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German Pages 395 [396] Year 2017
Datzer Zuordnung von Besteuerungsrechten bei mehrfachansässigen Steuerpflichtigen im Mehrwertsteuerrecht
Schriften zum Umsatzsteuerrecht Band 31
Herausgegeben vom UmsatzsteuerForum e.V. – Vereinigung zur wissenschaftlichen Pflege des Umsatzsteuerrechts –
Zuordnung von Besteuerungsrechten bei mehrfachansässigen Steuerpflichtigen im Mehrwertsteuerrecht Mehrwertsteuerliche Behandlung von unternehmensinternen Dienstleistungen nach der MwStSystRL im Vergleich zu den OECD International VAT/GST Guidelines
von
Dr. Hanna Datzer Münster
2017
Erstgutachter: Prof. Dr. Joachim Englisch Zweitgutachter: Prof. Dr. Hans-Michael Wolffgang Dekan: Prof. Dr. Janbernd Oebbecke Tag der mündlichen Prüfung: 12. Juli 2016 D6 Zugleich: Münster (Westf.), Univ., Diss. der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, 2016
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-62231-2 ©2017 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Lichtenford, Mettmann Druck und Verarbeitung: Stückle, Ettenheim Printed in Germany
Meiner Familie Tante und Onkel
.
Vorwort Dieses Buch wurde als Promotion an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster angenommen. Literatur konnte bis März 2016 berücksichtigt werden; Kommentierungen sind auf dem Stand von August 2016. Bei der Umsetzung meines Promotionsvorhabens haben mich zahlreiche Personen auf vielfältige Weise unterstützt und so diese Arbeit erst möglich gemacht. An dieser Stelle danke ich insbesondere Herrn Prof. Dr. Englisch für die umfassende Betreuung meiner Dissertation sowie seine zahlreichen wertvollen Anregungen und Gespräche. Herrn Prof. Dr. Wolffgang danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dem UmsatzsteuerForum e.V. danke ich für die Aufnahme der Arbeit in diese Schriftenreihe. Des Weiteren danke ich Eva Bade, Thomas Wiesch und Robert Datzer für ihre fachlich wertvolle Korrektur und viele hilfreiche Anmerkungen. Mein besonderer Dank gilt Christian Datzer, der mich stets voller Rücksicht durch die Promotionszeit begleitet hat. Schließlich möchte ich meiner Familie, meinen Freunden und meinen Kollegen am Institut für Steuerrecht für das Gelingen der Promotion danken. Ihre Unterstützung in Form zahlreicher Gespräche mit und ohne Bezug zum Mehrwertsteuerrecht hat mir stets geholfen, erneut mit der gebotenen kritischen Distanz auf meine Gedanken und Ausführungen zu blicken. Münster, im September 2016 Hanna Datzer
VII
Inhaltsübersicht Vorwort ....................................................................................................... VII Inhaltsverzeichnis ......................................................................................... XI Literaturverzeichnis ................................................................................... XIX Abkürzungsverzeichnis ................................................................................ LI 1. Teil:
Einleitung ...................................................................................... 1
2. Teil: Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems ............................................................... 5 I.
Verbrauchsortprinzip............................................................................ 5
II.
Neutralitätsprinzip .............................................................................. 18
III.
Praktikabilitäts- und Verhältnismäßigkeitsaspekte ............................ 32
IV.
Anwendung der erarbeiteten Maßstäbe als Prüfungsmaßstab ........... 37
3. Teil: Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL .............................................................................. 39 I.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige ................................................... 39
II.
Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen .............................................................. 143
4. Teil: Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode ............................................................. 193 I.
Die International VAT/GST Guidelines der OECD ........................ 193
II.
Die Recharge Methode ..................................................................... 197
5. Teil:
Zusammenfassung und Fazit ................................................... 331
I.
Abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse .......................... 331
II.
Mögliche Einarbeitung der Recharge Methode in der MwStSyst-RL ................................................................................... 334
IX
Inhaltsübersicht
III.
Realisierbarkeit der Einführung der Recharge Methode ................. 335
Stichwortregister ......................................................................................... 339
X
Inhaltsverzeichnis Vorwort ....................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ............................................................................................. IX Literaturverzeichnis ................................................................................... XIX Abkürzungsverzeichnis ................................................................................ LI 1. Teil:
Einleitung ...................................................................................... 1
2. Teil: Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems ............................................................... 5 I. 1. 2.
3. II. 1. 2.
Verbrauchsortprinzip ........................................................................ 5 Das Verbrauchsortprinzip in Abgrenzung zum Verbrauchsteuerprinzip .................................................................... 5 Was ist Verbrauch?............................................................................ 7 a) Tatsächlicher Verbrauch ............................................................... 7 b) Endverbrauch im Sinne des Verbrauchsteuerprinzips .................. 8 c) Verbrauch im Sinne des Verbrauchsortprinzips ......................... 11 Bestimmungslandprinzip / Empfängerortprinzip als Ausprägung des Verbrauchsortprinzips ........................................ 16
4.
Neutralitätsprinzip ........................................................................... 18 Verbindlicher Charakter des Neutralitätsprinzips ....................... 18 Das Neutralitätsprinzip aus Sicht der juristischen Mehrwertsteuerrechtslehre ............................................................. 21 a) Wettbewerbsneutralität ............................................................... 22 b) Belastungsneutralität ................................................................... 25 Exkurs: Das Neutralitätsprinzip aus finanz- und betriebswirtschaftswissenschaftlicher Sicht .................................. 28 Primärrechtliche Herleitung ........................................................... 29
III.
Praktikabilitäts- und Verhältnismäßigkeitsaspekte ..................... 32
IV.
Anwendung der erarbeiteten Maßstäbe als Prüfungsmaßstab ... 37
3.
3. Teil: Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL .............................................................................. 39 I. 1.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige ................................................................................. 39 Steuerpflichtiger ............................................................................... 39 a) Der Steuerpflichtige nach Art. 9 MwStSyst-RL ......................... 42 XI
Inhaltsverzeichnis
2.
3.
