinne konvertierbar als die Ehe. Das gilt unabhängig davon, dass Familie vielfältig als Metapher verwendet wird. Bei der Ehe lässt sich herausstellen, dass die Partner sich wechselseitig heiligen können, die Kinderzeugung kann als Partizipation an der Schöpfung interpretiert werden. Die Familie lässt sich jedoch kaum entsprechend deuten, insbesondere dann nicht, wenn etliche ihrer Mitglieder gar keine Christen sind, was im 2. und 3. Jahrhundert in den meisten Regionen des Reiches die Regel sein dürfte. Die weitere Familie kann hingegen dort in den Blick genommen werden, wo sie einen Christen in der Praktizierung seines Glaubens beeinträchtigt. Das wird in unserer Zeit vor allem im Kontext von Verfolgungen besprochen, wo Familienmitglieder, die ihrerseits Christen oder Nichtchristen sein können, einen Christen resp. eine Christin zu hindern suchen, das Martyrium auf sich zu nehmen.41 In späteren Quellen kommt die Entscheidung für eine asketische conversio hinzu, welche seitens der Verwandtschaft vielfach massive Kritik erfährt.42 und antike Gesellschaft, Darmstadt 1990, 358–390 (zuerst 1977). Besonders schwierig gestaltet sich die Abgrenzung aus christlicher Perspektive, wenn derartige Mähler im Kontext von Märtyrergedenktagen abgehalten werden; zur »Vermengung« von Totenkult und Märtyrerkult etwa Theodor Klauser, Das altchristliche Totenmahl nach dem heutigen Stand der Forschung, in: Ders., Gesammelte Aufsätze zur Liturgiegeschichte, Kirchengeschichte und christlichen Archäologie, Münster 1974, 114–120, bes. 115 (zuerst in: Theologie und Glaube 20 [1928], 599-608); zur Auseinandersetzung beispielsweise des Augustinus mit dieser Problematik siehe u. a. Wilhelm Gessel, Reform von Märtyrerkult und Totengedächtnis. Die Bemühungen des Presbyters Augustinus gegen die laetitia und die parentalia vom Jahre 395, in: Remigius Bäumer (Hrsg.), Reformatio ecclesiae. Beiträge zu kirchlichen Reformbewegungen von der Alten Kirche bis zur Neuzeit, Paderborn 1980, 63–73. 40 Tert. idol. 16. 41 P. Perp. 2-6; Clem. q.d.s. 22,7; 23,1–2. 42 Dazu Peter Brown, Die Bedeutung der Jungfräulichkeit in der frühen Kirche, in: Bernard McGinn/John Meyendorff/Jean Leclerc (Hrsg.), Geschichte der christlichen Spiritualität, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum 12. Jahrhundert, Würzburg 1999, 423– 435: 423 (zuerst 1985); Ders., The Body and Society. Men, Women and Sexual Renunciation in Early Christianity, New York 1988, 343–344; Karen Piepenbrink, Christliche Konversion in der Außenperspektive. Ausonius und die asketische conversio des Paulinus von Nola, in: Eberhard Bons (Hrsg.), Der eine Gott und die fremden Kulte. Exklusi-

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Derartiges betrifft gleichwohl nur eine Minderheit der Christen und stellt im 2. und 3. Jahrhundert kein prominentes Thema dar.

2. Parallelen zur paganen Umwelt Daneben werden von unseren Autoren auch Parallelen im Verhältnis von Mann und Frau unter Christen und Nichtchristen ausgemacht, die sie prononciert herausstreichen. Das gilt etwa für das Ideal der univira, das vor allem im Kontext der Debatte um die Witwenschaft angeführt wird, um zu kommunizieren, dass das christliche Ideal des Verzichts auf Wiederverheiratung durchaus Affinitäten zur paganen Welt aufweise und daher nicht als unverhältnismäßig rigoros zurückgewiesen werden dürfe.43 Ergänzend kann auf die Superiorität des Christentums verwiesen werden, etwa dergestalt, dass den Christen aufgrund ihrer eschatologischen Perspektive sehr viel Größeres in Aussicht gestellt sei als pagani, wenn sie sich an den jeweils propagierten Werten orientieren, oder dass für den Christen bei Normverstoß prinzipiell mit einer Sanktion zu rechnen sei, da er ja von Gott bestraft werde, dem im Unterschied zu einem menschlichen Richter nichts entgehe.44 Folglich sollte es ihnen – so eine gängige Folgerung – sogar leichter fallen als den Heiden, sich entsprechend zu verhalten. Ein anderer Aspekt, der vor allem in apologetischen Kontexten gern genannt und damit auch mit Blick auf nichtchristliche Adressaten thematisiert wird, ist jener, dass Christen gar in höherem Grade in Übereinstimmung mit traditionell römischen Werten handelten als die Römer selbst, die von diesen längst abgefallen seien.45 Dabei wird auf die Dekadenztopik Bezug genommen, die seit der republikanischen Zeit in der römischen Literatur traktiert wird und auf die auch Augustus bei der Präsentation seiner Familiengesetzgebung rekurriert.46

ve und inklusive Tendenzen in den biblischen Gottesvorstellungen, Neukirchen-Vluyn 2009, 121–148, bes. 142–143. 43 Siehe z. B. Tert. uxor. 1,6; zu diesem Ideal und seinem Verhältnis zu paganen Vorstellungen in Prinzipat und Spätantike siehe Bernhard Kötting, Die Beurteilung der zweiten Ehe in der Spätantike und im frühen Mittelalter, in: Ders., Ecclesia peregrinans. Das Gottesvolk unterwegs. Gesammelte Aufsätze, Bd. 1, Münster 1988, 250–261 (zuerst 1982): 250; Ders., Die Bewertung der Wiederverheiratung (der zweiten Ehe) in der Antike und in der frühen Kirche, Opladen 1988, bes. 18–19 (mit Schwerpunkt auf dem epigraphischen Befund); Christine Steininger, Die ideale christliche Frau. Virgo – vidua – nupta. Eine Studie zum Bild der idealen Frau bei Hieronymus und Pelagius, St. Ottilien 1997, 38; eine knappe Übersicht über die Forschungskontroversen speziell zum Verständnis in den ersten drei Jahrhunderten gibt Christine Mühlenkamp, »Nicht wie die Heiden«. Studien zur Grenze zwischen christlicher Gemeinde und paganer Gesellschaft in vorkonstantinischer Zeit, Münster 2008, 62–67. 44 Vgl. Athenag. leg. 32. 45 Siehe z. B. Tert. apol. 3.6. 46 Dixon, Roman Family, 21–22, Mette-Dittmann, Ehegesetze, bes. 13–14.

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Überdies sind Aussagen über Parallelen zwischen Ehen unter Christen und unter pagani in Zusammenhängen auszumachen, in denen die Ehe eher pejorativ bewertet wird. Ein Beispiel, das ich oben schon erwähnt habe, ist die Problematik der Ausrichtung auf den Partner und die Notwendigkeit, seinen Gefallen zu finden. Ein anderes ist der Hinweis auf die hierarchische Struktur der Ehe, welche sich bereits in der klassischen Oikosliteratur findet und von christlichen Autoren appropriiert wird.47 So betrachten etwa Cyprian oder Tertullian im Hinblick auf die Frau einen Vorzug der Ehelosigkeit darin, dass sie allein Christus als Herren habe, wohingegen die Ehefrau sich (zusätzlich) ihrem Gatten unterordnen müsse.48 Weitere beliebte Exempla sind der Schmerz bei der Geburt und die Sorge um die Kinder.49 Tertullian bemerkt, dass auch viele pagani dies fürchteten, so dass sie eigens mit Gesetzen dazu angehalten werden müssten – gemeint ist die Ehegesetzgebung des Augustus wie auch jene nachfolgender Kaiser.50 Er mokiert sich an der Stelle über Christen, die trotz alledem Ehen eingehen und Kinder zeugen und damit ein Verhalten zeigen, welches selbst die Heiden schon kritisch reflektiert hätten.51 Athenagoras konstatiert in seiner Apologie ebenfalls, dass Christen und Nichtchristen sich im Hinblick auf die Ehe nicht grundsätzlich unterschieden, moniert dies auch, führt es aber auf die condicio humana zurück, welche für Christen wie Nichtchristen in gleicher Weise gelte.52 Neben Parallelen, die von den Autoren als solche markiert werden, lassen sich weitere ausmachen, die nicht entsprechend präsentiert werden. Hier handelt es sich vor allem um Beispiele, bei denen die Affinität zur paganen Umwelt besonders ausgeprägt ist. Zu nennen sind etwa die Vorstellungen zu den Geschlechterrollen im Haushalt. Insbesondere die Erwartungen an die Frau, die generell stärker thematisiert werden als jene an den Mann, sind hier nahezu identisch mit jenen der Umwelt: So hat die Frau sich etwa durch »Sittsamkeit« (pudicitia) auszuzeichnen und sich im Haus um die Herstellung und Verarbeitung der Wolle zu kümmern. Derartige Formulierungen finden sich nicht nur in literarischen Zeugnissen,53 sondern auch in der Funerärepigraphik.54 Diese 47 Hierzu mit Belegen und Literaturhinweisen Christina Urban, Die Rolle der Familienmitglieder, in: Kurt Erlemann u. a. (Hrsg.), Neues Testament und antike Kultur, Bd. 2: Familie, Gesellschaft, Wirtschaft, Neukirchen-Vluyn 2005, 17–21, bes. 20. 48 Cypr. hab. virg. 22; Tert. cult. fem. 1,1. 49 Cypr. hab. virg. 22. 50 Tert. castit. 12; vgl. Tert. uxor. 1,5; zu dieser Argumentation Tertullians siehe Herrmann, Ecclesia, 98–99. 51 Das gleiche Argument findet sich bei Clemens von Alexandrien, der als Beispiel den Philosophen Demokrit anführt: Clem. strom. 2,138,3. 52 Athenag. res. 12.21. 53 Zum Befund in philosophischen und populärphilosophischen Schriften etwa Carolyn Osiek/David L. Balch, Families in the New Testament World. Household and House Churches, Louisville/Kentucky 1997, 63. 54 Hierzu mit Belegen Treggiari, Roman Marriage, 243–251; Geoffrey S. Nathan, The Family in Late Antiquity. The Rise of Christianity and the Endurance of Tradition, London/New York 2000, 18; zum epigraphischen Befund zur christlichen Ehe in vorkon-

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Übereinstimmung wird offenbar vielfach als selbstverständlich hingenommen und nicht im Hinblick auf christliche Werte problematisiert. Seltener begegnet die Reaktion, die Übereinstimmungen zu leugnen bzw. zu behaupten, dass allein Christen jenen Normen tatsächlich entsprächen, während die Heiden sie lediglich propagierten. Dies findet sich beispielsweise bei Tertullian in seiner Auseinandersetzung mit der pudicitia, welche er exklusiv für christliche Frauen reklamieren möchte.55 Selbst in den Bemerkungen zu Egalität oder Inegalität der Geschlechter, die zum Teil auch mit Bezug auf die Ehe formuliert werden, findet eine explizite Auseinandersetzung mit der Relation zwischen christlichen und paganen Positionen kaum statt. Das ist umso erstaunlicher, als einige christliche Autoren sich gerade hier an Vorstellungen aus der klassisch antiken Philosophie orientieren. Eines der bekanntesten Exempla ist die von der Stoa geprägte Aussage etwa des Clemens von Alexandrien, dass Männer und Frauen im Hinblick auf ihre Natur gleich seien, daher die gleiche »Tugend« besäßen und nicht zuletzt in gleicher Weise zur Philosophie befähigt seien.56 Im Unterschied zu anderen Autoren verschweigt Clemens nicht, dass sich derartige Positionen auch in Schriften nichtchristlicher Philosophen finden, und nennt vielfach gar deren Namen. Auch wenn er einige seiner Leser höchstwahrscheinlich gerade durch die Anknüpfung an klassisches Bildungsgut für sich einnimmt,57 argumentiert er nicht mit der entsprechenden Parallele, sondern präferiert eine spezifisch christliche Begründung, indem er auf Paulus, Galater 3,28, verweist. Analog geht er im Übrigen an Stellen vor, an denen er zugunsten der Subordination der Frau in der Ehe argumentiert. Dann führt er die entsprechenden Passagen aus dem Ersten Korintherbrief an, ohne parallele Vorstellungen in der paganen Welt überhaupt zu erwähnen.58

3. Zusammenfassung Wir haben gesehen, dass christliche Autoren des 2. und 3. Jahrhunderts das Verhältnis von Mann und Frau in christlichen Familien in Relation zu jenem in stantinischer und konstantinischer Zeit auch Evans-Grubbs, »Pagan« and »Christian« Marriage, 406–412. 55 Tert. uxor. 1,6,5-1,7,1; zu der Argumentation siehe Mühlenkamp, »Nicht wie die Heiden«, 116. 56 Siehe z. B. Clem. strom. 4,59,1; zu dem Argument mit weiteren Belegen auch Emiel Eyben, Mann und Frau im frühen Christentum, in: Jochen Martin/Renate Zoepffel (Hrsg.), Aufgaben, Rollen und Räume von Mann und Frau, Teilband 2, Freiburg/München 1989, 565–605: 573. 57 Zur Bedeutung der Adaption klassischen Bildungsgutes für die Vermittlung christlicher Vorstellungen siehe Peter Gemeinhardt, Das lateinische Christentum und die antike Bildung, Tübingen 2007, passim mit weiterführenden Literaturhinweisen. 58 Clem. strom. 60,2 unter Rekurs auf 1Kor 11,3.8.11.

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paganen unterschiedlich konzeptualisieren. Sie heben Parallelen hervor, wo diese zur Vermittlung christlicher Verhaltenserwartungen von Nutzen scheinen. Nach dem gleichen Muster verfahren sie mit Differenzen. Zieht man zeitgenössische pagane Texte heran wie auch die Resultate der historischen Forschung, die sich besonders auf die Rechtsquellen stützt, tun sich weitere Kongruenzen und Divergenzen auf, die von christlichen Autoren nicht thematisiert werden, weil sie nicht geeignet sind, um ihre Argumentationen zu stützen. Das betrifft vorrangig besonders enge Parallelen sowie ausgeprägte Differenzen. Daneben lässt sich zeigen, dass Christen Grenzziehungen vornehmen, die aus paganer Perspektive unverständlich wären und auch mit heutigen Forschungspositionen – gemeint sind historisch orientierte Studien, welche die Rekonstruktion sozialer Wirklichkeit anstreben – nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Das ist speziell dort zu beobachten, wo sie Haltungen oder Verhaltensweisen mit einer paganen religiösen Konnotation belegen, so beim Ehebruch oder der Verwendung dekorativer Schminke. Dergestalt verfahren sie, um sich von solchen Praktiken effektiv abgrenzen und die von ihnen propagierten Vorstellungen zur Beziehung von Mann und Frau in der Ehe als genuin christlich markieren zu können. Dieses Prozedere, das von entscheidender Bedeutung für die Konstituierung christlicher Identität ist,59 findet sich bei allen betrachteten Autoren und begegnet in sämtlichen Kontexten, in denen das Sujet zur Sprache kommt.

Zur Konstruktion des Paganen als »Negativfolie« sowie der Zuschreibung von Alterität an andere Religionsgemeinschaften siehe etwa Kocku v. Stuckrad, »Christen« und »Nichtchristen« in der Antike. Von religiös konstruierten Grenzen zur diskursorientierten Religionswissenschaft, in: Manfred Hutter u. a. (Hrsg.), Hairesis. Festschrift für Karl Hoheisel, Jahrbuch für Antike und Christentum Erg. Bd. 34, Münster 2002, 184–202, bes. 189–195; Judith M. Lieu, Christian Identity in the Jewish and GraecoRoman World, Oxford 2004, bes. 286–297.

