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German Pages 732 [736] Year 2004
Zur Geschichte der Gleichung „germanisch-deutsch"
Ergänzungsbände 2um Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Herausgegeben von Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer
Band 34
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Walter de Gruyter • Berlin • New York
Zur Geschichte der Gleichung , ,ger manis ch— deuts ch'' Sprache und Namen, Geschichte und Institutionen
herausgegeben von Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer und Dietrich Hakelberg
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Walter de Gruyter • Berlin • New York
@ Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfiiUt. ISBN 3-11-017536-3 Bihliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
© Copyright 2004 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin
Vorbemerkung Vom 1. bis 3. Dezember 2000 kamen in Freiburg Archäologen, Germanisten und Historiker zu einem Kolloquium zusammen, um der Begriffsgeschichte von .germanisch' und .deutsch' und damit auch den gemeinsamen Wurzeln ihrer Disziplinen nachzugehen. Wie wurden aus den antiken Germanen die Vorfahren der modernen Deutschen? Wie wurden die Wissenschaften von der Wahrnehmung der Germanen als nationales ..Urvolk" beeinflußt? Veranstaltet wurde die internationale Tagung Zur Geschichte der Gleichung „germanisch-deutsch" von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und vom Sonderforschungsbereich (SFB) 541 Identitäten und Alteritäten. Die Funktion von Alterität für die Konstitution und Konstruktion von Identität an der Universität Freiburg. Aus dem Teilprojekt C4 Ethnische Einheiten im frühgeschichtlichen Europa. Archäologische Forschung und ihre politische Instrumentalisierung am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters gingen auch Thema und Konzeption der Tagung hervor. Einerseits wurde in diesem Projekt dem Problem von ethnischer Identität in der Frühgeschichte und der ethnischen Interpretation archäologischer Funde unter Entwicklung alternativer Deutungsmöglichkeiten nachgegangen. Andererseits galt den politischen und wissenschaftsgeschichtlichen Implikationen, die sich aus der archäologischen Suche nach dem nationalen „Urvolk" (Johann Gottlieb Fichte) ergaben, besonderes Interesse. Mit archäologischen Funden, die als Hinterlassenschaft der Germanen angesehen wurden, ließ sich an einer weit zurückreichenden Vorgeschichte des deutschen Nationalstaats bauen, der indes erst 1871 Wirklichkeit wurde. Mit dem Aufstieg des modernen Nationalismus gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatte die seit dem Nationsdiskurs der deutschen Humanisten nie ganz verstummte Rede über das deutsche „Urvolk" immens an literarischer und wissenschaftlicher Bedeutung gewonnen. Altertumsforscher widmeten sich der Suche nach den Sachund Sprachaltertümern der ..alten Teutschen" oder „Germanen" als Quellen unverfälschten und ursprünglichen „Volksgeistes" (Johann Gottfried Herder). Es galt, das typisch „Deutsche" im „vaterländischen Altertum" wissenschaftlich zu definieren und vom „Fremden" zu unterscheiden. Die Gelehrten griffen dazu auf archäologische Funde und Wissenstraditionen zurück, die in mittelalterlichen Handschriften und frühneuzeitlichen Drucken überliefert
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Vorbemerkung
waren. Bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts bildeten sich aus einer universalen „vaterländischen Altertumskunde" Einzeldisziplinen, die sich an den Universitäten etablierten. Ursprungsmythologische Begründungsversuche haben Legitimation und wissenschaftliche Fragestellungen der Fächer Germanistik, Geschichte und Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie besonders im 20. Jahrhundert verhängnisvoll bestimmt. Die Vorträge der Tagung Zur Geschichte der Gleichung „germanischdeutsch" sind in diesem Tagungsband zusammengefaßt, teils in überarbeiteter und erweiterter Form in der Reihenfolge, in der sie gehalten wurden. Eröffnet wurde die Tagung mit den Ansprachen von Prof. Dr. Monika Fludernik, Sprecherin des SFB 541, und Prof. Dr. Gustav Adolf Lehmann, Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Die 21 Beiträge bilden inhaltlich drei Schwerpunkte. Sie beziehen sich auf Definition, Rezeption und Instrumentalisierung der Begriffe .germanisch' und .deutsch', der Geschichte ihrer Gleichsetzung sowie der Entstehung wissenschafthcher Institutionen, deren Benennung und Tätigkeit auf der Gleichsetzung von .germanisch' und .deutsch' beruht. Zu danken ist der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen sowie der DFG und dem SFB 541 für die Übernahme der Kosten für die Ausrichtung der Tagung selbst. Während der Tagung liefen bei Frau Regina Kirsten im Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters in Freiburg die Fäden für die praktische Organisation zusammen. Ihr sei für dieses Engagement herzlich gedankt. Unser Dank gilt besonders Frau Barbara Kröger M.A. von der Arbeitsstelle ..Reallexikon der Germanischen Altertumskunde" bei der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen für den sorgfältigen Satz der Manuskripte und die geduldige Ausführung so mancher Korrektur. Freiburg, Herbst 2003
Dietrich Hakelberg, Heiko Steuer
Vorwort (Germanistik) Karl Müllenhoff rechtfertigt in seiner Deutschen Altertumskunde einen ausführlichen Exkurs über die Origo Germanorum in Tacitus (Germ. 2, 1-2) damit, daß dieser „die wichtigste Überlieferung für die geschichte unsres [d. h. des deutschen] volkes behandelt".' Die Feststellung erstaunt: Deutsche Geschichte fände in einem germanischen Zeugnis aus dem Munde eines römischen Historikers eine grundlegende Bedeutung! Nicht nur sei dieses Kapitel das wichtigste und inhaltsreichste der Germania, sagt Müllenhoff an anderer Stelle, es sei auch für die ganze Geschichte des deutschen Volkes und die Entwicklung seines Stammes bedeutsam und gebe für die Altertumskunde erst „den kern her".^ Mit den Stichwörtern „deutsch", „germanisch" und „römisch" sind die Perspektiven genannt, unter denen die Gleichung germanisch-deutsch, die diese gegenwärtige Tagung bestimmen soll, zunächst Gestalt gewann. Die Grundlagen dazu legten die Humanisten. Anlaß dazu gab die Wiederentdeckung der Opera minora des Tacitus. Dazu zählen Agricola, Dialogus de oratorihus und die so bedeutsam werdende Germania, die um die Mitte des 15. Jahrhunderts (wohl 1455) - aus dem Kloster Hersfeld oder Fulda stammend - nach Italien gelangten. Literarisch faßbar wird die Germania dann erstmals in einer Streitschrift des damaligen Kardinals Enea Silvio Piccolomini (des späteren Papstes Pius II.), der 1457/58 aus der Germania zitiert, um den durch Kirche und Christentum bewirkten zivilisatorischen Fortschritt in den deutschen Landen zu dokumentieren - und dies in Abwehr deutscher Klagen, die Kirche habe den Niedergang des Reiches verursacht. Ebenfalls aus der Germania zitiert Giovanantonio Campano 1471 in einer Rede, die er als Sekretär des päpstlichen Legaten für den Regensburger Reichstag entworfen hatte. Unter Hinweis auf die heroische Vergangenheit der Deutschen, wie sie die Germania belege, versucht er die deutschen Städte und Fürsten dazu zu gewinnen, der immer drohender werdenden Türkengefahr entgegenzutreten.
