Über Schuhe: Zur Geschichte und Theorie der Fußbekleidung 9783839434307

Shoes are much more than a functional and fashionable covering of the foot. As an integral part of material culture, the

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German Pages 230 [228] Year 2016

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Table of contents :
Inhalt
Einleitung
»Walking in Crocodile«Modische Damenschuhe aus Reptilleder
Roger Vivier und der Modelldienst der S.A. Laboremus, Paris
LuxusPositionen und Konzepte
Schönenwerd – New YorkAbendschuhe von Bally
»Bally-Schuhe sind tonangebende Modeschöpfungen«Schuh-Design im Zweiten Weltkrieg
Alltags(schuh)moden der 1930er und 1940er Jahre
Zu den Konjunkturen des Modeschuhs und den Kontroversen um Schuhmode in der Schweiz (1920 –1950)
Sportlich, gummibesohlt und patriotisch: Die ersten Sneakers aus der Schweiz
›Funktionale‹ SchuheDie Entwicklung der Gebrauchsschuhe, deren Ausdifferenzierung und die Schnittstellen zur Mode
»Tragen Sie nur gute Lederschuhe, die der Form der Füsse entsprechen«Zwei Schweizer Initiativen zur Förderung der Fußgesundheit
Der sportlich-elegante Herr der 1930er Jahre
Gestaltete MännlichkeitDer Herrenschuh und die Moderne
Autorinnen und Autoren
Bibliografie
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Über Schuhe: Zur Geschichte und Theorie der Fußbekleidung
 9783839434307

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Anna-Brigitte Schlittler, Katharina Tietze (Hg.) Über Schuhe

Fashion Studies | Band 6

Editorial Mode ist Motor und Ergebnis kultureller Dynamiken. Kleider gehören der materiellen Kultur an; Mode ist Ergebnis des Handelns mit Kleidern und wird in ästhetischen und alltagskulturellen Praktiken hervorgebracht. Als omnipräsente visuelle Erscheinung ist Mode wichtigstes soziales Zeichensystem – und sie ist außerdem einer der wichtigsten globalen Wirtschaftsfaktoren. Die Reihe »Fashion Studies« versteht sich als Forum für die kritische Auseinandersetzung mit Mode und präsentiert aktuelle und innovative Positionen der Modeforschung. Die Reihe wird herausgegeben von Gertrud Lehnert, Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Kulturwissen­schaft an der Universität Potsdam.

Anna-Brigitte Schlittler, Katharina Tietze (Hg.)

Über Schuhe Zur Geschichte und Theorie der Fußbekleidung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2016 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheber­rechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Grafik und Umschlaggestaltung: Maja Siebrecht, Zürich Umschlagabbildung: Herrenschuh von Bally, 1939, Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Foto: Manuel Fabritz, © Bally Abb. S. 6: Damenschuh von Bally, 1935; Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Foto: Manuel Fabritz, © Bally Abb. S. 227: Herrenschuh von Bally, 1935; Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Foto: Manuel Fabritz, © Bally Lektorat: Marco Iori, Schwyz Printed in Germa ny Print-ISBN 978-3-8376-3430-3 PDF-ISBN 978-3-8394-3430-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt Anna-Brigitte Schlittler, Katharina Tietze, Roman Wild Einleitung Seite 9 Birgit Haase »Walking in Crocodile« Modische Damenschuhe aus Reptilleder Seite 21 Rosita Nenno Roger Vivier und der Modelldienst der S.A. Laboremus, Paris Seite 35 Gertrud Lehnert Luxus Positionen und Konzepte Seite 47 Katharina Tietze Schönenwerd – New York Abendschuhe von Bally Seite 59 Anna-Brigitte Schlittler »Bally-Schuhe sind tonangebende Modeschöpfungen« Schuh-Design im Zweiten Weltkrieg Seite 73 Kerstin Kraft Alltags(schuh)moden der 1930er und 1940er Jahre Seite 93 Roman Wild Zu den Konjunkturen des Modeschuhs und den Kontroversen um Schuhmode in der Schweiz (1920–1950) Seite 111

Tobias Ehrenbold Sportlich, gummibesohlt und patriotisch: Die ersten Sneakers aus der Schweiz Seite 129 Daniel Späti ›Funktionale‹ Schuhe Die Entwicklung der Gebrauchsschuhe, deren Ausdifferenzierung und die Schnittstellen zur Mode Seite 139 Nike U. Breyer »Tragen Sie nur gute Lederschuhe, die der Form der Füsse entsprechen« Zwei Schweizer Initiativen zur Förderung der Fußgesundheit Seite 157 Maria Spitz Der sportlich-elegante Herr der 1930er Jahre Seite 173 Christopher Breward Gestaltete Männlichkeit Der Herrenschuh und die Moderne Seite 185 Autorinnen und Autoren Seite 207 Bibliografie Seite 211

Einleitung Anna-Brigitte Schlittler, Katharina Tietze und Roman Wild Schuhe sind funktional: Sie schützen vor Verletzungen und Witterungseinflüssen; sie markieren die Grenze zwischen Körper und Boden. Schuhe präformieren, sie prägen unsere Haltung und Bewegung; sie umschließen und formen den Fuß. Schuhe sind mo­disch: Als Accessoire sorgen sie in besonderem Maß für ein akzentuiertes und differenziertes Erscheinungsbild.1 Am Schuh, als Bestandteil der materiellen Kultur, und den ihn umgebenden Prax­en werden zudem historische, gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen und Brüche deutlich. Vielfalt vs. Mangel: Forschungsvorhaben und Ergebnisse Ausgangspunkt der Auseinandersetzung mit dem Thema ›Schuh‹ war das sehr umfangreiche und wissenschaftlich bisher nicht be­arbeitete Archiv des Schweizer Schuhherstellers Bally. Am ehe­maligen Standort von Produktion und Verwaltung in Schönenwerd befinden sich Geschäftsunterlagen, eine grosse Plakatsammlung, Tausende von Objektfotos und anderes dokumentarisches Bildmaterial, Werbemittel sowie eine außerordentliche Sammlung von mehreren tausend Schuh-Prototypen – also ein bedeutendes Konvolut zur europäischen Industriegeschichte. In dieser fast unüberschaubaren Fülle schlummert nicht nur die seltene Möglichkeit einer Genealogie des Schuhdesigns; in ihr haben sich auch wirtschaftliche Entwicklungen, Modegeschich­ ­te, zeittypische Ideale von der Materialverwendung und Form­ gestaltung bis zur Image-Generierung niedergeschlagen. So entstand das vom Schweizerischen Nationalfonds geför­derte transdisziplinäre Forschungsprojekt »Vielfalt vs. Mangel: gestalterische und wirtschaftliche Herausforderungen in der schweizerischen Schuhindustrie, 1930 – 1950«. Daran beteiligt waren Anna-Brigitte Schlittler, Katharina Tietze und Daniel Späti von der Zürcher Hochschule der Künste sowie Roman Wild von der Universität Zürich. Das Forschungsprojekt beabsichtigte eine historische Momentaufnahme zum Schuhdesign, die das Ineinanderwirken verschiedener Einflüsse kritisch aufzeichnet: von der

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Frage nach der Eigendynamik modischen Begehrens über kreative Anreize in der Gestaltung durch materielle Beschränkung bis zu wirtschaftshistorisch befragten Versuchen von Einflussnahme auf Produktion und Konsum. Überraschend deutlich kris­tal­lisier­ten sich Zusammenwirken und Auseinanderdriften gestalterischer und ökonomischer Vorgaben und Prinzipien im Begriff ›Mo­de‹. Diese erwies sich im untersuchten Zeitraum als ökonomisch, kulturhistorisch und gesellschaftspolitisch breit und kontrovers diskutiertes Phänomen. Die außergewöhnliche Vielfalt und die Ausdifferenzierung der Objekte im Bally-Archiv reflektieren die Entwicklung in (West-) Europa und Nordamerika: Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts wurden Schuhe vom Gebrauchsgegenstand zum modischen Produkt. Begleitet von einer zunehmend differenzierten Termino­logie, entstanden zahlreiche neue Modelle, in denen tierische, pflanzliche und synthetische Materialien in noch nie dagewe­sener Fülle zu immer neuen Kombinationen verarbeitet wurden. Bally war, wie die gesamte Schuhindustrie, während der Jahre des Zweiten Weltkriegs von Verknappung und Rationierung des Leders betroffen. In der Folge erhöhte sich die Materialvielfalt noch einmal,indem Grundstoffe wie Holz oder Viskose in die Pro­duktion von modischen Schuhen aufgenommen wurden. Auf­fällig dabei ist die sorgfältige Verarbeitung: Immer neue Vari­anten von Verschlüssen, Applikationen, Zierstichen und -nähten, Einfärbungen etc. variierten die mittlerweile zahlreichen Grund­formen. Aus designhistorischer Sicht befand sich die industrielle Produktion in diesen Jahrzehnten auf ihrem Höhepunkt. Zugleich stand der ›Modeschuh‹ im Zentrum verschiedener Debatten, die je unterschiedlichen Diskursen zugeordnet werden können, etwa dem medizinischen Hygienediskurs oder der  – von der Frauenbewegung mitgetragenen – Konsumkritik, aber auch der für die Schuhindustrie besonders relevanten Kritik des Gewerbes, das in den 1930er Jahren gegen das modisch orientier­te Angebot polemisierte. Auch die angegriffene Schuh­industrie tat sich schwer mit der Mode. Erhofften sich Konsumentinnen und Konsumenten angesichts der preiswerteren, doch zunehmend ähnlich beschaffenen Konfektionsware Distinktionssicherung, schätzte die Industrie die Mode zur Absatzsicherung auf saturierten Märkten. Doch im Gefolge der Weltwirtschaftskrise wurde

Einleitung

der modische Verdrängungswettbewerb vorangetrieben und zog teils unverkäufliche Warenlager nach sich. Gerade im Export, vor allem nach den USA, wurde indes der Sinn fürs ›Modische‹ als besonders erfolgversprechend angesehen. So wurde etwa der Auf­wand für Musterkollektionen sogenannter Luxusschuhe mehrfach mit dem in der Nachkriegszeit zu erwartenden Geschäft be­gründet und gerechtfertigt. Das Forschungsprojekt fokussierte den Zeitraum der 1930er und 1940er Jahre. Mit der Vielfalt der Modelle in den 30er Jahren und dem Mangel an Material während des Zweiten Weltkriegs ließen sich ganz unterschiedliche Aspekte aufzeigen. Für die Ge­schichte des Schuhs bzw. des Schuhdesigns ist allerdings der gesamte Zeitraum der industriellen Schuhproduktion von Interesse. An dieser Stelle ist es sinnvoll, einen Blick auf die wechselhafte Geschichte der Firma Bally zu werfen. Bally: ein unternehmensgeschichtlicher Exkurs2 1851 entschloss sich Carl Franz Bally (1821–1899), die von seinem Großvater gegründete und gemeinsam mit seinem Bruder geführte Seidenband-, Elastikband- und Hosenträgerfabrik um die Schuhproduktion zu erweitern. Diese kam in Schönenwerd im Kanton Solothurn, einer ländlichen Region mit bescheidenen Res­sourcen, zu liegen. Der produktionstechnische Schritt von der Bekleidung zum Schuh war indes grösser als erwartet – Ver­messung und Herstellung einer ledernen ›zweiten Haut‹ verlangten damals noch kaum vorhandene Fähigkeiten und Fertig­keiten und stießen bei den potenziellen Händlern und Konsumenten der Region auf Ablehnung. Die derben, wenig ansehnlichen Schuhe fanden primär in Südamerika Abnahme. Durch die arbeitsteilige Neuausrichtung des Produktionsprozesses wuchs Bally in den folgenden Jahren stetig. Im regionalen Einzugsgebiet beschäftigte die Schuhfabrik Hunderte Heimarbei­ terinnen und begann dezentral gelegene Ateliers und Fabriken zu betreiben. Den Aufstieg zum Primus der schweizerischen Schuh­­industrie vollzog Bally in erster Linie dank der systematischen Arbeitsteilung und Mechanisierung der Schuhproduktion. Nament­lich Eduard Bally (1847 – 1926) bereiste ab 1870 mehrere Male die USA, von wo er die modernsten Methoden und Maschinen in die Schweiz einzuführen pflegte. Ob es darum ging, ein Atelier neu

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zu organisieren, Eignungsprüfungen für Arbeiterinnen zu imple­mentieren, Arbeitsplätze umzugestalten oder Verfahren zur Erfor­schung potenzieller Absatzmärkte zu erproben – immer wiesen die USA respektive die Prinzipien des ›Scientific Managements‹ den Weg. Mit der zunehmenden Spezialisierung und Differenzierung der Schuhherstellung stieg die betriebliche Komplexität sprunghaft an. Der Maschinenpark von gut und gerne 500 Apparaten ver­schaffte keinen Wettbewerbsvorteil mehr, wie ein Blick in die Werkhallen konkurrierender Schuhfabriken offenbart. Vor diesem Hintergrund begann das Bally-Leitungsgremium seine Bemühungen auf das optimale Ineinandergreifen der einzelnen Glieder der betrieblichen Wertschöpfungskette zu richten. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs entschloss sich das aus Familienmitgliedern und je länger, desto stärker auch aus angestellten Managern zu­sammengesetzte Gremium, den Schönenwerder Betrieb grund­­legend und auf lange Sicht hin umzugestalten. Wichtigstes Ziel war, der immer größeren Produktion – im Jahr 1913 stellte Bally bereits 2.8 Mio. Paar Schuhe her – im Inland und mehr noch im zollgeschützten Ausland einen ausreichenden Absatz zu sichern. Nach betriebsamen Kriegsjahren und einem stockenden Übergang in die Friedenswirtschaft wurde die Neuausrichtung 1921 mit einer neuen, mit 40 Mio. Franken Eigenkapital alimen­tier­ten Organisations- und Rechtsform besiegelt – die C.F. Bally AG war nun eine zentral geleitete Holding-Gesellschaft. Von den da­zumal bereits gegründeten oder erst in Planung begriffenen Toch­terunternehmen sind besonders zu erwähnen: Gerbereien in Süd­amerika; Schuhfabriken in der Schweiz, in Frankreich, Südafrika, Großbritannien und Österreich; Verkaufsgesellschaften in Frank­reich, Belgien, den USA, der Schweiz und in Norwegen; Detailorganisationen in der Schweiz, in Frankreich und Österreich. Unter den vielen administrativen Tochterunternehmen ist die Agor AG, Schweiz (1932), hervorzuheben, verantwortete sie doch den reklametechnischen Auftritt am Schuhmarkt. Ungeachtet des eingeschlagenen Wachstumspfads sah sich Bally, einem harten Verdrängungswettbewerb ausgesetzt, in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren sinkenden Absatzzahlen gegenüber. Im Kontext von Schutzzollpolitik, Weltwirtschaftskrise, Abwertung des Britischen Pfunds und Zerfall in Wäh­-

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rungs- und Handelsblöcke geriet Bally in die Verlustzone. Die Hol­ding-Leitung verordnete dem Schönenwerder Stammhaus daraufhin eine Kürzung der Produktionsmenge und einen rigorosen Abbau bei Unkosten und Löhnen. Allein im ersten Halbjahr 1932 wurden vier Fabrikationsbetriebe geschlossen und Hunderte Ar­beiter und Angestellte entlassen. Auf der Suche nach einem neu­en betrieblichen Gleichgewicht setzte der Schuhkonzern auf ei­nen angepassten Auftritt am Markt: Für die Schweiz sollten Schu­he in allen Sparten und Preisklassen – vom Militär-, Sport-, Gum­ mi-, Gesundheits- über den Kinder-, Haus- und Halb- bis hin zum Abend- und Modeschuh – vertrieben werden. Die in Schönenwerd für den Export gefertigten Schuhe sollten als qualitativ hochstehen­de ›Luxusschuhe‹ das Hochpreissegment anvisieren. Just im Moment, als die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen freundlicher zu werden und die unternehmerischen Anpassungen zu greifen begannen, brach der Zweite Weltkrieg aus. Bally büßte einen Großteil seines Handlungsspielraums ein; die Verbindungen zu vielen Tochterunternehmen waren auf Jahre hinaus gekappt. Die Schönenwerder Schuhfabrik musste Manager an (para-)staatliche Organisationen und kriegswirtschaftliche Ämter sowie Arbeiter an den Militärdienst abtreten. Es sollte mehrere Jahre dauern, bis die Nachwirkungen der Kriegs- und Krisenjah­re überwunden waren und der Schuhkonzern neuer­dings zu­kunftsträchtige Geschäftsfelder in Angriff nehmen kon­n­te. Als 1951 die Feierlichkeiten zum 100-Jahr-Jubiläum begangen wurden, beschäftigte die Bally-Holding rund 15’000 Arbeiter und Ange­stellte im In- und Ausland und fertigte pro Tag etwa 28’000 Paar Schuhe. Schuhe als Thema der Fashion Studies Die Auseinandersetzung mit Kleidung und Mode3 innerhalb des Forschungsfelds der Fashion Studies hat sich in den vergangenen Jahren inhaltlich und methodisch stark ausgeweitet und differenziert.4 Spärlicher sind spezialisierte Publikationen zu Schuhen. Im ersten Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende haben grundlegende Veröffentlichungen zwar wichtige Fakten, theoretische Erkenntnisse und eine Auswahl methodischer Zugänge zum Thema geliefert;5 auffällig ist jedoch seit einigen Jahren die Paral­leli­sie­rung von Ausstellungen und wissenschaftlichen Tex­ten.

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Selbstverständlich ist die Verbindung von musealen Sammlungen und objektbasierter Theoriebildung innerhalb der Fashion Studies aufgrund des je spezifischen Fachwissens unabdingbar; indes manifestiert sich mittlerweile eine Abhängigkeit, die zu einer tendenziell einseitigen Sicht geführt hat. Seit etwa fünf Jahren mehren sich selbständige museale Präsentationen von Schuhen, doch zeigt sich dabei eine fast ausschließ­liche Hin­wendung zu auktorialem Design und exzentrischen Schuhen, häufig verknüpft mit dem ›Fetisch Schuh‹: Die Schauen fokus­sieren entweder auf einzelne Designerpersönlichkeiten oder rücken exaltiertes, meist auf weibliche Genderstereotypen fest­gelegtes Schuhwerk ins Zentrum: Shoe Obsession,6 Killer Heels,7 Pleasure and Pain.8 Der alltägliche Schuh – fast gleich­zusetzen mit dem industriell hergestellten Schuh, also dem quantitativ größten Teil der gekauften und getragenen Schuhe –  ist weitgehend aus dem wissenschaftlichen Blickfeld geraten. Konfrontiert mit einem Konglomerat von mehreren tausend Schu­hen, war für uns die Frage nach dem Verhältnis zwischen Fashion Studies und Material Culture von besonderer Bedeutung. Wie Peter McNeil verdeutlichte, wird in den Fashion Studies versucht, modische Phänomene transdisziplinär zu erfassen und dabei verschiedene Fäden, von einer eher kunst- bzw. kulturhis­torisch informierten Kostümgeschichte über produktionsästhe­tische und ökonomische Fragen bis zur kritischen Analyse sym­bolischer Prozesse und sozialer Praktiken, miteinander zu verknüpfen.9 Die Dichotomie der tendenziell induktiven Kostümgeschichte und der mehrheitlich deduktiv angelegten Fashion Studies ist nicht zuletzt dem Wesen des Forschungsgegenstands eigen: Mode wird durch Objekte hervorgebracht, ist zugleich aber auch abstraktes Konzept. Der stark objektbezogene Ansatz auf der einen und der im Extremfall objektlose Zugang auf der anderen Seite wurden von Giorgio Riello zur Material Culture of Fashion synthetisiert. Material Culture wird dabei als ›Dazwischen‹ von materieller Evidenz und theoretischem Konzept ver­standen, methodisch zu permanentem Austausch und Konfron­ tation verpflichtet.

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»Material culture is not the object itself […], but neither is it a theo­­reti­cal form […]. Material culture is instead about the modalities and

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dynamics through which objects take on meaning (and one of these is that of fashion) in human lives.«10

Betrachtet man beispielsweise den Après-Ski-Schuh aus den 1940er Jahren, fällt sofort die ungewöhnliche Materialkombi­na­tion auf: Gepardenfell und Kork [Abb. i] Beide sind nicht nur Grundlage des zeitgenössischen avancierten In­dustriede­signs und globales Handelsgut, sondern auch Teil verschiedens­ter Diskurse und Netzwerke. Die Korksohlen weisen auf einen seit der Antike vor allem auf der Iberischen Halbinsel in cha­rakteristischen Kulturlandschaften gewonnenen Rohstoff, der vielseitig verwendbar ist – nicht zuletzt für Schuhe, wie schon Plinius der Ältere wusste.11 Das Obermaterial Gepardenfell hin­gegen ist mit der Kolonialge­schichte und der damit einherge­henden rücksichtslosen Ausrottung afrikanischer Wildtiere ver­knüpft; eine weitere Ebene sind die vielfältigen symbolischen Bedeutungen der Felle von Großkatzen und deren Einbindung in den Diskurs um Luxus, Reichtum und Status. (Paradoxerweise wurden Felle von Wildtieren infolge der Rationierung von Leder während des Zweiten Weltkriegs zu Ersatzmaterialien.) Beide Materialien werfen wirtschaftshistorische Fragen auf, etwa nach Handelswegen und Geschäftsbeziehungen während des Zweiten Weltkriegs. Nicht minder wichtig sind designhistorische Dis­-

[i] Après-Ski-Schuh von Bally, 1942 (Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG; Foto: Manuel Fabritz, © Bally)

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kurse: Wie kommen derart ungewöhnliche Kombinationen zustande? Wie wird daraus ein modisches Objekt? Die erhebliche agency solcher Plateauschuhe eröffnet darüber hinaus weitere Felder, wie Geschichte und Theorie von Körperhaltung und Gang.

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Schuhe als Designprodukt, Alltagsding und Forschungs­ gegenstand Eine erste Phase des Forschungsprojekts wurde mit der inter­na­tionalen Tagung »Schuhe. Designprodukt, Alltagsding, Forschungsgegenstand«12 im November 2014 an der Zürcher Hoch­schule der Künste abgeschlossen.13 Mit dem Ziel, die Geschichte von Bally zu kontextualisieren, wurden in- und ausländische Kolleginnen und Kollegen versammelt, die schon lange mit dem Thema Schuhe befasst sind. Durch den Fokus auf den Gegenstand Schuh und den gewählten Zeitraum war eine dezidierte und detailreiche Auseinandersetzung möglich. Die Tagungsbeiträge ergänzten einander unmittelbar und sind nun in diesem Band zusammengefasst. Birgit Haase beschäftigt sich mit der Verwendung von Reptil­ leder für Damenschuhe ab den 1920er Jahren. Sie skizziert histori­sche Zusammenhänge und erläutert kulturelle Zuschreibungen, wie die Nähe der femme fatale zur Symbolik der Schlange, sowie die Bedeutung des ›exotischen‹ Materials in kolonialen Zusam­menhängen. Rosita Nenno erhellt das Frühwerk des berühmten Schuhdesigners Roger Vivier, der für den Modelldienst S.A. Laboremus in Paris, eine Tochter der Heyl’schen Lederwerke in Worms-Liebenau, entwarf. Um deren luxuriöse Schuhleder vorteilhaft zu präsentieren, wurden Designer wie der junge Vivier angestellt. Die meist nordamerikanischen Kunden konnten sowohl das Material als auch die Designs erwerben. Gertrud Lehnerts Erläuterungen von Luxus-Konzepten beziehen sich auf die moderne Konsumkultur und lassen sich auf die Gegenstände der anderen Beiträge dieses Bandes anwenden. Sie diskutiert Positionen zur Bedeutung der Dinge, zum Verhältnis von Verknappung und Überfluss sowie zu Begriffen wie ›Originalität‹ und ›Exklusivität‹. Katharina Tietze vergleicht Abendschuhe der 1930er Jahre aus dem Bally-Archiv mit Schuhmode in der Vogue (US) und ver-

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deutlicht mit den Parallelen die internationale Bedeutung des Schweizer Schuhproduzenten. Zudem wird anschaulich, wie viel­fältig Schuhe in einem Modemagazin präsentiert wurden und in welchen Aspekten, etwa der Entblößung des Fußes oder neuer Ab­satzformen, sich die Schuhmode veränderte. Anna-Brigitte Schlittler setzt sich mit der gesteigerten Differenzierung des Schuhdesigns während des Zweiten Weltkriegs und ihrer Rezeption in der Schweizer Presse auseinander. Eine der markantesten Formen war der Plateauschuh, der vor allem im Satiremagazin Nebelspalter großes Aufsehen erregte: In Dutzen­ den von Karikaturen fungierte der Schuh als Platzhalter eines Mo­­de­diskurses, in dem sich erste Anzeichen kommender gesell­ schaftspolitischer Konflikte zeigten. Kerstin Kraft wendet sich nach einer Auseinandersetzung mit der vielfältigen, wenn auch schwierigen Quellenlage den Alltags­moden der 1930er und 1940er Jahre zu. Die Auswertung priva­ter Quellen zeigt nicht nur individuelle Interpretationen der Mode, sondern auch die je unterschiedliche Dynamik bei Kleidung und Schuhen. Diese wurden bedeutend länger getragen, indes die all­mählich einsetzende Massenproduktion und der gesellschaftliche Wandel zu einer bedeutenden Erweiterung des Schuhreper­toires führten. Roman Wild problematisiert die Konjunkturen des Modeschuhs und die Kontroversen der Schuhmode. Über Mode ver­ständigten sich in der Zwischenkriegszeit Repräsentantinnen der Frauenbewegung, Vertreter des Schuhgewerbes, Hygieniker, Sozialwissenschaftler und Politiker zu gleichen Teilen. Der Bei­trag zeigt auf, dass im zeitgenössischen Sprechen über Mode die unterschiedlichsten Anliegen, Befürchtungen und Wissensbestände mitverhandelt wurden. Tobias Ehrenbold spürt den Sneakers in der Schweiz nach, die ab den 1930er Jahren von der tschechoslowakischen Firma Bata produziert und vertrieben wurden. Das Aufkommen des preis­gün­stigen Schuhs wurde von heftigen Kontroversen begleitet. Die heimische Industrie versuchte dessen Ausbreitung zunächst mit medizinischen und politischen Argumenten zu unterbinden, um schließlich ein paar Jahre später eigene ›Gummischuhe‹ auf den Markt zu bringen. 17

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Daniel Späti fokussiert auf die Entwicklung des sogenannten Gebrauchsschuhs. Neben der medizinisch-hygienisch begründe­ten Schuhreform war es vor allem ein allgemeiner Wandel im Schuhgebrauch, der zu einer zunehmenden Ausdifferenzierung führte: Nach dem Schutz der Füße gewannen modische Funktionen, wie soziale, emotionale und symbolische Gesichtspunkte, in der Schuhgestaltung an Bedeutung und hielten auch bei Ge­ brauchs­schuhen Einzug. Nike U. Breyer skizziert in ihrem Beitrag »Tragen Sie nur gute Lederschuhe, die der Form der Füsse entsprechen« zwei Schweizer Initiativen zur Fußgesundheit. Die Kämpfe um anatomisch sinnvolle Schuhformen begleiten die gesamte Schuhgeschichte; wie erbittert sie manchmal geführt wurden, wird hier anschaulich. Maria Spitz beleuchtet verschiedene Facetten der Männermo­de in den 1930er Jahren mit Blick auf zu Anzügen getragene Schuhe anhand von Objekten und schriftlichen Quellen aus dem Archiv des Konfektionärs C&A. Deutlich wird dabei, wie das hoch­ent­wickelte modische Bewusstsein von Zeitschriften wie Das Herrenjournal auch die Konfektion beeinflusste. Christopher Breward analysiert und verknüpft Debatten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts um Massenproduktion, technische Innovationen, Hygiene und Männlichkeit. Er zeigt, wie sich der klassische Männerschuh fast unverändert halten konnte und zu einem eigentlichen Vorzeigeobjekt der Moderne wurde, das Architekten wie Le Corbusier und Adolf Loos prädestiniert schien zur Geschmackserziehung der Massen. Wir danken den Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge und allen Kolleginnen und Kollegen von der Zürcher Hochschule der Künste für die Hilfe bei der Realisierung der Tagung »Schuhe. Designprodukt, Alltagsding, Forschungsgegenstand«. Das Forschungsprojekt wurde möglich dank der Förderung des Schweizerischen Nationalfonds und der Unterstützung durch das Institute for Cultural Studies in the Arts der Zürcher Hochschule der Künste. Ein besonderer Dank gilt der Bally AG, die uns den Zu­gang zum Archiv in Schönenwerd gestattete, sowie Ursula Gut, die sich seit vielen Jahren um die Pflege der wertvollen Bestände bemüht und uns jederzeit hilfreich zur Seite stand. Wir freuen uns, dass der vorliegende Band in der Reihe Fashion Studies von Gertrud Lehnert erscheinen kann.

Einleitung

1 Loschek 1993, S. 6. 2

Vgl. u.a. Büchi 1930; Schmid 1939; Bally 1951; Jaun 1986; Heim 2000; Baumann Püntener, Karin: »Wider die Fluktuation: die Strukturen des Unternehmens Bally zur Bildung einer Stammarbeiterschaft«, in: Schweizerische Gesell­schaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte 14, 1996, S. 223–232.

3 Mentges 2015, S. 29–31. 4

Vgl. Black, Sandy, et al. (Hg.): The Handbook of Fashion Studies; London etc.: Bloomsbury 2013.

5

Benstock, Shari/Ferriss, Suzanne (Hg.): Footnotes: On Shoes; New Brunswick etc.: Rutgers University Press 2001; Riello/McNeil 2006; Semmelhack 2008; Semmelhack 2009; Nahson, Edna: Jews and Shoes; Oxford: Berg 2008; Sudrow 2010.

6 Fashion Institute of Technology, New York, 2012. 7 Brooklyn Museum, New York, 2013. 8 Victoria & Albert Museum, London, 2015. 9 McNeil 2010. 10 Riello, Giorgio: The object of fashion: methodological approaches to the history of fashion. Journal of Aesthetics and Culture, Vol. 3, 2011. http://www.aestheticsandculture.net/index.php/jac/rt/printerFriendly/ 8865/12789 [18.3.2016]. 11 Semmelhack 2009, S. 20. 12 Siehe auch www.tagungschuhe.ch 13 Im Frühjahr 2016 wurde vom Schweizerischer Nationalfonds ein Anschluss­projekt bewilligt.

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»Walking in Crocodile«

Modische Damenschuhe aus Reptilleder Birgit Haase »Walking in crocodile« – mit diesem Slogan in einer Werbeanzeige vom Oktober 1950 empfahl die englische Firma Manfield einen klassisch schlichten Trotteur aus braunem Krokodilleder. [Abb. 1] Elegante Damenschuhe aus Reptilleder waren damals ein am Markt gut eingeführter Artikel mit luxuriösem Image. Begonnen hatte der Trend rund drei Jahrzehnte zuvor: Anzeigen und redaktionelle Beiträge in Mode- und Fachzeitschriften sowie erhaltene Objekte in Museumssammlungen zeugen davon, dass seit den 1920er Jahren zunehmend Reptilleder für modische Damen­schuhe – seltener auch für Herrenschuhe – verarbeitet wurde.1 Entsprechende Hinweise finden sich vereinzelt in der Fachlite­ratur, doch bleiben sie durchweg unspezifisch.2 Genauere Unter­suchungen zu Ursprung und Genese der Reptilleder­-Schuhmode, die in den zwanziger Jahren ihren Ausgang nahm, im folgenden Jahrzehnt einen Höhepunkt erlebte und in den fünfziger Jahren erneut aufblühte, gibt es bisher nicht. Hier setzen die folgenden Überlegungen an und skizzieren einige technische und ökonomische Aspekte sowie ästhetische und kulturelle Rahmenbedin­gungen des Themas. Der Begriff ›Reptilleder‹ – hin und wieder ist auch die Rede von Exoten- oder Luxusleder – bezeichnet gegerbte und auf verschiedene Arten zugerichtete Häute von niedrigen Wirbeltieren bzw. Kriechtieren, insbesondere von Schlangen, Echsen und Krokodilen. Eine sichere Unterscheidung der fast unüberschaubaren Vielzahl an zur Verarbeitung gelangenden Arten erfordert hoch spezialisiertes Expertenwissen, zumal wenn auch noch die gelegentlich als ›Ersatzstoffe‹ genutzten Häute verschiedenster Zahnund Schuppenfische berücksichtigt werden. Aus diesem Grund wird im Folgenden meist der Oberbegriff Reptilleder mit den Spezifikationen Krokodil-, Schlangen- und Echsenleder sowie Fischleder verwendet. Die Frage, wann Reptilleder für modische Accessoires und ins­ besondere Schuhe erstmals genutzt wurde, ist bislang offenbar nicht zweifelsfrei zu klären. Seit langem tradiert sind indigene Ver­-

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Birgit Haase

wendungen verschiedener Reptil- und Fischhäute vor allem in außereuropäischen Gebieten; ein Sonderfall ist Rochen- oder Hai­fischleder, das unter dem Namen galuchat seit dem Rokoko in Frankreich zu diversen Galanteriewaren und modischen Accessoires – jedoch offenbar kaum zu Schuhen – verarbeitet wurde.3 Davon abgesehen, finden sich nur wenige meist unpräzise Hinweise zum Einsatz von Reptilledern in der Mode ab dem 19. Jahr­hundert. 1909 schrieb ein anonymer Korrespondent der DeutschOstafrikanischen Zeitung in Daressalam über die »gerade in den letzten Jahren« deutlich angestiegene Nutzung von Krokodil-, Eidechsen- und Schlangenleder für »Luxusgegenstände«, darun­ter auch Schuhe; da die Nachfrage das Angebot übersteige, sei man vermehrt dazu übergegangen, die Exotenleder »durch Pressung andrer Ledersorten« nachzuahmen.4 Im Berliner Tageblatt vom 12. April 1930 berichtete Dr. Georg Pfeffer, Professor für Zoologie an der Universität Hamburg, über eine frühe »Manie« für Schuhe und Stiefel aus Alligatorenleder um 1825; doch erst das Jahr 1870 habe einen »guten Markt« für derartige Produkte gebracht, was

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[1] »Walking in Crocodile«; Werbeanzeige (Vogue GB, Oktober 1950, S. 19)

»Walking in Crocodile«

in den folgenden Jahrzehnten zur drastischen Dezimierung der Wildtierbestände in Louisiana, Georgia, Florida und Kalifornien sowie zur Gründung entsprechender Zuchtfarmen, aber auch zur Entwicklung von Imitationen geführt habe.5 Seit dem ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert schufen Fortschritte in der Lederwissenschaft und vor allem in der Gerbereitechnik grundlegende Voraussetzungen zur Verbreitung der Reptilledermode. Besonders die seit den 1890er Jahren groß­ technisch eingesetzte Chromgerbung ermöglichte weichere und geschmeidigere, weniger wasserempfindliche und besser anfärb­bare Lederqualitäten als die bis dahin überwiegend verwendete vegetabile Lohgerbung.6 Von den guten Fortschritten, die dieser Industriezweig in den folgenden Jahrzehnten machte, zeugt auch eine zunehmende Dichte an Fachveröffentlichungen zu Ver­ar­beitung und Handel von Reptilhäuten, die in den 1930er Jahren ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte. Stellvertretend für zahl­reiche ähnliche Äußerungen sei hier aus einem Bericht vom 25. Januar 1932 zitiert, den der amerikanische Generalkonsul von Frankfurt am Main nach Washington, D.C., sandte. Darin hob er die große wirtschaftliche Bedeutung der Reptillederverarbeitung für Deutschland hervor und stellte fest, dass die exotischen Lederqualitäten nicht mehr nur als Mode-Laune gälten, sondern wegen ihres einzigartigen Aussehens und ihrer Dauerhaftigkeit ge­ schätzt würden; weiter hieß es: »The women wear reptile leather shoes during all seasons of the year, from early spring to late fall, and occasionally on bright winter days. The demand for reptile leathers here is said to be continually improving.«7 Vergleichbare Einschätzungen fanden sich in der europäischen Presse um das Jahr 1930 allenthalben; dabei schien unter den Autoren weit­gehend Einigkeit darüber zu herrschen, dass die eigentliche ›Repti­lära‹ im ersten Drittel der zwanziger Jahre begonnen habe.8 Dies wird durch die historische Sachüber­ lieferung bestätigt: Ab­gesehen von wenigen Ausnahmen, stam­men die frühesten erhal­tenen Reptillederschuhe in vielen mu­sealen Sammlungen aus den 1920er Jahren. Bedingt durch ihre häufig beschränkten Abmessungen und den zunächst hohen Preis, aber auch aufgrund ästhetischer Vorlieben wurden die exotischen Rohhäute für modisch-elegante Spangenschuhe oft in Kombinat­ion mit Glattleder verarbeitet. So wurde bei einem

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ungetragenen Salamander-Schuh von 1929 das melierte Leder der Teju-Eidechse als auffälliger Blickfang für Vorderblatt und Absatz verwendet.9 [Abb. ii] Heute herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die in den 1920er Jahren deutlich verkürzte Rocklänge der damals aktuellen Hemdkleider die Nachfrage nach ebenso dekorativ wie luxuriös gestaltetem Schuhwerk ankurbelte.10 Neben Faktoren wie Kosten und Qualität war die modische Ausführung seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem im urbanen Umfeld zu einem wichtigen Kriterium für Damenschuhe von erlesener Eleganz geworden. Vor diesem Hintergrund kam es vermehrt zu Kooperationen gefeierter Couturiers mit namhaften Schuhentwerfern, wie etwa der bekannten Zusammenarbeit von Paul Poiret mit André Perugia. Letzterer festigte in den 1920er Jahren seinen Ruf als einer der ersten ›grands bottiers des stars‹ und war für die Ver­arbei­tung exquisiter Materialien berühmt, darunter »glänzendes Schlan­gen-­ leder und perlfarbene Echsenhaut«.11 Inspirationen schöpften europäische Designer gern aus jenen Regionen, deren vage Umschreibung als ›Orient‹ ihnen Raum für phantasievolle Interpretationen bot. Der Handel mit dem Nahen und Fernen Osten sowie die damit einhergehende kulturelle Rezep­-

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[ii] Damenschuhe Marke Salamander, Eidechsenleder; J. Sigle & Cie, 1929 (Kornwestheim, Stadtgeschichtliche Sammlungen; Sedler 1999, S. 100, Nr. 65)

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tion im Westen hatte, gerade auf textilem Sektor, eine lange Tradi­tion. Seit der Jahrhundertwende veränderte sich das Verhältnis jedoch qualitativ, nicht zuletzt vor dem Hintergrund neuer ästhetischer Zugänge der künstlerischen Moderne. Das Interesse an fremden Kulturen, wie es sich in zeitgenössischen Tendenzen der bildenden Kunst widerspiegelte, wurde zusätzlich durch Medien­ berichte, etwa über die legendären Pariser Aufführungen der Ballets Russes 1909 oder die spektakuläre Entdeckung des Grabes von Tutanchamun im Tal der Könige 1922, genährt und fand ein breites Echo in der Populärkultur.12 Adam Geczy verwendet den Begriff des ›Transorientalismus‹ (transorientalism) für den damals verbreiteten frei-assoziativen, selbstbezüglichen und eklektisch absorbierenden Umgang mit orientalischen – oder genereller: exotischen – Stileinflüssen. Die diesen zugeschriebene Opulenz habe willkommene Alternativen bzw. Ergänzungen zur tendenziell schlichteren Damenmode modern-westlicher Prägung geboten.13 Michelle Tolini Finamore spricht von coloniale moderne mit Bezug auf die »Einschmelzung des exotisch Anderen« in europäisches Design – besonders in die Kleidermode – und erkennt darin den durch Empathie für das Fremde nur oberflächlich kaschierten Fortbestand westlicher Hegemonie-Ansprüche.14 Die Autorin legt dar, dass die machtbzw. wirtschaftspolitisch motivierte und kulturell legitimierte coloniale moderne ihre Kulminationspunkte 1925 auf der »Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes« und 1931 auf der »Exposition coloniale internationale« in Paris erlebt habe. In diesem Zusammenhang sei hier ergänzend auf eine heute weniger bekannte »Reptile Skin Exhibition« verwiesen, die im Februar 1934 vom Imperial Institute in South Kensington veranstaltet wurde und über die es seinerzeit in der Londoner Times hieß: »The display is intended to make the public reptile conscious so that they may demand more and more reptiles from within the Empire.«15 Hier standen offenbar handfeste wirtschaftliche Interessen im Vordergrund – schließlich galten die britischen Kolonien als Hauptlieferant von Reptilleder für ganz Europa. Daneben ging es in der Mode immer auch um den ästhetischen und symbolischen Mehrwert von exotischen Häuten. Der durch die Seltenheit und Kostbarkeit des raren, aus fernen Ländern im-

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portierten Naturprodukts bedingte höhere Preis gegenüber ge­ wöhnlichem Leder machte Schuhe aus Reptilhäuten zu exklusiven Luxusgegenständen. Zugleich sorgten die Einzigartigkeit der Zeichnung und die außergewöhnliche Oberflächenanmutung für eine gewisse Extravaganz. Diese Wirkung wurde durch eine mit dem Material untrennbar verknüpfte äußerst zwiespältige Tier­symbolik noch unterstützt: Die psychologische Wahrnehmung von Kriechtieren scheint in den meisten Kulturkreisen seit jeher gleichermaßen von Furcht und Faszination bestimmt. Mit Kroko­dilen und vor allem mit Schlangen wurde und wird eine reiche, zu­tiefst ambivalente Symbolik verbunden,16 die sich auf die Träger von Kleidung und Accessoires aus Reptilleder zu übertragen scheint. Vor die­sem Hintergrund hat in jüngerer Zeit beispiels­weise Elyssa Da Cruz auf die komplexen, meist geschlechtlich determinierten Stereotypen verwiesen, die sich im Westen an die modische Verwendung von Wildtierhäuten knüpfen.17 Demnach tragen Kleidung oder Acces­soires aus exotisch gemustertem Leder dazu bei, die Trägerin zur femme fatale zu stilisieren, jenem in erster Linie der männlichen Phantasie entsprungenen Bild eines ebenso verführerischen wie verhängnisvollen Frauentypus. Besonders eng erscheint die gedankliche Verknüpfung von femme fatale und Schlange. Sie ist auf ikonographischer Ebene archetypisch vorgeprägt in Figuren wie etwa Medusa, jenem Ungeheuer mit Schlangenhaaren aus der griechischen Mythologie, dessen Anblick jeden Mann zu Stein erstarren ließ.18 In Gemälden und Romanen wurde das Bild der betörend schönen, intellektuell selb­ständigen und grausamen Frau seit dem ausgehenden 19. Jahr­hundert unter anderem auch durch Lilith verkörpert, der nach jüdischer Überlieferung ersten Frau Adams, die sich mit Hilfe der Schlange männlicher Vorherrschaft widersetzte und dem Bösen verschrieb.19 Beispiele wie diese verdeutlichen, dass eine vor allem sexuell determinierte, als ebenso anziehend wie ver­derblich emp­­fundene weibliche Macht häufig durch die Nähe zur hinterlis­tigen Schlange versinnbildlicht wurde. Im frühen 20. Jahrhundert­ erfuhr das Bild der diabolischen, mit Schlangen auf vertrau­tem Fuß stehenden femme fatale – nun vielfach auch als Vamp tituliert – im modernen Massenmedium Film eine besonders breitenwirksame Umsetzung, so etwa durch den amerikanischen Stummfilmstar Theda Bara. Deren freizügige Kostüme als Cleo­-

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patra sorgten 1917 für medienwirksames Aufsehen, indem sie un­ter Verwendung des bewährten Schlangenmotivs die gängige As­so­­ziation von Erotik und Exotik bzw. die im populären Bewusstsein verankerte sexuelle Komponente des Orientalismus bedienten.20 Auch abseits von Bühne und Leinwand galten Schauspielerinnen als modische Trendsetterinnen. Illustrierte Zeitschriften berichteten über glamouröse Kostüme, verloren dabei aber den Erfahrungshorizont ihrer Leserinnen nicht aus dem Blick. Reptillederschuhe schienen dazu geeignet, einen Hauch von femme fatale in den Alltag zu transportieren. Ein 1928 in der Berliner Revue des Monats veröffentlichter Artikel zeigt Frühjahrsschuhmodelle der ortsansässigen Firma Reiss nach dem Vorbild damals populärer Leinwand-Stars: In den Bildunterschriften wurden den Leserinnen »Sportschuhe aus Eidechsenleder nach Lilian Weiß« und »Schlangenlederschuhe wie sie Raquel Torres bevorzugt« empfohlen.21 [Abb. iii] Auf einer wenig später entstandenen Foto­grafie trägt die genannte amerikanische Filmschauspielerin Raquel Torres offensichtlich Reptillederpumps mit auffälliger Zeichnung. [Abb. iv] Hier erscheint das Image der femme fatale zu jenem einer modernen, ebenso selbstbewussten wie verführerischen Neuen Frau transponiert.

[iii] Sigmund Reiss: »Der Traum im Schuhladen«, mit Abbildungen von Frühjahrsmodellen der Firma Reiss, Berlin; Fotografien: Etty Hirschfeld; Revue des Monats, Berlin, April 1929 (Deutsche Nationalbibliothek Leipzig) [iv] Raquel Torres; Fotografie, um 1928/30 (Metro-Goldwyn-Mayer Pictures)

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Vorbilder wie diese verfehlten ihre Wirkung nicht – im Januar 1934 vermerkte die Kölnische Zeitung: »Die moderne Frau Eva war es, die die Schlange neuerdings zu einem Nutztier in gewis­sem Sinne gemacht hat. Immer neue Modeartikel aus Schlangenleder sind während der letzten Jahre auf dem Markt erschienen, und von der [großen] Bedeutung dieser Industrie macht man sich leicht einen falschen Begriff.«22 Zahlreiche Presseberichte, Wer­be­anzeigen sowie erhaltene Objekte belegen die Aktualität von modischen Damenschuhen aus Reptilleder in den 1930er Jahren, wobei die Spanne von aparten Abend- und Gesellschaftsschuhen bis zu eher sportlichen Modellen reicht. [Abb. iv] Aufgrund des wachsenden Angebots an Rohhäuten wurden nun viele Modelle komplett aus Reptilledern gefertigt, sodass The Footwear Organ­iser im Juli 1933 konstatierte: »Originally considered as an article of occasional fashion, reptile skins have now taken a definite place among shoe leathers [...]«.23 Auch nach Kriegsbeginn dauerte die Reptilleder-Schuhmode an. Gleichzeitig intensivierte die lederverarbeitende Industrie

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[v] »Leathers of Distinction – baby python – calf«; Werbeanzeige von W. Pearce & Co. (Northampton) Ltd.; The Footwear Organiser, April 1932, S. 313 (Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek)

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Deutschlands unter der Autarkiepolitik im Nationalsozialismus die Suche nach Alternativen für exotische Krokodil-, Schlangenund Eidechsenhäute.24 Bereits seit etwa 1937 berichtete die deut­sche Presse zunehmend über Versuche zur Gerbung verschiedener Fischhäute, die als Nebenprodukt der Nahrungsmit­telin­ dustrie in großer Zahl anfielen. Anfangs waren hochgesteckte Erwartungen mit dem Material verknüpft, und besonders nach Kriegsbeginn wuchs das Interesse am Thema noch einmal beträchtlich. Im November 1940 informierte Hans Klawiter im Zu­sammenhang mit dem verlängerten Vierjahresplan der National­ sozialisten ausführlich über »Fischleder und seine volkswirt­ schaftliche Bedeutung«. Der Autor prognostizierte dem Aus­tausch­­werkstoff, der »größte Haltbarkeit [mit] geschmackvolle[m] Aussehen« verbinde, eine glänzende Zukunft, wobei er zu­gleich konzedierte: »Immerhin muss Fischleder einstweilen we­niger als Gebrauchs- denn als Luxusleder, besser ausgedrückt, als Leder modischen Charakters betrachtet und bewertet werden.«25 Folgerichtig übernahm das Städtische Modeamt in Frankfurt am Main den Entwurf erster Kollektionen von Kleidungsstücken und Damenschuhen aus Seelachshäuten. Anne Sudrow zufolge wurden in größeren Serien jedoch wohl nur weibliche Arbeits- und Freizeitschuhe mit niedrigem Absatz und Holzsohle produziert.26 Davon abgesehen, sei die Tatsache, dass Fischleder »bis Kriegsende grundsätzlich nur in Produkten für Frauen ein­gesetzt [wurde,] vorwiegend auf das [damals gültige] modische Image des Werkstoffs als Reptil- und Luxusleder-Ersatz zurückzuführen«.27 Einer nachhaltigen Verwendung von Fischleder in der Mode standen allerdings nicht nur eine Reihe negativer Verarbeitungs- und Trageeigenschaften entgegen; auch geschmackliche Vorbehalte dürften hier eine Rolle gespielt haben: Zwar war dem Material ein gewisser ästhetischer Reiz nicht abzusprechen, doch fehlte ihm jener luxuriöse, exotische und erotische Symbol­ge­halt, der Reptillederhäute besonders begehrenswert erscheinen ließ. Eben dieses Image sorgte für eine Renaissance der ReptillederSchuhmode in der Nachkriegszeit. Seit den ausgehenden vierziger Jahren wurden entsprechende Modelle beworben, wobei neben Exklusivität und Unverwechselbarkeit auch Dauerhaftigkeit und vielseitige Verwendbarkeit zur Rechtfertigung des gegenüber Mo­dellen aus Glattleder höheren Preises angeführt wurden. Die in

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zeitgenössischen Werbeanzeigen in der britischen Vogue abgebil­deten Modelle erscheinen durchweg als gemäßigte Interpretatio­nen der jeweiligen Schuhmode.28 »La forme classique est de rigueur. Un sac pareil doit l’accompagner«, hieß es auch in einem redaktionellen Beitrag der französischen Vogue vom November 1951; dazu abgebildet wurde ein eleganter Krokopumps von Palinkas Birot, einer Firma, die Anfang der 1950er Jahre regelmäßig Werbeanzeigen für Krokopumps und -taschen schaltete.29 Der Reptillederschuh galt, zumal in der schon in den 1930er Jahren beliebten Kombination mit einer passenden Tasche, als wertbeständiges Statussymbol.30 Im November 1952 erschien in der amerikanischen Vogue eine reich bebilderte dop­pelseitige Werbeanzeige von Fleming-Joffe, nach eigenem Bekun­den »the world’s largest tanners of exotic leathers – Alligators – Liz­ards – Snakes«. [Abb. vi] Dort wurde die Verwendung von Eidech­sen­le­der für modische Sandaletten und Pumps sowie passende Handtaschen empfohlen. Im typischen telegrammartigen Stil der PR-Sprache wurde die Besonderheit der Luxusleder hervorgehoben: »Bare, strangely beautiful, Calcutta Lizard [...] The bejewelled leather. Perfect, refined markings. Skin-soft, supple, now steeped in a treasure of pure glowing colors.«31

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[vi] »Calcutta Lizard – Skin of Fascination«; Werbeanzeige von Fleming-Joffe Ltd., New York (Vogue US, 1. November 1952, S. 24/25)

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Mit diesen Beispielen aus den frühen fünfziger Jahren sind einmal mehr die wichtigsten Aspekte der seit der Zwischenkriegszeit aktuellen Mode der Reptillederschuhe umrissen; Fortschritte in der Lederausrüstung und -zurichtung zählten ebenso dazu wie internationale Handelsbeziehungen. Auch die Vorliebe für seltene, luxuriöse Materialien und der Reiz des Fremden spielten eine Rolle – und nicht zuletzt die mit den Tierhäuten aufs engste verknüpfte Symbolik, die eine faszinierende Gefährlichkeit implizierte. Gleich einer begehrten Trophäe verlieh der modische Schuh aus Reptilleder seiner Trägerin etwas von der Exotik, Eleganz, Erotik und Faszinationskraft des Raubtiers. 1 Im Rahmen der Recherchen zu diesem Aufsatz wurden die Bestände der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (Schlagwortsuche) sowie u.a. mehrere Jahrgänge von The Footwear Organiser & Shoe and Leather Trades Export Journal sowie der Vogue (UK, F, US) gesichtet. – Interessante Bestände an erhaltenen Objekten finden sich z.B. in der Sammlung des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg. 2 An Fachpublikationen aus dem Bereich der Lederforschung wurden u.a. zu Rate gezogen: Fuchs 1975; Herfeld 1990; Quilleriet 2004; Fuchs/Fuchs/Derichs 2008. (Ohne nennenswerte inhaltliche Ergebnisse blieben Anfragen zum Thema Reptillederschuhe bei folgenden Stellen: Internationaler Reptil­lederverband e.V., Offenbach; Verband der Deutschen Lederindustrie e.V., Frankfurt am Main; Forschungsinstitut Leder und Kunststoffbahnen FILK, Freiberg.) 3 Vgl. Quilleriet 2004, S. 140, 372; www.materialarchiv.ch und www.lederinfo.de [Stichwort: Rochenleder; Abrufdatum: 10.8.2015] 4

[o.A.]: »Verwendung von Schlangenhaut«, in: Deutsch-Ostafrikanische Zeitung, Nr. 14, 20. Februar 1909, Daressalam. – Reptilleder wurden quasi seit Beginn ihrer modischen Verwendung durch Prägen und Pressen, seltener durch Bedrucken von billigeren Glattledersorten imitiert (z.B. nennt Fuchs 1975 zum Thema Nachahmungen von Reptilledern entsprechende Titel aus den Jahren 1871 und 1913).