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Soziologie und Theologie des Neuen Testaments – ein hermeneutischer Konflikt Gerd Theißen Systematische Theologen sind oft mit uns historisch-kritischen Exegeten unzufrieden. Einer von ihnen schrieb über den »neuen Atheismus«: »Theologie und Verkündigung haben [...] bis dato nicht [...] ihre seit der Moderne anstehenden hermeneutischen Hausaufgaben gemacht. Die Praxis der historisch-kritischen Methode ist dafür nur ein elementarer Schritt, genügt aber nicht im Geringsten [...] Eine Exegese, die sich (wie heute nicht unüblich) stattdessen auf Sozialgeschichtliches beschränkt, hätte angesichts dieser Herausforderung schon im Ansatz verloren und arbeitete dem fundamentalistischen Atheismus geradewegs in die Hände«1.  Sozialgeschichte erscheint hier fast als atheistisches Unternehmen. Aber auch ein Exeget vertrat die These: »Die Theologie hat ein krankes Herz«, weil »man der Gottesfrage, die jeder Text stellt, ausgewichen ist und das Heil stets in der Deutung des Textes durch sachfremde Kriterien und Maßstäbe gesehen hat. [...] Die Humanwissenschaften wie die atheistische Anthropologie Heideggers, die Psychologie und die Soziologie, die Religionstheorie und allerlei Philosophien hat man jeweils als Block der Exegese vorgeschaltet, weil man meinte, so endlich wissenschaftlich und modern zu sein«2. Mit der von Heidegger inspirierten Auslegung ist R. Bultmann gemeint, mit Soziologie, Psychologie und Religionstheorie meine Arbeit. Sie wird in einer Linie mit der existenzialen Interpretation gesehen. Klaus Müller und Klaus Berger, die hier zitierten Autoren, stellen die Sozialgeschichte in einen respektablen Kontext. Für K. Müller ist sie eine konsequente Fortsetzung historisch-kritischer Exegese, ihr fehle nur eine angemessene Hermeneutik. Für K. Berger ist sie dagegen Fortsetzung eines bedeutenden hermeneutischen Programms, aber einer Hermeneutik auf Irrwegen. Beide assoziieren sie mit »Atheismus«. K. Berger betont mit dem Begriff Soziologie theoretische Aspekte, K. Müller mit Sozialgeschichte historische Aspekte. Beide

Klaus Müller, Neuer Atheismus? Alte Klischees, aggressive Töne, heilsame Provokationen, in: Herder Korrespondenz 61 (2007), 552–557: 556. 2 Vgl. den Artikel: »Professor: Uni-Theologie hat krankes Herz. Warum es immer weniger Theologiestudenten gibt – Psychologie statt Seelsorge«, in: ideaSpektrum 7 (2003), 12. 1

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Autoren sind katholisch, aber man könnte vergleichbare Stimmen auch aus anderen Konfessionen nennen.3 Sind Soziologie und Theologie des Neuen Testaments ein Widerspruch, wie diese Stimmen meinen? Die Frage ist nicht rhetorisch. Denn diese Kritiker haben im Prinzip Recht. Nur ist die Auseinandersetzung um Religion und Bibel heute grundsätzlich ein »hermeneutischer Konflikt«. Das ist die These Paul Ricoeurs. Er schreibt: »Die reduzierende Hermeneutik ist heute kein privates Ereignis mehr, sondern ein öffentlicher Vorgang, ein Kulturphänomen; ob wir sie nun Entmythologisierung nennen, wenn sie sich innerhalb einer gegebenen Religion entfaltet, oder Entmystifizierung, wenn sie von außen kommt – immer handelt es sich um dasselbe: um den Tod des metaphysischen und religiösen Objekts [...] Wir können die Zeichen des Absolut-Anderen heute nicht mehr anders – und dies ist unsere Ohnmacht und vielleicht unsere Chance und unser Glück – denn durch die Unbarmherzigkeit der reduzierenden Hermeneutik lesen und verstehen«4.

Wo die Kritiker der Sozialgeschichte nur Destruktion und theologische Wüste sehen, sieht der protestantische Philosoph Paul Ricoeur eine Chance. Ein authentisches Verhältnis zur Religion ist für ihn nur möglich, wenn die Religionskritik ernst genommen wird. Auch seine »Hermeneutik des Konflikts« kennt am Ende ein Ja zur Religion, aber es ist durch ein Nein hindurchgegangen, das bleibende Spuren hinterlassen hat. P. Ricoeur hat Recht: Es gibt einen Widerspruch zwischen Soziologie und Theologie des Neuen Testaments – als Teil des hermeneutischen Konflikts, der die Moderne kennzeichnet. Man sollte die Sozialgeschichte deshalb nicht für Probleme haftbar machen, die mit der historischen Betrachtungsweise an sich gegeben sind – also damit, dass die Bibel von Menschen geschrieben wurde und alles in ihr historisch bedingt und historisch erforschbar ist. Was gegen die Sozialgeschichte eingewandt wird, kann man gegen die historisch-kritische Forschung überhaupt einwenden. Aber hat der hermeneutische Konflikt durch Soziologie und Psychologie nicht eine neue Dimension gewonnen? Sind Verstehen und Erklären nicht Gegensätze? Richtet sich Verstehen nicht auf Individuelles, Erklären dagegen auf Der Anglikaner John Milbank, Vertreter einer »Radical Orthodoxy«, konstatiert in: Theology and Social Theory. Beyond Secular Reason, Oxford 1990, einen grundsätzlichen Widerspruch zwischen Sozialwissenschaft und Theologie. Der zum Kreis Alter Marburger gehörende Protestant Ulrich H. J. Körtner, Theologie in dürftiger Zeit, KT 75, München 1990, 50, weist auf meine Arbeiten als Beleg für die theologische Dürftigkeit unserer Zeit hin; er bewertet meine »methodische Experimentierfreudigkeit als Symptom der theologischen Krise« und bringt angesichts soziologischer, psychologischer und evolutionärer Ansätze die Hoffnung auf »Wiederentdeckung der eigenen Sache und Sprache der Theologie« zum Ausdruck. 4 Paul Ricoeur, Die Interpretation. Ein Versuch über Freud, Frankfurt 1969, 542 (frz. 1965). 3

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Allgemeines? Aber historisches Verstehen kann nicht auf Erklären durch kulturelle Regeln, soziologisches Erklären nicht auf Verstehen menschlicher Intentionen verzichten. Wir sollten hier keine falschen Gegensätze aufbauen – etwa mit der Devise: Vernehmen statt Erklären!5 Manchmal sagt man, historische Exegese wolle die Intention der Autoren herausarbeiten, Sozialgeschichte aber Zusammenhänge, die ihrem Bewusstsein entzogen waren. Auch das ist falsch. Wenn ein Exeget feststellt, dass Jesus nach seinem Tod posthum der Gründer einer neuen Religion wurde, hat sich das dem Bewusstsein der Jünger entzogen. Historische Urteile decken sich selten mit dem Bewusstsein der historischen Gestalten, über die sie urteilen. Es bleibt dabei: Sozialgeschichte ist eine Vertiefung historischer Forschung, nicht mehr und nicht weniger. Ihre Entstehung ist der normale Prozess einer Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung einer neuen Methode. Das zeigt der folgende Überblick über die Geschichte der Sozialgeschichte. Richtig ist, dass sich die Sozialgeschichte gegen theologische Interessen durchsetzen musste. Denn Sozialgeschichte analysiert mit einem Blick »von unten«, Theologie will unseren Blick »nach oben« richten oder beansprucht, ihn gar »von oben« auf das Leben zu werfen. Am Schluss kommen wir deshalb auf die Frage zurück: Wie überbrücken wir die Spannung zwischen Soziologie und Theologie? Schon J. G. Herder erkannte, dass das Neue Testament keine Literatur von Gelehrten, sondern einfacher Menschen war. Dennoch dauerte es lange, bis die sozialgeschichtliche Exegese entstand. Voraussetzung dafür war das Zusammentreffen von vier Faktoren: (1) ein Interesse an sozialen Fragen in Gegenwart und Vergangenheit, (2) die historische Aufarbeitung sozialgeschichtlicher Daten, (3) die Formulierung soziologischer Theorien und (4) die Entwicklung einer textorientierten sozialgeschichtlichen Methodik. Diese vier Voraussetzungen entwickelten sich unabhängig voneinander im Laufe des 19. Jh. Durch ihre Kombination hätte sich Anfang des 20. Jh. eine sozialgeschichtliche Exegese bilden können. Doch das Aufkommen der Dialektischen Theologie und die Krisenzeit Europas verzögerten ihre Entstehung um ein halbes Jahrhundert.

1. Vorläufer sozialgeschichtlicher Exegese im 19. Jahrhundert Soziale Probleme der Gegenwart sind oft die Ursache für ein Interesse an sozialen Fragen in der Vergangenheit.6 Die Gegenwart sucht immer nach BundesgeVgl. Günter Klein, Vernehmen statt Erklären. Aufsätze zur neutestamentlichen Theologie, Rheinbach 2008. 6 Die folgende Darstellung basiert auf Ralph Hochschild, Sozialgeschichtliche Exegese. Entwicklung, Geschichte und Methodik einer neutestamentlichen Forschungsrichtung, NTOA 42, Freiburg Schweiz/Göttingen 1999. Was ich nur andeuten kann, findet sich dort entfaltet und durch Quellen belegt. 5

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nossen für ihre Anliegen in der Vergangenheit. Das 19. Jh. war ein Jahrhundert der Vereinsgründungen, in denen sich die Gesellschaft unabhängig von Staat und Kirche organisierte. Das Bürgertum entdeckte damals die Urgemeinde als eine Art »Urverein«, das heißt als Verwirklichung ihres eigenen Ideals (so bei Friedrich Lücke 1791–1855).7 Die Arbeiterbewegung fand in der Urgemeinde ihr Ideal der Gütergemeinschaft (so bei Wilhelm Weitling 1808–1871).8 Das Auseinanderdriften von Bürgertum und Arbeiterschaft rief in der Kirche die Innere Mission und Diakonie hervor, die diese Spaltung überwinden wollte. 1880 veröffentlichte G. Uhlhorn (1826–1901) seine Geschichte der Diakonie: »Die christliche Liebesthätigkeit«.9 Erst gegen Ende des 19. und am Anfang des 20. Jh. begann eine Verwissenschaftlichung der sozialgeschichtlichen Fragestellung, die sich freilich nie ganz von praktischen und legitimatorischen Interessen emanzipiert hat.

2. Wegbereiter einer sozialgeschichtlichen Exegese um die Jahrhundertwende Ende des 19. Jh. sammelten sich protestantische Intellektuelle im Evangelischsozialen Kongress, um auf soziale Gegenwartsfragen eine Antwort zu finden. Dort trug A. Deißmann (1866–1937) seine Thesen über die Zugehörigkeit des Urchristentums zu den unteren Schichten vor.10 Sozialgeschichte ist bei ihm die volkskundliche Erforschung der Antike, die durch neu erschlossene nichtliterarische Papyri und Inschriften möglich wurde. Dem Evangelisch-sozialen Kongress gehörte auch A. v. Harnack (1851– 1930) an. Sein großes Werk über »Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten« (1902)11 ist voll sozialgeschichtlicher Daten. Harnack und Deißmann wollten sagen: Wenn das Christentum aus den unteren Schichten stammt, gibt es Hoffnung, dass es auch in der Gegenwart das einfache Volk erreicht. Aber kann das Christentum überhaupt eine überzeugende Antwort auf die sozialen Fragen der Gegenwart geben? Das ist das Leitmotiv von E. Troeltsch (1865–1923) in: »Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen«

7 Friedrich Lücke, Die freien Vereine. Ein nothwendiges Capitel in der theologischen Moral. Erster, historischer und litterarischer Artikel, in: Vierteljahrsschrift für Theologie und Kirche 1 (1845), 1–25. Vgl. Georg Heinrici, Die Christengemeinde Korinths und die religiösen Genossenschaften der Griechen, in: ZWTh 19 (1876), 476–526. Vgl. Hochschild, Exegese, 47–63. 8 Hochschild, Exegese, 47–52. 9 Hochschild, Exegese, 69–75. 10 Adolf Deißmann, Das Urchristentum und die unteren Schichten, VESK 19, Göttingen 1908, 8–28. Vgl. Hochschild, Exegese, 103–115. 11 Hochschild, Exegese, 115–130.

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(1912).12 Er sah, dass die Antwort des Christentums je nach Sozialgestalt verschieden war: Kirchen neigen zu einem Ausgleich mit der Welt, Sekten entwickeln kritische Gesellschaftsvorstellungen. Insgesamt stellte er fest: Nur durch Aufnahme philosophischer Traditionen hat das Christentum eine Sozialethik entwickeln können. Die indirekte Botschaft an die Gegenwart war: Nur durch Weiterentwicklung einer Synthese von Glauben und Vernunft kann das Christentum die Gegenwart bewältigen. Deißmann, Harnack und Troeltsch waren Wegbereiter der sozialgeschichtlichen Methode. Sie werteten die Quellen historisch-kritisch aus. Sie zeigen: Ein Interesse an Gegenwartsfragen ist mit Wissenschaftlichkeit vereinbar. Für ihren theologischen Liberalismus war aber nicht die Gesellschaft das wichtigste Thema, sondern die religiöse Persönlichkeit, ihr Gewissen und ihre Beziehung zu Gott. Soziologische Theorien oder eine sozialgeschichtliche Methodik fehlen in ihren Arbeiten.

3. Klassiker der religionssoziologischen Theorie Alle drei Klassiker der Soziologie, Karl Marx, Émile Durkheim und Max Weber, haben Theorien der Religion vorgelegt, die teilweise schon früh auf das Urchristentum angewandt wurden – weniger von Theologen als von interessierten »Laien«. Für K. Marx (1818–1883) war Religion Teil des Klassenkampfs, Opium des Volkes, mit dem es sich über sein Elend hinwegtröstet. Aber er deutete sie in seiner Frühzeit auch als Seufzen der unerlösten Kreatur, das sich nach einer von Gott herbeigeführten Wende sehnt.13 Die erste umfassende marxistische Analyse des Urchristentums stammt von dem Sozialdemokraten Karl Kautsky (1854–1938). In »Der Ursprung des Christentums« (1908) erklärte er die Erlösungssehnsucht der Antike aus ökonomischen Spannungen heraus. Die früh datierte Apokalypse des Johannes galt ihm als Ausdruck eines sozialen Protests im Judentum. Danach habe sich das Urchristentum zum Heidenchristentum entwickelt und sich mehr und mehr den politischen Strukturen der Zeit angepasst. É. Durkheim (1858–1917), der zweite Klassiker der Soziologie, sah in der Religion eine Symbolisierung der Gesellschaft. Die Transzendenz des Heiligen sei in Wirklichkeit die Übermacht der Gesellschaft gegenüber dem Einzelnen. Religion trage zum Funktionieren der Gesellschaft bei, indem sie soziale Normen in ihren Mitgliedern internalisiere. Eine erste Gesamtdarstellung des Urchristentums in seinem Geiste kann man vielleicht in der Chicagoer Schule Hochschild, Exegese, 130–137. Sein Weggefährte Friedrich Engels sah im Urchristentum einen Vorläufer der kommunistischen Bewegung. Friedrich Engels, Zur Geschichte des Urchristentums, in: Die Neue Zeit 13, 1. Bd. 1/2 (1894/95) = Karl Marx/Friedrich Engels, Werke 22, Berlin 6 1982, 449–473. Dazu Hochschild, Exegese, 79–83. 12 13

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im Werk von Shirley Jackson Case (1872–1947) sehen.14 Er wollte verständlich machen, warum das Christentum gerade in der nichtjüdischen Welt Chancen hatte, sich durchzusetzen. Dass es dort ethnische und statusbedingte Schranken unterwanderte, entsprach den objektiven Strukturen einer Gesellschaft, die überregionale Mobilität erforderte. M. Weber (1864–1924) nahm in seiner verstehenden Soziologie den Sinn ernst, den Menschen ihrem Handeln geben.15 Religion ist für ihn daher nicht nur Ausdruck von Klassenkonflikten, nicht nur Symbolisierung der Gesellschaft, sondern ein Verlangen nach Sinn. Dieses Verlangen hat eine so große Eigendynamik, dass Religion auch auf die Gesellschaft einwirken kann. Zum Verständnis des Urchristentums trug vor allem seine Kategorie des Charismas als einer spezifischen Herrschaftsform bei. Charisma wirkt ohne Zwang. Jesus gehört für M. Weber zu den Charismatikern, von denen ein weltverändernder Impuls ausging. Wird das Sinnverlangen des Menschen notorisch durch die »ethische Irrationalität« der Welt frustriert, komme es zum Rückzug in Innerlichkeit wie in Mystik und Gnosis. Die Wandlung des Urchristentums von einer charismatischen Bewegung zur Gnosis wird von Weber soziologisch gedeutet. Um die Wende zum 20. Jh. finden wir also auf der einen Seite bei einigen Theologen ein Interesse für soziale Fragen, auf der anderen Seite außerhalb der Theologie erste Entwürfe einer Religionssoziologie. Beides kam am ehesten bei E. Troeltsch zusammen. Er wohnte in Heidelberg im selben Haus wie M. Weber. M. Weber suchte durch Kulturvergleich nach dem Ursprung der okzidentalen Rationalität, E. Troeltsch durch Religionsvergleich nach der relativen Absolutheit des Christentums. Aber E. Troeltsch ging es um Ideengeschichte. Vor allem fehlte noch eine weitere Voraussetzung der Sozialgeschichte, ihre methodische Verankerung in der Textauslegung.

4. Die Entstehung der formgeschichtlichen Methode Dieser Schritt wurde in der Formgeschichte von Martin Dibelius (1883–1947) und Rudolf Bultmann (1884–1976) Anfang des 20. Jh. getan – also nach den bisher genannten Arbeiten.16 Ihr Beginn lässt sich mit dem Buch von M. Dibelius über »Die urchristliche Überlieferung von Johannes dem Täufer« (1911) datieren.17 Die Formgeschichte basiert auf der methodischen Einsicht, dass alle Shirley Jackson Case, The Evolution of Early Christianity (1914), Chicago 21960. Vgl. Hochschild, Exegese, 197–206. 15 Hochschild, Exegese, 154–165. 16 Die Formgeschichte begann mit Martin Dibelius, Die urchristliche Überlieferung von Johannes dem Täufer, FRLANT 15, Göttingen 1911, ihre grundlegenden Werke erschienen 1919 und 1921. Vgl. Hochschild, Exegese, 180–188. 17 M. Dibelius schrieb, weil diese Arbeit von B. Weiß abgelehnt worden war, eine neue unveröffentlichte Habilitationsschrift: »Das Selbstzeugnis des Paulus von seiner Be14

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Texte, auch wenn sie von theologischen oder historischen Sachverhalten reden, eine soziale Dimension haben. Alle haben einen »Sitz im Leben«. Alle sind von sozialen Erwartungen und Bedürfnissen geprägt. Texte wurden jetzt nicht nur als »Fenster« zur sozialen Realität ausgewertet, die uns die Sammlung sozialer Daten ermöglichen, sondern galten selbst als Zeugnis sozialer Interaktion. Gerade dieser soziologische Aspekt hemmte aber am Anfang die Durchsetzung der formgeschichtlichen Methodik.18 Erst in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts setzte sie sich durch – auch jetzt in Verbindung mit einer individualistischen Kerygmatheologie, die wenig an sozialen Fragen interessiert war. Schon vor dem Ausbruch des 1. Weltkriegs entstanden also die vier wichtigsten Voraussetzungen für die Entstehung einer wissenschaftlichen Sozialgeschichte des Urchristentums: ein soziales Interesse, historische Arbeiten mit sozialgeschichtlichen Themen, religionssoziologische Theorien und zuletzt eine Methodik, die in allen Texten eine soziale Dimension aufdeckt. Im Prinzip hätte man in den 20/30er Jahren eine sozialgeschichtliche Auslegung im Methodenkanon der Exegese verankern können.