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Karl Müllenhoff, Die Germania des Tacitus. Deutsche Akertumskunde, Bd. 4 (Berlin 1900) 124. 2 Müllenhoff (s. Anm. 1) 108.
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Heinrich Beck
Diese - hier nur angedeutete - Instrumentalisierung der Germania in einer zeitgenössischen Perspektive nahmen die deutschen Humanisten als ein „Identifikationsangebot" (wie Achim Masser es nannte) auf, das ihnen Gelegenheit bot, eine nationale Vergangenheit zu reklamieren, die in ungebrochener Kontinuität in die von Tacitus beschriebenen germanischen Zeiten zurückreichen würde. So lautet denn der Titel der ersten Übertragung der Germania ins Deutsche durch Johann Eberlin von Günzburg (1526) Ein zamengelesen buchlin von der Teutschen Nation gelegenheit, Sitten und gebrauche, durch Comelium Tacitum vnd etliche andere verzeichnet. Es ist die Teutsche Nation, die mit Hilfe des römischen Historikers eine germanische Epoche einschloß.^ Die Gleichung germanisch-deutsch, die also ursprünglich eine Erfindung der römischen Humanisten war, erfuhr nach dieser Grundlegung eine neue Aktualisierung im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert durch die historische Sprachwissenschaft einerseits, die sich mehr und mehr entfaltende völkische Ideologie andererseits. Das 19. Jahrhundert erlebte eine glanzvolle Entfaltung der Sprachforschung. Ihre Methoden schienen so begründet und tragfähig zu sein, daß von „Lautgesetzen" die Rede war. Nach ihrem Selbstverständnis agierte sie weitgehend (wenn auch nicht ganz unwidersprochen) als eine Kulturwissenschaft, in der die Sprachforschung hierarchische Priorität beanspruchte. In Verbindung mit einem Kulturbegriff, der Sprache, Stamm und Nation in eins setzte, führte dies zu einer germanisch-deutschen Vergangenheitsrekonstruktion von ungeahnter historischer Tiefe und inhaltlicher Breite. Jacob Grimm konnte auf dieser Basis das Adjektiv deutsch steigern und unterschiedliche Grade der „Deutschheit" erkennen. Die höchste Stufe des „Deutschen" war für ihn da gegeben, wo der „germanische" Sprachgeist zum Durchbruch kam, im „Deutschen" das „Germanische" wieder aufschien. Die Germanität des Deutschen erfuhr auch in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine erneute Vertiefung. Es war die Debatte um die Urheimat von Indogermanen und Germanen, die im norddeutschen Raum gesucht wurde und die erlaubte, eine geographische, sprachliche und ethnische Kontinuität von Urzeiten bis in die Gegenwart zu postulieren.
Vgl. zum Thema Achim Masser (Hrsg.), Johann Eberlin von Günzburg, Ein zamengelesen buochlin von der Teutschen Nation gelegenheit, Sitten vnd gebrauche, durch Cornelium Tacitum vnd etliche andere verzeichnet (1526) (Innsbruck 1986) 16ff. Ludwig Krapf, Germanenmythos und Reichsideologie. Frühhumanistische Rezeptionsweisen der taciteischen „Germania" (Tübingen 1979).
Vorwort (Germanistik)
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Die „vaterländische" Komponente (wie Jacob Grimm es nannte) war seit den Anfängen Teil der Sprachwissenschaft und Philologie. Sie entwickelte sich zu einem beherrschenden Faktor in der Deutsch- und Germanenkunde bis hin zu einem Konzept der Erneuerung des deutschen Volksgeistes aus den Quellen der germanischen Vergangenheit. „Germanische Wiedererstehung" war das Losungswort der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Möglich gemacht haben diese Wiedererstehung die deutsche Wissenschaft und die deutschen Gelehrten, die „mit unsagbarer Mühe und rastlosem Fleiß in stiller Stube ältestes Schrifttum durchforschten und zu deuten suchten; Gelehrte, die die alten Baudenkmäler auf den Ursprung ihrer Form prüften, die den Erdboden nach Resten des alten Kunstgewerbes durchwühlten, die alte Heldensage, die alten Bräuche und die alte Lehre der Götter wieder zutage förderten"." Es braucht nicht geleugnet zu werden, daß die zu solcher Programmatik aufgebotenen Gelehrten in ihrer Mehrheit auch zum heute noch anerkannten Fortschritt der Germanen- und Deutsch-Wissenschaft beigetragen haben. Ebenso richtig ist es aber auch, daß es Aufgabe der Wissenschaft ist, in hermeneutischer Besinnung Voraussetzung und Bedingung des eigenen Denkens ins Blickfeld zu rücken. Die Gleichung deutsch-germanisch ist das Produkt altertumskundlicher Anschauungen, die bis in die Humanistenzeit zurückreichen und die im 19. und 20. Jahrhundert wissenschaftsbestimmend geworden sind. Aufgabe dieser bevorstehenden Tagung wird es sein, die hermeneutische Besinnung darüber zu befördern, daß dieses Konstrukt auf heute in Frage gestellten Voraussetzungen beruht. Heinrich Beck
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Hermann Nollau (Hrsg.), Germanische Wiedererstehung. Ein Werk über die germanischen Grundlagen unserer Gesittung (Heidelberg 1926) 9.
Vorwort (Geschichte) Die im kollektiven Bewußtsein gespeicherte Gleichung „germanisch deutsch", die auf dem den folgenden Beiträgen zugrunde liegenden wissenschaftlichen Kolloquium diskutiert und von allen Autoren aus unterschiedUchen Blickwinkeln kritisiert wurde, wird wohl auch durch den vorliegenden Band nicht aus dem Bewußtsein verdrängt werden. Schon die Tatsache, daß Deutschland von den Italienern Germania, von den Engländern und Amerikanern Germany und von den Russen Germanija genannt wird, sichert der auf der Tagung zu Recht als irreführend und unhaltbar kritisierten Gleichsetzung auch künftig ein gesichertes Fortleben. Die Sprach- und Literaturwissenschaft des Deutschen wird an den Universitäten weiterhin als Germanistik betrieben werden, und die Germanisten werden die volkssprachigen Zeugnisse des 8. Jahrhunderts auch künftig als z\t}aoc\ideutsche Sprachdenkmäler bezeichnen, obwohl es zu dieser Zeit weder eine deutsche Sprache noch ein deutsches Volk noch ein deutsches Reich, ja nicht einmal die Volksbezeichnung deutsch/"^diutisk/'^theodisk gab. Der Ostfrankenkönig Ludwig IL (840876) wird weiterhin der Deutsche genannt werden - mit der Begründung, daß die zeitgenössischen Quellen ihn als rex Germaniae bezeichnen; und die Baioarii, Saxones, Franci und Alamanni des 9. Jahrhunderts werden auch künftig als Untereinheiten des deutschen Volkes angesehen werden, obwohl dieses zu jener Zeit weder im Bewußtsein noch in der verfassungsgeschichtlichen Realität existierte. Dennoch ist es kein vergebliches Bemühen, sondern ein wissenschaftliches Erfordernis unserer Zeit, die Denkmuster des 19. und 20. Jahrhunderts zu analysieren, zu durchschauen und als solche zu erkennen. Denn obwohl die Geschichtsforschung unserer Tage, die „moderne Mediävistik" (Hans-Werner Goetz),* in der Analyse und Beurteilung vieler historischer Entwicklungen zu einer veränderten Sehweise und damit auch zu neuen Erkenntnissen gelangt ist, sind die offenkundig überholten Denkmuster des 19. und 20. Jahrhun-
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Hans-Werner Goetz, Moderne Mediävistik. Stand und Perspektiven der Mittelalterforschung (Darmstadt 1999).