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Pfeffer, Dr. Georg: »Die Alligator-Farm in Florida«, in: Berliner Tageblatt, Nr. 174, 12. April 1930. – In Walford 2007, S. 111, findet sich die Abbildung eines um 1890 datierten Schuhpaars im neobarocken Stil wohl amerikanischer Provenienz, bestehend aus Krokodillederimitat. In diesem Zusammenhang geht der Autor kurz auf frühe Verwendungen echter Krokodilhäute ein, deren ge31

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ringe Haltbarkeit allerdings Probleme bereitet habe, die erst durch technisch verbesserte Gerbverfahren gemindert worden seien.

6 Vgl. dazu grundlegend Faber 1985. 7 Lowrie, W.L.: »German Reptile Leather Production and Trade«, in: Commerce Reports, Nr. 4, 25. Januar 1932, Washington. 8

Vgl. z.B. Saint-Prix, Pierre de: »La vogue de la peau de serpent n’est pas basée sur un caprice, mais sur des raisons pratiques«, in: La Dépêche Coloniale, Nr. 9893, 16. Dezember 1930, Paris; dort heißt es u.a.: »Sept ans à peine se sont écoulés depuis le début de l’ère reptilienne.« – Zahlreiche redaktionelle Beiträge und Werbeanzeigen zur Verwendung von Reptil- und Fisch­ledern für modische Damenschuhe finden sich z.B. im von 1930 bis 1939 in Großbritannien verlegten Fachorgan The Footwear Organiser & Shoe and Leather Trades Export Journal.

9 Vgl. Sedler 1999, S. 100, Nr. 65. 10 Vgl. Durian-Ress 1991, S. 158–160; Sedler 1999, S. 57f; Walford 2007, S. 148f; Sudrow 2010, S. 161. 11 Vgl. O’Keeffe 1997, S. 46–49; Pattison/Cawthorne 1998, S. 16; Lussier 2003, S. 69; Quilleriet 2004, S. 139. 12 Vgl. u.a. Lussier 2003, S. 6, 22, 26; Martin 1994, S. 9, 11–13. – Neben bildender (z.B. Kubismus, Fauvismus) und darstellender Kunst reagierte auch die (populäre) Literatur auf das neuerwachte Interesse an fernen Ländern; z.B. veröffentlichte Rudyard Kipling 1894/95 »The Jungle Book«, und ab 1912 erschienen die 23 »Tarzan«-Bände von Edgar Rice Burroughs. 13 Vgl. Geczy 2013, S. 4, 6, 12, 146. 14 Vgl. Tolini Finamore 2003. Zu Beginn ihres Aufsatzes umschreibt die Autorin den Begriff ›coloniale moderne‹ mit Bezug auf Robert Rydell folgendermaßen: »The coloniale moderne subsumed the exotic ›Other‹ into a popular decorative style that was a source of inspiration for French and American fashion, accessories, and textiles that were activeley promoted in both French and American fashion magazines.« (Ebd., S. 345). 15 [o.A.]: »The Uses of Snake Skin – Imperial Institute Exhibition«, in: The Times, Nr. 46674, 9. Februar 1934. – Ähnliche Berichte über die Ausstellung finden sich in The Manchester Guardian, Nr. 27273, 7. Februar 1934, und Nr. 27275, 9. Februar 1934. – Schon im Juli 1933 wurde die Schlüsselstellung Großbritanniens auf dem Reptilledermarkt aus ökonomischer Sicht hervorgehoben und festgehalten: »We are also in the very enviable position of having most reptile skins coming from the Empire.« (Gildesgame, P.: »England, the World Market«, in: The Footwear Organiser, Juli 1933 [Supple­32

ment], S. 46.)

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16 Vgl. dazu Zerling 2012, S. 179–181 (Stichwort: Krokodil), 262–271 (Stich-

wort: Schlange).

17 Vgl. Da Cruz 2004. 18 Während im berühmten Tondo von Caravaggio aus dem späten 16. Jahrhundert der Schrecken dominiert, inszenierte die britische Gesellschaftsfotografin Madame Yevonde 1935 im Bildnis von Mrs. Edward Meyer als Medusa vor allem das gefährlich-verführerische Prinzip (vgl. ebd., S. 146–148, mit Abbildungen; Da Cruz 2004, S. 122–124, mit Abb. 89). 19 1887 z.B. präsentierte der akademisch geschulte englische Maler John Collier Lilith als makellosen Akt, in inniger Vertrautheit mit der Schlange, deren Gestalt sie annehmen wollte, um in den Garten Eden zurückzukehren und dort Unheil zu stiften; das Sujet bot dem Künstler willkommene Gelegenheit, die Zartheit weicher Frauenhaut in erregendem Kontrast zu den Schuppen der gewundenen Schlange besonders vorteilhaft zur Geltung zu bringen (vgl. Evans 2003, S. 149f; Smith 2001, S. 215, mit Abb. 138). 20 Vgl. Geczy 2013, S. 151, mit Abbildung. 21 Dank an Andrea Joosten für diesen Hinweis. 22 [o.A.]: »Die Schlange begehrter Artikel«, in: Kölnische Zeitung, Nr. 11, 7. Januar 1934. – Eine ganze Reihe von Beiträgen entsprechenden Inhalts aus den 1930er Jahren in The Footwear Organiser bestätigt diese Einschätzung. 23 Wigzell, Harry K.: »Influence of Reptiles on Fashion Shoes«, in: The Footwear Organiser, Juli 1933. – Andrew Bolton zufolge ließe sich die modische Vorliebe für Reptillederschuhe in den dreißiger Jahren nicht nur als Ausdruck weiblichen Selbstbewusstseins werten, sondern in einem größeren gesellschaftspolitischen Zusammenhang verorten; er vermutet: »It is perhaps not coincidental [...] that animal skins, prints, and symbolism appear in fashion at times of sociopolitical turmoil. They dominated the fashion landscape in the 1930s, the 1960s, and the 1980s, as they do today, all periods displaying an acute awareness of race, class, and gender relations as well as heightened sensitivity toward imperialist expansion.« (Bolton 2004, S. 11) – Inwieweit dies im vorliegenden Zusammenhang zutrifft, ist hier nicht abschließend zu klären. 24 Vgl. Sudrow 2010, S. 270–274. – Ähnlich verhielt es sich im faschistischen Italien; vgl. Ricci 2000. 25 Klawiter, Hans: »Fischleder und seine volkswirtschaftliche Bedeutung«, in: Der Vierjahresplan, 20. November 1940, Berlin. 26 Sudrow 2010, S. 271f. – Im Herbst 1941 empfahl die Zeitschrift Mode und Heim ihren Leserinnen »Straßenschuhe aus Fischleder mit Holzsohle« als Neuheit. (Dank an Kerstin Kraft für diesen Hinweis.)

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27 Sudrow 2010, S. 271. – »Die Fischlederfabrikation beginnt mehr und mehr praktische Bedeutung zu gewinnen. In zahlreichen Schuhgeschäften sieht man bereits prachtvolle Damenschuhe aus Fischleder, die einen Vergleich mit den teuersten Luxusschuhen aus Schlangenhaut aushalten«, hieß es entsprechend in der Deutschen Fischerei-Rundschau vom 22.02.1939. 28 Stellvertretend für viele andere damals erschienene Werbeanzeigen seien hier die folgenden aus der britischen Vogue genannt: eine Annonce für modische Damenschuhe aus »genuine lizard skin, infinitely smart« (Vogue UK, Bd. 105, Nr. 6, Juni 1949, S. 97); die Firma Delman rühmte »pedigreed crocodiles« und präzisierte: »These are the gems of fashionable women« (ebd., Bd. 105, Nr. 9, September 1949, S. 3); die Manfield-Schuhberaterin empfahl: »A Shoe that’s too good to be true« aus ebenso einzigartigem wie vielseitig verwendbarem Karungschlangenleder (ebd., Bd. 106, Nr. 4, April 1950, S. 160). 29 [o.A.]: »Il convient de porter«, in: Vogue (F), November 1951, S. 22f. 30 Zur Beliebtheit der Kombination von Schuhen und Taschen aus Reptilledern seit den 1930er Jahren vgl. u.a. Saword, G.S.: »Reptiles are Here for Good«, in: The Footwear Organiser, Juli 1931, S. 35; Curtis, E.M.: »Will Reptile Skins Remain in Fashion?«, in: The Footwear Organiser, März 1932, S. 84. 31 Vogue (US), 1. November 1952, S. 24f.

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Roger Vivier und der Modelldienst der S.A. Laboremus, Paris Rosita Nenno Es gibt im Leben einer Kuratorin keinen glücklicheren Moment, als im Depot einen Schatz zu entdecken, der ihrer Sammlung ein Alleinstellungsmerkmal anfügt. Diese Situation durfte ich 1996/ 97 erleben, ohne damals schon das ganze Ausmaß zu ahnen. Das DLM oder Deutsche Ledermuseum mit dem angeschlossenen Deutschen Schuhmuseum in Offenbach am Main – so der in den Statuten verankerte offizielle Titel – begann die computer­ge­stützte Inventarisierung aus internen Gründen mit den Schuhsammlungen der 1920er Jahre. Wir arbeiteten eng zusammen mit der Leiterin des Bally Schuhmuseums in Schönenwerd, Karin Baumann, in der Hoffnung, zwei große deutschsprachig geführte Sammlungen in ihrer Dokumentation standardisieren zu können. Der Plan zerschlug sich zwar; eine gemeinsame Basis dürften wir dennoch haben. Dr. Sabina Wagner, die für diese Datenbank an unser Haus gekommen war, registrierte bald ein ganzes Konvolut an schönsten Schuhen, die den Namen d’Almeida und Vivier zugeordnet wurden. Bei d’Almeida musste ich auf Nachfrage passen, aber von Roger Vivier, dem großen Schuhdesigner Frankreichs im 20. Jahrhundert, hatten wir nicht nur zwei exklusive Modelle von seiner Zusammenarbeit mit Christian Dior aus den 1950er Jahren in den Sammlungen; wir hatten auch kurz zuvor eine Auswahl sei­ner späten Prototypen (die er 1987 eigens für die Retrospektive im Pariser Musée des Arts Décoratifs gefertigt hatte) in der vom Rheinischen Landesmuseum Bonn übernommenen Schau »Die verlassenen Schuhe« gezeigt.1 Das war der bekannte Roger Vivier. Doch jetzt wurde ich kon­ frontiert mit dem unbekannten Vivier, dessen Werke dann 2014 in unserer Ausstellung »Roger Vivier: SchuhWERKE«präsentiert wurden.2 Es sollte die medienwirksamste Ausstellung werden,

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die das DLM jemals auf die Beine gestellt hat, für das Marketing natürlich mit Christian Dior als Zugpferd.3 Zu entdecken galt es einen jungen Schuhdesigner – oder Modelleur, wie man damals sagte –, der mit seinen Entwürfen in den 1930er Jahren den nordamerikanischen Schuhmodemarkt kräftig aufmischte – und, nebenbei, zu Anfang auch den europäischen, denn seine ersten Modelle wurden u.a. an Salamander, Hassia, Mercedes und Bally verkauft. Dies geschah im Auftrag eines Mo­dellstudios mit Namen Laboremus, angesiedelt in Paris an der Place Vendôme, mit Blick auf das Hotel Ritz – zwar nicht mit Vi­trine zum Platz, sondern, als Arbeits- und Entwurfsstudio, unter dem Dach; aber immerhin: an erster Adresse. Die S.A. Laboremus war eine Tochter der Heyl’schen Lederwerke Worms-Liebenau, eines der führenden Unternehmen weltweit für feinste Chevreauleder. Benannt nach dem Leitspruch der Besitzer, der geadelten Familie von Heyl zu Herrnsheim, hatte Laboremus in den 1920er Jahren schon eine Vorläuferin unter dem Namen Païva – mit dem Modelleur Gaston d’Almeida. Der Mo-­ dell­dienst dieser Firmen war ein genialer Schachzug des Barons von Heyl: Statt seine Vertreter nur mit Materialfächern oder einzelnen Fellen zu den Kunden zu senden, ließ er Schuh-Prototypen fertigen, die er den Industriellen zum Kauf anbot, damit diese aus feinstem Heyl’schem Leder exklusive Schuhe in Serie fertigen konnten. Schon 1930 wurde auf die Wichtigkeit des Modelldiens­tes hingewiesen: »Dass uns Paris was kosten wird, war uns ja von vorneherein klar, und da Laboremus ja nicht für Frankreich, sondern für Amerika, als Reklame und Informationsstelle gedacht war […]«, schrieb der Prokurist Möllinger in seinem Bericht über Frankreich.4 Der Stand der Heyl’schen Lederwerke auf der Pariser Messe 1928 war, wie in den komplett in den Wormser Stadtarchiven la­­gernden Dokumenten5 zu lesen ist, mit seiner Kombination aus Leder, Schuhen und Taschen der meistbeachtete Stand der gan­zen Messe. Gaston d’Almeida war der Star von Païva und wurde entsprechend hofiert.6 [Abb. 1] Es war übrigens d’Almeida, den Ludwig Freiherr von Heyl junior hervorhob in seinem Begleitschreiben zur Schenkung der etwa 100 Prototypen, als die Gerberei im Jahr 1974 abgewickelt wurde.7 Vivier erschien quasi im Nebensatz; und der damalige Lei­-

Roger Vivier und der Modelldienst der S.A. Laboremus, Paris

ter des Ledermuseums, offensichtlich nicht international mode­affin, stellte zwar zwei oder drei Modelle aus – aber ohne Nennung des Designers. Als d’Almeida 1932 starb, wurde Païva abgewickelt, denn die Nachfolgerin Laboremus war da schon etabliert. Zeitgleich fin­det sich in den Wormser Archiven ein erster Hinweis auf ROGER – und zwar mit einem Eklat, mit Forderungen nach höherer Entlohnung: Er »wolle sich selbständig machen, habe Angebote in dreifacher Höhe aus den USA«. Baron Ludwig von Heyl sandte postwendend ein Telegramm an Möllinger, der für Laboremus in Paris zuständig war: »SAGET ROGER DASS AUF SEINE LOYALITAET VERTRAUE [...]«. Als Ergebnis wurde Viviers Salär erhöht; er blieb. Es entwickelte sich ein regelmäßiger Schriftverkehr zwischen ihm und dem Baron; Postkarten von Reisen nach Wien (wo er sich Inspiration bei den traditionellen Schuhmachern holte) oder Nizza, Briefe zu Weihnachten – und in jeder Korrespondenz beriefen sich beide auf die gute Zusammenarbeit und die immer erfolgreichere Arbeit des Modelldienstes.8 Die handgeschriebenen Briefe und die Berichte des Prokurators belegen Viviers Wirken für Laboremus spätestens im Frühjahr 1932. Seine Signatur, noch etwas ungelenk-jungenhaft zu Anfang, wurde mit der Zeit fester und zeugt von seinem gewachsenen

[1] Stand der Heyl’schen Lederwerke Liebenau auf der Pariser Ledermesse, 1928; Zweiter von rechts: Gaston d’Almeida (Stadtarchiv Worms, Abt.185/Nr. 2109)

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Selbstbewusstsein, das auch in Portraits der Zeit zum Ausdruck kommt. [Abb. 1i] Viviers Modelle jedenfalls hatten einen durchschlagenden Erfolg. Ein Kunde (Seymour Troy) fand sie 1932 gar »zum Küssen schön«; und: »Diese neuen Modellschuhe haben bei den Herren der Pellis wie auch bei der Kundschaft sehr viel Anklang und Lob geerntet.«9 Die Vertreter der Heyl’schen Lederwerke berichteten täglich aus aller Welt nach Worms, und zwar außer Verkaufszahlen auch Einschätzungen zur Stimmung im Land, zur Politik etc., beson­ders aufschlussreich in den Jahren nach Hitlers Machtergreifung, die im Leder- und Schuhmarkt Amerikas zu Irritation, Zurückhaltung und Boykottbewegungen führte – nicht nur in den Betrieben in jüdischer Hand, sondern auch solidarisch und kritisch in der Branche allgemein. Herman Delman, einer der bedeutendsten Schuhhersteller auf dem Markt und Kunde von Laboremus, reiste im Sommer 1933 nach Nizza, um Vivier einen Exklusivvertrag vorzuschlagen und ihn zur Umsiedlung nach New York zu bewegen. Vivier lehnte ab. Stattdessen korrespondierte er fröhlich mit dem Baron: »[...] j’envisage l’avenir du Studio avec un succès grandissant, aucun

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[1i] Roger Vivier an der Pariser Place Vendôme, 1933 (Archives Roger Vivier)

Roger Vivier und der Modelldienst der S.A. Laboremus, Paris

doute à ce sujet n’est possible […] notre réputation deviendra mondiale et durable.«10 [Abb. iii] Bekannt sind aus diesen Jahren bislang nur die wenigen Modelle aus der Sammlung Benedetti-Poncini, einer ehemaligen Mitarbeiterin, die 1939 – bei Schließung von Viviers eigenem Atelier – außer einigen Modellschäften auch ein Skizzenbuch mitnahm. Darin sind unter jedem Modell vermerkt: Materialien, Käufer des Prototyps und Preis.11 Viviers stilistische Handschrift lässt sich von Beginn an erkennen. Ein Element, das ihn zeit seines Lebens begleiten würde, war die Asymmetrie. Elizabeth Semmelhack hat das in der Ausstellung des Bata Shoe Museums 2012 sehr ausführlich dargelegt anhand seiner Arbeiten für Christian Dior und Rayne.12 Einfache Schleifen, wie Haarsträhnen in eine Richtung gebürstete Lederlaschen und seitlich gesetzte Akzente definierten Viviers Entwürfe jedoch auch in den 30er Jahren. 1933 und 1934, passend zu Art Déco und Charleston-Zeit, glänzte Heyl mit Gold und Silber: Bedruckte Leder waren en vogue, Beschichtungen die Spezia­lität der Wormser Lederwerke. Vivier entwarf Modelle aus diesen feinen in Worms gegerbten Chevreauledern, deren Nuancen auf die Pariser Stofffarben und die Farbkarten aus den USA sensi­-

[iii] Brief von Roger Vivier an Baron von Heyl vom 24.10.1933 (Stadtarchiv Worms, Abt. 180/1 Nr. 466)

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bel abgestimmt waren oder sich mit Goldauflagen und Strukturprägungen für elegante Abendsandaletten vor schlichten Roben glänzend abhoben. Er verflocht fein abgesteppte Riemchen zu losen Geweben, setzte mit Strass besetzte Schnallen mal seitlich, mal mittig. Die Modelle kursierten auf den internationalen Messen und verraten manchmal einen ganzen Lebenslauf durch Auf­kleber und Zollstempel: von Paris nach Worms, von Worms nach Stockholm und zurück – zentral immer das drachengeschmück­te Label der Heyl’schen Lederwerke Worms-Liebenau.13 [Abb. 1v] Und dann, 1934, eine absolute Neuerung: Auf dem Klebe­etikett des Leistens lesen wir neben dem Firmennamen S.A. Laboremus: CRÉATION ROGER VIVIER.14 [Abb. v] Dürfen wir hier schon einen Anklang finden an das spätere Doppel-Label Christian Dior / Modèle créé par Roger Vivier in der Boutique der Haute Couture, ist das eigentlich Überraschende nicht die Nennung an sich – es ist die Tatsache, dass wir es auf Modellschäften sehen, die nicht für einen Laden, eine Luxusboutique bestimmt waren, sondern für das Arbeitsregal einer Schuhmanu­ faktur. Dies dürfte Ausdruck von Viviers gewachsenem Selbst­bewusstsein und seinem Selbstverständnis als kreativem Schöp­fer sein. Vivier war gefragt auf dem amerikanischen Markt, seine Modelle verkauften sich für viel Geld. Und es waren vermehrt die ame-

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[1v] Sohle mit Aufkleber und Stempeln; Roger Vivier, 1934 (DLM T 1687)

Roger Vivier und der Modelldienst der S.A. Laboremus, Paris

rikanischen Hersteller der gehobenen Klasse, welche die Modelle von Laboremus, mithin von Vivier, nachfragten. So berichtete Pro­kurist Wassmuth: »Vivier war mit der Fertigstellung der für Einstein (in New York) bestimmten Modelle sehr beschäftigt, sie konnten rechtzeitig zum Versand gebracht werden. Jedes Stück war wirklich ein Kunstwerk in Form und Farbenwirkung, durch eine nicht übertriebene, aber fein betonte Eigenwilligkeit dem amerikanischen Geschmack, soweit ich ihn beurteilen kann, ausgezeichnet angepasst.«15 »… ein Kunstwerk« – hier schrieb ein Prokurist, kein Modejour­na­list! »In den Schuhläden auf den Boulevards fällt sofort die gegen früher er­höhte Anzahl von Laboremus-Vivier-Modellen auf, die sich durch ihren reizvollen Stil und Ideenreichtum deutlich und vorteilhaft von anderen Schöpfungen dieser Art unterscheiden.«16 Konkurrent war unter anderen André Perugia, mit dem sich Vivier national und international zu messen hatte. »Herr Wagner erklärte auch, dass man […] V. in Fachkreisen sehr schätze, was sich leider auch darin bemerkbar mache, dass viele Besucher bei Laboremus erscheinen, die weniger Modelle kaufen als ansehen und ›nachempfinden‹ wollen.«17

[v] Etikett; Roger Vivier, 1934 (DLM T 1689)

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Heute sprechen wir von Produkt-Piraterie; das Phänomen ist offensichtlich nicht neu. Wassmuth äußerte deshalb auch Befürchtungen wegen der neuen Vertriebsart von Modellen in den USA durch ein Commonwealth, also eine Einkaufsgenossenschaft.18 Mit Delman bahnten sich jedoch direkte Geschäftsbeziehun­gen zur turnusmäßigen Abnahme an: »Bei unserem Besuch bei der Delman Shoe Inc. wurde der Modelldienst der Laboremus ebenfalls erwaehnt. Waehrend der die Schuh­fabrik leitende M. [Maurice? Anm.d.A.] Delman der Aufnahme eines regelmaessigen Modelldienstes nicht abgeneigt zu sein scheint, steht der Leiter der gesamten Delman Shoe Inc., H. [Herman? Anm.d.A.] Delman einem solchen Modelldienst nicht sehr sympathisch gegenueber. Er beziehe wohl hie und da einige Modelle, finde aber, dass ihn diese Modelle in seinen eigenen Gedanken fuer die Entwuerfe von neuen Modellen stoere. Es wurde aber abgesprochen, Delman eine Bemusterung in Schaeften zu machen mit einem Angebot fuer regelmaessige Abnahme von Schaeftenmodellen. Diesem Angebot sollen 3 Schaefte von trimmed pumps beigefuegt wer­den. Ausdruecklich wurde dabei festgelegt, dass Delman damit keine Verpflichtung zur Abnahme der Schaefte eingeht. Ich bitte Sie, diese 3 Schaefte besonders sorgfaeltig und huebsch aufzu­machen, da davon die etwaige Aufnahme eines Modelldienstes durch Delman abhaengt. Das Angebot bitte ich an die Anschrift Mr. Herman Delman, c/o Delman Shoe Inc., 558 Madison Ave., New York City zu rich­ten.«19

Die nordamerikanische Nachfrage stieg kontinuierlich; Vivier arbeitete fast im Akkord. Und dann passierte es. Delman bemängelte die Ähnlichkeit mancher Modelle, die sich kaum voneinander unterschieden: »Die Veränderung eines kleinen Details macht noch kein neues Modell.«20 Exklusivität verlangt eben nach immer neuer kreativer Schöpfung – das verlangte auch der Fabrikant Seymour Troy:

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»Herr Troy bemerkte, dass er die Modelle bei Bender viel billiger erwerben koenne und dabei den Vorteil habe, die Schuhe auszulesen, welche ihm zusagen. Von der Laboremus wuerde er ausserdem keines­-

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wegs mit ›exklusiven‹ Modellen bedient, da eine kleine Abaenderung in der Art der Verzierung oder des Besatzes durchaus kein neues Modell sei. Ich teile Ihnen dies mit, da La Gioconda [in Kanada, Anm.d.A.] die gleichen Maengel beanstandete.«21

Beispielhaft erläutern die Modelle aus dem blauen und türkisfarbenen Leder Sternhimmel, wie sich dieses Problem darstellte: Erscheinen sie auf den ersten Blick wie ein Paar, lassen sich im Detail Flechtriemchen unterschiedlicher Breite sowie leicht abge­wandelte Positionen der Schnallen erkennen. [Abb. vi] Baron von Heyl reagierte allerdings sofort mit einem Schreiben an Vivier zur Exklusivität der Laboremus-Modelle, die eine große Bedeutung für den amerikanischen Markt hatten: »Grundsaetzlich muss aber beim Modelldienst mit der amerikanischen Kundschaft darauf geachtet werden, dass nur exklusive Modelle geliefert werden, da sonst alle Muehe vergeblich aufgewandt wird. Dadurch wird natuerlich Ihre Leistungsfaehigkeit fuer den amerikanischen Markt beschraenkt sein, aber es ist besser, nur einige wirklich hervorragende und in Mode fuehrende Kunden zu bedienen und als Kunden beizubehalten als eine Menge Kunden zu haben, die nach eini-

[v1] Modelle von Roger Vivier (DLM T 1684 und T 1685)

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ger Zeit abfallen, weil der Wettbewerb ein aehnliches Modell erhalten hat wie dies z. Bsp. bei La Gioconda und Cummings der Fall war. Auch muessen die Modelle aller Moeglichkeit nach der Art und den Wuenschen des Kunden angepasst sein. Aufschluss hierueber wird Ihnen bei neuen Kunden jeweils von der Firma Einstein gegeben werden. Zu den oben erwaehnten Angeboten ist zu erwaehnen, dass Delman einer der hochpreisigsten und modisch fuehrenden Schuhhersteller ist. Die Schuhe werden von $ 14.50 aufwaerts verkauft.«22

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1936 tauchte ein weiteres Problem auf, das vor allem die Heyl’schen Leder mit Glanzauftrag in Silber und Gold betraf: Deutschland verhängte ein Ausfuhrverbot für Blattaluminium und Blattgold zur Lederbelegung als Gegenmaßnahme zu Einfuhrzöllen auf Ziegen- und Schafleder in die USA.23 Doch da hatte Vivier schon mit anderen Effekten reagiert, mit Ziersteppungen für sportliche und festliche Modelle, mit Zweifarbigkeit in mari­timem Blau-Weiß.24 Zumindest äußerte sich Vivier im Januar 1936 zur sportlichen Mode, die gerade aktuell war.25 1937 eröffnete Roger Vivier ein eigenes Studio in Paris; Laboremus bezog oder vertrieb aber zumindest bis 1939 Modelle von ihm. Bei Kriegsbeginn schloss Vivier sein Studio und wurde kurzzeitig Soldat, bevor er Delmans Einladung nach New York folgte, mit dem er schon 1938 einen Exklusivvertrag geschlossen hatte. Angesichts seiner Arbeit für nahezu alle nordamerikanischen Schuhindustriellen dürfen wir festhalten, dass Roger Vivier in den 1930er Jahren bestimmend war für den Schuhmodestil des Kontinents. Die 50 Prototypen von Roger Vivier im DLM Deutschen Leder­museum / Schuhmuseum Offenbach sind meines Wissens weltweit die einzigen dieser frühen Werkphase in öffentlichen Sammlungen. Im dreisprachigen Katalog26 zur Ausstellung »Roger Vivier: SchuhWERKE« sind über 30 Kreationen der 1930er Jahre abgebildet, zusammen mit einem Überblick auf Viviers Schaffen der Jahre 1950 – 1990 für Christian Dior, Yves Saint Laurent und das eigene Label. Nach dem Krieg versuchten die Heyl‘schen Lederwerke Worms-Liebenau den Modelldienst wiederzubeleben, doch Viviers Modelle waren für sie unbezahlbar geworden.

Roger Vivier und der Modelldienst der S.A. Laboremus, Paris

1 Honnef/Schlüter/Kückels 1993. 2 Nenno 2014. Die Ausstellung wurde 2015 unter dem Titel »Schatten van Schoenen« (Schuhschätze) im Nederlands Leder & Schoenen Museum, Waal­wijk, gezeigt. 3

Mit Leihgaben von: Musée Christian Dior, Granville; Fondation Pierre Bergé– Yves Saint Laurent und Nachfolgefirma ROGER VIVIER, Paris; Nederlands Leder & Schoenen Museum, Waalwijk; Deutsche Kinemathek – Marlene Dietrich Collection Berlin.

4 Stadtarchiv Worms, Abt. 185, Nr. 2445; 30. September 1930. 5 Stadtarchiv Worms. Relevant sind v.a. die Abteilungen 185 und 180/1. 6 Außer zwei Patenten für beschichtete Leder, die d‘Almeida in Paris angemeldet hatte, war bislang außerhalb des Stadtarchivs Worms keine Spur von ihm zu finden. 50 seiner Modelle, die in ihrer Schönheit denen von Vivier nicht nachstehen, harren im DLM noch der Bearbeitung. 7 Original oder Kopie des Schreibens im Inventarbuch T des DLM. 8 Stadtarchiv Worms, Abt. 185, Nr. 2451; 29. April 1932: Telegramm Möllinger an Baron von Heyl sowie Antwort am selben Tag. Die Archive in Worms offenbaren eine Gedächtnislücke bei Vivier selbst, der dem Kurator Pierre Provoyeur anlässlich der großen Retrospektive 1987 und des umfangreichen Buchs, das der Ausstellungsmacher im Anschluss herausgab, von seiner Arbeit für Laboremus in den Jahren 1934–1938 berichtete. (Provoyeur 1991, S. 16.) 9

Stadtarchiv Worms, Abt. 185, Nr. 2448; 23. November 1932: Spiess an Laboremus. Pellis war offenbar die (firmeneigene?) Institution, die für den Aufbau des Modelldienstes zuständig war. Hermann Spiess agierte dort als Beobachter und Mittelsmann; er kann als Schlüsselfigur für die Informationen zwischen Paris/Worms und den USA angesehen werden.

10 Stadtarchiv Worms, Abt. 180/1, Nr. 466; 24. Oktober 1933: Roger Vivier an »Cher Monsieur le Baron«. 11 Provoyeur 1991, S. 23–31; Nenno 2014, S. 33. Leider hat sich nichts über den Verbleib dieser Sammlung herausfinden lassen. 12 Semmelhack 2012. 13 Nenno 2014, S. 37f.: Modelle DLM T 1687 und T 1682. 14 Ebd., S. 36, 47: Modelle DLMT 1689 und T 1709. 15 Stadtarchiv Worms, Abt. 185, Nr. 2471; 14./15. Dezember 1934, Wassmuth. 16 Ebd. 17 Ebd. 18 Ebd.; Bericht, S. 5. Zu den Vermarktungswegen in den USA stehen weitergehende Studien noch aus.

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19 Stadtarchiv Worms, Abt. 185, Nr. 2448; 23. November 1932: Hermann Spiess, New York, an Laboremus. 20 Ebd. 21 Ebd.; 18. Okt. 1932: New York, Brief an Laboremus Nr. 3. 22 Ebd.; 23. November 1932: Heyl an Vivier, S. 3.  23 Stadtarchiv Worms, Abt. 185, Nr. 2470; 13. Juni 1936: Spiess an New York; Abschrift Schreiben Ruehl Schwabach. 24 Viviers Autorschaft an den Pullovern dieser Jahre ist nicht hundertprozentig geklärt; die Heyl’schen Lederwerke hatten auch andere, besonders Wiener und Budapester, Ateliers unter Vertrag. Doch Viviers Vorliebe für Kombinationen verschiedener Leder ist bekannt. (Provoyeur 1991, S. 23f.) 25 Stadtarchiv Worms, Abt. 185, Nr. 2384. 26 Deutsch, mit Textheft in Niederländisch und Englisch.

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Positionen und Konzepte Gertrud Lehnert Was ist Luxus? Der britische Wirtschaftswissenschaftler Christopher Berry schreibt in seinem Standardwerk über Luxus: »[…] luxury can be understood as one of the basic categorising components of a society’s grammar.«1 Und der französische Historiker Philippe Perrot erklärt: »Nothing is harder to capture nor changes so rapidly as luxury. Despite that, luxury is intrinsic to society, sought after in every society and through all ages.«2 Das sind kühn klingende, auf den ersten Blick bestechende Thesen. Dennoch: So einfach stehen die Dinge nicht. Stimmt es wirklich, dass Luxus Gesellschaften strukturiert? Und kann man eine Gesellschaft in Termini von Sprache mit einer Grammatik beschreiben? Stimmt es, dass alle Gesellschaften nach Luxus streben? Wie so viele Aussagen zum Thema Luxus werfen auch diese Thesen mehr Fragen auf, als sie beantworten. Sie sind zu pauschal und suggerieren, Luxus sei etwas Allgemeingültiges, Überzeitliches, quasi eine Essenz des Gesellschaftlichen. Gewiss enthal­ten sie einen wahren Kern, doch sie lassen zeitliche und räumliche, d.h. regionale/globale, Differenzierungen außer Acht. Man müsste folglich fragen: Wie sind Gesellschaften beschaffen, die nach Luxus streben? Wann und wo sind sie zu situieren? Welche Definition von Gesellschaft ist überhaupt gemeint? Hat die Kon­sumgesellschaft zum Beispiel die gleichen Merkmale wie historisch frühere Gesellschaften? Was bedeutet ›Luxus‹ in jeweils unterschiedlichen historischen und regionalen Kontexten? Hat die neoliberale Konsumkultur mittlerweile tatsächlich die ganze Welt in ihrem Griff? Kurz, was genau als Luxus gilt und welche Funktionen er erfüllt, ist kaum eindeutig festzulegen: Vorstellungen von Luxus wandeln sich in Raum und Zeit. Darüber herrscht denn letztlich auch Konsens unter den Luxusforschenden – und selbstverständlich auch bei Perrot und Berry. Mir geht es im Folgenden darum, einige Ansätze zur Definition von Luxus vorzustellen, die sich auf die moderne Konsumkultur beziehen. Die Mode (Kleidermode inklusive aller Accessoires etc.) ist mein Paradigma, und vieles von dem, was ich über Luxus

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allgemein sage, trifft auf Mode als System ebenso zu.3 Ich befasse mich also mit dem Luxus von (modischen) Dingen einschließlich des Umgangs mit ihnen. Ich befasse mich nicht mit Konzepten wie Zeit, Muße etc., die ja oft als besondere Form des Luxus ver­standen werden. Ich verzichte auch auf einen historischen Über­blick auf Luxuskonzepte von der luxuria als Wollust und Ausschweifung über die Idee des 18. Jahrhunderts, Luxus sei volks­wirtschaftlich nötig, da er Arbeit schaffe und Geld im eigenen Land zirkulieren lasse, bis hin zu den nationalökonomischen Über­leg­ungen des 19. Jahrhunderts.4 Luxuskonzepte Luxus ist nicht – wenigstens nicht nur oder nicht immer – von der materiellen oder handwerklichen Qualität von Dingen abhängig, sondern ganz entscheidend von der Art und Weise, wie die Dinge präsentiert werden, und das bedeutet vor allem auch, wie sie mit atmosphärischen und emotionalen Werten versehen werden bzw. wie sie infolgedessen als Produkte einer Marke erkennbar sind. Ein historisches Beispiel ist Coco Chanels damals unerhörter Coup, unechten, also Modeschmuck zu lancieren und sehr teuer zu verkaufen. Modeschmuck war materiell nicht annähernd so kostbar wie echter Schmuck; er galt vor allem deshalb als kostbar, weil er aus dem Haus Chanel stammte und mit einer damals revolutionären Idee verbunden war: dass man Modeschmuck tragen kann, ohne sich als arm oder geschmacklos – oder was immer – zu erweisen. Ja, dass man Modeschmuck tragen kann, gerade um sich zu distinguieren. Dass man auf der Höhe einer Zeit ist, die andere Regeln kennt als frühere Zeiten. Einer mo­dischen Zeit. Und schließlich, dass man Modeschmuck mit echtem Schmuck mischen kann.

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Begriff / Etymologie Etymologisch geht ›Luxus‹ zurück auf neulateinisch ›luxus‹, was ursprünglich soviel wie ›üppige Fruchtbarkeit‹ bedeutete.5 Der Duden online schreibt, Luxus sei »kostspieliger, verschwenderischer, den normalen Rahmen (der Lebenshaltung o.Ä.) übersteigender, nicht notwendiger, nur zum Vergnügen betriebener Aufwand; Pracht, verschwenderische Fülle.«6 Nun ver­zeich­ net der Duden den aktuellen Sprachgebrauch und erhebt nicht

Luxus

den Anspruch, wissenschaftliche Definitionen zu liefern. Auf die zitierten Synonyme, wie Verschwendung oder Überfluss, die ja auch umgangssprachlich meist als Luxus gelten, werde ich zurückkommen. »Luxus ist jeder Aufwand, der über das Notwendige hinausgeht.«7 Werner Sombarts vielzitierte Definition von 1913 ist voll­kommen einsichtig und gilt nach wie vor als Grundlage für alle weitere Beschäftigung mit dem Phänomen Luxus; indessen wirft sie mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Denn was ist ›das Notwen­ dige‹? Was notwendig ist, wird in jeder Kultur, von jedem Indivi­duum unterschiedlich festgesetzt, und es ändert sich in der Zeit. Wasser ist lebensnotwendig. Bei uns in Mitteleuropa gilt es nicht als Luxus, sondern als Selbstverständlichkeit, jederzeit Was­ser aus der Leitung zu haben. In manchen Regionen der Welt ist das bekanntlich anders; dort erscheint Wasser als Luxus. Ein banale­res Beispiel: Solange Waschmaschinen oder Badezimmer selten sind – wie in Deutschland noch in den 1950er und 1960er Jahren –, gehören sie zum Luxus. Sobald sie Standard geworden sind, erfüllen sie Grundbedürfnisse und gelten als Notwendig­keiten. Eine Bemerkung sei mir gestattet zu Sombarts bekannter, heute mehr als hanebüchenen Erklärung, Kapitalismus und Lu­xus seien entstanden aus der Sucht der »Weibchen« (z.B. Kurtisanen und Maitressen), die verwöhnt werden wollten, nach immer mehr und immer schöneren sinnlichen, kostbaren Produkten; die (armen) Männer hätten dem Genüge tun müssen. Und so entstand in Sombarts patriarchaler Sicht der Kapitalismus letztlich aus dem Sex und der Macht der Frauen über die Männer. Die Entstehung des Frühkapitalismus setzt Sombart zwischen 1200 und 1800 an; Kernzeit des Wandels von »idealen Konzepten« – die es durchaus gegeben habe – zu »niedrigen Instinkten der Animalität«, zu einer »Versinnlichung des Luxus«, ist für ihn der Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert: »Das siegreiche Weibchen strahlt uns in der Tat aus allen Schöpfungen der Kunst und des Kunstgewerbes dieser Zeit entgegen.«8 Dinge und die Zirkulation von Dingen Keine moderne Luxusdefinition kommt ohne Auseinander­set­zung mit der Bedeutung der Dinge aus. In der modernen Ding­theorie ist mittlerweile Konsens, dass Dinge eine eigene ›agency‹

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haben. Viele Anthropologinnen und Anthropologen betonen die Macht und Magie, die den Dingen in unterschiedlichen Kulturen  – je nach Auffassung – entweder grundsätzlich eigen sind oder durch ihren Gebrauch entstehen. Viele Kulturen sehen Dinge als beseelt an oder schreiben ihnen Eigenschaften zu, die auf Men­schen wirken. So schreibt Marcel Mauss in »Die Gabe«, dass jedes Geschenk einen Teil des Gebers bzw. der Geberin enthalte und deshalb unbedingt ein Gegengeschenk verlange, um ihn oder sie wieder vollständig zu machen.9 Dinge zirkulieren. Sie werden hergestellt, in Besitz genommen, verschenkt, verkauft, weggeworfen. Die Zirkulation, so der An­thropologe Arjun Appadurai, könne anthropologisch damit erklärt werden, dass Dingen ein Wert zugeschrieben wird.10 In der Folge wird ihnen auch eine ›agency‹ zugestanden, eine scheinbar eigenständige Handlungsmacht oder ›Handlungsträgerschaft‹11 (um den mittlerweile in den Kulturwissenschaften zentral gewordenen Begriff einzuführen; vgl. Bruno Latours Akteur-NetzwerkTheorie/ANT). Das lässt sich einfach damit erklären, dass ihnen Funktionen eingeschrieben sind: Ein Löffel dient zum Essen. Aber das Potenzial von Dingen ist viel größer. Sie tra­gen Möglich­keiten in sich – Möglichkeiten und Versprechungen. Auch Hartmut Böhme erläutert in seiner »anderen Theorie der Moderne«, Dinge seien niemals nur Produkte von Menschen, wie seit der Aufklärung behauptet wird; vielmehr gehe von allen Dingen eine formative Kraft aus, die Anmutungen, Einstellungen, Imaginationen, aber auch Gebrauchs- und Handlungsformen ent­halte.12 Dinge täten etwas mit den Menschen, nicht nur wir mit ihnen. In der Moderne würden vormoderne Formen und Institutionen der Magie, des Mythos, der Religion und der Festlichkeit aufgelöst, ohne dass zugleich die in ihnen gebundenen Energien und Bedürfnisse aufgehoben wären – »sie werden vielmehr freigesetzt und flottieren durch alle Systemebenen der modernen Gesellschaften.«13 Entzauberung im Namen der Rationalität führe zu einem umso wirkungsvolleren Schub von Energien der Wiederverzauberung. Genau hier kann man wieder mit der Mode und dem Luxus ein­setzen. Die magische Kraft, die Dingen früher zugeschrieben wur­de, hat sich in der Konsumkultur erhalten, indem sie sich in eine Konsumpraxis verkehrt hat und in die Versprechen der Werbung

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eingewandert ist. Wiederverzauberung in der Moderne könnte sich in der wachsenden Bedeutung der Konsumgüter nieder­schlagen, die mit deren schier endlosen Versprechungen auf das ganz Andere, das Ersehnte – was auch immer – zum Ersatz für die magischen Eigenschaften der Dinge geworden ist. So sind Luxus­güter besonders begehrt, weil sie die gewünschten Eigenschaf­ten in höherem Maße als andere Produkte zu enthalten scheinen. ›Biographie‹ der Dinge Dinge mögen zu einer gewissen Zeit (oder an einem bestimmten Ort) als luxuriös gelten, können dann aber Alltagsgegenstände werden – und umgekehrt. Denn, wie Appadurai sagt: Dinge besitzen eine soziale Existenz und eine Biographie: »[…] commodi­ties, like persons, have social lives.«14 Der Wert von Dingen werde durch wirtschaftlichen Austausch geschaffen – Werte ver­körperten sich in Waren, die ausgetauscht werden.15 Mit anderen Worten: Dinge würden nicht ausgetauscht, weil sie wertvoll sind, sondern der Austausch erzeuge ihren Wert. So würden solche Dinge als wertvoll erachtet, die unserem Besitz widerstreben, aus welchen Gründen auch immer.16 Dinge würden also zu Waren. – Wie? Waren können nach Appadurai all jene Dinge werden, die ein ›soziales Potenzial‹ haben: »[…] they are distinguishable from ›pro­ducts‹, ›objects‹, ›goods‹, ›artifacts‹ and other sorts of things«.17 Daraus folgt seine Definition: »[…] a commodity is any thing intended for exchange«;18 »[commodities are] things in a certain situation, a situation that can characterize many different kinds of things, at different points of their social lives«.19 Dinge – und das ist für meine Überlegungen eine zentrale Idee – besäßen eine ›commodity candidacy‹: Sie könnten Waren werden und diesen Status auch wieder verlieren. Damit fokussiert Appadurai nicht mehr auf die Produktion von Waren wie etwa Marx in seiner Kapitalismustheorie, sondern auf den Tausch und den Konsum von Dingen. Das alles kann man ohne weiteres für die Beschreibung von Luxus fruchtbar machen. Die ›commodity candidacy‹ möch­te ich auf Luxus übertragen, um von ›luxury candidacy‹ zu spre­chen. Das pointiert, was ich eingangs gesagt habe: Was als Luxus gilt, ändert sich in Zeit und Raum. 51

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Zuschreibungen Die Zuschreibung von Werten ist eine zentrale Strategie der Er­zeugung nicht nur von Waren allgemein, sondern auch von Luxus, wenngleich sicher nicht die einzige. Ich möchte den sehr allge­meinen Begriff ›Wert‹ ausdifferenzieren und ihn nicht nur auf materiellen Wert, den Wert des Designs oder den Wert, soziale Distinktion anzuzeigen, beziehen. Zugeschriebene Werte sind oft vager, als solche Konzepte vermuten lassen; sie können sich als Atmosphären, Emotionen oder Versprechen realisieren. Das ist, was Dingen durch Diskurse und in Praktiken zugeschrieben wird; dadurch gewinnen sie Wert und erzeugen ein Begehren, das sich unter Umständen mehr auf ihre vermeintlichen Eigenschaften und ihre Versprechen richtet als auf ihre materielle Beschaffenheit. Das ist die immaterielle Seite des Luxus ebenso wie der Mode und aller anderen Konsumartikel, sofern sie nicht nur nützlich sind. Appadurai äußert sich konkret zum Luxus. Anders als Sombart meint er, Luxus sei kein Gegensatz zu Notwendigkeit, sondern beziehe sich auf Waren, deren Gebrauch rhetorisch und sozial sei, auf Waren, die inkarnierte Zeichen seien. Sie bildeten keine Klasse von Dingen, sondern ein besonderes Register des Kon­sums, charakterisiert durch »1) restriction to elites; 2) complexity of acquisition; 3) semiotic virtuosity; 4) specialized knowledge; 5) high degree of linkage of their consumption to body, person, personality«.20 Aus anderer Perspektive argumentiert der Politik­wissenschaftler Christopher J. Berry, wenn auch mit ähnlichen Ergebnissen: Fast alles könne zum Luxusgut werden, was bedeu­tet: »luxury goods do not constitute a discrete, separate category superadded to some other category, such as ›necessi­ties‹«.21 Dass Dinge teuer oder selten sind, genüge nicht – es müsse ihnen auch das Image des exklusiven Produkts verliehen wer­den, um den Konsum anzuheizen und sie zu Luxusdingen zu ma­chen.22

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Bedürfnis vs. Begehren Berry geht, wie viele andere, von der traditionellen Dichotomie von Bedürfnissen (needs) bzw. Notwendigkeiten, um mit Sombart zu sprechen, und Begehren (desire) aus. Zu den (universellen, objektiven) Bedürfnissen gehörten Ernährung, Unterkunft, Kleidung und Muße;23 alle vier hätten einen Bezug zu körperlicher Befriedigung.24 Daraus leitet er vier – seiner Ansicht nach

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universelle – Kategorien von Luxusgütern ab: food/drink; shelter; clothing/jewellery; leisure. ›Luxus‹ definiert Berry in seinem Standardwerk zum Thema wie folgt: »[...] luxury goods represent the increasing development of specific desires within categories established by certain basic generic needs. They constitute qualitative refinements. As refinements they can al­ways be substituted for [sic: by] a less refined product«.25

Das Ersetzbare sei nicht das Redundante, auch wenn beide als nicht nötig erachtet würden. Originalität als Kennzeichen des Luxus? Demgegenüber vertritt Akiko Fukai die Meinung, in der Moderne tauge exzessiver Konsum allein nicht mehr als wichtigstes Distinktionsmerkmal, denn Luxus repräsentiere mittlerweile etwas Subtiles und Intellektuelles: »Luxury begins to represent something subtle and intellectual when excessive consumption no longer functions as the sole differentiating factor.« 26 Originalität sei nun der entscheidende Punkt, »the concept of the ›one’s very own‹ and unique creation«. Sie fokussiert also wieder stärker auf die Dinge selbst als auf deren Austausch, auf die Dinge mit ihrem scheinbar objektiven, intrinsischen, im Design hergestellten Wert. Erst dann folgen bei ihr die Zuschreibungen. Yuko Hasegawa deutet Luxus als Widerstand und meint damit die Kleider Rei Kawakubos, die den Trägerinnen Autonomie ver­liehen und sie daran erinnerten, dass sie im Hier und Jetzt lebten und durch ihr Tun Bedeutung erst produzierten, statt sie konsum­fertig vorgesetzt zu bekommen.27 Damit sind wir bei einem Konzept von Luxus, das andere als materielle Werte betont: die Besonderheit des Designs und vor allem die Freiheit der Konsumierenden. Das erlaubt mir einen – freilich weiten – Bogen zu schlagen, etwa zum gegenwärtigen Um­gang mit Nachhaltigkeit oder alternativen Modemodellen, wie veganer Mode. Diese werden deshalb als Luxus begriffen, weil sie andere ethische Vorstellungen (wie faire Produktion und fairen Handel, Menschen- und Tierschutz) zugrunde legen und bei­spiels­weise Zeit zum entscheidenden Faktor machen – die Zeit, die

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es braucht, ein nachhaltiges Produkt zu fertigen; die Zeit, während der dieses die Trägerin begleitet und zum Teil ihres Lebens wird; etc. Aber das ist ein aktuelles Konzept und für den heutigen Rah­men nicht relevant. Michael Jäckel und Franziska Schößler führen ein Konzept von Luxus als irrationalem Handeln ein: nicht – wie logisches Handeln definiert werden kann – größtmögliche Befriedigung zu geringsten Kosten, sondern: 1. Luxus sei ein Diskurs, der das sinnliche Erleben strukturiere und den Geschmack in soziale Kontexte einbette; 2. der Luxusdiskurs arbeite mit semantischen Oppositionen und sei selbst, auf einer Metaebene, hoch ambivalent strukturiert; 3. Lu­xus beschreibe eine Alltagspraxis, d.h. den physischen Umgang mit Objekten, der den jeweiligen historischen Regeln des Luxus­konsums folge. Diese seien an andere Diskurse (Gender, Nation etc.) gekoppelt. Luxus funktioniere als Geschmacks­bil­dung, eta­bliere elitäre Vorbilder, die dann imitiert, modifiziert etc. würden und als Geschmacksformen in fast das gesamte gesellschaftliche Spektrum einflössen (trickle down, trickle across).28

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Überfluss Inwiefern sind Luxusgüter überflüssig? Nicht aufgrund von Redundanz, schreibt Berry. Überflüssig seien sie nur im Sinn von leicht ersetzbar (easily substitutable). Denn Luxus sei keine Frage von Quantität, sondern von qualitativer Verfeinerung. Und das Verfeinerte gebe es in der Regel auch in einer weniger verfeinerten Version. Redundanz bedeutet also: ein Zuviel – der vierte Doughnut, meint Berry, mache kein Vergnügen mehr. Das Verfeinerte, so folgert er, bereite Vergnügen als eine andere, reizvolle Version des Bekannten und könne leicht und ohne Schaden durch das Bekannte ersetzt werden. Folglich bestehe keine konzeptuelle Überschneidung von Luxus und Überfluss (superfluity).29 Man kann geteilter Meinung darüber sein, ob Verlust kein Schaden sei, denn der Verlust ist sehr groß, wenn man etwa Luxusgüter zum Zweck der sozialen Distinktion benötigt. Ein Anzug von C&A leistet da nicht die gleichen Dienste wie einer von Armani. Eine andere Perspektive zeigt, dass eine Person, die ein Leben im Überfluss lebt, sich viel mehr und andere Dinge leisten kann als eine, die das nicht tut. Überfluss ist dann eine der Ursachen für Konsumpraktiken, nicht eine Eigenschaft der Güter.