XII
(1) Wirtschaftliche Tätigkeit ...................................................... 42 (2) Selbstständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit ............................................................................... 44 (a) Konkretisierung durch Rückgriff auf Art. 10 MwStSyst-RL ................................................................ 45 (b) Kein Rückgriff auf Art. 11 MwStSyst-RL .................... 48 (c) Die Selbstständigkeit von nicht natürlichen Personen ........................................................................ 49 (3) Die „Person“ des Steuerpflichtigen ...................................... 52 b) Der Steuerpflichtige nach Art. 43 MwStSyst-RL ....................... 56 (1) Der nicht-wirtschaftlich tätige Steuerpflichtige ................... 56 (a) Die Regelung des Art. 43 MwStSyst-RL ...................... 56 (b) Die Regelung des Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL mit Blick auf Praktikabilitätsaspekte und das Verbrauchsortprinzip .................................................... 59 (c) Abgrenzung des Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL zum Dienstleistungsempfang für private Zwecke......... 62 i. Auslegung .............................................................. 62 ii. Neutralitätsaspekte ................................................. 63 iii. Gemischte Verwendung ......................................... 65 (d) Die Anwendbarkeit des Art. 43 Nr. 1 MwStSystRL auf rein nicht-wirtschaftlich Tätige ......................... 66 (2) Nicht-steuerpflichtige juristische Personen mit Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer .............................. 67 (a) Anwendungsbereich und praktische Relevanz ............. 67 (b) Praktikabilität und Verbrauchsortprinzip ...................... 68 (c) Innehaben und Verwenden der MehrwertsteuerIdentifikationsnummer .................................................. 69 (3) Abschließende Betrachtung .................................................. 73 Steuerobjekt ...................................................................................... 73 a) Steuerbarer Umsatz ..................................................................... 73 b) Leistungsbündel .......................................................................... 74 (1) Getrennte oder einheitliche Leistungen ................................ 75 (2) Qualifikation von einheitlichen Leistungen ......................... 77 Leistungsort bei Dienstleistungen ................................................... 79 a) Allgemeiner Überblick ................................................................ 79 b) Anknüpfungskriterien zur Annäherung an den Ort des tatsächlichen Verbrauchs ............................................................ 81 (1) Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit beziehungsweise feste Niederlassung .............................................................. 81 (2) Ansässigkeit und Wohnsitz .................................................. 83
Inhaltsverzeichnis
(3) Zusammenfassung ................................................................ 84 c) Die Grundregel des Art. 44 MwStSyst-RL ................................. 85 (1) Begriff des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit ................. 85 (2) Begriff der festen Niederlassung .......................................... 90 (a) Erste Überlegungen ....................................................... 90 (b) Unionsrechtskonforme Auslegung im Mehrwertsteuerrecht ..................................................... 92 (c) Das Verhältnis der MwStSyst-RL und ihrer Auslegung durch den EuGH zur MwSt-DVO .............. 93 (d) Der Begriff der „festen Niederlassung“ in Art. 44 MwStSyst-RL sowie Art. 11 MwStDVO .............................................................................. 95 i. Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln mit hinreichendem Grad an Beständigkeit ................... 97 ii. Ständiges Zusammenwirken von Personal- und Sachmitteln zur autonomen Erbringung / zum Empfang und zur Verwendung der betreffenden Dienstleistungen erforderlich ............................... 105 (i) Die passive feste Niederlassung .................... 105 (ii) Möglichkeit zur Leistungserbringung / zum Leistungsempfang ......................................... 111 (iii) Autonome Leistungserbringung / autonomer Leistungsempfang ......................................... 114 iii. Abhängigkeit und fehlende selbstständige Wirtschaftstätigkeit .............................................. 116 (i) Rechtspersönlichkeit kein Merkmal der festen Niederlassung ..................................... 116 (ii) Keine selbstständige Wirtschaftstätigkeit ..... 121 (iii) Ergebnis: Zweck des Selbstständigkeitsmerkmals .......................... 122 iv. Zuordnung zur festen Niederlassung zweckdienlich und steuerlich sinnvoll ................. 124 (e) Abschließende kritische Würdigung des unionsrechtlichen Verständnisses ............................... 128 (3) Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt ............................. 130 d) Zuordnung zu dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder der festen Niederlassung ................................................... 131 (1) Mögliche Zuordnungskriterien ........................................... 131 (2) Nutzung durch mehrere feste Niederlassungen .................. 136 e) Zusammenfassung ..................................................................... 142 XIII
Inhaltsverzeichnis
II. 1. 2.
3.
4.
5.
XIV
Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen ............................................................ 143 Einführender Überblick über die Problematik unternehmensinterner Dienstleistungen ...................................... 143 Die Rechtssache FCE Bank (C-210/04) ........................................ 147 a) Der Sachverhalt ......................................................................... 147 b) Interne Dienstleistungen und extern bezogene Dienstleistungen ........................................................................ 148 (1) Korrekte Anwendung der Ortsbestimmungsregeln vorrangig ............................................................................ 149 (2) Bezug von FCE Bank zu interner Wertschöpfung sowie extern bezogenen und weitergeleisteten Dienstleistungen ................................................................. 152 Das Fehlen eines Rechtsverhältnisses als maßgebliche Begründung in FCE Bank ............................................................. 155 a) Unabhängigkeit von zivilrechtlicher Wirksamkeit ................... 156 b) Rechtssubjekt und Rechtsverhältnis im Sinne der FCE Bank-Rechtsprechung ............................................................... 158 (1) Fehlende Rechtspersönlichkeit als maßgebliches Kriterium? .......................................................................... 158 (2) Das Erfordernis eines Rechtsverhältnisses ......................... 162 (3) Wirtschaftliche Betrachtung anhand des Austauschverhältnisses vorzugswürdig ............................. 164 Systematische Einordnung von FCE Bank .................................. 167 a) Kein Widerspruch zu Art. 44 Satz 2 und 45 Satz 2 MwStSyst-RL ............................................................................ 167 b) Der Vergleich zu Lieferungen ................................................... 167 c) Art. 18 und 27 MwStSyst-RL ................................................... 170 d) Verhältnis zur Besteuerung unentgeltlicher Dienstleistungen für unternehmensfremde Zwecke, Art. 26 MwStSyst-RL ............................................................... 170 e) Mindestbemessungsgrundlage, Art. 80 MwStSyst-RL ............. 172 f) Vergleichbare Wirkung von FCE Bank und nationalen Mehrwertsteuergruppen ............................................................ 173 Neutralität, Verbrauchsortprinzip und Praktikabilität ............. 175 a) Verbrauchsortprinzip................................................................. 176 b) Neutralitätsgrundsatz................................................................. 177 (1) Bezug zur Besteuerung am Verbrauchsort ......................... 177 (2) Bezug zum Vorsteuerabzugsrecht Steuerpflichtiger .......... 177 (3) Der Vergleich zur Behandlung unternehmensinterner Lieferungen (Art. 17 Abs. 1 MwStSyst-RL) ..................... 178
Inhaltsverzeichnis
6.
7.
(4) Der Vergleich zu Konzernstrukturen.................................. 181 c) Praktikabilität ............................................................................ 182 d) Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ............................. 183 Exkurs: Die feste Niederlassung als Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe .................................................................. 183 a) Alleinige Mitgliedschaft der festen Niederlassung ................... 184 b) Steuerbarkeit interner Dienstleistungen .................................... 187 Schlussfolgerungen ......................................................................... 192
4. Teil: Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode ............................................................. 193 I.
Die International VAT/GST Guidelines der OECD ................... 193
II. 1. 2. 3.
Die Recharge Methode ................................................................... 197 Allgemeine Beschreibung .............................................................. 197 Zwischenfazit .................................................................................. 206 Beurteilung anhand der Maßstäbe ............................................... 206 a) Verbrauchsortprinzip................................................................. 207 b) Neutralitätsprinzip ..................................................................... 208 (1) Probleme mit Blick auf das Vorsteuerabzugsrecht ............ 208 (2) Beschränkung auf extern bezogene Dienstleistungen ........ 209 (3) Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalte ...... 211 (4) Zusammenfassung .............................................................. 213 c) Praktikabilität ............................................................................ 213 (1) Der externe Dienstleistungserbringer ................................. 214 (2) Abgrenzungsprobleme zwischen extern bezogenen Dienstleistungen und interner Wertschöpfung ................... 215 (3) Die Kostenaufteilung und der Rückgriff auf eine bereits existierende Dokumentation ................................... 218 (4) Die interne Verrechnungsabrede ........................................ 220 d) Zusammenfassung und abschließende Abwägung ................... 221 Mögliche Ausgestaltung und Eingliederung in das bestehende System .......................................................................... 226 a) Die feste Niederlassung............................................................. 227 (1) Die Vereinbarkeit des Art. 5 OECD-MA mit der MwStSyst-RL und den International VAT/GST Guidelines .......................................................................... 227 (2) Die feste Niederlassung für Zwecke der Ortsbestimmung im Mehrwertsteuerrecht auf Ebene der OECD ........................................................................... 229
4.