5. Das Moratorium sozialgeschichtlicher Fragestellung zwischen 1920 und 1970 Die europäische Krise in der Zeit der zwei Weltkriege führte jedoch erst einmal zu einer antihistorischen Neubegründung der Theologie. Für die »Dialektische Theologie« war die Frage nach Gott so zentral, dass die Gesellschaft verblasste. Das Neue Testament zeigt nicht das soziale Leben antiker Gruppen, sondern konfrontiert mit der Ewigkeit. Dadurch wurde der in der Formgeschichte enthaltene sozialgeschichtliche Impuls neutralisiert. Die Formgeschichte ging damals mit der »Kerygmatheologie« mit Hilfe der Predigttheorie von Martin Dibelius ein Bündnis ein, das heißt mit Hilfe der Einsicht, dass die neutestamentlichen Texte als Predigt gedient hatten und in der Gegenwart als Predigttexte gelesen werden müssen. Sowohl die Theologie der Verkündigung von K. Barth (1886–1968) als auch die Theologie des Verstehens von R. Bultmann waren daher für die Formgeschichte offen, skeptisch aber gegenüber Soziologie und Psychologie. Ihre Theologie »von oben« konnte eine scharfe Gesellschaftskritik sein, weil Gott der Gesellschaft gegenüber radikal transzendent war, aber es schien, als hätte K. Barth mit seinem religiösen Sozialismus auch das Interesse an konkreter Gesellschaftsanalyse verloren. R. Bultmann deutete anders als er kehrung« (1909), (dazu Hans M. Bringeland, Religion und Welt. Martin Dibelius [1883– 1947], Bd. 1, BVB 20, Münster 2013, 169–178). Dass die letztlich angenommene Habilitationsschrift auch eine psychologische Auswertung der Berichte enthält, ist bemerkenswert. So viel Gelassenheit gegenüber der Psychologie täte der Theologie heute gut. 18 So Oscar Cullmann, Die neuen Arbeiten zur Geschichte der Evangelientradition (1925), in: Ders., Vorträge und Aufsätze 1925–1962, Tübingen 1966, 41–89: 52.

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das Neue Testament als menschlichen Text historisch konsequent »von unten«, aber erschloss seinen Sinn mit einer individualistischen Existenzphilosophie ohne Verständnis für soziale Strukturen: Das Kerygma trifft »von oben« auf die Existenz des Einzelnen »unten«. Seine Schule hat die sozialgeschichtliche Exegese später oft als Verstoß gegen das Marburger kerygmatheologische Reinheitsgebot abgelehnt. Offener für sie waren die Schüler von Martin Dibelius. Sein politisches Engagement im Liberalismus (in der DDP) und sein Vorbild Adolf Harnack waren dafür entscheidend.19 Mein Lehrer Ph. Vielhauer (1914– 1977) war Schüler von M. Dibelius und hat meine ersten sozialgeschichtlichen Arbeiten unterstützt. Theologisch war er Anhänger R. Bultmanns – und sah wie ich keinen Widerspruch darin, seine Theologie mit Sozialgeschichte zu verbinden. Es entsprach der Krisenstimmung der Zeit, dass die wenigen sozialgeschichtlichen Beiträge der damaligen Zeit den unweltlichen Charakter des Urchristentums betonten:20 E. Lohmeyer (1890–1946), auch er ein Schüler Martin Dibeliusʼ, schrieb damals über »Soziale Fragen im Urchristentum« (1921) und betonte die »Erdenferne« von Jesus als völlige »Gelöstheit seines äußeren Lebens von jeder erdenhaften Gebundenheit, bestehe sie nun in Besitz oder Bildung, in Familie oder Ehe, in Stand oder Heimat«21. Diese Erdenferne ist ihm noch kein Hinweis auf soziale Entwurzelung.22 Es dauerte noch 50 Jahre, ehe die Sozialgeschichte in die Exegese einziehen konnte. Der für die Theologie so fruchtbare Neuansatz der Dialektischen Theologie hat das verzögert.

6. Die Entstehung der sozialgeschichtlichen Exegese in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts Erst in den 70er Jahren wurden die vier Voraussetzungen einer sozialgeschichtlichen Exegese zusammengeführt, die vorher isoliert waren: ein Interesse an sozialen Fragen, soziologische Theorien, die Auswertung sozialer Daten (auch aufgrund neuer Quellen) und eine sozialgeschichtliche Methodik. Vgl. Bringeland, Religion und Welt, 2011. Martin Dibelius betont in seinem Buch: Geschichtliche und übergeschichtliche Religion im Christentum, Göttingen 1925, dass ein Interesse an der Welt, das auf ihren Umbau gerichtet wäre, im Evangelium nicht existiert. Dieses Urteil korrigiert er, wie schon der Titel zeigt, in: »Das soziale Motiv im Neuen Testament« (1934) = Botschaft und Geschichte. Gesammelte Aufsätze I: Zur Evangelienforschung, hrsg. v. Günther Bornkamm, Tübingen 1953, 178–203. 21 Ernst Lohmeyer, Soziale Fragen im Urchristentum, Leipzig 1921, 67. Vgl. Hochschild, Exegese, 188–197. 22 M. Dibelius hatte neben Ernst Lohmeyer auch andere sozialgeschichtlich interessierte Schüler: Hans Dietrich Wendland (1900–1992) war Privatdozent für Neues Testament und Sozialethik, Heinrich Greeven verfasste: Das Hauptproblem der Sozialethik in der neueren Stoa und im Urchristentum, Gütersloh 1935. 19 20

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Das neue Interesse an sozialen Fragen in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts war geschichtlich bedingt. Viele europäische Staaten erlebten eine Demokratisierung nach einer totalitären Phase. Diese dauerte in einigen Ländern im Süden Europas bis in die 70er Jahre, im Osten bis 1989. Gleichzeitig setzte die Bürgerrechtsbewegung in den USA gleiche Rechte für Schwarze durch. Der Ost-West-Konflikt konfrontierte ständig mit der Frage, warum demokratische Sozialformen kommunistischen Staaten überlegen seien, vor allem aber, wie Friede trotz atomarer Bedrohung möglich ist. Der Protest gegen den Vietnamkrieg vereinte junge Menschen von San Francisco bis Berlin. Diese und viele andere Faktoren führten dazu, dass man gesellschaftlichen Wandel verstehen und gestalten wollte – beflügelt von einem Optimismus, dass er sich auch gestalten lässt. Es ist kein Zufall, dass die sozialgeschichtliche Exegese in mehreren westlichen Ländern zur gleichen Zeit entstand. In dieser Zeit wurde die Soziologie vorübergehend eine Leitwissenschaft öffentlicher Diskussionen: Man erhoffte von ihr Antworten auf alle sozialen Fragen. In Deutschland wurden zwei Traditionen neu entdeckt: einerseits die empirische Sozialwissenschaft, die sich seit den 60er Jahren an unseren Universitäten durchsetzte, andererseits eine (marxistisch inspirierte) kritische Theorie, die alle empirische Wissenschaft kritisch hinterfragte. K. Marx, É. Durkheim und M. Weber wurden Allgemeingut. Für die Durchschlagskraft der neu entstehenden sozialgeschichtlichen Exegese war Offenheit für alle drei Ansätze entscheidend, sollte das Unternehmen nicht als »hermeneutische Sektengründung« enden. Ich habe daher bewusst Impulse aus allen religionssoziologischen Klassikern aufgenommen:23 Aus der marxistischen Tradition übernahm ich konflikttheoretische Ansätze für die Makroanalyse der Gesellschaft. Religion ist eingeflochten in einen Verteilungskampf um Lebenschancen, der zwischen sozialen Klassen und Gruppierungen geführt wird. Die Jesusbewegung interpretierte ich als Ausdruck einer sozialen Krise, deutete diese Krise aber mit dem nicht-marxistischen Begriff »Anomie« von É. Durkheim.24 Aus der funktionalistischen Tradition übernahm ich integrationstheoretische Ansätze vor allem für die Mesoebene der Gesellschaft, das heißt für die Analyse kleiner Gemeinschaften: Auch in krisenhaften Gesellschaften bilden sich religiöse Gemeinschaften von hoher Integrationskraft wie die urchristlichen Gemeinden. Hauptsächlich folgte ich jedoch der verstehenden Soziologie Max Webers, die auch für die Mikroebene der Rollenanalyse fruchtbar ist. Sie nimmt den Sinn ernst, den Menschen ihrem sozialen Handeln geben. Die ersten Christen waren ihrem Selbstverständnis nach Nachfolger Jesu: Sie zogen als Wandercharismatiker durch die 23 Gerd Theissen, Theoretische Probleme religionssoziologischer Forschung und die Analyse des Urchristentums, in: NZSTh 16 (1974), 35–56 = Studien zur Soziologie des Urchristentums, WUNT 19, Tübingen 1979, 55–76. 24 Gerd Theissen, Wanderradikalismus. Literatursoziologische Aspekte der Überlieferung von Worten Jesu im Urchristentum, in: ZThK 70 (1973), 245–271 = Studien zur Soziologie des Urchristentums, 79–105; Gerd Theissen, Soziologie der Jesusbewegung, TEH 194, München 1977.

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Lande. Ihr Leben war durch soziale Entwurzelung bestimmt und gleichzeitig bewältigten sie diese Entwurzelung mit ihrem Glauben. Die Arbeit mit diesen Theorieansätzen wurde dadurch erleichtert, dass die Gebildeten damals die Probleme des Lebens mehr und mehr mit soziologischen und psychologischen Kategorien deuteten. Sie entdeckten bald auch in antiken Texten analoge Probleme. Die existenziale Auslegung der Bibel verlor an Plausibilität: Wer christlichen Glauben als »Entweltlichung« verstand und »Eigenmächtigkeit« als Ursünde des Menschen anprangerte, wurde von einer Generation nicht verstanden, die die Welt gestalten und emanzipiert sein wollte. Viele folgten nicht R. Bultmann,25 sondern Dietrich Bonhoeffer (1906–1945). Der forderte nicht Entweltlichung, sondern die Weltlichkeit des Glaubens. Der kritisierte nicht die Eigenmächtigkeit des Menschen, sondern sah in der Abwertung von Mündigkeit des Menschen einen Irrweg der Theologie. Das erklärt aber noch nicht die Entstehung der sozialgeschichtlichen Exegese. Ein wichtiger dritter Faktor war: Neue Quellen und alte Quellen wurden im Lichte der Sozialgeschichte neu gelesen. Das gilt vor allem für die Geschichtswerke des Josephus. Die Renaissance der sozialgeschichtlichen Exegese wurde ferner dadurch erleichtert, dass den Neutestamentlern inzwischen viel Quellenmaterial in Form von Inschriften, Papyri und archäologischen Funden zur Verfügung stand. Für das Urchristentum wurden vor allem zwei Funde relevant. Die Textfunde von Qumran (seit 1947) erweiterten das Bild vom Judentum. Sie ermöglichten eine neue Einschätzung der »Zeloten« und der »Pharisäer«. Die Funde von Nag-Hammadi (1945) öffneten den Blick für gnostische Gruppen, über die wir bisher nur durch die Kirchenväter informiert waren. Darüber hinaus weitete sich der Blick über die antike Welt hinaus. Der komparative Vergleich der Jesusbewegung mit millenaristischen Bewegungen, wie sie die Kulturanthropologie analysierte, markierte zusammen mit anderen Veröffentlichungen den Beginn der sozialgeschichtlichen Exegese.26 Bei neuen und alten Quellen ist freilich entscheidend, wie man sie methodisch liest. Drei aus der Formgeschichte stammende Fragestellungen wurden damals zur sozialgeschichtlichen Methodik weiterentwickelt:27 (a) die analytische Auswertung der Texte nach Textsorten und Formen, die als Ausdruck einer sozialen Interaktion gedeutet wurden, (b) die konstruktive Auswertung von Aussagen Ich möchte klarstellen: R. Bultmann ist der größte Neutestamentler des 20. Jh. Seine von der Kerygmatheologie bestimmte Auslegung des Neuen Testaments ist nach wie vor faszinierend. 26 John G. Gager, Kingdom and Community. The Social World of Early Christianity, Englewood Cliffs, New Jersey 1975, 19–65; Vgl. Gerd Theissen, Jesus – der Prophet einer millenaristischen Bewegung? Sozialgeschichtliche Überlegungen zu einer sozialanthropologischen Deutung der Jesusbewegung, in: EvTh 59 (1999), 402–415 = Jesus als historische Gestalt, FRLANT 202, Göttingen 2003, 197–228. 27 Gerd Theissen, Die soziologische Auswertung religiöser Überlieferungen. Ihre methodologischen Probleme am Beispiel des Urchristentums, in: Kairos 17 (1975), 284– 299 = Studien zur Soziologie des Urchristentums, Tübingen 31989, 35–54. 25

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über soziale Sachverhalte in den Texten für ein Gesamtbild des Urchristentums und (c) die komparative Untersuchung von Analogien in und außerhalb der Antike, besonders in vormodernen Kulturen, die durch die Kulturanthropologie erforscht werden. Dabei wurde der »Sitz im Leben« der Texte ausgeweitet. Zum Sitz im Leben gehört nun jeder Kontakt von Texten mit der gesellschaftlichen Realität – nicht nur ihre Funktion in urchristlichen Kleingruppen, sondern ihre Funktion in der gesamten antiken Gesellschaft. Eine kontrollierte Methodik war wichtig, weil viele von der Sozialgeschichte Unterstützung ihres sozialen Engagements erwarteten. Gerade sachlich orientierte Arbeiten sind m. E. für Praktiker wichtig. 1979 veröffentlichte ich einen Aufsatz zu »Gewaltverzicht und Feindesliebe«,28 in dem ich auf die Nähe der Bergpredigt zu erfolgreichen Aktionen gewaltlosen Widerstands im Judentum hinwies, ohne damit friedensethische Appelle zu verbinden. Die Organisatoren der Montagsdemonstrationen in Leipzig haben meinen Aufsatz studiert. Einer von ihnen versicherte mir: Gerade weil ich betont akademisch argumentierte, habe dieser Aufsatz Vertrauen geschaffen und ihnen mehr geholfen als appellative Textauslegungen. Exegese darf kein Feldgottesdienst sein – gleichgültig für welche Richtung. Damit deute ich zugleich eine früh einsetzende Spaltung der sozialgeschichtlichen Exegese an, die ich nur kurz umreißen kann.

7. Die Verzweigung sozialgeschichtlicher Exegese in verschiedene Richtungen Neue Methoden beginnen fast immer als ein Experimentieren mit verschiedenen Ansätzen. In der sozialgeschichtlichen Exegese lassen sie sich drei methodischen Schritten der Wissenschaft zuordnen. Diese muss (1) Daten sammeln und beschreiben, (2) nach Gesichtspunkten bewerten und (3) mit Modellen und Theorien erklären. Beschreiben, Bewerten und Erklären dominieren bei der sozialhistorischen, der sozialkerygmatischen und der sozialwissenschaftlichen Richtung. Grundlegende Werke einer sozialhistorischen Geschichtsschreibung29 sind die Arbeiten von M. Hengel (1926–2009) »Die Zeloten« (1961 21976) und »Judentum und Hellenismus« (1969 31988), in denen die Begegnung zweier Kulturen in Palästina unter allen Aspekten dargestellt wird – einschließlich des Widerstands,

28 Gerd Theissen, Gewaltverzicht und Feindesliebe (Mt 5,38–48/Lk 6,27–38) und deren sozialgeschichtlicher Hintergrund, in: Studien zur Soziologie des Urchristentums, 160–197. 29 Hochschild, Exegese, 212–214. Vgl. Hennecke Gülzow, Soziale Gegebenheiten der altkirchlichen Mission, in: Heinz Günther Frohnes/Uwe W. Knorr (Hrsg.), Kirchengeschichte als Missionsgeschichte, Bd. 1. Die Alte Kirche, München 1974, 189–226; Jürgen Becker/Christoph Burchard/Carsten Colpe (Hrsg.), Die Anfänge des Christentums, Stuttgart 1987.