Luxus

Verschwendung Etymologisch kommt der Begriff vom mittelhochdeutschen ›ver­­swenden‹: verschwinden machen.30 Ohne die Etymologie überstrapazieren zu wollen – das steckt noch im heutigen Gebrauch von ›verschwenden‹: ohne nützlichen Zweck weggeben, Mittel vernichten. Der Duden online hält Verschwendung für ein Synonym zu Überfluss. Wird Luxus als Verschwendung bezeichnet, ist damit ein moralisches Urteil verbunden – aber auch das Verhältnis von Fülle und Leere, von Anwesenheit und Abwesenheit – über Verlust, Vernichtung. Es wäre also zu differenzieren, wo und wann Ver­ schwendung möglicherweise Teil des Luxus ist oder nicht ist. Exklusivität Etymologisch kommt das Wort von lateinisch ›ex-cludere‹: aus­schließen.31 Wahrig fügt hinzu: »Ausschließlichkeit, Abgesondertsein«.32 Duden online umschreibt ›exklusiv‹ als »höchsten Ansprüchen genügend, [vornehm und] vorzüglich, anspruchs­voll«, »ausschließlich einem bestimmten Personenkreis oder bestimmten Zwecken vorbehalten«; er nennt eine Serie unter­schiedlichster Synonyme, wie: »aristokratisch, fein, vornehm«, »anspruchsvoll, ausgesucht, ausgewählt, [...] de luxe, [...] mondän«, aber auch: »alleinig, ausschließlich«, »extra«, »singulär«.33 Je seltener ein Ding ist, desto begehrter wird es, weil es Exklusivität verspricht – eine in den auf Individualismus versessenen modernen Gesellschaften wichtige Eigenschaft, da man sie mit Einzigartigkeit in Verbindung bringt. In der Modeforschung ist es spätestens seit Christian Garve und, ein Jahrhundert später, Georg Simmel ein Gemeinplatz, dass wir nachahmen, um einzigartig, also individuell zu sein.34 Daraus resultiert auch im Luxus das Para­ dox, dass etwas als ›exklusiv‹ bezeichnet wird, um den Konsum zu stimulieren – womit zwangsläufig die Exklusivität verloren geht. In Zeiten von Fast Fashion schließlich, in denen Kaufen und Weg­werfen fast zusammengehören, wird weiterhin der Begriff Luxus angewendet, nämlich in der neuen Version von ›Luxus für alle‹: Alle können sich erschwingliche – um nicht zu sagen: billige – modische Kleidung kaufen. Das ist ein ganz anderes Konzept von Luxus als jenes, das auf die Exklusivität von Produkten setzt, doch gerade im Fall von Coco Chanel (um sie wieder als ein Bei­

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spiel von vielen zu nennen) auch kein fernliegender Gedanke. Wenn jemand proklamiert, kopiert zu werden sei gut, ein Beweis für die eigene Qualität, führt das in eine andere Richtung als die Idee, Exklusivität sei das entscheidende Kriterium für die Luxus­qualität. Eine Bestimmung dessen, was als Luxus gelten kann, muss also mehrere andere Konzepte einbeziehen: Ver­schwen­­dung, Überfluss, Exklusivität, Einzigartigkeit. Abschließend fasse ich die wichtigsten Kriterien zur Definition von Luxus zusammen:

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* Diskurse über Luxus bewegen sich zwischen Qualitäts- bzw. Werturteilen und räumlich-sozialen Bestimmungen. Luxus ist ein relationales Konzept, abhängig von Veränderun­* gen in Raum und Zeit. * Luxus entsteht in Diskursen und in kulturellen Praktiken. Es sind weitgehend Zuschreibungsstrategien und -praktiken, die darüber bestimmen, was als Luxus gilt und was nicht. (Das gleiche gilt für die Mode.) Gezielte Vermarktungsstrategien können eine Marke auf einem Luxusmarkt positionieren. Das funktioniert natürlich nur, wenn das schreibende, kaufende, zahlende Publikum die Versprechungen akzeptiert und seinerseits durch neue Zuschreibungen (Hoffnungen) erweitert. * Luxus bezieht sich auf die Produktion, Distribution und Konsumption hochwertiger (hochpreisiger) und im besten Fall ästhetisch ansprechender Dinge. Auch wenn deren materieller Wert gering ist – er wird durch den Wert des Designs, des Namens der Designer oder auch schlicht durch den ›symboli­schen‹ Wert ersetzt, den die kontextualisierende Präsentation in Läden, Zeitschriften etc. den Dingen beilegt. Was als wertvoll gilt, kann sich verschieben. Michael Baxandall zufolge hätten bis zur Renaissance Gold und Ultramarin über den Wert eines Gemäldes entschieden, danach erst die Kunstfertigkeit des Malers. Ähnlich verhält es sich nach Fukai auch in der Mode, die erst spät das Design über die Qualität der Materialien gestellt habe.35 Perrot hingegen meint, es gebe heute zwei Arten von Luxus: Die eine setze auf Einzigartigkeit und Handwerk sowie Ähnlichkeit zur Kunst, die andere könne mechanisch reproduziert werden.36 Die Folge der letzteren sei der Verlust von Geschmack, sei Imitation – Billiges ersetze

Luxus

Teures, Fälschungen ersetzten Originale (falsches vs. echtes Leder, Glas vs. Diamanten). Die angebliche Originalität und/oder Seltenheit der Produkte * ist trotzdem weiterhin Kennzeichen des Luxus. Es handelt sich entweder um eine strategisch geplante oder um eine nur behauptete Seltenheit. In jedem Fall schlägt sie sich im Preis nieder. Von selbst gilt das für die Haute Couture, die ja Einzelstü­cke produziert (auch wenn diese dann sehr rasch für ein grö­ße­res Publikum adaptiert und vereinfacht nachgeahmt werden). * Die Menge der luxuriösen Dinge ist gewöhnlich geringer als die Nachfrage nach ihnen – hier kommt der Aspekt der (gezielten) Exklusivität ins Spiel. Ihre Preise werden besonders hoch angesetzt: Luxus muss man * sich leisten können. * Sie werden durch kluges Marketing begehrenswert gemacht. * Oft werden sie mit dem Namen eines Labels,. einer Marke verbunden. Ganz gleich, was Prada oder Chanel auf den Markt brin­gen – es gilt von vornherein als Luxus, weil die Häuser sich diesen Ruf vor langer Zeit erworben haben und mit großem Aufwand immer wieder affirmieren (müssen). Die Konsumierenden müssen dazu gebracht werden, die Lu* xusobjekte zu begehren. Um den daran geknüpften Versprechungen zu glauben, investieren sie Phantasie und machen Gegenstände mit deren Versprechungen zum Teil des eigenen Lebens. Perrot meint, Luxus sei »a total way of existing, and a way of differentiating oneself from others«.37 * Der Besitz von Luxusgütern dient der Erhöhung des Selbstwertgefühls und der sozialen Distinktion; er konstituiert Lebensstile (teilweise als Konsumstile), macht sie sichtbar und grenzt damit die nicht Dazugehörenden aus; indessen soll er oft den Neid der Ausgeschlossenen hervorrufen (vgl. Zeitschriften wie Vogue). * Luxus dient der Geschmacksbildung und damit der Produktion von Lifestyles. Luxus kann, wie Michael Jäckel und Franziska Schößler es tun, * als irrationales Handeln beschrieben werden.38 Denn Luxus ermöglicht nicht größtmögliche Befriedigung zu geringsten Kosten, wie es eine ökonomische Logik verlangen würde, son­dern tut oft das Gegenteil.

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1 Berry 1994, S. 38. 2 Perrot 2009, S. 184. 3 Vgl. Lehnert 2013. 4 Ein guter Überblick dazu in: Weder/Bergengruen 2011. 5 Kluge 2002, S. 586. 6 http://www.duden.de/rechtschreibung/Luxus [11.10.2015] 7 Sombart 1992, S. 85. 8 Ebd., S. 119. 9 Mauss 1978. 10 Appadurai 1986. 11 Moebius/Prinz 2012. 12 Böhme 2006, S. 18f. 13 Ebd., S. 22. 14 Appadurai 1986, S. 3, 13. 15 Ebd., S. 4. 16 Aber umgekehrt gilt nicht, dass Dinge schwer zu kaufen wären, weil sie wert­voll sind. 17 Appadurai 1986, S. 6. 18 Ebd., S. 9. 19 Ebd., S. 13. 20 Ebd., S. 38. 21 Berry 1994, S. 86. 22 Ebd., S. 5. 23 Ebd., S. 6. 24 Ebd., S. 8. 25 Ebd., S. 25. 26 Fukai 2009, S. 189. 27 Hasegawa 2009. 28 Jäckel/Schößler 2008. 29 Berry 1994, S. 24f. 30 Kluge 2002, S. 957. 31 Ebd., S. 265. 32 Wahrig 1979, S. 1215. 33 http://www.duden.de/rechtschreibung/exklusiv [11.10.15]. 34 Vgl. zu den genannten Theoretikern: Lehnert/Kühl/Weise 2014. 35 Fukai 2009, S. 188. 36 Perrot 2009, S. 185. 37 Ebd., S. 184. 58

38 Jäckel/Schößler 2008.

Schönenwerd – New York Abendschuhe von Bally Katharina Tietze Im Firmenarchiv des Schweizer Unternehmens Bally fallen die vielen extravaganten Abendschuhe aus den 1930er Jahren auf: Ge­schwungene Formen in goldenem oder silbernem Leder, kombiniert mit hellblauem Rips oder rotem Satin, verziert mit feinsten Steppungen oder Strassschnallen. Sie sind in ihrer Form, vor allem in der ersten Hälfte der Dekade, relativ homogen. [abb. 1] Die Schuhe haben einen halbhohen Absatz und eine gerundete Schuh­spitze; meist sind Kappe und Ferse geschlossen; Riemchenverschlüsse geben dem Fuß Halt. Gegen Ende des Jahrzehnts tauchen dann vereinzelt offenere Sandalen oder Schuhe mit Plateauabsätzen auf. Bemerkenswert und typisch für Bally sind die hochwertige Verarbeitung und die kunstvolle Ausführung von Verzierungen und Schmuckelementen. Im Schuharchiv sind 241 der ca. 600 Da­menschuhe aus den 1930er Jahren als Abendschuhe einzuord­nen – mehr als ein Drittel. Selbst eine sehr elegante Frau hätte pro­portional nicht so viele Abendschuhe in ihrem Schrank. Warum finden sich so viele luxuriöse Schuhe in einem Zeitraum, der zwi­-

[1] Abendschuhe von Bally, 1930er Jahre (Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG; Foto: Manuel Fabritz, © Bally)

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schen der Weltwirtschaftskrise 1929 und dem Ausbruch des Zwei­ten Weltkriegs 1939 liegt? Wie lässt sich dieses Konvolut kostbarer Objekte bewerten und einordnen? Für wen waren die eleganten Schuhe bestimmt? Diese Modelle wurden nicht für den Inlandmarkt produziert, wie sich anhand der Preislisten der für die Schweiz hergestellten Schuhe nachweisen lässt.1 Darin sind Abendschuhe mehrheitlich als eigene Kategorie aufgeführt, in Form und Material aber sehr viel einfacher. Die Formen sind geschlossener; größtenteils sind es Pumps. Auch kommen farbige Stoffe gar nicht vor, und die Ver­zierungen sind deutlich reduzierter. Es handelt sich zumeist um schwarze Schuhe, zum Teil mit Details aus goldenem oder silber­nem Leder. Die eleganten Abendschuhe waren also für den Export bestimmt. Seit der Gründung 1851 war Bally auf den internatio­na­len Absatz orientiert, da der Schweizer Markt für langfristigen wirt­schaftlichen Erfolg zu klein war. Nachdem das Unternehmen im deutschen, französischen und britischen Markt bereits gut verankert war,2 spielte die Eroberung des US-amerikanischen Marktes in den 20er und 30er Jahren eine wichtige Rolle. Die viel­versprechende Größe des Absatzmarktes war aber mit hohen qualitativen Ansprüchen verknüpft, da die amerikanische Schuh­pro­duktion weltweit führend war. Meine These ist, dass Bally den US-amerikanischen Markt mit hochmodischen Schuhen eroberte und die luxuriösen Damenschuhe aus dem Firmenarchiv zu diesen zählen. Entsprachen die Schuhe also den hochmodischen Standards der feinen New Yorker Gesellschaft? Lassen sich Bally-Schuhe in den USA nachweisen? Und welche Belege finden sich für die wirtschaftlichen Beziehun­gen? Diesen Fragen gehe ich im Folgenden nach.

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»21 pairs of shoes« In der US-amerikanischen Vogue galt Schuhen bereits in den 30er Jahren viel Aufmerksamkeit, sowohl in redaktionellen Artikeln als auch in Werbeanzeigen. In europäischen Modezeitschriften hingegen war Schuh-Mode noch kein Thema. In der Neuen Linie, einem Avantgarde-Magazin mit Grafiken berühmter BauhausGestalter, wie László Moholy-Nagy oder Herbert Bayer, tauchten so gut wie keine Beiträge über Schuhe auf. Gleiches gilt für die

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Elegante Welt, ein konservatives deutsches Blatt der Zeit. Auch in der schweizerischen Annabelle, die ab 1938 erschien, fanden Schuhe nur vereinzelt Erwähnung. Beispielhaft für die Bedeutung des Themas in der US-Vogue kann hier ein Beitrag vom April 1930 stehen. Unter dem Titel »21 pairs of shoes« hiess es, im Schuhschrank einer gut gekleideten Frau werde man alle diese einundzwanzig Paare finden: »Eight are for general daytime wear, morning and afternoon. Seven are for sportswear, both active and spectator variety. The evening group includes four, the boudoir group two.«3 Der Beitrag erstreckt sich über sieben Seiten. Die Schuhe werden auf der ersten Seite in einem Schrank und dann alle nochmals einzeln gezeigt. Ebenso werden sie sowohl im Text als auch in den Bildunter­schriften ausführlich erläutert. Vergleicht man die abgebildeten Abendschuhe mit jenen aus dem Bally-Firmenarchiv, finden sich fast identische Modelle. [abb. ii a, ii b] In der Gruppe der Abendschuhe werden zwei Paar Riemchensandalen mit geschlossener Kappe vorgestellt, eines aus Moiré, mit einem Riemchen aus goldenem Leder, von Delman4, das zweite aus Brokat in Silber und Blauschattierungen, abgesetzt mit silbernem Leder, von Altman. Zu­dem werden zwei Paar Abendpumps empfohlen, eines in Schwarz und das andere aus weißem Crêpe de Chine mit Details in goldenem und silbernem Leder; außerdem ein als »classic opera

[ii a, ii b] Abendsandalen, 1930 (Vogue US, 12. April 1930, S. 104; © Condè Nast / Historisches Archiv der Bally Schuh­fabriken AG; Foto: Manuel Fabritz, © Bally)

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pump«5 bezeichneter Schuh aus schwarzem Satin mit einer Schnalle. In der Boudoir-Gruppe gibt es neben dem pfirsichfar­benen Satinpantoffel mit eingesticktem Namen auch ein paar ›griechische‹ Abendsandalen mit goldenen Riemchen, die den Fuß fast nackt erscheinen lassen. Nur zu den frivoleren BoudoirModellen sind passende Gegenstücke nicht so leicht zu finden; ein ähnlicher Satinpantoffel beispielsweise wurde von Bally erst viel später, im Jahr 1947, produziert. Es zeigt sich, dass Bally-Schuhe mit den in der US-Vogue abge­ bildeten durchaus vergleichbar sind. Zudem macht die Gegen­überstellung das Potenzial der Bally-Sammlung deutlich: Schuhen, von denen nur Schwarzweiß-Abbildungen in schlechte Qualität erhalten sind, können reale Objekte gegenübergestellt werden. Außerdem kontextualisiert der Beitrag die Abendschuhe innerhalb der Vielfalt an Schuhmodellen für Frauen und entsprechenden Trageanlässen im gewählten Zeitraum. Die US-Vogue ist eine reichhaltige Quelle für eine Analyse der Schuhmode. Meine Forschungsarbeit zur Schuhgeschichte be­gleitet der prüfende Blick auf kaum erkennbare Details gedruck­ter Schwarzweiß-Fotos der 30er Jahre. Glücklicherweise ist die gesamte US-Vogue online verfügbar, in einer Bildqualität, die je­ner der gedruckten Ausgaben entspricht. Ich gebe zuerst einen Eindruck, wie Abendschuhe in dieser Zeitschrift präsentiert wurden, analysiere dann Bally-Schuhe in der US-Vogue und schließe mit einer Bewertung der wirtschaftlichen Beziehungen von Bally zum amerikanischen Markt.

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Schuhmode Die Vogue wurde 1892 in den USA gegründet. 1907 wurde sie vom Verleger Condé Nast gekauft, der sie zum ersten modernen Frau­enmagazin machte. Er verzehnfachte die Auflage, sorgte für mehr Anzeigen und machte sie auch finanziell erfolgreich. 1916 erschien erstmals die britische Ausgabe und 1920 die französische. Heute gibt es 21 verschiedene Ausgaben. Chefredakteurin in den 30er Jahren war Edna Woolman Chase. Sie verantwortete die Zeit­schrift, von 1914 bis 1951, 37 Jahre lang. Die Vogue erschien in den 30er Jahren alle zwei Wochen mit jeweils über 100 Seiten, davon damals schon ein großer Teil Wer­bung. Neben Autos und Kosmetik wurden auch Schuhe beworben;

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so finden sich 1930 in einer Ausgabe zehn ganzseitige Anzeigen für Schuhe, zumeist von Händlern und großen Kaufhäusern. Etwa in jedem dritten Heft gab es redaktionelle Beiträge, in deren Zen­trum Schuhe standen. Das Durchsehen der Hefte aus den 1930er Jahren gleicht einer Zeitreise; es eröffnet sich eine Welt. Exzellente Gestalterinnen und Gestalter arbeiteten für die Vogue: Cecil Beaton schrieb, zeichnete und fotografierte; es finden sich Kurzgeschichten von Dorothy Parker, Fotos von Man Ray und Horst P. Horst. Das Pro­dukt ist außerordentlich kreativ und vielfältig; durch die Mi­­schung aus Zeichnung und Fotografie, die ausführlichen Tex­te, das Layout werden die Möglichkeiten einer innovativen Mo­debe­richter­stattung ausgelotet. So ist der Vogue-Schriftzug auf jedem Cover anders ins Titelbild integriert. Zugleich er­öffnet sich der Blick auf eine stilbewusste Oberklasse des groß­städ­tischen Ame­rika der 30er. Um zu zeigen, wie Schuhmode im Magazin präsentiert wurde, eignen sich in besonderem Maß die Bilder eines der Protago­ nisten der Zeitschrift, des namhaften und vielseitigen Fotografen Edward Steichen. 1879 geboren und in Milwaukee aufgewach­sen, begann er 1923 für die Vogue zu arbeiten und verließ sie 1937. Von ihm stammt die erste Farbfotografie auf dem Vogue-Cover von 1932. Seine Fotos vermitteln nicht nur einen Eindruck von der Schuhmode der 30er Jahre; er war auch ein Meister darin, sie auf vielfältige Weise ins Bild zu setzen. So wird deutlich, wie die Form der Abbildung von Mode in Zeitschriften selbst Teil der Mode ist. Der Dichter Carl Sandburg, Steichens Schwager, sagte, für ihn hätten »manche Schuhfotografien für die Vogue einen ebenso großen ästhetischen Wert wie die Fotografie einer Rose und einer Digitalis [bot. Fingerhut; K.T.], für die er seine ganze Kraft und Kreativität aufwandte«.6 Alle Fotografien von Steichen sind mit seinem Namen versehen, was verdeutlicht, wie ernst er die Mode- und Gesellschaftsfotografie als Teil seines Werks nahm. Im Januar 1930 waren Abendschuhe das Thema eines einseiti­gen Beitrags. [Abb. iii] Steichen inszenierte die Schuhe als wertvolle Objekte mit viel Umraum. Bemerkenswert ist das exzessive Schattenspiel, das sie zu avancierten Objekten des Lichts macht und den Glanz ihrer Materialien auf der Ebene der fotografischen Ablichtung variiert.

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Ein ausführlicher achtseitiger Artikel widmet sich der Schön­ heitspflege verschiedener Körperteile; die Tipps zu Gesicht, Hän­den und Füßen sind mit ganzseitigen Steichen-Fotos und kleinen Zeichnungen illustriert. [Abb. iv] Das Foto zu den Füßen überrascht mit seiner zeitlos wirkenden Modernität; wie andere Fotos der Reihe überzeugt seine skulpturale Reduziert­heit: Nackte in die Höhe gestreckte Beine, bekleidet ausschließlich mit einem Paar flachen römischen Sandalen. In der Fotoreihe tauchen sonst keine Kleidungsstücke auf; nur die Füße sind nicht nackt. Bei den Ratschlägen handelt es sich um die bis auf den heuti­gen Tag üblichen Tipps zur körperlichen Optimierung durch Sport sowie Hinweisen zur Erhaltung glatter Haut. Im letzten Abschnitt (»Make them up«) heißt es zu Beginn: »The more feet and legs show, the more beautiful they must be made.« Dann wird ausführlich er­klärt, was eine Pediküre ist und wieso sie den Füßen schmeichelt. Der Artikel ist ein Beleg dafür, dass Sandalen sowohl für den Strand als auch für den Abend mehr und mehr in Mode kamen und dementsprechend nackte Beine, gepflegte Füße und lackierte Fuß­nägel zum Thema wurden. Indessen waren die Anlässe, an denen Frauen ihre Zehen zeigen durften, noch streng reglementiert. 1939 erschien ein Beitrag mit der kämpferischen Überschrift »Vogue Protests! Open toes and open heels are not for city streets«.7

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[iii] Foto: Edward Steichen (Vogue US, 30. Januar, 1930, S. 58; © Condè Nast)

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In einem weiteren Beitrag mit Fotos von Steichen werden Schuhe getragen. Auf allen Bildern sind Hände und Füße in eleganten Bildkompositionen zu sehen. [Abb. v] Die Texturen der Kleider, Mö­bel- und Teppichstoffe, des Schmucks und selbst das Fell eines Hundes kontrastieren und kontextualisieren die Schuhe. Im Artikel »Fashionable Extremities of Ten Smart Women« wer­­­den sogar die Namen der Frauen genannt, welche die Schuhe ausge­wählt haben und tragen. »Each photograph is [...] the individual ›shoe-cast‹ of a fashionable woman who knows what she likes and likes what is smart [...].«8 Das Foto zeigt die Füße von Prinzessin Paley. Edward Steichens Fotografien veranschaulichen, wie sich die Vermittlung von modischen Schuh-Trends veränderte. Er experi­ mentierte mit Licht, Bildausschnitten, Modellen und neuen Tech­nologien. Die ausgeklügelte Schwarzweiß-Fotografie erfüllt auch eine heutige Betrachterin noch mit Bewunderung. In der ersten Hälfte der 30er Jahre wurden Sandalen sowohl für den Strand als auch für den Abend Mode, bevor in der zweiten Hälfte Plateau- und Keilabsatz die Schuhformen von Grund auf veränderten. In der Folge diversifizierten sich auf interessante Weise auch die Formen der Abendschuhe; es gab neue Absatzformen, und der Fuß wurde zunehmend entblößt.

[iv] Foto: Edward Steichen (Vogue US, 1. Juni 1934, S. 46; © Condè Nast)

[v] Foto: Edward Steichen (Vogue US, 1. März 1935, S. 73; © Condè Nast)

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Bally in der Vogue Bevor erstmals Bally-Schuhe in der Vogue auftauchten, wurde 1929 zunächst das neue Bally-Schuhgeschäft in Paris vorgestellt; eine Zeichnung zeigt die elegante Art-Déco-Fassade, entworfen von Robert Mallet-Stevens.9 Insgesamt finden sich zwischen 1936 und 1941 elf Abbildun­gen von Bally-Schuhen, zumeist als Zeichnungen in redaktionellen Beiträgen zum Thema Schuhmode. Nach diesem Zeitraum tauchen erst 1947 wieder Schuhe von Bally auf, anlässlich der bevorstehenden Olympischen Winterspiele in St. Moritz diesmal Skischuhe. Erneute Erwähnung findet Bally in der US-Vogue erst in den 50er Jahren, als die Firma erstmals Anzeigen im Magazin schaltet. Für die 30er Jahre lassen sich natürlich nur diejenigen Bally-Schuhe nachweisen, die in den Bildunterschriften als solche benannt werden. Einen Beleg dafür, dass sie darüber hinaus gezeigt wurden, habe ich in einer Ausstellung des Victoria & Albert Muse­ums über Horst P. Horst gefunden. Gemäss Katalog sind die San­dalen, die das Model zu einer Tunika von Alix trägt, von Bally, was in der Zeitschrift nicht erwähnt wurde.10 Zu vermuten ist also, dass Bally-Schuhe als passende Accessoires zu Kleidung kom­biniert wurden, ohne in den Bildlegenden genannt zu werden. In Bezug auf Formen, Materialien und Funktionen präsentie­ ren die Beiträge ganz unterschiedliche Arten von Schuhen – durch­aus nicht nur Abendschuhe, sondern auch Sandalen von Bally. Unter der Überschrift »Midsummer« wird im Juli 1936 Sommer­mode vorgestellt; die Doppelseite zeigt aus der Vogelperspektive Models auf eine Wiese liegend.11 Zwei von ihnen tragen identische Leinensandalen von Bally, einfache Sommerschuhe aus hellem Stoff mit einem kleinen Absatz. Möglicherweise handelt

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[vi a, vi b] Damenschuhe von Bally, 1940 (Vogue US, 1. Januar 1940, S. 80; © Condè Nast / Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG; Foto: Manuel Fabritz, © Bally)

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es sich hier um die Hospodarsky-Sandale, nach ihrem Erfinder, dem Bally-Chefmodelleur, so genannt. Eine Viertelmillion dieses Modells wurde zwischen 1923 und 1941 nach Nordamerika verkauft.12 1940 finden sich erneut Sandalen, aus weißem Stoff, abgesetzt mit blauem Leder. Außerdem werden Bally-Schuhe mit gemäßigten Absätzen für den Tag gezeigt, die sich oft durch ungewöhnliche Details oder Materialien auszeichnen. »Shoemaking is a plastic art«, heißt es im August 1938.13 Thematisiert werden im Beitrag die Flexibili­tät der neuen Schuhe sowie deren skulpturale Qualitäten. Als Zeichnung werden u.a. zwei Modelle von Bally gezeigt: ein Schnal­lenschuh, »soft as a slipper«, aus blauem Wildleder und ein Opern­pumps aus weinrotem Wildleder mit einer Drapie­rung. Im Janu­ar 1940 werden Schuhe in Rot und Weiß vor­gestellt. [Abb. vi a, vi b] Der weiße Schnürschuh von Bally hat einen sogenannten Traktor-Absatz, der mit rotem Fischleder bezogen ist. Im BallyArchiv findet sich ein ganz ähnlicher Schuh, allerdings in Braun und ohne Schnürung. Mit Fischleder wurde in Europa experimentiert, als Rinds- und Kalbshäute infolge des Zweiten Welt­kriegs knapp waren. Dieses Nebenprodukt der Lebensmittel­industrie wurde anstelle von Reptilleder eingesetzt.14 Ein Schnal­lenschuh von Bally »for every day and all day long« wird 1940

[v1i] »Seen in Saint Moritz« (Vogue US, 15. Januar 1939, S. 94; © Condè Nast)

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vorgestellt. Und im Herbst 1941 wird in einem Beitrag über schwar­ze Schuhe ein Bally-Schnürschuh aus Fell und Wildleder ge­zeigt.15 Auch hier findet sich ein ganz ähnlicher Schuh in der­sel­ben Materialkombination im Bally-Archiv. Skischuhe durften natürlich nicht fehlen: Ein kleiner Beitrag im Winter 1939 verweist auf die Schweiz als exklusives Urlaubsland. [Abb. vii] Wenn Coco Chanel im Skiurlaub Bally trägt, wirken selbst Funktions­ schuhe glamourös. Nicht zuletzt wurden in der Vogue auch Abendschuhe von Bally präsentiert, wie der bereits erwähnte weinrote Opern­pumps. 1940 wird ein ungewöhnlicher Abendschuh aus Leinen gezeigt, der den Knöchel verhüllt – fast ein Hybrid aus Sommer-­ sandale und Abendschuh.16 Im Beitrag »American Mania« wird 1939 eine Abendsandale vorgestellt. [abb. viii a, viii b] Das Material wird als »black ›cellophan‹ cloth fired with gold kid« be­ schrieben. Im Bally-Archiv befindet sich ein ganz ähnliches Mo­dell, für das allerdings schwarzes Wildleder verwendet wurde. Interessant ist die Absatzform, die an einen berühmten Schuh erinnert, 1938 angeblich für Judy Garland als Einzelstück für eine Bühnen- oder Filmproduktion entworfen: Salvatore Ferragamo hatte für den Plateauabsatz einzelne Korkschichten mit verschie­ denfarbigem Wildleder bezogen; der Bally-Schuh zitiert diese wulst­artige Schichtung. Das macht deutlich, wie genau Bally die internationale Schuhmode verfolgte und Trends aufgriff, wenn neue Formen auch in sehr viel zurückhaltenderer Art und Weise realisiert wurden. Im Bally-Archiv finden sich drei weitere Modelle mit ähnlichen Absätzen; einem davon entspricht ein identisches Modell in

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[viii a, viii b] Sandale von Bally, 1939 (Vogue US, 1. Februar 1939, S. 111; © Condè Nast / Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG; Foto: Manuel Fabritz, © Bally)

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anderer Farbe, einem dunklen Rosé, in der Sammlung des Cos­t­u­me Institutes des Metropolitan Museums in New York. [abb. ix] Bally-Schuhe wurden also in den USA nicht nur empfohlen, son­dern auch getragen, geschätzt und aufbewahrt. Wirtschaftliche Beziehungen »Die USA standen Anfang der 1930er Jahre quantitativ an der Spitze der Schuhproduktion und des Schuhkonsums«,17 schreibt Anne Sudrow in ihrer beeindruckenden Studie zum Schuh im Nationalsozialismus. Auch für die Firma Bally war die amerikanische Industrialisierung der Schuhproduktion früh ein Vorbild. Eduard Bally, der Sohn des Firmengründers, reiste 1876 zur ersten amerikanischen Weltausstellung nach Philadelphia und brachte von dort neue Maschinen mit. Die Mechanisierung der Schuhproduktion in den USA war eine Reaktion auf die Nachfrage einer rasch wachsenden Bevölkerung. Weitere Gründe für die Vorreiterrolle der USA waren, dass dort schon 1886 die Schuh­größen standardisiert wurden und das Land reich an Rohstoffen war. Bally hatte seit 1923 eine Handelsvertretung in New York und übernahm 1930 eine Kinderschuhfabrik in Philadelphia. Von 1919

[ix] Abendsandale von Bally, 1939 (Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG; Foto: Manuel Fabritz, © Bally)

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bis 1929 stieg der Umsatz von Bally-Schuhen in den USA von null auf 295’144 Paare.18 Die Handelsbeziehungen litten dann unter den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, in deren Folge 1930 Schutzzölle auch für Schuhe eingeführt wurden. Ab 1935 gab es wieder einen leichten Anstieg, bis der Ausbruch des Zweiten Welt­kriegs die Bedingungen wieder erschwerte.19 1940/41 wurden noch 54’482 Paare in die USA exportiert.20 Zu diesem Zeitpunkt waren die USA, nach Deutschland und Frankreich, Ballys drittgrößter Handelspartner. Auch umgekehrt wurde die Schweiz von den USA als Konkur­renz und Markt gewürdigt. Der Bericht »Switzerland. Resources, Industries and Trade« des US Departments of Commerce schätz­te 1926 ein, dass die Schweiz viel höhere Aufmerksamkeit verdie­ne, als Territorium und Bevölkerung vermuten ließen.21 In den Bally Mitteilungen, der Hauszeitschrift, wurde 1942 den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Schweiz vermittelt, weshalb Bally in den USA erfolgreich war: »Bei aller Aner­kennung der USA-Schuhindustrie darf gesagt werden, dass unser Produkt noch immer in einigen Details führt. Rein technisch wird drüben Grossartiges geleistet, aber die peinlich genaue Schaft­ausfüh­r­ung, Stepperei, Seiden und Lederpassepoils und Orna­mente, so vollendet schön wie in der Haute Couture, sind Merk­male, die man beim Serien-Schuh in Amerika nicht trifft.«22 Und 1944 wurde erneut die Qualität der Verarbeitung betont: »Was wir bis jetzt für die U.S.A. fabrizierten, waren ganz teure Damen-Artikel, die sich durch geschmacklich gediegene Modelle, durch das auserlesene Rohmaterial und eine hochstehende Schäfte- und Schustereiarbeit auszeichneten.«23 Von amerikanischer Seite kam man erstaunlicherweise zu einer ganz ähnlichen Einschätzung, was auch für die Qualität der Bally-Hauszeitschrift spricht. Der Report »Boots and Shoes« der United States Tariff Commission verglich 1932 US-amerikanische Produkte mit Importen. Unterschieden wurden die Schuhe nach Macharten, die Schweizer Schuhe als konkurrierend bei den gewendeten Formen24 für leichte Frauen- und Kinderschuhe wahrgenommen. Es heißt: »Some of the imported shoes may have more fancy stitching and appliqué, foxing or inserts, than the ordi­nary domestic article, but the two are unquestionably competitive.«25 Bally wird in diesem Bericht als der bei weitem größte

Schönenwerd – New York

Schuhproduzent der Schweiz eingeschätzt, der praktisch alle Schuhe herstellte, die in die USA exportiert wurden, und etwa 80 Prozent der gesamten Schweizer Schuhexporte. Hier bestätigt sich, dass mit den avancierten Damenschuhen der amerikanische Markt erobert werden sollte. Dabei galt es viele Schwierigkeiten zu überwinden: Ebenfalls in den Bally Mitteilungen berichtet ein P. Hünerwadel von seiner ersten Reise 1922 als Vertreter durch die USA.26 Er reiste mit einer Kollektion von 200 Schuhen, die er, um sie in den wichtigsten Kaufhäusern und Geschäften unter­zubringen, zwanzigmal ein- und auspacken musste. Schwierig war nicht nur, Verkaufsorte zu finden; auch die Passformen mussten den amerikanischen Vorstellungen entsprechen, und vor al­lem mussten die Lieferungen pünktlich erfolgen. Die amerikani­schen Kunden pflegten erfolgreiche Modelle vier Wochen nach Saisonbeginn nachzubestellen, doch bis diese mit dem Dampfer in New York ankamen, dauerte es seine Zeit. Doch die Eroberung dieses Marktes war wichtig. Iwan Bally, ein Enkel des Firmen­gründers, forderte schon 1932: »Für die Schweiz besteht nach wie vor die eiserne Notwendigkeit zu exportieren [...].«27 Diese Forderung wurde noch wichtiger während des Zweiten Weltkriegs, weil die USA als Zukunftsmarkt aufgefasst wurden, während in Europa die Bedingungen zunehmend schwieriger wurden. Die Firma Bally stellte sich dieser Herausforderung. Bally-Abendschuhe, die in den 1930er Jahren in den USA ver­kauft wurden, entsprachen auch modisch den nordamerikanischen Standards. Die Quellen aus dem Firmenarchiv und die Bei­träge in der Vogue ergänzen einander: Die Schuhe im Archiv sind reichhaltig als konkrete Objekte, die redaktionellen Beiträge kon­textualisieren sie in Bild und Wort, und immer wieder lassen sich präzise Übereinstimmungen finden. Bally-Schuhe glänzten im wahrsten Sinne des Wortes durch ihre Details und ihre hochwer­tige Verarbeitung. Dokumente aus dem Archiv verschaffen außerdem einen Eindruck, wie Bally an die Eroberung des amerikanischen Marktes heranging und welche Schwierigkeiten es dabei gab. Eindeutig legte man Wert auf die hochmodischen Abend­schuhe als Produkte für Amerika. Mit dem Weg eines glänzenden Schweizer Produkts über den Atlantik nach New York lässt sich also eine wichtige Etappe der Schuhmode des 20. Jahrhunderts nachzeichnen.

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1 Die Kataloge erschienen halbjährlich; bis auf die Ausgabe vom Sommer 1933 sind alle im Archiv vorhanden. Nur in den Katalogen von 1932, 1932/33 und 1943 sind Abendschuhe nicht extra ausgewiesen. Von 1942 bis Kriegsende gab es nur zwei Modelle; vorher waren es um die zehn, 1937/38 sogar 19 verschiedene Modelle. 2 [o.A.] 1951. Die zur Bally-Holding gehörenden Verkaufsgesellschaften wur­den 1906 in Berlin, 1908 in London, 1917 in Paris, 1921 in Brüssel und 1923 in New York gegründet. 3 Vogue (US), 12. April 1930, S. 103. 4 Eine der ältesten noch existierenden US-amerikanischen Schuhmarken, 1919 von Herman Delman gegründet. 5 Vogue (US), 12. April 1930, S. 122. 6 Niven 1997, S. 536. 7 Vogue (US), 1. Juli 1939, S. 58/59. 8 Vogue (US), 1. März 1935, S. 73. 9 Vogue (US), 22. Juni 1929, S. 53. 10 Brown 2014, S. 84. 11 Vogue (US), 15. Juli 1936, S. 28/29. 12 [o.A.] 1941, S. 8. 13 Vogue (US), 1. August 1938, S. 86/87. Für beide Schuhe wird Lawrence Parker als Importeur genannt. 14 Sudrow 2010, S. 270. 15 Vogue (US), 1. September 1940, S. 118. 16 Vogue (US), »New Camel Colours«, 15. Februar 1940, S. 87f. 17 Sudrow 2010, S. 31. 18 Straub 1942, S. II. 19 Ebd., S. III. 20 [o.A.] 1942. 21 Tanner 2015, S. 177. 22 Straub 1942, S. III. 23 Kamber 1944, S. VII. 24 Schaft und Sohle werden auf links zusammengenäht und dann gewendet, sodass die Nähte auf der Innenseite des Schuhs liegen. 25 United States Tariff Commission 1932, S. 15. 26 Hünerwadel 1944, S. II. 27 Bally 1932, o.S.

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»Bally-Schuhe sind tonangebende Modeschöpfungen«1

Schuh-Design im Zweiten Weltkrieg Anna-Brigitte Schlittler Der Wandel vom einfachen Gebrauchsschuh zum modischen Accessoire wird im Bally-Archiv auf den ersten Blick sichtbar: Ab den 1930er Jahren nahmen sowohl die Quantität der Prototy­pen als auch deren Variantenreichtum markant zu. Diese Vielfalt setzte sich in den Jahren des Zweiten Weltkriegs fort. Trotteurs, Sandaletten, Bergschuhe, Pumps für den Nachmittag, für Sommer und Vorsommer, Fantasie-Pumps, Halbsportschuhe, Golf­schuhe, Lifties, Louis XV, Richelieus, Ghillies, Schülerschuhe, Lauf- und Veloschuhe, Pantoffeln, Bottillons, Après-Ski-Schuhe –  im Archiv finden sich mehr als 400 Modelle für Damenschuhe und 160 für Herrenschuhe, dazu Kinderschuhe und eine breite Palette von Arbeits- und Sportschuhen. Auffällig sind die sorgfältige Machart und das differenzierte Design. Nicht unwesentlich dürf­te dies den politischen und ökonomischen Gegebenheiten ge­­schuldet sein. Zu den wichtigsten Quellen, den Umgang einer Gesellschaft mit Mode zu erfassen, gehören Zeitschriften. Im Folgenden werde ich mich auf ausgewählte Schweizer Printmedien konzentrieren, da die einheimische Schuhindustrie durch den Weltkrieg ver­mehrt auf den Binnenmarkt angewiesen war. Der Export brach dramatisch ein – die Ausfuhrwerte sanken von 17.1 Mio. Franken im ersten Kriegsjahr auf den absoluten Tiefpunkt von 3.1 Mio. Franken im Jahr 1944.2 Im Zentrum des Interesses stehen sowohl illustrierte Wochenzeitschriften als auch Tageszeitungen. Erstere berichteten sehr häufig über das modische Geschehen; letztere thematisierten Mode zwar weniger, wurden aber von Bally bevorzugt für die Platzierung von Inseraten in der Annah­me, aufgrund der Kriegsereignisse werde vermehrt Zeitung ge­lesen.3 Eine prominente Stelle nahm Mode auch im Satiremagazin Nebelspalter ein. Bei weitem noch nicht ausgeschöpfte Quellen sind die firmeninternen Publikationen, allen voran die Arola

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Hauszeitung. Diese wurde von der Arola Schuh AG – 1926 als Ver­kaufsorganisation der Bally-Holding gegründet – ab 1931 dreimal jährlich herausgebracht. Nicht für die breite Öffentlichkeit be­stimmt, erschließt sich hier die Sicht jenes Teils des Konzerns, welcher der Mode nahezu uneingeschränkt positiv gegenüber­stand, auch und gerade im Zweiten Weltkrieg. Damit einher ging eine ambivalente Haltung: einerseits der Geistigen Landes­verteidigung verpflichtet, andererseits dem wirtschaftlichen In­teresse an global offenen Märkten und dem Bekenntnis zur international verflochtenen Modekultur. Rohstoffe und Ersatzmaterialien Bedroht von der Rationierung und abhängig von Importen – in der Schweiz wurden jährlich maximal 400’000 Häute produziert; Bally benötigte 2 Mio.4 –, war Bally seit Kriegsbeginn nicht nur um den allgemeinen Geschäftsgang besorgt, sondern in erster Li­nie um die Beschaffung des Rohmaterials Leder. Zwei Monate nach Ausbruch des Weltkriegs konnte M.W. Wittstock, der Direktor von Arola, zwar einen Umsatzrekord vermelden; zugleich beklagte er jedoch die erschwerte Materialbeschaffung und rief eindringlich zur Sparsamkeit auf: »Welche Schlussfolgerung ergibt sich daraus? Wir müssen ebenfalls unsere Ansprüche zurückstellen, unsere Kollektionen ver­ein­fachen und immer bereit bleiben, die Schlussfolgerungen aus je­der Situa­tion zu ziehen. Vergessen wir nie, dass wir im Krieg sind, und dass in einem Krieg das Unmögliche möglich werden kann. Sparsamkeit auf der gan­zen Linie muss wieder dominieren.«5

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Welch gewichtigen Beitrag das Design, also die hauseigene ›Krea­tion‹, bei der Umsetzung eines sparsamen Umgangs mit den Roh­stoffen leistete und mit welchen gestalterischen Ansätzen neue und ungewöhnliche Materialien integriert wurden, ist im Archiv beispielhaft an den Damenschuhen ablesbar. Bei zahlreichen Modellen bestand das Obermaterial aus Textilien, wie Satin, Leinen- oder Hanfgewebe, oder aus Viskosegeflecht. Alternative Lederarten, wie Krokodil- und Schlangenle­der, oder das anspruchsvoll zu handhabende Fischleder wurden verarbeitet, häufig in Kombination mit konventionellen Glatt-

»Bally-Schuhe sind tonangebende Modeschöpfungen«

und Veloursledern. Und Felle: neben den geläufigen Fohlen-, Kuhund Seehundfellen Ausgefalleneres wie Leopard, Ozelot oder Gepard. Besonders erfolgreich waren die sogenannten Après-SkiSchuhe, infolge der verlangsamten Dynamik des modischen Zyklus eine der wenigen Innovationen der Kriegsjahre. So berichtete die Neue Zürcher Zeitung im Dezember 1942 vom »Siegeslauf des Après-Skischuhs:«6 Der einst »bloss kurortgemässe Après-SkiStiefel« sei seit dem zweiten Kriegswinter zur Straßenmode geworden.7 Meist waren diese Schuhe mit einer Gummisohle versehen, einige der besonders originellen Modelle hingegen mit einer dicken Korksohle. [Abb. 1] Verwendung fand das leichte Material auch bei Sohlen für Som­mersandalen oder als Keilabsatz (Lifty), häufig mit Stoff oder Le­der überzogen. Ab 1942 wurde Holz als weiteres alternatives Material für die Sohlen von Sandalen verwendet – Sohlleder war seit Anfang des Jahres verboten.8 Schwer und steif, darüber hinaus mit dem Geruch von Ärmlichkeit behaftet, waren Holzschuhe eine gestalterische und produktionstechnische Herausforderung. Neben dem Kinderschuh Bambino lancierte Bally zwei Modelle mit je verschiedenen Sohlen: Intermezzo mit einem Scharniergelenk und Pergola mit einer dreiteiligen Sohle.

[1] Après-Ski-Schuhe von Bally, 1940er Jahre (Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG; Foto: Manuel Fabritz, © Bally)

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Trotz dem relativen Tragekomfort, dem freien Verkauf 9 und zahl­reichen Varianten mit verschiedenen Stoffen und bunt eingefärbten Sohlen blieb Bally auf den Sandalen sitzen, bis Holz zur Mode erklärt wurde: »Allerdings als kriegsbedingte Mode, die zugleich unserer Heimat einen grossen Dienst leistet, in dem sie das so rar gewordene Sohlleder sparen hilft.«10 Den Kampagne-Höhepunkt bildete der eigens komponierte Song »Holz ist die grosse Mode«/»C’est la mode du bois«. »[…] eines ist sicher: die ganze Schweiz hat davon gesprochen und nicht zuletzt, dank verschiedener Angriffe gegen unseren ›Slogan‹. Dass die ganze Sache allgemein schweizerisch bewertet wurde, beweisen die vielen humorvollen Beiträge im ›Nebelspalter‹, im ›Sie und Er‹ und in verschiedenen anderen illustrierten Zeit­ungen, ganz abgesehen von vielen wertvollen Beiträgen aus der Feder von Journalisten und Mode­schriftstellerinnen.«11

Nicht nur Holz, sondern auch eigentliche Ersatzmaterialien ka­men zum Einsatz, darunter der sogenannte Werkstoff. Dieses Lederimitat aus gemahlenen, gegerbten Lederabfällen wurde, mit

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[ii] Sommerschuhe von Bally, 1940er Jahre (Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG; Foto: Manuel Fabritz, © Bally)

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Zellulose und Bindemitteln vermischt,12 bei Bally vornehmlich für Absätze verwendet.13 Unmittelbar ins Auge springt der fantasievolle Umgang mit den kostbaren Rohstoffen. Noch kleinste Lederreste wurden als dekorative Elemente eingesetzt, als bunte Bommel an den Schnürsenkeln, als kontrastfarbige Streifen in Ziernähten, als filigrane Applikation oder verspielte Maschen und Rüschen. Bemerkenswert sind auch die teils feinen, teils rustikalen Stickereien aus glänzenden Garnen, aber auch aus ‹armen› Materialien wie Bast und Stroh. [Abb. ii] Alles in allem handelte es sich keineswegs um eine ›vereinfachte Kollektion‹, sondern eher um die Demonstration eines aufstrebenden Industriedesigns. Weitgehend ungeklärt sind bis jetzt Aufbau, Zusammensetzung und Funktionsweise der hauseigenen Designabteilung. Einen Eindruck vermittelt ein undatiertes, offensichtlich inszeniertes Foto, das u.a. den ›Chef der Kreation‹14 Max Matter zeigt: Diverse Schuhe werden vergleichend begutachtet; auf dem Arbeitstisch liegen hölzerne Leisten neben diversen Zeitschriften, namentlich der Vogue. »Er eilt den Wandlungen der Zeit voraus und seine Kreationen erhalten dem Bally-Produkt das hohe Ansehen als internationaler Modeschuh.«15 Diese Wertschätzung des ›Créateurs‹ lässt sich nicht zuletzt auf den ökonomischen Erfolg des modischen Schuhs zurückführen – Bally konnte die Produktion zwischen 1928 und 1939 von 8 auf 10 Mio. Paare pro Jahr steigern.16 Wie ausdifferen­ziert und umfangreich das Angebot während der Kriegsjahre war, ist aus der zeitgenössischen deutsch- und französischsprachigen Schweizer Presse ersichtlich. Nicht zu Unrecht hieß es in ei­n­em Inserat von 1939: »Unsere überaus reiche Kollektion reizen­der, gesetzlich geschützter Bally-Kreationen ermöglichen Ihnen jede individuelle Wahl.«17 Bally warb praktisch im Wochentakt mit neuen Modellen, die meist in mehreren Farben erhältlich waren.18 Die Haltung zur »grosse[n], einflussreiche[n] Tyrannin«19 in­ des war zwiespältig.20 Der Übergang von der Bedarfs- zur Waren­ produktion brachte »als folgenschwere Erscheinung den Wechsel der Mode«21 mit sich. Die offensichtliche Freude des Design-Teams an der modischen Vielfalt wurde von den Verantwortlichen der Arola AG – abgesehen von der einen oder anderen Klage über die

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»unbescheidenen Ansprüche unserer Kunden«22 – geteilt. Mode galt ganz unverblümt als zentrales Verkaufsargument: »Es ist unerlässlich, die Modebestrebungen mächtig zu unterstützen. Denn wenn z.B. in unseren Branchen jedes Geschäft nur einfache und einfachste Schuhe zeigen würde, würde ja bald die Frau weniger Paare kaufen. Die Mode will somit das Lustgefühl wecken, mehr zu kau­fen.«23

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»Les effets de semelle plateforme et les talons lourds sont au goût du jour«24 Besonders auffällig in ihrer Form sind die Plateauschuhe bzw. Schuhe mit Keilabsätzen. Schuhe mit merklich verdickten Soh­len sind eine Konstante der europäischen Kostümgeschichte. Grobe bäuerliche Holzpantinen; Chapines, der reich ornamen­tierte spanisch-arabische Hybrid; Calcagnini, das notorisch dekadente Luxusprodukt der venezianischen Oberschicht – sie alle sind materielle Zeugnisse der breiten gestalterischen und symbolischen Vielfalt sowie der sozialgeschichtlichen Bedeutung dieser außergewöhnlichen Fußbekleidung. In den 1930er Jahren erschienen nun Plateauschuhe25 erstmals als modisches, industriell gefertigtes Massenprodukt, das die Fantasie von Designern als auch Konsumentinnen und Konsumenten beflügelte. Plateauschuhe sind, wie Elizabeth Semmelhack bemerkt, »po­tent markers of up-to-the-minute stylishness, an intentionally striking display of the wearer‘s active participation in fashion«.26 Im Folgenden soll dieses dezidiert modische Objekt eingefügt werden in den zeitgenössischen Diskurs zur Mode, der – wie zu zeigen sein wird – von Auseinandersetzungen um nationale Iden­tität und die Rollen bzw. Definitionen der Geschlechter beein­flusst war. Die per definitionem grundsätzliche Bereitschaft von Modebewussten, sich auf Neues einzulassen, machte die ungewohnten Schuhe zu einem begehrten Accessoire und zugleich zur Zielschei­be von Spott und Kritik. Nicht nur für modisch orientierte Konsumentinnen industrieller Massenprodukte, sondern auch für zahlreiche Jugend(sub) kulturen waren Schuhe mit dicken Sohlen de rigueur: für Zürcher Swing Boys und Swing Girls, für die französischen Zazous27

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und die Otakringer Schlurfs, deren Schuhwerk »mittels zusätz­licher alter Gummisohlen zum begehrten ›Doppelbock‹ [wur­ de]«28. Bemerkenswert ist die geschlechterübergreifende Attrak­ tivität von Plateauschuhen, zumal sich seit dem späten 18. Jahr­hundert die Fußbekleidung für Männer und Frauen stark unter­ scheidet.29 »Die moderne Frau trägt … den Glasabsatz mit eingebautem Goldfisch-Aquarium«30 Über Mode wurde auch während der Kriegsjahre kontinuierlich berichtet, und zwar nicht nur in der 1938 gegründeten Annabelle, sondern auch in L’Illustré aus der Westschweiz und den beiden Wochenzeitschriften Schweizer Illustrierte und Sie und Er. Vor allem letztere schrieb Woche für Woche teils auf mehreren Doppelseiten über modische Trends, fungierte als Moderatgeberin und mit zunehmender Kriegsdauer auch als Beraterin, wie gespart und wiederverwertet werden konnte. Relativ wenig Aufmerksamkeit galt dem Schuh, trotz seiner gewachsenen Bedeutung als modischem Accessoire – Ganzkörperaufnahmen wa­ren in der schweizerischen Modefotografie noch nicht die Regel. Rar waren ganzseitige Abbildungen, wo Schuhe, zusammen mit

[iii] »Die moderne Frau trägt…«; Bolleter (Nebelspalter 68/28, 9.7.1942)

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Taschen, Hüten, Handschuhen, Schirmen und Foulards, promi­nent gezeigt wurden,31 noch rarer Berichte ausschließlich zu Schuhen, wie der Bally gewidmete Artikel »Das blaue Band der Schweizer Qualität. Der Schuh aus Schönenwerd« in der Anna­belle.32 Ab 1942 tauchten vermehrt Schuhe mit Plateausohlen bzw. Keilabsätzen auf, allerdings nicht selten unter eher kriegswirtschaftlichen denn modischen Gesichtspunkten, so etwa unter »Ersatzstoffe«33 oder als kleine Rubrik »Worauf werden wir die­sen Sommer gehen – auf Kork, Holz oder Stroh?«34 Eine Ausnahme bildete der halbseitige Bericht »Holz ist die grosse Mode« in der Sie und Er,35 der sich, mit direktem Bezug auf einen Werbeslo­gan von Bally, mit der kleinen Sonderschau »Holz im Dienste der Mode« an der Mustermesse Basel befasste. Zunächst eher überraschend, wurden Bally-Schuhe im Satire­ magazin Nebelspalter als modisch avancierte Produkte rezipiert, ganz im Einklang mit der Selbsteinschätzung der Firma. [Abb. iii] Der ›Aquarium-Schuh‹ ist nur eine unter Dutzenden von Modekarikaturen36, die während der Kriegsjahre im Nebelspalter erschienen; im Gegensatz dazu beschäftigten sich ausländische Satiremagazine, wie Punch, Kladderadatsch oder Le canard enchaîné, nur selten mit Mode. Der Nebelspalter, dessen Auflage von einigen hundert Exemplaren in den 1920er Jahren bis auf 30’000 im Jahr 1945 stieg,37 galt und gilt bis heute als wichtiges Instrument der sogenannten Geistigen Landesverteidigung, »jener Integrationsideologie, die Einheit von Volk und Staat propagierte und geprägt war durch eine intensive Selbstbesinnung auf das ›typisch Schweizerische‹ und die Abwehr des Fremden.«38 Die wöchentlich erscheinende Zeitschrift hatte sich bereits früh, ab 1933, gegen den National­ sozialismus gewandt. Dies führte unmittelbar nach dem Krieg zu einer teils bis heute andauernden »Mythologisierung der eige­nen Vergangenheit«39, was wenig Raum ließ für kritische Re­flexionen zu den – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – nicht nur auf­klärerischen Intentionen »gegen rote und braune Fäuste«40, sondern auch anti-urbanen, anti-amerikanischen, sexistischen und rassistischen Tendenzen. Besonders häufig stand die zeitgenössische Fußbekleidung im Zentrum des Interesses. Zielscheibe des Spotts waren dabei so gut

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wie ausschließlich Schuhe mit Plateausohlen und Keilabsätzen, die wegen ihres skulpturhaften Erscheinungsbildes und der be­mer­kenswerten Veränderung der weiblichen Silhouette auffielen. Viele der Zeichnungen bewegen sich entlang klassischen To­ poi der Modekarikatur und gründen dabei meist auf dem »Ridi­külen« – ihr »Hauptzweck besteht darin, witzig-unterhaltend zu sein.«41 Willkommene Anlässe waren jeweils neue Modeerschei­ nungen. [Abb. iv] Der Plateauschuh verfügte außerdem über die Eigenschaft, der Frau ›unnatürliche‹ Körpergröße zu verleihen, was offensicht­lich die Ordnung der Geschlechter gefährdete. [Abb. v] Swiss-Baby, Züri-Schnuggerli und Swingling: Die Karikaturen von Ernst Schoenenberger Einen anderen, bedeutend weiteren Bezugsrahmen hat das ungewöhnliche Konglomerat von Zeichnungen des Grafikers Ernst Schoenenberger (1911–1963). Von 1942 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs erschienen im Nebelspalter mehr als dreißig seiner Karikaturen, über die Hälfte davon als Titel. 1950 brachte der Verlag des Satiremagazins sogar 80 Zeichnungen als Sonder­drucke heraus.