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Dieter Geuenich
derts keineswegs gänzlich überwunden. Wenn wir beispielsweise inzwischen die Entstehung des deutschen Reiches als einen lange währenden, komplexen Prozeß zu sehen gelernt haben, der nicht von einem schon lange zuvor bestehenden deutschen Volk ausgegangen ist, sondern dieses erst hervorgebracht hat, so ist daneben das traditionelle Bild von der bewußten und willentlichen Schaffung des Reiches durch die „deutschen Stämme" noch immer in den Köpfen nicht nur der nichtwissenschaftlichen Öffentlichkeit. Und wenn wir die Entstehung von Völkern inzwischen als eine lange Kette von Ethnogenesen verstehen und nachvollziehen können, so ist daneben das überkommene Bild vom Stamm als Abstammungsgemeinschaft, der sich über Jahrhunderte, ja Jahrtausende seine Identität bewahrt, nicht auszurotten. Hier in Freiburg und am Oberrhein etwa ist im Bewußtsein der Menschen, die seit mehreren Generationen in dieser Region wohnhaft sind, ganz offenkundig die Vorstellung, sie seien „Alemannen", sie sprächen „alemannisch", sie hätten „alemannische" Fastnachtsbräuche usw., fest verwurzelt, und die daraus resultierende Überzeugung einer ungebrochenen „alemannischen" Kontinuität in Wesensart, Sprache und Brauchtum vom 3. bis ins 21. Jahrhundert ist allenthalben vorhanden und spürbar. Das 1978 erschienene Buch des Archäologen Rainer Christlein über „Die Alamannen" mit dem bezeichnenden Untertitel „Archäologie eines lebendigen Volkes" beweist zudem, daß die Vorstellung, die Alemannen seien „eine heute noch lebende Volksgemeinschaft" und bei ihrer Erforschung begebe man sich „auf die Suche nach den Ursprüngen unseres heutigen Staatswesens", auch in Werken mit wissenschaftlichem Anspruch vertreten wird.^ In gleicher Weise wird die Kontinuität des deutschen Volkes bis in die Römerzeit zurückprojiziert, als seien es die Deutschen gewesen, die - damals noch Germanen genannt - unter Arminius die römischen Legionen des Varus vernichtet haben, und als seien es die Deutschen gewesen, die - damals noch Franken und Alemannen genannt - den „Untergang des römischen Reiches" herbeigeführt hätten. Es ist also durchaus erforderlich und sinnvoll, Irrwege der Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung als solche aufzuzeigen - nicht in besserwisserischer Attitüde der später Geborenen, sondern um den inzwischen erzielten Fortschritten in der Geschichtswissenschaft Geltung zu verschaffen und um neueren Forschungen ein verläßliches Fundament zu geben. Auf die-
Rainer Christlein, Die Alamannen. Archäologie eines lebendigen Volkes (Stuttgart/Aalen 21979).
Vorwon (Geschichte)
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se Weise kann auch die Geschichtswissenschaft, der es - im Gegensatz etwa zur Archäologie, die sozusagen täghch neue Funde macht - nur sehen vergönnt ist, neue Quellen zu entdecken, zu neuen Erkenntnissen gelangen. Dieter Geuenich
Vorwort (Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie) Die Vorgeschichte oder Ur- und Frühgeschichte, auch Mitteleuropäische Archäologie, spielt in der Diskussion um die Gleichung „germanisch-deutsch" nur eine randliche Rolle, denn das Fach wurde als Wissenschaft an den Universitäten erst spät etabliert, nachdem eine „deutsche Altertumskunde" schon längst existierte. In Österreich erhielt Moritz Hoernes (1852-1917) in Wien 1899 eine außerordentliche Professur und wurde 1911 Ordinarius. In Deutschland erreichte Gustaf Kossinna (1858-1931) nach Anstrengung 1902 eine außerordentliche Professur in Berlin. Noch deutlich später wurde Gero Merhart von Bernegg (1866-1959) im Jahr 1929 der erste Ordinarius für Prähistorie an einer Universität in Deutschland, und zwar in Marburg. Der eigentliche universitäre Ausbau des Faches erfolgte erst in der Zeit des Dritten Reichs. Forschungen zur Ur- und Frühgeschichte in Mitteleuropa sind jedoch deutlich älter. Im Jahr 1852 wurde schon als neuer Zusammenschluß älterer Gruppierungen der Gesamtverein der Deutschen Geschichts- und Altertumsvereine gegründet, damit zusammenhängend auch in dem selben Jahr das Germanische Nationalmuseum und außerdem das Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM). Später, im Jahr 1902, kam die Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts (RGK) hinzu, als Nachfolgerin der Reichlimeskommission von 1890 für die Archäologie der römischen Provinzen. Johann Gustav Büsching (1783/1829) als Professor für „geschichtliche Hilfswissenschaften und Alterthümer" gab schon 1824 einen Abriß der deutschen Alterthumskunde heraus, Gustav Klemm veröffentlichte 1836 ein Handbuch der germanischen Alterthumskunde, Ludwig Lindenschmit (1809-1893), erster Direktor des RGZM, veröffentlichte seit 1864 die Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit und begann 1880, ein Handbuch der deutschen Alterthumskunde zu veröffentlichen, von dem er nur den Band zur Merowingerzeit vorlegte, der archäologische Funde brachte. Während Lindenschmit für die Merowingerzeit von „deutschem Altertum" sprach, wählten andere zuvor die Bezeichnung Germanische Ueberreste aus der sogenannten Merovingischen Zeit}
So die Tafelüberschriften im Band: Abbildungen zum Correspondenz-Blatt der Geschichts-
xvi
Heiko Steuer
Es sei daran erinnert, daß Max Ebert (1879-1929), Berliner Ordinarius seit 1927, das Reallexikon der Vorgeschichte in 14 Bänden von 1924 bis 1929 vorlegte; zuvor war schon von Johannes Hoops (1865-1949) das Reallexikon der Germanischen Altertumskunde in 4 Bänden 1911-1919 herausgebracht worden, interdisziplinär und enzyklopädisch angelegte Realienkunden mit wesentUcher Berücksichtigung der archäologischen Funde. Im Jahr 1900 kamen der Verband der west- und süddeutschen Vereine für Altertumsforschung und 1905 der Nordwestdeutsche Verband für Altertumsforschung hinzu.