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der sich dem Einfluss der römisch-hellenistischen Kultur im Judentum entgegenstellte.30 Sozialkerygmatische Exegesen fanden verständlicherweise außerhalb der akademischen Welt große Resonanz,31 da sie in den Texten eine soziale Botschaft herausarbeiten. Man kann ihre Richtungen den drei sozialen Polaritäten von Gal 3,28 zuordnen: Nach Paulus gibt es in der christlichen Gemeinde weder Juden noch Griechen, weder Freie noch Sklaven, weder Mann noch Frau. Dem entsprechen eine jüdisch-christliche, eine befreiungstheologische und eine feministische Exegese. Diese engagierten Lektüreformen des Neuen Testaments waren wissenschaftlich fruchtbar. Sie führten zu ersten zusammenfassenden Darstellungen der Sozialgeschichte des Urchristentums.32 Sie haben freilich eine Kehrseite: Hin und wieder werden wissenschaftliche Diskussionen moralisierend aufgeladen, political correctness wird wichtiger als sachliche Analyse. Moralisch aufgeladene Verdikte finden sich aber auch bei konservativen Theologen. Ich erinnere nur an die eingangs zitierten kritischen Stimmen zur Sozialgeschichte. Es ist m. E. unfair, wenn kerygmatheologische Exegeten engagierte Lektüreformen kritisieren, obwohl sie selbst eine sehr engagierte theologische Lektüreform vertreten. Die sozialwissenschaftliche Exegese im engeren Sinne ist m. E. der wichtigste Beitrag der Sozialgeschichte. Diese Richtung umfasst alle Arbeiten, die Modelle der allgemeinen Sozialwissenschaften verwenden, seien es Modelle der Soziologie, Kulturanthropologie oder Sozialpsychologie. Um einen Eindruck von der Vielfalt der Ideen zu geben, nenne ich in Auswahl einige Theorien aus den Sozialwissenschaften, die sich in der sozialgeschichtlichen Exegese als fruchtbar erwiesen haben: Der Begriff Charisma stammt aus der Herrschaftssoziologie. Charismatische Autorität kann ohne Zwang andere Menschen beeinflussen. Für eine Soziologie des Urchristentums ist Jesus ein Primärcharismatiker, die Apostel von ihm abhängige Sekundärcharismatiker. Ich habe die ersten Autoritäten des Urchristentums als Wandercharismatiker gedeutet, die innerhalb der Gesamtgesellschaft entwurzelte Gestalten waren, die in den von ihnen gegründeten Gemeinden aber eine neue Heimat fanden. Sie vertraten ein familienfernes Ethos. In den späteren paulinischen Gemeinden entstand dagegen ein familienfreundMartin Hengel, Die Zeloten, AGJU 1, Leiden 1961 21976; Ders., Judentum und Hellenismus, WUNT 10, Tübingen 1969 31988. 31 Hochschild, Exegese, 214–216. 32 Der jüdisch-christliche Dialog steht hinter der ersten zusammenfassenden Darstellung einer Sozialgeschichte des Urchristentums von Ekkehard W. Stegemann/ Wolfgang Stegemann, Urchristliche Sozialgeschichte, Stuttgart 1995. Hinzu kam ein befreiungstheologischer Impuls bei Richard A. Horsley in: Jesus and the Spiral of Violence. Popular Resistance in Roman Palestine, San Francisco 1987. Die feministische Theologie brachte sehr früh eine Gesamtdarstellung des Urchristentums hervor: Elisabeth Schüssler-Fiorenza, In Memory of Her. A Feminist Theological Reconstruction of Christian Origins, London 1983. 30

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licher »Liebespatriarchalismus« – ein an E. Troeltsch angelehnter Begriff, der stark kritisiert wurde, verbindet er doch »Patriarchalismus«  (und das ist für manche aus verständlichen Gründen etwas Urböses) mit dem, was für Christen der höchste Wert ist, mit der »Liebe«. Die Entstehung von Anomie erklärt m. E. besser das Aufkommen neuer Bewegungen in der damaligen jüdisch-palästinischen Gesellschaft als die Annahme von Verelendung. Anomie entsteht nach É. Durkheim durch soziale Mobilität nach oben wie nach unten. Abstiegs- und Aufstiegsprozesse lassen nach neuen Orientierungen suchen. Soziale Entwurzelung kann Folge von Anomie sein, so auch das urchristliche Wandercharismatikertum als eine Variante sozialer Entwurzelung. Pauperistische Deutungen sind nur eine Teilwahrheit.33 Das Urchristentum entstand ferner als eine der vielen innerjüdischen Erneuerungsbewegungen, zu denen es die so genannten millenaristischen Bewegungen als Analogien gibt: Sie erwarten eine Umkehr aller Dinge und revitalisieren einheimische Kulturen in Abwehr politisch überlegener (kolonialisierender) Fremdkulturen (J. F. Gager).34 Jedoch gelang dem Urchristentum etwas Besonderes: Es eroberte auch die imperiale Kultur. Das kann man von keiner der millenaristischen Bewegungen sagen. Ferner hat sich die Analyse von Rolle und Status als fruchtbar erwiesen: Die Theorie der Statusdissonanz macht von mechanischen Zuordnungen zu Schichten und Klassen frei. Die ersten Christen, gleichgültig, wie hoch oder tief sie im Sozialgefüge standen, waren oft Menschen, die nach verschiedenen Kriterien verschieden eingeordnet werden konnten. Wir begegnen z. B. ökonomisch Wohlhabenden, die politisch marginalisiert waren (W. A. Meeks).35 Sie fanden in den Gemeinden ein Tätigkeitsfeld, das ihnen in der politischen Öffentlichkeit versagt blieb. Judentum und Urchristentum waren in der Antike Außenseitergruppen. Wie Devianz gestaltet wird, ist ein Leitmotiv der Arbeit von E. W./W. Stegemann. Eine Strategie zum Umgang mit einer Außenseiterrolle ist dabei Selbststigmatisierung, mit der man sich demonstrativ zu seiner Außenseiterrolle bekennt, obwohl man keine Chance hat, in ihr anerkannt zu werden. Auch die Christen verfolgten diese Strategie, nicht nur Jesus selbst (M. N. Ebertz)36, sondern vor ihm Johannes der Täufer und Ignatius von Antiochien (H. Mödritzer).37 Kirche und Sekte bilden eine klassische (wenn auch allzu grobe) Unterscheidung der Religionssoziologie. Sekten zeigen eine starke Spannung zur Gerd Theissen, Die Jesusbewegung. Sozialgeschichte einer Revolution der Werte, Gütersloh 2004. 34 Gager, Kingdom and Community. 35 Wayne A. Meeks, The First Urban Christians. The Social World of the Apostle Paul, New Haven 1983. 36 Michael N. Ebertz, Das Charisma des Gekreuzigten. Zur Soziologie der Jesusbewegung, WUNT 45, Tübingen 1987. 37 Helmut Mödritzer, Stigma und Charisma im Neuen Testament und seiner Umwelt. Zur Soziologie des Urchristentums, NTOA 28, Freiburg Schweiz/Göttingen 1994. 33

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Welt und besitzen eine große innere Homogenität, Kirchen haben ein gelöstes Verhältnis zur Welt und Raum für eine innere Pluralität. Manche wollen das Urchristentum als Sekte (des Judentums oder der antiken Welt) begreifen (R. Scroggs). Aber schon früh wurde m. E. innere Pluralität zugelassen und auf eine ausgeglichene Kommunikation des Christentums nach außen hin Wert gelegt.38 Die Sozialbeziehungen in der Antike waren weit mehr durch Patron-ClientVerhältnisse bestimmt als durch Leistung und Eigeninitiative. Status wird immer von Überlegenen verliehen. Hat etwa Jesus diese Patron-Client-Verhältnisse durch seine Verkündigung eines  »Gottesreiches für jedermann«  subversiv unterlaufen (J. D. Crossan)?39 Oder denkt Jesus nach wie vor in der Kategorie von Patron und Client, nur dass bei ihm Gott selbst der Patron der Sünder und der Schwachen ist? Das Sozialverhalten folgt in der Antike weit mehr als in der modernen Zeit einem Kodex von shame and honour, antike Menschen leben eher in einer Scham- als in einer Schuldkultur, das heißt ihr Verhalten wird von außen gesteuert. Ansehen und Gewicht in der Öffentlichkeit ist mehr Wert als Übereinstimmung mit sich selbst. Deswegen hat man einen besonderen dyadischen Persönlichkeitstypus für die Antike postuliert (B. J. Malina).40 Andererseits verletzt die Botschaft vom Kreuz das Denken in shame and honour. Selbststigmatisierung – die demonstrative Übernahme einer Rolle, in der man keine soziale Anerkennung finden kann – ist eine Provokation jeder shame and honour-Kultur. Einige dieser allgemeinen Modelle stammen aus der allgemeinen Soziologie, andere aus der Ethnologie oder Kulturanthropologie. Manche wollen deshalb mit dem Einzug der Kulturanthropologie in die sozialgeschichtliche Exegese ein neues forschungsgeschichtliches Kapitel beginnen. Aber Kulturanthropologie gehörte von Anfang an zum Programm der Sozialgeschichte. Sie ist nur eine weitere Ausdifferenzierung im Prozess der Entstehung eines neuen wissenschaftlichen Programms. Dieses Bild von der Entstehung der sozialgeschichtlichen Exegese widerspricht einigen »Mythen«, die bei neu aufkommenden Methoden immer wieder begegnen. Falsch ist jedes Überwinderpathos,41 als habe sich die Theologie lange nur mit theologischen Ideen beschäftigt und sich erst in den 70er Jahren der historischen und sozialen Realität zugewandt. Diese Wende zur Realität begann Robin Scroggs, The Earliest Christian Communities as Sectarian Movement, in: Jacob Neusner u. a. (Hrsg.), Christianity, Judaism and other Greco-Roman Cults, FS für M. Smith, Bd. 2, Leiden 1975, 1–23. Vgl. Gerd Theissen, Kirche oder Sekte? Über Einheit und Konflikt im frühen Urchristentum, in: Theologie der Gegenwart 48 (2005), 126–175. 39 John Dominic Crossan, The Historical Jesus. The Life of a Mediterranean Jewish Peasant, Edinburgh 1991. 40 Bruce J. Malina, The New Testament World: Insights from Cultural Anthropology, Louisville 1981. 41 Vgl. Henning Paulsen, Sozialgeschichtliche Auslegung des Neuen Testaments, in: Junge Kirche 54 (1993), 601–602.604–606. 38

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mit der historisch-kritischen Forschung als solcher. Ebenso falsch ist das Klischee einer Modeströmung der 68er Generation.42 Dem widersprechen die Wegbereiter der sozialgeschichtlichen Exegese vor den 70er Jahren und die Etablierung der Sozialgeschichte in der allgemeinen Geschichtsschreibung bis heute. Nicht zutreffend ist auch die Vorstellung einer Entwicklungskontinuität, als sei sozialgeschichtliche Exegese im Grunde nichts Neues. Mit solch einer Argumentation kann man einer neuen Strömung Legitimität verschaffen.43 Aber mit der Kombination bisher getrennter Ansätze entstand in den 70er Jahren etwas Neues. Darüber hinaus gibt es den »Mythos«, die sozialgeschichtliche Exegese sei in den Vereinigten Staaten entstanden. Richtig ist: Sie knüpft in den USA an die Chicagoer Schule an. Aber die Renaissance ihrer Fragestellung begann in den 60er Jahren mit der kleinen Schrift des australischen Althistorikers E. A. Judge: »The Social Pattern of the Christian Groups in the First Century« (1960),44 und mit M. Hengel: »Die Zeloten« (1961).45 Die Fragestellung lag in der Luft. Im Übrigen gilt: Seit den 70er Jahren entwickelten sich alle neuen Ansätze in der Exegese international. Darin zeichnet sich kein Niedergang der deutschsprachigen Exegese ab, sondern eine Internationalisierung der Wissenschaft. Inzwischen ist die Sozialgeschichte als Weiterführung historisch-kritischer Forschung anerkannt. Der Widerspruch zur Theologie ist geblieben. Er ist nichts Abstraktes. Nachdem mich 1974 eine Fakultät einstimmig auf den ersten Platz einer Liste gesetzt hatte, verhinderte eine Kirche meine Berufung. Schon Ende der 70er Jahre setzte sich dafür eine andere Landeskirche für meine Berufung ein. Sie setzte eine Kommission ein, die meine Arbeiten kritisch prüfen musste. Sie kam zu dem Ergebnis: Der Verfasser ist doch ein Theologe. Aber damit ist die Frage nicht beantwortet, wie der hermeneutische Konflikt zwischen Soziologie und Theologie bewältigt werden kann. Ich kann hier nur für mich sprechen. »Religionen«  sind m. E. Zeichensprachen des Menschen, um Kontakt mit einer letztgültigen Wirklichkeit aufzunehmen. Religionen sind Kathedralen, nicht aus Steinen, sondern aus Mythen, Riten und Ethos. Diese semiotischen Kathedralen sind ebenso von Menschen gemacht wie alle anderen Kathedralen. Der Kölner Dom wurde im 19. Jh. vollendet, um preußische Herrschaft über das Klaus Berger, Der Zeltmacher Paulus und seine Gesellen. Mit ersten Zeichen von Ermüdung. Eine umfassende Sozialgeschichte des Urchristentums, FAZ 21.12.95. Er bezeichnet die Sozialgeschichte als »ein Produkt der Achtundsechziger-Bewegung« und fragt: »Ist Sozialgeschichte des Urchristentums also der Schlüssel für alle Fragen der Aktualität, Relevanz und Umsetzung der Botschaft? Das ist doch wohl eher ein verblassender Mythos«. 43 Auch ich habe so argumentiert. Vgl. Gerd Theissen, Zur forschungsgeschichtlichen Einordnung der soziologischen Fragestellung, in: Gerd Theissen, Studien zur Soziologie des Urchristentums, WUNT 29, Tübingen 31989, 3–34: 3. 44 Es handelt sich um die »Tyndale New Testament Lecture« (1957). Vgl. Edwin A. Judge, Christliche Gruppen in nichtchristlicher Gesellschaft, Wuppertal 1964. 45 Hengel, Zeloten. 42

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katholische Rheinland zu legitimieren. Dennoch versteht man den Dom nicht, wenn man nicht seinen primären Zweck sieht: Er will ein Ort sein, an dem Menschen Kontakt mit Gott aufnehmen. Nun ist der Transzendenzbezug offensichtlich, wenn wir den Sinn der Zeichen in solch einer semiotischen Kathedrale deuten. Sie weisen auf Gott. Gegenstand der Sozialgeschichte aber sind die Menschen, die diese Kathedralen errichten und bewohnen. Sozialgeschichte hat dazu beigetragen, sie hinter den Texten der Bibel sichtbarer zu machen. Meine didaktische Jesuserzählung »Der Schatten des Galiläers« (1986) wäre ohne Sozialgeschichte nie geschrieben worden. Kann man in diesen Gemeinschaften Spuren Gottes finden? Bei kirchlichen Gemeinschaften mag das noch möglich sein, auch wenn Protestanten ungern ihre Kirchen mit göttlichem Glanz umgeben. Dennoch finden auch sie Spuren Gottes in der Kirche – in Wort und Sakrament. Sozialgeschichte hat dazu beigetragen, die gemeinschaftsbildende Kraft der Sakramente (und überhaupt der rituellen und sichtbaren Seite der Religion) besser zu verstehen.46 Sofern man aber Spuren Gottes in der Gesamtgesellschaft sucht, verdächtigen wir aus guten Gründen religiöse Deutungen sehr schnell als Ideologie. Sie waren oft abschreckend. Ich nenne nur die Deutung des »Volkes«  als Ort natürlicher Offenbarung in der nationalprotestantischen Theologie im letzten Jahrhundert. Hier tut sich nach wie vor ein tiefer hermeneutischer Konflikt auf. Oder gibt es doch Brücken? Ich nenne im Folgenden vier. Sie basieren alle auf dem Gedanken, dass religiöse Zeichensysteme religiöse Erfahrung ermöglichen – Erfahrung, verstanden als Kontakt mit einer Realität, die wir nicht nur konstruieren, sondern in unseren Konstruktionen entdecken. Die erste Brücke: Was wir als Projektion, als Ausdruck eines Verteilungskampfes oder als Sozialkitt durchschauen, kann nicht Gott sein. Insofern ist Religionskritik ein Beitrag zur negativen Theologie. Sie sagt, was Gott nicht ist. Wir stoßen hier mit Religionskritik auf eine Grenzerfahrung des Scheiterns unserer Frage nach Gott. Das ist eine genuin religiöse Erfahrung. Die zweite Brücke: Religion hat eine »oppositionelle Autonomie«. Die biblische Religion will das ganze Leben von Gott her gestalten. Sie will darin autonom sein und mit ihrer Eigendynamik ins Leben wirken. Sie mutet dem Menschen Freiheit und Autonomie zu. Diese Freiheit ist in religiösen Kreaturerfahrungen begründet: Alles Sein ist kontingent. Dem entspricht, dass unser Handeln kontingent ist: Es könnte nicht und auch anders sein. Die dritte Brücke: Religiöse Vorstellungen sind menschliche Projektionen mit bio-, techno- und soziomorphen Modellen. Die Welt ist ein Organismus, ein Haus oder ein Königreich. Dennoch sind wahrheitsfähige Aussagen in solchen Projektionen enthalten, sofern sie eine Übereinstimmung zwischen Mensch Vgl. Gerd Theissen, Die Ritualdynamik urchristlicher Sakramente. Von prophetischen Zeichenhandlungen zu geheimnisvollen Riten, Lectiones Vagagginianae IV, Assisi/Rom 2013.