[iv] »Herbst 1942«; Lindi (Nebelspalter 68/41, 1.10.1942)

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Im Zentrum der durchwegs großformatigen Zeichnungen stehen fast ausschließlich junge, sehr modisch gekleidete Frauen, deren Erscheinungsbild akzentuiert ist durch das exaltierte Schuh­werk, auf das Schoenenberger besonders viel Sorgfalt verwendete: Es gibt kaum Wiederholungen und kaum Stereotypen. Es finden sich sogar ›reale‹ Vorlagen; so war der Schuh mit Eichhörnchen-Applikationen [Abb. xii] wiederholt in Zeitschrif­ten abgebildet, erstmals Ende Dezember 1944 in L’Illustré.42 Auffällig ist die modische Informiertheit Ernst Schoenenbergers; es lassen sich leicht Vorbilder ausmachen bei renommierten Schuhdesignern, wie Salvatore Ferragamo. Darüber hinaus benutzte der Grafiker Kleidung als visuelle Verstärkung seiner Aus­sage – die Marionettenspielerin manipuliert die Männer und bie­dert sich zugleich an: So ist etwa die Bluse der Protagonistin eine modische Variante der Uniformjacke des »vom Himmel gefallenen Amerikaners«. [Abb. xi] Das Wissen um aktuelleTrends ist eher untypisch für Karikaturisten des 20. Jahrhunderts. Wie Gun­dula Wolter darlegt, verschwand eine eng an zeit­genös­sischer Mo­de orientierte Karikatur bereits in den 1830er Jahren.43 Ikonografische Vorbilder sind hauptsächlich in der populären amerikanischen Bildkultur zu suchen, und zwar bei den im Zwei­-

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[v] »Wenn schon – – denn schon!«; Merz (Nebelspalter 67/32, 8.8.1941)

[vi] »Swing-Stimme zum F.H.D.Mangel«; Ernst Schoenenberger (Nebelspalter 69/39, 30.9.1943)

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ten Weltkrieg besonders beliebten Pin-ups – im Prinzip Ganzfigurenbilder mit einer spärlich bekleideten oder sehr figurbetont gekleideten Frau sowie einem erzählerischen Element.44 Die Hochzeit des Genres ist zwischen 1920 und 1950 anzusetzen, als eigens angestellte Illustratorinnen und Illustratoren um die Gunst der Leser der immer zahlreicheren Magazine warben.45 In Schoenenbergers Karikaturen finden sich sowohl die über­zeichneten weiblichen Körperformen und Posen wieder als auch das erzählerische Element. Darüber hinaus sind viele seiner Protagonistinnen mit der sexuellen Aggressivität und latenten Männerfeindlichkeit der femme fatale ausgestattet, durch die sich Titelbilder zeitgenössischer Groschenhefte oder die sich eben formierende ›bizarre‹ Bildkultur auszeichneten. Im Gegensatz zu diesen Bildformen, welche die Frauen ausnahmslos in extremen Stilettos darstellten, zog Schoenenberger Schuhe mit Plateausohlen oder schwindelerregenden Keilabsätzen vor. Offen­sichtlich ist sein Anschluss an den zeitgenössischen modekri­tischen Diskurs in der Karikatur, unterlegt mit einem rigiden dualistischen Geschlechterbild, das keine Abweichungen tolerierte. Eben diese strikte Definition weiblicher und männlicher Rollen war im Zweiten Weltkrieg in Frage gestellt. Unzählige Frauen

[vii] »Züri-Görl«; Ernst Schoenenberger (Nebelspalter 68/36, 3.9.1942)

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traten im zivilen Arbeitsleben an die Stelle der Männer und übernahmen schließlich selbst Aufgaben innerhalb der Armeen – auch in der Schweiz. Während die Darstellung der an der ›inneren Front‹ kämpfenden Frauen – Schreinerinnen, Schweißerinnen, Bäckerinnen – in den illustrierten Wochenblättern durchwegs positiv geriet,46 waren bei der Integration in die Armee Verunsi­ cherung und Unbehagen zu spüren. Erst 1940 wurde der Frau­enhilfsdienst FHD (Bally entwarf eigens einen entsprechenden Schuh) gegründet, mit ganz klarer Rollenteilung: Der Hilfsdienst war freiwillig, und die dienstleistenden Frauen hatten ausschließ­lich helfende Funktionen inne. Hatten sich zunächst zahlreiche Frauen gemeldet, verringerten sich bereits ab 1941 die Neuzu­gänge drastisch.47 Dass dies auch mit der politischen Rechtlosig­keit zu tun haben könnte, entging der Armeeführung nicht. Oberst Vaterlaus, ab 1942 Chef des FHD, befand, es sei der Frau un­würdig, ›in der heutigen Zeit‹ die notwendige Mitarbeit in der Armee von einer politischen Gegenleistung abhängig zu ma­chen.48 Schoenenberger reduzierte die Unwilligkeit der Frauen kurzerhand auf die Kleiderfrage. [Abb. vi] Auch bei Bally schien die weitverbreitete Angst vor der Vermännlichung der Frau auf:

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[viii] »Dem Swingling…«; Ernst Schoenenberger (Nebelspalter 69/52, 30.12.1943)

[ix] »Swiss-Baby am Start«; Ernst Schoenenberger (Nebelspalter 71/32, 9.8.1945)

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»Die Frau weiss heute, dass sie damit rechnen muss, eventuell selbst militärisch herangezogen zu werden, dass sie aber gerade darum erst recht trachten muss, sich ihre Weiblichkeit und ihren Charme zu bewahren. Sie verzichtet auf unzeitgemässe Übertreibung betreffend Silhouette und Details und folgt bereitwillig einer Mode, die auf sym­pathische Weise in weicher weiblicher Linie eine unaufdringliche zu­kunftsgläubige Heiterkeit zum Ausdruck bringt.«49

Anti-Amerikanismen Im Wesentlichen transportieren die Karikaturen, die sich formal an der amerikanischen Populärkultur orientieren und mit den Versatzstücken massentauglicher Bildkultur spielen, jedoch antiurbane, anti-amerikanische, rassistische und sexistische Inhalte. Grundton ist ein kulturell motivierter Anti-Amerikanismus – angesichts der politischen Lage anfangs der 40er Jahre doch einigermaßen erstaunlich. Bereits in einer der ersten Karikaturen aus dem Jahr 1942 sind dessen Zutaten erkennbar. Eine sorgfältig frisierte, modisch gekleidete Frau schreitet auf sehr hohen Plateauschuhen energisch durchs Bild: das »Züri-Görl« mit langen, spitzen, rotlackierten Fingernägeln, einem großen, leuchtend rotgeschminkten Mund und auffälliger Sonnenbrille. Die Textzeile wendet sich direkt an die Leserschaft, die vom »heutigen Swing« keine Ahnung habe. [Abb. vii] Sind die späteren Karikaturen stärker an der Tagesaktualität orientiert, folgen die Protagonistinnen doch stets dem Muster der jungen, modischen, swing- und amerikaversessenen, mit überbordendem Sexappeal ausgestatteten urbanen Frau. Tatsächlich war Zürich eine Hochburg von Jazz und Swing in der Schweiz. In der Esplanade oder im Grand Café Sihlporte traten international bekannte Musikerinnen und Musiker auf.50 Indes diese Veranstaltungen durchaus wohlwollend und kenntnisreich besprochen wurden,51 stieß die sogenannte Swing-Jugend mit ihrer Club-Kultur auf wenig Verständnis. Als exemplarisch kann ein Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung aus dem Jahr 1943 gelten. Neben der Beschreibung der als amerikanisiert charakterisierten (Körper-)Sprache befasst sich die Journalistin ausführlich mit dem äußeren Erscheinungsbild, den »KorksohlenKothurnen«, den knappen Röcken und rotlackierten Fingernä­geln der ›Swing-Girls‹, den überlangen Jacken und Haaren und den

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Lucky Strikes der ›Swing-Boys‹. Der Ton verschärft sich im Lauf des Artikels, wobei – analog zu Schoenenberger – gän­gige Mus­­ter der ›Nacherziehung‹ und Disziplinierung unbot­mäßiger Ju­gendlicher durch den Militärdienst bemüht werden: »Ein Trost ist uns aber sicher: die Zeiten sind hart und die Swings können sich ihnen nicht entziehen. Eines Tages erhalten sie das Auf­gebot zur Rekrutenschule, zum Luftschutz oder zur Landhilfe. Das Leben swingt dann mit ihnen in einer etwas rauheren, keineswegs miss­verständlichen Art. Aus diesem so ganz anders gearteten Swing gehen sie meistens mit klaren Augen und Beinen, die nicht mehr schlenkern, hervor.«52 [Abb. viii]

Eine anti-urbane, sprich: anti-zürcherische Haltung war im Ne­bel­­spalter nichts Neues, deren explizit anti-amerikanische Zuspitzung, verbunden mit Rassismus und Geschlechter­kampf, hingegen schon. Dan Diner beschreibt in seinem Essay »Feind­bild Amerika« die seit den 1920er Jahren virulente europäische Ablehnung des von den USA ausgehenden Wandels der Frauen­rolle.53 Frauen erschienen als tyrannische Autoritätspersonen, welche die Gleich­stellung mit dem Verlust ihrer ursprünglichen

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[x] »Das Trophäen-Beybi«; Ernst Schoenenberger (Nebelspalter 71/16, 18.4.1945)

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Schoenenbergers Frauenfiguren wurden im Lauf der Kriegsjahre im Ausdruck aggressiver, der sexuelle Unterton deutlicher: die begehrenswerte, zugleich monströse und bedrohliche Frau, die Männer ›jagt‹ und ›tötet‹. [Abb. x] Aktueller Anlass dürfte die Vereinbarung mit den USA gewesen sein, amerikanischen Offizieren und Soldaten ab Sommer 1945 einen Ferienaufenthalt in der Schweiz zu ermöglichen.55 In der Folge bereisten 300’000 GIs die Schweiz, was allerlei (erotische) Fantasien und Befürchtungen auslöste. Frauen gerieten bald unter Generalverdacht, sich mit diesen Kriegshelden auf sexuelle Verhältnisse einzulassen,56 wie Schoenenberger schon im Jahr zuvor befürchtet hatte – zum Nachteil der Schweizer Männer. [Abb. xi] Noch irritierender als die Beziehungen zu GIs waren jene zu schwarzen GIs. So ließ ein Basler Polizeiinspektor verlauten: »[…] wobei das eigentlich beschämendste für unser Land [ist], dass hie­­bei die Schwarzen bei weitem bevorzugt [werden].«57 [Abb. xii] Nicht erst der Kontakt mit den GIs schürte Ressentiments. Die anfangs 1945 erschienene Zeichnung bezieht sich auf seit Mitte 1940 internierte Soldaten in von der Schweizer Armee ver­wal­teten Lagern.58 »Daisy Tüpfi« ist als exotisch-animalisches Fa­belwesen aufgemacht; der großspurige »Hula Wumba« – Schoe-

[xi] »Der vom Himmel gefallene Amerikaner…«; Ernst Schoenenberger (Nebelspalter 70/45, 21.4.1944)

[xii] »Happi-End«; Ernst Schoenenberger (Nebelspalter 71/6, 8.2.1945)

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nenberger bezog sich wahrscheinlich auf die tirailleurs sénégalais der französischen Armee – lehnt sich an Stereotypen der ›Jim Crow‹-Figur und der Minstrel-Shows an. Dass die letzte Völ­kerschau (auch mit senegalesischen Menschen) im Zürche Zoo erst gut zehn Jahre zurücklag,59 verlieh der Zeichnung besondere Brisanz: Einst aus sicherer Distanz betrachtete Männer waren in den Schweizer Alltag eingedrungen. Wider den Strich gelesen Die konservative, ja reaktionäre Botschaft unterlaufend, transportieren Ernst Schoenenbergers Karikaturen auch Glamour und Weltläufigkeit. Steht einerseits die Mode für schamlose Versinnlichung und hemmungslosen Konsum, machen andererseits die detailverliebte Kenntnis aktueller Trends und der schwungvolle Duktus, verbunden mit grenzübergreifendem Bildwissen, die Zeichnungen weit attraktiver als manche damals in der Schweiz publizierte Modeillustration. Der Karikaturist wusste textile Materialität und Dynamik in Szene zu setzen. Diese Weltläufigkeit findet sich auch bei Bally. Selbst während der Kriegsjahre bekannte sich die Firma zur Internationalität der Mode – nicht nur aus geschäftlichen Gründen, sondern gewissermaßen auch als identitätsstiftende Haltung: regelmäßige ausführliche Berichte aus den Modemetropolen in den Hauszeitun­gen, explizite Wertschätzung des avancierten amerikanischen und italienischen Schuh-Designs und schließlich die Ablehnung einer nationalen Mode. Nach der Besetzung von Paris schrieb Grete Trapp, die hauseigene Modekorrespondentin: »Zum ersten Mal seit mehr als 100 Jahren kann man sich nicht mehr in Paris über die Mode informieren. […] Die Mode steht darob nicht still. Es gehen nur gewisse Verschiebungen vor sich, indem man sich 1. nach anderen Anregungsgelegenheiten umsieht, und indem 2. der Ausfall von Paris unversehens zum Ansporn wird, mehr selbständiges eigenes Können zu entfalten. Bezeichnenderweise wird dabei in keinem Land an eine eigenbrödlerische, national gefärbte Mode gedacht. Im Gegenteil. […] Der Gedanke etwa an eine ›schweizerische Mode‹ wird auch bei uns grundsätzlich gar nicht diskutiert.«60 88

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Wie mittlerweile diverse Publikationen belegen, wurde Mode in Kriegszeiten nicht einfach zur Marginalie. Sie konnte als Trägerin und Botschafterin totalitärer Ideologien angesehen werden,61 als bedeutender ökonomischer Faktor62 oder als individuelles In­strument, mittels bewusster Kontrolle des äußeren Erscheinungs­­­bildes dem lebensbedrohlichen Chaos zu trotzen.63 In der kriegs­verschonten Schweiz zeigten sich im Modediskurs erste Anzei­chen kommender Konflikte, etwa mit jugendlichen Subkultu­ren, unsicheren Geschlechterdefinitionen, Massenkonsum oder dem Einfluss der amerikanischen Populärkultur. 1 Annabelle 1 (1938), o.S. 2 Bundesamt für Statistik; http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/tools/ search.html [29.2.2016] 3 Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Schönenwerd: Agor AG, Jahresbericht 1939, erschienen 15.12.1940. 4 Stand 1942; Arola Hauszeitung, Nr. 32, April 1942, S. 6. 5 Arola Hauszeitung, Nr. 25, Sept./Okt. 1939, S. 1. 6 NZZ, 13.12.1942, S. 21. 7 Ebd. 8 »Abgabe und Bezug ausgestanzter Ledersohlen sowie zur Herstellung von Ledersohlen provisorisch zugeschnittener Lederstücke sind untersagt.« (Eidgenössische Kriegswirtschaftliche Erlasse, Nr. 58, Art. 2, S. 124.) 9 Seit 1941 war der Verkauf von Schuhen mit ›Rationierungscoupons‹ staatlich geregelt. (Eidgenössische Kriegswirtschaftliche Erlasse, Nr. 57, S. 170.) 10 Arola Hauszeitung, Nr. 35, Sept. 1943, S. 4. 11 Th.E. Kratzer in der Arola Hauszeitung, Nr. 35. Sept. 1943, S. 4. 12 Sudrow 2010, S. 319. 13 Arola Hauszeitung, Nr. 32, April 1942, S. 8. 14 Arola Hauszeitung, Nr. 41, Dez. 1945, S. 60. 15 Arola Hauszeitung, Nr. 38, Jan. 1945, S. 5. 16 Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement (Hg.): Der Schuhhandel in der Schweiz; Bern 1946 (Veröffentlichung der Preisbildungskommission des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes; 26), S. 31. 17 Inserat für Bally Doelker, erschienen 3.–5. April 1939 (Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Schönenwerd: Agor AG, datierte Kontroll­blätter mit Inseraten für die Bally-Filialen). 18 Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Schönenwerd: Agor AG, datierte Kontrollblätter mit Inseraten für die Bally-Filialen.

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19 Arola Hauszeitung, Nr. 32, April 1942, S. 6. 20 Vgl. Beitrag von Roman Wild in diesem Band. 21 Arola Hauszeitung, Nr. 33, Okt. 1942, S. 7 22 Arola Hauszeitung, Nr. 32, Apr. 1942, S. 6. 23 Arola Hauszeitung, Nr. 34, März 1943, S. 24. 24 Arola Hauszeitung, Nr. 27, Juni 1940, S. 2. 25 Es gibt keine klare Definition von Plateauschuhen. Im Mode- und Kostümlexikon heißt es: »Schuhe mit einigen Zentimeter hohen Laufsohlen […]« (Loschek 2011, S. 406). 26 Semmelhack 2008, S. 42. 27 Chenoune 1995, S. 205. 28 Sultano 1995, S. 93. 29 McNeil/Riello 2006, S. 94–115. 30 Nebelspalter, Nr. 28, 9.7.1942, S. 7. 31 Sie und Er, Nr. 38, 1942, o.S. (Mode-Sondernummer). 32 Annabelle, Nr. 13, März 1939, S. 28. 33 Sie und Er, Nr. 17, 1942, S. 547. 34 Sie und Er, Nr. 13, 1943, S. 418. 35 Ebd., S. 31. 36 Zu Begriff und Geschichte vgl. Wolter 2003, S. 18–38, insbes. S. 28–33. 37 https://de.wikipedia.org/wiki/Nebelspalter [29.2.2016] 38 Meier/Gysin 2003, S. 178. 39 Ratschiller 2004, S. 87. 40 [o.A.] 1949b. 41 Wolter 2003, S. 38. 42 L’Illustré, Nr. 52, 28.12.1944, S. 16. 43 Wolter 2003, S. 30. 44 Martignette/Meisel 2002, S. 22. 45 Ebd., S. 32f. 46 Meier/Gysin 2003, S. 25. 47 Ebd., S. 214. 48 Ebd., S. 214. 49 Arola Hauszeitung, Nr. 26, März 1940, S. 2. 50 Ineichen 2009, S. 31. 51 Z.B. die Besprechung eines Gastspiels des französischen »Swing- und HotSpezialisten« Jo Bouillon; NZZ, 1.12.1941, S. 2. 52 NZZ, 10.1.1943, S. 19. 53 Diner 2002, S. 29f. 90

54 Ebd., S. 30.

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55 Bochsler 2015, S. 80. 56 Ebd., S. 86. 57 Zit. nach Bochsler 2006, S. 245. 58 http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8704.php [1.3.2016] 59 Brändle 2013, S. 177f. 60 Arola Hauszeitung, Nr. 28, Sept. 1940, S. 1. 61 Z.B. Junker, Almut: Frankfurt Macht Mode 1933–1945; Marburg: Jonas Verlag 1999; Guenther, Irene: Nazi chic? Fashioning women in the Third Reich; Oxford: Berg 2004. 62 Z.B Veillon, Dominique: La mode sous l’occupation; Paris: Payot 1990. 63 Z.B. Griffith, Suzanne: Stitching for Victory; Stroud: The History Press 2009; Sultano, Gloria: Wie geistiges Kokain. Mode unterm Hakenkreuz; Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1995; Summers, Julie: Fashion on the Ration. Style in the Second World War; London: Profile Books/Imperial War Museum 2015.

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Alltags(schuh)moden der 1930er und 1940er Jahre Kerstin Kraft Die Schuhmode der 1930er und 1940er Jahre hat Design-Ikonen hervorgebracht, die nach wie vor beeindrucken: Modelle von Ferragamo, Perugia und Vivier wirken zeitlos modern, innovativ oder einfach nur schön. Wir kennen sie aus Ausstellungen und vielen Bildbänden zum Thema Schuh. Wenn es darum geht, aus­gestellt bzw. musealisiert zu werden, ist neben der Ikonizität eines Gegenstandes dessen Aura von entscheidender Bedeutung. Gerade Bekleidung und Schuhe mit ihrer unmittelbaren Nähe zum (berühmten) Trägerkörper scheinen prädestiniert, diese Aura zu transportieren. Im Folgenden wird es hingegen um Schuhe ge­hen, die im Alltag von ›Durchschnittsfrauen‹ getragen wurden. Der Aufsatz verfolgt somit das Ziel, diese Alltagsschuhmode darzustellen und den Schuh nicht als isoliertes und ikonisiertes Objekt zu beschreiben, sondern zu kontextualisieren und das Zusammenspiel von Kleider- und Schuhmode zu berücksichtigen. Für eine solche Darstellung und Analyse sind viele Aspekte von Bedeutung, die hier nicht alle ausgeführt werden können. Sie wer­den jedoch einleitend benannt und die verwendeten Quellen vor­gestellt und eingeordnet. Der anschließende Hauptteil ist chrono­logisch angelegt. Für kulturwissenschaftliche Fragestellungen gibt es zahlrei­che methodische Zugänge und Quellen. In Bezug auf die Erforschung von Kleidung (damit sind zusammenfassend Alltagsklei­dung, Mode und Accessoires gemeint) kann fast jede Quellen­gattung genutzt werden. Dies liegt u.a. daran, dass Kleidung bzw. Textilien ubiquitär und omnipräsent sind und wir sie mit allen Sinnen wahrnehmen können. Für die Darstellung einer reinen Form- und Stilentwicklung des Schuhs kann es ausreichen, ausschließlich Bildquellen zu ver­wenden. Aber schon die Beschreibung von Materialität und Technik/Verarbeitung verlangt die Auseinandersetzung mit dem Ob­jekt. Aufgrund seiner Materialbeschaffenheit bedarf der Schuh

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nicht des menschlichen Körpers, um seine Form zu erhalten – im Gegensatz zu den meisten textilen Kleidungsstücken.1 Schuh, als Alltags- und Gebrauchsgegenstand, und Körper gehören jedoch zusammen und beeinflussen einander. Interessiert beispielsweise, wie sich der Körper – Haltung und Gang – durch das Tragen eines bestimmten Schuhs verändert, kann dies erprobt oder durch filmische Quellen nachvollzogen werden. Die Fragen nach Funktion und Verwendung können demzufolge durch experimentelle Verfahren oder mit Hilfe von Ersatzquellen beantwortet werden. Der Schuh selber kann Auskunft geben über Aufenthaltsorte, anatomische Besonderheiten oder Gewohnheiten des Trägers. Auf diese Weise wird die materielle Kulturforschung zu einer Spurensuche, die von der Kriminaltechnik profitieren kann und literarische Motive aufnimmt. Ein weiterer Aspekt der Untersuchung von Schuhen kann der Klang sein. Nur die wenigsten Kleidungsstücke erzeugen Ge­räusche; Schuhe hingegen knallen, klackern oder quietschen, je nach Sohlenbeschaffenheit. Gerade aus den hier untersuchten Jahrzehnten sind den Zeitzeugen das charakteristische Dröhnen marschierender Stiefel und das laute Klappern von Holzschuhen in Erinnerung geblieben. Natürlich sollten nicht Fuß und Schuh isoliert betrachtet, sondern der gesamte bekleidete und bewegte Körper, also auch die Silhouetten- und Ensemblebildung, berücksichtigt werden. Für die Darstellung wird demzufolge der Schuh als Teil einer kulturellen Praxis begriffen und untersucht. Im Allgemeinen orientiert sich die Alltagskleidung in ihrer Ausgestaltung an der sogenannten Hochmode, der Haute Couture, an den Modenschauen und der Kleidung der ›Reichen und Schö­nen‹. Sie erscheint als massentaugliche und günstigere Variante mit zeitlicher Verzögerung als Konfektionskleidung ›auf der Stra­ße‹. Infolgedessen können Hochglanzmagazine nur indirekt Aus­kunft über die Alltagskleidung geben. Bezieht man in die Ana­ly­se ein größeres Spektrum an Zeitschriften ein, kann auch abgebil­det werden, was breiteren Bevölkerungsschichten als Vorbild und Orientierung dient.2 Der Begriff der Alltagskleidung impliziert Fragen nach der real getragenen Kleidung – wie Kleidungsstücke kombiniert, wie lan­ge und zu welchen Anlässen sie getragen wurden usw. Um diese

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Gebrauchs- und Konsummuster näher beschreiben zu können, müssen weitere Quellen hinzugezogen werden. Hierzu gehören die Objekte selber, Privatfotografien und Interviews.3 Eine ausführliche Quellenkritik ist im Rahmen dieser Ausführungen nicht möglich; es soll jedoch auf einige für diesen Zeitraum und den Untersuchungsgegenstand spezifische Aspekte hingewiesen werden. Die Historikerin Anne Sudrow schreibt: »Die Mode als ein die wirtschaftliche Entwicklung maßgeblich beeinflussendes Mas­sen­phänomen entstand beim Produkt Schuh jedoch erst in den 1920er Jahren.«4 Wie sie weiter ausführt, fanden Entstehung und Ausdifferenzierung wirtschaftlicher Mechanismen zur Steue­rung und Kontrolle des Modewechsels erst zwischen 1930 und 1950 statt.5 Diese Beobachtungen lassen sich unmittelbar auf die Analyse der Zeitschriften übertragen: Redaktionelle Beiträge, die sich zentral mit Schuhen beschäf­tigen, sind in den untersuchten Zeitschriften kaum zu finden. Schuhe waren entweder Teil einer Figurine oder wurden mit an­deren Accessoires zusammen präsentiert, also gegenüber der Klei­dermode vernachlässigt. Die Modefotografie etablierte sich erst in den 1920er Jahren; ihre Verbreitung geschah – speziell in Deutschland – nur zöger­lich. Die meisten Zeitschriften waren bis in die späten 1940er Jahre noch vorwiegend mit Modezeichnungen und -grafiken illustriert.6 Da es bei diesen Zeichnungen vorrangig um die Darstellung der Kleidung ging, wurden die restlichen Bestandteile häufig nicht ausgezeichnet bzw. über lange Zeit immer dieselbe Grundfigurine verwendet. Diese trug teils über Jahre die gleiche Schuhform, die so zu einer Grund- oder Standardform wurde. Für den untersuchten Zeitraum lässt sich festhalten, dass sich diese Standardformen in immer kürzeren Abständen änderten, d.h. der Mode­wechsel nun auch die Visualisierungsformen der Fußbekleidung erreichte. Teils wurden diese Standardformen beim Kolorieren an die gezeigte Kleidung angepasst. Ob diese Farben als Modefarben zu interpretieren sind, als Abbild der herrschenden Schuh­mode oder als Hinweis darauf, dass die Schuhe auf die Farbe der Kleidung abgestimmt werden sollten, bleibt zu fragen. Die Mode­fotografien in den teuren Modemagazinen – und zunehmend auch in anderen Zeitschriften – waren vorwiegend schwarz-weiß und

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für die Farbidentifizierung nicht zu verwenden. Das gleiche gilt für die Privatfotografie, die sich zwar ab den 1920er Jahren stark verbreitet hatte und demzufolge eine ergiebige Quelle ist, aber auch keine Auskunft über Farbklänge und -kombinationen geben kann.7 Ein weiteres Problem, ein Spezifikum des Untersuchungsgegenstandes, ist die Wahl des Bildausschnitts. Sowohl Privat- als auch Modefotografien wurden häufig so angeschnitten, dass die Schuhe nicht zu sehen sind. Zudem war ein Teil der (Abend-)Mode in den 1930er Jahren bodenlang und verdeckte die Schuhe voll­ständig. Der folgenden chronologischen Darstellung sollen noch zwei Bemerkungen zur Historizität vorausgeschickt werden: Untersuchungen zu Mode und Bekleidung bewegen sich immer vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse. Das heißt in diesem Fall: Faschismus, Krieg und Konzentrationslager. Diese und andere zeithistorische Gegebenheiten werden hier nur in konkreten Zusammenhängen erwähnt, aber immer mitgedacht. Außerdem gilt es zu berücksichtigen, dass viele der verwendeten Quellen nicht genau zu datieren sind, woraus sich die Schwierigkeit ergibt, Anfangs- und Endpunkte einer Modeentwicklung zu benennen. Viele Silhouettenveränderungen geschehen nicht plötzlich, als Erfindung über Nacht, sondern entwickeln sich langsam. Die­­ser Prozess de longue durée verläuft zudem weder linear noch all­gemeingültig; beispielsweise aufgrund regional- oder schichtenspezifischer Unterschiede verlaufen die Übergänge zeitversetzt und fragmentarisch. Betrachtet man die Zeit zwischen 1930 und 1950, ist festzustellen, dass einige der für die Kleider- und Schuhmode bedeuten­den Veränderungen bereits in den 1920er Jahren eingesetzt hatten: Mit dem Begriff der Moderne verbinden sich jene der Mobilität und Geschwindigkeit, der Elektrifizierung und der Massenmedien. Diese Schlagworte finden sich materialisiert in der Kleidung bzw. in Kleidungspraxen: Die Landflucht führte u.a. zum Ablegen der Tracht; das schnelle Leben in der Großstadt brachte die Idee des Verwandlungskleids mit sich; der geforderten Mobilität wurde durch kürzere Röcke Rechnung getragen. Die Beschleunigung des gesamten Lebens wurde in die Stromlinienform umgesetzt. Und nicht nur die Form von Kleidung und Mode änderte sich,

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sondern auch der Wechsel der Moden als Konsumverstärker. Wie wir sehen werden, nahm die Schuhmode solche Veränderungen langsamer auf als die Kleidermode. Dies hat u.a. mit den Produk­tionsbedingungen, den Verkaufspreisen und, daraus abgeleitet, mit herrschenden Konsummustern zu tun. [Abb. i] Die in den 1920er Jahren kurz gewordenen Röcke rückten die Beine und damit Schuhe und Strümpfe ins Blickfeld. Die Klei­dungsform wurde zum Zeichen der Mobilität, und ein Tanz –  also eine Bewegungsform – wie der Charleston als Synonym einer Epo­che verlieh den typischen Kleidern ihren Namen. Die Schuhe mussten die ruckartigen, hektisch anmutenden Bewegungen ermöglichen; fast immer mit einfachen, gekreuzten oder T-Riemen versehen, konnte man sie beim Tanzen nicht verlieren. Die Abbil­dung von 1929 zeigt die typische Schuhform mit spitzer Kappe und Riemen. Diese Form findet man in der Modegrafik bis in die 1930er Jahre; analog dazu wurden auch die Figuren – also das kör­perliche Ideal – stereotyp wiedergegeben. [Abb. ii] Der Vergleich mit einer Privatfotografie aus den späten 1920er Jahren verweist zum einen darauf, dass die real getragenen Schu­he – aus dunklem Leder, mit spitzer Kappe, einem Riemen und ca. 3 cm hohen Absätzen – der in den Zeitschriften gezeigten Grund­form entsprechen; zum anderen lassen sich an der schmalhüftigen, schlanken, androgynen Frau und der Ensemblebildung Abweichungen vom Vorbild erkennen. In der breiten Bevölkerung wurde der Schuh nach Jahreszeit und Anlass, nicht nach Farb- und Materialaspekten kombiniert und nicht aus modischen Gründen, son­dern aufgrund von Abnutzung und Verschleiß nach langer Trage­dauer ausgemustert. Erst ab den 1930er Jahren wurde der Damen­schuh in verschiedenen Farben angeboten, was u.a. den Übergang von der Standardware zum modischen Produkt kennzeichnete.8 Erlauben Einzelbilder den Vergleich bestimmter Aspekte, kön­nen Entwicklungen wie dieser Übergang durch die Analyse ei­nes Quellenkonvoluts nachgezeichnet werden. Es handelt sich um Privatfotografien, erhaltene Kleidungsstücke und die mündlich überlieferten Erinnerungen des Sohnes. Die Fotografien zei­gen die Mutter als junge Frau in einer Stadt bei Frankfurt am Main.9 Mit einem Lehrer verheiratet, der sie gerne und oft foto­grafierte, war sie an modischer Kleidung interessiert und konnte sich die Modewechsel leisten. [Abb. iii]

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Das Bild zeigt die für die 1920er Jahre typische Kleid- und Schuh­form mit den charakteristischen Elementen der tiefsitzenden Taille, der kniebedeckenden Rocklänge, der schmalen Schultern, der den Kopf engumschließenden Hutform und der Riemenschuhe. Der Übergang zur Kleidermode der 1930er Jahre ist durch ein stetiges Längerwerden der Röcke und eine Rückkehr der Kleidertaille an ihre natürliche Stelle gekennzeichnet. Diesen sich in den Zeitschriften schon ankündigenden Formenwechsel vollzieht Frau L. mit einer Verzögerung von zwei bis drei Jahren. [Abb. iv] Noch 1931 sehen wir sie in einem Sommerkleid und Riemenschuhen aus den 1920er Jahren. Am erhaltenen Originalkleid lässt sich erkennen, dass es später modisch verändert wurde: Um das Kleid zu verlängern, wurde aus dem weich fallenden Kragen ein Tailleneinsatz, versehen mit Gürtelschlaufen auf Höhe der natürlichen Taille. Aus der gleichen Zeit stammt die Aufnahme, die sie in einem Kleid zeigt, das einige der genannten Veränderungen der frühen 1930er Jahre aufnimmt, und mit Schuhen, die noch aus dem alten Repertoire stammen. [Abb. v] In den Modezeitschriften kann man diesen Übergang genau­er beobachten und feststellen, dass Röcke und Kleider häufig lose Teile, unterschiedliche Saumlängen und asymmetrische Tei­lungs­nähte aufweisen. Auch die Ärmelsäume sind einbezogen, sodass überlange Ärmel, lose herabhängende Stoffteile und ex­travagante Manschettenformen die Bewegungen optisch verlängern. Durch Pelerinen, große Kragenformen und später auch Hü­te mit Krempen statt der eng anliegenden Kappen der 1920er Jah­re wird das Augenmerk wieder stärker von den Beinen weg, hin zur Schulterpartie gelenkt.10 [Abb. vi] Zwei Jahre später trug auch Frau L. die lange Kleidform mit Pe­lerinenkragen, einen Hut mit Krempe und neue Schuhe. Anhand der Beispiele wird deutlich, dass je nach modischem Interesse und finanziellen Möglichkeiten das Schuhrepertoire variierte. Allein aufgrund ihrer Beschaffenheit und des verhältnis­mäßig hohen Anschaffungspreises waren die Tragedauern von Schuhen sehr viel länger als jene von textilen Kleidungsstücken, obwohl eine modische Anpassung des Schuhs praktisch nicht möglich ist.

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[ii] Gruppenfoto, ca. 1928 (Privatbesitz)

[i] Typische Kleid- und Schuhform, 1929 (Modenzeitung fürs Deutsche Haus, Heft 5, 1929, S. 4) [iii] Frau L., 1928/29 (Privatbesitz)

[v] Frau L. in einem kniebedeckenden, leicht ausgestellten Kleid mit auffälliger Manschettenform, 1931 (Privatbesitz)

[iv] Frau L. in einem gerade geschnittenen, ärmellosen, knie­ langen leichten Sommerkleid, 1931 (Privatbesitz)

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Wie bereits erwähnt und von Anne Sudrow ausführlich beschrieben, begannen die Schuhhersteller in Deutschland die Erkenntnisse der Wirtschafts- und Marktforschung nur lang­sam umzu­setzen und die veränderten Produktionsbedingungen zur He­r­stellung billigerer Konfektionsware zu nutzen. Doch es war nicht nur die modische Praxis, die den Bedarf künstlich erzeugte, sondern auch ein gesellschaftlicher Wandel, der zur Erweiterung des Schuhrepertoires führte. Sportliche Aktivitäten, Urlaube am Strand oder in den Bergen waren nicht mehr nur den Reichen vor­behalten.11 Das folgende Zitat verweist auf die Bedeutung, aber auch Herausforderung, die der modisch gewordene Schuh mit sich brachte: »Am Stil des Schuhs kann man den Stil der Frau erkennen. Im einfachen edel geschnittenen Schuh drückt sich der gute Geschmack der Dame aus. Unauffällig passt sich der Schuh in Farbe und Form dem Anzug an. Abweichend in der Farbe darf er sein, wenn er im Farbeinklang zu Handschuhen, Gürtel und Tasche steht. – Der flache Absatz des am Rand genähten Schuhs bleibt dem Vormittag vorbehalten, Stöckel­schühchen mit hohen Absätzen und kunterbunten Verzierungen sollten niemals zu einem sportlichen Kleid getragen werden. – Unauffälliger Schmuck wird dem Nachmittags-Schuh erlaubt. […] Für den Abend ist alles hübsch, was geschmackvoll ist.«12

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Auch wenn diese Regeln Frauen aus der gehobenen Schicht als Zielpublikum und Leserschaft ansprechen, ist der Hinweis für das Repertoire weniger Begüterter enthalten: Wenn man Handschu­he, Tasche, eventuell noch einen Gürtel und die Schuhe auf ein­ander abstimmt, kann dieses Ensemble zu allem getragen werden. Betrachtet man nun wieder die Kleidermode, zeigt sich, dass die Abend-, Tages- und Nachmittagskleider in der ersten Hälfte der 1930er Jahre kontinuierlich länger wurden, die Betonung der Schulterpartie blieb, nun jedoch durch Polsterungen erzielt, und die Ärmelausgestaltung besondere Beachtung fand (mit angesetzten, völlig funktionslosen Teilen, Raglan- und Fledermausärmeln).13 Die Absätze der Schuhe wurden höher, und zweifarbige Schuhe wurden zumindest in den Zeichnungen auf die Farben des Kleides abgestimmt. Bei den Kleidern wurde ›zweierlei Material‹ als Trend ausgerufen und zweifarbige Schuhe zu zweifarbigen

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Tageskleidern empfohlen.14 1936 deutete sich erneut eine Ver­ände­rung der Silhouette an: Sowohl bei den Abendklei­dern als auch bei den kürzeren, die halbe Wade bedeckenden Tagesklei­dern und Kostümen wurden die Röcke im unteren Bereich wieder etwas weiter. Hieraus entwickelten sich zwei Formen, die in der Abendmode als ›romantischer‹ und als ›schlanker Stil‹ bezeichnet wurden. In der Tagesmode wiederholten sich die For­men als gerade geschnittene Kostümröcke und als ausgestell­te Röcke der taillierten Kleider. [Abb. vii, Abb. viii] Nebeneinander gestellt, verweisen Privatfotografie und modisches Vorbild darauf, wie man die modische Linie umzusetzen versuchte, in diesem Fall durch eine junge Angestellte aus Königsberg, die Wert auf eine passende, modische Garderobe legte.15 Sie trägt einen schmal geschnittenen dunklen Wollmantel, der die Rockform des Kostüms aufnimmt und mit einer leichten Polsterung und Kräuselung der Armkugel die Schulterpartie betont. Der dunkle Wollfilzhut entspricht der modischen Form, auch wenn die Trageweise eher brav wirkt. Handschuhe, Handtasche und Schuhe sind ebenfalls in einem dunklen, nicht näher bestimmbaren Farbton gehalten. Die Schuhbezeichnungen in den Zeitschriften sind nicht immer eindeutig: Das gezeichnete wie auch das fotografierte Modell wird als Trotteur, Halbschuh oder Pumps bezeichnet. [Abb. ix] Zum Sommerkleid trägt sie weiter ausgeschnittene Pumps und folgt so auch den modischen Hinweisen: »Als immer gültige Form zu dem Nachmittagskleid kann man die Pumps ansehen.«16 Das Lavabel-Kleid ist tailliert, hat einen ausgestellten Rock und angekräuselte Ärmel; es ist in Form und Musterung charakteristisch für die zweite Hälfte der 1930er Jahre. Frau P. erwähnt dieses Kleid mehrfach im Interview und berichtet, sie habe es lange getragen. Anhand der Vergleiche mit Zeitschriften und anderen Privatfotografien wird deutlich, dass die Selbsteinschät­ zung durchaus berechtigt ist: Die junge Frau stimmte ihre Garderobe aufeinander ab und folgte auch bei den Schuhen der Mode. Neben den Pumps, die sich offensichtlich schon in den 1930er Jahren als Allrounder etablierten, gab es zahlreiche andere Schuh­formen. Bei der Durchsicht der Zeitschriften fällt auf, dass die Jahre 1938/39 eine Art Übergang markieren, eine Phase von sehr großer Vielfalt an Schuhen mit alten und neuen Formen. Es gab

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›moderne Stiefel‹, ›Knöpfstiefelchen‹, ›Abendsandalen‹, ›Strandschuhe‹, ›Sportschuhe‹, Schuhe mit ›dicken Sohlen‹, mit ›Keil­ sohlen‹, in ›Karreeform‹, aus Holz, Kork, Wachstuch, Horneidechse, Ozelot, Seehundfell, Antilopenleder, Boxcalf, Wildleder, Nubuk, Cellophan usw.17 Dieser summarische Befund verweist darauf, dass vor Kriegsausbruch viele Formen schon angelegt waren und die unterschiedlichsten Materialien verarbeitet wurden. Daraus folgt, dass es nicht ausschließlich der Materialmangel in Kriegszeiten war, der Holzschuhe und Keilsohlen hervor­brachte.18 Der Einsatz unterschiedlicher Materialien hatte u.a. auch wirtschaftliche Gründe: Es sollten Devisen und Rohstoffe gespart und kriegsvorbereitende Maßnahmen getroffen werden. Dementsprechend wurde die Entwicklung von neuen (Innovati­on) und Ersatzmaterialien (Importverbote) staatlich gefördert.19 Zeichen von Luxus und Designinnovationen war der Einsatz von Exo­tenleder und Plexiglas bei Schuhen, die in geringen Stück­zahlen hergestellt und exportiert werden sollten. Holz und Stroh hingegen waren leicht verfügbar; in Notzeiten eingesetzt, wurde damit die sich ankündigende modische Entwicklung fortgesetzt: Es gab Neuinterpretationen des Holzschuhs und der Strohsandale.

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[vi] Frau L. in einem die Wade bedeckenden hellen Sommer­kleid mit Pelerinenkragen und stoffbezogenem Gürtel, 1933 (Privatbesitz)

[vii] Frau P. in einer Einkaufsstraße in Königsberg, 1939 (Privatbesitz)

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Um 1940 hatten sich die einzelnen Formelemente der Kleidung so weit verändert, dass sich eine sehr ausgewogene Silhouette mit leicht verbreiterter Schulterpartie, schmaler Taille und leicht ausgestellten, nur noch bis zum Knie reichenden Röcken abzeichnete. Diese Silhouette zeigte die Form von zwei aufeinander stehenden Kegeln. Füße und Kopf bzw. Schuhe und Frisur oder Kopfbedeckung unterstützten dieses Gleichgewicht, das keine Körperpartie besonders betonte oder exponierte. [Abb. x] Die Schuhe wurden zunehmend aus den erwähnten Lederersatzmaterialien hergestellt, deren Einsatz Formveränderungen notwendig machten.20 Dieser Umstand wurde in den Zeit­schrif­ten nicht expliziert; die Absatzformen wurden beispielsweise mo­disch legitimiert: »Die Keilabsatzform und die verdickte Sohle ha­ben sich, nach längerer Anlaufzeit, auch in Deutschland bewährt und neben den bisherigen Formen endgültig durchgesetzt.«21 In der exklusiven Zeitschrift Die Mode wird die Keilsohle als funktionales Moment der Mode angepriesen: »Durch die Keilsohle wird der Wunsch der Frau, größer zu erscheinen, auf angenehmere Art verwirklicht, als durch den Stöckelschuh.«22 In den gleichen Zeitschriften fand man nun auch Anleitungen zur Herstellung

[viii] »Dreß aus Rock mit Westenbluse und losem Mantel zusammengestellt« (Die Dame, Heft 4, 1938, S. 34)

[1x] Frau P. in einem gemusterten Kleid aus den späten 1930er Jahren, 1941 (Privatbesitz)

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von Schuhen aus vorhandenen Materialien.23 Die offene Form der Schuhe, in der Vogue von 1939 noch scharf kritisiert,24 fand eine positive Umwertung, indem postuliert wurde, die ›fersenfreie Form‹ schone die Strümpfe.25 Der Materialmangel wird auch an der Ausgestaltung und Ensemblebildung mit anderen Produkten deutlich. Feine Strümpfe mussten durch sehr viel dickere oder durch heruntergerollte Söckchen ersetzt werden. Dies hatte auch Auswirkungen auf die Schuhform: Die Schuhe mussten ausreichend weit sein, geschlos­ sen und in Ausführung und Linienführung nicht zu elegant. Aus diesem Zusammenspiel von knielangem Rock, robusten Schuhen und exponierten Strümpfen ergaben sich eine eigene Ästhetik –  eine Art ästhetisierter Mangel – und ein erkennbarer Stil. Wie der Bemerkung einer Zeitzeugin zu entnehmen ist, gefiel dieser Stil aber nicht jedem: »Nee, dann lieber keine Strümp­fe, keine Söck­chen.«26 Andere Zeitzeugen erinnern sich häufig an diese Kleidungsstücke, deren Tragekomfort gering war. Aus Materialien wie Kartoffelsackgarn oder aufgeribbelten Munitionsgurten gefertigt,

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[x] Korrespondierende Materialien: Strohhut und Strohsohle; fersenfreie Schuhform (Mode und Heim, Heft 7, 1942, S. 10) [xi a] Um 1930: Die Frau kann sich in ihrer Kleidung frei bewegen: Material und Schnitt behindern nicht, die Kopfbedeckung beschränkt nicht die Sicht, die Hände sind nicht durch eine Handtasche oder andere Accessoires unfrei. (Modenzeitung fürs deutsche Haus, Heft 4, 1929, S. 4 /  Privatfotografie 1930 aus Privatbesitz)

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kratzten sie, waren nicht elastisch oder gingen schnell kaputt. Den Zeitschriften kam die schwierige Aufgabe zu, die deutsche Hausfrau zu Sparen und Verzicht aufzufordern sowie gleichzeitig die Heimatfront zu stärken und bei Laune zu halten.27 Diese Verbraucherlenkung wurde über den Zeitschriften-Dienst als Teil der Presselenkung ausgeübt.28 Dort finden sich konkrete Hinweise auf den Zusammenhang von Moden und Materialverschwen­dung. Beispiele für die Umsetzung sind in der Modedarstellung das Weglassen von Handtaschen und Handschuhen oder der Ersatz von Leder durch Wolle.29 Die reale Bekleidungssituation für die Kriegszeit zu beschreiben, erweist sich aufgrund der veränderten Quellenlage als schwierig: Die Zeitzeugen erinnern vorwiegend die Extreme, die Privatfotografien zeigen vor allem Soldaten und ihre Aufent­haltsorte, und die Schuhe selber wurden bis in die Nach­kriegs­­zeit voll­ständig aufgetragen. Hinzu kommt, dass die Ausnah­me­situation des Kriegs und der nationalsozialistischen Dikta­tur Verhältnisse ge­schaffen hatte, die nicht den normalen Ab­läufen im Sinne der wirtschaftlichen Organisation entsprechen. Demzufolge waren die (materiellen) Profiteure dieser Umstände keine definierte Grup­pe, sondern in allen Schichten zu finden. Staatlich geregelt wurde der Grundbedarf an Kleidung bzw. die notwendige Kriegsrationierung über die ›Reichskleiderkarte‹.30 Zudem gab es Ausgabestellen für Bedürftige, deren Waren aus den Kleidersammlungen, aber auch aus dem Besitz der Geflohenen und Deportierten stammte.31 Außerdem plünderten die Soldaten der Wehrmacht die eroberten Gebiete, und mancher Feldpostbrief liest sich wie eine Einkaufsliste.32 Wie die Zahlen dieser Raubzüge im privaten Bereich gesamtwirtschaftlich einzuschät­zen sind, ist schwer zu sagen. Nimmt man jedoch nur den klei­nen Ausschnitt an mündlichen Quellen, so hatten fast alle, die sich erinnern konnten oder wollten, materiell davon profitiert, Angehörige bei der Wehrmacht zu haben. Stellvertretend ein Zitat von Frau P. mit einer entsprechenden Aussage über Schuhe: »Schuhe hatte ich aus Dänemark bekommen von meiner Freun­din ihrem Mann. Und meiner Freundin, der passten die nicht. […] Und das waren weiße Nubukleder. Waren wunderschöne Schuhe, Pumps. Die hab ich dann getauscht mit anderen aus Frankreich, die hatten dann nur so kurze Fersen hinten. Das war auch nicht so

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gut. Die hab ich dann umgetauscht, und dann hatte ich schöne Schuhe.«33 Der folgende Bildervergleich dient einer abschließenden Zusammenfassung in Hinblick auf das Zusammenspiel von Schuh und Kleid. Anhand des umfangreichen Bildmaterials (Modegra­fik, Modefotografie, Privatfotografie) wurden für den untersuchten Zeitraum drei Hauptsilhouetten herausgearbeitet. Die beschriebenen Formen des langsamen Übergangs wurden hierbei ausgeblendet. [Abb. xi a, xi B, xi c] Die Schuhe der 1920er Jahre weisen fast immer Riemchen auf, die einen festen Sitz am Fuß garantieren und damit Bewegung erlauben, ob beim Tanzen oder beim Gehen in der Stadt. Sie umschließen den Fuß, ohne ihn zu erweitern, und bilden einen Abschluss des Körpers, analog zur engen Kappenform der Kopfbedeckung bzw. der Frisur. Es ergibt sich eine insgesamt dynamische Form: Die einzelnen Körperteile können sich bewegen; die Gesamtsilhouette des Körpers folgt der Stromlinienform. Die Schuhe der 1930er Jahre haben häufig eine offene Schlupf­form. Die Dynamik dieser Schuhe liegt weniger in der Möglich­keit, wirklich Bewegung auszuführen, als darin, Bewegung zu suggerieren. Die Stromlinienform des Stils wird also nicht auf den Gesamtkörper übertragen, sondern auf seine Wirkung. So wie die

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[xi b] Um 1937: Nicht nur das Kleid hat in diesem Fall die moderne ›weiche Linie‹ angenommen, sondern auch die Körperhaltung. Die Schuhe nehmen diese Linienführung im Fersenteil und mit der hoch angeschnittenen Lasche auf. (Privatfotografie/ Die Dame, Heft 3, 1937, S. 30/ Die Dame, Heft 26, 1938, S. 62)

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kurzen Kleider der zwanziger Jahre den Blick auf die sich bewe­ genden Beine freigaben und die Bewegungen des Körpers noch durch lose Kleidteile, wie Fransen, Zipfel und Perlenschnüre, ver­längert wurden, so sind es in den 1930er Jahren Kleider, die im Schräg­schnitt über den Körper und teilweise über den Boden fließen. Die Schuhe nehmen dieses Motiv auf: Eine verlängerte Lasche oder durchbrochene, ineinander verflochtene Teile dynamisieren optisch. Für die Mode der Kriegszeiten ist die faktische Erhöhung des Frauenkörpers durch die Plateausohle und durch Frisuren und Turbane auffällig. Schuhe, Kleidung und Kopfbedeckung umschließen den Körper nicht eng, sondern erweitern ihn. Hierbei handelt es sich nicht um lose Teile, sondern um relativ starre Formen: Die Turbane werden fest gebunden, die Schultern sind gepolstert; die starren Schuhe aus Holz oder Kork verändern den Gang. Die Bewegung, die durch die Schuhform eingeschränkt ist, wird optisch ausgeglichen: Viele der Zeichnungen und Mode­fotografien zeigen die Frauen in der Bewegung oder in einem breit­beinigen Stand. Für viele bedeuteten Kriegsende und Nachkriegszeit größte materielle Not. Die damit einhergehenden modischen Veränderungen sind Gegenstand anderer Darstellungen.

[xi c] Um 1942: Dieses modische Vorbild versuchte man durch einfachere Schuhe mit weniger hohem Keilabsatz aus Stroh und mit einem dieser Hutform ähnlichen Turban zu erreichen. (Die Mode, Heft 4, 1943, S. 13 / Privatfotografie 1942 aus Privatbesitz)

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1 Dies könnte ein Grund dafür sein, dass Schuhe und andere Accessoires, wie Handtaschen und Hüte, so oft isoliert präsentiert und analysiert werden. 2 Teile des Quellenmaterials, das ich hier verwende, waren Bestandteil des von der VolkswagenStiftung geförderten Forschungsprojekts »Soziokulturelle Untersuchungen der Mode und Bekleidung der 1930er und 1940er Jahre«, in dem die Schuhe nicht spezifisch untersucht wurden. Die zugehörige Publikation (in Vorbereitung) enthält u.a. eine ausführliche Darstellung der Modeentwicklung. Für die vorliegende Untersuchung der Schuhe wurde das Quellenmaterial einer Revision unterzogen. Folgende Zeitschriften wurden einbezogen: Die Dame; Die Mode; neue linie; Modenzeitung fürs Deutsche Haus; Mode und Wäsche; Mode und Heim; Neue Moden; Die schöne Frau; NS-Frauenwarte; Rundschau für die Deutsche Damenschneiderei. 3 Auch die Zeitzeugenbefragungen wurden größtenteils im Rahmen des erwähnten Forschungsprojekts durchgeführt. Es handelt sich hierbei um narrative Interviews mit Frauen und Männern der Jahrgänge 1915 bis 1935. Nicht nur aufgrund des hohen Alters der Interviewpartner, sondern auch wegen des Untersuchungsgegenstands fielen die Einzelergebnisse teilweise mager aus: Wer erinnert sich schon nach so langer Zeit daran, was er in einem bestimmten Alter getragen hat, wie viele Schuhe sie besessen hat, wo die Mutter eingekauft hat usw. Da die Erinnerung vorwiegend über das Besondere funktioniert, wurden Lieblingsschuhe oder aber die Strohsohlen, die bei Regen sofort durchweicht und zerstört waren, und die meist unbequemen Holzschuhe mit ihrem Geklapper erinnert. In den Interviews wurde häufig auf Privatfotografien Bezug genommen. Diese Fotografien wurden unabhängig von den Interviews zusammengetragen und unter verschiedenen Aspekten untersucht. 4 Sudrow 2010, S. 154. 5 Vgl. ebd., S. 147. 6 Moderegger 2000, S. 21. 7 Vgl. Starl 1995, S. 98. 8 Sudrow 2010, S. 151. 9

Diese junge Frau (Jg. 1906) wird im Folgenden als ›Frau L.‹ anonymisiert.