XV
Inhaltsverzeichnis
b) Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen und Kostenaufteilung ....................................................................... 232 c) Die Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalten ............................................................................ 234 d) Bereits in der MwStSyst-RL angelegte Normen als Alternative zur Recharge Methode ........................................... 236 (1) Unentgeltliche Dienstleistung für unternehmensfremde Zwecke, Art. 26 MwStSyst-RL ....... 236 (2) Art. 80 MwStSyst-RL ......................................................... 237 (3) Art. 27 MwStSyst-RL ......................................................... 238 (a) Keine Differenzierung zwischen extern bezogenen Dienstleistungen und interner Wertschöpfung ............................................................ 240 i. Praktikabilitätsaspekte ......................................... 240 ii. Unterschiedliche Behandlung interner Wertschöpfung und externen Dienstleistungsbezugs ................................................................... 241 iii. Doppelte Belastung mit Mehrwertsteuer bei beschränkt vorsteuerabzugsberechtigten Steuerpflichtigen .................................................. 242 (b) Keine Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalte ................................................................ 244 (c) Kostenaufteilung oder Normalwert ............................. 245 i. Die Bemessungsgrundlage bei der Recharge Methode................................................................ 245 ii. Die Bemessungsgrundlage gemäß Art. 27, 77 MwStSyst-RL ....................................................... 247 (i) Der Normalwert gemäß Art. 72 Abs. 1 MwStSyst-RL ................................................ 247 (ii) Betrag der Ausgaben gemäß Art. 72 Abs. 2 UAbs. 2 MwStSyst-RL ................................. 248 iii. Die praktische Anwendbarkeit des Art. 72 MwStSyst-RL ....................................................... 249 (i) Erste Bewertung ............................................ 249 (ii) Die Bewertung im Bereich der Ertragsteuern ................................................. 251 (iii) Zwischenergebnis .......................................... 258 iv. Zusammenfassung ................................................ 258 (d) Abschließende Abwägung .......................................... 259 e) Rückgriff auf bereits vorhandene Informationen ...................... 261 XVI
Inhaltsverzeichnis
(1) Freiwillige Dokumentationen aus betriebswirtschaftlichen Gründen ...................................... 264 (a) Informationsgehalt ...................................................... 264 (b) Eignung für eine Kostenträgeranalyse im Rahmen der Recharge Methode .................................. 266 (c) Eignung zur Ermittlung eines Kostenschlüssels im Rahmen der Recharge Methode ............................. 267 (2) Die Regeln in Art. 72 ff. MwStSyst-RL ............................. 268 (3) Verrechnungspreise in der Ertragsbesteuerung .................. 269 (a) Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten ....................... 270 i. Maßgeblichkeit des Art. 7 OECD-MA mit Blick auf den Begriff der festen Niederlassung ............. 271 ii. Der sogenannte Relevant Business Activity Approach (Art. 7 OECD-MA a.F.) ...................... 273 (i) Allgemeine Beschreibung ............................. 273 (ii) Die direkte Methode und die Kostenträgeranalyse ...................................... 278 (iii) Die indirekte Methode und Kostenaufteilungsschlüssel ........................... 283 iii. Der sogenannte Functionally Seperate Entity Approach (Art. 7 OECD-MA 2010) .................... 285 (i) Allgemeine Beschreibung ............................. 285 (ii) Verbrauchsorientierte Zuordnung ................. 288 (iii) Weitere Erleichterung aufgrund erhöhter Dokumentationserfordernisse ....................... 290 (b) Die Methoden zur Ermittlung von Verrechnungspreisen nach den OECD Verrechnungspreisrichtlinien ...................................... 293 i. Einordnung in den Kontext .................................. 293 ii. Preisvergleichsmethode ....................................... 297 iii. Wiederverkaufsmethode ...................................... 298 iv. Kostenaufschlagsmethode .................................... 299 v. Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode 307 vi. Geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode ................................. 311 vii. Zwischenfazit ....................................................... 315 (c) Kostenumlagevereinbarungen und Konzernumlagen ......................................................... 317 (4) Verrechnungspreise im Zollrecht ....................................... 322
XVII
Inhaltsverzeichnis
5.
(5) Vereinbarkeit der Verrechnungspreisregelungen in der MwStSyst-RL, im Zollrecht und in den Ertragsteuern mit der Recharge Methode .......................... 323 f) Zusammenfassung ..................................................................... 326 Abschließende Beurteilung der Recharge Methode ................... 326
5. Teil:
Zusammenfassung und Fazit ................................................... 331
I.
Abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse ..................... 331
II.
Mögliche Einarbeitung der Recharge Methode in der MwStSyst-RL.................................................................................. 334
III.
Realisierbarkeit der Einführung der Recharge Methode .......... 335
Stichwortregister ......................................................................................... 339
XVIII
Literaturverzeichnis Achatz, Markus: Der Vorrang des Gemeinschaftsrechtes um Umsatzsteuerrecht – Materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Grundlagen, in: Achatz, Markus / Tumpel, Michael (Hrsg.), EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, Linde Verlag, Wien 2001, S. 21-46. [zitiert: Achatz, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 21 (…)] Ders.: Formale Voraussetzungen, materielle Berechtigung und Gutglaubensschutz, in: Seer, Roman (Hrsg.), Umsatzsteuer im Europäischen Binnenmarkt, 33. Jahrestagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V., Bochum, 15. und 16. September 2008, Band 32, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln 2009, S. 461-496. [zitiert: Achatz, in: DStJG Band 32, 2009, S. 461 (…)] Ainsworth, Richard Thompson: IT-APAs: Harmonizing Inconsistent Transfer Pricing Rules in Income Tax – Customs – VAT; Boston University School of Law, Working Paper Series, Law and Economics, Working Paper No. 07-23. [zitiert: Ainsworth, Working Paper No. 07-23, S. …] Ders.: Transfer Pricing in VAT/GST v. Direct Taxation: Relations between Associated Companies, in: Lang, Michael / Melz, Peter / Kristoffersson, Eleonor (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, Similarities and Differences, IBFD, Amsterdam 2009, S. 821-875. [zitiert: Ainsworth, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 821 (…)] Amand, Christian: VAT Grouping, FCE Bank and Force of Attraction – The Internal Market is Leaking; International VAT Monitor 2007, S. 237-249. [zitiert: Amand, IVM 2007, 237 (…)] Ders.: Cross-Border Entities and EU VAT: A Contradictory Concept?; International VAT Monitor 2010, S. 20-24. [zitiert: Amand, IVM 2010, 20 (…)] Andre, Christian / Mlcoch, Johann: Die umsatzsteuerliche “ServerBetriebsstätte”; Österreichische Steuerzeitung 2009, S. 344-347. [zitiert: Andre/Mlcoch, ÖStZ 2009, 344 (…)] Anweiler, Jochen Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, Schriften zum internationalen und zum öffentlichen Recht, Band 17, Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main u.a. 1997. [zitiert: Anweiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, 1997, S. …]
XIX
Literaturverzeichnis
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Literaturverzeichnis
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XLIX
Abkürzungsverzeichnis a.F. ABl. Abs. Abschn. AG AO AOA Art. ASA Aufl.
alte Fassung Amtsblatt Absatz / Absätze Abschnitt Aktiengesellschaft Abgabenordnung Authorized OECD Approach Artikel Archiv für Schweizerisches Abgaberecht (Zeitschrift) Auflage
B2B B2C BB BFH BStBl. Bull. Int. Tax. bzgl. bzw.
business to business business to customer Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesfinanzhof Bundessteuerblatt Bulletin for International Taxation (Zeitschrift) Bezüglich beziehungsweise
CBI CMLR
Confederation of British Industry’s Common Market Law Review (Zeitschrift)
DB DBA ders. / dies. Dr. DStJG DStR DStZ DVR
Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen derselbe / dieselbe Doktor Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift) Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau (Zeitschrift)
e.V. EC EFD EG Einf. ET etc.