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und Realität zum Ausdruck bringen, die in der Religion als »Resonanz« erlebt wird. In ihnen wird das Leben zur Antwort auf eine objektive Herausforderung: Wir müssen Resonanz auf etwas geben, das uns fordert und beglückt. Die vierte Brücke: Im Rahmen einer evolutionären Sicht der Realität sind alle Religionen Anpassungsversuche an eine objektive Realität. Man mag darüber streiten, ob die in ihnen erlebte Entsprechung zur Realität eine »Adaption«  ist oder eine »Exadaption«, die später sekundär neue Funktionen erhielt, ob sie ein sinnloses »Epiphänomen« oder eine »Spandrille« ist, die nur noch als Ornament Sinn hat. Religion ist wahrscheinlich ein corpus mixtum aus allem: In ihr findet sich neben Adaptivem viel Dysfunktionales, viel Leerlauf und Unsinn. Dennoch bleibt die Frage: Können wir Spuren Gottes auch in den Menschen erkennen, die diese semiotischen Kathedralen erbaut haben und dabei ihren menschlichen, allzu menschlichen Interessen folgten? Es gibt eine Spur Gottes im sozialen Leben: die Sehnsucht nach Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, die in den Menschen und in unserer Gesellschaft lebendig ist. In dieser Sehnsucht meldet sich etwas Unbedingtes, das der Ideologiekritik standhält. Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung sind die drei Grundwerte der ökumenischen Sozialethik, die sich seit 1945 gebildet hat. Ich habe diese Trias bewusst erweitert: Neben Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung ist die Freiheit ein Wert, dem eine Gesellschaft unbedingt verpflichtet ist. Freiheit ist der Gerechtigkeit übergeordnet. Denn ohne Freiheit könnten wir nicht einmal gegen Ungerechtigkeit protestieren. Aber Freiheit ohne Gerechtigkeit ist Privilegierung der Mächtigen. Es reicht nicht, Freiheit durch Verantwortung zu ergänzen – es sei denn, man meint Verantwortung für Gerechtigkeit, für Frieden und für die Bewahrung der Schöpfung. In der Theologie aber gilt: Ohne die innere Freiheit, sich auf den hermeneutischen Konflikt einzulassen, der Glauben und Theologie in der modernen Zeit prägt, werden wir diesen Konflikt nicht überwinden. Das galt für die Entmythologisierungsdiskussion und gilt heute für die Auseinandersetzung mit Soziologie, Psychologie und Religionstheorie. Wenn man sie in die Nähe des Atheismus rückt, so sind das leicht durchschaubare Einschüchterungsversuche, von denen man sich nicht beeindrucken lassen sollte. Jede Hermeneutik des Einverständnisses muss durch eine Hermeneutik des Konflikts hindurch. Darin hatte Paul Ricoeur Recht. Darin war er ein großer Protestant.

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Gerd Theissen

Bibliographie Becker, Jürgen u. a.: Die Anfänge des Christentums, Stuttgart 1987. Berger, Klaus: Der Zeltmacher Paulus und seine Gesellen. Mit ersten Zeichen von Ermüdung: Eine umfassende Sozialgeschichte des Urchristentums, FAZ 21.12.95. Bringeland, Hans M.: Religion und Welt. Martin Dibelius (1883–1947), Bd. 1: Dibelius in seiner Frühzeit (bis 1915), BVB 20, Münster 2013. Case, Shirley Jackson: The Evolution of Early Christianity, Chicago 21960. Crossan, John Dominic: The Historical Jesus. The Life of a Mediterranean Jewish Peasant, Edinburgh 1991. Cullmann, Oscar: Die neuen Arbeiten zur Geschichte der Evangelientradition (1925), in: Ders. (Hrsg.): Vorträge und Aufsätze 1925–1962, Tübingen 1966, 41–89. Deißmann, Adolf: Das Urchristentum und die unteren Schichten, VESK 19, Göttingen 1908. Dibelius, Martin: Die urchristliche Überlieferung von Johannes dem Täufer, FRLANT 15, Göttingen 1911. Dibelius, Martin: Geschichtliche und übergeschichtliche Religion im Christentum, Göttingen 1925. Dibelius, Martin: Das soziale Motiv im Neuen Testament, in: Bornkamm, Günther (Hrsg.): Botschaft und Geschichte. Gesammelte Aufsätze I: Zur Evangelienforschung, Tübingen 1953, 178–203. Ebertz, Michael N.: Das Charisma des Gekreuzigten. Zur Soziologie der Jesusbewegung, WUNT 45, Tübingen 1987. Engels, Friedrich: Zur Geschichte des Urchristentums, in: Die Neue Zeit 13, 1. Bd. 1/2, 1894/95. Engels, Friedrich: Zur Geschichte des Urchristentums, Marx-Engels-Werke 22, Berlin 61982, 449–473. Gager, John G.: Kingdom and Community. The Social World of Early Christianity, Englewood Cliffs, New Jersey 1975. Greeven, Heinrich: Das Hauptproblem der Sozialethik in der neueren Stoa und im Urchristentum, Gütersloh 1935. Gülzow, Hennecke: Soziale Gegebenheiten der altkirchlichen Mission, in: Frohnes, Heinz Günther/Knorr, Uwe W. (Hrsg.): Kirchengeschichte als Missionsgeschichte, Bd. 1: Die Alte Kirche, München 1974, 189–226. Heinrici, Georg: Die Christengemeinde Korinths und die religiösen Genossenschaften der Griechen, in: ZWTh 19 (1876), 476–526. Hengel, Martin: Die Zeloten. Untersuchungen zur Jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n. Chr., AGJU 1, Leiden 1961 21976. Hengel, Martin: Judentum und Hellenismus. Studien zu ihrer Begegnung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis zur Mitte des 2. Jh.s. v. Chr., WUNT 10, Tübingen 1969 3 1988.

Soziologie und Theologie des Neuen Testaments

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Gerd Theissen

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Zu den Autorinnen und Autoren

Becker, Matthias, Dr. phil. Universität Tübingen (2011), geb. 1982, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Tübinger Sonderforschungsbereich »Bedrohte Ordnungen«. Er studierte Ev. Theologie und Klassische Philologie in Heidelberg und Tübingen. Seine Dissertation mit dem Titel »Eunapios aus Sardes: Biographien über Philosophen und Sophisten. Einleitung, Übersetzung, Kommentar« (Stuttgart 2013) wurde mit dem Promotionspreis der Philosophischen Fakultät der Universität Tübingen ausgezeichnet. Zu seinen Forschungsinteressen zählen die antike Philosophenbiographik, pagane Christentumskritik in der Spätantike sowie Aspekte antiker Familienethik. Weitere Publikationen: Philosophen zwischen Reichtum und Armut – Sozialer Status und asketischer Anspruch bei Eunapios aus Sardes, Millennium 9 (2012), 123–143; Der schlechtere Weg ist das Ziel. Zum Leitbild des Philosophen in den Biographien des Eunapios, Zeitschrift für Antikes Christentum 15 (2011), 450–475; Ehe als Sanatorium. Plutarchs Coniugalia Praecepta und die Pastoralbriefe, Novum Testamentum 52 (2010), 241–266.

Dettinger, Dorothee, geb. 1983, Studienrätin am Gymnasium mit den Fächern Evangelische Religion und Deutsch. Sie studierte Ev. Theologie und Germanistik (Lehramt Gymnasium) in Tübingen und Leipzig und legte ihr Erstes Staatsexamen 2009 ab. Gegenwärtig arbeitet sie an einer Dissertation zum Beitrag frühchristlicher Schriften des späten 1. Jahrhunderts im Diskurs über familiäre Strukturen in der griechisch-römischen Welt.

Engberg-Pedersen, Troels, born 1948, is Doctor of Philosophy (1982) and Doctor of Theology (2000) from the University of Copenhagen and since 2001 Professor (Ordinarius) of the New Testament at the Faculty of Theology, the University of Copenhagen. He was educated in Classics (1974) at the University of Copenhagen and then studied ancient and modern philosophy at Oxford University, which led to his first dissertation on Aristotle’s Ethics (published 1983 as Aristotle’s Theory of Moral Insight). He then focused on Stoic ethics, which led to a book in 1990 on The Stoic Theory of Oikeiosis. The third part of this ›trilogy‹ was his second dissertation entitled Paul and the Stoics (2000). He has concluded his Pauline studies with the monograph Cosmology and Self in the Apostle Paul: The Material Spirit, 2010. Paul and the Stoics won an American Prize for the best book within New Testament studies in 2000–2001. Cosmology and Self became book of the month in Theologische Literaturzeitung for March 2012. Engberg-Pedersen was elected member in 1997 of Society for New Testament Studies and the Royal Danish Academy

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Zu den Autorinnen und Autoren

of Sciences and in 2006 of the Norwegian Academy of Sciences. At present he is working on a monograph on the Fourth Gospel provisionally entitled John and Philosophy.

Esler, Philip Francis, born 1952, is the Portland Chair in New Testament Studies in the University of Gloucestershire, Cheltenham, England. He has previously been the Professor of Biblical Criticism in the University of St Andrews, the first permanent Chief Executive of the UK Arts and Humanities Research Council (2005–2009) and the Principal and Professor of Biblical Interpretation at St Mary’s University College, Twickenham, London. He specialises in the application of social-scientific ideas to biblical and extrabiblical texts to investigate their original meaning. Publications in this area include Conflict and Identity in Romans: The Social Setting of Paul’s Letter, Minneapolis, MN 2003 and Sex, Wives, and Warriors: Reading Biblical Narrative with Its Ancient Audience, Eugene, OR 2011. He also publishes on New Testament theology and on the reception of the Bible in art. He holds a D Phil (1984) and a DD (2008) from the University of Oxford and is a Fellow of the Royal Society of Edinburgh. He is currently a member of the Council of the Society of Biblical Literature.

Landmesser, Christof, Prof. Dr. theol., geb. 1959, Universitätsprofessor an der Eberhard Karls Universität Tübingen, Evangelisch-theologische Fakultät, Lehrstuhl für Neues Testament mit den Schwerpunkten Paulus und die Paulusschule, Theologie und Hermeneutik des Neuen Testaments. Er studierte Ev. Theologie und Philosophie in Tübingen und München und wurde 1998 zum Dr. theol. promoviert. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen gehören: Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, Tübingen 1999; Individualität und Sozialität. Perspektiven biblischer Theologie zur Intergenerationalität, in: Veröffentlichungen der Luther-Akademie Sondershausen-Ratzeburg, Bd. 5/2008, 45–67; Die Entwicklung der paulinischen Theologie und die Frage nach der Eschatologie, in: Hans-Joachim Eckstein, Christof Landmesser, Hermann Lichtenberger (Hrsg.), unter Mitarbeit von Jens Adam und Martin Bauspieß: Eschatologie - Eschatology. The Sixth Durham-Tübingen Research Symposium: Eschatology in Old Testament, Ancient Judaism and Early Christianity (Tübingen, September 2009), WUNT 272, Tübingen 2011, 173–194; Rudolf Bultmann als Paulusinterpret, in: ZThK 110, 2013, 1–21. Er ist Vorsitzender der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie und Mitglied der Studiorum Novi Testamenti Societas sowie der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie.

Zu den Autorinnen und Autoren

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Lindemann, Andreas, Prof. Dr. theol., geb. 1943, studierte in Tübingen und Göttingen, wurde 1975 promoviert, habilitierte sich 1977 und war von 1978 bis 2009 Professor für Neues Testament an der Kirchlichen Hochschule in Bethel. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen gehören: Die Aufhebung der Zeit. Geschichtsverständnis und Eschatologie im Epheserbrief, Gütersloh 1975; Paulus im ältesten Christentum. Das Bild des Apostels und die Rezeption der paulinischen Theologie in der frühchristlichen Literatur bis Marcion, Tübingen 1979; Der Kolosserbrief (1983) und Der Epheserbrief (1985) [ZBK]; Die Clemensbriefe (1992) und Der Erste Korintherbrief (2000) [HNT]; gemeinsam mit Hans Conzelmann: Arbeitsbuch zum Neuen Testament, Tübingen 1975 (142004); Auferstehung. Gedanken zur biblischen Überlieferung, Göttingen 2009; Paulus, Apostel und Lehrer der Kirche. Studien zu Paulus und zum frühen Paulusverständnis, Tübingen 1999; Die Evangelien und die Apostelgeschichte. Studien zu ihrer Theologie und zu ihrer Geschichte, Tübingen 2009; Glauben, Handeln, Verstehen. Studien zur Auslegung des Neuen Testaments Band II, Tübingen 2011. Er war 2004 bis 2013 Präsident der von Cansteinschen Bibelanstalt in Westfalen und 2009/2010 Präsident der Studiorum Novi Testamenti Societas und ist seit 2008 Direktor der Evangelischen Forschungsakademie sowie korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.

MacDonald, Margaret Y., born 1961, is Professor at St. Francis Xavier University (Nova Scotia), 1986–1990, 1996–present; University of Ottawa 1990– 1996; doctorate from the University of Oxford (1987); Commonwealth Scholar. An expert in the study of Paul’s letters and the social history of early Christianity, she has published four books: The Pauline Churches: A Socio-Historical Study of Institutionalization in the Pauline and Deutero-Pauline Writings, Cambridge 1988; Early Christian Women and Pagan Opinion, Cambridge 1996; Colossians and Ephesians, Collegeville, Minn. 2000. Co-authored with Carolyn Osiek, A Woman’s Place: House Churches in Earliest Christianity, Minneapolis, Minn. 2006. A fifth book, The Power of Children: The Construction of the Christian Families in the GrecoRoman World, is forthcoming (Baylor University Press), Waco, Texas 2014. She has received numerous research grants from the Social Sciences and Humanities Research Council of Canada. She is past president of the Canadian Society of Biblical Studies.

Piepenbrink, Karen, Prof. Dr. phil., geb. 1969, Studium der Geschichte und der Klassischen Philologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 1995 Erstes Staatsexamen, 1999 Promotion (Hauptfach Alte Geschichte), 2005 Habilitation an der Universität Mannheim, seit 2012 Professorin für Alte Geschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Zu ihren wichtig-

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Zu den Autorinnen und Autoren

sten Veröffentlichungen gehören: Politische Ordnungskonzeptionen in der attischen Demokratie des vierten Jahrhunderts v. Chr. Eine vergleichende Untersuchung zum philosophischen und rhetorischen Diskurs, Stuttgart 2001; Christliche Identität und Assimilation in der Spätantike. Probleme des Christseins in der Reflexion der Zeitgenossen, Frankfurt/M. 2005 (2. Aufl. 2009).

Portenhauser, Friederike, Dipl. theol., geb. 1982, studierte Ev. Theologie in Neuendettelsau, Oslo (Norwegen), Leipzig und Tübingen, seit 2007 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen. Arbeit an einer Dissertation zu Bildung, Begründung und Struktur personaler Identität in der Theologie des Paulus; Mitarbeit an der Edition des wissenschaftlichen Briefwechsels von Rudolf Bultmann und Ernst Käsemann. Publikationen: Eschatologische Existenz. Zum Verständnis der Glaubenden in der paulinischen Theologie anhand von 2Kor 5,17, in: Hans-Joachim Eckstein u. a. (Hrsg.): Eschatologie – Eschatology, WUNT 272, Tübingen 2011, 209–228; Identität als Nichtidentität. Zum Verständnis des Christen nach Paulus, Luther und Bultmann, in: Ulrich H. J. Körtner u. a. (Hrsg.): Bultmann und Luther. Lutherrezeption in Exegese und Hermeneutik Rudolf Bultmanns, Hannover 2010, 209–231; Martin Bauspieß, Christof Landmesser, Friederike Portenhauser (Hrsg.): Theologie und Wirklichkeit. Diskussionen der Bultmann-Schule, Theologie Interdisziplinär 12, Neukirchen-Vluyn 2011.

Satlow, Michael L., born 1964, is professor of religious studies and Judaic studies at Brown University. He received his Ph.D. in Ancient Judaism in 1993 from the Jewish Theological Seminary of America and has previously taught at Indiana University and the University of Virginia. He is the author of: Jewish Marriage in Antiquity, Princeton, NJ 2001; Creating Judaism: History, Tradition, Practice, New York 2006; and How the Bible Became Holy (2014), and is the editor of The Gift in Antiquity, Chichester 2013. He has held fellowships from the J. S. Guggenheim Memorial Foundation, the American Council of Learned Societies, and the W. F. Albright Institute of Archaeological Research.

Theissen, Gerd, Prof. Dr. Dr. h.c. mult., geb. 1943, studierte ev. Theologie und Germanistik in Bonn, wurde dort 1968 promoviert und 1972 habilitiert. 1968–1969 war er Assistent in Göttingen, 1969–1972 in Bonn. Er unterrichtete 1975–1978 an Gymnasien in Bonn und St. Augustin, 1978–1980 war er Professor für Neutestamentliche Theologie in Kopenhagen, 1980 bis zu seiner Pensionierung 2008 in Heidelberg. Forschungsschwerpunkte: Histo-

Zu den Autorinnen und Autoren

237

rischer Jesus, Soziologie, Psychologie und Theorie des Urchristentums. Er veröffentlichte mehrere Bände Predigten, dazu eine Homiletik, eine Bibeldidaktik und einen Katechismus in Form meditativer Texte. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen gehören: Soziologie der Jesusbewegung, München 1977; Studien zur Soziologie des Urchristentums, Tübingen 1979; Die Religion der ersten Christen, Gütersloh 2000; Die Jesusbewegung. Sozialgeschichte einer Revolution der Werte, Gütersloh 2004; Polyphones Verstehen. Entwürfe zur Bibelhermeneutik, Berlin 2014.