10 Vgl. Haase 2008, S. 27–44. Birgit Haase gibt zu dieser Übergangszeit einen ausführlichen Überblick und eine sehr differenzierte Darstellung. 11 Die einsetzende Diversifikation nach Funktionen und geschmacksbildende Maßnahmen schlugen sich um 1935 in Beiträgen in den Zeitschriften nieder. Wertet man die Anzeigen in den Zeitschriften aus, zeigt sich, dass auch 108

die Strumpfhersteller das ›Problem‹ erkannt hatten, nun farbige Strümpfe

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anboten und die unerfahrene Konsumentin berieten. In der Zeitschrift Die Dame trägt 1936 eine Anzeige von Elbeo den Titel »Welche Strumpffarbe trägt man dazu?« Gezeigt werden ein schwarz-weiß gemusterter Stoff und weiße Sandalen. Dazu trage man am besten einen braunen Strumpf von Elbeo mit der Farbbezeichnung ›Sioux‹ (Die Dame, Heft 10, 1936, S. 51). 12 Die Dame, Heft 6, 1936, S. 23. 13 Vgl. Rundschau für die Deutsche Damenschneiderei, Heft 4, 1935, S. 187. 14 Vgl. beispielsweise: Deutsche Moden-Zeitung, Heft 8, Januar 1936, S. 206; Rundschau für die Deutsche Damenschneiderei, Heft 6, 1935, Modell Nr. 153. 15 Diese Fotografie ist Bestandteil eines Konvoluts, das die Zeitzeugin ›Frau P.‹ (*1919) zur Verfügung gestellt hat. Aus den Interviews und den Fotografien geht hervor, dass sie modisch interessiert war und über ein diversifiziertes Schuhrepertoire, das beispielsweise offene Strandsandalen enthielt, und Materialwissen verfügte. 16 Die Dame, Heft 6, 1937, S. 30. 17 Da es darum geht, die modische Bandbreite zu zeigen, wurde vorwiegend die Zeitschrift Die Dame analysiert, aus der die hier genannten Bezeichnungen stammen. 18 Es kann und soll natürlich nicht geleugnet werden, dass in Kriegs- und Nachkriegszeiten ein erheblicher Mangel an Schuhen und Materialien, aber auch an Schustern sowie Facharbeitern für Produktion und Reparaturen herrschte. 19 Vgl. Junker 1999, S. 32f. 20 Auf diese Wechselwirkungen kann hier nicht näher eingegangen werden. Wie eng Material und Form voneinander abhängen, wird augenfällig, wenn man Schuhformen der 1930er und 1940er Jahre mit späteren Modellen vergleicht: Holzschuhe mit aufwendig gestalteten Sohlenformen z.B. der Firma Policky-Rieker lassen an Schuhe der Firma Trippen denken, und mancher Plateauschuh mit Korksohle könnte fälschlicherweise in die 1970er Jahre datiert werden. 21 Die Dame, Heft 7, 1942, S. 18. 22 Die Mode, Heft 7, 1942, S. 38. 23 Betrachtet man diese Anleitungen, wird deutlich, wie viel schwieriger Schuhe (im Gegensatz zu textiler Bekleidung) selbst herzustellen sind; Materialien wie Kork, Holz, Stroh und Textilien wurden nicht nur aufgrund ihrer Verfügbarkeit, sondern auch der Möglichkeit ihrer Verarbeitung mit herkömmlichen Techniken (z.B. Flechten) und Werkzeugen verwendet. Vgl. beispielsweise: Die Dame, Heft 12, 1942, S. 19.

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24 Vgl. Probert 1981, S. 36f. 25 Die Mode, Heft 7, 1942, S. 38. 26 Interview mit ›Frau P.‹ (*1919) am 4. Juli 2011; unveröffentlichtes Transkript. 27 Die Zeitschriften selber waren natürlich auch vom Materialmangel betroffen: Das Papier wurde immer dünner, die Papierqualität nahm ab, und Modefotografien wurden vermehrt durch Modezeichnungen ersetzt. Wegen der Papierkontingentierung reduzierte sich die Anzahl der Erscheinungen insgesamt, und die NS-Frauenwarte wurde im Frühjahr 1945 als letzte eingestellt. 28 Der Zeitschriften-Dienst wurde 1939 eingerichtet und informierte die Redaktionen über Ziele und Absichten der pressepolitischen Führung. Dies geschah in Form von regelmäßig erscheinenden Merkblättern, die der Geheimhaltungspflicht unterlagen. Diese Merkblätter können beispielsweise in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig eingesehen werden. 29 In der Zeitschrift Mode und Heim findet sich beispielsweise 1943 die Modezeichnung einer Frau im grauen Mantel, zu dem sie Turban, Handschuhe, Strümpfe und einen gestrickten Beutel aus weinroter Wolle trägt. Die einheitliche Kolorierung der Accessoires erzeugt eine optische und damit auch modische Klammer. Mode und Heim, Heft 9, 1943, S. 7. 30 Vgl. Bennemann 2012, S. 60f. 31 Vgl. Aly 2007, S. 140f. 32 Vgl. ebd., S. 114. Götz Aly zitiert Beispiele aus den Briefwechseln von Heinrich Böll. Dieser Befund lässt sich anhand anderer Feldpostbriefsammlungen oder der im Projekt entstandenen kleinen Sammlung bestätigen. 33 Interview mit ›Frau P.‹ (*1919) am 4. Juli 2011; unveröffentlichtes Transkript.

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Zu den Konjunkturen des Modeschuhs und den Kontroversen um Schuhmode in der Schweiz (1920 –1950) Roman Wild Im Herbst 1939 bekamen mehrere tausend Kinobesucherinnen und -besucher einen Reklamefilm mit dem Titel »Frau Mode spielt auf!« vorgesetzt.1 In diesem Zeichentrickfilm war eine rotgewandete, mit einer goldenen Krone geschmückte Frau zu sehen, die auf einer Orgel spielte. [Abb. i] Es handelte sich um die titel­gebende Frau Mode, die allmächtige Schöpferin und Taktgeberin zyklisch sich ausbreitender Kleider-, Schuh- und Schmuckmo­den. Angeleitet von ihren harmonischen Melodien, schwebten Putten aus den Orgelpfeifen und machten sich ans Einrichten von Verkaufsläden. Die Schaufensterpuppen in modegerechten Kleidern und Schuhen erwachten alsbald zum Leben und entfalteten ein geschäftiges Treiben; die in den Wertschöpfungsprozess des Schuhs eingebundenen Industrien erlebten eine Hochkonjunktur. Unvermittelt geriet das Orgelspiel allerdings ins Stocken, und Frau Mode griff vergebens in die Tasten. Ihre dienstbeflissenen Putten eilten sofort herbei, um die Orgelmechanik instand zu setzen, doch der Schaden war bereits angerichtet. Ein derber, für die urba­ne Kundschaft gänzlich unpassender Stiefel war den Orgelpfeifen

[i, ii] Filmstills aus »Frau Mode spielt auf!«, Bern 1939

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entwichen. [Abb. ii] Bei seinem Anblick fielen die Schaufenster­puppen in Ohnmacht und hielten sich potenzielle Kundinnen mit Schuhkäufen zurück. Die Mobilisierung aller Kräfte war vonnö­ten, um das harmonische Zusammenwirken wiederherzustellen. Nach dreieinhalb Minuten wurde die symbolisch-zeichenhaf­te Dimension des Reklamefilms um eine konkret-dingliche er­weitert. Die den populären Walt-Disney-Filmen2 nachempfundenen Zeichentrickfiguren verschwanden von der Kinoleinwand; an ihre Stelle traten Schuhe. Die Auswahl reichte vom Gesundheitsüber den Spangen- und den Abendschuh mit geschweiftem Absatz bis hin zur Sandalette; [Abb. iii] auch waren alle gängigen Schuh-­ materialien vertreten. Daneben leuchtete ein schlichter Schrift‑ zug, später ein animiertes Logo auf: ›C.F. Bally‹. Was das Kinopub­likum vor dem Hauptfilm zu Gesicht bekam, war die Herbstkollektion des in Schönenwerd domizilierten und global vernetzten Großunternehmens Bally. Eine Herbstkollektion, wohl­gemerkt, die sich der Gunst von Frau Mode gewiss sein konnte. Seit Beginn der 1930er Jahre gingen innovative Unternehmen eine Zusammenarbeit mit Werbern, Filmschaffenden und Kinobetreibern ein.3 Für eine reklametechnische Inszenierung eignete sich der Schuh dank seiner reichen und im kollektiven Gedächtnis bestens verankerten Symbolik. Analytisch reizvoll an diesem Reklamefilm sind zwei darin transportierte Botschaften, die kon­troverser nicht hätten ausfallen können:

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[iii] Filmstill aus »Frau Mode spielt auf!«, Bern 1939

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* Aus welcher Quelle sich das »lebenstotale Gebiet des Modeschaffens«4 speise und nach welcher Logik es sich ausbreite – dieses Rätsel sei rational nicht zu durchdringen. Mit Blick auf die offenkundigen psychologischen und sozialen Folgen sei Mode jedoch mit einer metaphysischen Kraft vergleichbar. * Diese Kraft koordiniere das marktvermittelte Spiel von Angebot und Nachfrage rund um ›vestimentäre Dinge‹. Abhängig davon, wie umfassend es den Modeschaffenden gelinge, die dinglichen, sozialen und zeitlichen Modekriterien zu antizipieren, erlebten die involvierten Industriezweige einen kon­junkturellen Auf- bzw. Abschwung. Meine historische Analyse setzt bei diesen Reklamebotschaften ein. Der ökonomische Entstehungs- und soziale Resonanzraum des Bally-Reklamefilms steht im Mittelpunkt des Beitrags. Konkret interessiere ich mich für die Konjunkturen des Modeschuhs und die Kontroversen um Schuhmode. War der modische Anteil des Schuhkonsums in der Zwischenkriegszeit bedeutsam? Wie wurden die kontroversen und mitunter paradoxen Werbebotschaften aufgenommen? Wie verhielten sich diese Konjunkturen und Kontroversen zueinander? Der vorliegende Beitrag verdankt viele wertvolle Anregungen den transdisziplinär angelegten und derzeit stark boomenden Material Culture Studies. Wenngleich deren Prämissen und Ergebnisse hier aus Platzgründen nicht kritisch diskutiert werden können, sei eine zentrale methodischtheoretische Festlegung genannt: Modeschuhe sollen im Sinne von ›Alltagsdingen‹5 einen Zugang zu komplexen Mensch-DingBeziehungen freilegen und unter Einbezug komplementärer schriftlicher Quellen »als kulturelle Emissäre Auskunft über ge­sellschaftliche und kulturelle Verhältnisse«6 geben. Die Fragen beantworte ich in zwei Schritten. In einem ersten wird die Konsumkonjunktur des Modeschuhs nachgezeichnet. Da ein quantitativer Nachweis stets mit Komplexitätsreduktio­nen und Leerstellen behaftet ist, werden aussagekräftige qualitative Indikatoren und Wendepunkte diskutiert. Ergiebige Daten und Deutungen stammen von Statistikern einerseits und Direk­toren der C.F. Bally AG andererseits. In einem zweiten Schritt wird das Reden über Schuhmode analysiert. Das in einem quellenkombinatorischen Verfahren zusammengetragene Material

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soll auf seine diskursiven Vorprägungen hin untersucht werden. Dabei sind vor allem Pressure Groups und sozialwis­senschaf­tliche Experten von Interesse, die im 20. Jahrhundert vermehrt Deutungshoheit über das Soziale gewonnen haben.

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Modeschuhe im Alltagskonsum Ob Schuhe von den tonangebenden Haute-Couturiers, Modistinnen, Kommentatorinnen und den modisch sensibilisierten Konsumentinnen und Konsumenten mit Aufmerksamkeit bedacht wurden oder nicht, hing von der vestimentären Silhouette ab. Nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich eine kostümhistorische Neuerung durch, die alle meine Ausführungen grundiert.7 A la mode durften sich diejenigen Frauen fühlen, die ihre Rundungen mit textilen Hilfsmitteln flachdrückten und sich eine knabenhaft-flache Silhouette auferlegten – aktive Teilnahme am Berufs- und Freizeitleben sollte diese Praxis versinnbildlichen. Dieser in Frankreich als femme garçonne, in England als flapper bekannte Frauentyp zeichnete sich durch einen strengen, auf textile Ornamente weitgehend verzichtenden Kleiderschnitt aus. Durch den Umstand, dass der Rocksaum irgendwo zwischen Knö­chel und Knie zu liegen kam, wurden die Füße und Beine ins Erscheinungsbild (re)integriert: Der Schuh geriet zum festen Be­standteil des modischen Aushandlungsprozesses. ›Moderichtig­keit‹ avancierte für Produzenten, Händler und Konsumentinnen gleichermaßen zu einem der ausschlaggebenden Kriterien beim Verkauf wie beim Kauf von Schuhen. Diese neue Silhouette breitete sich von den klassischen Modemetropolen Paris und London aus und erfasste alsbald die angrenzenden Länder, darunter auch die Schweiz. Welche Zäsur der Erste Weltkrieg in den vestimentären Praktiken urbaner Kon­sumentenschichten darstellte, erfasste Elsa Gasser8 besonders früh und akkurat. Die promovierte Nationalökonomin bestritt ihren Lebensunterhalt als Journalistin und Statistikerin, ehe sie Gottlieb Duttweiler beim Auf- und Ausbau der Migros beratend zur Seite stand. Im Auftrag des Statistischen Amtes der Stadt Zürich spürte Gasser den urbanen Kleideraufwendungen nach und veröffentlichte ihre Längsschnittstudie unter dem Titel »Zürcher Index der Bekleidungskosten« im Jahr 1924.9 Aufgrund der Heterogenität der 200 amtlich definierten Bekleidungs-Qualitäten

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und -Preisreihen erwies sich die angestrebte Vermessung als ungemein komplex – in den Fashion Studies ist man bis heute uneins hinsichtlich des Voraussetzungsreichtums und Erkennt­nispotenzials von Quantifizierungsbestrebungen. Klar ist, dass sich der modische Anteil nicht in eine Kennzahl überführen lässt.10 Gassers Ausführungen sind insofern wertvoll, als sie die erhobenen quantitativen Daten (Haushaltsrechnungen von Ar­beiterfamilien sowie Preisnotationen von Fabrikations-, Groß­handels- und Detailhandelsfirmen) mit qualitativen Deu­tungen aus Befragungen (Zürcher Textildetaillisten-Verband sowie aus­gesuchte Gewährsleute) kombinierte. In quantitativer Hinsicht machte Gasser »Verschiedenheiten der Preistendenz« geltend, als deren wichtigsten Treiber sie die Mode anführte: »Die Mode hat die Kosten des Damenkleides – wohlgemerkt: die Kosten eines einzelnen Damenkleides für den Massenkonsum – wahr­haft revolutionierend beeinflusst.«11 Hinsichtlich der vestimen­tären Gesamterscheinung präzisierte sie: »Verlangt wird weit dringender als früher eine gefällige, moderne Ausführung, sowohl bei Kleidern wie in ganz auffallendem Masse bei Schuhwerk.«12 Das veränderte Nachfragemuster wirkte ihren Erhebungen zu­folge »stimulierend auf den Konsum speziell der billigen Kon­fek­tion.«13 Die sachdienlichsten Hinweise zum Schuhkonsum der 1930er Jahre stammen aus der Publikationstätigkeit der Preisbildungskommission. Aufgabe dieses 1926 gegründeten, »im Stillen, un­politisch-wissenschaftlich arbeitenden Gremiums« war es, »Zah­len- und Tatsachenmaterial« für Waren des täglichen Bedarfs und volkswirtschaftlich relevante Branchen aufzubereiten.14 Kraft des vom Bundesrat verliehenen Mandats konnte die Preisbildungskommission in die Budgets, Inventare und Bilanzen aller Marktteilnehmer Einsicht nehmen. 1946 legte sie eine Untersuchung zum Schuhhandel vor und kam darin unter anderem zum Schluss: »Auf jeden Fall ist in den 12 Jahren von 1928 bis 1939 zweifellos eine namhafte Verbrauchsausweitung und zwar von ca. 8 auf über 10 Mill. Paar (ohne Gummiüberschuhe) eingetreten.«15 In der Schweiz wurden pro Kopf und Jahr zwei Paar Schuhe erstanden. Mit Blick auf geschlechterspezifische Gemeinsam­keiten und Gegenläufigkeiten eruierte die Preisbildungskommis­sion zwei Muster: Während in Arbeiterfamilien die Schuhaus­-

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gaben der Männer diejenigen der Frauen übertrafen, verhielt es sich bei den Angestellten und Beamten genau umgekehrt – der von Frauen getätigte Aufwand fiel um fast 20 Prozent höher aus.16 Zudem zögen in allen sozialen Schichten nur die Frauen die An­schaffung fabrikneuer der Reparatur getragener Schuhe vor.17 Hinsichtlich der Schuhpreise erbrachte die Kommission den Nachweis, dass für den statistisch ermittelten ›Durchschnitts­schuh‹ mit Ausnahme der Saison 1927/28 immer weniger be­zahlt wurde, die Schuhpreise in den Jahren 1935/36 gar auf das Niveau der Vorkriegsjahre abgesunken waren.18 Als Ursachen be­­nannte das Expertengremium neben dem Auftauchen neuer, sprich: modischer Schuhtypen die Verarbeitung preiswerter Ersatzmaterialien sowie die ökonomischen Rationalisierungs- und Krisenerscheinungen. Festgehalten werden kann an dieser Stelle, dass Frauen ›mode­richtige‹ Schuhe die ganze Zwischenkriegszeit hindurch in einem signifikant hohen Ausmaß nachfragten. Nicht einmal die Welt­wirtschaftskrise, die für Hunderttausende Konsumentinnen und Konsumenten mit Lohnreduktion, Teilzeitarbeit und Entlassung gleichbedeutend war, vermochte diese Konsumkonjunktur zu trüben. Modeschuhe dürfen nun aber nicht allein von der Sphäre des Konsums her analysiert werden; die In-Beziehung-Setzung zu den Produktions- und Distributionssphären ist zwingend erforderlich. Zu diesem Zweck bietet sich die 1851 in kleingewerb­lichen Verhältnissen gegründete und infolge konsequenter Mechanisierung und Rationalisierung zum Großunternehmen auf­ge­stiegene C.F. Bally AG an. Wenngleich zum Primus der schwei­zerischen Schuhwirtschaft noch immer keine Unternehmens­geschichte vorliegt, die wissenschaftlichen Ansprüchen genüg­te,19 lässt sich eine wegweisende betriebliche »Pfadschöpfung«20 für die frühen 1920er Jahre identifizieren. Im Verlauf des Ersten Weltkriegs hatte Bally einen Umsatzund Gewinnsprung hingelegt. Als die ungewissen Jahre der Über­gangswirtschaft anbrachen, arbeiteten dem Stammhaus 21 De­tail- und 4 Grossisten-Unternehmen in der Schweiz sowie 8 auf Europa, Amerika und Afrika verteilte Tochterunternehmen zu. In der Absicht, die vielen, von der Gerberei bis zum Grossisten reichenden Tochterunternehmen optimal aufeinander abzu­stim­men, entschloss sich Bally im Sommer 1921 zu einer Reorgani­-

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sation. Eine zentralistisch geführte Holding-Gesellschaft mit Sitz in Zürich wurde gegründet.21 »Das Jahr 1922 ist wohl für die Bally-­ firmen das bedeutungsvollste«, blickte der Senior-Chef Eduard Bally-Prior mit einer gehörigen Portion Skepsis der Neujustierung der internen Material-, Produkt- und Finanzströme entgegen.22 In nicht unwesentlichem Maße trug auch der Faktor Mode zu dieser Reorganisation bei. Wollte Bally seine Schuhe in die mit prohibitiv hohen Schutzzöllen abgeschotteten Märkte des Aus­lands absetzen, waren modische Sonderleistungen gefragt.23 Woll­te Bally überzählige Kapazitäten in den hart umkämpften Binnen­markt einspeisen, war das nur mit Modeschuhen denkbar. »Unsere Kollektion ist heute schon gegen früher viel modischer. Wir wagen mehr und müssen mehr wagen, um einen Mehrverkauf zu erzielen«, wurde die Unternehmensstrategie in einem Bericht aus dem Geschäftsjahr 1934/35 auf den Punkt gebracht.24 Die beträchtlichen betrieblichen Anstrengungen, die zur Ausrichtung der Massenproduktion auf die Belange der Schuhmode vonnöten waren, würden einen eigenen Beitrag rechtfertigen. Zwei sich direkt in der Holding-Struktur niederschlagende Neuerungen sollen hier genügen: Im Jahr 1926 wagte sich Bally an die ›Fabrik­selbstdetaillierung‹. Wahlweise durch Übernahme von oder Beteiligung an Detailläden besorgte Bally die Beratung und den Ver-­ kauf von Schuhen auf eigene Rechnung. Arola Schuh AG war der Name dieses kapitalintensiven Tochterunternehmens, das binnen 10 Jahren ein Netz von 72 teils an bester Lage befindlichen Filialen aufbaute. Aus Sicht der Bally-Verantwortlichen handelte es sich bei dieser Fabrikselbstdetaillierung um einen Kanal, »der ausprobieren und dann die Mode oder bestimmte Moderichtungen in die Schuhwelt tragen sollte.«25 Im Jahr 1934 wurde die Reklamegesellschaft Agor AG gegründet, die den Statuten zu­folge auf die »maximale Auswertung unserer Mode-Monopol­stellung«26 verpflichtet wurde. Agor baute einen Medienverbund auf, der unter Einbezug renommierter Grafiker, Fotografen und Filmemacher die neuen Schuhkreationen bewerben sollte. »Frau Mode spielt auf!« ist nur eines aus einer langen Reihe von Rekla­me-Beispielen. Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass die 1920er und 1930er Jahre einen Höhepunkt darstellten, was den relativen An­teil wie auch den absoluten Umfang von Modeschuhen anbe­-

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langt. Ein übereinstimmender Konjunkturverlauf wurde an anderer Stelle für die Londoner Konfektionsindustrie errechnet.27 Wie der untenstehenden Grafik28 [Abb. iv] entnommen werden kann, griff das Schuhsortiment modebedingt aus; in der Frühlingssaison 1935 bot Bally seiner überwiegend weiblichen Kund­schaft beispielsweise 1175 Schuhartikel an. »Jede Änderung und jede Kaprice waren gut genug, um daraus ein modisches Produkt zu schaffen«, bekannte der Lenker des Bally-Konzerns, Her­mann R. Stirlin, im Rückblick selbstkritisch.29 Ein starker Impuls kam von den immer stärker Modeschuhe nachfragenden Kundinnen. Wichtig zu sehen ist, dass Bally diesen Trend antizipierte und durch eine gezielte Unternehmensreorganisation und -strate­gie intensivierte. Ob bei der resultierenden Konsumkonjunktur nun der Produzent die Konsumentin oder doch die Konsumentin den Produzenten anleitete, ist analytisch nicht zu klären. Schuhmode im Alltagsdiskurs Welche gesellschaftliche Resonanz rief der Siegeszug des Modeschuhs hervor? Das Reden über Schuhmode hatte, das sei bereits vorweggenommen, ebenfalls Hochkonjunktur. Die am Anfang dieses Beitrags diskutierte Frau Mode ist zwar eine im Labor eines Reklamefilm-Ateliers erschaffene Kunstfigur; die Durchsicht Hunderter Artikel, Broschüren und Analysen aus dem Um­feld der Schuhwirtschaft zeigt aber, dass ›Frau Mode‹ auch außerhalb der Kinopaläste allgegenwärtig war. Der Bally-Reklamefilm [iv]

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knüpfte bei drei im Kontext von vestimentären Dingen und Praktiken regelmäßig bemühten (Sprach-)Bildern an:30 Wurden bei der Metapher ›Frau Mode‹ die vermeintlich geschlechtsspezifischen Unstetigkeit, Impulshaftigkeit und Unberechenbarkeit betont, wurden bei der ›Herrscherin Mode‹ respektive ›Königin Mode‹ das Mächtige, Gebieterische und Unterwerfende augenfällig. Das Bild der ›Geißel Mode‹ stellte dagegen stärker auf die der Mode zugeschriebenen Verletzungen und Kränkungen ab. Das Spannende an diesen Metaphern ist, dass sie nicht nur die Sprache, sondern auch das Denken und Handeln der Menschen organisieren. Wie George Lakoff und Mark Johnson eindrücklich aufgezeigt haben, wurden und werden sie im Alltag dazu verwendet, Neues und Unbekanntes zu adaptieren, Befürchtungen und Ängste zu reduzieren, diskursiv Unsagbares auszudrücken oder die Zukunft gestalt- und planbar zu machen.31 In der besagten Metapher liefen verschiedene diskursive Stränge zusammen; es handelte sich um Diskurse, die transnational zirkulierten und zu gleichen Teilen Problemfelder definierten wie auch Problemlösungen offerierten.32 Virulent blieben diese Diskurse, weil sich in der Zwischenkriegszeit verschiedene gesellschaftliche Akteure in einem Spiel von Repetition und Modifikation darin einzu­schreiben suchten. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit gebe ich im Folgenden die fünf prominentesten diskursiven Stränge rund um Schuhmode idealtypisch wieder. 1. Zu den prononciertesten Kritikerinnen von Schuhmode zählte die Frauenbewegung.33 Durch die Einbindung in die parastaatliche Kriegswirtschaft des Ersten Weltkriegs erstarkt, formulierte sie in der Zwischenkriegszeit Verhaltensrichtlinien für alle Domänen des Alltags. »Wieviel Unkultur und Stillosig­keit, wieviel Vergänglichkeit und Verschwendung schliesst der Begriff Mode in sich: von den Schuhen mit den hohen Ab­sätzen, von den dünnen Strümpfen, die oft kaum die Dauerhaf­tigkeit eines Tages haben und endlos geflickt werden müssen [...] – es ist eine einzige Kette von Verschwendung, Unsachlichkeit und Vergänglichkeit.«34 Mode wurde zum Problem, da sie für kurzlebige und kostspielige Konsumausgaben ver­antwortlich gemacht wurde – Ausgaben, welche die arg strapazierten Haushaltsbudgets der Arbeiter-, Angestellten- und

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Mittelstandsfamilien zu sprengen drohten. Die Verdammung modischer Schuhe erfuhr in Zeiten sich trübender Konjunktur­aussichten eine Intensivierung. Im Wissen, dass Frauen den ge­samten Haushaltungsbereich verantworteten und Nahrungssowie Bekleidungsausgaben in der Höhe von jährlich bis zu vier Mia. Franken tätigten,35 bewirtschaftete die Frauenbewegung die Schuhmode. Zusätzliche Brisanz erhielt diese volkswirtschaftliche Kennziffer immer dann, wenn sie mit dem biode­terministischen Argument, Frauen neigten zu impulsiv-irra­tionalen Kaufentscheidungen, in Verbindung gesetzt wurde.36 2. Im Zeichen der Hygiene begannen Wissenschaftler den Fuß und die ihn schützende bzw. stützende Hülle zu problemati­sieren. Weniger das für Boden und Schaft verwendete Material als die Form des Schuhleistens zog diskursive Interventionen nach sich. Arnold Heim, ein weitgereister und vielgelesener Zürcher Naturwissenschaftler, mag hier als besonders wortmächtiger Mahner angeführt werden: »Ungeheuer verbreitet sind heute die Fussleiden. Das Motto der modernen Gesellschaft lautet eben: lieber leiden, als der Mode entsagen. Dar­nach, nicht nach hygienischen Gesichtspunkten, richten sich die Grossfabrikanten, denen nur ihr Geschäft massgebend ist.«37 Heim verlangte von den Konsumenten und Produzenten die Beschränkung auf zeitlose, die Anatomie des Fußes berücksichtigende Schuhleisten. In den 1930er Jahren rückten die modisch variierenden Leistenformen in den Blick von Medizinern, die sich der Prophylaxe von Deformations- und Degenerationserscheinungen verschrieben hatten.38 Zeitgenössische Forschungsergebnisse legten den Schluss nahe, die von Modeschuhen hervorgerufenen Fußerkrankungen würden an Nachgeborene vererbt und könnten schwere Belastungen für die Wirtschaftskraft und Wehrfähigkeit des schweizerischen ›Volkskörpers‹ nach sich ziehen.39 Die Schweizerische Schuh­macher-Zeitung brachte besorgniserregende quantitative Schätzungen in Umlauf: 50–60% der Land- und 80–90% der Stadtbevölkerung wiesen pathologische Fuß- und Bein­formen auf.40 3. Im Modediskurs der 1920er und 1930er Jahre war die Stim­me des Gewerbes gut vernehmbar.41 Die Transformation des Schuhs von einem Artikel des Grund- zu einem des Wahlbe­-

Zu den Konjunkturen des Modeschuhs und den Kontroversen um Schuhmode

darfs erachteten deren Repräsentanten als bedenklich.42 In diesem Zusammenhang kann der Schweizerische Werkbund angeführt werden, dessen Präsident Georg Schmidt 1944 in einem Vortrag in anklagendem Ton festhielt: »In welchem Mass die Mode auch für die Produktion eine Geissel ist, lehrt ein Gang durch eine unserer Gebrauchsgüterfabriken  –  sei es eine Schuh­fabrik, eine Teppichfabrik, eine Stuhlfabrik, eine Lampenfa­b­rik oder eine Porzellanfabrik!«43 Schmidts Kritik zielte auf die Verkürzung von Produktlebenszyklen ebenso wie auf die in der Industrie zu beobachtende Gestaltungspraxis, bei der ästhe­tische und materialtechnische Kriterien vernachlässigt würden. Bezeichnenderweise wurde in der 1949 vom Schweizerischen Werkbund veranstalteten Fotoausstellung »Die gute Form« ein von Bally hergestellter Damen-Trotteur vorge­führt, der bequem, elegant und vor allem ›unmodisch‹ war.44 Zudem fürchteten die politischen Repräsentanten des Gewerbes, ›Frau Mode‹ könnte die Reparatur-, Maß- und OrthopädieSchuhmacher um ihre Existenzmöglichkeiten bringen. Vorwürfe richtete die Schweizerische Schuhmacher-Zeitung an die schuhwirtschaftlichen Großbetriebe: »Man hat das Publi­kum mit Modeartikeln der extremsten Art übersättigt, die Spekulation, damit den Umsatz immer noch mehr steigern zu können, hat fehlgeschlagen und zwar gründlich. Die Folgen sind Absatzkrise, Entwertung, Verluste, Notverkäufe und Ver­schleiss zu allen Preisen.«45 Die Ein-Mann-Be­triebe seien dem Ruin nahe, die Verlustrisiken des Produzierens, Ver­kaufens und Reparierens von Modeschuhen nicht länger hin­zunehmen. Als die Schuhindustrie infolge des Verdrängungs­wettbewerbs stärker denn je auf das Segment der Mode­schuhe zu setzen begann, erreichte der modekritische Diskurs seinen Höhepunkt. Im Schuhhandel, dem zweiten gewerbe­nah­ en Periodikum der schweizerischen Schuhwirtschaft, wurde 1936 die Forderung nach einer drei- bis viermal im Jahr tagenden und alle Berufsgruppen umfassenden Modekommis­ sion lanciert. Die Initianten dachten dabei an eine »fortlaufend kontrollierte Mode«46 nach internationalem Vorbild.47 4. Die Verwerfungen auf dem schweizerischen Schuhmarkt der 1930er Jahre zogen Regulierungen durch die Eidgenössischen Behörden nach sich.48 Im Rahmen der Vorbereitungen und Ab-

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klärungen wurden Sozialwissenschaftler um eine Einschät­zung des Phänomens gebeten. Dass Mode die betriebliche Fer­tigungstechnik und Prozessorganisation verkomplizieren und die Erreichung eines volkswirtschaftlichen Produktionsoptimums hinauszögern würde, galt als ausgemacht.49 Die ange­fragten Wissenschaftler wussten auch um weitere kontroverse Facetten des Schuhkonsums: »Der Soziologe wird ähn­lich wie der Volkswirtschaftler seine Bedenken dagegen äus­sern müssen, dass sich durch forcierte Modekreierung auf dem Gebiete der Schuhe breite Konsumentenschichten in zu­ nehmendem Masse unzufrieden fühlen, weil ihnen ihr Ein­kommen nicht erlaubt, das Wettrennen der Fabrikanten um die neuesten Modelle in jeder Phase mitzumachen.«50 Modeartikeln wurde ein Störpotenzial attestiert, das im Falle der Schweiz, einer »klassenlosen Gesellschaft«, zu sozialen Kon­flikten führen könne. In den Diskurs klinkte sich sodann die Disziplin der Angewandten Psychologie in der Person von Franziska Baumgarten-Tramer51 ein. Die an der Universität Bern lehrende Privatdozentin beobachtete die massenhafte seelische Schädigung von Frauen, die im kommerziell motivierten Modewechsel begründet lägen. In der Zeitschrift Gesundheit und Wohlfahrt veröffentlichte sie 1938 die folgende Diagnose: »Es handelt sich also um ein Versagen im Wissen, Können, Wollen«.52 Viele Frauen wüssten nicht, welche Klei­der und Schuhe angesagt seien, sodass sie sich zu keiner Wahl durchringen könnten; viele Frauen entbehrten der finanziellen Mittel, um den Modewechsel mitzumachen; und viele Frau­en entsagten aus Vernunftgründen der Mode, würden im Ge­genzug aber mit gesellschaftlicher Verachtung gestraft. 5. Ein fünfter und letzter Diskursstrang ist im Sprechen über ›Frau Mode‹ auszumachen. Mit dem Zweiten Weltkrieg gin-­ gen für die Schweiz zwar keine militärischen Handlungen, dennoch aber Verknappung, Verteuerung und Verschlechte­rung von Artikeln des täglichen Bedarfs einher. Zur Verhin­derung einer schweren Mangelversorgung, wie sie sich gegen Ende des Ersten Weltkriegs zugetragen hatte,53 wurden staat­liche Rationierungsprogramme und Sparvorschriften erlas­sen.54 Infolge der ungewissen Kriegsdauer blieb die Stimmung angespannt; die Gleichzeitigkeit von Materialmangel und

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Pro­duktevielfalt war nur schwer zu ertragen. Insbesondere die gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Akteu­re ereiferten sich über die sozial ungleich verteilten Konsumchancen und leichtfertig investierten Produktions­re­ssour­cen.55 Im Begriff des Luxus wurde dieses Unbe­hagen konkretisiert. Über dessen Für und Wider stritt sogar die Eidge­nössische Bundesversammlung, in die der sozialdemokratische Nationalrat Adolf Gloor im Jahr 1942 folgende Motion einbrachte: »Ist der Bundesrat bereit, die notwendigen Vor­schriften zu erlassen, damit das vorhandene Rohmaterial nicht mehr für Modeartikel verwendet werden darf?«56 Der Modeschuh wurde im Verlauf des Zweiten Weltkriegs zum Inbegriff von Verschwendung, Dekadenz und Entbehrlichkeit. Vermutlich ist es allein seiner schwierigen Abgrenzung zuzuschreiben, dass er von der 1942 eingeführten und bis 1958 aufrechterhaltenen Luxussteuer ausgenommen blieb.57 Wie ist dieses unermüdliche Reden über ›Frau Mode‹ zu erklären? Zu den erschöpfend abgehandelten Themenfeldern der Material Culture Studies gehört, dass Alltagsdinge polyvalent sind und in Abhängigkeit ihres Kontextes eine Fülle von Wahrnehmungen und Lesarten zulassen. Dass diese desto weiter auseinander lie­gen, je grundsätzlicher sich die Sprecher unterscheiden, liegt auf der Hand. Trotzdem fällt auf, dass sich Sozialwissenschaftler hierbei mit zahlreichen und scharfen Interventionen hervortaten. Drei Gründe machen dieses Engagement plausibel: * Erstens ist für die Moderne ein säkularer Trend zur »Verwissenschaftlichung des Sozialen«58 festzustellen. Im Verlauf des 19. und noch mehr des 20. Jahrhunderts zogen Betriebe, Behör­den und Parlamente wissenschaftliche Experten bei, um kon­flikthafte Handlungsfelder zu erfassen und zu verwalten. Das rationale Durchdringen irrational anmutender sozialer Tatbestände – wie Schuhmode – war eine Herausforderung, der sich die Wissenschaftler bereitwillig zuwandten. Können erste systematische Theorieentwürfe auf das Ende des 18. Jahrhun‑ derts datiert werden, legten Vertreter der Psychologie, Soziologie und Ökonomie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einflussreiche theoretische Beiträge vor.59

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* Zweitens gilt es diese Wissenschaftler als besorgte Gesell­schaftsmitglieder ernst zu nehmen. Alltagsdinge und vestimentäre Praktiken boten die ideale Gelegenheit zur Popularisierung etablierter Wissensbestände und Denkfiguren. Gabriele Mentges argumentiert, dass Mode sehr häufig die »Funktion als Ver­mittlerin und als Stifterin neuen Wissens«60 zukam. Damit war das Reden über Mode im Alltag angekommen. Modespe­zifische Interventionen erfolgten vermutlich nicht nur in der Absicht gesellschaftlicher Aufklärung, sondern auch im Dienst staatlicher Kontrolle. Die Problematisierung von Schuhmode schien den Sozialwissenschaftlern geeignet, den gesellschafts­politischen Nutzen der eigenen Disziplin aufzeigen und fi­nanzielle Mittel einwerben zu können. Drittens begriff und präsentierte sich die C.F. Bally AG in den * vielen Festschriften und Ausstellungen als ›modernes‹ Unter­nehmen, das für wissenschaftliche Expertise jedweder Prove­ nienz empfänglich war. Der starke Mann bei Bally, der politisch exponierte Iwan Bally, zählte zu den Promotoren des Scientific Managements.61 Seinem Vorbild eiferten weitere Direktoren nach, um sich in der Schnittstelle von Wirtschaft und Wissenschaft zu engagieren; in Form von Erfahrungsaustauschgruppen, Konferenzen und Schriftreihen traten die Bally-Vertreter in den Dialog mit vielen der oben zitierten So­zialwissenschaftler und erörteten den wissenschaftlich ›rich­tigen‹ Umgang mit ›Frau Mode‹ – sei es, dass der Agor-Direk­tor eine Modefotografie-Ausschreibung reflektierte;62 sei es, dass der Leiter Verkaufsabteilung einem exklusiven Kreis von Textilunternehmern die organisatorischen Grundlagen der »Betrieb­sprobleme der Mode« darlegte;63 oder sei es, dass Iwan Bally höchstpersönlich den von Arnold Heim monierten Na­tur-Kultur-Gegensatz von Fuß und Schuh zu entkräften such­te.64

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In der Zusammenschau zeigt sich, dass die Bally-Verantwortlichen um die gesellschaftliche Einbettung ihrer wirtschaftlichen Betätigung sehr wohl wussten. Um eine Formulierung des Direk­tors Fritz Streuli aufzugreifen: »Der Schuh als soziales Produkt untersteht somit der wachen Kritik des Verbrauchers, seine De­taillierung, seine Preise werden, wie etwa beim Brot und der

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Milch, vom Publikum mit wachen Sinnen verfolgt. So ist denn aus zwei ganz verschiedenartigen Gründen, einerseits ästhetischen, anderseits sozialen, dafür gesorgt, dass bei uns die Bäume nicht in den Himmel wachsen.«65 Die Konjunkturen des Mode­schuhs und die Kontroversen um Schuhmode waren demnach eng miteinander verzahnt. Das eine war ohne das andere nicht zu haben. 1 Mit der Produktion von »Frau Mode spielt auf!« wurde das Pinschewer Film-Atelier betraut. Der Werbefilm verursachte Kosten von knapp 22’000 Franken und band etwa fünf Prozent des von Bally bewilligten Reklamebudgets. Gezeigt wurde der Film in 58 Kinos der Deutschschweiz; in der Romandie lief die Kampagne erst im Jahr 1940 an; vgl. Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Schönenwerd: Agor AG Zürich, Jahresbericht & Bilanz 1939; Amsler 1997. 2 Tomkowiak 2008. 3

Zeitgenössisch vgl. Kurtzig 1926; Schlaepfer 1943. Aus der Sekundärliteratur vgl. Bochsler/Derungs 1998.

4 Zimmermann 1943. 5 Vgl. König 2005. 6 König/Papierz 2012, S. 284. 7 Aus der vielfältigen Literatur sollen hier nur Erwähnung finden: Mundt 19893; Specker 2000. 8 Vgl. Bochsler 2014. 9 Gasser 1924. 10 Aus Preisreihen, in welche Teuerung, Währungsschwankungen und Marktbewegungen hineinspielen, kann kein Mode-Faktor herausgearbeitet werden. Die Konstruktion von Hilfsindices ist mit einem kaum zu verantwortenden Arbeitsaufwand verbunden. Bisweilen subsumieren Ökonomen Mode auch als residuale Größe. Antworten auf die vornehmlich von Ökonomen aufgewor­ fene Frage »Fashion: Why People like it and Theorists do not« sind einerseits im vestimentär ungeschulten Blick der Forscher und andererseits in der eingeschränkten Modellierbarkeit der Konsummuster zu suchen; vgl. Andreozzi/Bianchi 2007; Honeyman/Godley 2003; Polese/Blaszczyk 2012. 11 Gasser 1924, S. 124. 12 Ebd., S. 129. 13 Ebd., S. 125. 14 Kaufmann 1952. 15 Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement 1946, S. 31.

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16 Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement 1946, S. 31. 17 Ebd., S. 32. 18 Ebd., S. 33. 19 Zeitgenössisch vgl. Büchi 1930; Schmid 1939; Bally Schuhfabriken AG 1951. 20 Plumpe 2014, S. 18. 21 Toggweiler 1926. 22 Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Schönenwerd: Eduard Bally: »Bd. 1: Geschichte C.F. Bally AG; Bd. 2: Statistische Tabellen«; Schönenwerd 1925, hier Bd. 2, S. 1645 [auf CD-ROM]. 23 Kamber 1933. 24 Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Schönenwerd: Bericht der Arola an die Direktion über das Geschäftsjahr 1934/35. 25 Bally Arola Service 1946. 26 Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Schönenwerd: Agor AG Zürich, Jahresbericht & Bilanz 1935. 27 Godley/Kershen/Schapiro 2003. 28 Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Schönenwerd: Verkaufskataloge 1880–1950, eigene Erhebungen. 29 Stirlin 1943, S. 78. 30 Außerhalb der Schuhwirtschaft geläufige Sprachbilder der Mode sind gelistet bei: Dingel, Tina: ›Frau Mode‹ als Waffe im männlichen ›Lebenskampf‹ – Diskurse um (Herren-)Mode in Deutschland, 1920er bis 1950er Jahre. Tagung Geschlechterkonkurrenzen, AIM Gender, Stuttgart-Hohenheim 2006. https://www.fk12.tu-dortmund.de/cms/ISO/de/arbeitsberei

che/soziologie_der_geschlechterverhaeltniße/Medien pool/AIM-Beitraege_ vierte_Tagung/dingel.pdf [Zugriff: 10.7.2015]; Wild 2010; Tramer 2014.

31 Lakoff/Johnson 1998. 32 Vgl. Landwehr 2009; ders. 2010. 33 Vgl. Stämpfli 2002. 34 David 1921, S. 102. 35 Vgl. Staudinger 1929, S. 37. 36 Vgl. Wolff 1912. 37 Heim 1942, S. 265. Seinen Degenerations-Befürchtungen verschaffte Heim auch durch mehrere Artikelserien Beachtung; vgl. Heim 1941a/b/c; Heim 1956. 38 Vgl. Thomann 1992; Linder/Saltzman 1998; Breyer 2012. 39 [o.A.] 1942b. 40 [o.A.] 1932. 126

41 Vgl. Angst 1992.

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42 Gnägi/Nicolai/Wohlwend Piai 2013. 43 Schmidt/von Grüningen/Mussard 1944, S. 20. 44 [o.A.] 1949a, S. 270. 45 [o.A.] 1931. 46 [o.A.] 1936. 47 Zu den internationalen Modeämtern und Modeausschüssen vgl. Sudrow 2010, S. 153–166. 48 Vgl. Wild 2016. 49 Kaufmann 1944a, S. 32. 50 Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement 1946, S. 85f. 51 Zu Werdegang und Publikationstätigkeit siehe Daub 1996. 52 Baumgarten-Tramer 1938, S. 638. 53 Wild 2013. 54 [o.A.] 1941. 55 Droux 2004. 56 [o.A.] 1942a. 57 Vgl. Marbach 1948. 58 Wegweisend ist Raphael 1996. 59 Mentges 2015, S. 31–39. 60 Ebd., S. 36. 61 Jaun 1986, S. 108–123, 202–253. Zum industriellen Forschungs- und Design­verständnis von Iwan Bally vgl. Kaufmann 1944b. 62 Klinger 1942. 63 Streuli 1944. 64 Wissenschaftshistorische Sammlungen der ETH Zürich-Bibliothek, HS 494: 293: Arnold Heim (1882–1965), Geologe, Forschungsreisender; Manuskripte, Fotografien, Dias, Separatsammlung aus dem Nachlass; Material zum Aufsatz »Schuhe oder Füsse? Ein Mahnruf«. 65 Streuli 1944, S. 15.