eingetragener Verein European Community Eidgenössisches Finanzdepartement Europäische Gemeinschaft Einführung European Taxation (Zeitschrift) et cetera LI
Abkürzungsverzeichnis
EU EuGH EWG EWS
Europäische Union / European Union Europäischer Gerichtshof Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)
f. FA Febelfin ff. FJ Fn. FS
folgende(r) Finanzarchiv (Zeitschrift) Belgian Financial Sector Federation folgende Finanz Journal (Zeitschrift) Fußnote(n) Festschrift
GA GG GmbH GST
Generalanwalt / Generalanwältin Grundgesetz Gesellschaft mit bedingter Haftung Goods and Services Tax
h.M. HGB Hrsg.
herrschende Meinung Handelsgesetzbuch Herausgeber
IBFD ICAEW
International Bureau of Fiscal Documentation Institute of Chartered Accountants in England and Wales International Fiscal Association Incorporated Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) International Transfer Pricing Journal (Zeitschrift) International VAT Monitor (Zeitschrift) NWB Internationales Steuer- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)
IFA Inc. IStR ITPJ IVM IWB JTPF
Joint Transfer Pricing Forum
lit.
litera
m.w.N. MA
mit weiteren Nennungen Musterabkommen
LII
Abkürzungsverzeichnis
MA-Kommentar
MwSt-RL MwStSyst-RL
Kommentar zum Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Multi Location Entity Münchener Kommentar Mehrwertsteuerdurchführungsverordnung Mehrwertsteuerrecht oder MehrwertSteuerrecht (Zeitschrift) Mehrwertsteuerrichtlinie Mehrwertsteuersystemrichtlinie
Nr. NV NWB
Nummer / Number nicht veröffentlicht Neue Wirtschafts-Briefe (Zeitschrift)
OECD
ÖStZ
Organisation for Economic Co-operation and Development Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Österreichische Steuerzeitung (Zeitschrift)
PiStb
Praxis Internationale Steuerberatung (Zeitschrift)
RES RL Rz.
Revue économique et sociale: bulletin de la société d’Etudes Economiques et Sociales (Zeitschrift) Richtlinie Randzeichen
S. SLE Slg. ST StB StbJb. StBW StuW SWI
Seite Single Location Entity Sammlung Der Schweizer Treuhänder (Zeitschrift) Der Steuerberater (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Steuerberater-Woche (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft international (Zeitschrift)
Tz.
Textziffer
MLE MüKo MwSt-DVO MwStR
OECD-MA
LIII
Abkürzungsverzeichnis
u.a. UAbs. Ubg UR UStAE UStB UStG UVR
und anderem Unterabsatz Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) Umsatzsteuer-Rundschau (Zeitschrift) Umsatzsteueranwendungserlass Der Umsatz-Steuer-Berater (Zeitschrift) Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht (Zeitschrift)
v. v. VAT Verf. vgl. VwGH
versus vom Value Added Tax Verfasser vergleiche Verwaltungsgerichtshof
WCO WCR WJVL WTJ WTO
World Customs Organisation World Commerce Review (Zeitschrift) World Journal of VAT/GST Law (Zeitschrift) World Tax Journal (Zeitschrift) World Trade Organization
LIV
1. Teil: Einleitung In Zeiten internationaler Unternehmen und umfangreichen grenzüberschreitenden Leistungsverkehrs kommt der Zuordnung von Besteuerungsrechten auf die Hoheitsträger in den verschiedenen beteiligten Ländern immer größere Bedeutung zu. Hierzu tragen auch immer wieder bekannt werdende Gestaltungen durch ebenjene Unternehmen bei, die versuchen, ihre Tätigkeiten steueroptimiert auszurichten. Diese Thematik ist nicht nur bei den Ertragsteuern relevant. Im System der Mehrwertsteuer handelt es sich ebenfalls um ein höchst relevantes Problem, maßgeblich durch eingeschränkte Vorsteuerabzugsrechte verursacht. Bezogen auf die Zuordnung der Besteuerungsrechte wird bei Leistungen zwischen Steuerpflichtigen und Endverbrauchern vorrangig darüber diskutiert, welchem Land das endgültige Besteuerungsrecht zugewiesen werden sollte. Diese Frage spielt bei zwischenunternehmerischen Leistungen eine untergeordnete Rolle, da Steuerpflichtige nach der Systematik des Mehrwertsteuerrechts grundsätzlich ein Vorsteuerabzugsrecht haben, wodurch eine endgültige Belastung mit Mehrwertsteuer und zugleich eine endgültige Zuweisung des Besteuerungsrechts ausbleiben. Allerdings fehlt es bei Beschränkungen des Vorsteuerabzugsrechts an einer entsprechenden Entlastung Steuerpflichtiger, was den Anreiz für Gestaltungen weckt. Daher wird die Diskussion über eine sachgerechte Zuordnung der Besteuerungsrechte bei zwischenunternehmerischen Leistungen maßgeblich im Hinblick auf die bereits erwähnten Gestaltungen geführt. Es soll den Steuerpflichtigen nicht möglich sein, den Besteuerungsort zu steuern und so Einfluss insbesondere auf den Mehrwertsteuertarif und die Höhe des Vorsteuerabzugsrechts zu nehmen. Es geht folglich darum, (ungewollte) Entlastungen einzudämmen. Insbesondere mehrfachansässige Steuerpflichtige sind insofern in den Fokus der Diskussion um die Vermeidung ungewollter Gestaltungen geraten. Daher liegt der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit auf solchen Steuerpflichtigen. Zudem sind nur zwischenunternehmerische Leistungen von Interesse, soweit es um die Diskussion ungewollter Entlastungen von Steuerpflichtigen geht. Die folgenden Ausführungen werden sich daher vorrangig mit Leistungen zwischen Steuerpflichtigen befassen. Fragen zur Zuordnung des Besteuerungsrechts bei Leistungen an Endverbraucher werden demgegenüber keine umfassende Erörterung erfahren. Im Mehrwertsteuerrecht wird global der Ansatz verfolgt, das Besteuerungsrecht demjenigen Staat zuzuweisen, in dem der Verbrauch mutmaßlich statt1
Einleitung
findet. Dementsprechend sollen durch die in der MwStSyst-RL der Europäischen Union niedergelegten Ortsbestimmungsregeln der Leistungsort und damit das Besteuerungsrecht an diesem Ort zugeordnet werden. Probleme bereiten dabei insbesondere mehrfachansässige Steuerpflichtige, die über feste Niederlassungen in mehreren Ländern verfügen. Einschränkend ist diese Frage vorrangig bei Dienstleistungen und nicht bei Lieferungen relevant. Nur die Ortsbestimmungsregeln über Dienstleistungen stellen nämlich maßgeblich auf die Ansässigkeit des Steuerpflichtigen ab; die Ortsbestimmungsregeln über Lieferungen knüpfen demgegenüber weitgehend an das Bestimmungsland beziehungsweise an das Herkunftsland einer Ware an. Aus diesem Grund wird sich die vorliegende Arbeit auf Dienstleistungen beschränken. Bei mehrfachansässigen Steuerpflichtigen stellt sich in besonderem Maße die Frage, welchem Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zugewiesen werden soll. Betroffen sind insofern von unabhängigen Dritten bezogene