I. Stellenregister 1.1 Altes Testament Genesis 1,27 1,28 2,23 2,23–24 2,24 7,9 7,15 14,17–24 21,1–21 21,14 22,17 26,4 34,25

19, 24, 28 61 24 24 24, 28 19 19 187 16 16 61 61 114

Exodus 20,12 20,12 (LXX) 20,14 21,15 21,17

73 97 26 98 98

Leviticus 18,9 18,11 18,16 18,18 20,20–21 21,7

107 107 107 107 61 17

Numeri 5,11–31 16–18 27

28 113 108

Deuteronomium 5,16 (LXX) 5,18

97 26

6,20–24 8,5 21,17 21,13–21 21,18–21 22,19 22,22–24 22,22–27 24 24,1 24,1–4 25,5–10

62 73 109 21 62 17, 21 26 26 20 17–19, 23, 27, 28 17, 20, 21 107

1. Samuelbuch 2,10 (LXX)

167

2. Samuelbuch 6,16–23

61

Psalmen 32,10 (LXX) 34,11 85,11 113,9

168 98 34 61

Proverbienbuch (LXX) 13,1 13,24 15,33 18,22a 19,26 20,20 28,24 29,17

62 62 75 28 98 98 98 62

240

Stellenregister

Jesaja 29,14 49,20 50,1

168, 169 61 17

Jeremia 3,1–5 3,8 9,22–23

17 17 167

Hosea 9,11–12 9,16

61 61

Maleachi 2,13–16 2,15–16 2,16 2,16a

17 17 18 18

1.2 Alttestamentliche Apokryphen 3. Esra 5,41

63

1. Makkabäerbuch 12,21

103

3. Makkabäerbuch 4,8

128

4. Makkabäerbuch 13,9

103

Jesus Sirach 1,27

75

1.3 Neues Testament Matthäusevangelium 2 5,16 5,31–32

68 152 27, 28, 35

5,32 7,9–10 10,37 10,40 11,16–17 13,55 14,21 15,4–6 15,38 18,3–4 19 19,3 19,3–6 19,3–9 19,6 19,9 19,29 21,15 25,35ff.

29, 197 64 64, 104 65 64 111 65 98 65 65 21 27, 28 126 27 128 27, 28, 197 104 66 65

Markusevangelium 3,20–21 3,31–32 3,31–35 3,34–35 3,35 4,11 5,22–23 5,23 5,39 5,41 5,42 6,3 6,44 7,9–13 7,24–30 8,9a 8,11 9,14–29 9,33 9,33–37 9,35 9,36 9,36b 9,37

64 68 64 64 64 164 65 63 63 63 63 111 65 98 65 65 23 65 25, 65 65 66 65 65 65

Stellenregister 10 10,2 10,2–9 10,2–12 10,3 10,4 10,5b 10,5–8 10,6–7 10,6–9 10,7–8 10,8 10,9 10,10 10,10a 10,10–12 10,11 10,12 10,13 10,13a 10,13b 10,13–16 10,14 10,14a 10,14b.c 10,16 10,15 10,16 10,17–27 10,28–31 12,15

21, 28, 29 22 22, 25, 27, 29, 126 22, 26 23 17, 23 23 23 24 23, 24 24 24 23, 25, 128 66 25 22, 25, 28, 35 25, 26, 197 25–27, 29 79 66 66 22, 66, 80 66, 67 66 66 67 66 65, 67 22 22 23

Lukasevangelium 2 2,7 2,21–24 2,39 2,41–50 2,41–51a 2,41–52 2,42 2,46–47 2,48 7,31–32 8,19–21

68 68 68 68 68 68 68, 70 68 70 68 64 68

8,42 8,54 10,16 11,11–13 11,13a 14,26 15,11–32 16,18 18,15

63 63 65 64 64 64, 104 64 29, 197 66

Johannesevangelium 1–12 1,11–13 7,13 7,53–8,11 8,31–59 8,32 8,33 8,37 8,42 8,44 8,56 8,58 9,27 9,28

190 188 112 26 189 189 189 189 189 189 189 189 189 190

Apostelgeschichte 1,14 6,3 9,30 10,28 12,17 15,13–21 16,15 16,30–34 16,31 16,33b 16,34

112 103 103 186 112 112 78 78 78 78 78

Römerbrief 1 1–3 1,13 1,16 1,18–32

53 48 103 50, 172 49

241

242

Stellenregister

1,18–2,8 1,18–3,20 1,24–27 1,26 1,29–31 2,8 2,9 2,9–10 2,14 3,9 5,1 5,1–2 6,11 7,7 7,7–8 7,7–25 7,14 7,14–25 7,23 7,24 7,25 8 8,1 8,1–11 8,1–13 8,4 8,6 8,9 8,9–10 8,10 8,11 8,13 12,2 12,5

48 49 48 48, 50 48 48 48 172 48 48, 49, 172 34 34 175 49 49 48–50 49 49 49 49 42 91 175 34 48, 49 49 34 49 49, 50 49, 59 50 50, 53 167 42, 175

1. Korintherbrief 1 1–4 1,2 1,10 1,10–17 1,11 1,13 1,14–17 1,16

173 162, 166 34 103, 164 164, 165 163 165 77 72

1,17 1,18 1,18ff. 1,18–21 1,18–25 1,18–31 1,18–2,5 1,19 1,19–20 1,20 1,20–21 1,21 1,22–24 1,23 1,23–24 1,24 1,25 1,26 1,26–28 1,26–31 1,27 1,27–28 1,28 1,29 1,30 1,31 2,1 2,1–5 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,6–8 3,18 3,19 3,21–23 4,21 5–6

165, 170 164, 165, 167–172, 173, 175 165 165, 166 169, 172, 175 163, 165–167, 172, 174, 175 164 168, 169, 171 165, 166, 170 165, 167–171, 173 165–169 165–169, 170–173 166, 172–175 165, 167–169, 172, 173, 175 174 168, 169, 170–172, 173, 175 166–171 103, 166–169, 171, 172 166, 167, 169, 171 165, 166, 169 167–171, 174 166–168 165, 166, 168, 169, 171 166–168 166–168, 170–172, 174, 175 166–168 165 165 165 165 165 165 167 167 167 167 54 70 30, 53

Stellenregister 5–7 5,1 5,1–6,11 5,5 5,10 5,10–11 5,11 5,11–13 5,12–13 6 6,9 6,9–10 6,10 6,12 6,12–20 6,12–11,16 6,13b 6,14 6,16 6,16a 6,16b 6,17 6,18 6,19 6,20 7 7,1 7,1b 7,1–7 7,2 7,2–5 7,2–6 7,3 7,5 7,6 7,7 7,8 7,8b 7,8–9 7,8–11 7,8–16 7,9 7,10 7,10a

42, 163 163 53, 54 163 53 53 53 163 164 54 53 53 53 54 53, 54 71 53 53 24 54 54 54 54 54 54 50, 53–56, 117 30, 31, 33, 55, 70, 163 30 43 55 55, 72 30, 31 55 53–55 55 30, 55, 57 31, 33, 55 31 55 30 31 31, 55 31–33 31

7,10b 7,10–11 7,10–16 7,11 7,11a 7,11b 7,12 7,12a 7,12b 7,12–13 7,12–14 7,12–14a 7,12–16 7,13 7,14 7,14a 7,14b 7,15 7,15b 7,16 7,17–24 7,19 7,24 7, 25–40 7,26 7,28 7,29 7,29b 7,29ff. 7,29–31 7,31 7,32–34 7,36 7,37–38 8,1 8,1–11,1 8,11 8,11–13 9,5 9,19–22 10,16–17 10,17 10,24 10,29 10,32

31 30, 35 30 32, 33 31–33 31, 32 31 31 31, 32 70 71 71 31, 33, 70, 78, 94 32 70, 71, 78, 88 71 71 32 34 71 55 56 55 55 55 55, 58 56, 59 72 72 56, 58 55, 56 53 55, 58 55 163 163 163 163 112 148 185 42 163 163 172

243

244

Stellenregister

11 11–14 11,3 11,8 11,11 11,17 11,17–34 11,18 12 12–14 12,1 12,1–11 12,12–31 12,13 12,27 13,11 14,20 14,33 14,33a 14,34–35 15 15,12 15,35ff. 15,39 15,40 15,44 15,50 16,1 16,15 16,15–16 16,30–34 16,31 16,33b 16,34 2. Korintherbrief 1,8 2,15 4,3 4,4 5,1ff. 6,13 6,14–7,1 6,17

163 163 207 207 30, 207 31 93 163 164 163 163 164 164 42, 172 42 70 70 34 34 74, 75 46, 54, 163, 164, 175 163 43 42 42 42 42, 46 163 72 78 78 78 78 79

103 167 167 167 43 70 71 71

8,1 10,17 12,2–4 12,14

103 167 43 70

Galaterbrief 1,4 1,11 1,11–2,14 1,13 1,19 2,12 2,19–20 3–4 3,24 3,28 5 5,19–21 5,22–23 5,24 6,14

48, 167 103 186 185 112 186 47 91 96 172, 175, 207, 224 53 43, 45, 46, 48, 49 44, 59 47, 50 47, 48

Epheserbrief 3,14–15 5,22–33 6,1 6,1–4 6,2 6,4

98 126 73 95, 97, 99 97 73, 79, 80, 95, 98, 99

Philipperbrief 1,12 2,22

103 70

Kolosserbrief 1,12 3,11 3,11–12 3,16 3,18ff. 3,18–4,1 3,20 3,20a 3,20b 3,20–21

91 172 91 93 74 72, 89, 91, 94 72, 73, 88, 89, 94 73 72 88

Stellenregister 3,21 3,22 3,24 4,5 4,15–16

72, 89, 92, 93, 94 88 91 164 92, 93

1. Thessalonicherbrief 1,4 2,7 2,11 3,11 4 4,3 4,3–8 4,4 4,4–5 4,5 4,6 4,7 4,8 4,11 4,12 4,17 5,23

103 70 70 51 42 51 51 51 52, 59 51 51 51 51, 53 31 164 53 51

2. Thessalonicherbrief 1,3

103

1. Timotheusbrief 2,11–14 2,11–15 2,15 3,4 3,5 3,12 3,16–17 4,3 5,3–16 5,14

74 75, 126 74 74 74 74 99 33 75 74

2. Timotheusbrief 3,15 3,16

97, 99 99

3,16–17

99

Titusbrief 1,6 2,1–10

74 99

Hebräerbrief 1,1–2 2,10 2,10–18 2,11–12 2,13 2,14 2,16 2,17–18 3,1 6,1ff. 6,18–19 7,1–2 7,3 7,5 7,6 7,9–10 10,32–34 11 11,8–16

186 187 186 187 187 187 186 187 187 79 121 187 187 187 187 187 185 188 187

1. Petrusbrief 1,1 1,2–3,18 1,3 1,4 1,6 1,13–15 1,13–16 1,13–2,10 1,14–15 1,14–16 1,17 1,18 1,23 2,1 2,9 2,9–10 2,11

140, 141 147 140, 142 140 136 142 141 145, 146 141 142 141 140 140,142 141 140 140, 141, 147 141

245

246

Stellenregister

2,11–12 2,11–3,12 2,12

135, 141, 152 145, 147 136, 145–147, 150

2,12–18 2,15 2,17–18 2,18–3,7 2,19–21 2,21 2,24 2,24–25 3,1–2 3,1–3 3,2 3,7 3,9 3,13–17 3,13–18 3,14 3,16 3,18 4,1 4,1–4 4,2–4 4,2–5 4,2 4,3 4,3–4 4,4 4,12 4,15–16 4,16 4,19 5,6 5,8–9 5,9–10 5,10 5,12

141 141, 145, 150 141 74 136 141, 147 141 147 148 141 141 51 136 150 136 141, 152 141 147 136 142 142 146 141 142 141 136 136 136 136 136, 141 141 136 136 140, 147 147

1.4 Altbabylonische Schriften Codex Hammurapi § 128 § 129 § 130 § 133 §§ 137–140 § 141 § 142

12 12 12 12 12 12 12

1.5 Frühjüdische Schriften Josephus Antiquitates Judaicae II 17 IV 14–XV 27 IV 253 IX 95 XI 298–299 XV 259 XX 200

113 113 19 113 113 20 112

Bellum Judaicum I 507 I 552

113 113

Contra Apionem I 60 I 109 I 127 I 179 I 197–199 I 210 I 242 II 14 II 29 II 34 II 102–109 II 151–189 II 154 II 154, 225 II 156 II 161

97 184 184 183 184 184 184 184 184 184 184 190 190 190 190 190

Stellenregister II 164–5 II 165 II 170 II 171–2 II 173 II 173–74 II 174 II 175 II 181 II 201 II 204 II 217 II 277 II 284

190 190 184 98 190 99 96 190 96 149 97 96 184 184

Vita 8 414–415 415 419 426 426–427 427

113 19 19 114 20 19 20

Philo De Abrahamo 62

187

De decalogo 111

62

De praemiis et poenis et de exsecrationibus 108 62 De specialibus legibus III 30–31 III 82 III 110 III 110–119 III 113 Hypothetica 7,3

20 21 62 62 62

149

Legum allegoriae III 210

63

Quod Deus immutabilis sit 54

73

Pseudo-Aristeas Aristeae ad Philocratem epistula 248,2–3

62

Pseudo-Phokylides 207–209

62

1.6 Rabbinisches Schrifttum Mishna-, Tosefta-, Talmudtraktate Bava Batra 3,4 8,2 10,7

110 108 110

Beza 4,5 5,3

109 109

Eruvin 6,7

109

Gittin 9,3a 9,10 9,10c

19 18 19

Jevamot 2,6 3,1 13,1–5

107 107 111

Joma 4a

190

247

248

Stellenregister

Kelim 18,9

Qumran-Texte 109

Ketubbot 2,10 4,1

109 108

Ma´aser Sheni 4,4

110

Nedarim 9,5

109

Pe´a 3,5

110

Qiddushin 5,10

111

b Sanhedrin 41ab

26

Shevi´it 6,22

110

Shevu´ot 1,4

19 103 103 103 103 19

Gemeinschaftsregel (1QSa) 1.18

103

Gemeinderegel (1QS) 6.10 6.22

103 103

Tempelrolle (11Q19) LIV 4

19

Weitere Schriften aus Qumran 114

Targumim Targum Jonatan zu Mal 2,16

Damaskusschrift (CD) 4.20–5.1 6.20 (A) 7.1 (A) 7.2 (A) 20.18 (B) 13.17

18

Midraschim Mekhilta deRabbi Shim´on ben Jochai 10

114

Sifre Devarim 322

114

Papyrus Yadin 5 49 (= 5/6 XHev 49) 59 (= 5/6 XHev 59)

109 104 104

XHev/Se 7,9,64 XHev/Se 12 XHev/Se 50,62 XHev/Se 63

109 111 109 111

Stellenregister 1.7 Frühchristliche Schriften/ Kirchenväter

De lapsis 6

199

Athenagoras De Resurrectione mortuorum 12 21

Didache 4.9

97

Hirt des Hermas Mandata IV I,4–11 XII 3,6

34 76

Similitudines IX 29,1

76

Visiones I 3,1 I 3,1–2 I 3,2 II 4,3

76 76 76 97

Legatio pro Christianis 32 33 1. Clemensbrief 21,6–8 21,6.8 21,7 21,8 21,8–9 22,1 23,1 Clemens von Alexandrien Paedagogus 1,10,3

206 206

197, 202, 205 201

74 97 75 75 97 98 98

201

Quis dives salvetur 22,7 23,1–2

204 204

Stromata 2,138,3 2,146,2 4,59,1 60,2

206 197 207 207

Cyprian Ad Donatum 8

197

De habitu virginum 9 22

199 206

Ignatius von Antiochien Epistula ad Polykarpum 8,2 75 Epistula ad Smyrnaeos 13,1

75

Iustinianus Apologie 1,15 2,2 2,12

197 34 197

Minucius Felix Octavius 8,4–9,6 31,4

139 197, 198

Origenes Contra Celsum III 44 III 50 III 55 III 55–58

97, 140 97 97 77

249

250

Stellenregister

Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis 2–6 204 Polykarp von Smyrna Brief an die Philipper 4,2

75, 97

Tertullianus Apologeticum 3,6 39 40,1–3

205 202 139

Ad uxorem 1,2 1,4,5 1,4–5 1,5 1,6 1,6,5–1,7,1 1,8,5 2,2.7

196 202 202 206 205 207 202 196

De anima 39,4 De baptismo 18,1 18,2.3 18,6 De cultu feminarum 1,1 2,1.4 2,4

De monogamia 6–7 16

196 202

De pudicitia 6 16

197 199

Theophilus von Antiochia Ad Autolycum 3,13

197

1.8 Pagane antike Literatur

71

80 80 80

206 199 199

Antipater Stoicorum veterum fragmenta frg. 62 frg. 63

129 117, 120, 122–131

Apuleius Metamorphoses 9,14

139

Aristides Orationes 3

139

Aristoteles Politica I 1253b I 1259a,b

149 149

121

44

De exhortatione castitatis 12

199, 206

Artemidorus von Daldis Oneirokritika 2,23

De idololatria 2 10 16

197 76 204

Cicero De finibus bonorum et malorum 3,16

Stellenregister De legibus 1,25 2,8.19–22

123 148

De officiis 1,22

121

In M. Antonium orationes Philippicae II 28,69

14

Columella De re rustica 12

149

Corpus Iuris Civilis Digesta 48,5,35

198

Demosthenes Contra Onetorem I 17

13

Diogenes Laertios 7,36 7,121 7,123 7,151 7,175

117 117 121 127 117

Diodorus Siculus XII 11–19 XII 18

12 12, 13

Dion Chrysostomos Orationes 32, 15–16 Epictetus Dissertationes 1,6,9 2,14,12–13 Gellius Noctes Atticae 4,3,1–2

99

125 123

15

Hierokles (ed. von Arnim) p. 52,17–19 p. 52,17–21 p. 52,19–21 p. 52,25–27 p. 53,1–2 p. 53,1–12 p. 53,20–21 p. 53,24–25 p. 53,25–26 p. 54,12 p. 54,12–13 p. 54,14–25 p. 54,15–16 p. 54,19 p. 54,20–21 p. 54,25–27 p. 55,2–3 p. 55,6–7 p. 55,14–16 p. 56,4–5 p. 56,16–20 p. 56,19 p. 56,19–20 p. 56,21–32 p. 56,23 p. 56,25–27 p. 56,27–32 p. 56,29 p. 56,31–32 p. 56,32