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Sportlich, gummibesohlt und patriotisch: Die ersten Sneakers aus der Schweiz Tobias Ehrenbold Die Vorläufer des Sneakers gehen zurück in die 1870er Jahre. In englischen und amerikanischen Schuhfabriken wurde damals mit Leinen und Gummi experimentiert. Während sich in Eng­land der Name Plimsoll1 für die neuartigen Modelle etablierte, verbreitete sich in den USA aufgrund der leisen Gummisohle auch der bis heute gängige Begriff Sneaker, also ›Schleicher‹.2 Auf dem Schweizer Schuhmarkt wurde im ersten Viertel des 20. Jahrhun­derts höchstens vereinzelt Schuhwerk aus Leinen und Gummi angeboten.3 Dies änderte sich in den 1930er Jahren. Die Preise für Sneakers lagen zu dieser Zeit rund 80 Prozent unter jenen für Lederschuhe; den Erfolg der neuen Modelle auf die Weltwirt­schaftskrise zu reduzieren, wäre indes ein Trugschluss. Dieser Beitrag identifiziert neben dem tiefen Preis drei weitere Faktoren, welche für die Verbreitung des Sneakers in der Schweiz ent­scheidend waren: Material, Herkunft und körperliche Aktivität. Der neuartige Sneaker stellte nicht nur die nationale Schuhbranche, sondern auch die Konsumenten vor Grundsatzfragen: Gummi oder Leder? Ausland oder Schweiz? Sport oder Turnen? Diese Fragen wurden in den 1930er Jahren eng mit zwei Marken­namen assoziiert: Bata und Bally. Die Etablierung des gummibesohlten Leinenschuhs in der Schweiz hängt maßgeblich mit der internationalen Expansion der tschechoslowakischen Firma Bata zusammen. Ab Ende 1929 ver­trieb der zu diesem Zeitpunkt weltweit größte Schuhhersteller das Modell Plimsoll auch in einem rasch wachsenden Schweizer Filialnetz. Das Auftreten des ausländischen Konkurrenten mar­kierte eine Zäsur auf dem nationalen Schuhmarkt: In der ersten Hälfte der 1930er Jahre bröckelte der durchschnittliche Schuhpreis um gut 40 Prozent auf unter 7.50 Franken; Taktgeber waren Batas Filialen, welche die Durchschnittspreise konsequent un­terboten.4 Der verschärfte Wettbewerb provozierte in dieser

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Zeit eine Polemik, die im sogenannten Bata-Boykott der Schwei­zer Schuhverbände gipfelte.5 Im Gegensatz zu anderen Exponenten der Schweizer Schuhbranche begegnete Bally dem aus­ländischen Konkurrenten anfangs mit Gleichmut. Doch spätes­tens seit dem Bau der ersten Gummischuhfabrik in Möhlin 1934 erschien Bata auch dem mit Abstand größten Schuhunternehmen des Landes als Gefahr. Im November 1934 wandte sich Verwal­tungsratspräsident Iwan Bally persönlich gegen den Rivalen.6 Seine Rede vor der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft in Zürich steht programmatisch für den Kampf der Schweizer Schuhbran­che gegen Bata. Dass der tschechoslowakische Neuling mit seiner aggressiven Preispolitik den bewährten mittelständischen Han­del bedrohe, war nur eines seiner Argumente – im Vordergrund der Kritik standen Batas Fremdartigkeit und insbesondere das in Möhlin verarbeitete Material Gummi. Der bekannte Industrielle und einflussreiche Wirtschaftspolitiker störte sich an jenem Modell, das er als ›Turn-, Tennis- und Straßenschuh mit Gummi­sohle‹ bezeichnete. Der Plimsoll von Bata sei besonders deshalb eine volkswirtschaftliche Gefahr, weil es sich beim verwendeten Gummi um ein landesfremdes Material handle. Im Gegensatz zum Leder müsse der Rohstoff Kautschuk aus dem Ausland im­-

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[i] Werbeinserat des Verbandes der Gerbereibesitzer, 1934 (Schweizerisches Wirtschaftsarchiv, Basel)

[ii] Produktion des ›Plimsolls‹ in der Bata-Fabrik in Möhlin, undatiert (Bata-Archiv der Gemeinde Möhlin)

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portiert werden. Die Gummischuhproduktion in Möhlin sorge letztlich auch für eine weitere Zunahme der grassierenden Ar­beitslosigkeit. Ein Arbeiter bei Bata könne in der gleichen Zeit wesentlich mehr Leinenschuhe fertigen als ein Kollege in der Leder­schuhproduktion. Ergo, so rechnete Iwan Bally vor, mache jeder Arbeiter in Möhlins Gummischuhproduktion etwa drei andere bei der Konkurrenz arbeitslos. Das auf dieser Kalkulation basierende Credo rief Bally am Schluss seines Vortrags aus: Wer Schuhe mit Gummisohle kaufe, trage an seinen Füßen »weniger gebun­dene Arbeitsleistung, als wenn er Lederschuhe trägt! Also: Leder­schuhe!«7 Leder als primärer Rohstoff der Schuhproduktion schien durch Bata bedroht, sein Nimbus mit dem Aufkommen von Gummi und Leinen gebrochen. Die Branche reagierte mit einer Kampagne für die exklusive Verwendung von Leder in der Schuhproduktion. Der Verband der Gerbereibesitzer diktierte auf einem Plakat die Kampfparole »Trage Leder. Der Fuss will atmen!« [Abb. i] Der Le­derhändlerverband forderte vom Bundesrat gar ein Verbot von Gummisohlen. Mit dem Plimsoll gefährde die »allesfressende Fir­ma Bata« nicht weniger als die »Volksgesundheit«.8 Der medizini­sche Einwand war auch ein wesentlicher Bestandteil des erwähn­ten Referats von Iwan Bally. Die Studien, auf welche sich die Exponenten der Pro-Leder-Kampagne beriefen, attestierten dem Sneaker gesundheitsschädliche Folgen, namentlich Schweißfüße, Geschwürbildungen sowie Plattfüße und geschwächtes Steh- und Gehvermögen.9 Iwan Ballys öffentliche Stellungnahme gegen die Gummi­sohle war ein heikles Unterfangen, zumal die traditionsreiche Firma zum Zeitpunkt seines Vortrags selber mit der Hegemonie von Lederschuhen gebrochen hatte. Seit 1933 bot das Unternehmen aus Schönenwerd einen leichten Schuh aus Segeltuch mit aufgenähter Rohgummisohle an. Dieses Modell unterschied sich von Batas verrufenem Plimsoll in einem produktionstechnischen Detail. [Abb. ii] In Inseraten betonte Bally, das eigene Modell habe »eine richtiggehende Lederbrandsohle« eingenäht; der Bally-Schuh sei daher »vom hygienischen Standpunkt aus der vulkanisierten Ausführung« vorzuziehen.10 Die von Bata in der Schweiz eingeführte Vulkanisierung von Gummi wurde in Ballys Inserat als corpus delicti identifiziert. Im Gegensatz zum Turn-

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schuh von Bally war beim Plimsoll die Gummisohle nicht mit dem Schaft vernäht, sondern auf den Schuhoberteil geklebt. Der anschließende Vulkanisierungsprozess geschah in einem Ofen – unter Druck und Hitze verfestigte sich die ursprünglich weiche Kautschukmischung. Die Sohle war beim Plimsoll ›aufvulkanisiert‹, der Gummi befand sich in unmittelbarer Nähe zum Fuß. Dagegen grenzte die »richtiggehende Lederbrandsohle« im BallySchuh das landesfremde und vermeintlich schädliche Material durch ein Stück Leder vom Körper ab. Der Vorwurf der Fremdartigkeit beschränkte sich in den 1930er Jahren nicht auf die Verwendung von Gummi, sondern richtete sich gegen Bata als feindliches Unternehmen sui generis. Die damals gängigen Bezeichnungen wie ›ausländische Schmutz­konkurrenz‹ oder ›tschechoslowakischer Eindringling‹ wider­spiegeln die Xenophobie, welche – durch Batas fremde Herkunft offenbar potenziert – die Branche im Zuge der Weltwirtschafts­krise erfasste. Die faschistische Volksfront suchte denn auch Wähler in Kreisen der Schuhwirtschaft, insbesondere bei den durch Batas Billigschuhe in ihrer Existenz bedrohten Schuhma­chern: »Würde in Bern nach volksfrontischen Grundsätzen regiert, würde Bata morgen schon seine Bude schliessen und die Schweiz von jenseits der Grenzen betrachten müssen.«11

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[iii] Werbeplakat, Studio Selecta Zürich, 1937 (als Zeitungsinserat bereits 1936 verwendet)

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Die tschechoslowakische Leitung von Bata unterlief die viru­lente Fremdenfeindlichkeit mit dem Argument, in Möhlin zu produzieren und daher zweifellos eine schweizerische Firma zu sein. Das Streben der Firma nach einem schweizerischen Image fällt in die Zeit der Geistigen Landesverteidigung, welche das Nationale als Quelle der Kraft beschwor. Um 1935 setzte Bata zu einer Kampagne an, die ganz gezielt ein nationales Image anstrebte.12 Fortan wurde in der Fabriksiedlung der Bundesfeier­tag am 1. August mit Handharmonikaspiel, Lampionumzug und Feu­erwerk begangen: »Gewiss ein schönes Zeichen der Verbundenheit von Bata, Dorf und Heimat«, befand die Lokalpresse.13 Die patriotische Botschaft transportierte Bata nicht nur lokal, sondern national. Auf Plakaten und Inseraten verwob das Unternehmen nationale Symbole, wie die Schweizerfahne und den Landesumriss, mit Schuhen und dem Bata-Logo. Dieses erfuhr im Zuge der Imagekampagne eine kleine, aber entscheidende Änderung: Die Marke Bat’a – die auf den Namen der mährischen Gründerfamilie zurückging – wurde nun Bata geschrieben; der slawische Apostroph im ursprünglichen Namen schien sich nicht mehr mit der patriotischen Stimmungslage in der Schweiz zu vertragen. Kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs warb nicht nur Bata mit patriotischen Sujets; gemäß Linsmayer gab es um 1939 gar »kaum noch Reklamen von Schweizer Firmen

[iv] Ausschnitt Bally-Katalog, 1937 (Schweizerisches Wirtschaftsarchiv, Basel)

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ohne Betonung des Schweizerischen«.14 Ironischerweise war es letztlich die von der einheimischen Schuhbranche als fremdartig denunzierte Vulkanisierung von Gummi, die Bata zu einem schweizerischen Antlitz verhalf. Die neue Produktionsmethode verschaffte dem Unternehmen aus der Tschechoslowakei ein Alleinstellungsmerkmal: Keine andere Firma produzierte Gum­mischuhe in der Schweiz. Die Slogans betonten denn auch stets die Provenienz der Produkte: »Bata Gummischuhe allein sind Schweizer Fabrikat« oder »Bata – einzige Schweizer Gummischuhfabrik«. [Abb. iii] Die modernen Gebäude der heute denk­malgeschützten Fabriksiedlung15 dienten in Katalogen und auf Plakaten als Werbesujets; der Plimsoll wurde gezielt in Möhlin verortet.16 Die einheimische Herkunft bildete eine Grundlage für den Erfolg des Sneakers in der Schweiz. In seinen Filialen bot Bata das im Fricktal gefertigte Produkt zum Preis von 1.50 Franken feil. Der Erfolg des spottbilligen Plimsolls ließ die nationale Konkurrenz nicht unberührt. Um dem unliebsamen Konkurrenten den Markt streitig zu machen, wandten sich 1937 zwei weitere Schweizer Schuhfabriken der Produktion von Sneakers zu. Neben der Firma Fretz – welche die Produktion jedoch bereits ein Jahr später wieder aufgab – fertigte nun auch Bally Leinenschuhe mit aufvulkani­sierter Gummisohle. Bekanntlich hatte Verwaltungsratspräsi­dent Iwan Bally keine drei Jahre zuvor just diesen Schuhtypus

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[v] Ausschnitt Bata-Katalog, 1939 (Bata-Archiv der Gemeinde Möhlin)

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als unhygienisch, fremdartig und minderwertig charakterisiert. Nun eignete sich sein Unternehmen die Vulkanisierungsmethode nicht nur an, sondern widmete dem Arbeitsprozess sogar einen eigenen Markennamen: Bally Vulco. [Abb. iv] In ihrem Katalog betonte Bally die einheimische Herkunft des neuen Produkts: »Bally Vulco – der neue vulcanisierte Turnschuh, vorzügliche Qualität, gute Passform, über Schweizerleisten gearbeitet.«17 Hinsichtlich Material, Design und Produktion wurde mit dem Vulco das einst bekämpfte Plimsoll-Modell von Bata weitgehend imitiert. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Sneakers von Bally und Bata lag in ihrer Vermarktung. Wenngleich beide Unternehmen ihr Produkt als Schuh für körperliche Aktivitäten anpriesen, ist doch folgende Distinktion hervorzuheben: Bally stellte den Vulco als Schuhwerk für Turner dar; Bata inszenierte den Plimsoll als Volksschuh, der auch in der Freizeit verwendet werden konnte. Damit wandten sich beide Unternehmen dezi­diert an die Schweizer Jugend, in welcher Turnen und Sport über­aus populär waren. Die hier betonte Unterscheidung zwischen Sport und Turnen war in den 1930er Jahren eine klare Botschaft an die Konsumenten. Das in Staat und Bürgertum des 19. Jahrhun­derts verankerte Turnen stand der vorwiegend aus England stammenden Sportbewegung bis tief ins 20. Jahrhundert hinein mit Spott und Ablehnung gegenüber. Im klassischen Turnen ging es vorwiegend darum, die Knaben auf den Militärdienst vorzube­-

[vi] Begleitauto der Tour de Suisse, 1939 (Bata-Archiv der Gemeinde Möhlin)

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reiten.18 Der Sport stellte dagegen auch in der Schweiz eine ge­sellschaftsreformierende Kraft dar. Spiele, Wettkämpfe oder freie Wanderungen in der Natur bildeten ein wesentliches Struktur­element der frühen Jugendbewegungen. Insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg wandten sich junge Männer und zunehmend auch junge Frauen massenhaft dem Sport zu.19 Ein Indiz für die wachsende Sportbegeisterung waren die rund 90’000 Mitglie­der der Schweizer Arbeitersportbewegung Mitte der 1930er Jahre. 1914 waren es 4’000, 1928 erst 20’000 gewesen.20 Die Schweizer Schuhwirtschaft reagierte verhalten auf das aufkeimende Massenphänomen Sport. Zwar ergänzten einige Händler ihr Sortiment um sogenannte Sportschuhe, doch handel­te es sich dabei um besonders robuste Lederstiefel. Der Durch­schnitts­preis für ›Sportschuhe‹ lag über jenem für das generell teure Schuhwerk und richtete sich damit eindeutig an die Ober­schicht.21 Die günstigen Sneakers wandten sich dagegen direkt an die preissensitive Jugend. Mit Angeboten um 2 Franken pro Paar nahm Bally 1937 den Preiskampf mit Bata an;22 das Traditi­onsunternehmen buhlte mit dem Vulco aber nicht bedingungslos um die sportbegeisterten Jugendlichen. Das neue Modell wurde in den kommenden Jahren konsequent als Turnschuh vermarktet; als ›Sportschuhe‹ bezeichnete Bally nach wie vor robuste Leder­stiefel.23 Bata dagegen vermarktete seine gummibesohlten Mo­delle als polysportiv verwendbares und modisches Schuhwerk. [Abb. v] Das Unternehmen trat in der Öffentlichkeit gerne als Sponsor von Fußball und Radfahren auf, den Ende der 1930er Jahre wohl populärsten Sportarten. Auch bei ihrem Sponsoring ach­tete Bata auf ein Schweizer Image: An der Tour de Suisse 1939 winkte dem schnellsten Schweizer Radrennfahrer im interna­tionalen Feld der ›Bata-Preis‹. Gemeinsam mit den von der brei­ten Masse bewunderten Radstars fuhr zudem ein von Bata ge­schmücktes Begleitauto die Strecke der Tour ab. Am Auto waren neben einem Banner mit Batas Logo zahlreiche Schweizerfah­nen befestigt; auf dem Dach thronte ein überdimensionierter Plimsoll, darin die Figur eines sportlich anmutenden Jünglings. Die Dekoration war symbol­trächtig, ihre Botschaft eindeutig: Der Plimsoll ist der Schuh der Schweizer Jugend. [Abb. vi] Ende der 1930er Jahre hatte sich der Sneaker als Turn-, Sportund Freizeitschuh auf dem Markt etabliert.24 Bally und Bata pro-

Sportlich, gummibesohlt und patriotisch: Die ersten Sneakers aus der Schweiz

duzierten in der Schweiz jährlich zwischen 250’000 und 500’000 Paar der begehrten Leinenschuhe mit Gummisohle.25 Der typi­sche Träger der ersten Sneakers aus der Schweiz war jung, oftmals zu Sparsamkeit gezwungen und scheinbar immun gegen die hart­näckigen Einwände der Schweizer Schuhbranche. Auch das Traditionsunternehmen Bally legte die Dünkel gegenüber gummibesohlten Leinenschuhen ab. In einer Festschrift von 1951 befand das Unternehmen, dass »der alte Spruch, nichts sei besser als Le­der, dank der Wissenschaft überholt ist«.26 Neben der wachsenden Vielfalt von verwendeten Materialien verweist die Publikation auch auf die Bedeutung der Sportbegeisterung für den Schuhmarkt. Tatsächlich richtete sich das leichte Schuhwerk lange vor­wiegend an Freizeitsportler. Erst während den letzten vierzig Jah­ren entwickelte sich der Sneaker zu einem Lifestyle-Objekt mit globaler Strahlkraft. »Under the broad category of ›sneaker‹«, schreibt Semmelhack, »lies a minefield of meaning [...] full of social significance«.27 Auch in der Schweiz hat sich die soziale und kulturelle Bedeutung des anfangs umstrittenen Schuhwerks zweifellos gewandelt. Die Fragen der 1930er Jahre scheinen heute weitgehend obsolet – ein Sneaker wird nicht mehr primär über sei­ne Herkunft oder die verwendeten Materialien definiert, und selbst die ursprüngliche Funktion als Sportschuh schließt ihn nicht vom Gebrauch als Modeartikel aus. Der Wandel des Sneak­ers zum Modeartikel widerspiegelt sich in den Verkaufspreisen. Schnäppchen wie der Bata Plimsoll und der Bally Vulco sind passé; die Strahlkraft globaler Brands wie Nike Air oder Adidas Superstar scheint heute beinahe jeden Preis zu rechtfertigen. 1 Anstelle der ursprünglichen Bezeichnung ›Plimsoll‹ wird heute auch ›Plimsole‹ benutzt. 2 Zur Geschichte des ›Sneakers‹ vgl. Gill 2006; Glarner 2003; Kawamura 2016; Semmelhack 2015; Vanderbilt 1998. 3 Schweizerisches Wirtschaftsarchiv, Basel; diverse Bestände zu Schweizer Schuhunternehmen. 4 Gadient 1991, S. 31. 5

Der Boykott verbot zwischen 1934 und 1948 den Verkauf von Bata-Produkten und die Belieferung der Fabrik in Möhlin. Weitreichender als die Schwarzen Listen in den Verbandszeitungen war indes die Einflussnahme auf den Bundesrat und die damit zusammenhängende ›Lex Bata‹, namentlich das ›Verbot

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der Eröffnung und Erweiterung von Kaufhäusern und Filialgeschäften‹ 1933 sowie das ›Verbot der Eröffnung und Erweiterung von Betrieben der Schuh­industrie‹ 1934. Vgl. Schib 1959; Ehrenbold 2011; Widmer 1990. 6 Ehrenbold 2012, S. 59–71. 7 Ein Artikel zum Vortrag von Iwan Bally erschien u.a. in der Neuen Zürcher Zeitung vom 29.11.1934. 8 Brief des Lederhändler-Verbands, Zentralsekretariat Bern, an das Justiz- & Polizeidepartement und das Volkswirtschaftsdepartement; vgl. Schweizerisches Bundesarchiv Bern; BAR, E4110A. 1000/1820. BD: 5. C.08.15. 9 Ehrenbold 2012, S. 65f. 10 Schweizerisches Wirtschaftsarchiv, Basel; CH SWA, H + I Bb 20: Bally Schuh­fabriken Schönenwerd. 11 Volksfront vom 30.8.1934. 12 Ehrenbold 2011. 13 Möhliner Anzeiger vom 2.8.1938. 14 Linsmayer 1983, S. 445f. 15 Architekturmuseum Basel 1992; Ehrenbold 2012. 16 Ehrenbold 2013. 17 Schweizerisches Wirtschaftsarchiv, Basel; CH SWA, H + I Bb 20: Bally Schuh­fabriken Schönenwerd. 18 Goltermann 1998. 19 Pieth 1979. 20 Düby 1927/1928; Silaba 1928. 21 Schweizerisches Wirtschaftsarchiv: diverse Bestände zu Schweizer Schuh­ unter­nehmen. 22 Ein Rundschreiben von Bally setzte 1937 die Detailverkaufspreise für ›vulkanisierte Bally-Turnschuhe‹ bis Größe 42 auf 1.90 Franken (blau) und 2.10 Franken (weiß) fest; vgl. Schweizerisches Wirtschaftsarchiv, Basel; CH SWA, H + I Bb 20: Bally Schuhfabriken Schönenwerd. Das Werbeplakat von Bata aus demselben Jahr (s. Abb. XX) pries beide Farben für 1.50 Franken an. 23 Als Variation des ›Vulco‹ wurde ebenfalls ein ›Vulco Tennis‹ angeboten; vgl. Schweizerisches Wirtschaftsarchiv, Basel; CH SWA, H + I Bb 20: Bally Schuh­fabriken Schönenwerd. 24 Genossenschaftliches Volksblatt vom 21.9.1934. 25 Im Rahmen der gelenkten Volkswirtschaft erteilte der Bund jährlich Kontingente für die Produktion von Leinenschuhen mit Gummisohle. 26 Bally 1951. 27 Semmelhack 2015, S. 19. 138

›Funktionale‹ Schuhe

Die Entwicklung der Gebrauchsschuhe1, deren Ausdifferenzierung und die Schnittstellen zur Mode Daniel Späti

Zwei Entwicklungen am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahr‑ hunderts scheinen wichtig als Basis für die weiteren Ausführungen. Im 19. Jahrhundert setzte eine von Anatomen ausgelös­te Bewegung die Schuhreform2 in Gang, welche das Schuhwerk anhand ergonomischer und orthopädischer Kenntnisse gestalten wollte. Damit wurde die Schuhherstellung erstmals auf eine vollwissenschaftliche Grundlage gestellt. Wesentlich für die Um­setzung und internationale Verbreitung der Schuhreform war der militärische Bereich, da gutes Schuhwerk für die Kriegstauglichkeit einer Armee von zentralem Wert war. Das Modell 1892 der Schweizer Armee wurde nach den Leitgedanken der ›rationellen Schuhgestaltung‹ konstruiert. Die zweite einschneidende Entwicklung war die Veränderung des Schuhgebrauchs. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts besaß der durchschnittliche Bürger im deutschsprachigen Raum in der Re­gel nur ein Paar Schuhe, manchmal ein zweites als Sonntagsschuhe.3 Insgesamt kam einem soliden, also lange haltbaren und reparaturfähigen Schuh hohe Bedeutung zu. Dieser war oft ein halbhoher Schnürstiefel, eine Art Allround- oder funktional viel­seitiger Schuh. Für den Mann war die Schuhauswahl wohl begrenzt auf Schnürstiefel in Schwarz. [Abb. I] In den 1920er Jahren fand im deutschsprachigen Raum eine massive Verlagerung des meistgetragenen Schuhtypus vom Schnürstiefel zum Halbschuh statt.4 Die Leute wohnten zuneh­mend in Städten mit ihren besser ausgebauten Straßen, was leich­teres Schuhwerk erlaubte. Variierte das Angebot an Schnürstie­feln zumindest äußerlich nur geringfügig, bildete sich bei den Halbschuhen schon bald eine Vielzahl modischer Varianten her­aus, insbesondere bei den Frauenschuhen. Halbschuhe wurden jedoch wegen des hohen modischen Durchlaufs oft in geringerer Qualität hergestellt und waren weniger reparaturfähig.5 Grund­-

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sätzlich lässt sich feststellen, dass der physische Gebrauchswert gegenüber modischen Eigenschaften an Bedeutung verlor, während die zunehmende Industrialisierung die Produktionskosten senkte, wodurch sich der Konsum von Schuhen vervielfachte.6 Zwei beinahe identische, aber vier Jahre auseinanderliegende Plakate zeigen den Wandel von einheitlichem Bergschuhwerk hin zu sportlichen Halbschuhen und zunehmend modischer Bekleidung bei den Damen. [Abb. Ii, iii] Entwicklung und Ausdifferenzierung der praktischen Gebrauchsschuhe Die technologische Entwicklung und die neuen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung führten zu einer Ausdifferenzierung der Gebrauchsschuhe, vor allem im sportlichen Bereich. So entstan­den damals große Sportschuhfirmen, wie Adidas (1924) oder Pu­ma (1948); Skifahren und Alpintourismus begannen Schritt für Schritt massentauglich zu werden,7 und die Gummisohle setzte zu ihrem Siegeszug an. Das zweckdienlich ausgerichtete Schuh­werk blieb jedoch »vorläufig weitgehend von den Modeströmun­gen unabhängig«.8

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[1] Bally-Plakat, 1927; Hugo Laubi (Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG)

›Funktionale‹ Schuhe

Den Grundtypus vieler praktischer Gebrauchsschuhe bildete weiterhin der Schnürstiefel, bis 1920 der meistgetragene Schuhtypus im Alltag, meist in Braun oder Schwarz gehalten, solide kon­struiert und reparaturfähig. Unterschiedlich hauptsächlich in Materialwahl und Konstruktionsart (zumeist Derby-Konstruk­tion9, im besseren Fall zwiegenäht10), war er nicht oder nur leicht beschlagen und wies höchstens dezente Ziernähte oder andere Ornamente auf. [Abb. Iv] Bei den Arbeitsschuhen gab es die eine oder andere nach prakti­schem Gebrauch ausgerichtete Ausdifferenzierung; generell wa­ren es jedoch Schnürstiefel mit einer Schafthöhe knapp über dem Knöchel, in Schwarz gefertigt, das Material sehr robust und die Konstruktion ganz der Langlebigkeit untergeordnet. Man musste sie wohl länger eintragen, bis sie sich dem Fuß anpassten und be­quemer wurden. Die meisten Arbeitsschuhe waren, je nach Verwendungszweck, gröber oder feiner beschlagen. Beim Marschschuh11 der Schweizer Armee, einem halbhohen Schnürstiefel, fanden in der Periode von 1930–1960 einige klei­nere und größere Entwicklungsschritte statt. Hervorzuheben wäre beispielsweise die Einführung der Gummisohle um 1954.12 Gleichzeitig wurden immer noch Schuhe mit beschlagenen Le-

[ii] Bally-Plakat, 1924; Emil Cardinaux (Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG)

[iii] Bally-Plakat, 1928; Emil Cardinaux (Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG)

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dersohlen produziert und getragen. Einerseits hatte man davon noch große Lagerbestände und musste andererseits das Schuhmacherhandwerk unterstützen, welches für Gummibesohlung nicht eingerichtet war und sich je länger, je mehr auf die Her­stellung der privat finanzierten Offiziersstiefel konzentrierte. Aufgrund der Schwierigkeiten in der Materialbeschaffung wur­de beim Modell 1941 die Schafthöhe um 1.5 cm reduziert.13 Dank seiner Qualität und der kostenfreien Abgabe eines Paars an jeden Soldaten wurde der Militärschuh auch im Zivilleben gerne als Arbeits­schuh eingesetzt. Dagegen hatte das Modell des Frauenhilfsdienstes schon eine leicht modische Note: Es war braun, hatte eine rote Naht und war sogar etwas gepolstert. Wander- und Bergschuhe sind in Konstruktion und Gestal­tung verwandt mit den Arbeits- und Marschschuhen: Schnürstie­fel mit nicht allzu hohem Schaft, ledergefüttert, mit Filztuchrand gegen das Einschneiden, die Futterlaschen hochgezogen, die Be­sohlung kräftig, das Material widerstandfähig. Je stärker die Stie­fel Belastungen ausgesetzt sind, desto kräftiger kommen sie da­her. Bei Bally »dürften Bergschuhe das Beste an Bequemlichkeit, Wasserdichtigkeit und gutem Sitz darstellen«.14 Offensichtlichs­tes Unterscheidungsmerkmal der verschiedenen Schuhtype war meist die Sohle bzw. deren Beschlag. Dieser diente sowohl der Griffigkeit als auch der Langlebigkeit der Besohlung, indem er das Sohlenleder vor Abrieb schützte und nach Bedarf erneuert werden konnte. Es lassen sich leichtere Beschläge bei Alltagsschuh­en, gröbere bei Arbeitsschuhen und die massiven Beschläge der Bergschuhe unterscheiden. [Abb. v]

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[iv] Bally, Schnürstiefel, 1920–1930 (Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG; Foto: Manuel Fabritz, © Bally)

›Funktionale‹ Schuhe

Hochgebirgs-Expeditionen verlangen eine große Griffigkeit der Schuhsohlen, also einen hohen Gleitschutz. Dafür wurden zum Beispiel der Grenacher- und der Bernina-Beschlag,15 später der Tricouni-Beschlag erfunden.16 Dieser wurde um 1912 von einem Genfer Juwelier und passionierten Bergsteiger entwickelt und wird bis heute in Bulle (Schweiz) hergestellt. Er gab sehr guten Halt, doch wirkten vor allem die Metallplatten am Absatz als Kälteleiter. Bally erprobte deshalb bei Hochgebirgsschuhen die vulkanisierte Sparta-Gummisohle, welche sich, auch bezüglich Wasserdichtigkeit, glänzend bewährte. Der größte Vorzug aber war, dass der gleiche Schuh für Anmarsch und Besteigung taugte.17 Bally hat zahlreiche Himalaya-Expeditionen ausgerüstet, als berühmteste die Erstbesteigung des Mount Everest 1953, wo Tenzing Norgay Bally-Rentierstiefel trug, was Bally bis heute gern betont. Im Verlauf der 1940er und 1950er Jahre entstanden etliche Variationen, die zukünftige Entwicklungen vorwegnahmen, wie besser gepolsterte Bergschuhe, leichtere Wanderschuhe und, als etwas weiter entfernte Verwandte, die Après-Ski-Schuhe. Berg- und Wanderschuhe können auch zur Gruppe der Sportschuhe gezählt werden. Dieser Bereich entwickelte sich in jenen Jahrzehnten sehr dynamisch. Die Zeitschrift Das Werk schrieb 1928: »Sportschuhe sind wohl der Zweig der großen schweizerischen Qualitätsindustrie, der Ballyschen Schuhfabrikation, der

[v] Bally, Bergschuhe (links Grenacher-, rechts Tricouni-Beschlag), 1930–1940 (Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG; Foto: Manuel Fabritz, © Bally)

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sich in erster Linie als moderne Schöpfung darstellt. Schuhe für Straße und Gesellschaft bilden bereits geschaffene Typen weiter, die Sportschuhe dagegen verkörpern eine ausgesprochen neuzeitliche Idee nach Zweck und Durchbildung.«18 Das bestehen­de Schuhwerk wurde ausdifferenziert, und neue Schuhtypen ent­standen, etwa für Tennis, Leichtathletik, Eislauf, Eishockey, Fuß­ball, aber auch für Jagd und Fischerei. Schuhe und Funktionalität Der Begriff ›Funktionalität‹ von Produkten und deren Gestaltung unterliegt einer permanenten Debatte, verändert und erwei­tert sich, gekoppelt an technologische und gesellschaftliche Ent­wicklungen und Bedürfnisse. Grundsätzlich ist das Verständnis der Funktionen eines Produkts heute breit gefächert und wird als komplexes Geflecht erkannt. Die Veränderung der Design­kriterien im Laufe des 20. Jahrhunderts lässt sich anhand der Ausdifferenzierung und modischen Entwicklung der Gebrauchs­schuhe gut nachvollziehen. Zum Thema ›Funktionalität und Schuhe‹ ist nur beschränkt Literatur zu finden. Wie bei Anne Sudrow nachzulesen, decken Schuhe im Allgemeinen folgende Grundbedürfnisse ab:19 1. Schutz des Fußes vor Verletzung, Schmutz und Kälte, Hitze oder anderen Witterungseinflüssen; 2. Deckung vor dem ›schamlosen Blick‹; als zweite Haut fungiert Bekleidung als materielle Grenze zwischen Leib und Raum; 3. Schmückung und Hervorhebung des Körpers – was ebenso grundlegend ist. In der Auffächerung der Designfunktionen fiele der Schutz der Füße eher unter die praktischen, die Deckung vor dem ›schamlosen Blick‹ sowie Schmückung und Hervorhebung eher unter die emotionalen Funktionen. Christoph Ebert benennt und um­schreibt die Faktoren zur Bewertung der Funktionalität bei Sport­schuhen in drei Abstufungen:

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»1. Basisfaktoren: Sie umfassen jene Funktionen, die Unzufriedenheit auslösen, wenn sie nicht den Erwartungen des Sportlers entsprech­ end wahrgenommen werden. Werden sie vom Sportler positiv wahr­-

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genommen, führt das noch nicht zu Zufriedenheit, sondern lediglich zu ›Nicht-Unzufriedenheit‹. Diese Mindestanforderungen betreffen also die Kernleistungen des Sportprodukts. 2. Leistungsfaktoren: Dies sind jene Funktionen, die sowohl zu Zufriedenheit führen, wenn die Erwartungen des Kunden übertroffen werden, als auch zu Unzufriedenheit, wenn die Erwartungen des Sportlers nicht erfüllt werden. 3. Begeisterungsfaktoren: Sie beziehen sich auf jene Funktionen, die Zufriedenheit auslösen, wenn sie dem Sportler zur Verfügung ste­hen, aber nicht notwendigerweise Unzufriedenheit verursachen, wenn sie nicht vorhanden sind. Begeisterungs­attribute werden vom Sportler nicht erwartet und erhöhen deshalb den wahrgenommenen Nutzen einer Kernleistung.«20

Funktionalität am Beispiel des Skischuhs Anhand des Skischuhs gehe ich im Folgenden etwas präziser auf die praktisch-technische Funktionalität eines Gebrauchsschuhs ein. Ein kurzer Rückblick auf die historische Entwicklung des Skischuhs zeigt, dass der Ski ursprünglich nicht als Sportgerät gedacht war, sondern der Mobilität in schneereichen Gebieten diente. Erst die Skipioniere der Alpen passten die Ausrüstung den Notwendigkeiten der Abfahrt an. Durch die Entwicklung der Lilienfeldbindung21 und den damit verbundenen besseren Sei­tenhalt musste der Skischuh erheblich steifer werden, damit man vom verstärkten Seitenhalt profitieren konnte. Da es zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch keine Skilifte gab, musste der Skischuh auch aufstiegstauglich sein.22 Als dessen Basis diente vorerst der Bergschuh, der mit diversen Verstärkungen und technischen Feinheiten angepasst wurde: Erhöhter Schaft, Innenschuh und Lederriemen verbesserten den Halt im Schuh, spezielle flache Gummisohlen den Halt auf den Skiern. Polsterungen oder bis zu 2 cm dicke Kernledersohlen erhöhten Bequemlichkeit und Kälteschutz; die Wasserdichtigkeit wurde mit überlappenden Zungenlaschen und Materialbehandlungen erreicht. Für den Normalgebrauch wurde anfangs des 20. Jahrhunderts aber noch häufig improvisiert, indem man zum Beispiel Nägel in die Absätze von Berg- oder Wanderschuhen einschlug, damit der Bindungsriemen nicht über den Absatz rutschte.23 145

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Die Entwicklung hin zu einem genuinen Skischuh dauerte seine Zeit, doch die wachsende Industrie entwickelte mit großem Eifer laufend neue, technisch verfeinerte Modelle. Bald entstand eine weitere Ausdifferenzierung in verschiedene Spezialmodel­le für Touren, Piste, Slalom, Langlauf oder Abfahrt.24 Der zuneh­mende Einfluss von »Geschmack, Mode und Kaufkraft«25 befeu­erte die Mannigfaltigkeit der Produkte weiter. Die Konstruktion eines Sportschuhs soll den jeweiligen An­sprüchen an die »Geh-, Lauf-, Streck-, Dehn-, Sprung- und Gleit­bewegung«26 der Sportart genügen. Beim Skischuh wird eine Ein­heit von Fuß, Schuh und Ski angestrebt; darauf muss jedes Ele­ment möglichst optimal zugeschnitten sein. Das Oberleder soll­te »weich, geschmeidig und wasserdicht sein; andererseits aber sollte es auch rasch trocknen und die natürliche Ausdünstung des stark beanspruchten Fusses ermöglichen.«27 Für das Futterleder stand Kalbsleder – eher warm und zäh – oder das billigere, dünnere Ziegenleder – weniger haltbar und bei starker Ausdünstung schnell verschlissen – zur Wahl. Bezüglich des Einsatzes von Leder oder Gummi waren in den 1940er Jahren die Meinungen deutlich geteilt. Es gab zwei hauptsächliche Konstruktionsarten, ›geschraubt und gedoppelt‹28 auf maschinellem Weg oder ›zwie­genäht‹ in Handarbeit mit teilweise maschineller Unterstüt­zung.29 Die zunehmende Lederknappheit im Zweiten Weltkrieg beeinflusste auch die Konstruktionsweisen der Skischuhe; so waren »keine nahtlosen Skischuhe, keine Rist- und Knöchelrie­men, keine Pneu-Schaftabschluss-Bänder« mehr erlaubt, sondern nur noch »materialsparende Schaftschnitte«.30 Immerhin konn­te sich die Schweiz überhaupt noch Skischuhe leisten. In seiner Studie nennt Christoph Ebert unter anderem folgen­de wesentliche Anforderungen an die praktisch-technische Funk­tionalität des Skischuhs: * * * * * * 146

Gehen ermöglichen Stabilisierung bieten Kraft übertragen Wärme speichern Wasser abweisen Bewegung ermöglichen31

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Viele dieser Ansprüche galten im Prinzip auch für Skischuhe um 1930, werden heute aber anders gewichtet, und es stehen neue Technologien zur Verfügung. Zudem kommen vermehrt modisch-emotionale, ästhetisch-formale und zeichenhafte Kom­ponenten hinzu. Schnittstellen zwischen Gebrauchs- und Modeschuhen Waren die Gebrauchs- und Sportschuhe zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch wenig von modischen Einflüssen geprägt, so nahmen diese im Verlauf der 30er und 40er Jahre deutlich zu und führten zu einer weiteren Ausdifferenzierung. Das Aufkommen modischer Tendenzen im Skisport spielte sich ab zwischen »den Polen der materiellen Zweckdienlichkeit und der sozialen Kommunikation«.32 Die (vorgängige) Entwick­lung des Alltagsschuhs vom Stiefel zum modischen Halbschuh musste wohl über kurz oder lang auch auf andere Schuhtypen übergreifen. Dank dem stark wachsenden Tourismus (mit vielen internationalen Gästen), zunehmender Freizeit und vermehrtem Wohlstand entwickelte sich das Skifahren vom Gemeinschaftssport für Frauen und Männer hin zum ›Lifestyle-Sport‹ als gesell­schaftlichem Erlebnis, wo die äußerliche Erscheinung eine größe­re Rolle spielt. In der Pressemitteilung zur Bally Sportschuhaus­stellung von 1935 in Zürich heißt es: »Die erste grössere Sportschuhausstellung fand im Jahre 1919 statt und wurde von der Presse damals in sehr sympathischer Weise besprochen. Seit 16 Jahren ist in der Erzeugung der Sportschuhe ein grosser Fortschritt gemacht worden. Die grossen Gebiete, welche der Sport für sich seit damals erobert hat, haben Riesenausmasse angenommen, man denke nur an den Skisport. [...] In der Fabrik sorgt eine eigene Abteilung für die [...] Sportschuhkollektion, dabei werden nicht nur die letzten technischen Fortschritte, sondern auch die heute mehr als je mithinzukommenden Modetendenzen berücksichtigt. Haben wir ja nicht nur den ernsthaften Sport, der wirklich nach Punkten arbeitet, sondern auch den sogenannten Modesport. Man macht eben den Sport, weil es Mode ist. Muss […] beim ernsthaften Sport mit allen Konditionen [...] die sportgerechte [...] Qualität in Betracht gezogen werden, die allen technischen und wetterentsprechenden Verhältnissen Rechnung trägt, so sind es beim eher modischen Typ Ensemble-Fragen, der Schuh muss zur Gesamterscheinung passen.«33

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Auch Hengartner betont in seinem Artikel, dass insbesondere »die weibliche Kundschaft grosse Ansprüche an Phantasie­ schnitte und farbenfrohe Skischuhe« stellte. Wie er erklärt, gab »die Schönheit und Eleganz dieser Skischuhmodelle später die Anregung für den Auf- und Ausbau der Après-Ski-Modelle, welche ja nicht nur an den Wintersportplätzen, sondern auch in unse­ren Städten getragen werden.«34 Ein zeitgenössisches Plakat zeigt im Vordergrund das braune Männer-Skischuhmodell, im Hin­tergrund je ein braunes und mehrfarbiges Frauenmodell. Beim Skischuh schied sich eine streng sachliche, sportgerechte von einer mehr modischen Linie. Bally führte Modelle »für den einsamen Skifahrer, der über 3000m über Joche, Gletscher und Firne seine Spuren zieht, wie für das Skihaserl, das am Arme des Skilehrers zappelt und dem ein Five o’clock mit Danc­ing Inbegriff der Wintersporttätigkeit ist.«35 Denn »der Gerissene will einen pelzgefütterten, handgenähten Waterproofstiefel mit Rist und Knöchelriemen und beschlagenen Sohlen. Die elegante Skifahrerin in Plusfours und Tiroler Hütchen wählt weiss und blau, weiss und braun und so weiter kombinierte Skischuhe.«36 Hier wurden unmissverständliche Geschlechterrollen festgelegt: der Mann, Einzelgänger und sportbegeisterter Könner; die Frau, der das Skifahren eher Nebensache ist, bloßes Freizeitvergnügen, und die Mode die Hauptsache. Auffallend ist, dass sich die mo-

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[vi] Bally, Skischuhe, 1930–1950 (Historisches Archiv der Bally Schuh­fabriken AG; Foto: Manuel Fabritz, © Bally)

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dischen Aspekte bei Skischuhen oft nur in Details zeigten, etwa in Form eines farbigen Riemens. Der Fokus lag nach wie vor auf einem seriösen, qualitätsvollen Schuh, doch seine Erscheinung wurde durch modische Elemente etwas aufgelockert und ›zugänglicher‹ gemacht. [Abb. vi, Abb. vii] Der Gebrauchsschuh als modisches Konsumgut Während der Standardschuh, wie Anne Sudrow schreibt, meist relativ eindeutig zu verorten war, wurde der Modeschuh »zum Utensil der Durchbrechung alter Standesgrenzen und Mittel überlagernder, alternativer und differenzierterer Identitätskon­struktionen und sozialer Zugehörigkeit. Die Standardschuhklei­dung galt als eher regional-, nationen- und standesspezifisch, die Mode hingegen als kosmopolitisch und grenzüberschreitend.«37 Die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe lässt sich beispielsweise an den Golf- und Sporthalbschuhen aufzeigen. Der sogenannte Spectator-Schuh signalisierte durch die Verwendung der Farbe Weiß (damals eine Kühnheit bei Männerschuhen!), dass man sich nicht die Füße mit Arbeit schmutzig machen musste, und seine Sportlichkeit deutete die Art der Frei­zeitgestaltung an. Er symbolisierte quasi einen kosmopoliti­schen Geist und natürlich die Zugehörigkeit zu einer gut betuch­ten Klasse mit Sinn für Design. Zu Beginn also auf eine eher klei­-

[vii] Bally-Plakat, 1938; Gestalter unbekannt (Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG)

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ne Schicht beschränkt, spielte das Bedürfnis, modisch gekleidet die sozialen Eigenschaften zu betonen, zunehmend auch bei ärmeren Bevölkerungsschichten eine große Rolle.38 Golfschuhe wurden von Bally ähnlich wie die Skischuhe cha­rakterisiert: »Wir unterscheiden zwischen dem ernsten Golfer und den amateurhaften Golferinnen, denen der Apéritif auf der Klubterrasse wichtiger ist. Engagierten Spielern ist bewusst, dass der Golfschuh schwer, stark und wetterbeständig sein muss. Für Golflinks in England, Frankreich, oft auf sandigem oder mit spärlichem Gras bewachsenen Boden genügt oft auf modische Tendenz gehendes Golfschuhwerk. Je nach Terrain gilt Gummi- oder beschlagene Ledersohle.«39 [Abb. viii]

Die Zeitschrift Das Werk schrieb in ihrem Artikel zu Schweizer Sportschuhen: »Es folgt die Gruppe der sogenannten Sporthalbschuhe, von denen einige Modelle sich zugleich als praktische Laufschuhe für die Stadt eingebürgert haben und die im farbigen Einklang mit der Kleidung stehen.«40 Bei diesen Modellen spielte der modische Aspekt eine bedeutend größere Rolle als bei den reinen Sportschuhen und den praktischen Gebrauchsschuhen, doch schützten sie auch gut gegen Kälte und Nässe. [Abb. ix] Eine weitere Unterkategorie wurde als Luxussportschu­he bezeichnet; diese wurden »an der Kurpromenade getragen, allenfalls auch beim Golfspiel«41 – in dieser Rangfolge.

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[viii] Bally, Golfschuh-Sohlen (Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG; Foto: Manuel Fabritz, © Bally)

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»Auch ein Sporthalbschuh erscheint vielfach auf dem Golfplatz, wozu seine Sohle aus dickem, stark geripptem Plantagengummi geeignet ist. [...] Die Lederfarben folgen der Vorschrift der Mode und sind raffiniert zu den Kleidern gestimmt. Sie begleiten bei den Herren den Knickerbockeranzug, bei der Dame das Sportkostüm bestehend aus Jumperkleid oder Schneiderkostüm aus englischem Wollstoff.«42

Die gewagte, verspielte Gestaltung eines Teils der sportlichen Männer-Halbschuhe im Bally-Archiv aus den Jahren 1930–1950 deutet darauf hin, dass die Modelleure hier Neuland entdecken und ihre ganze Fantasie walten lassen konnten. Es gab keine direk­ten Vorbilder für diese Schuhe. Gleichzeitig ist klar, dass viel ge­konntes Handwerk und hochwertige Fertigung in diesen Schu­hen stecken, weit weg von einer Massenproduktion – heute also kaum mehr umsetzbar. Auf jeden Fall waren die Herrenschuhmodelle wohl nie zuvor so deutlich von der Mode geprägt wie hier. In ihrem Hang zum verschnörkelten Detail hatten sie wenig mit den avantgardistischen Designströmungen der Zeit gemein, welche die ›reine Funktion‹, also insbesondere die Zweckmäßigkeit, ins Zentrum stellten. Es war also wohl der Freizeitschuh, der den Weg des Mannes in eine etwas farbigere und ausgefal­lenere Schuhmode ebnete. Allerdings ist bei meinen Nachforschungen nicht erkennbar geworden, ob all diese Modelle tatsächlich produziert und verkauft wurden oder eher Schaufensterund Repräsentationsmodelle waren.

[ix] Bally, sportliche Halbschuhe (Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG; Foto: Manuel Fabritz, © Bally)

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Umgekehrt ist interessant zu sehen, wie auch auf die Modeschu­he praktisch-technische Funktionalität in höchst ästhetischer Weise übertragen wurde, etwa beim rautenförmigen Sohlenbe­schlag des Schuhs in der Mitte oder dem Schnellverschluss beim Schuh auf der rechten Bildseite. [Abb. x] Die praktischen Gebrauchsschuhe, ihre technischen Details und Entwicklungen dienten also wiederum den Schuhmodelleuren (oder Designern, wie man heute sagt) als Inspiration für ihre Kreationen. Es lässt sich allerdings nicht immer unterscheiden, ob ein Element tatsächlich der Zweckmäßigkeit diente oder nur Zeichen und Referenz war, also ›designed to look functional‹. Dieses Wechsel­spiel hat sich bis heute erhalten bzw. nochmals deutlich intensiviert, bis hin zur Auflösung der Grenzen zwischen Mode- und Gebrauchsschuhen. Fazit Die praktischen Gebrauchsschuhe stehen an einer interessanten Schnittstelle, wo grundsätzliche Fragen nach dem zeitgenös­sischen Verhältnis von Design, Funktionalität und Mode sichtbar werden. Im Grundsatz geht es dabei um das Spannungsfeld zwischen technischer Qualität, dem zunehmenden Anspruch an Mode und den wirtschaftlichen Interessen der Schuhindustrie. Bei den Alltagsschuhen vollzog sich der Schritt vom Stiefel hin zum Halbschuh – und damit zu einer modischen Ausdifferen-

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[x] Bally, sportliche Halbschuhe (Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG; Foto: Manuel Fabritz, © Bally)

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zierung und kurzlebigeren Machart – um 1920. Anne Sudrow hält fest, dass der grundsätzliche Wandel primär darin bestand, dass der physische Gebrauchswert gegenüber den modischen Eigenschaften an Stellenwert verlor. Dies vollzog sich in den kommen­den Jahren auch in den weniger wohlhabenden Schichten, da die Produktionskosten durch die zunehmende Industrialisierung gesenkt werden konnten.43 Die Veränderung lässt sich auch gut anhand des Funktionalitätsbegriffs im Verlauf des 20. Jahrhunderts nachvollziehen, wo eine starke Verschiebung von technisch­praktischen hin zu zeichen- und symbolhaften Funktio­nen stattfand, die wiederum mit modischen Aspekten verknüpft war. Damit verloren früher zentrale Kriterien wie Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit an Gewicht. Dagegen blieb der zweckdienliche Gebrauchsschuh vorläufig von den Modeströmungen weitgehend unabhängig. Die diversen technischen Ansprüche an Sportschuhe in den einzelnen Disziplinen sorgten für innovative Entwicklungen bei Sohlen, Materialien und Konstruktionsarten; unter anderem setzte sich die Gummisohle definitiv im Massenmarkt durch. Die Schuhproduktion wurde zunehmend industrialisiert und verwissenschaftlicht. Schließlich nahmen modische Einflüsse zwischen 1930 und 1950 aber auch bei den Gebrauchsschuhen, insbesondere Sportschuhen, laufend zu, wenn auch häufig nur in Details. Ausgenommen blieben im Prinzip nur die Arbeitsschuhe. Beide Faktoren, Technik und Mode, führten zu einer nie zuvor gesehenen Ausdifferenzierung von Schuhtypen. In welchem Verhältnis hier tatsächlich Bedürfnisse der Konsumenten abgedeckt wurden und die Schuhindustrie vorwiegend ihre Absatzzahlen zu steigern suchte, ist eine offene Frage. Die Sportschuhe spielten dabei sicherlich eine zentrale Rolle. Sie dienten als Spielplatz für technische Erfindungen und gestalterische Experimente und wa­ren das Bindeglied zwischen den eher technisch-praktisch aus­gerichteten Gebrauchsschuhen und den modischen Halbschu­hen, was uns bis heute nachhaltig beeinflusst.

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1 Der Begriff ›Gebrauchsschuhe‹ ist nicht allgemeingültig definiert; hier wer­den damit Schuhtypen zusammengefasst, deren Gestalt eher von praktischem Gebrauchswert und materieller Zweckdienlichkeit als von modischem Nutzen und sozialer Kommunikation geprägt ist, also vorwiegend Arbeits-, Militär- und Sportschuhe. 2 Breyer 2012, S. 31. 3 Sudrow 2010, S. 65. 4 Ebd., S. 85. 5 Ebd., S. 85. 6 Ebd., S. 96. 7 Ebert 2010, S. 78. 8 Sudrow 2010, S. 151. 9 Derby- (auch Molière- oder Gibson-)Schuhkonstruktion: »Es handelt sich um einen Schuhtyp, bei welchem die Schnürpartie über dem Blatt liegt. Man kann ihn mehr oder weniger zuschnüren und somit dem individuellen Rist­mass besser anpassen.« (Blatter 2001, II-4-4) 10 Zwiegenäht: »Diese Machart stammt vermutlich aus den Alpenländern. [...] ab dem 17. Jahrhundert hat man diese Machart für schweres, robustes Schuh­werk eingesetzt.« Typisches Erkennungsmerkmal sind zwei sichtbare Nähte: Die Einstechnaht (horizontal) verbindet Schaft und Brandsohlenlippe, die Doppelnaht (vertikal) verbindet Schaft und Zwischensohle. (Blatter 2001, VI-3-4) 11 Hier ist explizit nur vom Marschschuh (›Ordonnanzschuh‹) der Schweizer Armee die Rede, in Abgrenzung zu Offiziersstiefeln oder Bezeichnungen in anderen Ländern. 12 Stiftung Historisches Material der Schweizer Armee (HAM): Laubacher/ HAM 2007/13; Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG: Stöckli, um 1970. 13 Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Schönenwerd: Stöckli, um 1970. 14 Das Werk, 1928/15, S. 21. 15 Grenacher- und Bernina-Beschlag waren Bezeichnungen für zwei Anordnungsformen mit jeweils unterschiedlichen Beschlagsnägeln (Abbildungen zu finden in: [o.A.]: Gleitschutz – von Caesar bis zur Himalaya-Expedition; Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Schönenwerd, um 1950). 16 Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Schönenwerd: [o.A.]: Gleitschutz – von Cäsar bis zur Himalaya-Expedition, um 1950, S. 4. 154

17 Ebd., S. 5.

›Funktionale‹ Schuhe

18 Das Werk, 1928/15, S. 21. 19 Vgl. Sudrow 2010, S. 68. 20 Ebert 2009, S. 47. 21 Erste moderne Skibindung, Ende 19. Jahrhundert erfunden vom Skipionier Mathias Zdarsky. 22 Ebert 2009, S. 77f. 23 Hengartner [o.J.], S. 1f. 24 Ebd., S. 2. 25 Ebd., S. 1. 26 Ebd., S. 2. 27 Ebd., S. 2. 28 Die Sohlenbefestigung erfolgte mit Hilfe gedrehter Nägel (Schrauben), bis vor kurzem als Konstruktionsart bei Militärschuhen verwendet. 29 Hengartner [o.J.], S. 3. 30 Ebd., S. 6. 31 Vgl. Ebert 2009, S. 92. 32 Sudrow 2010, S. 151. 33 Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Schönenwerd: Bally Sport­ausstellung, M.P.F., 1935. 34 Hengartner [o.J], S. 3. 35 Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Schönenwerd: Bally Sport­ausstellung, M.P.F., 1935. 36 Ebd. 37 Sudrow 2010, S. 395. 38 Ebd., S. 150. 39 Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Schönenwerd: Bally Sport­ausstellung, M.P.F., 1935. 40 Das Werk, 1928/15, S. 21. 41 Ebd., S. 24. 42 Ebd., S. 24. 43 Vgl. Sudrow 2010, S. 61–96.