Dienstleistungen ebenso wie die interne Leistungserbringung zwischen verschiedenen festen Niederlassungen des mehrfachansässigen Steuerpflichtigen. Während es insbesondere bezüglich des zweiten Punktes für Lieferungen verbindliche Regelungen in der MwStSyst-RL gibt, bleibt die Behandlung von Dienstleistungen weitgehend den Mitgliedstaaten überlassen beziehungsweise ist gar nicht geregelt. Die folgende Untersuchung wird sich daher auf die besonderen Probleme der Zuordnung von Besteuerungsrechten bei dem Dienstleistungsbezug durch mehrfachansässige Steuerpflichtige und auf die Behandlung unternehmensinterner Dienstleistungen konzentrieren. Diesbezüglich soll eine umfassende Analyse und Bewertung der Herangehensweise innerhalb der Europäischen Union vorgenommen werden. Dazu werden zunächst entsprechende Bewertungsmaßstäbe entwickelt, die dann auf das bestehende System angewendet werden. Daneben gibt es auf supranationaler Ebene in Form der kürzlich veröffentlichten International VAT/GST Guidelines alternative Vorschläge der OECD, welche sich schwerpunktmäßig mit der Zuordnung von Besteuerungsrechten im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr beschäftigen. Es wird daher zu untersuchen sein, inwiefern sich diese Alternativvorschläge besser für eine angemessene Zuordnung der Besteuerungsrechte bei zwischenunternehmerischen Dienstleistungen unter Beteiligung mehrfachansässiger Steuerpflichtiger eignen. Besonderes Augenmerk legen die International VAT/GST Guidelines auf mehrfachansässige Steuerpflichtige. Insofern wurde eine neue Herangehensweise zur Bestimmung des Leistungsortes insbesondere bei Dienstleistungsbezug durch mehrfachansässige Steuerpflichtige entwickelt. Diese Methode wird in den International 2
Einleitung
VAT/GST Guidelines als „Recharge Methode“ bezeichnet. Die folgende Untersuchung soll daher auch diesbezügliche Vorschläge der OECD anhand der zuvor erarbeiteten Maßstäbe bewerten. Abschließend sollen das in der Europäischen Union bestehende System und die Recharge Methode miteinander verglichen werden. Zudem soll untersucht werden, inwiefern sich die Recharge Methode auf Unionsebene umsetzen ließe. Mit Blick auf die genannten Untersuchungsziele werden zwei wesentliche Einschränkungen gemacht. Zum einen wird sich die folgende Bearbeitung auf die MwStSyst-RL und ihre Auslegung auf europäischer Ebene beschränken. Auf Erläuterungen insbesondere zum deutschen Umsatzsteuerrecht wird dabei weitgehend verzichtet. Dadurch wird der Tatsache Rechnung getragen, dass das deutsche Umsatzsteuerrecht im Wesentlichen eine Umsetzung der MwStSyst-RL darstellt. Das deutsche Umsatzsteuerrecht muss daher ebenfalls in unionsrechtskonformer Weise ausgelegt und umgesetzt werden. Insgesamt kommt der MwStSyst-RL somit übergeordnete Bedeutung zu. Die Recharge Methode ist ebenfalls ein internationales Konzept, das aufgrund der vorstehenden Erläuterungen in der MwStSyst-RL umgesetzt werden müsste. Daher beschränkt sich die anschließende Untersuchung auf Letztere. Des Weiteren wird sich die Auslegung und Bewertung der MwStSyst-RL aus den bereits genannten Gründen sowie aufgrund des Regelungsgehalts der Recharge Methode auf solche Regelungen beschränken, die den Dienstleistungsbezug durch mehrfachansässige Steuerpflichtige betreffen. Nur solche Dienstleistungen sowie entsprechende Ortsbestimmungsregeln sind für den hier interessierenden Vergleich zwischen dem bestehenden System der MwStSyst-RL mit der Recharge Methode relevant. Daher werden insbesondere Regelungen zum Dienstleistungsverkehr zwischen Steuerpflichtigen und Nicht-Steuerpflichtigen weitgehend unberücksichtigt bleiben. Insofern wird sich die Untersuchung auf Ortsbestimmungsregeln konzentrieren, die den Bezug von Dienstleistungen durch Steuerpflichtige betreffen.
3
2. Teil: Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems I.
Verbrauchsortprinzip
1.
Das Verbrauchsortprinzip in Abgrenzung zum Verbrauchsteuerprinzip
Die Mehrwertsteuer ist in der Europäischen Union nach ganz überwiegender Ansicht als (indirekte) allgemeine Verbrauchsteuer ausgestaltet. 1 Dies bedeutet zunächst, dass die Mehrwertsteuer unabhängig von der konkret verbrauchten Ware oder Dienstleistung – also allgemein – erhoben wird. Sie unterscheidet sich insofern von speziellen Verbrauchsteuern wie beispielsweise die Tabaksteuer. Die Mehrwertsteuer ist indirekt, weil sie aus praktischen Gründen beim Unternehmer als Steuerpflichtigen und nicht beim Verbraucher erhoben wird, obwohl Letzterer die Steuer tragen soll. 2 Des Weiteren und insbesondere besagt dies, dass der Endverbrauch belastet werden soll, wobei dieser Endverbrauch durch die Einkommens- und Vermögensverwendung zum Ausdruck kommt. 3 Belastungsgrund ist demnach nicht der eigentliche Verbrauch zum Beispiel durch Verzehr einer Speise. Vielmehr gibt die Einkommensverwendung für Verbrauchszwecke durch den Endverbraucher den Anlass für eine Belastung mit Mehrwertsteuer und rechtfertigt diese. Durch die Einkommensverwendung wird nämlich die Leistungsfähigkeit des Einzelnen zum Ausdruck gebracht, die – wie bei der Einkommensteuer – der Rechtfertigung der Steuererhebung dient. 4 Indem 1
2 3
4
Vgl. anstatt vieler Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Einf. UStG, Rz. 43; Tipke, StuW 1992, 103 (106 f.) m.w.N. Zusammenfassung und kritische Würdigung der gegenteiligen Ansicht zur Mehrwertsteuer als Verkehrsteuer durch Englisch, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 1 (14 ff.) und Kanzlsperger, Der Aufwendungseigenverbrauch im System der Umsatzsteuer, 2000, S. 31 ff. Bereits vor der Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene war dies anerkannt, vgl. so schon Popitz, UStG, 3. Aufl. 1928, Einl. S. 11. Vgl. anschaulich Kirchhof, DStR 2008, 1 (3). Vgl. EuGH, Urteil v. 01.04.1982 – 89/81 (Hong-Kong Trade Development), Rz. 9; v. 14.10.1996 – C-317/94 (Gibbs), Rz. 19; v. 27.09.2007 – C-409/04 (Teleos), Rz. 22; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 11; Nieskens, in: FS für Wolfram Reiss, 2008, S. 45 (47); Vogel, Grenzüberschreitender Dienstleistungsund Warenverkehr im Lichte der Mehrwertsteuer, 2003, S. 6 f. Kritisch Beermann, in: DStJG Band 11, 1988, S. 283 (284 f.). Vgl. sehr ausführlich Kirchhof, UR 2002, 541 (542 ff.); ebenso Englisch, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 1 (9 ff., 22 ff.); Kirchhof, DStR 2008, 1 (2 f.); siehe auch grundlegend Schaumburg, in: FS für Wolfram Reiss, 2008, S. 25 (25).