^ Der Berliner Mediziner Rudolf Virchow (1821-1902) regte 1869 die Gründung einer Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte an, bei deren (der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft) Jahresversammlung 1895 der Germanist und Urgeschichtsforscher Gustaf Kossinna (1858-1931) den berühmt gewordenen Vortrag „Über die vorgeschichtliche Ausbreitung der Germanen in Deutschland" hielt, womit er ein Paradigma formulierte, mit dem er die Germanen (und andere Völkerschaften) weit in die Zeit vor ihrer ersten schriftlichen Erwähnung verfolgen zu können meinte. Die Archäologie stellt über ihre Funde und Befunde in Zeit und Raum (nach der Kartierung) verankerte Daten zur Verfügung, d. h., im Gegensatz zur Sprachwissenschaft konnte die Urgeschichte seit dem 19. Jahrhundert relativ exakte chronologische Einordnungen für archäologische Kulturen, Kultur- oder Formenkreise nennen und ihre jeweilige Verbreitung auf dem Kartenbild erfassen. Damit waren die Grundlagen gegeben, um zur ethnischen Deutung herangezogen zu werden. Wenn vom Germanischen Nationalmuseum gesprochen wurde oder von „deutscher Alterthumskunde", von „vorgeschichtlichen Germanen", was war dann damit jeweils gemeint? Es soll überprüft werden, wie die Wahl der Bezeichnung Ergebnis einer Mode des Zeitgeistes war oder wie damit bestimmte ideologische Vorstellungen transportiert wurden und werden, und zwar bis in die Gegenwart. Es war eine Selbstverständlichkeit für das allgemeine „gebildete Bürgertum" im Deutschland des 19. und 20. Jahrhunderts, die Germanen des Ariovist und die des Arminius als „Deutsche" zu bezeichnen, und parallel dazu
und Alterthums-Vereine, 9. Jg., 1861. Alle 38 Tafeln sind unterschrieben: „Graphisch archäologische Vergleichungen des Grafen Wilhelm von Württemberg." Georg Kossack, Prähistorische Archäologie in Deutschland im Wandel der geistigen und politischen Situation. Bayerische Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse, Sitzungsberichte Jg. 1999, Heft 4 (München 1999) 37.
Vorwon (Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie)
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sah man die Germanen als Völkerschaften an, die schon seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden (nach Gewinnung neuer Chronologie-Vorstellungen) im nördlichen Mitteleuropa und südlichen Skandinavien gelebt haben, wo zuvor die Indogermanen entstanden seien oder wohin sie eingewandert sein sollten. Somit wird zugleich mit der Frage nach den Ursprüngen der Germanen das Indogermanen-Problem berührt, d. h., es gab im Zuge der Identitätssuche im 19. Jahrhundert und im neuen Kaiserreich eine Denklinie von den neuzeitlichen Deutschen über die Germanen der Eisen- und Bronzezeit zu den Indogermanen der Jungsteinzeit. Für die Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie war es ein Ziel der Tagung, in der Diskussion herauszuarbeiten, welche Auffassungen von Kontinuitäten bestanden und wer jeweils mit den „Deutschen" gemeint wurde, mit den Germanen der Zeit des Tacitus und den Germanen der vorchristlichen Epochen. Es ist die Dreiheit des sprachlichen, des historischen und des anthropologisch bzw. rassenbiologischen Germanen-Begriffs. Es ist zugleich auch die Dreiheit der topographisch-territorialen Kontinuität im Besiedlungswesen, der politischen Kontinuität von Stammesarealen und der sprachlichen Kontinuität (in den Fluß- und Flurnamen). Was bedeuteten die Vorstellungen von derartigen Kontinuitäten, sofern sie bestehen und beweisbar waren; welche Relevanz im historischen Sinne folgt daraus für die jeweilige Gegenwart des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, für den Zeitgeist oder für das allgemeine bürgerliche Verständnis von deutscher und germanischer Geschichte - was man auch als kollektives Gedächtnis der bürgerlichen Gesellschaft bezeichnen kann. Fragestellungen und Paradigmen jeder Wissenschaft hängen von den geistigen Strömungen der Zeit ab, in die der Forscher immer eingebunden ist und worüber er sich nur eingeschränkt selbst Rechenschaft ablegen kann. Im Rückblick fällt das wesentlich leichter.^ Die Übernahme völkischen Denkens aus anderen Wissenschaften und den Zeitgeistströmungen durch die Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie, die damit eine scheinbar sichere methodische Grundlage für die ethnische Deutung archäologischer Kulturgruppen gewonnen hatte, schuf ein bis in die Gegenwart wirkendes Paradigma. Seine Grundlagen, die nach Fortgang der Forschung heute nicht mehr Bestand haben, wurden im Verlauf der Jahrzehnte aber vergessen. So bestimmt dieser methodische Ansatz immer noch weite Bereiche der ur- und frühgeschichtlichen Wissenschaft, und die scheinbar gesicherten Ergebnisse wurden im 20. Jahr-
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Kossack 1999, 6, 33, 44.
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Heiko Steuer
hundert außerhalb dieser Wissenschaft politisch instrumentalisiert, mit chauvinistischen Zielen und bedrückenden Folgen.^ Heiko Steuer
* Vgl. dazu die Beiträge in: Heiko Steuer (Hrsg.) unter Mitarbeit von Dietrich Hakelberg, Eine hervorragend nationale Wissenschaft. Deutsche Prähistoriker zwischen 1900 und 1995. Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 29 (Berlin/New York 2001).
Inhalt Vorbemerkung Vorworte
v vii
STEFAN Z I M M E R
Germani und die Benennungsmotive für Völkernamen in der Antike....
1
SIEGMAR VON SCHNURBEIN
Germanien in römischer Sicht. Germania Magna und die römischen Provinzbezeichnungen
25
D I E T E R MERTENS
Die Instrumentalisierung der „Germania" des Tacitus durch die deutschen Humanisten
37
U W E PUSCHNER
Germanenideologie und völkische Weltanschauung
103
JOACHIM E H L E R S
Erfundene Traditionen? Zum Verhältnis von Nationsbildung und Ethnogenese im deutschen und französischen Mittelalter
131
WALTER POHL
Der Germanenbegriff vom 3. bis zum 8. Jahrhundert - Identifikationen und Abgrenzungen 163 DIETER GEUENICH
Karl der Große, Ludwig „der Deutsche" und die Entstehung eines „deutschen" Gemeinschaftsbewußtseins
185
WOLFGANG HAUBRICHS
Theodiscus, Deutsch und Germanisch - drei Ethnonyme, drei Forschungsbegriffe. Zur Frage der Instrumentalisierung und Wertbesetzung deutscher Sprach- und Volksbezeichnungen
199
XX
Inhalt
HANS-WERNER
GOETZ
Die „Deutschen Stämme" als Forschungsproblem
229
J Ö R G JARNUT
Die Entstehung des mittelalterlichen deutschen Reiches als Forschungsproblem
255
ROSEMARIE MÜLLER
Reaktionen auf die Gleichung „germanisch-deutsch" im östlichen Mitteleuropa
265
SEBASTIAN B R A T H E R
„Frühdeutsch". Ein Begriff der Archäologie des Mittelalters?