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»Tragen Sie nur gute Lederschuhe, die der Form der Füsse entsprechen«1

Zwei Schweizer Initiativen zur Förderung der Fußgesundheit Nike U. Breyer Anstrengungen, das Passformproblem bei Schuhen, das im späten 18. Jahrhundert erstmals als solches wahrgenommen wurde,2 sys­tematisch zu lösen, reichen weit ins 19. Jahrhundert zurück. Die Schweizer Regierung spielte bei diesem ehrgeizigen Reform­projekt, für das schon Zeitgenossen den Begriff der ›Schuhre­form‹3 prägten, eine zentrale Rolle, indem sie durch Experimente mit neuen, ›rationellen‹ Militärschuhen und die Organisation einer Fußbekleidungs-Ausstellung 1876 in Bern dazu beitrug, die neuen Ideen zu popularisieren. Impulsgeber war der Anatomieprofessor Georg Hermann von Meyer (1815–1892), der 1858 in einer Streitschrift gefordert hatte, sich bei der Schuhfertigung nicht mehr von Gewohnheit und Mode leiten zu lassen, son­dern von der Anatomie und der Mechanik des Fußes.4 Durch die Übersetzung seiner Schrift ins Englische, Französische, Schwedische und Dänische wurden seine Ideen europaweit und bald auch in Amerika rezipiert. Die Reklame zeigte um 1900 selbst bei hochmodischen Schuhen reformähnliche Leisten mit anatomiefreundlicher gerader Sohleninnenkante.5 Diese Schuhe, zunächst fabrikgefertigt aus Amerika importiert, eta­blierten sich neben den überwiegend in Kleinserien manufak­turell hergestellten europäischen ›Reformschuhen‹ irreführenderweise als ›englische‹ oder ›amerikanische‹ Form. 6 [Abb. i] Wertewandel – Fußgesundheit wird zum Versorgungsargument ›Rationelle‹ Schuhe galten zwar kaum als schön, doch allgemein als ›modern‹ und ›fortschrittlich‹.7 Diese wohlwollende Rezeption endete mit dem Ersten Weltkrieg. Mit steigender Produktion, gefertigt für einen immer kurzfristigeren Konsum, trat bei Fabrik­-

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schuhen die Zugkraft modischer Looks in den Vordergrund. Fuß­gesundheit wandelte sich vom einstigen Versprechen auf ein Le­ben im Einklang mit den Naturgesetzen des Körpers [Abb. ii] zum Argument für sanitäre Versorgung von Füßen, die durch Mode­schuhe bereits geschädigt waren. [Abb. iii] Auch in der Schweiz lässt sich dieser kulturelle Wertewandel beobachten. Waren Reformschuhe und Sandalen8, in den zahl­reich gegründeten naturärztlichen Sanatorien selbstverständli­cher Bestandteil der Therapien, [Abb. iv] auch für den Alltag pro­pagiert worden, schwand der gesellschaftliche Konsens für ›ver­nünf­tige‹ Fußbekleidung während des Krieges. Als 1918 das Schwei­zerische Volkwirtschaftsdepartement den ›Volksschuh‹ als regulierten Versorgungsartikel zur Bekämpfung von ›Kriegs­wucher‹ über 900 Schuhgeschäfte dem Verkauf zuführte, blie­ben die Schuhe in den Geschäften liegen. Das anhaltend un­popu­läre Programm wurde nach einem Jahr eingestellt.9 Neben der Ab­neigung gegen staatliche Gängelung sorgte wohl vor allem ihr Aussehen für die Unbeliebtheit der ›Volksschuhe‹, die in der Satirezeitschrift Nebelspalter als klassisch, praktisch und solide karikiert wurden und an Reformschuhe erinnerten.10 [Abb. v] Einflussnahme auf Produktion, Konsum und kulturelle Wahrnehmung von Schuhen Mitte der 1930er Jahre sah sich die Schweizer Regierung erneut zu Maßnahmen veranlasst, um auf Produktion, Konsum und kul-

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[i] »Condor-Schuhe«; Zeitungsreklame, Deutsches Kaiserreich, um 1900 (Eigentum der Autorin)

»Tragen Sie nur gute Lederschuhe, die der Form der Füsse entsprechen«

turelle Wahrnehmung von Schuhen lenkend einzuwirken. Die »Aufklärungsaktion über den Wert guter Schuhe 1937–1939« ver­band gezielte Fördermaßnahmen für das Schuhmachergewerbe mit einer gesundheitspolitischen Zielsetzung, die an das sechzig Jahre zurückliegende Engagement des Schweizerischen Militär­departments anknüpfte. Anliegen und Verlauf dieser jüngeren Aktion, die ich im Spiegel einer knappen Behörden-Korrespon­denz von 20 Briefen in groben Umrissen zu rekonstruieren ver-­ sucht habe, stelle ich im Folgenden gerafft vor.11 Eine Artikel­folge in der Zeitschrift Die Alpen, die im Januar 1941 die Thema­tik Schuhe und Fußgesundheit erneut aufgriff, schließe ich in die Darstellung ein, ebenso einen Briefwechsel zwischen deren Au­tor, dem Schweizer Geologen und Naturforscher Arnold Heim (1882 – 1965), und Iwan Bally (1876 – 1965), Verwaltungsratsvor­sitzender der C.F. Bally AG Schuhfabriken, der die im Artikel aufgeworfenen Fragen weiter vertieft.12 Ihren Ausgang nahm die »Aufklärungsaktion über den Wert guter Schuhe« mit einer Eingabe des Schweizerischen Schuhmachermeister-Verbands vom 24.10.1933 bei der Preiskontrollstelle des Volkswirtschaftsdepartements, die den Bundesrat um»Mass­-

[ii] »Dr. Diehl-Stiefel – Naturgemäße Fußbekleidung« / »Reform-Sandalen, Müller & Sprung Dresden-A.«; Reklamemarken, um 1910 (Eigentum der Autorin)

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nahmen zum Schutz des notleidenden Schuhmachergewerbes« ersuchte.13 Seit dem Krieg sei es in wirtschaftliche Notlage ge­raten, weil eine wachsende Zahl von Billigreparaturbetrieben seine Existenzgrundlage zerstöre.14 »Nicht zuletzt«, resümierte die Eingabe, »ist durch die unfachmännische Arbeit der Gross­betriebe die Volksgesundheit gefährdet. Die überaus grosse Zahl von Fusskrankheiten hat ihre Ursache nicht zuletzt in unpassen­dem Schuhwerk und in unfachgemässer Schuhreparatur.«15 Der Bundesbeschluss vom Juni 1934 entsprach daraufhin den Wün­schen des Verbands weitgehend.16 Eine eigens eingesetzte Fach­kommission wurde den Schuhmachern als Ansprechpartner zur Seite gestellt; sie konnte im Bedarfsfall weitere Maßnahmen vorschlagen. In dieser Eigenschaft regte die Kommission auch die Kampagne über den Wert guter Schuhe an, die 1937 angebahnt, 1938 und 1939 umgesetzt wurde. Konturen eines Erziehungsprojekts: Aufklärung durch Wort, Schrift, Radio, Film »Die Fachkommission erachtet es daher im Interesse einer Vergrösserung des Arbeitsvolumens für das Schuhmachergewerbe,

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[iii] »Dr. Diehl-Stiefel – ›Ballenheil‹«; Zeitungsreklame, Deutschland, um 1925 (Eigentum der Autorin)

[iv] »Doktor-Stiefel, System Dr. Rauer«; Reklamemarke, Deutsches Kaiserreich, um 1910 (Eigentum der Autorin)

»Tragen Sie nur gute Lederschuhe, die der Form der Füsse entsprechen«

aber auch im Interesse der Volksgesundheit und der Marschtüchtigkeit unserer Armee als dringend erforderlich, eine grössere Aktion zur Aufklärung des Publikums über die Notwendigkeit der Gesunderhaltung der Füsse durch das Tragen von zweckmässigem Schuhwerk zu unternehmen.«17 Mit diesem Programm wandte sich der Sprecher der Fachkommission im August 1937 an das Militärdepartement und un­ter­strich, man suche »alle Kreise, insbesondere die Jugend in den Schulen, das Militär, die Eltern und Erwachsenen in Vereinen und Kursen durch Wort und Schrift, Radio und Film zu erfassen«.18 Wirtschaftsverbände aus der Schuh- und Lederbranche hätten eine Kostenbeteiligung von 23’000 Franken bereits zugesagt; er­wünscht sei ein weiterer Kredit. Als ein Oberfeldarzt Projekt und Finanzierung befürwortete, schaltete sich Hans Hausamann, Leiter des Armee-Lehrfilmdienstes,19 ein, der in Teufen den auf militärische Nachrichtenbeschaffung spezialisierten Pressedienst Büro H betrieb, und versuchte den inzwischen genehmigten ›Schuhfilm‹ noch zu verhindern. Den Kredit von 14’000 Franken nannte er »regelrecht verpulvert«. Der Kriegstechni­schen Abteilung legte er nahe, sich vor Erteilung des Filmauftrags »an den Juden Lazarus Wechsler in Zürich« auch die gegen den Film sprechenden Gründe vortragen zu lassen.20 Der Kre­dit wur­de jedoch bewilligt, die Produktion aber nicht Lazar Wechslers

[v] »Victoria Turnschuh – H. Jacobowski«; Zeitungsreklame, Deutsches Kaiserreich, um 1898 (Eigentum der Autorin)

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Präsens Film AG, sondern der 1937 gegründeten Filmgesellschaft Pro Helvetia Film übertragen. Mit den ab Januar 1938 verfügbaren 37’000 Franken konnte die Fachkommission die Aktion schließlich großzügig realisieren. Diese umfasste den 35minütigen Tonfilm »Gut zu Fuss? – Ein Auf­klärungsfilm zur Förderung der Fussgesundheit« und den 15minütigen ›Militärschuh-Propaganda-Tonfilm‹ (Nationalrat Dr. Tschumi) »Im gleichen Schritt und Tritt«.21 Deutschsprachig produziert, sollten beide Filme auch französisch synchronisiert werden. Vom Militärschuhfilm wurde zudem eine Stummfilmfassung zur Aufführung auf Kasernenhöfen erstellt. Die schweiz­weit gezeigte Wanderausstellung »Jedermann gut zu Fuß« (Januar bis April 1939) und die Ausstellung »Der Schuh. Die Geschichte seiner Herstellung und seines Gebrauchs« im Herbst 1939 im Gewerbemuseum Bern22 sollten die Ideen der Aufklärungsaktion weiter vertiefen. Ein in der Berner Ausstellung ausgegebenes ›Kontrollblatt‹ gab außerdem eine Anleitung zum gesunden Gehen sowie zehn »Ratschläge für gesunde und geschwächte Füsse«. Es mahnte: »Tragen Sie nur gute Schuhe, die der Form der Füsse entsprechen«; und es ermunterte abschließend: »Vergessen Sie nicht, dass die Füsse das Fundament Ihres Körpers sind und Sie gesund und kräftig ein ganzes Leben lang tragen sollen. Gesunde Füsse – frohe Menschen – bessere Leistungen!«23 »Wir leben im Zeitalter der Hygiene« – Resonanz der Auf­klärungsaktion Nach einjähriger Arbeit fand am 7.9.1938 in der Schulwarte Bern die Erstaufführung des von der Central Film A.G., Zürich, für das breite Publikum produzierten Aufklärungsfilms »Gut zu Fuss?« statt, eingeführt durch den Präsidenten der Eidgenössischen Fach­kommission für das Schuhmachergewerbe, National­rat Dr. Tschumi. Für den Bundesrat fasste er den Erfolg der Aktion an­­schließ­end in einem Brief zusammen:

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»Der Tonfilm ›Gut zu Fuss‹ geht, wie die gesamte Aktion, vom Gedanken der Erhaltung und der Besserung der Fussgesundheit aus. Er ist daher von Seiten der Aerzteschaft ganz ausserordentlich begrüsst worden. Die Veranstaltungen, in denen bisher ein Arzt zu der Vorführung des Filmes ein Referat hielt, sind regelmässig überfüllt.«24

»Tragen Sie nur gute Lederschuhe, die der Form der Füsse entsprechen«

Wie schon bei der Schuhreform der 1870er Jahre erwiesen sich erneut die Ärzte als Unterstützer und zugleich Vermittler der konzertierten Anstrengungen zur ›Besserung der Fußgesundheit‹. Auch die Schulbehörden lobten den Tonfilm, der als vor­zügliches Lehrmittel demnächst 17’000 Schulkindern in öffent­lichen Kinos der Stadt Bern vorgeführt werde.25 Eine gekürzte Fassung des Militär-Schuhfilms konnte außerdem im Beipro­gramm von 150 bis 200 Schweizer Lichtspieltheatern gezeigt werden. Auch die versuchsweise Vorführung des Militär-Schuh­films beim Freiwilligen Grenzschutz in Bülach und bei SanitätsUnteroffiziersschulen in Basel sei vor allem dann »mit grossem Interesse aufgenommen« worden, wenn der Schuhfilm »Im glei­chen Schritt und Tritt« zusammen mit Szenen aus einem Propaganda-Film der Geistigen Landesverteidigung, wie »Füsilier Wipf«, gezeigt wurde.26 Die von Nationalrat Tschumi abschlie­ßend geäußerte Bitte um einen weiteren Kredit von 3’000 Fran­ken, um eine kommentierte Vorführung des Tonfilms in den Re­krutenschulen zu finanzieren, wurde von der Kriegstechnischen Abteilung im letzten Brief der Korrespondenz abgelehnt: »Ob es nun notwendig ist neben dem Stummfilm auch noch den Ton­film auf den Waffenplätzen vorzuführen, glauben wir verneinen zu dürfen, obwohl zugegeben ist, dass der Tonfilm propagandis­tisch besser wirkt.«27 Nimmt man die Aufklärungsaktion in ihrer Gesamtheit in den Blick, zeichnet sich ein ehrgeiziges Erziehungsprojekt ab, das über die Förderung des Schuhmachergewerbes hinausweist und gesundheitspolitische Zielsetzungen erkennen lässt – ein Anlie­gen, das nach Auslaufen der Kampagne weiterhin von Einzelper­sönlichkeiten als Herausforderung betrachtet und im Alleingang fortgeführt wurde. So griff im Januar 1941 der Artikel »Schuhe oder Füße? Ein Mahnruf« in der Zeitschrift des Schweizer AlpenClubs, Die Alpen, die Thematik polemisch zugespitzt erneut auf und führte zugleich Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Initiative vor Augen. Die wichtigsten Gedanken daraus und aus der anschließenden Korrespondenz stelle ich im Folgenden eben­falls vor.

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Nachspiel – ein Professor der Geologie fordert eine Schuhreform Verfasser des Alpen-Artikels war der 59jährige Geologe Arnold Heim (1882–1965). Der bekannte Schweizer Wissenschaftler hat­te im Zuge seiner zahlreichen Forschungsreisen eine kritische Distanz zu den modernen Lebensgewohnheiten entwickelt und propagierte die Rückbesinnung auf eine naturgemäße Lebens­führung.28 Wie sechzig Jahre zuvor für den Anatomen Georg Her­mann von Meyer standen auch für Heim die fußfeindlichen Schuhformen im Mittelpunkt seiner im Alpen-Artikel vorgetra­genen Schuhkritik: »Die Kinderschuhe sind vorn am breitesten und haben eine gerade Linie von Verse [sic] zu Grosszehe. Aber vom sechsten Lebens­jahr an herrscht die Mode. Gab es vor diesem Krieg gelegentlich noch amerikanische Schuhe in den Schaufenstern mit gerader Innenlinie, so habe ich dieses Jahr in allen besuchten Schuhgeschäf­ten vergeblich nach einem einzigen solchen Schuh Ausschau gehalten.«29

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Selbst die Militär- und Bergschuhe seien, wenn auch besser ge­formt als die übrigen, doch immer noch auf der Seite der großen Zehe »abgerundet«. Gesündere Leistenformen seien aber möglich: »Nicht ein Grossfabrikant, sondern ein Einzelgänger war es, der Schuhe nach der natürlichen Fussform, die Olga-Schuhe, her­stellte.«30 Dass diese bei geschickter Reklame auch Mode werden könnten, zeige die abgebildete Figur eines Olga-Bergschuhs, [Abb. vi] der sich sehr bewährt habe, hergestellt von der Schuhmanu­faktur Carl Vogler in Winterthur, später vom Skischuhherstell­er Molitor in Wengen. Heim schloss seinen ›Mahnruf‹: »Möge sich aus solchen Anfängen ein allgemeines Verständnis für die so drin­gende Schuhreform in unserer Heimat entwickeln und der Alpen­club zum Wohle der ganzen zivilisierten Menschheit eine entscheidende Wendung herbeiführen.«31 In einer Folgeausgabe der Alpen ergriff Karl Belart, Modelleur der Bally Schuhfabriken, das Wort und versuchte Heims Ruf nach einer Schuhreform abzuwehren: »Leider gehen seine [Heims] Betrachtungen von zu einseitigen Voraussetzungen aus. […] Diese dem Leistenbauer geläufigen Fragen, die schon auf hunderte von Jahren zurückgehen, sollen hier [...] eine kurze ergänzende Ab-

»Tragen Sie nur gute Lederschuhe, die der Form der Füsse entsprechen«

klärung erfahren.« Diese ›Abklärung‹ verfehlte jedoch ihr Ziel. Die behaupteten ›geläufigen Fragen‹ wurden tatsächlich erst im 18. Jahrhundert gestellt, worauf im 19. Jahrhundert der Leisten­bau reformiert wurde.32 Der Disput um »Die richtige Gestalt der Schuhe« (von Meyer) erreichte auch das Unternehmen Bally, als im März 1891 der damalige Vorsitzende Carl Franz Bally dem Berner Leistenschneider Auguste Salquin, Sekretär im Schweizerischen Militärdepartement, eine Militärstiefelfertigung über die eingereichten ›rationellen‹ Leisten verweigerte, »weil die Aus­führung von Maschinenarbeit über Leisten von solcher Bodenbeschaffenheit zu grosse Schwierigkeiten bieten würde & selbst in Handarbeit schwer auszuführen wäre.«33 Anatomische Passform war bei Bally schon damals nicht prioritär und wurde Überlegun­gen zur Wirtschaftlichkeit untergeordnet. Ohne dies zu bedenken, belehrte der Bally-Modelleur den Wissenschaftler spitz: »Die Leisten werden nach den Füssen gemacht. Ungezählte Fussabdrücke werden verarbeitet, bis eine der kostspieligen Formen neu gebaut wird, die den sehr verschiedenen Bedürfnissen Rechnung tragen soll. Das eingehende Studium dieser Abdrücke zeigt aber auch, dass die Fussform von Herrn Prof. Heim speziell bei Erwachsenen praktisch sehr selten anzutreffen ist.«34

Statt auf Heims Forderung nach ungehinderter Fußfunktion mit gerader Zehenlage einzugehen, führte Belart äußere Unter­ -

[vi] »Olga-Schuh von Gebr. Vogler«; Zeichnung (Der Wendepunkt, Mai 1941, S. 246).

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schied­lichkeit an: »Die Formen wechseln von Rasse zu Rasse, von Land zu Land und oft von Stadt zu Stadt.«35 Heim quittierte Belarts Antwort in einem letzten Alpen-Beitrag bündig: »Eine stichhaltig begründete Absage auf die Forderung nach Reformschuhen nach Art des Olga-Schuhs suche ich in der Entgegnung vergeblich.«36 Dass nämlich Leisten »nach den Füssen« gemacht würden, wie Belart einwandte, hatte Heim bereits anfangs als zentrales Problem benannt: »Soll sich die Fussform bessern, so muss man nicht nur die Schuhe den bereits deformierten Füssen anpassen, sondern eine weniger deformierte ursprünglichere Fussform berück­sichtigen.«37 Schuhfabrikant Iwan Bally postuliert ein Primat der ›Kultur‹ Sechs Briefe aus Arnold Heims Nachlass geben noch weitere Auskunft zur Alpen-Kontroverse. Vier davon sind an Heim adressiert, zwei stammen von ihm selbst.38 Offenkundig hat Heim 1941 für seinen ›Mahnruf‹ nicht nur den Weg der Veröffentlichung gesucht, sondern den Artikel auch an den Schuhfabrikanten Iwan Bally verschickt. Als Enkel des Unternehmensgründers Carl Franz Bally war Iwan Bally (1876–1965) nach einem Polytechnikum-Besuch in Zürich und einer Banklehre in Paris 1897 ins väterliche Unternehmen eingetreten. Seit 1921 war er Verwaltungsratspräsident der Bally Schuhfabriken, seit 1918 Vizepräsident des Verbands Schweizer Schuhindustrieller. Mit ihm sprach Heim eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der Schweizer Schuhbranche an. Wie schon im Dialog mit BallyModelleur Karl Belart gelang jedoch auch hier keine Verständigung. Bally konnte nicht nur persönlich den von Heim postulierten Naturformen von Fuß und Schuhen ästhetisch nichts ab­gewinnen; als wirtschaftlich denkender Unternehmer konnte er auch kein Interesse an einschränkenden Vorgaben haben und akzeptierte diese nicht. Seine Vorbehalte gegen die ›patzigen‹ For­­men von Heims ›Reformschuhen‹, die mit dem herrschenden Körperbild der Zeit, wie es Mode und Schuhmode transportierten, inkompatibel waren, formulierte Bally fast schon schneidend:

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»Sie verehrter Herr Doktor kommen aus wenig kulturbeleckter Natur, wo Sie sich für den Fuss des Naturmenschen begeistert haben, zurück zu Menschen, denen, wie Ihnen scheint, der Sinn für das Urwüchsige

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verloren gegangen ist. Es kann sich aber auch für Sie, wie ich Ihnen schon früher schrieb, nicht darum handeln, den Fuss unserer Kinder so zu entwickeln, wie sich der Fuss der im Busch geborenen entwickelt. Das wäre doch unzweckmässig, denn unser Fuss lebt in anderen Verhältnissen und leistet seine Arbeit unter anderen Bedingungen als der des Naturmenschen.«39

Das Primat von Mode und ›Kultur‹ vor den Forderungen von Anatomie und ›Natur‹, das Bally hier einforderte, sollte unter seiner Leitung bei Bally auch weiterhin nicht angetastet werden. Deutsche Unterstützung für ›gleichgerichtete Bestrebungen‹ Auch mit einem Besuch bei Bally in Schönenwerd gelang Heim keine Annäherung. In einem Brief an den Modelleur Karl Belart wies Heim anschließend den Vorwurf der Einseitigkeit erneut von sich und nannte »viele begeisterte Zuschriften«, etwa seitens der Turnvereine, als Gegenargument. Auch der Wendepunkt, eine vom naturkundlich orientierten Arzt Maximilian Oskar BircherBenner (1867–1939) gegründete Zeitschrift, habe seinen ›Mahn­ruf‹-Artikel erneut veröffentlicht.40 Als wissenschaftliche Refe­renz benannte Heim außerdem zwei Publikationen des deut­schen Orthopäden Wilhelm Thomsen (»Kampf der Fuß-Schwä­che« und »Die Geschichte der Schuh-Reform Herm. von Meyers u. ihre Beziehungen zur Gegenwart«), den er Belart als Oberarzt der Orthopädischen Universitäts-Klinik Frankfurt am Main und »Leiter Deutsche Forschungsstelle für Schuh- und Leistenbau« vorstellte.41 In der dritten Auflage von »Kampf der Fußschwäche«, die 1944 erschien – mithin drei Jahre nach dem Briefwechsel Arnold Heims mit Bally und Belart –, findet sich bei Thomsen nun seinerseits ei­ne Erwähnung des Heim-Artikels »Schuhe oder Füsse?«, verbun­den mit einer Empfehlung der auch von Heim gelobten OlgaBerg­schuhe und begleitet von der identischen Zeichnung aus dem Vogler-Katalog: »Diese Stiefel wurden auf Anregung von Prof. der Geologie Dr. A. Heim, Zürich, hergestellt, welcher in seiner Schrift ›Schuhe oder Füße‹ sich ebenfalls mannhaft gegen die unentwegte Verkrüppelung der Füße durch die derzeitige Schuhmode wendet. […] Seit Erscheinen der 2. Auf­-

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lage des Buches [1942], das der Verfasser Herrn Vogler durch den Ver­lag überreichen ließ, ist mit diesem wirklich echten Schweizer Pio­nier auf dem Gebiet der Schuhreform ein wirklich interessanter, brief­l icher Gedankenaustausch entstanden.«42

Da die Schuhmanufaktur Gebr. Vogler sich wirtschaftlich nicht behaupten konnte, drohe jedoch die Gefahr, dass diese »wichtige Pionierarbeit« wieder verloren gehe: »Es ist eine wichtige Aufgabe, dieses zu verhindern und durch Unter­ stützung der gleichgerichteten Bestrebungen Dr. Heims in Zürich die erneute Herstellung der ›Olgaschuhe‹ zu ermöglichen, eine Aufgabe, an der sich deutsche Schuhfabrikanten beteiligen sollten. Über das Ergebnis entsprechender Bemühungen hoffe ich in der nächsten Auflage dieses Buches berichten zu können.«43

Kontakte in die Schweiz hatte Thomsen spätestens 1940 geknüpft. Für seine schuhhistorischen Forschungen hatte er auch in der Schweiz recherchiert und dankte in der Einleitung sein­­er 1940 erschienenen Arbeit »Die Geschichte der Schuhreform Hermann von Meyers und ihre Beziehungen zur Gegenwart« auch dem Schweizer Kriegsministerium für »das so überaus freund­liche Entgegenkommen«.44 Das Manuskript bzw. die Vorarbeit zu einem Fortsetzungsband, der nach dem Krieg erscheinen sollte, ist bis heute verschollen: »In dem anschließend folgenden 2. Band des Werkes werde ich […] nach einer Schilderung des Zustandes vor Eintritt der Meyerschen Schuhre­form vor allem auf die ungeheure Wirkung dies­er Ideen auf die Zeitgenossen zu sprechen kommen, schildern, wie amtliche Stellen, Kriegsministerien usw. auf die Ideen aufmerksam wurden, wie man praktische Trageversuche anstellte und dann zu einer weitgehenden Reform des Sol­datenstiefels kam. Ich werde in weiteren Kapiteln die Entwicklung des deutschen Militärstiefels aufzeigen, insbesondere die vorgenommenen Abänderungen und die interessante Rückkehr zu früheren, wieder als besser erkannten Formen.«45

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Angesichts dieser wechselseitigen Verweise darf man von einem Kontakt, wenn nicht fachlichen Austausch, der Akteure Arnold

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Heim, Johannes Vogler, Wilhelm Thomsen und möglicherweise weiteren Vertretern der schweizerischen und deutschen Schuh­branche ausgehen, die das gemeinsame Interesse an anatomi­schen Passformfragen und einer Schuh- und Leistenreform verband, welche in diesen Jahren auch andernorts in Europa verantwortliche Instanzen beschäftigte.46 Welcher Gestalt die von Thomsen 1944 angesprochenen ›Bemühungen‹ im Einzelnen ge­wesen sein könn­ten, entzieht sich derzeitiger Kenntnis. »Die Schuhreform muss kommen« – Schlussbetrachtung In seinem letzten Brief an den »verehrte[n], liebe[n] Herr[n] Bally« vom 2.8.1941 berichtete Heim, dass er am Morgen nach seinem Besuch bei Bally Besuch von Johannes Vogler und dem Orthopäden Dr. J. A. Ponie erhalten habe. Man sei sich inhaltlich ganz einig gewesen. Alle Befragten hätten nur den Einwand geäußert, »dass jetzt wegen des Materialmangels nicht die Zeit zu der erwünschten Reform sei«. Heim resümierte gegenüber Iwan Bally abschließend erneut seine Überzeugung: »Die Schuhreform muss und wird kommen, aber wahrscheinlich aus Deutschland und nicht aus unserem verharzten Vaterland.«47 Die Korrespondenz zur »Aufklärungsaktion über den Wert gu­ter Schuhe 1937–1939« und die Artikelfolge »Schuhe oder Füsse?« mit begleitender Korrespondenz zwischen Arnold Heim und Iwan Bally von 1941 thematisierten zwei kurz aufeinanderfolgende Initiativen, die im Sinne moderner Hygiene Einfluss auf die Fuß­bekleidung zum Schutz des Fußes als besonders empfindlichen Teils des Körpers zu nehmen suchten. Spiegelt die Korrespondenz zur staatlich geförderten ›Aufklärungsaktion‹ vor allem positiv das Bemühen um eine Popularisierung guter, passender Schuhe, sprechen sich im Briefwechsel stark kontrovers ein Befürworter und ein Kritiker einer Schuhreform aus. Die hier aufscheinenden ›unversöhnlichen‹ Standpunkte prägen bis heute unseren Um­gang mit Fußbekleidung und legen damit einen genaueren Blick auch auf den historischen Umgang mit dieser Problematik nahe. Passform-Forschung arbeitet seit ihren Anfängen vor knapp hundert Jahren Hand in Hand mit den modernen Wissenschaften vom Körper – Biologie, Anatomie, in neuerer Zeit auch Biomechanik –  und spiegelt deren jeweiliges Wissen vom menschlichen Bewe­gungsapparat. Dieses Projekt hat von Anfang an polarisiert. Wäh­-

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rend Anhänger von ›Mode‹ und ›Kultur‹ für ein freies Spiel von Kreativität und Marktkräften plädieren, optieren Parteigänger ei­ner Schuhreform-Agenda dafür, die symbolische Kommunika­tion durch den Körper und seine Bekleidung mit dem wissen­schaftlichen Erkenntnisstand zu synchronisieren und der kulturellen Überformung des Körpers Grenzen zu setzen. Die vorge­legte Skizze versucht in diesem Sinne aus ungewohnter Perspek­tive zum Verständnis kulturellen und gesellschaftlichen Handelns beizutragen. 1 Schweizerisches Bundesarchiv, Bern. Aufklärungsaktion über den Wert gu­ter Schuhe 1937–1939, E27#1000/721#19219*; Kontrollblatt 1939. 2 Vgl. Camper 1783. 3 Vgl. Beely-Kirchhoff [o.D.], S. 1; Meili 1887, S. 24. Zur Schuhreform in der Schweiz vgl. Breyer 2015b. 4 Vgl. Meyer 1858. 5 Vgl. Breyer 2012a. 6 Anne Sudrow hat Art und Umfang amerikanischer Schuhimporte nach Deutschland auch im hier interessierenden Zeitraum um 1900 genauer beziffert; vgl. Sudrow 2010. 7 Vgl. Breyer 2015b. 8 Etwa die von Dr. Bircher-Benner getragenen und empfohlenen Chodan-Sandalen von einem Thuner Schuhmacher. 9 Eine umfassende Untersuchung zum ›Volksschuh‹ hat Roman Wild vorgelegt; vgl. Wild 2013. 10 Vgl. Nebelspalter 43/19, 1917. 11 Schweizerisches Bundesarchiv, E27#1000/721#19219*. 12 Ich danke Roman Wild, der mich freundlicherweise auf die ›Alpen‹-Artikelserie und die Korrespondenz Heim/Bally aufmerksam gemacht hat. 13 Vgl. Bundesblatt No. 24, Bern, 13. Juni 1934, S. 409–477; http://www.amts druckschriften.bar.admin.ch/viewOrigDoc.do?id=10032339 14 Vgl. ebd., S. 436. Nach einer Betriebszählung von 1929 gab es mit 12’000 Personen ebenso viele ansässige Schuhmacher wie in der Schuhindustrie Beschäftigte. 15 Ebd., S. 440. 16 »Bundesbeschluss über Massnahmen zum Schutz des Schuhmachergewerbes vom 4. Juni 1934«, in: Bundesblatt No. 24, 13.6.1934, S. 432f. Auf dem Weg robuster ordnungspolitischer Maßnahmen wurde ein Erweitern 170

und Eröffnen von Schuhreparaturwerkstätten oder Schuhindustrie-Produk­

»Tragen Sie nur gute Lederschuhe, die der Form der Füsse entsprechen«

tionsstätten künftig genehmigungspflichtig gemacht, bei Geldstrafen bis zu 5’000 Franken und Gefängnis bis zu zwei Monaten im Fall der Zuwiderhandlung. 17 »Bundesbeschluss über Massnahmen zum Schutz des Schuhmachergewerbes vom 4. Juni 1934«, in: Bundesblatt No. 24, 13.6.1934, S. 432f. 18 Ebd., S. 432f. 19 Vgl. Historisches Lexikon der Schweiz, Eintrag Hausamann Hans. 20 Lazar Wechsler war Mitbesitzer der 1924 gegründeten Präsens Film AG, die ab Mitte der 1930er Jahre mehrere Tendenzfilme der Kulturoffensive Geistige Landesverteidigung produzierte, u.a. »Füsilier Wipf « (1938) und »Landammann Stauffacher« (1941). 21 Beide Filme sind im Zentrum elektronische Medien ZEM, Eidg. Departement für Verteidigung, Bern, archiviert (digitalisiert). 22 Schon 1935 im Gewerbemuseum Basel gezeigt; 5.12.1936 – 31.1.1937 im Kunstgewerbemuseum Zürich. 23 Schweizerisches Bundesarchiv, Bern. Aufklärungsaktion über den Wert guter Schuhe 1937 – 1939, E27#1000/721#19219*; Kontrollblatt 1939. 24 Tschumi an Bundesrat, 30.11.1938. Aufklärungsaktion 1937. 25 Ebd. 26 Tschumi an Bundesrat Minger, Chef des Militärdepartments, 20.12.1938. Schweizerisches Bundesarchiv, Bern. Aufklärungsaktion über den Wert guter Schuhe 1937 – 1939, E27#1000/721#19219*. 27 Kriegstechnische Abteilung an Militärdepartement, 3.1.1939. Schweizerisches Bundesarchiv, Bern. Aufklärungsaktion über den Wert guter Schuhe 1937 – 1939, E27#1000/721#19219*. 28 Vgl. Heim 1942. Die erste Auflage erschien möglicherweise schon 1941. 29 Heim 1941a, S. 3. 30 Ebd., S. 4. 31 Ebd., S. 4. 32 Vgl. Breyer 2015b. 33 Bally an Salquin, 2.3.1891. Studien 1881–1910. 34 Belart 1941, S. 41. 35 Ebd., S. 41. 36 Heim 1941b, S. 54. 37 Heim 1941a, S. 3. 38 Alle nachfolgenden Briefzitate entstammen dem Nachlass von Arnold Heim; Wissenschaftshistorische Sammlungen der ETH Zürich-Bibliothek, HS 494: 293: Arnold Heim (1882–1965), folgend abgekürzt als Heim-Dossier ETH Zürich.

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39 Bally an Heim, 23.5.1941; Heim-Dossier ETH Zürich. 40 Heim an Belart, 29.5.1941; Heim-Dossier ETH Zürich. 41 Die Forschungsstelle ging 1939 aus einer ›Arbeitsgemeinschaft Fuß und Schuh‹ hervor. Diese, 1936 im Auftrag der Deutschen Wehrmacht unter Leitung von Prof. Franz Schede gegründet, war den Anregungen des Schuh­leistenfabrikanten Karl Benscheidt gefolgt, der seit seiner Begegnung mit dem Schuhmacher Alfred Siebert und dem Orthopäden August Weinert im Jahr 1921 auf eine Reform der Leisten- und Schuhherstellung hinarbeitete. Die Arbeitsgemeinschaft und die spätere Forschungsstelle bauten auf experimentellen Vorarbeiten zu einer neuen Leistenchaussierung nach den Prinzipien von August Weinert und Major Böhmer auf. Vgl. Schede 1960, S. 311f; Fagus-Archiv/Bauhaus Archiv Berlin, Benscheidt 1938. 42 Thomsen 1944, S. 222. 43 Ebd., S. 222. 44 Thomsen 1940, S. 2. 45 Ebd., S. 61. 46 Vgl. Fagus-Archiv/Bauhaus Archiv Berlin, Benscheidt 1933. 47 Heim an Bally, 2.8.1941; Heim-Dossier ETH Zürich.

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Der sportlich-elegante Herr der 1930er Jahre Maria Spitz »Je korrekter ein Kleidungsstück ist, um so mehr ist es für seine Zusam­menstellung der Regel unterworfen. Woraus hervorgeht, dass sich der sportliche Anzug in jeder Beziehung viel mehr Freiheiten und Eigenwilligkeiten leisten kann als die Klasse der Stadtanzüge. Auch bei den Farben lässt man daher hier ohne Beanstandung einmal Drei gerade sein, sofern die einzelnen Farbtöne gut zueinander ausgesucht worden sind. Aber diese Erlaubnis darf natürlich nicht missbraucht werden.«1

Das Herrenjournal, dem dieses Zitat entstammt, informierte in den 1930er Jahren ausführlich über die Kleidung der Herren, wann und wie sie zu tragen und zu kombinieren sei. Seit Winter 1927/28 hatte Baron von Eelking das an den modeinteressierten Herrn gerichtete Journal Der Modediktator herausgegeben. Die Zeitschrift erschien viermal pro Jahr. In der Novemberaus­gabe 1930 kündigte der Herausgeber an, Der Modediktator werde 1931 in Das Herrenjournal umgetauft.2 Die Zeitschrift erschien nun zweimonatlich. Sie wurde günstiger und zugleich vielsei­tiger, indem sie neben der Mode, die zwar weiterhin im Mittel­punkt stand, nun auch Beiträge zur Lebenskultur brachte.3 Im Unterschied zu Zeitschriften für die modische Dame, wo, mit Ausnahme der amerikanischen Vogue, Schuhe nur vereinzelt Er­wähnung fanden, hielt Das Herrenjournal regelmäßig ausgiebige Informationen hierzu bereit, ergänzt durch Empfehlungen zur Kombination von Schuhen und Kleidung. Indem das Magazin dazu einlud, sich mit den kleinsten Nuancen des – wie man heute sagen würde – richtigen Outfits auseinanderzusetzen, richtete es sich an eine Leserschaft, die sich solche Extravaganzen erlau­ben konnte. Auf eine andere Zielgruppe war (und ist) das 1841 im niederländischen Sneek von den Brüdern Clemens und August Brennink­meijer gegründete Unternehmen C&A ausgerichtet. Seit dem frü­hen 20. Jahrhundert steht preiswerte Bekleidung für die breite Be-

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völkerung im Mittelpunkt des Sortiments, in dem während der 1930er Jahre die Großkonfektion die größte Rolle spielte – Schuhe wurden damals noch nicht verkauft.4 Dennoch spiegelt sich die Schuhmode in der Werbung dieses Bekleidungsfilialisten, in­dem sie die angebotene Herrengarderobe vervollständigte. In der Samm­lung der Draiflessen Collection, Mettingen, die unter an­derem Textilobjekte sowie Bild- und Schriftquellen von C&AGeschäftshäusern aus mehreren Ländern bewahrt, hat sich aus den 1930er Jahren neben verschiedenen Werbemedien ein Herrenanzug mit einem Paar dazugehöriger Schuhe eines anderen Anbieters erhalten. Dieser Beitrag beleuchtet unterschiedliche Facetten der Her­renmode der 1930er Jahre mit Blick auf die zu Anzügen getrage­nen Schuhe anhand der C&A-Quellen sowie des Herrenjournals. Ausgangspunkt ist eine C&A-Werbeanzeige aus den Niederlan­den vom 1. April 1930, überschrieben mit »3 Costuums en elk met het comfort van een maatpak! Door de lage C&A prijzen kunt U ze ook bezitten!«5 [Abb. i] Der Text erklärt die Vorzüge eines Ein­kaufs bei C&A: Hier würden Qualität, korrekter Schnitt und per­fekte Passform ebenso garantiert wie niedrige Preise, die auf ge­ringer Gewinnberechnung und gezieltem Einkauf basierten. Au-

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[i] C&A-Werbeanzeige, 1. April 1930 (Draiflessen Collection, Mettingen, Sig. 128550; Fotografie: Christian Ring)

[ii] »Die Saison der braunen Schuhe«; Der Modediktator, März 1930, S. 20 (Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek)

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ßerdem biete ein C&A-Anzug allen Komfort auch des teuersten maßgeschneiderten: nämlich Innentaschen im Sakko, verschie­dene Taschen in der Weste und zwei Gesäßtaschen in der Hose. Ein weiterer Vorteil sei, dass die Anschaffung eines Anzugs durch die Konfektion viel einfacher sei als beim Schneider. Im Vordergrund der Werbeillustration sind zwei Herren zu sehen: Ein Kunde probiert gerade eine Bundfaltenhose mit Umschlag und eine hochgeschlossene einreihige Weste an, ein Ver­käufer hält den Sakko bereit; sie besprechen die Eingriffsta­schen der Weste. Ein Blick ins Innere der Jacke lässt verschiedene Ma­terialien erkennen: die aus dem Oberstoff gefertigten Kanten; das dunkle, einfarbige Futter, das im Licht changiert; das helle, gestreifte Ärmelfutter, das besonders robust ist und das Hinein­gleiten in die Ärmel erleichtert. Links ist eine Innentasche angedeutet. Der Kunde kombiniert zum Anzug Schuhe mit Ga­maschen, während der Verkäufer auf Hochglanz polierte Halb-­ schuhe trägt. Die Hell-Dunkel-Kontraste der Schwarzweiß-Illustration deuten darauf hin, dass beide Schuhmodelle von dunk­ler Farbe sind. Gamaschen Im Modediktator hieß es, der Sommer 1930 sei »Die Saison der braunen Schuhe«.6 [Abb. ii] Abgebildet sind verschiedene Halbschuhe, ein- und zweifarbig, mit und ohne Kappe; nur der »elegante Sportschuh« hat weder Kappe noch Lochsteppung. Im Zen­trum steht die Gamasche, die Hopsack7-Gamasche, die zum eleganten Straßenanzug und Cut getragen werden sollte. Text und Bilder dieser Seite erläutern außerdem, wie eine Gamasche zu sitzen habe (dass sie beispielsweise den Spann soweit bedecken solle, dass mögliche Verzierungen des Schuhblatts nicht sichtbar sind) und dass sie nicht zu Schuhen mit Kreppsohle und sichtbaren Nähten getragen werden dürfe. Die weiße Gamasche, war später zu lesen, sei »[…] ein besonderes Kapitel. […] Sie ist so exklusiv und herausfordernd, dass man sie beim gewöhnlichen Sakko unbedingt vermeiden sollte. Dagegen hebt sie sehr wirkungsvoll den Stil des Cuts und auch für den schwarzen Sakko kann man sie sich gefallen lassen. […] Und noch eins: die Gamasche ist so exponiert wie das Monokel. Selbstverständ-

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lich, dass man ihren Träger besonders unter die Lupe nimmt. Daher sollte an dem, der Gamaschen trägt, alles untadelig sein.«8

Weiße Gamaschen blieben in den 1930er Jahren besonderen Ge­legenheiten vorbehalten;9 andere Gamaschen hingegen wurden nicht nur zu Anzügen, sondern auch zu eleganten und sportli­chen Mänteln kombiniert. Zunächst nur vereinzelt, wurden im Herrenjournal ab den späten 1930er Jahren neben ihrem modischen Akzent10 vermehrt auch andere Aufgaben der Gamasche vorgestellt, wie Schutz gegen Zugluft, Staub oder Feuchtigkeit. [Abb. iii] Es wurde erläutert, dass gewisse Kombinationen – etwa mit einer Baskenmütze oder einem sportlichen Anzug mit aufgesetzten Taschen –, obwohl eigentlich Tabus, unter bestimmten Umständen dennoch erlaubt seien.11 Schließlich wurde noch eine weitere, früher unerwähnte Funktion vorgestellt: Gamaschen erwecken alte Schuhe zu neuem Leben, da sie unansehnlich ge­wordene Stellen verdecken.12 Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Gamasche dann aus der Mode.

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[iii] »Die Gamasche als Schutz«; Das Herrenjournal, Juni 1939, S. 28 (Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek)

[iv] »Foulbrogues oder Halfbrogues?«; Das Herrenjournal, Juli 1931, S. 23 (Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek)

Der sportlich-elegante Herr der 1930er Jahre

Immer gut poliert Der Kunde in der C&A-Werbung von 1930 trägt Gamaschen, der Verkäufer Schnürschuhe, [Abb. i] die wie Lackschuhe anmuten. Wahrscheinlich handelt es sich jedoch um Lederschuhe, die mit der nötigen Geduld auf Hochglanz poliert sind. Denn Lackschuhe wurden vor allem zur Abendmode13 kombiniert, im Arbeits­alltag also nicht getragen; dafür wurde der Schuhpflege große Bedeutung beigemessen. Diesbezüglich wurden im Herrenjournal zehn Gebote formuliert. Das erste beinhaltet den Rat, die Schu­he immer selbst zu putzen, da Fremde mit den Schuhen oft sorg­los, immer aber lieblos umgingen. Im siebten Gebot wird die Be­deutung des Polierens herausgestellt und empfohlen, hierbei nicht die Geduld zu verlieren.14 Sowohl im Modediktator als auch im Herrenjournal ließen sich viele Anregungen zur Kombination von Schuh und Garde­robe finden. Es ging um Eleganz, etwa die passenden Schuhe zur Abend­­garderobe. Empfohlen wurde ein kappenloser ›Stiefel‹ mit Kammgarneinsatz – einem Schuh mit Gamasche sehr ähnlich – ­ zum Frack. Zum Smoking wurde die Schuhfrage nicht ganz so ernst genommen, sodass ein Oxford mit Kappe dazu kombiniert werden konnte. Der eleganteste Smokingschuh war kappenlos,

[v] »›formtreu‹ – der Name sagt alles«; Fotografie, 1935 (Draiflessen Collection, Mettingen, Sig. 115688)

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gefertigt aus Fohlenlack. Weit ausgeschnittene Pumps dagegen hatten »ihre Anhänger meist nur noch unter den jüngeren tanzen­den Herren«.15 Wie kompliziert sich die Wahl des richtigen Schuhs zur richti­gen Kleidung gestalten konnte, veranschaulichen die Empfehlun­gen des Freiherrn von Eelking zu den Brogues, den Half- und Foul­brogues. [Abb. iv] Diesen derberen, sportlichen Herrenschuhen widmete das Herrenjournal eine ganze Seite.16 (Auf dem Foto in der Mitte ist der Prince of Wales, der seinerzeit als bestgekleideter Mann galt,17 beim Golfen zu sehen.) Beide Spielarten des Brogues verfügen über eine Galosche, also einen Besatz oberhalb der Ferse, der wie alle Besätze dieses Schuhtyps gelocht ist. Halfund Foulbrogues unterscheiden sich durch die Art der Kappe: »Er [der Halfbrogue] hat die gleiche anspruchslose Kappe wie irgend­ein anderer regulärer Halbschuh; allerdings gelocht und von einem Lyra­motiv punktiert, aber das widerspricht ja auch keineswegs dem Sakko­schuh. […] Dem Foulbroguer dagegen, zu dessen Stil wegen seiner Flügelkappe auch niemals eine Sakkogamasche passt, kann man solche Kon­zession [wie zum einreihigen Sakko getragen zu werden] nicht machen; es sei denn, man stempelt ihn, jedoch auch nur in Schwarz, wegen seiner festeren Form zum ausgesprochenen Regenschuh.«18

Wurden Brogues mit Plusfours kombiniert, bauschigen Knie­hosen, wie sie auch der Prince of Wales trägt, durften passende Strümpfe selbstverständlich nicht fehlen. 1931 sollten sie eher dezent sein; die modische Neuerung, wird hier erklärt, bestand in verschwommenen Diagonalstreifen.

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formtreu Nach dem Ersten Weltkrieg und der Grippeepidemie 1918/19 (Spanische Grippe) war Gesundheit zu einem wichtigen Thema geworden. Das Interesse an verschiedenen Sportarten, wie Berg­steigen, Golf, Schwimmen oder Rudern, wuchs; gleichzeitig wur­de das Sonnenbaden populär. Mehr und mehr wurde Gesund­heit mit einem idealisierten, heroischen Körper assoziiert, und die­ses Ideal blieb nicht ohne Einfluss auf die Entwicklung des Herrenanzugs.19 In diesem veränderten Ideal mag ein nicht zu unterschätzender Grund liegen, weshalb C&A in Deutschland

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1932 mit formtreu ihre erste Eigenmarke lancierte. Diese zeich­nete sich durch stützende und versteifende Einlagen mit Kamelund sprungelastischem Rosshaar aus, welche unter anderem für eine gerundete Brust sorgten und damit auch Einfluss auf die Hal­tung und die Silhouette seiner Träger hatten. formtreu wurde von C&A breit beworben. So machte das Unternehmen von 1933 bis 1935 Radiowerbung mit ›Hörspielen‹ von über zwei Minuten Länge; 54 davon wurden allein 1934 produziert.20 Parallel dazu wurden Printkampagnen geschaltet, 1935 beispielsweise »form­treu – der Name sagt alles«, von welcher sich Andruck, Inserat und ein Foto des Plakats auf einer Litfaßsäule erhalten haben. [Abb. v] Der Entwurf stammt von Hans Becker, der auch für Peek & Cloppenburg arbeitete. Das Plakat zeigt das Halbfigur­bild eines eleganten Herrn, den Oberkörper dem Betrachter zu­gewandt, den Kopf zur Seite gedreht, im zweireihigen dunkel­blauen Sakko mit Kreidestreifen. Dieses besitzt ein gebrochen steigendes Revers, geraden Abstich, Eingrifftaschen mit Patten in Hüfthöhe und eine Brusttasche mit weißem Einstecktuch. Dazu kombiniert sind ein weißes Hemd und eine breite, dunkle

[v1] Stills aus »Heute große Dampferfahrt«, 1935 (Draiflessen Collection, Mettingen, Sig. 118965)

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[viii] Schuhe, 1939 (Draiflessen Collection, Mettingen, Inv. 107572; Fotografie: Henning Rogge)

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[vii] Norfolk-Anzug von C&A, 1939 (Draiflessen Collection, Mettingen, Inv. 107570, 107571; Fotografien: Henning Rogge)

[ix] Das Herrenjournal, Mai 1939, S. 37 (Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek)

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Krawatte mit Nadel. Im gleichen Jahr produzierte C&A auch einen Werbefilm für das Kino, den farbigen Zeichentrickfilm »Die große Dampferfahrt«. Die Hauptrolle spielt ein zum Leben erweckter formtreu-Anzug auf Rheinschifffahrt, wo er, Wind und Wetter trotzend, gleichermaßen von Damen und Herren sowie der Presse für seine Qualität bewundert wird.21 [Abb. vi] Drei gerade sein lassen Ein formtreu-Anzug aus dieser frühen Zeit hat sich − soweit bekannt − leider nicht erhalten. Aus den 1930er Jahren befindet sich überhaupt nur ein einziger C&A-Anzug in der Draiflessen Collection, [Abb. vii] doch mit diesem haben auch die dazu getragenen Schuhe die Zeit überdauert. [Abb. viii] Es handelt sich um perforierte Sommerschuhe.22 Da sich in ihrem Inneren keine Angaben finden und die Sohlen nicht mehr original sind, ist der Produzent wohl nicht mehr auszumachen. Beim Anzug handelt es sich um einen leichten rauchgrünen Zweiteiler,23 dessen sportliche Jacke im Norfolk-Stil zur größeren Bewegungsfreiheit Falten in Vorder- und Rückenpartien aufweist. Die Taschen sind aufgesetzt; ein Riegel umschließt die Taille zu drei Vierteln. Die Bundfaltenhose mit verstellbarem Bund hat re­lativ weite Beine mit Aufschlag. Dass auch bei sportlichen An­zügen Eleganz gefragt war, zeigt eine Anzeige von Buddeberg & Weck im Herrenjournal.24 [Abb. ix] Dieses proklamiert ab Sep­tember 1939, die Zeit der weiten Hosen sei vorbei.25 Resümee Insgesamt lässt sich anhand der hier untersuchten Quellen fest­stellen, dass sich die Herrenmode der 1930er Jahre sehr facetten­ reich gestaltete und der gutgekleidete Herr das Parkett je nach Anlass ele­gant, sportlich oder sportlich-elegant gekleidet betrat. Für welchen Anlass der C&A-Kunde seinen sportlich-eleganten rauchgrünen Norfolk-Anzug und die passenden Schuhe eines un­bekannten Herstellers kaufte, muss zwar offen bleiben, doch hätte Baron von Eelking aufgrund der hervorragend aufeinander abge­stimmten Farbtöne in diesem Fall gewiss drei gerade sein lassen.

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1 Das Herrenjournal, August 1938, S. 10. 2 Freiherr von Eelking ist als Herausgeber des Herrenjournals genannt. Das Lexikon der Herrenmode von 1960 wie auch Der Modediktator nennen Baron von Eelking als Herausgeber. Da Baron die Höflichkeitsanrede für einen Freiherrn ist, werden die beiden Titel im Folgenden synonym verwendet. 3 Vgl. z.B. Der Modediktator, November 1930, S. 1: »Wohl soll auch die Mode weiterhin im Vordergrund stehen, aber das Alleinrecht wird sie nicht mehr haben. Zu viel Gebiete gibt es eben neben ihr noch, die bei dem Herrn starkes Interesse finden, ganz abgesehen davon, daß zwischen Mode und feiner Lebenskultur so viele Berührungspunkte liegen, die sich auf Dauer gar nicht verleugnen lassen.« 4

Draiflessen Collection 2011, S. 225. Eine detaillierte Auswertung der Archi-­ valien, die darüber Auskunft geben könnten, wann C&A erste Schuhe anbot, steht noch aus. Für Deutschland wissen wir, dass die ersten Schuh­abteilungen 1981 eingerichtet wurden.

5 »Drei Anzüge und jeder mit dem Komfort eines Maßanzugs. Durch die niedrigen C&A-Preise können Sie diese auch besitzen.« Draiflessen Collection, Mettingen, Sig. 120231. 6 Der Modediktator, März 1930, S. 20. 7 »Hopsack, engl. hopsack = Hopfensack; Handels- und Bindungsbezeichnung für ein Mantel- und Kostümgewebe in mattenartiger Verflechtung, das rechtsseitig ein panamaähnliches Warenbild aufweist und linksseitig stark geraut ist. Häufig ist es mit einem Untergewebe, d.h. zweikettig, zwei­schüssig gewebt. Es handelt sich um eine rustikale, relativ schwere Warengruppe.« (Meyer zur Capellen 2006, S. 166.) 8 Der Modediktator, Juni 1930, S. 21. 9 Vgl. z.B. Das Herrenjournal, Mai 1938, o.S. 10 Vgl. z.B. Der Modediktator, September 1930, S. 20. 11 Das Herrenjournal, Juni 1939, S. 28. 12 Das Herrenjournal, Dezember 1939, S. 16. 13 Vgl. z.B. Der Modediktator, Januar 1931, S. 4. 14 Vgl. Das Herrenjournal, August 1933, o.S. 15 Vgl. Der Modediktator, Januar 1931, S. 4. 16 Das Herrenjournal, Juli 1931, S. 23. 17 Boyer 2014, S. 30. 18 Das Herrenjournal, Juli 1931, S. 23. 19 Boyer 2014, S. 20f. 182

20 Vgl. z.B. Draiflessen Collection, Mettingen, Sig. 108286, 103400.

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21 Draiflessen Collection, Mettingen, Sig. 118965. 22 Schuhe aus geflochtenem oder perforiertem Leder wurden in mehreren Ausgaben des Herrenjournals der Sommermonate 1938 und 1939 von Anbietern wie Höfer, Hockelmeyer & Stadler oder Rieker & Co. beworben. 23 Der Anzug, ohne Etikett, ist wahrscheinlich nicht von formtreu, sondern ein günstigeres Modell. 24 Das Herrenjournal, Mai 1939, S. 37. 25 Das Herrenjournal, September 1939, o.S.

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 Der Herrenschuh und die Moderne1 Christopher Breward »There is scarcely a young man who enters upon life without being able to furnish himself with shoes. Nay, most have an opportunity of gratifying their tastes and passions in the purchase of great variety; and I am greatly deceived, if experience does not prove, that much more than half the misery of the world arises either from ill-directed taste in the purchase of shoes, or from the entire want of them. The objects to be obtained in such a dispute are of a most important and substantial character. Religion, patriotism, public and private virtue, pure and fixed principles of taste, intellectual and corporeal refinement, all – all depend upon the choice of shoes.«2

Entgegen der landläufigen Meinung – die irrtümlich unterstellt, Männlichkeit und Kleiderkauf seien zwei unvereinbare Dinge – gehört die Anschaffung eines Paars guter Schuhe schon lange zu den wichtigsten Anliegen jedes modebewussten Mannes, der et­was auf sich hält. Tatsächlich ist die Ausstattung der Füße mit geeignetem Schuhwerk für die meisten Männer – unabhängig davon, welchen Stellenwert sie der Kleidung beimessen – eine Angelegenheit, die zumindest eine gewisse Aufmerksamkeit verdient, und sei es nur aus Gründen der Bequemlichkeit und Nützlichkeit, die beim Kauf anderer Kleidungsstücke weniger unmittelbar zum Tragen kommen. Der Geistliche mit dem unwahrscheinlichen Namen Tom Foggy Dribble hegte jedenfalls in seinem Artikel »The Street Companion: or the Young Man’s Guide and the Old Man’s Comfort in the Choice of Shoes« für das London Magazine im Jahr 1825 keinerlei Zweifel, dass der Zustand der Schuhe ei­nes Mannes Rückschlüsse auf seine Zivilisiertheit, seinen Wohl­stand und seinen guten Geschmack zulässt. Dribbles unerschüt­terliches Vertrauen in die Fähigkeiten der britischen Hersteller und Konsumenten ist keineswegs überraschend in einer Zeit, als die Londoner Schuhfabrikanten und Einzelhändler in Sachen Herrenbekleidung weltweit Maßstäbe setzten.3 Der vorliegen­de Text geht von der Annahme aus, dass dieses Vertrauen des Geistlichen auf den moralischen Charakter des Herrenschuhs die

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inzwischen verflossenen zwei Jahrhunderte überdauert hat und ein Beispiel für ästhetisches Urteilsvermögen darstellt, das über den engeren Bereich des Fußes hinausreicht und auch auf umfassendere Geschmacks-, Modernitäts- und Genderfragen über­tragbar ist. Die ursprünglichen, ab 1790 formulierten Grundsätze des Dan­dytums konzentrierten sich auf die untadelige Garderobe des eng­lischen Aristokraten und damit auf einen äußerst streng ge­regelten Kleidungs- und Verhaltensstil, der gegen jede Anfech­tung zu bestehen wusste, sei es gegen den Vorwurf der Verweich­lich­ung, der Ausschweifung oder gegen jenen einer ungesunden Ober­flächenverliebtheit, die man gern mit der Dekadenz Frankreichs in Verbindung brachte.4 Dieselben Verhaltensregeln waren auch geeignet, um die Werte einer aufkommenden Konsumkultur zu kritisieren, obschon die der Selbstinszenierung und dem Besitz schöner Dinge frönende Lebensweise des Dandys diese Entwicklung manchmal geradezu willkommen zu heißen schien. So avancierte die Garderobe des Dandys trotz ihrer manierierten Absage an die Launen der Mode zu einer paradoxen Chiffre für die spektakulären Exzesse derselben. Diese Ironie kommt nirgends deutlicher zum Ausdruck als in der über so lange Zeit unverändert gebliebenen Form des Herrenschuhs. Während die philosophische Bedeutung, die dem kom­plizierten Knoten der Leinenkrawatte oder dem dichten schwarzen Gewebe des Samtfracks zugeschrieben wurde, in eine romantisierte Vergangenheit entschwunden ist – genau wie die Brummels und D’Orsays, die sie trugen –, steht der traditionelle Herrenschuh nach wie vor in unbestreitbarem Zusammenhang mit den Kleidungsdebatten und rhetorischen Stilen des frühen 19. Jahrhunderts. In der heiklen Balance zwischen Funktion und Ästhetik, die den Verlauf der Steppnähte auf einem schwar­zen Oxford- oder die Anzahl Ösen auf einem braunen BrogueSchuh nach wie vor bestimmt, hat sich eine Spur älterer Männlichkeits-, Nationalitäts- und Klassendiskurse erhalten. Während sich die Strumpfwaren und die Oberbekleidung früherer Männergenerationen unverkennbar als flüchtige Modephänome­ne entpuppt haben, wirken die Schuhe beständiger und scheinen immun gegen die mit den wechselnden Moden verbundenen Un­würdigkeiten. Zweifellos ist dies der gründlichen Überlegung

Gestaltete Männlichkeit

hinsichtlich ihrer Eignung zu bestimmten Zwecken und Gelegenheiten zu verdanken. Der Herrenschuh als moderner ›Objekttypus‹ Ein Grund für die Langlebigkeit des Herrenschuhs als fortschritt­liches Symbol einer ästhetisch konservativen Haltung ist unter anderem wohl die Art und Weise, wie seine Formen zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Rahmen eines nicht minder dandyhaften Modernismus propagiert und zelebriert wurden. Le Corbusier präsentierte in seinem Manifest »L’Art décoratif d’aujourd’hui« (1925) eine moralische und ästhetische Vision, die den gesell­schaftlichen Wert der effeminierten und modeabhängigen Din­ge, die im selben Jahr an der Pariser Weltausstellung präsentiert wurden, radikal in Frage stellte.5 Mit einer Polemik, die durchaus an das herablassende Gehabe eines britischen Dandys der Regency-Periode erinnert, betrachtete der herausragende Architekt die funktionalen und »unschuldigen« Oberflächen »industrieller« Gebrauchsgegenstände als geeignetes Mittel zur Entlarvung der »beschämenden« und »verlogenen« Fassade des modernen, von Hausfrauen bevorzugten Schnickschnacks.6 Der moderne Geschmacksrichter kritisierte die flüchtigen Moden und huldigte geradezu fetischistisch einem Mythos des Dauerhaften, bei dem dennoch die Oberflächenwirkung im Zentrum stand. Neben zahlreichen ästhetischen und gestalterischen Reform­vorschlägen formulierte Le Corbusier fünf Wunschziele, die in den blitzblanken Nähten und der geschmeidigen Lederverarbeitung im modernen Schuhkatalog am überzeugendsten verwirklicht scheinen. Seine prägnanten Formulierungen ebnen den Weg zu einem tieferen Verständnis der spezifischen Dynamik des Herrenschuhs. Dabei hebt Le Corbusier den praktischen Bedarf als Antrieb zur Produktion von Haushaltsgütern hervor: »Les besoins utilitaires requièrent l’outillage, perfectionné en tout comme une certaine perfection s’est manifestée dans l’industrie. C’est alors le programme magnifique de l’art décoratif. De jour en jour, l’in­dustrie produit des objets de parfaite convenance, parfaitement utiles et dont un luxe véritable et qui flatte notre esprit se dégage de l’élé­gance de leur conception, de la pureté de leur exécution et de l’effica­cité de leurs services.