5
Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
nur der Endverbraucher mit der Mehrwertsteuer belastet werden soll, folgt im Umkehrschluss, dass Steuerpflichtige zumindest im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit keine Mehrwertsteuer tragen sollen. Damit ist der Neutralitätsgrundsatz insbesondere in seiner Ausprägung als Belastungsneutralität ein Ausfluss des Verbrauchsteuerprinzips. 5 Von dem Verbrauchsteuerprinzip ist das Verbrauchsortprinzip abzugrenzen. Während Ersteres insbesondere Ausdruck des rechtfertigenden Belastungsgrundes und somit des Steuergutes ist, betrifft das Verbrauchsortprinzip die Aufteilung von Besteuerungsrechten. Es besagt im Grunde, dass der tatsächliche Verbrauch zur Bestimmung des Besteuerungsortes herangezogen werden soll. Dort, wo der Endverbrauch stattfindet, soll besteuert werden. 6 Jedoch gibt es durchaus auch Überschneidungen zwischen den beiden Prinzipien. Das Verbrauchsortprinzip trifft Aussagen über den Verbrauch, der letztlich der Verwirklichung des Belastungsgrundes – nämlich die Belastung des die Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringenden Endverbrauchs – dient. 7 Demnach wird international von Staaten, die eine Form der Mehrwertsteuer erheben, weitgehend das Verbrauchsortprinzip zur Bestimmung des Leistungsortes herangezogen. 8 Nach weitgehend einhelliger Ansicht verwirklicht nämlich das Verbrauchsortprinzip entsprechend dem Verbrauchsteuerprinzip folgerichtig die territoriale Zuordnung der steuerpflichtigen Umsätze. 9 Solch eine territoriale Zuordnung ist erforderlich, um die Besteuerungshoheiten der Staaten aufzuteilen und insbesondere Doppel(nicht-)besteuerung zu vermeiden. Als Mittel dafür dienen die Ortsbestimmungsregeln, die dem Staat, in dem der Leistungsort liegt, das Besteuerungsrecht für den jeweiligen Umsatz zuweisen. Durch die Anknüpfung an den Ort des Verbrauchs wird zudem Neutralität gewährleistet. Denn der Verbraucher wird unabhängig von dem Sitz des leistenden Steuerpflich5
6 7 8
9
6
Vgl. EuGH, Urteil v. 15.10.2002 – C-427/98 (Kommission/Deutschland u.a.), Rz. 29; Englisch, in: Weber (Hrsg.), Traditional and Alternative Routes to European Tax Integration, 2010, S. 231 (240); Reiß, in: DStJG Band 32, 2008, S. 9 (14); Schaumburg, in: FS für Wolfram Reiss, 2008, S. 25 (33). Zum Neutralitätsgrundsatz siehe ausführlich unten 2. Teil: II. Vgl. GA Mancini, Schlussanträge v. 06.06.1985, C-168/84 (Berkholz), Slg. 1985, I2252 (2255); Tumpel, in: DStJG Band 32, 2009, S. 53 (64). Vgl. Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (169); Reiß, in: DStJG Band 32, 2009, S. 9 (10). Vgl. für das europäische Mehrwertsteuersystem Europäische Kommission, Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG v. 23.12.2003, KOM(2003) 822, S. 2 Tz. 2 und S. 3 Tz. 3. Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 1 Tz. 1.8 und 1.12; Ecker, A VAT/GST Model Convention, 2013, S. 131; Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (169); Heinrich, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Verbrauchsort der Umsatzsteuer, 2009, S. 21 (29); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3a nF Rz. 36 f.
Verbrauchsortprinzip
tigen mit der Verbrauchsteuer am Ort seines Verbrauchs belastet. Dadurch werden zum einen Wettbewerbsverzerrungen auf Seiten der Steuerpflichtigen vermieden. Dies führt zum anderen konsequenterweise zu einer gleichmäßigen Belastung aller Verbraucher entsprechend ihrem Verbrauchsort. 10 Bei der Verwirklichung des Verbrauchsortprinzips stellen sich einige Fragen. So muss geklärt werden, was als Verbrauch in diesem Sinne zu verstehen ist. Dazu hat eine Abgrenzung zum Verbrauchsverständnis im Sinne des Verbrauchsteuerprinzips stattzufinden. Bei der Definition von Verbrauch im Sinne des Verbrauchsortprinzips muss zudem berücksichtigt werden, dass es in praktischer Hinsicht für die Finanzbehörden meist kaum möglich ist, exakt zu bestimmen, wo solch ein Verbrauch tatsächlich stattfindet. Die Ortsbestimmungsregelungen, die das Verbrauchsortprinzip verwirklichen sollen, können also nur näherungsweise den Ort des Verbrauchs bestimmen. Insbesondere im Hinblick auf Steuerpflichtige mit mehreren festen Niederlassungen stellt sich des Weiteren das praktische Problem, welche festen Niederlassungen letztendlich verbrauchen. Für all diese Fragen müssen praktikable Lösungen gefunden werden, die zum einen das Verbrauchsortprinzip (weitgehend) berücksichtigen und zum anderen dennoch in der täglichen Praxis anwendbar sind. 2.
Was ist Verbrauch?
a)
Tatsächlicher Verbrauch
Im Duden wird Verbrauch (= Konsum 11) unter anderem mit „abnützen, verschleißen“, „regelmäßig nehmen u. für einen bestimmten Zweck verwenden [bis nichts mehr davon vorhanden ist]“ 12 umschrieben. Es handelt sich hierbei um das umgangssprachliche Verständnis der Allgemeinheit, das im Folgenden als „tatsächlicher Verbrauch“ bezeichnet wird. Bei vielen Waren und einigen Dienstleistungen lässt sich relativ leicht allein mit gesundem Menschenverstand sagen, wann sie tatsächlich verbraucht werden. Wenn man sich eine Banane kauft und sie isst, wird sie mit dem Essvorgang verbraucht. Geht man ins Kino und schaut sich einen Film an, verbraucht man 10
11 12
Vgl. insgesamt ausführlich Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (170 f.); Reiß, in: FS für Klaus Tipke, 1995, S. 433 (442); OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 1 Tz. 1.8 f. Siehe ausführlich zu den Ausprägungen des Neutralitätsgrundsatzes unter 2. Teil: II. 2. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2007, S. 994 Stichwort „Konsum“. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2007, S. 1795 Stichwort „verbrauchen“.