285
HANS FREDE NIELSEN
On the Terms for Germanic Employed by Scandinavian Scholars in the 19th and 20th Centuries
309
THOMAS A . SHIPPEY
Germanen, Deutsche und Teutonen in der englischsprachigen Geistesgeschichte
325
PATRICK J . G E A R Y
„Teutonische" Rassenideologie im Amerika des 19. Jahrhunderts
343
H E I K O STEUER
Das „völkisch" Germanische in der deutschen Ur- und Frühgeschichtsforschung. Zeitgeist und Kontinuitäten
357
GERHARD SCHMITZ
Zur Entstehungsgeschichte der Monumenta Germaniae Historica DIETRICH
503
HAKELBERG
Adliges Herkommen und bürgerliche Nationalgeschichte. Hans von Aufseß und die Vorgeschichte des Germanischen museums in Nürnberg
National523
F R I E D R I C H - W I L H E L M VON H A S E
Zur Frühgeschichte des Römisch-Germanischen Zentralmuseums. Forschungsinstitut für Vor- und Frühgeschichte in Mainz und der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts in Frankfurt am Main
577
Inhalt
XXI
HEINRICH BECK
„Germanische Altertumskunde" Annäherung an eine schwierige Disziplin
629
KLAUS DÜWEL
Zur Benennung der Universitäts-Institute: „Germanistisches Seminar" oder „Seminar für Deutsche Sprache und Literatur"
649
Nachwort
695
Register
697
Germanisch-Deutsch - RGA-E Band 34 - Seiten 1-23 © Copyright 2004 Walter de Gruyter • BerHn • New York
Germani und die Benennungsmotive für Völkernamen in der Antike v o n STEFAN ZIMMER
0. Der Name der Germanen ist nach wie vor nicht überzeugend geklärt. Auch die folgenden Ausführungen erheben keinen Anspruch, das alte Rätsel zu lösen. Die Ausführungen hier wollen erstens eine kurze kritische Stellungnahme zu der letzten Darstellung geben,' zweitens einen Überblick über die formalen Möglichkeiten der Analyse versuchen und drittens einige wenige Beispiele für Völkernamen (VN) aus verschiedenen nichtgermanischen Sprachen präsentieren, deren Etymologie als geklärt gilt; daraus kann abschließend eine tentative Zusammenstellung belegter Beneimungsmotive für antike Ethnika gewonnen werden.
1. Gegenwärtiger Forschungsstand 1. 0. Wie die überwältigende Mehrheit der alten Völker- und Stammesnamen ist auch die Bezeichnung Germani trotz intensiver Bemühungen vieler Forschergenerationen bis heute sprachwissenschaftlich nicht geklärt: weder besteht Einigkeit über die formale Analyse, noch über die damit verbundene Vorstellung, mit anderen Worten das Benermungsmotiv, aus dem heraus der Begriff geprägt wurde. Einen vorzüglichen Abriß des Forschungsstandes hat kürzlich Günter Neumann gegeben; er wird im folgenden als bekannt vorausgesetzt.^
1.1. Neumann hat sich mit Recht auf eine Auswahl der seiner Ansicht nach wesentlichen und der allenfalls noch diskutablen Thesen beschränkt, dazu jeweils kritisch Stellung genommen und sich schließlich, mit aller gebotenen ' 2
Neumann 1998b. Neumann 1998b. Erst im Januar 2001 ist Parson/Sims-Williams (2000) erschienen, der wichtige Beiträge zu den altkeltischen Namen enthält. Auf einiges konnte in Fußnoten noch hingewiesen werden.
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Stefan Zimmer
Vorsicht, für eine Modifikation der sogenannten „jüngeren Deutung" Muchs entschieden. Wie ich zeigen werde, häh auch sie einer kritischen Prüfung nicht stand. Die Beleglage zeigt, daß der Name zuerst im keltisch-germanischen Übergangsgebiet aufgetreten ist, möglicherweise schon im 3., jedenfalls aber im 1. Jahrhundert, und ganz offenbar als Bezeichnung für eine eher kleinere Gruppe. Die terminologische Problematik (Stammesname, Ethnonym usw.) bleibt hier ausgeblendet; es könnte sich ja auch um die Benennung einer weder ethnisch noch linguistisch zu definierenden Sondergruppe gehandelt haben, etwa um einen Kultverband oder eine Amphiktyonie. Zum Volksnamen im heute üblichen Sinne ist Germani erst durch Caesar geworden, dem die strenge Abgrenzung zwischen Kelten und Germanen ein politisch bedeutsames Anliegen war. Die Germanen selbst haben sich im Akertum nie selbst so benannt.
1. 2. Alle Autoren scheinen darin übereinzustimmen, daß der Name entweder keltisch oder germanisch sein müsse; mit dem lateinischen Adjektiv germänus „leiblich, wirklich, echt" sind allenfalls sekundäre Beziehungen angenommen worden. Die vorgelegten Deutungen aus dem Keltischen stammen in der Regel von Germanisten ohne ausreichende keltische Sprachkenntnisse; manche postulierten keltischen Wörter sind bisher unbelegt, die Wortbildung niemals in annehmbarer Form erläutert worden. Das aber wäre unabdingbar: Bloße Wurzeletymologien helfen nicht weiter. Sie beruhen allzu oft auf dem zufälligen Stand des benutzten Wörterbuchs und vernachlässigen dort unberücksichtigte morphologische und phonologische Erkenntnisse.
1.3. Die germanistischen Deutungen, auch Neumanns eigener Vorschlag, den er vorsichtig als „am wenigsten angreifbar" präsentiert, sind insgesamt mit erheblichen formalen wie semantischen Problemen belastet. Ernsthafter Erwägung wert scheint mir folgendes: 1.3.1. Die Gleichsetzung von '''German- in Germani mit dem Personennamen-Element Germen- in den westfränkischen komponierten Personennamen Germen-berga, -ulfus, -bürg „usw.", mit Annahme eines Wandels -a> -e- in der zweiten, unbetonten Silbe, dürfte unproblematisch sein.
Vgl. Neumann 1998a.