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Cette perfection rationnelle et cette détermination précise, par­ticu­lières à chacun d’eux, créent entre eux les liens suffisants d’une solida­ rité et ces liens permettent de leur reconnaître un style.«7

Im 19. Jahrhundert hatte die Idee, dass die Kleidung instrumen­tellen Charakter habe, die Entwicklung der Garderobe des eng­lischen Gentlemans als Musterbeispiel des kultivierten Geschmacks unterstützt und beflügelt.8 Die zweckmäßigen Stoffe für die angemessene Kleidung eines Gutsherrn ließen sich leicht in den Stil der Herrenmode übertragen, die in der Savile Row an­gesagt war.9 Und mit ihnen fanden auch die gewachsten und ge­härteten Lederwaren der Pferderennbahn oder Moorhuhnjagd Eingang in die handwerkliche Herstellung von Handschuhen und Galoschen für die Finanzmenschen der Londoner City. Die Begeisterung über den eleganten Abschluss einer neuen Schuhkappenform barg per se das Risiko, effeminiert zu wirken und sich der Lächerlichkeit preiszugeben; drehte sich die Diskussion jedoch um die Widerstandskraft gegen Regen und Verschleiß oder um die Vollkommenheit der Ausführung derselben Form, so blieb der Ruf des Trägers für seinen untadeligen Stil intakt oder wurde sogar noch gestärkt. Dennoch haftete an solchen Objekten der Makel des aristokratischen Geschmacks und versah sie mit dem problematischen Glanz eines altmodischen Elitarismus. Also musste Le Corbusier seinen Blick notgedrungen auf eine selbstbewusstere ›moderne‹ und proletarische Iden­tifikationsfigur richten, die sich für die strahlende Patina von Massenprodukten ebenso problemlos zu begeistern vermochte, wie ein Lord alter Schule in seine maßgeschusterten Jagdstiefel schlüpfte. »Lénine est assis à la Rotonde sur une chaise cannée; il a payé son café vingt centimes, pourboire un sou. Il a bu dans une petite tasse de porcelaine blanche. Il a un chapeau melon, un col brillant et lisse. Il écrit pendant des heures sur des feuilles de papiers à machine. Son encrier est lisse et rond, en verre de bouteille. Il s’apprête à gouverner cent millions d’hommes.«10

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Ein ähnliches Problem stellte sich bei der Berufung auf den demokratischen Appeal des Herrenschuhs, da er ja genealogisch

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auf die Freizeitbeschäftigungen der Aristokratie zurückging. Gestützt auf Lenins Verkörperung einer banalen, aber revolutio­nären Modernität, erweiterte Le Corbusier seine Begeisterung für das Nützliche also durch eine Auflistung der Möglichkeiten des funktionalen Objekts, um dessen Nutzer von älteren Vorstellungen des Dienens und der Klassenzugehörigkeit zu befreien. In seiner dritten These lobt er die Anpassungsfähigkeit des volkstümlichen Industrieprodukts als Metapher für eine utopische Vision gesellschaftlicher Gleichstellung: »Les objets utiles de l’existence ont libéré autant d’esclaves d’autrefois. Ce sont eux les esclaves, les valets, les serviteurs. Les prendrez-vous comme confidents? On s’assoit dessus, on travaille dessus, on en use, on les use; usés, on les remplace. Exigeons de ces serviteurs de l’exactitude et de l’à-propos, de la dé­cence, une modeste présence.«11

Auch hier lässt sich zwischen den Zeilen eine überlebende Variante des Dandytums herauslesen: eine Rechtfertigung des Konsums im Gewand einer Huldigung an eine entfesselte Produktivität. Im 18. Jahrhundert hatten patriotische Pamphletschreiber und Karikaturisten häufig die wohlbeschlagenen und -bestrumpften Füße John Bulls den nackten Fußgelenken und Schwielen hervorrufenden Holzpantinen des französischen Bau­erntölpels gegenübergestellt.12 Der streitlustige, frei geborene Engländer trug die Produkte der frühen Massenproduktion als Trophäen seiner Überlegenheit. Klare Sprache, einfaches Leben und absolute Effizienz – der alte selbstverliebte männliche Kon­sument verwandelte sich reibungslos in den neuen. Le Corbu­siers John Bull des 20. Jahrhunderts nutzte die demokratisie­renden arbeitsparenden Güter als Vorwand zum Konsum. Ma­schinengefertigte Leisten und auf Nähmaschinen zusammen­gestepptes Oberleder hatten das Konzept der Maßanfertigung ersetzt, doch die billigeren Schuhe, die dabei entstanden, ver­sprachen zweckmäßiges und elegantes Schuhwerk für alle und jeden. [Abb. i] Als in den 1920er Jahren das Gespenst des Klassenkampfs und das Ideal des Nationalstaats aufgrund der politischen Reformen und des Internationalismus als philosophische Grundlagen

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zur Rechtfertigung oder Verdammung der Konsumfreuden leicht überholt wirkten, blieb eine tiefer verwurzelte Misogynie als Zu­flucht erhalten, aus der heraus der gefährdete Dandy das Modische gegen das Funktionale ausspielen und dennoch mit unbeschadetem Schuhwerk daraus hervorgehen konnte. Natürlich schöpfte Le Corbusier den Kontrast zwischen einfachen, funktionellen ›maskulinen‹ Objekten einerseits und dekorativen, minderwertigen ›femininen‹ Objekten andererseits voll aus in seinem Streben nach einem Geschmacksstandard, der auf der Suche nach moderner Schönheit Massenproduktion und Maßanfertigung zu vereinen vermochte: »La camelote est toujours décorée surabondamment; l’objet de luxe est bien fait, net et propre, pur et sain, et sa nudité en révèle la bienfacture. L’industrie nous vaut cet important renversement des choses: un poêle de fonte débordant de décor coûte moins qu’un uni; dans les rinceaux serrés et mouvementés, les pailles de la fonte ne se voient pas. Et ainsi de suite. […] cette richesse de surface, sie elle est étendue sans discernement sur absolument tout, devient répugnante et scandaleuse.«13

Hier entpuppt sich die Geißelung des rein Dekorativen als instinktive Ablehnung. Die Mode in ihrer reinsten Form ist »abstoßend« und »skandalös«. Dies wird durch eine Beschreibung all dessen veranschaulicht, was weich und sinnlich ist, und nir­gends wird dies (für unsere Zwecke) deutlicher als in der Gegen­überstellung eines wattierten zierlichen Pantoffels und eines strapazierfähigen Wanderstiefels. In einem letzten Beispiel greift Le Corbusier auf die Rhetorik rund um den gesunden Körper und die schädlichen Wirkungen des sexuellen Begehrens zurück, um sein Entsetzen angesichts der Gefährdung des rationalen Universums durch die Maßlosigkeiten der weiblichen Kultur zu verdeutlichen:

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»Non seulement cet afflux de fausse richesse est malpropre, mais surtout et avant tout cet esprit de décorer tout autour de soi est un esprit faux, une abominable petite perversion. Je retourne le tableau; la bergère midinette est dans une gentille chambre claire et limpide, mur blanc, bonne chaise de paille ou de Thonet; […] de la vaisselle de porcelaine blanche; et sur la table […] trois tulipes dans un vase […].

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C’est sain, net, décent. Et pour faire gentil, il suffit de si peu. […] Et nous constaterons que cet art sans décor n’est pas fait par des artistes, mais par l’industrie anonyme qui suit sa route aérée et limpide de l’économie.«14

Im Bestreben des Modernisten, den Geschmack der Massen zu re­formieren, gesellte sich also ein hygienischer Akzent zur Nütz­lichkeit, zur Begeisterung für zeitgenössische Modernität, zur Demokratisierung und zur Ablehnung der zweckfreien Dekoration. Dass diese Werte explizit männlich ausgerichtet waren und implizit die Kleidung betrafen, zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit in den Illustrationen, die den Text von »L’Art décoratif d’aujourd’hui« begleiten. Neben vertrauteren Ikonen der Moderne, wie amerikanischen Büromöbeln, Autos der Marke Peugeot, Ozeandampfern und handelsüblichem Tafelgeschirr, wählte Le Corbusier Abbildungen aus der Welt der Herrengar­derobe: Hermès-Reisetaschen, Saderne-Strohhüte, Bruyère-Pfei­fen, Galoschen sowie den klassischen Lederschuh. Diese Objek­te verkörperten einen Code für die angemessene Wertschätzung moderner Güter, der nicht auf die Verheißungen des Fordismus

[i] Katalog Manfield & Sons, Northampton, 1920er Jahre (Northampton Museums and Art Gallery, Boot and Shoe Collection, BS42)

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oder die harte Technologie der Industriewerkhalle zurückgeht, sondern auf einen älteren Regel- und Verhaltenskomplex rund um den gesellschaftlichen Auftritt des ›gut gekleideten Herrn‹. Repräsentativ für die kommerzielle Umsetzung dieser Verhaltensregeln ist der 1907 erschienene Katalog von John Piggott, einem typischen Herrenausstattungsgeschäft in der Londoner City, der in seiner Auflistung von Herrenschuhen keinen der Wünsche offenlässt, die sich Le Corbusier 20 Jahre später erträumen sollte. Ähnliche Publikationen müssen den Architekten auf seiner Suche nach dem idealen modernen ›Formtypus‹ in­spiriert haben. Darin konnte der kritische Konsument blättern und »Mosquito-Stiefel« für die Tropen, »Grecian Slippers« in schwarzem, scharlachrotem oder braunem Maroquinleder, »Oxford-Tanzschuhe« in Lackleder mit flachem Absatz und einlagiger Sohle begutachten, aber auch spezielle Cricket-, Tennis-, Segelund Bootsschuhe. Eine ganze Sonderabteilung für Radsport- und Wanderschuhe brüstete sich mit Spezialitäten, wie etwa dem Fahrradschuh des Jahrhunderts »ohne hässliche Haken oder Rie­men«. Was den Fußball anging, gewährleisteten die Modelle »ne­ver miss«, »goal kicker« und »sure kick« die vollkommene Entsprechung von Funktion und Erscheinungsform, während handvernähte Stiefel, »hochelegant im Stil und ebenso stadt- wie landtauglich«, das Versprechen der Firma unterstrichen, dass »all unsere Schuhe problemlos zu handhaben sind, auf den aller­neuesten und verbesserten Leisten gefertigt wurden und perfekt passen«.15

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Adolf Loos und die Moral der Gestaltung Le Corbusiers Begeisterung für obskure Ephemera aus der Welt der Schuhe war nicht vollkommen neu. Schon der etwas ältere österreichische Architekt Adolf Loos hatte bei der Formulierung seiner eigenen Gestaltungsphilosophie die Männergarderobe als Inspirationsquelle genutzt und in der Kleidung und ihrer Beziehung zum Körper eine erhellende Metapher für die gesellschaftliche und ästhetische Verantwortung der Architektur entdeckt. Tatsächlich hatte Le Corbusier 1920 Loos’ bahnbrechenden Essay »Ornament und Verbrechen« (welcher 1908 die Oberflächenverzierungen der Damenmode und die tätowier­ten Körper »primitiver« Völker als Beispiele für die »barbarische«

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Wirkung von Dekors angeführt hatte) in der ersten Ausgabe seiner Zeitschrift L’Esprit nouveau wieder abgedruckt. Wie diverse Architekturtheoretiker aufzeigten, war Loos der Überzeu­gung, die Kleidung der Männer habe durch einen Entwicklungsprozess und die positiven Auswirkungen körperlicher Bewegung einen gewissen Grad der Standardisierung und des funktionellen Komforts erreicht. Dies versetzte sie seiner Ansicht nach auf eine rationalere Ebene als die zyklische und schäd­liche Damenmode, deren laufender Stilwandel auf dem Zwang zur sexuellen Attraktivität beruhte.16 In diesem Sinn »wird die Herrenkleidung, soweit sie standardisiert ist, zur Grenzmarkierung, hinter welcher der Einzelne vor den immer bedrohlicheren und anscheinend unkontrollierbaren Zumutungen des modernen Lebens geschützt ist (Zumutungen weiblicher Art, versteht sich).« Wie die moderne Architektur war auch die männliche Garderobe darauf angelegt, als physischer und psychischer Puf­fer gegen die verwirrenden Sinneseindrücke der Moderne zu wirken.17 Wie viel Loos bei der Ausarbeitung dieser Ideen dem Herren­schuh verdankt, verdeutlicht eine Reihe von Rezensionen, die er im Sommer 1898 für Die Neue Freie Presse verfasste. So wie sich Le Corbusiers Polemik in L’Architecture teilweise an den Objekten einer Ausstellung dekorativer Kunst entzündet hatte, ge­hen Loos’ Betrachtungen auf einen Besuch der Wiener Jubiläums­ausstellung desselben Jahres zurück. Drei Hauptanliegen kommen in der häufig ungeduldigen, aber stets witzigen Prosa von Adolf Loos zum Ausdruck: erstens, dass der stilistische Wandel des Herrenschuhs durch »natürliche« Entwicklungsprozesse zu erklären ist; zweitens, dass kulturelle Phänomene wie die Mode für die Beeinträchtigung der »natürlichen« Funktion des Schuh­werks verantwortlich sind; und schließlich, dass die wachsen­de Beschleunigung des modernen Lebens nach Schuhwerk verlangt, das in erster Linie gesund und hygienisch sein muss. Un­ter dem Titel »Die Fußbekleidung« verschreibt sich Loos dem Motto »Tempora mutantur, nos mutamur in illis! Die zeiten ändern sich und wir ändern uns in ihnen. Und so tun es auch un­sere füße.«18 Zu Beginn unterscheidet er zwischen dem Handwerk des Schuhmachers und dem des Schneiders, da ersterer durch die beabsichtigte Funktion seiner Waren darauf beschränkt

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sei, etwas herzustellen, was der »natürlichen« Form des Fußes entspreche, [Abb. ii] während letzterer frei sei, die bestehende Kör­perform zu manipulieren: »Von saison zu saison wechseln unsere fußformen nicht. Dazu braucht es jahrhunderte oder zum mindesten eines menschenalters [sic]. Denn im handumdrehen kann man aus einem großen fuß keinen kleinen machen. Da haben es die anderen bekleidungskünstler doch besser. […] so vieles andere kann man durch einen neuen schnitt, durch watte und andere hilfsmittel bald abändern. Aber der schuster muß sich streng an die jeweilige fußform halten. Will er kleine schuhe einführen, so muß er geduldig warten, bis das großfüßige geschlecht abgestorben ist.«19

Loos sprach auch die Mechanismen an, aufgrund derer die idea­le Größe und Form des Fußes erreicht wurden, nämlich durch die gesellschaftlichen Erfordernisse wechselnder Arten mensch­licher Betätigung und den unausweichlichen Differenzierungsprozess, in dessen Verlauf eine soziale Gruppe ihre Herrschaft über eine andere definierte. So führten die Wettbewerbskräfte zu bezüglich Größe und Stil wechselnden Schuhmoden, die jede vernünftige oder biologische Entwicklung untergruben. Auch wenn uns diese These heute etwas verrückt erscheinen mag,

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[ii] Bally-Schuh, 1933 (Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG; Foto: Manuel Fabritz, © Bally)

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so arbeitete sie doch klare Parameter für die Überlegenheit des modernen Herrenschuhs heraus, und zwar sowohl hinsichtlich Funktion und Ästhetik als auch der unkomplizierten Beziehung zwischen beiden, die Loos als Grundvoraussetzung für ein er­folgreiches Objekt bezeichnete: »Aber nicht alle menschen haben zur selben zeit die gleiche form der füße. […] Wie soll sich da der schuster helfen? Wessen fußform soll für ihn maßgebend sein? Denn auch er wird bestrebt sein müssen, moderne schuhe zu arbeiten. Auch er will vorwärts kommen, auch er ist von dem bestreben erfüllt, seinen erzeugnissen eine möglichst große kaufkraft zu verleihen. Er macht es daher, wie es alle übrigen gewerbe tun. Er hält sich an die fußform derjenigen, die zeitweilig die soziale herrschaft inne haben. […] Alles, was im vorigen jahrhundert modern fühlte und dachte, trug den englischen reitschuh, den stiefel, auch wenn man kein pferd besaß. Der reitstiefel war das symbol des freien menschen, der nun endlich die schnallenschuhwirtschaft, die hofluft, das gleißende parkett überwunden hatte. […] der hohe hacken, den der reiter nicht brauchen kann, blieb weg. Das ganze darauffolgende jahrhundert, also das unserige, war daher von dem bestreben erfüllt, einen möglichst kleinen fuß zu besitzen.«20

Loos erkannte in den hektischen Rhythmen des modernen Lebens eine Gelegenheit zur Erneuerung des Herrenschuhdesigns, einem Prozess, der sich auf alle Aspekte der materiellen Kul­tur ausweiten ließ. Angesichts der Bilder von Männern, die auf den Seiten der Modejournale des 19. Jahrhunderts zu sehen wa­ren, schreckte er vor den feminin wirkenden zierlichen Schühchen zurück, die unter den Beinkleidern der sonst ordentlich behaarten und muskulösen Mannsbilder hervorschauten. Es war fast, als verriete die Form des Fußes eine innere Erstarrung und enthüllte dadurch die nervenaufreibende Lebensweise und die dekadente Haltung der europäischen Bourgeoisie. An der Schwel­le zu einem neuen Jahrhundert war es dringend notwendig, sich an jüngeren Gesellschaften und neuen Freizeitbeschäftigungen zu orientieren, um die durch den Modezwang geschwächten Kräfte zurückzugewinnen.21 Obwohl die Artikel von Loos eindeutig rhetorischen Charak­ter hatten und nicht für bare Münze genommen werden konn­-

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ten, drohen seine offenkundig überwältigende Abscheu vor den Folgen der ›femininen‹ Kultur und der weiblichen Sexualität zusammen mit seiner Bereitschaft, selbst harmlose Gebrauchsgegenstände im Lichte bösartiger anthropologischer Schlussfolgerungen zu betrachten, den Wert seiner Texte als unparteiische Dokumentation der Herstellung und des Konsums von Herrenschuhen an diesem entscheidenden Wendepunkt der Industriegeschichte zu untergraben. In dieser Hinsicht scheinen Loos’ direkte geistige Nachfolger jene zu sein, die den Schuh als reinen Sexualfetisch betrachten, ohne sich um ein Verständnis seiner Rolle in benachbarten Gebieten zu kümmern: als wirtschaftliches Erzeugnis, soziales Kennzeichen, semiotisches Zeichen, ge­schweige denn als Kunstobjekt.22 Doch ungeachtet ihres bewusst provokativen Tonfalls stießen die Publikationen von 1897 auf ein starkes Echo bei einigen Autoren aus der damaligen Schuhin­dustrie. James Pond, ein Stiefelmacher aus Norwich (einem Pro­duktionszentrum eleganter englischer Schuhe im 19. Jahrhundert), hatte, ein Jahr bevor Loos seine Artikel schrieb, eine praktische Abhandlung über natürliche Fußpflege und die Behandlung missgestalteter Füße (»a practical treatise upon the natural care of the feet and their treatment in deformity«) verfasst. Durch seine Konzentration auf hygienische Fußbekleidung trug das Buch zu einer allgemeineren Diskussion über die Zusammenhänge zwischen Gesundheit, Ästhetik und Mode bei, die wieder­um zu Reformprojekten – wie dem von Gustav Jaeger – führte und selbst einige Parallelen zu den Debatten über Dekoration, Stil und Oberfläche aufwies, die damals alle Autoren umtrieben, die sich mit Architektur und Städtebau befassten. Wie Loos plädierte auch Pond für eine Gestaltungstheorie, die auf den ra­tionalen Nutzen ausgerichtet und somit gegen modische Effekte gefeit war:

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»The shape, cut and whole formation of the boot or shoe should be such as to give the best protection and the greatest freedom to all parts of the foot and leg; but fashion, unfortunately, is so mixed up in this question, as in all other questions of clothing, that all endeavours for the comfort of the feet are stifled […] The tailor, dressmaker and hatter may conform to fashion, however ridiculous, without inflicting serious injury upon their customers. This is not the case, however, with the

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shoemaker, he makes his boots the shape of the last given him, often not knowing, or even thinking about the construction of the foot or leg and its uses.«23

Ponds Sorge galt jedoch nicht nur den Einflüssen der Mode, sondern auch den Auswirkungen der ausbeuterischen Produktionsbedingungen auf die Bearbeitungsstandards und die sorgfältige Beachtung der orthopädischen Funktion des Schuhwerks. Es ist interessant, dass sich sowohl Le Corbusier als auch Loos bei ihrer Fetischisierung der Herrengarderobe ebenfalls zum Maßgefertigten, Handgemachten und handwerklich Kunstvollen hin­gezogen fühlten. Darin hob sich der kultige Herrenschuh von anderen verdinglichten Massenprodukten ab, etwa von der Por­zellantasse oder dem Thonet-Stuhl. Die standardisierte Arbeits­kleidung musste hinter den Produkten traditioneller Schneider oder Meisterschuster zurückstehen. In Sachen Zweckmäßigkeit war der individuell angepasste, handvernähte Schuh dem fabrik­vernieteten Treter klar überlegen. Wie Pond übereinstimmend bestätigt: »There is no doubt that hand sewn bespoke boots and shoes are preferable to ready-made ones as they are more carefully constructed, more pliable to the feet, stronger and more easily repaired […] A riveted boot in whatever form is worse than a wooden bottom or clog. It is rigid, hard and unyielding, and in whatever shape it is made the foot must adapt itself to it […] as they are cheap they are very much worn, causing an enormous quantity of distorted and crippled feet, especially flat feet.«24

Mit solchen Rückgriffen auf die damals aktuellen Debatten zur körperlichen und moralischen Degeneration der Stadtbevölkerung warben die Schuhhersteller erfolgreich für die Maßanfertigung und schafften es, sie von der Massenproduktion abzu­heben.25 Vertrauten die Kommentatoren auf ästhetischem Gebiet auf die Furcht vor der Verweiblichung des gängigen Geschmacks, wenn sie sich für die Moderne ins Zeug legten, so wurde man anderen Interessen am besten gerecht, indem man den erbärmlichen Zustand der nationalen Körperverfassung ins Zentrum

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rückte. Von den Fußsohlen an aufwärts hielten Kritiker aus Medizin, Religion und Politik die körperliche Verfassung der Männer aller sozialen Schichten für beeinträchtigt durch die Zunahme sitzender Tätigkeiten und das wachsende Interesse an Freizeit­ vergnügungen, aber auch durch die Folgen der realen Umweltver­schmutzung in urbanen Industriegebieten und die schädlichen Einflüsse der Konsumgesellschaft. Panische moralische und ge­sundheitliche Ängste dieser Art machten an geografischen Gren­zen nicht Halt; sie lieferten Stoff für eugenische Studien in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Kontinentaleuropa und verlängerten eine Reihe von Argumenten, die bereits fester Bestandteil der militärstrategischen Literatur von den Burenkrie­gen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs waren.26 Es war also kein Zufall, dass die Diskussion um die angemes­sene Form des modernen Schuhs in direktem Zusammenhang mit patriotischen Texten stand, in denen es um die Verbesserung der Körperverfassung wehrpflichtiger Männer ging. 1912 äußer­te sich Edward Lyam Munson, ein Oberstabsarzt der US Army, zur Form des Militärschuhs in Worten, die auch den zivilen Gesundheitsinteressen förderlich waren: »It is rare to find in civil life a shoe that even approaches the normal foot in shape and contour. Few manufacturers make them, as they are not saleable to the general public, whose choice is swayed rather by considerations of fashion than comfort. […] But the soldier at the very outset represents the physically elect of the class from which he comes and is better in this respect than its average; moreover, all his parts, including the feet, undergo development in strength and size under the active life, weight carrying and systematized exercise which it falls upon him to perform.«27

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Das Patentrezept gegen die Fehler der zivilen Schuhmacherei war also im Vorbild des Soldatenfußes und seiner idealen Hül­le zu finden. Abgesehen von seiner funktionellen Grundvoraus­setzung, für wenig Geld Komfort, Halt, Schutz, Strapazierfähig­keit und zeremonielle Ordentlichkeit zu gewährleisten, stand der Militärschuh auch für Fitness, Vitalität und Anpassungsfähigkeit und war somit geeignet, die erlahmende Selbstachtung des städtischen Büroangestellten wieder zu stärken, während er

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zugleich zum Erfolg der Kriegspropaganda beitrug. Nach dem Ersten Weltkrieg nahmen diverse Texte in medizinischen und gewerblichen Lehrbüchern auf die Erfahrung des Schlachtfelds Bezug und verglichen die Anforderungen an den zivilen Schuhmacherberuf mit jenen an einen Quartiermeister.28 Auf einer intimeren und privateren Ebene zeugte der heimliche Stolz zahl­loser aus dem Kriegsdienst entlassener Soldaten darüber, dass es ihnen gelang, auf ihren Oxford-Schuhen einen Glanz zu er­zeu­gen, der jedem Paradeplatz Ehre gemacht hätte, vom nachhalti­gen Einfluss der Militärerfahrung auf das Verhältnis der Männer zu ihrer Kleidung. Außerdem kam die missionarische Rhe­to­rik der Armeestabsärzte bezüglich Vergötterung der Funktion und Verteufelung der Mode jener von Loos und Le Corbusier verblüffend nahe: »There can be no question but that of all the protective coverings which the foot soldier wears, his shoes are by far the most important from a strategic standpoint; since upon their shape, durability, use and comfort of fit, pliancy and lightness depends his military efficiency. Next to his armament, the shoe is probably the most important item of the equipment of the soldier. The construction of shoes for civilians is influenced almost wholly by considerations of fashion and style. These are irrational and are changed frequently in the financial interest of the shoe trade.«29

Auch Loos würdigte im Übrigen in seinen Bemerkungen zur Schuhherstellung, die ebenfalls im August 1898 in Die Neue Freie Presse erschienen, militärische und hygienische Anliegen. Er trat für die Sache der Schuhmacher seines eigenen Landes ein und zitierte die Aussage der englischen Fachpresse, dass die öster­reichische Schuhindustrie hinsichtlich der gesundheitlichen Qualität ihrer Erzeugnisse allen anderen überlegen sei. Für die österreichischen Konsumenten hegte er weniger Bewunderung, denn er schrieb die Zunahme an Fußmissbildungen der Tatsache zu, dass jene, die sich keine Maßschuhe leisten konnten, auf der Suche nach flüchtigen Moden nur allzu bereitwillig »ausländi­sche« Massenware vorzogen. In einer grimmigen Passage von kaum verhohlenem Antisemitismus pries Loos den rationalen Impuls des einheimischen Handwerks, die Nation wieder auf ei­­-

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nen Stand zu bringen, der den Erfordernissen des kommenden Jahrhunderts entsprechen werde: »Wir in Österreich werden mit gutem schuhwerk in das kommende jahrhundert treten. Und gutes schuhwerk wird im nächs­ ten jahr­ hundert nötig sein, denn das wird marschieren. […] Noch fließt in uns das alte, marschbereite germanenblut. Auch wir werden das unsrige dazu beitragen, die stehende und sitzende welt umzuwandeln in eine welt der arbeit und des marsches.«30

Materialien und Verarbeitung Loos’ Implikation, ›gute‹ Schuhe seien solche, die sowohl die be­sondere Begabung ihres Herstellers (»Es ist kein zufall, daß der größte dichter und der größte philosoph, den uns das handwerk geschenkt hat, schuster sind.«31) als auch den kritischen Geschmack ihres Käufers und Trägers widerspiegeln, bringt uns auf das letzte Gebiet, das im Hinblick auf die umfassendere Be-

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[iii] Schuhproduktion in Manfield, Northampton, ca. 1900 (Northampton Museums and Art Gallery, Boot and Shoe Collection, 721024/2)

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deutung des Herrenschuhs zu berücksichtigen ist. Nachdem wir uns mit Ästhetik und Funktion sowie den Beiträgen des Dan­dys, des Arztes und des Soldaten zur Entwicklung einer meta­phorischen Geschmacksrichtlinie bezüglich der im Herrenschuh verkörperten Modernität befasst haben, bleibt in diesem Kapitel nur noch in Betracht zu ziehen, ob und wie sich Schuhmacherkunst und Produktionsbedingungen direkt von der Ober­fläche des Produkts ablesen lassen (oder aber von dieser verbor­gen werden). Denn letztlich liegen die Merkmale, die einen ›gu­ten‹ Schuh ausmachen, jenseits aller Stil- und Gebrauchsfragen. Wie jeder Schuhmacher oder Schuhhändler zugeben würde, stecken sie in der buchstäblichen Begegnung von Leder und Fa­den. Der Herrenschuh ist weitgehend eine Summe seiner Teile, ein physisches Objekt, dessen Aussehen, Gewicht, Textur und Geruch vom Können seines Schöpfers zeugen und auf den in ihm steckenden Wert verweisen. [Abb. iii] Die Art und Weise, wie ein möglicher Käufer sein Zielobjekt ›in die Hand nimmt‹, wenn er es zwecks näherer Begutachtung aus der Auslage hebt, deutet dies an. Textilwaren, Hosen und Hemden, die ihren Status äuße­ren modischen Werten verdanken, wird selten eine so ehrfürchtige Behandlung zuteil. Dass die Schuhhersteller sich dieses materiellen Aspekts schon immer bewusst waren, wird bereits in den Texten der ersten Werbeanzeigen deutlich. Elias Moses, ein Londoner Modegroßhändlerpionier aus der Mitte des 19. Jahrhun­derts, propagierte in anschaulichen Werbeversen die konkreten Eigenschaften seiner Waren: »Two boots (quite unlike in their style and their leather) Were heard very recently talking together. It appears, from the facts which the journals record, That one was a Wellington fit for a Lord, A boot such as very few houses can show, With a truly smart Heel and a truly flat Toe. The other one differ’d from this altogether: As ugly production – a mere waste of leather. ’Twas a dumpy, and lumpy and stumpy concern, Such as any respectable ›trotter‹ would spurn. This queer piece of ›craft‹ (who was all on the rip) Was the first who attempted to open his lip.«32

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Moses’ Anstrengungen, die Qualität seiner Waren anzupreisen, fielen in eine Zeit, in der die britische Schuhindustrie hinsichtlich Arbeitsorganisation und Produktbeschaffenheit einen tiefgreifenden Wandel durchlief. Dass Moses als Angehöriger einer ganz neuen Sorte von Großhändlern die Vorzüge seiner Stiefel in der Sprache der Maßanfertigungszunft pries, ist reine Ironie, denn das Geschäft von Unternehmern seines Schlages bestand ja gera­de darin, die älteren Methoden der Einzelanfertigung mit vorgefertigten preisgünstigeren Massenprodukten zu untergraben.33 Wie der Arbeitshistoriker James Schmiechen dargelegt hat, wurde das traditionelle Schuhmacherhandwerk in den 1830er und 1840er Jahren von Fabriken verdrängt, die Hungerlöhne zahl­ten. Adolf Loos berief sich noch gegen Ende des Jahrhunderts auf den älteren Mythos des pfeiferauchenden, untadeligen und gut ausgebildeten Schusters; in Wirklichkeit klagten jedoch die Londoner Schuhmacher schon ab 1849 über zu wenig Arbeit, Geld und Nahrungsmittel. Ungeachtet der Bestellungen eines gehobe­nen Kundenkreises, musste der traditionelle Handwerker miterleben, dass sein Beruf von billigeren Arbeitskräften wie Frauen, Kindern und Immigranten überflutet wurde und der Großteil seiner Kunden auf ›minderwertige‹ Waren hereinfiel. In mancher­lei Hinsicht hatte sich diese ›Berufsaristokratie‹ durch ihre Prei­se selbst aus dem Markt gedrängt. Hatte der Ruf ihrer gewerkschaftlichen Aktivität den Schuhmachern im frühen 19. Jahrhun­dert noch gesellschaftliche Anerkennung und gute Arbeitsbedingungen verschafft, so hatte die berufliche Reorganisation durch die Fabrikproduktion in Northampton zur Folge, dass die neu­eren Londoner Schuhgeschäfte für die Produktion ihrer Waren nach Herstellern außerhalb Londons Ausschau halten konn­ten. Die Revision der Handelstarife von 1826 ermöglichte ihnen zu­dem den Kontakt zu Lieferanten jenseits des Ärmelkanals, die bereit waren, für wenig Geld modische Produkte in französischem Stil zu liefern.34 Moses und seine Konkurrenten, deren Geschäf­te so großklingende Namen trugen wie Magazine, Depot oder Emporium (Waren-, Lager- oder Handelshaus), bedienten eine rasch wachsende Bevölkerung und deren unstillbaren Hunger nach dem ›letzten Schrei‹. Zu diesem Zweck wurden Tausende Paare provinzieller und ausländischer Schuhe unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen gefertigt.35

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Abgesehen von den wechselnden, launischen Geschmacksvorlieben der Konsumentinnen und Konsumenten, blieb der eigentliche Herstellungsprozess bis zur umfassenderen Mechanisierung in den 1890er Jahren mehr oder weniger unverändert. Das erste Stadium bei der Herstellung eines Schuhs bestand im ›Ausstanzen‹ oder Ausschneiden der verschiedenen Teile des Produkts aus dem Leder. Die Komplexität dieses Vorgangs verlangte großes Geschick und war daher von der Ausbreitung der billigeren Fabrik- und Heimarbeit am wenigsten betroffen. In den 1860er Jahren ermöglichte das Aufkommen neuer Schneidewerkzeuge jedoch eine gewisse Arbeitsteilung, sodass auch ungeübte Hände diese Arbeit übernehmen konnten, die bisher von einem oder zwei hoch qualifizierten Handwerkern ausgeführt worden war; das hatte – auf Kosten der Detailgenauigkeit – eine sofortige Beschleunigung des Herstellungsprozesses zur Folge. Das zweite Produktionsstadium bestand im ›Verschließen‹ oder Versteppen der Oberlederteile zum Schaft. Die Erfindung der Nähmaschine bewirkte, dass dieser Prozess als erster voll mechanisiert wurde, sodass in den 1890er Jahren das Versteppen in der gesamten Schuh­industrie, ob Massen- oder Maßanfertigung, maschinell erfolgte. Das dritte Stadium des ›Schuhmachens‹ bestand im Zusammen­fügen von Sohle, Absatz und Schaft über der Leistenform. Der erste Schritt zur Verbindung von Innensohle und Schaft mit der Sohle war ein komplexer Vorgang, der geschickten Handwerkern vorbehalten blieb, bis 1891 eine automatische Leistenmaschine patentiert wurde, die auch von ungelernten Arbeiterinnen be­dient werden konnte. Die Verbindung von Innensohle und Schaft mit der Sohle war bereits 30 Jahre zuvor mit der Einführung der McKay-Schuhnähmaschine automatisiert worden, was die Herstellung von bis zu 600 Paar Schuhen pro Tag durch eine einzige Maschinenarbeitskraft ermöglichte. Die Entwicklung der Absatzmaschinen dauerte länger; deshalb wurde dieser Schritt noch bis Mitte der 1890er Jahre von Handwerkern ausgeführt. Schließ­lich gehörten zur Endverarbeitung auch noch Reinigung, Ausfütterung, Ausstattung und Verpackung, ein höchst arbeits­teiliger Prozess, der seit jeher mit Fremdvergaben und Heimarbeit verbunden war; dennoch war auch hier, aufgrund des Wandels und der Ausrichtung der Branche auf eine rasch wachsende Nach­frage, zahlenmäßig eine enorme Zunahme zu verzeichnen.36

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Als das 20. Jahrhundert anbrach, hatte sich der klassische Her­renschuh, ob Maßanfertigung oder Konfektionsware, zu einem komplizierten Objekt entwickelt. Stilistisch unterschied sich sein Aussehen nicht wesentlich von den Schuhformen, an denen Verbraucher schon vor über hundert Jahren Gefallen gefunden hatten. Ebendiese vermeintliche ›Stabilität‹ faszinierte die Modernisten. Doch der moderne Schuh durchlief in der Herstellung vielfältige industrielle, handwerkliche und maschinelle Prozesse; er wurde mit einiger Wahrscheinlichkeit in Teilen an ver­schiedenen Orten gefertigt, und sein Aufbau verkörperte die Ge­schichte eines Berufs, der sich grundlegend gewandelt hatte. Trotz den Klagen über den Niedergang des Handwerks, welche die Mas­senproduktion auf sich zog, sah sich Ed­ward Swaysland, Leiter der technischen Ausbildung in Northampton, 1905 in der Lage, den Produkten seines Gewerbes einen positiven Anstrich zu verleihen, indem er die Anliegen von Hygiene, Funktionalität und Ästhetik zusammenführte, die den Herrenschuh zu einem so inspirierenden Gegenstand für fortschrittliche Ästhetiker machte. Die Schuhfabriken der englischen Midlands lagen geografisch und geistig in einer gewissen Distanz zu den Werkstätten in Wien und Paris, die den Rahmen für die Schriften von Loos und Le Corbusier bildeten. Aber die Disziplin, die Swayslands Gewerbe verlangte, und die scheinbar erhabene Eleganz seines Produkts machten die obskure Kombination aus Leder, Faden, schwarzer Wichse und Schusternägeln zum Gegenstand überraschender kritischer Überlegungen und Verknüpfungen. So wurde der Schuh zu einem Symbol, das sehr viel mehr umfasst als die bloße Fußbekleidung.37  (Übersetzung: Suzanne Schmidt) 1 Der vorliegende Text ist eine Übersetzung aus Riello/McNeil 2006, S.206–

223; ursprüngliche Version in: Benstock, Shari/ Ferriss, Suzanne (Hg.):



Footnotes: on Shoes; New Brunswick etc.: Rutgers University Press 2001,



S. 116–134.

2 [o.A.]: Crispin Anecdotes; Comprising interesting notices of shoemakers, who have been distinguished for genius, enterprise, or eccentricity: also, curious particulars relative to the origin, importance, & manufacture of shoes: with other matters illustrative of The History of the Gentle Craft. 204

Gestaltete Männlichkeit



Published by Sheffield; printed and sold by John Blackwell; London: Ham­ ilton Adams and Co, 1827.

3 Breward 2004, S. 21–47. 4 Moers 1960. 5 Troy 1991. 6 Sparke 1995. 7 Le Corbusier 1925, S. III [Herv. i. O.]. 8 Kuchta 2002. 9 Breward 1999, S. 24–75. 10 Le Corbusier 1925, S. 8. 11 Ebd., S. 9. 12 Donald 1996. 13 Le Corbusier 1925, S. 90 [Herv. i. O.]. 14 Ebd., S. 91–92. 15 John Piggott 1907, S. 99–106 [Übers. a.d. Engl.] 16 Lehmann 2000, S. 155–158. 17 Wigley 1995, S. 90f. 18 Loos 1921, S. 114. 19 Ebd., S. 114. 20 Ebd., S. 114f. 21 Ebd., S. 116–119. 22 Rossi 1977, S.101–114. 23 Pond 1896, S. 17. 24 Ebd., S. 18–20. 25 Anderson 1992. 26 Bourke 1996. 27 Munson 1901, S. 35–39. 28 Sewell 1924. 29 Munson 1901, S. 34. 30 Loos 1921, S. 125. 31 Ebd., S. 123. Gemeint sind Hans Sachs und Jakob Böhme [Anm. d. Übers.]. 32 E. Moses 1847. 33 Zu Elias Moses vgl. Chapman 1993. 34 Riello 2003. 35 Schmiechen 1984, S. 9–12. 36 Ebd., S. 29–31. 37 Swaysland 1905, S. 8, 39. 205

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Autorinnen und Autoren Christopher Breward, Professor für Kulturgeschichte, ist Rektor des Edinburgh College of Art und Prorektor Creative Industries & Performing Arts der University of Edinburgh. Nach dem Studium am Courtauld Institute of Art (BA) und am Royal College of Art (MA, PhD), London, lehrte er an der Manchester Met­ropolitan University, am Royal College of Art und am London College of Fashion. Er war Forschungsleiter am Victoria & Albert Museum, London. Als jüngste seiner vielen Publikationen zu Modege­schichte und -theorie sowie deren Bezügen zu Männlichkeit und urbaner Kultur erschien »The Suit: Form, Function & Style« (Reaktion 2016). Weitere Publikationen: »The Culture of Fashion« (MUP 1995); »The Hidden Consumer« (MUP 1999); »Fashion« (OUP 2003); »Fashioning London« (Berg 2004). Nike U. Breyer, Damenschneiderin und Dipl.-Modedesignerin (FH Trier), studierte Kulturanthropologie und Neuere Geschich­te an der Johannes Gutenberg-Universität Trier. Sie ist seit 1995 freiberuflich tätig als Autorin/Journalistin mit den Schwerpunk­ten Mode, Schuhe, Design, Körperlichkeit und Gesellschaft (u.a. für Frankfurter Allgemeine Zeitung, taz, INFORM, Schuhmarkt, Orthopädieschuhtechnik). Sie kuratierte diverse Ausstellungen, zuletzt: »Schritt für Schritt. Die Geburt des modernen Schuhs«, Bern, 2015; »Form folgt Fuß. Georg Hermann von Meyer (1815– 1892) und die Schuhreform«, Frankfurt/Main, 2015. Diverse Pu­blikationen, zuletzt: »Schritt für Schritt. Die Geburt des moder­nen Schuhs«, Ausstellungskat. (Ingolstadt 2012); »Wissenschaft vom Gehen – und was wir darüber wissen«, in: Der Fuss, 2014. Tobias Ehrenbold studierte Kulturwissenschaften und Ge­ schichte an den Universitäten Luzern und Basel; gegenwärtig absolviert er den MA Public History an der Northeastern Uni­versity, Boston. Seit 2012 ist er freiberuflich in verschiedenen Kulturprojekten tätig. Einen thematischen Schwerpunkt bildet die internationale Wirtschaftsgeschichte, insbesondere die Ge­schichte des Schuhunternehmens Bata.

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Autorinnen und Autoren

Prof. Dr. Birgit Haase, seit 2009 Professorin für Kunst- und Modegeschichte/Modetheorie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Department Design. Vorträge, Publi­kationen und Projekte zu folgenden Forschungsschwerpunkten: Europäische Kleidungsgeschichte (insbes. 19./ 20. Jahrhundert), Kunst und Mode, Modetheorie, objektbasierte Kleidungsfor­schung, Geschichte der Modeausbildung in Hamburg (Stichwort: Archiv Armgartstraße). Prof. Dr. Kerstin Kraft studierte Vergleichende Textilwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte an den Universitäten Dortmund und Bochum. Sie promovierte 2002 zum Thema »Muster ohne Wert. Zur Funktionalisierung und Marginalisierung des Musters«. Freiberufliche Tätigkeiten für Museen in den Bereichen Konzeption und Realisation von Ausstellungen. Post­doktorandin am Institut für Europäische Ethnologie/Kulturwissenschaft der Philipps-Universität Marburg, u.a. im Forschungsprojekt »Soziokulturelle Untersuchungen der Mode und Bekleidung der 1930er und 1940er Jahre« in Kooperation mit dem LVR-Industriemuseum (gefördert von der VolkswagenStiftung). Seit 2013 Professorin für Kulturwissenschaft des Textilen an der Universität Paderborn. Lehr- und Forschungsschwerpunkte: Quellen und Methoden der Mode- und Bekleidungsforschung, Materielle Kultur, Textile Grundphänomene. Prof. Dr. Gertrud Lehnert ist seit 2002 Professorin für Allgemei­ne und Vergleichende Literaturwissenschaft und Modewissenschaft am Institut für Künste und Medien der Universität Pots­dam. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Geschichte und Theorie der Mode; kulturelle Visualisierungs- und Inszenierungsprozesse; Gender/Queer Studies. Sie ist Herausgeberin der Reihe »Fashion Studies« im transcript Verlag Bielefeld. Jüngste Buchveröffentlichungen: »Mode. Geschichte, Theorie und Ästhetik einer kulturellen Praxis« (Bielefeld 2013); »Modetheorie. Klassische Texte aus zwei Jahrhunderten« (Bielefeld 2014); mit Alicia Kühl und Katja Weise (Hg.): »Elsa Schiaparelli – Coco Chanel. Zwei Frauen leben ihren Traum« (Berlin 2015). 208

Über Schuhe

Dr. Rosita Nenno promovierte über ein architekturhistorisches Thema und arbeitete anschliessend am Musée d‘Art Moderne de la Ville de Paris. Seit 1989 ist sie stellvertretende Direktorin des DLM Deutschen Ledermuseums / Schuhmuseums Offenbach, zuständig für die Bereiche Angewandte Kunst, Kunst, Mode und Design. Veröffentlichungen zu den Museumsinhalten sowie zur zeitgenössischen Kunst. Anna-Brigitte Schlittler hat an der Universität Zürich Kunstge-­ schichte, Geschichte und Philosophie studiert und ist seit 2003 Dozentin für Theorie Kunst und Design und Modetheorie an der Zürcher Hochschule der Künste. Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind einerseits die symbolischen Funktionen von Klei­­­­dung innerhalb politischer sowie Geschlechter- und Körper­diskurse, andererseits design- und produktionsgeschichtliche Aspekte seit der Französischen Revolution. Zuletzt erschienen: mit Katharina Tietze (Hg.): »Mode und Bewegung. Beiträge zur Geschichte und Theorie der Kleidung« (Emsdetten/Berlin 2013); »Pflanzen, Körper, Kleider«, in: Gerd-Helge Vogel (Hg.): Pflanzen, Blüten, Früchte. Botanische Illustrationen in Kunst und Wissenschaft (Berlin 2014). Daniel Späti, Designer, war von 2001 bis 2006 in der Schuhentwicklung und Designabteilung von Bally tätig. Seit 2001 ist er Do­zent an der Zürcher Hochschule der Künste. Ausserdem leitet er das Projekt »Transcultural Collaboration« in Hong Kong und ist Co-Projektleiter im SNF-Projekt »Eventkultur und Stadtent­­­wick­lung« (Institut für Theorie, ZHdK; ZHaW, Soziale Arbeit; Universität Zürich, Populäre Kulturen). Selbständiger Designer und Kulturveranstalter mit den Schwerpunkten Event, Konzertund Clubveranstaltungen; Stiftungsrat der Berner Design Stif­tung. Dr. Maria Spitz ist Kuratorin der Draiflessen Collection. Sie stu­dierte Kunstgeschichte, Musikwissenschaft und Philosophie in Köln, wo sie 2003 mit einer Arbeit zu textilem Interieur in der altniederländischen Malerei promoviert wurde. Anschlie­ßend absolvierte sie ein Volontariat bei den Staatlichen Museen zu Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Textil-,

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Autorinnen und Autoren

Mode- und Unternehmensgeschichte. Seit 2006 ist sie verant­wortlich für die gleichnamigen Sammlungsbereiche in der Drai­flessen Collection. Sie kuratierte mehrere Ausstellungen zu die­sen Themenfeldern, zuletzt »Mythos Chanel«. Prof. Katharina Tietze studierte Bekleidungsdesign an der Hochschule der Künste Berlin und war Kostümbildnerin am Theaterhaus Jena. Seit 2006 leitet sie die Studienvertiefung Style & Design an der Zürcher Hochschule der Künste. Sie forscht zum Thema Mode im Spannungsfeld von Stil und Alltagskultur. Zuletzt erschienen: mit Anna-Brigitte Schlittler (Hg.): »Mode und Bewegung. Beiträge zur Geschichte und Theorie der Kleidung« (Emsdetten/Berlin 2013); mit Katharina Hohmann (Hg.): »Denimpop. Jeansdinge lesen« (Berlin 2013). Roman Wild ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hoch­schule Luzern (Design & Kunst) und doktoriert am Historischen Seminar der Universität Zürich zur Geschichte des schwei­zerischen Schuhmarktes in der Zwischenkriegszeit. Seine For­schungsschwerpunkte sind Wirtschaftsgeschichte als Kulturge­-­ schichte, die Geschichte der Textil- und Lederindustrie sowie Materielle Kultur.

210

Bibliografie Archivquellen Bata-Archiv der Gemeinde Möhlin

Diverse Bestände.

Draiflessen Collection, Mettingen

Sig. 108286.



Sig. 103400.



Sig. 118965.



Sig. 120231.

Fagus-Archiv/ Bauhaus Archiv Berlin



Benscheidt, Karl: »Vortrag bei dem vom Reichswehr-Ministerium einberufe­

nen Lehrgang in der Schuhherstellung. München, am 22. August 1933«



[unveröffentlichtes Manuskript; loser schwarzer Ordner].

Benscheidt, Karl: »Vortrag, zu halten bei der Zusammenkunft von Vertretern

der orthopädischen Wissenschaft, der Schuhindustrie, des Schuhhandels

und der Schuhleistenindustrie am 15.1.1938 im Reichsausschuss für



Volksgesundheitsdienst« [unveröffentlichtes Manuskript; loser schwar­-



zer Ordner].

Historisches Archiv der Bally Schuhfabriken AG, Schönenwerd

Agor AG Zürich, Jahresbericht & Bilanz 1935.



Agor AG Zürich, Jahresbericht & Bilanz 1939.



Agor AG, Kontrollblätter mit Inseraten für die Bally-Filialen.



Arola AG, Bericht an die Direktion über das Geschäftsjahr 1934 / 35.



Bally, Eduard: »Bd. 1: Geschichte C.F. Bally AG; Bd. 2: Statistische Tabellen«;



Schönenwerd 1925 [auf CD-ROM].

Bally Betriebe Schweiz, Versuchsanstalt Schönenwerd; Ordner 100/18/119

mit Fotos.



Bally Lyon; Ordner mit 33 Fotos zur Produktion von Holzsohlen-Schuhen.



Bally Sportausstellung, M.P.F., 1935.



Bally Verkaufskataloge 1880 – 1950.



[o.A.]: Gleitschutz – von Cäsar bis zur Himalaya-Expedition, um 1950.

Schweizerisches Bundesarchiv, Bern

Aufklärungsaktion über den Wert guter Schuhe 1937 – 1939; E27#1000/ 721#19219*.



Brief des Lederhändler-Verbands, Zentralsekretariat Bern, an das Justiz- &

Polizeidepartement und das Volkswirtschaftsdepartement; BAR, E4110A.

1000 /1820. BD: 5. C.08.15.

211

Bibliografie

Schweizerisches Wirtschaftsarchiv, Basel

Bally Schuhfabriken Schönenwerd; CH SWA, H + I Bb 20.



Diverse Bestände zu Schweizer Schuhunternehmen.

Stadtarchiv Worms

Abt. 180 / 1, Nr. 466.



Abt. 185, Nr. 2384.



Abt. 185, Nr. 2445.



Abt. 185, Nr. 2448.



Abt. 185, Nr. 2451.



Abt. 185, Nr. 2470.



Abt. 185, Nr. 2471.

Stiftung Historisches Material der Schweizer Armee (HAM)

Laubacher / HAM 2007/13.

Wissenschaftshistorische Sammlungen der ETH Zürich-Bibliothek

Arnold Heim (1882 – 1965), Geologe, Forschungsreisender; Manuskripte,

Fotografien, Dias, Separatsammlung aus dem Nachlass, Material zum



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22.11.1992).

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