7
Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
über die Dauer des Kinobesuchs die Dienstleistung („Filmvorführung“) des Kinobetreibers. Bei Gütern, die nicht ohne Weiteres „verschwinden“, sondern über einen langen Zeitraum hinweg verschleißen (sogenannte langlebige Konsumgüter), ist es hingegen schwieriger, allein nach dem allgemein üblichen Verständnis von Verbrauch zu sprechen. Nutzt man seinen neu gekauften Fernseher, um damit einen Film anzuschauen, kann man ihn beim nächsten Film genauso gut nutzen; er wird dadurch nicht wesentlich schlechter oder weniger. Letztlich muss hier die gegebenenfalls mehrere Jahre andauernde Nutzungsdauer als tatsächlicher Verbrauch angesehen werden. Der tatsächliche Verbrauch bedeutet daher nicht nur die Vernichtung / das Aufbrauchen eines Gutes oder Rechts (zum Beispiel der Banane oder der Kinokarte), ohne dass etwas zurückbleibt. Auch die langfristige Nutzung kann folglich Verbrauch in diesem Sinne sein. 13 b)
Endverbrauch im Sinne des Verbrauchsteuerprinzips
Wie bereits erwähnt, will die Mehrwertsteuer entsprechend dem Verbrauchsteuerprinzip den durch die Einkommens- und Vermögensverwendung zum Ausdruck kommenden Endverbrauch besteuern. Daneben gibt es auch praktische Erwägungen, warum der sich an der Belastungskonzeption orientierende Begriff des Endverbrauchs nicht mit dem tatsächlichen Verbrauch gleichzusetzen ist. Denn nicht jede Leistung wird auch in diesem Sinne verbraucht, zumal die Bestimmung des tatsächlichen Verbrauchs in praktischer Hinsicht häufig Schwierigkeiten bereithält. 14 Weder die Steuerbehörden noch die Steuerpflichtigen, und in manchen Fällen auch der Endverbraucher, können exakt bestimmen, ob, wo und wann dieser tatsächliche Verbrauch letztlich stattfinden wird. Die Banane kann zum Beispiel sofort verzehrt, aus dem Supermarkt mit nach Hause genommen und dort verzehrt oder in der Tasche vergessen und ohne Verzehr entsorgt werden. Zu dem Zeitpunkt, in dem der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer an die Finanzverwaltung abführen muss 15, kann daher gegebenenfalls der tatsächliche 13
14
15
8
Vgl. S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 76; Birk/Förster, DB, Beilage zu Heft 30/1985, 1 (5); Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, 2003, S. 246; Terra/Kajus, A Guide to the European VAT Directives 2012, Band 1, Kapitel 7.1.2, S. 280 und Kapitel 7.2.2, S. 284. Vgl. Kanzlsperger, Der Aufwendungseigenverbrauch im System der Umsatzsteuer, 2000, S. 46; Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, 2003, S. 247; Penke, Der Ort der sonstigen Leistungen im Umsatzsteuerrecht, 2008, S. 113; Vogel, Grenzüberschreitender Dienstleistungs- und Warenverkehr im Lichte der Mehrwertsteuer, 2003, S. 7. Dies ist grundsätzlich abhängig von der Abgabefrist für Mehrwertsteuererklärungen, die durch nationale Regelungen bestimmt wird, maximal jedoch 14 Monate nach Ent-
Verbrauchsortprinzip
Verbrauch noch gar nicht feststehen, geschweige denn genau bestimmt werden. Käme es daher auf den tatsächlichen Verbrauch an, läge kein die steuerliche Belastung herbeiführender Anlass entsprechend dem Verbrauchsteuerprinzip vor. Endverbrauch als mehrwertsteuerrechtlicher Begriff muss vielmehr eine Stufe vor dem tatsächlichen Verbrauch ansetzen. 16 Endverbrauch ist folglich die Vermutung des tatsächlichen Verbrauchs, der durch Indizien gestützt wird. 17 Grundsätzlich kann der tatsächliche Verbrauch vermutet werden, sobald der Verbraucher die Ware beziehungsweise Dienstleistung zur Verwendung für private Zwecke erhält. Letztlich muss es daher darauf ankommen, dass der Leistungsempfänger die Möglichkeit hat, die fragliche Leistung tatsächlich zu verbrauchen. Sobald ihm dies durch Verschaffung der Ware beziehungsweise Dienstleistung ermöglicht wird, liegt Endverbrauch vor. 18 Endverbrauch wird daher auch als „Konsumnutzen“, das heißt das Potential zur Nutzung einer Leistung, beschrieben. 19 Dabei ist die Einkommensverwendung gerade zur Verschaffung der Möglichkeit, zu privaten Zwecken zu konsumieren, der Indikator für die Leistungsfähigkeit. 20 So wird dem Verbrauchsortprinzip Rechnung getragen, wonach die Mehrwertsteuer die in der „konsumtiven Einkommensverwendung“ zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit als Belastungsgrund heranzieht. Es ist daher prinzipiengerecht, Endverbrauch im Sinne des Verbrauchsteuerprinzips mit der Einkommensverwendung zu privaten Konsumzwecken gleichzusetzen, da durch die konsequent folgende Verschaffung einer Leistung der tatsächliche Verbrauch möglich wird beziehungsweise dies vermutet werden kann. 21 So
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stehung des Steueranspruchs, vgl. Art. 63, 206, 250, 252 MwStSyst-RL. Siehe auch Englisch, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 1 (27); Neeser, UVR 2010, 375 (380). Vgl. Birk/Förster, DB, Beilage zu Heft 30/1985, 1 (5 f.); Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl. 2011, Einf. Rz. 32; Söhn, StuW 1975, 1 (3). Reiß, in: FS für Klaus Tipke, 1995, S. 433 (439); Millar, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, 275 (294). Vgl. insgesamt Kanzlsperger, Der Aufwendungseigenverbrauch im System der Umsatzsteuer, 2000, S. 46 f.; Penke, Der Ort der sonstigen Leistungen im Umsatzsteuerrecht, 2008, S. 112 f.; Vogel, Grenzüberschreitender Dienstleistungs- und Warenverkehr im Lichte der Mehrwertsteuer, 2003, S. 7. Vgl. Kanzlsperger, Der Aufwendungseigenverbrauch im System der Umsatzsteuer, 2000, S. 47; Söhn, in: FS für Dieter Pohmer, 1990, S. 217 (228). Vgl. Englisch, in: Lang/Melz/Kristoffersson, (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 1 (26, 31). Vgl. Englisch, in: Lang/Melz/Kristoffersson, (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 1 (26 ff.); Terra/Kajus, A Guide to the European VAT Directives 2012, Band 1, Kapitel 7.2.2, S. 284; Walden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, 1988, S. 48, 60 ff. So wohl auch Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, 2003, S. 252 ff., die jedoch einen Widerspruch zwi-
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Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
kann zudem eine Abgrenzung von Verbrauch erfolgen, der mangels Einkommensverwendung keine Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Endverbrauch im Sinne des Verbrauchsteuerprinzips ist demzufolge die Einkommensverwendung zum Zwecke privater Verbrauchsmöglichkeit. Zu beachten ist schließlich, dass es dem Verbrauchsteuerprinzip zufolge auf den Endverbrauch durch private Verbraucher ankommt. Der Verbrauch muss daher die Befriedigung persönlicher Bedürfnisse bezwecken und nicht der Erbringung wirtschaftlicher Tätigkeiten dienen. 22 Unproblematisch kann man dabei das oben beschriebene Verständnis von Endverbrauch als der Einkommensverwendung zur Ermöglichung privaten Verbrauchs auf den Verbrauch durch natürliche Personen anwenden. Fraglich ist jedoch, ob auch juristische Personen und sonstige Personenvereinigungen in diesem Sinne verbrauchen können. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass bei juristischen Personen und sonstigen Personenvereinigungen logischerweise nicht sie selbst handeln können. Vielmehr handeln natürliche Personen, zum Beispiel ein Geschäftsführer oder ein Angestellter, für sie.23 Diese natürlichen Personen verwenden während ihrer Arbeitszeit Computer, Bleistifte etc. Demzufolge ist es rein praktisch möglich, dass auch eine juristische Person durch ihre Organe und Angestellten tatsächlich verbraucht. 24 Jedoch dient dieser Verbrauch in der Regel nicht der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse, sondern wird durch die wirtschaftliche Tätigkeit veranlasst (sogenanntes eigenbetriebliches Interesse). Sofern das Interesse an der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse im Einzelfall überwiegt, findet im Übrigen Verbrauch durch die fragliche natürliche Person statt. Folglich ist Verbrauch zur
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schen Konsumnutzen und dem Vorgang der Einkommensverwendung erkennt (vgl. insbesondere S. 254 und 257). Dieser Widerspruch entfällt meines Erachtens jedoch, da nach hier vertretener Ansicht die Einkommensverwendung mit der Möglichkeit zum Endverbrauch gleichzusetzen ist. Anders Söhn, in: FS für Dieter Pohmer, 1990, S. 217 (229). Vgl. S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 77; Englisch, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 1 (31); Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, 2003, S. 260. Ebenso OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 1.2 Tz. 1.2. Im Umkehrschluss folgt dies auch aus der Rechtsprechung des EuGH zum Vorsteuerabzug, insbesondere bei erfolglosen Steuerpflichten, wonach allein die Verwendungsabsicht für wirtschaftliche Tätigkeiten ausreichend für den Vorsteuerabzug ist, vgl. beispielhaft EuGH, Urteil v. 15.1.1998 – C-37/95 (Ghent Coal Terminal), Rz. 17 ff. So auch im Zivilrecht, vgl. beispielsweise §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Ebenso S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 77.