Germani und
die Benennungsmotive für Völkernamen in der Antike
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1. 3. 2. Die (früher abgelehnte)^ Identifikation dieses Elements mit dem Vorderglied des suebischen Göttinen- (wohl besser: Matronen-) Namens Garmangabis (steht neben Ala-gabiae und Fria-gabis, daher ist die Trennung zwischen Vorder- und Hinterglied ausreichend gesichert) erfordert eine tragfähige Erklärung für den Vokal -a- der ersten Silbe. Neumanns - in Klammern gesetzte Bemerkung „Das a der ersten Silbe wird insel-kelt. Einwirkung verdankt" reicht in keiner Weise aus. Nicht viel deutlicher war seine frühere Formulierung: „Das a (statt e) erklärt sich aus dem Einfluß des kelt. Substrats auf das Sprech-Latein in Britannien, ist also etymologisch nicht relevant. (Im gleichen Raum finden sich auch Schreibungen wie Garmanus statt des VNs Germanus usw.)"'* Warum soll eine suebische Truppe den Namen ihrer german. Gottheit nach britischem Lautstand umformen? Latein sprechende Briten würden kaum ein germanisches '^German- in Garman- abändern, da der Anschluß an klassisch-lateinisch germanus ja viel näherliegt. Ein britisches Lexem '^garman- ist völlig unbekannt. Außerdem handelt es sich um die doch wohl betonte, daher weniger etwaigem Wandel unterliegende Erstsilbe. 1.3.3. An der Existenz eines indogermanischen Nominalsuffixes *-men-/ -mon-/-mn- ist nicht zu zweifeln;' damit werden u. a. neutrale Nomina agentis gebildet vom Typ lat. agmen „Truppe, Schar" < "'„das was geht/treibt". Klärungsbedarf besteht in der Frage, ob die von Neumann angeführten Belege wirklich allesamt dazu gehören. Insbesondere scheint eine Abgrenzung gegenüber dem Suffix des medialen Präsenspartizips ^-mh^no- erforderlich.^ Sehr alte Bildungen könnten meines Erachtens sehr wohl germanisches -mana- als Fortsetzer dieses Suffixes enthalten, Belege^ für vokalischen Reflex von zwischen-konsonantischem Laryngal im Germanischen fehlen jedoch, mit der bekannten Ausnahme des Vater-Wortes. Was Neumann an keltischen Beispielen für '^-men-/-mon-/-mn- bringt, ist zum Teil mißverständlich oder gar mißverstanden,® die von Sabine Ziegler übernommene Deutung der bei-
Neumann 1998a, 448. Siehe z. B. Haudry 1972, Melchert 1983, Stüber 2000. Zur Bedeutung der verschiedenen Funktionen siehe Stüber 1998, 49-51. Beekes 1995, 250, erklärt dieses als Kombination der Schwundstufe von -hjcn- (sie) mit einem Verbalnomen auf -m-. Vgl. Meid 1967, 131, der jedoch von einem überholten Rekonstrukt ausgeht. Kymrisch tarn, temm-yn weist eindeutig auf *-sm-\ -yn ist Singulativ-Suffix. Gallisch anuana = kymrisch enwein (Umlaut analogisch), vgl. Sg. altkymrisch anu : altirisch ainm < idg. *hflm-in- (so, also ohne zweiten Laryngal, mit ausführlicher Begründung, Stüber 1998, 5359) gegenüber der sonstigen Vollstufe *hjn6m-^, *hinem-^-s usw.
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den Namen Nertomanus und Cenomani sicher falsch: *Nertomanus ist eine vox nihili,' Ziegler wohl einer Fehllesung von Nerto-marus „dessen Kraft groß ist" zum Opfer gefallen. Ceno-mani steht neben Ceno-manni und anderen Namen mit gleichem und ähnlichem Hinterglied. Hier ist die Doppelkonsonanz eindeutig lectio difficilior, womit ein anderes Element vorläge, vielleicht sogar das Subst. „Pferd, Pony" (gallisch mandu- > lat. mannus); falls dennoch -manus richtig sein sollte, wäre eher an Gleichsetzung mit altlat. mänus „bonus" zu denken, da das etymologisch entsprechende keltische Lexem in kymrisch mawn-wynt „guter Wind" belegt ist. Ein „gall. Suffix -mano-" mit „intensivierender Funktion" ist bisher nicht bekannt. 1. 3. 4. Neumann bezieht sich auf eine indogermanische Wurzel *g''er- „begehren" (mit velarem Tektal); eine solche Wurzel gibt es nicht. Vermutlich liegt ein Druckfehler für ""l^er- „Gefallen finden" vor, also mit palatalem Tektal, der wegen awest. zara- „Streben, Ziel" angesetzt werden muß.^° Die semantische Einengung auf „begehren" empfiehlt sich nicht, da altindisch hdryati und griechisch xaipc» auf eine starke Kormotation von „sich freuen (an)" weisen. 1. 3. 5. Neumanns semantische Deutung von *german- (neutrum) „das, was begehrt, ersehnt, gewünscht wird", demnach Germani „die das Erwünschte haben/bringen", ist erläuterungsbedürftig. Denkt er an eine elliptische Bezeichnung? Sie wäre vielleicht typologisch abzustützen durch den Verweis auf den wohl einzigen sicher als indogermanisch rekonstruierbaren Völkernamen *Venetoi „die Erwünschten/Geliebten" o. ä.
2. Kritik des derzeitigen Forschungsstandes 2.1. Neumann hat bereits darauf hingewiesen, daß „die indogermanische Grundsprache [...] allein fünf verschiedene Wurzeln ger- [und] sechs g*er-" kenne.'• Er hätte ferner auf die entsprechenden Wurzeln mit -a-Vokal sowie
' Weder von Holder 1891-1913 noch bei Schmidt 1957 oder Evans 1967 gebucht. •0 Rix 1998, 156f., ders. 2001, 176f. " Neumann 1998b, 259b. Pokorny 1959, 382-90 und 439-43, hat vier Wurzeln ger-, zwei Wz. |er-, drei Wz. gher-, sieben Wurzeln ^her- (in Pokornys Schreibung; Varianten hier unberücksichtigt) mit folgenden Bedeutungen (Angaben vereinfacht): „zusammenfassen, sammeln; heiser schreien; drehen, winden; wachen, wecken; morsch werden; krank sein; Schallwort; reiben; hervorstechen; begehren; kratzen; strahlen; greifen, fassen; Darm; kurz, gering; star-
Germani und die Benennungsmotive für Völkernamen in der Antike
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diejenigen mit Laryngal verweisen können. Rix, der den neuesten Forschungsstand bezüglich des aus verbalen Bezeugungen zu erschließenden Lexikons dokumentiert (die nur nominal belegten Wurzeln sind also noch nicht einmal erfaßt!),'^ verzeichnet folgende formal in Betracht kommende Wurzeln:" V "gerh,-
n'^^er-
tönen, rufen (iran., kelt., griech.; viell. lat., germ. [*karöf. Sorge, Klage]) aufreiben, alt machen (ind., iran., slav., griech.) Gefallen finden (ital., ind., griech.) nehmen, holen (ind.) strahlen, scheinen; sehen (slav., balt.) zürnen (ind., iran.)