128 122 126 126 126 126 121 120, 127 128 127 127 128 128 128 124 129, 131 128 128 131 120 121 121 121 120 120 120 120 120 122 121

Homer Ilias 6,146–149 6,146.149

120 120

Odyssee 6,182–184

129

Horaz Carmen Saeculare 17–24

16

251

252

Stellenregister

Isaeus Orationes III 78

13

Livius Ab urbe condita III 34

14

Marcus Aurelius Meditationes 10,34

120

Musonius Rufus (ed. Hense) Dissertationes 3 13A 13B 14 15A 17 18B Nepos Atticus 14

128 128 128, 129 117, 122–125, 127, 128 124 123 125

93

Platon Symposion 189c–193d

125

Leges 773e VI 784b XI 929e–930b

124 14 14

Plutarchos Amatorius 751e 757d 767d–e 770a

121 129 125 129

Coniugalia praecepta (= Moralia 138A–146A) 1 (= Moralia 138B) 1 (= Moralia 138C) 2 (= Moralia 138D) 3 (= Moralia 138E) 5 (= Moralia 139A) 19 (= Moralia 140E) 20 (= Moralia 140E) 21 (= Moralia 140F– 141A) 22 (= Moralia 141B) 24 (= Moralia 141C) 33 (= Moralia 142E) 34 (= Moralia 142E–F) 34 (= Moralia 142E– 143A) 38 (= Moralia 143C–D) 38 (= Moralia 143D) 40 (= Moralia 143E) 48 (= Moralia 145B)

128 130 128 129 131 148 128 129, 131 128 128 128 125 127 131 131 131 122, 131

De fraterno amore (= Moralia 478A–492D) 3 (= Moralia 479D) 16 (= Moralia 486D–E)

112 113

Vitae parallelae Perikles 24

13

Pseudo Plutarchus De liberis educandis (= Moralia 1A–13F) 5 (= Moralia 3E) 10 (= Moralia 7D–F) 13 (= Moralia 9B–F)

93 99 73

Quintilianus Institutio oratoria 1.1.4–5,8 1.2

93 100

Seneca Ad Lucilium epistulae morales 94.1

99

Stellenregister 94.8 94.8–9

93 93

De providentia 1.6

95

De matrimonio frg. 24

117, 124

Sophokles Philoktetes 400–401

124

Soranus Gynaikeia 2.18–20

93

Suetonius De Caesarum vita libri octo Nero 16,2 139 Tacitus Annales XV 44,2 XV 44,4

138 139

Historiae V 5,3

63

Xenophon Anabasis 5.6.29

96

Oikonomikos 7.8 7.18 18

148 128 149

253

II. Sach- und Begriffsregister Abgrenzung 6, 9, 29, 118, 135, 137, 141, 142, 144, 146, 148, 150–152, 159, 160, 162–168, 172–175, 200, 204 admonition 89, 93 Annäherung 6, 9, 135, 147, 150, 151, 162 apologetisch 6, 148–152, 195–197, 205 Askese/asketisch 30–34, 72, 74, 126, 204 Bildung/gebildet/ungebildet 6, 62, 73, 76, 77, 128, 207, 220, 222 brother 51, 52, 91, 103, 104, 107–115, 187 child/children 44, 45, 65, 69, 73, 75, 85– 100, 104, 107, 110, 112, 114, 187, 188 – childhood 85, 88, 92, 94, 98, 100 – children of God 188 Christ-follower 179, 180, 184–186, 188, 190, 191 Christ-movement 6, 9, 179, 180, 183, 189, 190, 191 community 75, 85–95, 98, 100, 103, 182, 191 Culture/cultural 55, 90, 94, 106, 107, 108, 110, 179–183, 185, 186, 189, 190 desire 44, 45, 47, 49–52, 55, 58, 59, 97 Devianz 199, 225 Differenz 18, 28, 158–160, 162, 164, 173, 196, 198– 201, 203, 208 disciple 66, 104, 189–191 Diskurs/diskursiv 5, 6, 10, 35, 118, 131, 157, 163, 195, 196, 200, 201, 203 divorce 92 education 6, 9, 85–88, 92, 93, 95–100 Ehe, ehelich 5, 6, 9, 11–17, 21, 22, 24–32, 34–36, 70–72, 117–132, 195–208, 220 – Ehebruch 12, 14, 20, 25–29, 34, 196– 198, 208 – Ehefrau 12, 22, 27, 64, 122, 128, 132, 139, 145, 148, 149, 201, 206 – Ehelosigkeit 30, 31, 121, 123, 126, 206

– Ehemann 12, 17, 19, 122, 148, 149, 197,201, 202 – Ehepaar 24, 34, 78, 121, 124, 128, 129 – Ehescheidung 5, 9, 11–13, 15–19, 21–35, 196, 198 – Eheschließung 198, 201, 202 – Trennung eines Ehepaares 15, 16, 26, 31, 33, 34, 198, 199 Einheit, einheitlich 15, 16, 24, 35, 119, 125, 127–132, 147, 159, 161, 164, 165 Eltern 5, 9, 24, 61, 62, 64–66, 68, 70–74, 78, 80, 119–121, 201 Erziehung 6, 12, 14, 62, 63, 71, 75–77, 79, 80, 117, 123, 159, 201 Ethik/ethisch/ethical 35, 97, 142, 147, 148, 150, 163, 164, 217, 218, 223, 229 – familienethisch 5 ethnicity 181–184 Ethos 89, 224, 227 Exklusion 9, 157–162, 172–174 Familie 6, 10, 15, 22, 61, 62, 64, 68, 70, 72–78,119– 124, 128, 138, 139, 195, 196, 201–205, 207, 220, 224 – christliche Familie 72 – familiäre Beziehungen 5, 65, 202 – family 41, 86, 89, 92, 93, 96, 98, 104– 106, 108, 109, 111–115, 184 – fictive familial 187 formation 87, 90, 98–100, 106, 107 Fremder/Fremdling/fremd 66, 135, 141– 144, 146, 151, 152, 162, 225 Frühjudentum/frühjüdisch 16–22, 26, 28 Gemeinde/Gemeinden – christliche Gemeinde 21, 22, 25, 26, 29, 34, 35, 67, 71, 77, 136, 137, 145–147, 151, 168, 172, 196, 224 – Gemeinde von Qumran 19 – urchristliche Gemeinde 21, 221 Geschlechterrollen 206 Geschlechterverhältnis 117, 122, 130, 132 Geschwister 6, 64, 66, 68, 163

256

Sach- und Begriffsregister

Gesellschaft/gesellschaftlich 11, 15, 21, 66, 70, 119, 120, 122, 135, 136, 137–140, 142–147, 149–152 Gottesfurcht 75, 141 Gottesverhältnis 144, 151 Harmonie/harmonieren 127, 128, 131, 138, 139, 145 Haustafel 72, 74, 80, 85, 92, 145, 146, 148 Hellenismus/hellenistisch 5, 19, 20, 21, 26, 27, 29, 31, 61, 66, 132, 145, 150, 224 household codes 6, 9, 85, 90, 91, 93, 94, 98, 99 Identität 6, 9, 26, 143, 146, 147, 151, 157– 160, 162–166, 170, 172–175, 208 identity 56, 89, 94, 96, 100, 179–183, 185–191 – ethnic identity 181–183, 185–190 – group identity 103, 181, 184–187 – social identity 180, 181, 185, 191 Idolatrie/Idololatrie 138, 204 inheritance 90, 91, 94, 95, 98, 108, 109, 115 Inklusion 6, 9, 157–162, 172–175 Inversion 170 Jew/Jewish 6, 9, 42, 48, 49, 96–99, 103– 108, 111, 112, 114, 115, 183–185 Judean 6, 9, 103, 106, 108, 109, 183–191 Judentum/jüdisch 5, 6, 18–23, 25, 27, 28, 61–63, 67, 68, 75, 145, 166, 172–174, 196, 217, 218, 222–226 Kind 5, 9, 12, 14, 15, 22, 44–46, 48–51, 53, 54, 56, 58–80, 117, 120, 121, 123, 124, 127, 128, 131, 140, 199, 201, 203, 204, 206 – Kindesaussetzung 61–63 kinship 41, 91, 103, 104, 106, 112, 114, 186, 188, 191 – fictive kinship 103, 112, 114, 186, 191 Kultur/kulturell 61, 69, 76, 123, 124, 151, 152, 198, 214, 215, 218, 223–226 – Kulturanthropologie 222–224, 226 Lebensführung 6, 9, 135, 136, 140, 141, 144, 147, 150, 152, 195 Lebenspraxis 29, 35, 78, 118, 195 Lebenswelt/lebensweltlich 5, 29, 131, 144

Liebe 33, 68, 75, 76, 117, 121–123, 125, 127, 128, 132, 216, 223, 225, 227 love 44, 59, 97, 104, 112–114, 115, 180 marriage 5, 9, 41, 42, 50–52, 54–59, 88, 92, 94, 96, 98, 104, 106, 107, 111, 115, 188 – remarriage 92 Mission/missionarisch 71, 79, 148, 152, 173, 191, 216 Moral/moralisch 15, 21, 26, 80, 224 – Unmoral 138–140 morality/morally 44, 45, 48, 53, 93, 94, 98, 99, 115 – immorality/immoral 100 Natur 62, 63, 117, 119, 121–128, 130–132, 207 nature 45, 46, 48, 50, 56, 57, 96, 112, 113, 187 Norm 63, 76, 91, 107, 108, 111, 115, 135, 137, 141, 144, 145, 150–152, 180, 185, 191, 199, 203, 205, 207, 217 Oikos 77, 144, 148, 184, 206 Ordnung 34, 73, 137–139, 144, 146, 148, 149 Orientierung 35, 131, 140, 141, 144, 146, 150, 152, 225 Paränese 149 parents/parenting 6, 9, 85, 86, 88–94, 96, 98, 108, 110–114 pater familias 78, 88, 92, 94–97, 202 pneuma/pneumatic 42, 43, 47–54, 59 rabbinisch 18, 19, 21, 28 relationship 6, 9, 41, 42, 53, 54, 56, 85, 86, 90, 92, 94, 96, 103–108, 110–115, 180, 181, 184, 185, 187, 190 – sibling relationship 6, 9, 103–106, 108, 114, 115 Religionssoziologie/religionssoziologisch 217–219, 221, 225 Schöpfung 23–25, 61, 124–126, 130, 132, 204, 229 Schwangerschaftsabbruch 61 Sex/sexual/sexuell 5, 9, 28–34, 41, 42, 44, 48, 50–59, 71, 91, 107, 111, 125, 140, 163, 201

Sach- und Begriffsregister – Sexualität 5, 72, 125, 196, 199, 200 – sexuelle Beziehungen 70 sin/sinful 43, 46, 48–50, 53, 55, 58, sister 91, 103–105, 107, 108, 110, 111, 114, 115 socialization 6, 9, 85–90, 92, 93, 95, 96, 99, 100 social world 86–90, 93 sociology 85–87 Sozialgeschichte/sozialgeschichtlich 5, 6, 118, 157, 162, 213–224, 226–228 Sozialkerygmatisch 223, 224 Soziologie/soziologisch 5, 6, 10, 11, 119, 132, 136, 137, 143, 146, 147, 151, 157, 158, 162, 168, 172, 213–215, 217–222, 224, 226, 227, 229 Status 13, 44, 45, 56, 75, 137, 198, 218, 225, 226 Stoa/stoisch 5, 6, 9, 117–119, 121, 125, 126, 127, 129–132, 199, 200, 207 Stoic 43–47, 50, 52, 56, 57–59 Struktur – Begründungsstruktur 6, 21, 136 – häusliche Struktur 147 – Lebensstruktur 11, 35 – Orientierungsstruktur 144 – politische Struktur 217 – soziale Struktur 11, 145, 146, 150, 220 – weltliche Struktur 144 – Wertstruktur 152 Subordination 207 Sünde/sündig 23, 63, 76, 226 – Sündenvergebung 90 – Ursünde 222 Systemtheorie 159–162, 173, 174 Taufe 32, 67, 68, 71, 72, 76 – 80 teaching 6, 9, 85, 87, 89, 90, 93, 95–99, 111 Theologie 5, 6, 9, 10, 157, 158, 162, 163, 173, 174, 213 –215, 218–220, 222, 224, 226–229 Tora 16, 19, 24, 68, 77, 107, 108, 115 Umfeld/Umwelt 11, 21, 26, 29, 35, 61, 67, 135–137, 139–141, 143–145, 150, 151, 159, 162, 164, 168, 195, 196, 200, 205, 206 Univira 98, 205

257

Unterordnung 74, 78, 145, 148, 149 Unzucht 27–29, 34, 44, 49, 51-55, 163, 198 Urchristentum 126, 164, 216–220, 222–226 Verlangen 125, 218 Verwandtschaft 121, 123, 204 Wiederheirat 14, 15, 19, 21, 25–29, 35 Wille Gottes 24 Witwe 31, 75, 199, 202, 203, 205 Zusammenleben 13, 118, 138,

III. Autorenregister Aasgaard, Reidar 69, 77, 85, 103, 202 Abrams, Dominic 181 Adam, Jens 174 Aland, Kurt 79, 80 Aletti, Jean Noel 94 Allison, Dale C. 64, 65 Anya, Chukwudi 162 Avemarie, Friedrich 78 Babut, Daniel 118 Bailey, Derrick S. 196 Balch, David L. 41, 57, 137, 144–148, 152, 206 Balla, Peter 85 Baltensweiler, Heinrich 17, 18, 22, 24, 29 Bammel, Ernst 18 Banton, Michael 181 Barclay, John M. G. 95 Barrett, Charles K. 34, 190 Bar Tal, Daniel 181 Barth, Fredrik 181, 182, 189 Barth, Gerhard 78, 79 Barth, Karl 219 Becker, Eve-Marie 22 Becker, Matthias 119, 125–130, 132 Bees, Robert 117, 119, 127, 128, 131 Benko, Stephen 138 Berger, Klaus 23, 63, 213, 227 Berger, Peter 85–87, 89, 90, 92 Bettini, Maurizio 201 Bietenhard, Hans 142–144 Bohmeyer, Axel 159–162 Bonhoeffer, Dietrich 222 Borger, Rykle 12 Bradley, Keith 203 Brady, Monica 109 Brin, Gershon 18 Bringeland, Hans M. 219, 220 Brody, Robert 20 Broer, Ingo 136

Brooten, Bernadette 20 Broudéhoux, Jean-Paul 195 Brown, Peter 204 Brown, Raymond E. 190 Brox, Norbert 74, 76 Bultmann, Rudolf 42, 43, 45, 51, 66, 167, 213, 218–220, 222, 234 Burke, Tony 77 Burr, Vivien 86, 88, 89 Case, Shirley Jackson 218 Charlesworth, James H. 109 Cicirelli, Victor G. 114 Conzelmann, Hans 63, 164 Corsi, Giancarlo 174 Cotton, Hanna M. 110 Crossan, John Dominic 226 Cullmann, Oscar 219 Dasen, Véronique 92 Dassmann, Ernst 137, 140 Davies, William D. 64, 65 Deissmann, Adolf 216, 217 De Jonge, Henk Jan 68 Delling, Gerhard 71 Deming, Will 41, 117, 126 De Vos, Craig 138, 139 Dibelius, Martin 218–220 Dieckmann, Johann 159 Dixon, Suzanne 199, 203, 20 Drews, Wolfram 61 Drost, Daniela 17 Dryden, J. de Waal 151 Durkheim, Émile 217, 221, 225 Ebertz, Michael N. 225 Ebner, Martin 138 Elliott, John Hall 142–148 Engberg-Pedersen, Troels 43–45, 47, 48, 119

260

Autorenregister

Engel, David M. 130, 132 Engels, Friedrich 217 Esler, Philip F. 179–181, 183–186, 188, 189 Evans-Grubbs, Judith 197–199, 207 Eyben, Emiel 207 Farzin, Sina 160–162 Feldmeier, Reinhard 136–140, 142–144, 148, 150, 151 Février, Paul-Albert 203 Finsterbusch, Karin 62 Fiore, Benjamin 99 Flower, Harriet I. 203 Föllinger, Sabine 117–119, 123–126, 129, 130, 132 Forschner, Maximilian 119, 126 Frankemölle, Hubertऀ18, 28 Friedman, Mordechai Akiva 108 Gager, John G. 222, 225 Gärtner, Michael 98 Gaiser, Konrad 41 Geissler, Rainer 137 Gemeinhardt, Peter 76, 207 Gerber, Christine 64, 70, 149, 202 Gerest, Régis-Claude 200 Gergen, Kenneth J. 90 Gessel, Wilhelm 204 Gielen, Marlis 88, 138, 142, 143, 148, 149, 152 Glancy, Jennifer A. 91 Gnilka, Joachim 26, 67 Göbel, Markus 160 Goeden, Roland 202 Görgemanns, Herwig 117, 118, 121, 125 Goessler, Lisette 127, 130 Goodblatt, David 183 Goppelt, Leonhard 136, 142, 148 Goria, Fausto 127 Gottlieb, Gunther 137–140 Gräbe, Petrus J. 165 Grässer, Erich 79 Greeven, Heinrich 220 Grundmann, Walter 142 Gülzow, Hennecke 223ऀ Gundry-Volf, Judith M. 30, 31

Hajnal, John 105, 106 Harders, Ann-Cathrin 92, 95, 96, 201 Harland, Philip A. 103, 104 Harnack, Adolf von 173, 216, 217, 220 Haufe, Gerhard 63, 67 Heidegger, Martin 213 Heine, Susanne 140 Heinrici, Georg 216 Hellholm, David 75 Hengel, Martin 223, 224, 227 Herder, Johann Gottfried 215 Herrmann, Elisabeth 200, 206 Herzer, Jens 148 Hillmann, Karl-Heinz 152 Hirsch-Luipold, Rainer 118, 130, 131 Hochschild, Ralph 215–218, 220, 223, 224 Hogg, Michael A. 181 Holloway, Paul A. 146, 147 Holmberg, Bengt 86 Holmén, Tom 19 Horrell, David G. 86 Horsley, Richard A. 224 Hübner, Sabine R. 203 Hügli, Anton 158 Hurschmann, Rolf 64 Ilan, Tal 20 Instone-Brewer, David 16–20, 22–24, 26 Jeremias, Joachim 79, 80 Jewett, Robert 42 Johnson, Luke T. 99 Judge, Edwin A. 227 Kaiser, Ursula Ulrike 68–70 Kaser, Max 14, 15 Kautsky, Karl 217 Keener, Craig S. 190 Keesmaat, Sylvia 90 Kertzer, David I. 106 Klauser, Theodor 204 Kleijwegt, Marc 68, 78 Klein, Günter 215 Klein, Michael L. 18 Kleinschmidt, Frank 18, 23, 34

Autorenregister Klengel, Horst 12 Koch, Dietrich-Alex 138, 140, 151, 152, 167, 168 Körtner, Ulrich H.J. 214 Köstenberger, Andreas 149 Koester, Craig R. 187 Kötting, Bernhard 205 Krause, Jens-Uwe 13, 15, 202 Külling, Heinz 30 Kümmel, Werner Georg 49 Kuhn, Heinz-Wolfgang 22 Laes, Christian 91 Landmesser, Christof 23 Laslett, Peter 105, 106 Lassen, Eva Marie 202 Laub, Franz 88 Laurand, Valéry 124, 125 Lausberg, Marion 118 Lautenschlager, Markus 173 Lehmeier, Karin 72, 78 Lévy, Carlos 119, 125, 132 Lichtenberger, Hermann 19 Lieu, Judith M. 208 Lindemann, Andreas 30, 31, 34, 61, 62, 66, 71–75, 165, 167, 172 Lips, Hermann von 165 Loader, William 26, 29, 33, 41, 55 Löhr, Hermut 77, 79 Lohmeyer, Ernst 220 Lona, Horacio E. 75, 152 Long, Antony A. 44 Lorenz, Kuno 158 Luckmann, Thomas A. 85–87, 89, 90, 92 Lübcke, Poul 158 Lücke, Friedrich 216 Lührmann, Dieter 22, 23, 64, 72 Luhmann, Niklas 159–162, 173, 174 Luz, Ulrich 28, 29, 35 MacDonald, Margaret Y. 73, 85, 87, 93, 97, 98, 140, 149 Malherbe, Abraham J. 51 Malina, Bruce J. 180, 189, 226 Malinowski, Bronislaw 179 Malkin, Irad 183

Markschies, Christoph 76 Martin, Dale B. 41, 52, 55, 86, 89, 200 Martinovic, Boria 182 Marx, Karl 217, 221 Mayer, Günter 62 Medicus, Dieter 14 Meeks, Wayne 86, 87, 90, 225 Mencacci, Francesca 95 Merklein, Helmut 31, 33, 166, 168, 170, 171, 173 Mette-Dittmann, Angelika 198, 205 Metzger, Bruce M. 24, 66, 73 Meyer, Rudolf 141, 142 Milbank, John 214 Miller, David M. 181, 183 Mitchell, Claire 182 Mitchell, Margaret M. 164 Mödritzer, Helmut 225 Moxnes, Halvor 41 Mühlenkamp, Christine 138, 205, 207 Müller, Klaus 213 Müller, Peter 64, 67, 74, 85 Münch, Christian 142, 144 Munier, Charles 200 Nathan, Geoffrey S. 98, 206 Neudecker, Reinhard 17 Neumann, Josef N. 64 Niederwimmer, Kurt 19, 30, 32 Niebuhr, Karl-Wilhelm 163, 164 Noam, Vered 19 Nussbaum, Martha C. 132, 200 Osiek, Carolyn 93, 97, 148, 202, 206 Otto, Eckart 17 Parsons, Talcott 160 Paulsen, Henning 226 Peuckert, Rüdiger 137 Piepenprink, Karen 163, 197, 204 Pomeroy, Sarah B. 122 Popp, Thomas 145 Portenhauser, Friederike 170, 174, 175 Praechter, Karl 117, 118, 129 Prescendi, Francesca 93, 95, 96

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Autorenregister

Prostmeier, Ferdinand-Rupert 144, 150 Putnam, Hilary 158

Strecker, Christian 165, 170 Stuckrad, Kocku von 208 Sumney, Jerry L. 90

Quint, Barbara 195, 196, 201 Ramelli, Ilaria 119, 124–126, 129, 132 Rappaport, Uriel 103 Rawson, Beryl 91, 93, 98 Reinhartz, Adele 96 Reydams-Schils, Gretchen 117, 119, 124, 127, 129, 132 Ricoeur, Paul 158, 214, 229 Ringgren, Helmer 103 Rohrbaugh, Richard H. 189 Rosen, Klaus 196 Saller, Richard P. 201 Sasse, Hermann 167 Satlow, Michael L. 18, 106, 107, 108, 111 Schaller, Berndt 25 Schenke, Ludger 78 Schmidt, Johannes F.K. 160 Schmidt, Karl Ludwig 141, 142 Schmidt, Martin Anton 141, 142 Schnelle, Udo 136 Schoedel, William R. 75 Schöllgen, Georg 140, 202 Schrage, Wolfgang 71, 168 Schremer, Adiel 20, 111 Schüssler-Fiorenza, Elisabeth 224 Schweizer, Eduard 20 Scott, James C. 90 Scroggs, Robin 226 Sedley, David N. 44 Sellin, Gerhard 73 Shields, Martin A. 17 Shier, Kim 96 Sigismund, Marcus 64 Stegemann, Ekkehard W. 224, 225 Stegemann, Wolfgang 224, 225 Steininger, Christine 205 Steinmetz, Peter 118 Stemberger, Günter 62 Stenschke, Christoph W. 149 Stowers, Stanley 86

Tajfel, Henri 180 Theissen, Gerd 171, 221–223, 225–228 Theobald, Michael 22, 26, 33 Thiselton, Anthony C. 41, 55 Thrams, Peter 61 Thurén, Lauri 152 Torre, Chiara 118 Treggiari, Susan 200, 201, 206 Troeltsch, Ernst 216–218, 225 Tsekourakis, Damianos 126 Tuor-Kurth, Christina 61 Turner, John 180 Uhlhorn, Gerhard 216 Urban, Christina 72, 206 Vanderkam, James C. 109 Verkuyten, Maykel 182 Vielhauer, Philipp 136, 220 Volf, Miroslav 142–144, 151 Voss, Florian 164, 165, 167, 168, 172 Walsh, Brian J. 90 Walsh, Joseph 137–140 Wassen, Cecilia 99 Weber, Max 181, 182, 189, 217, 218, 221 Weber-Menges, Sonja 137 Wedderburn, Alexander J.M. 170 Weder, Hans 164, 172 Weidemann, Hans-Ulrich 136 Weitling, Wilhelm 216 Wendland, Hans Dietrich 220 Westbrook, Raymond 12 Wiedemann, Thomas 62 Willetts, Ronald F. 13 Williams, Travis B. 136, 138–140, 143, 144 Windisch, Hans 68 Witherington, Ben 144–146, 150 Wöhrle, Georg 132 Wolff, Christian 164, 166–168, 170–173 Wolter, Michael 29, 64, 68, 72

Autorenregister Woyke, Johannes 146, 151 Wright, David F. 71 Zagefka, Hannah 182 Zeller, Dieter 164, 167, 173, 174

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Christof Landmesser | Andreas Klein (Hrsg.) Normative Erinnerung Der biblische Kanon zwischen Tradition und Konstruktion 154 Seiten | Paperback | 15,5 x 23 cm ISBN 978-3-374-03621-9 EUR 28,00 [D]

Die Rede vom biblischen Kanon verschafft nur auf einen ersten Blick Gewissheiten. Die Vielfalt der biblischen Texte öffnet Sinnwelten, die nicht einfach miteinander zu vereinbaren sind. Der Gottesglaube prägt beide Testamente, er findet im Christusglauben eine besondere Gestalt. Es werden für den Glauben bedeutsame Geschichten erzählt. Erinnerung und Normativität verbinden sich in der Interpretation dieser Texte. Das historische Bewusstsein nimmt die mit einem Kanon verbundene Spannung wahr. Wie in einer pluralen Welt sinnvoll von einem Kanon geredet werden kann, wurde auf der 15. Jahrestagung der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert. Mit Beiträgen von Andreas Lindemann, Johannes Friedrich, Jürgen van Oorschot, Klaus Fitschen, Klaas Huizing, Elisabeth Gräb-Schmidt.

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Manfred Lang (Hrsg.) Paulus und Paulusbilder Konstruktion – Reflexion – Transformation Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte (ABG) | 31 464 Seiten | Hardcover | 15,5 x 23 cm ISBN 978-3-374-02683-8 EUR 58,00 [D]

Der Sammelband dokumentiert in zwei verschiedenen Arbeiten Zugänge zu einem historischen Paulus. Es folgen fünf Analysen zu Paulusbildern, die sich in der Paulus folgenden Zeit ergeben: den Deuteropaulinen, der Apostelgeschichte und den Pastoralbriefen sowie schließlich in der Alten Kirche. Zwei weitere Arbeiten zur westlichen Kunstgeschichte sowie zur östlichen Ikonographie beschließen den Band. In besonderen Facetten wird somit Paulus in seinen Paulusbildern erkennbar.

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Klaus Haacker Stephanus Verleumdet, verehrt, verkannt Biblische Gestalten (BG) | 28 256 Seiten | Paperback | 12 x 19 cm ISBN 978-3-374-03725-4 EUR 16,80 [D]

Als erster Märtyrer wurde Stephanus für die christliche Frömmigkeit zum Heiligen, zum Fürsprecher bei Gott, dem Wunder zugeschrieben wurden. Das ließ ihn auch zum Patron vieler Kirchen und zum Thema der kirchlichen Kunst werden. Häufig diente er als Vorbild für das Christsein in einer feindlichen Umgebung. Problematisch ist eine neuzeitliche Auslegungstradition, die das Opfer zum Täter umdeutet und Stephanus selbst die Schuld an seinem gewaltsamen Tod zuschreibt. Klaus Haacker unterstreicht demgegenüber die psychologische und historische Plausibilität des lukanischen Berichts von der Rolle der »falschen Zeugen«. Insgesamt ist ein Band entstanden, der die Dramatik der biblischen Stephanusgeschichte herausarbeitet und prägnante Beispiele ihrer Wirkungsgeschichte bis ins 20. Jahrhundert Revue passieren lässt.

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Peter von der Osten-Sacken Der Gott der Hoffnung Gesammelte Aufsätze zur Theologie des Paulus Studien zu Kirche und Israel. Neue Folge (SKI.NF) | 3 672 Seiten | Hardcover | 15,5 x 23 cm ISBN 978-3-374-03086-6 EUR 48,00 [D]

Der Band vereint 25 Aufsätze des renommierten Neutestamentlers aus älterer und jüngerer Zeit, die durchgesehen und zum Teil ergänzt oder bearbeitet wurden, sowie fünf bisher unveröffentlichte Beiträge. Alle zusammen erschließen die Verkündigung und Lehre des Apostels von ihrer konstitutiven apokalyptischen Prägung her: Sie bestimmt gleichermaßen seine Kreuzestheologie und von ihr her sein Verständnis der Bibel Israels als Verheißung und Gesetz, seine Deutung des neugeschaffenen Menschen als Teil der unerlösten Schöpfung und sein Verständnis der Gegenwart und Zukunft von Schöpfung, christlicher Gemeinde und jüdischem Volk.

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Melanie Lange | Martin Rösel (Hrsg.) »Was Dolmetschen für Kunst und Arbeit sei« Die Lutherbibel und andere deutsche Bibelübersetzungen Beiträge der Rostocker Konferenz 2013 320 Seiten | Hardcover | 15 x 22,5 cm ISBN 978-3-374-03789-6 EUR 49,00 [D]

Über die Jahrhunderte hinweg wurde Martin Luthers Übersetzung immer wieder überarbeitet, um sie an den aktuellen Stand der theologischen Forschung und den Sprachwandel im Deutschen anzupassen. Im Horizont des Reformationsjubiläums 2017 hat der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland erneut eine gründliche Durchsicht der LutherBibel in Auftrag gegeben. Im Rahmen der Rostocker Konferenz wurden erste Ergebnisse dieser Durchsicht vorgestellt. Darüber hinaus sollte die Lutherbibel in den Kontext anderer aktueller Bibelübersetzungen im deutschen Sprachraum eingeordnet werden. Weitere Themenschwerpunkte: sprachliche Besonderheiten der Lutherbibel, ihre frühe Revisionsgeschichte und ihre noch immer herausgehobene Stellung in Kirche und Gesellschaft.

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Martin Bauspieß Geschichte und Erkenntnis im lukanischen Doppelwerk Eine exegetische Untersuchung zu einer christlichen Perspektive auf Geschichte Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte (ABG) | 42 608 Seiten | Hardcover | 15,5 x 23 cm ISBN 978-3-374-03020-0 EUR 68,00 [D]

Der Verfasser des Lukasevangeliums und der Apostelgeschichte gilt häufig als »Historiker« und »Theologe der Heilsgeschichte«. Beide Bezeichnungen werfen allerdings mehr Fragen auf, als sie lösen. Anhand einer Analyse der Erkenntnismotivik im lukanischen Werk versucht Bauspieß eine präzisere Verhältnisbestimmung von Theologie und Geschichte vorzunehmen. Im Zentrum stehen exegetische Analysen zentraler Texte des Doppelwerkes, die für die Frage nach Geschichte und Erkenntnis relevant sind. Es zeigt sich, dass Lukas seine Theologie nicht einfach »als Geschichtsschreibung« entwickelt, sondern eine deutliche Unterscheidung zwischen historisch beschreibbarer Wirklichkeit und der dem Glauben eigenen Erkenntnis voraussetzt.

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Hermann von Lips (Hrsg. von Christian Senkel) »... und nicht die Perlen vor die Säue« Gesammelte Studien zum Neuen Testament Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte (ABG) | 43 592 Seiten | Hardcover | 15,5 x 23 cm ISBN 978-3-374-03081-1 EUR 78,00 [D]

Der Sammelband dokumentiert in vier Schwerpunkten die Forschung von Hermann von Lips. Den Anfang bilden die Weisheitstraditionen des Neuen Testaments in ihrer Bedeutung für Christologie und Ethos und für die Lösung rätselhafter Logien vor deren frühjüdischem Hintergrund. Die Briefliteratur wird traditions- und topikgeschichtlich erforscht, Melanchthons Paulusexegese sowie die Begriffsprägung »Pastoralbriefe« stehen für die nachbiblische Theologie- und Forschungsgeschichte. Die dritte Rubrik enthält hauptsächlich Studien zu Institutionalität und Umwelt des Urchristentums. Die letzte Rubrik versammelt Untersuchungen zur Entstehung des Kanons und feministische Hermeneutik.

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Friedemann Krumbiegel Erziehung in den Pastoralbriefen Ein Konzept zur Konsolidierung der Gemeinden Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte (ABG) | 44 384 Seiten | Hardcover | 15,5 x 23 cm ISBN 978-3-374-03164-1 EUR 48,00 [D]

Die Pastoralbriefe leisten mit der Entwicklung eines eigenen Erziehungskonzeptes einen wichtigen Beitrag zur Konsolidierung der christlichen Gemeinden. Damit begegnen sie dem Verlust an Kontinuität, Integrationsfähigkeit und Identitätsbildung, der den Gemeinden im zunehmenden Abstand zu Paulus droht. Die Briefe werden durch ein starkes semantisches Feld bestimmt, welches sich unter dem zentralen Begriff der Paideia (Erziehung) subsumieren lässt. Dies deutet auf ein umfassendes Erziehungsdenken, welches sich in der Textstruktur und der in den Briefen aufscheinenden sozialen Kommunikationsstruktur niederschlägt. Daraus ergeben sich mit der häuslichen, gemeindlichen und göttlichen Erziehung drei relevante Ebenen für das zu beschreibende Phänomen. Ein Ausblick auf die Theologen des 2. Jahrhunderts zeigt, dass die christliche Paideia sich rasch zu einem standardisierten Denkmuster weiterentwickelt.

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Florian Förg Die Ursprünge der alttestamentlichen Apokalyptik Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte (ABG) | 45 560 Seiten | Hardcover | 15,5 x 23 cm ISBN 978-3-374-03213-6 EUR 78,00 [D]

In der Erforschung der alttestamentlichen Apokalyptik werden vor allem folgende Fragen diskutiert: Wie kann das Phänomen »Apokalyptik« definiert werden? Worin besteht ihr eigentümlicher Kern? Ist die Apokalyptik traditionsgeschichtlich aus der Prophetie oder aus der Weisheit entstanden? Offen ist die Frage nach den Anfängen der Apokalyptik. In einer exegetischen Untersuchung von Texten aus Ezechiel, Sacharja, Haggai und Daniel geht die Studie diesen Fragen nach. Sie weist nach, dass in den drei erstgenannten Büchern frühe apokalyptische Texte vorliegen. Die Anfänge der alttestamentlichen Apokalyptik reichen also bis in die Zeit des babylonischen Exils (6. Jh. v. Chr.) zurück.

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