2.2. Ferner muß die Möglichkeit von Formen, die durch sog. Schwebeablaut entstehen, in Betracht gezogen werden; daraus ergibt sich zumindest eine weitere zu berücksichtigende Wurzel, nämlich dröhnen, wüten (iran., balt., slav., germ. [got. gramjan erzürnen, evtl. denom. zu an. gramr, as. gram\). 1.'h. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß mit Labiovelar anlautende Wurzeln nicht in Frage kommen, da anlautendes idg. zu kelt. b-., germ. kw- (außergot. k) wird, anlautendes zu kelt. german. nach traditioneller Auffassung entweder zu g- (jedoch nur vor o, u, C) bzw. w(vor e, i, a) oder zu b- wird (letzteres nach Seebold)." 2. 4. Die Forschung hat offensichtlich die Analyse Ger-man-i bevorzugt, doch ist eine Abtrennung Germ-an-i nicht von vornherein unwahrscheinlicher. Evtl. liegt eine Bildung mit dem sog. Hoffmann-Suffix *-hjen- (> vorgerman. *-on- > german. '^-an-) vor,'® die etwa „mit Wut versehen (o. ä.)" heißen und meines Erachtens auf eine *Woi ^Piweriä = IliEpia (Homer) Ländername > Piweriata(s) Personenname. Das Verhältnis zum Flußnamen *piweros = IliEpöq, neip0(; [ / I / ] , Quelle Ilifipa ist unklar - beachte *piwerjön > kymr. Iwerddon, altir. triu „Irland".^' XaOvoi Stammesname in Epeiros, meist Xdova; (: x^o??) oder von einem Personennamen = xaövo(; „löcherig, schwammig, aufgedunsen, eitel", also Spitzname?
Risch 1957 (21981), 133-144; Gschnitzer 1971, 90-106, v. a. 94-95; ders. 1983, 140-154; ders. 1986, 415-421. Siehe Gschnitzer 1971. Vgl. Frisk 1973 SS. w. Ptolemäus nennt eine Stadt l o u E p v u ; in l o v E p v i a / l o u e p v i a ^ am Meer l 0 t > E p v i 0 ( ; , ihre Einwohner louepvioi. S. dazu de Bernardo Stempel 2000, 102. Ihr Vorschlag, den Stadtnamen als Grundlage der anderen Bildungen anzusehen, ist nicht zwingend. Eher ist die - möglicherweise - fiktive Stadt nach dem schon älteren Namen der Insel benannt worden, genauso wie das umgebende Meer.
Germani und die Benennungsmotive
für Völkernamen in der Antike
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3. 3. Italische Völkernamen Die ca. 20 Völkernamen aus dem alten Italien sind durchweg undeutbar. Hier erwähnt werden können etwa nur folgende: Marsi dürfte eine Ableitung vom Götternamen Mars sein. Vestini < Vesta ist unerweislich (Volksetymologie?). Piceni < picus „Specht" ist nicht sicher, da erstens Totemismus bei den Indogermanen unbekannt, allenfalls extrem selten ist, und zweitens der Vokalismus der 1. Silbe nicht gesichert ist, vgl. griech. Formen wie IleuKevnvoi neben IliKevTivoi usw. Falisci ist sicher eine Ableitung vom Ortsnamen Falerii, der jedoch seinerseits undurchsichtig bleibt. Wirklich klar ist nur ein junger, gut bezeugter Name: Mamertini
nennen sich oskische Söldner, die sich a. 289 selbständig machen, also „Leute des Mamers" (osk. Mamers = lat. Mars).
Beachtung verdient die antike Tradition, nach der der Name der Bruttii
eigentlich eine osk. Bezeichnung für „Sklaven" sei; doch das läßt sich vom heutigen Wissensstand aus nicht bestätigen (nicht erwähnt bei Rix 1994; Untermann 2000 verzeichnet kein auch nur anklingendes Lexem).
3. 4. Baltische Ethnika'® In dem Völkernamen Sembii (: russ. zjabb „Brachland, Herbstacker" : altkirchenslav. z^bg, z^ti „(Wolle) zerraufen, kämmen", lit. zembü, zembti „(zer)schneiden" : < '"''„die Erde mit einem Pflug aufreißen") liegt möglicherweise eine Bezeichnung im Sinne von „Landbewohner, Bauern" im Gegensatz zu „Städtern" vor;'^ letztere waren im Baltikum bis in die Neuzeit hinein
Nach Bammesberger-Karaliünas 1998, 39-51. Auch der finnische Provinzname Häme, dazu der Einwohnername Hämäläinen, könnte hier angeführt werden, da ostseefinn. *sämä ein Lehnwort aus halt. *zeme- Erde : lit. zeme usw. ist.
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bekanntlich überwiegend Nichtbalten: Deutsche, Schweden, Russen, Polen, Juden. Bei dem sehr alten Namen Aestii spielt der Gegensatz ,Land-Stadt' wohl kaum eine Rolle; die traditionelle Deutung als „(Leute der) Brandrodung" < Partizip *aisto- „verbrannt" : aid''- (angeblich auch germ. Aisto-modius „mit hitzigem Mut", altengl. dst „Dörrofen", mit verdeutlichender Wiedereinführung des Dentals) ist sachlich in der eigentümlichen Brandrodewirtschaft begründet.
3. 5. Slavische Völkernamen^^ Die slavischen Ethnika sind durchweg jünger als alles bisher angeführte Material. Sie entstammen i. d. R. frühmittelalterlichen Chroniken sowie dem Igorlied, d. h. dem 11.-14. Jahrhundert. Die meisten Namen sind Ableitungen von Ortsnamen, sog. Einwohnernamen, also ziemHch jung. Bemerkenswert ist die auch aus anderen Sprachgruppen zu belegende mehrfache Verwendung desselben Namens für verschiedene Gruppen; hier muß es sich um alte, ererbte Gruppenbezeichnungen handeln. Die folgenden Beispiele sollen ledigUch die Bandbreite der Bildungen illustrieren: Der Ursprung des Namens der Slaven ist nach wie vor umstritten. Urslav. '^sloveninh, PI. slovene (altruss. belegt) erscheint als Name von ost-, westund südslav. Stämmen. Die naheliegende Verknüpfung mit dem gemeinslav. Wort slovo „Wort, Rede" wird von Vasmer u. a. abgelehnt, da das Suffix i. d. R. nur Völker- bzw. Einwohnernamen (EinwN) aus geographischen Namen bilde. In Ermangelung einer besseren Erklärung wird man vielleicht doch daran festhalten können, zumal der Gegensatz zu *Nembcb „Deutscher", eig. „Stummer" oder auch Tatar „Tatare", eig. „Stotterer" (so im Mongolischen) als Benennungsmotiv die gemeinsame Sprache nahelegt.^^ Ebenfalls bei allen Slaven verbreitet sind die Völkernamen Serb, urslav. *sbrbh, wohl als „Verbündeter" zu verstehen, und Chorvat, urslav. *x'brvat-, das als Lehnwort aus iran. '^(fsu-)haurvata„Viehhüter" (avestisch pasu-hauruuaBeiwort des Hirtenhundes) erklärt wird.
"
Nach Vasmer 1976-1980. Anders Schramm (1973, 68-73); nach ihm handelt es sich bei Slovene um ein »altertümliches no-Derivat von *Slavantä", einem alten Namen des Dnjepr-Oberlaufs, der in der ukrainischen poetischen Formel .Dnepr-Slovuu" bezeugt sei (so zuletzt Schramm 2001, 64).
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für Völkernamen in der Antike
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Noch einige weitere Namen können genannt werden: Altruss. Derevljane, ostslav. Stamm in Wolhynien: Einwohnername zum Landesnamen Dereva „Waldland", entspricht den westslav. Dräwanen (polab. Drewani) an der Elbe. Dregovici, ostslav. Stamm zwischen Pripjet und westl. Düna, EinwN zu weißruss. drehvd „Sumpfland"; der Vergleich mit dem Namen der südslav. Apouyoüßwav in Mazedonien ist kaum rätlich, da in dem letzteren eher das Wort drug- „Freund, Gefährte" stecken dürfte. Die aruss. Radimci, ostslav. Stamm zwischen Dnjepr und Sozi», sind nach einem Radinth benannt; dies ist wohl eine Kurzform zu *Radi-mrb oder *Radi-mirb „groß an Fürsorge" (?) bzw. „für Frieden /die Welt (?) sorgend". Aruss. Severjane, ostslav. Stamm bei (Sernigov, wohl = S^ßepeu;, südslav. Stamm in Mösien, ist eine Ableitung vom Landesnamen Sverb : sever „Norden, Nordwind". Altruss. Vjaticiy Name des östlichsten ostslav. Stammes, bedeutet „Leute des Vjatko" : Vqfbko, Kurzform für '^Vftie-slavb „mit größerem Ruhm" = Vjaceslav, Wenzel. Eine ganze Reihe von Namen sind Ableitungen von Flußnamen: Dunaijbä : Dunaj „Donau", entsprechend Po-laben „an der Elbe (wohnend)", Kurjane EinwN zum Flußnamen Kur, daneben der Ortsname Kurbskv, ebenso Menjane, die Einwohner von Minsk : Flußname Men'b (etymologisch = Main), daneben ein (adjektivischer) Ortname Menb%kh-, Twerbci (am Dnjestr): Flußname Tivrb < iran. tivrd- „schnell". Kein Flußname, sondern wiederum ein Personenname liegt dem Einwohnernamen von Kiew (altruss. Kyjevh) zugrunde: Kyjane ist ein Ableitung vom Personennamen Kyjb?*
^^ Direkt vom Ortsnamen abgeleitet ist der ein fremdes Volk bezeichnende Name Sürozb (Sudak, Krim-Südküste) < Ik)i>y8ala, vielleicht < osset. suydäg „heilig".
Suroiane :
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3. 6. Altindische
E t h n i k a ^ ^
Großes Interesse dürfen wegen ihres hohen Alters die Völkernamen Indiens beanspruchen. 3. 6.1. Schon im ^gveda (ca. 1200 v. Chr. im Nordwesten) sind bezeugt der Name Bharata- : {hhar-atd- „zu unterhalten, zu pflegen"?), von dem noch die heutige moderne Selbstbezeichnung der Indischen Union (Bhärat) gebildet ist, und die formelhaft sog. „fünf Stämme": Anu- : and- „jener"? Druhyu- : dru(g)h- „trügen, betrügen", also „zu betrügen wünschend"? Diese Auffassung beruht wohl eher auf innerarischer Umdeutung (Volksetymologie). Die homonyme Wurzel idg. 2*d''reff^- „Gesellschaft leisten" (lit. draügas Freund, germ. *dreuga-, got. driugan „zu Felde ziehen" usw.) ist im Indischen zwar sonst nicht belegt, könnte aber durchaus hier vorliegen: Dann bedeutet der Name „Die gemeinsam zu Felde ziehen wünschen" o. ä. Turvasa- ist primär ein Personenname; der Plural wird als Völkername verwendet. Er könnte „von siegreicher Art" bedeuten (: turva(n)- : türv„überwinden, überlegen sein"), aber der Akzentsitz (turvd-sa- gegenüber yuva-sd- „jugendlich" : yüvan- „jung") ist problematisch. Yadu- ein primärer Personenname, ohne bekarmte Etymologie; Püru- gehört vielleicht zu '^pü-rü- „(sich / Soma) läuternd"; nä)po(; bei Arrian, angeblich der Name (m. E. eher der Titel) eines indischen Fürsten, könnte eine davon abgeleitete Vfddhibildung paHra(va)- wiedergeben. 3. 6. 2. Später (im Atharvaveda und späteren Texten) werden weitere Völkernamen genannt: Die Bharata- und Püru- bilden, möglicherweise zusammen mit anderen, ungenannten Gruppen, den Verband der Kuru- (auch Kauravya-)-, eine herausgehobene Sippe führt den Namen Pändava- (klärlich eine Ableitung vom Personennamen Pändu-): Küru- wird als Völker- und Landesname verwendet, erst im Epos auch als
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Nach Renou 1985: 192-195, 372-3 und Mayrhofer 1986-1996 (dort auch die Nachweise zur Sekundärliteratur).
Germani und die Benennungsmotive für Völkernamen in der Antike
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Personenname des mythischen Heros eponymos. Der Name ist vermutlich altererbt, vgl. altpers. Kurus „Kyros". Er bedeutet wohl „(Feinde) erniedrigend (viell. beim Wortgefecht vor der Schlacht)" (Hoffmann bei Mayrhofer 1986-1996 s. v.): ku-, kava- in kavatnü- „erniedrigend"; vgl. weiter jungavest. kauuärasman- Personenname „die (feindl.) Schlachtreihen erniedrigend" : got. hauns „niedrig, demütig", ahd. hörten usw. Pändu- ist ein als Personenname gebrauchtes Farbadjektiv „gelb, weißlich, bleich" : ^pelh^-, dt. falb usw. „mit partizipialem -nd- Suffix" (Hoffmann 1941, 396). Möglich wäre auch eine Erklärung des Völkernamens als gekürztes Kompositum (Rückbildung) „die gelbe, weißliche Gewänder tragen" o. ä. Genannt wird ein Volk namens Krivi- (wohl schon im Rgveda emähnt), später Pancäla-, die mit den Kuru- zusammen die Kurupancäla- bilden. Krivi- ist nicht klar; die alte Erklärung durch Bezug auf kri-vi- (angeblich Namen eines Schlangendämons = k^-mi- nach Rönnow 1938) ist nicht zu sichern. Pancäla- wird gern mit den IlaaodSai bei Ptolemaios, üa^dX«! bei Arrian, Passalae bei Plinius gleichgesetzt, doch ist die Wortbildung unklar. Vielleicht liegt im Vorderglied das Zahlwort pänca „fünf" vor (vgl. gall. Tricorii, Petrucorii). Aber was bedeutet das Suffix oder Hinterglied 3. 6. 3. Zu beachten ist, daß in Indien Völkernamen in der Regel auch als Landesnamen, z.T. sogar als regelrechte Ortsnamen gebraucht werden. Weithin üblich sind auch Zugehörigkeitsbildungen (Vfddhi-Ableitungen) von Personennamen (bzw. umgekehrt Personennamen als Rückbildungen aus Orts- und Ländernamen).
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Alle anderen, später bezeugten Namen dürften nichurischer Herkunft sein: im Osten: Kosala unklar; Videha (Videgha)