Verbrauchsortprinzip
Befriedigung privater Bedürfnisse, wie es dem Verständnis des Verbrauchsteuerprinzips entspricht, bei juristischen Personen regelmäßig nicht möglich. 25 c)
Verbrauch im Sinne des Verbrauchsortprinzips
Bei der europäischen Mehrwertsteuer handelt es sich ihrer Erhebungstechnik nach um eine sogenannte Allphasen-Netto-Umsatzsteuer. 26 Die Mehrwertsteuer wird also auf jeder Produktionsstufe erhoben. Um eine Kumulation der Steuerlast zu vermeiden und damit Neutralität auf Seiten der Steuerpflichtigen zu gewährleisten, haben diese ein Vorsteuerabzugsrecht. Allein der private Endverbraucher, der eine Leistung zur Befriedigung seiner Bedürfnisse bezieht, kann keinen Vorsteuerabzug geltend machen; er wird mit der Mehrwertsteuer belastet. Der Bezug von Leistungen durch Steuerpflichtige für ihre wirtschaftliche Tätigkeit hingegen bleibt aufgrund des Vorsteuerabzugsrechts grundsätzlich unbelastet. Für die Ortsbestimmungsregeln kommt es aber auf den Verbrauchsort an. Da bei Leistungen zwischen Steuerpflichtigen ebenfalls Mehrwertsteuer erhoben wird 27, müssen folglich auch Steuerpflichtige irgendwie und zumindest potentiell im Sinne des Verbrauchsortprinzips „verbrauchen“ können. Obwohl bezüglich der Steuerpflichtigen letztlich weder das Verbrauchsteuerprinzip (mangels Endverbrauch) noch das Verbrauchsortprinzip (da es durch den Vorsteuerabzug grundsätzlich keine endgültige Steuerbelastung gibt) prinzipiengerecht angewendet werden müssten 28, verwirklicht die MwStSyst-RL 29 als Folge der Ausgestaltung als Allphasen-Netto-Umsatzsteuer dennoch das 25
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Vgl. S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 196 f.; Tiedtke, UR 2008, 373 (374). Vgl. anstatt vieler Kirchhof, DStR 2008, 1 (2); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 3, 15 ff. Die sogenannte fraktionierte Steuererhebung soll der Sicherung des Steueraufkommens dienen. Vgl. auch Reiß, in: DStJG Band 32, 2009, S. 9 (18 f.); Tumpel, in: DStJG Band 32, 2009, S. 53 (72); OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.4 f. Vgl. Krahnert/Seibold, IStR 2003, 396 (370); Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, 2003, S. 274; Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 47; Tumpel, in: DStJG Band 32, 2009, S. 53 (64); im Ergebnis so auch Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (212). Demnach könnte auch eine Verbrauchsteuer, die nicht als Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug ausgestaltet ist, sondern zum Beispiel nur auf der letzten Stufe Steuern erhebt (sogenannte Retail-Tax), das Verbrauchsteuerprinzip verwirklichen. Mehrwertsteuersystemrichtlinie, Konsolidierte Fassung 02006L0112-20130101 der Richtlinie 200/112/EG des Rates v. 28. November 2006 über das Gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. EG 2006, Nr. L 347, S. 1 (MwStSyst-RL).
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Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
Verbrauchsortprinzip grundsätzlich auf jeder Erhebungsstufe einheitlich. 30 Einschränkend muss nämlich darauf hingewiesen werden, dass es Beschränkungen des Vorsteuerabzugsrechts gibt, beispielsweise bei steuerbefreiten Tätigkeiten. 31 In diesen Fällen kommt der Verwirklichung des Verbrauchsteuerprinzips und des Verbrauchsortprinzips bereits auf den einzelnen Erhebungsstufen größere Bedeutung zu, um eine prinzipiengerechte Anwendung zu gewährleisten. Es muss daher ein tauglicher Anknüpfungspunkt für die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne des Verbrauchsortprinzips auch für Leistungen zwischen Steuerpflichtigen gefunden werden. Andernfalls widersprächen sich der Belastungsgrund der Mehrwertsteuer und das Verbrauchsortprinzip. Aufbauend auf diese Überlegungen muss daher Verbrauch im Sinne des Verbrauchsortprinzips definiert werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Verbrauch im Sinne des Verbrauchsteuerprinzips und Verbrauch im Sinne des Verbrauchsortprinzips zwei völlig verschiedene Konzepte sind. Vielmehr muss bei der Differenzierung lediglich berücksichtigt werden, dass die Verbrauchsdefinition im Sinne des Verbrauchsteuerprinzips der Rechtfertigung und Charakterisierung der Mehrwertsteuer dient, während Verbrauch im Sinne des Verbrauchsortprinzips für Zwecke der Steuererhebung und Aufteilung von Besteuerungsrechten zu definieren ist. 32 Wie bereits gesagt, soll dem Verbrauchsortprinzip folgend am Ort des Endverbrauchs, also des tatsächlichen Verbrauchs zur Befriedigung privater Bedürfnisse besteuert werden. Daher ist auch für die Definition des Verbrauchs im Sinne der Ortsbestimmungsregeln auf Verbrauch im Sinne von Endverbrauch zurückzugreifen. Ein Rückgriff auf das Verbrauchsverständnis im Sinne von Endverbrauchs berücksichtigt nämlich den den Ortsbestimmungsregeln zugrundeliegenden Zweck, näherungsweise am Ort des Endverbrauchs zu besteuern. 33 30
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Vgl. insofern insbesondere Art. 44 MwStSyst-RL sowie Europäische Kommission, Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG v. 23.12.2003, KOM(2003) 822, S. 3. Siehe dazu im Einzelnen unten 3. Teil: I. 3. Siehe auch Reiß, in: FS für Klaus Tipke, 1995, S. 433 (450). Siehe auch zu dieser Einschränkung GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C605/12 (Welmory), Rz. 24 f.; Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 48. Vgl. im Ergebnis so wohl auch Reiß, in: FS für Klaus Tipke, 1995, S. 433 (434). Ebenso S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S.81; S. Becker, DStR 2015, 1217 (1220); Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (179 f., 211); im Ergebnis ebenso, wenn auch enger auf Kostenelemente abstellend Millar, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 275 (296).
Verbrauchsortprinzip
Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, ob diese Definition für die Bewertung und Anwendung der Ortsbestimmungsregeln ausreichen kann, da Leistungsverkehr nicht nur an private Endverbraucher, sondern auch an Steuerpflichtige stattfindet. Die Ortsbestimmungsregeln knüpfen entsprechend nicht immer an sogenannte B2C-Leistungen an. Vielmehr muss gerade bei Leistungen zwischen Steuerpflichtigen an diese angeknüpft werden. Paradigmatisch ist hier Art. 44 MwStSyst-RL, welcher an den steuerpflichtigen Leistungsempfänger für Zwecke der Ortsbestimmung anknüpft. Es kann insofern nicht (zwangsläufig) auf ein Verbrauchsverständnis im oben herausgearbeiteten Sinne ankommen, wonach die Einkommensverwendung für Zwecke der privaten Bedürfnisbefriedigung maßgeblich ist. Für eine Differenzierung spricht, dass es für Zwecke der Verbrauchsdefinition im Sinne des Verbrauchsortprinzips nicht auf die Einkommensverwendung als Indikator für Leistungsfähigkeit ankommen kann und muss. Denn die Einkommensverwendung durch den Steuerpflichtigen indiziert nicht zwangsläufig Leistungsfähigkeit. Vielmehr wird der Steuerpflichtige in der Regel Einkommen aufwenden, um dadurch neues Einkommen zu generieren. Es handelt sich also in der Regel bei unternehmerischer Einkommensverwendung nicht um konsumtive Einkommensverwendung. 34 Daher wird in diesem Zusammenhang auch von unternehmerischem Verbrauch gesprochen. 35 Grundsätzlich kann an dieser Stelle jedoch auf die Ausgestaltung der Mehrwertsteuer als Allphasen-Netto-Umsatzsteuer verwiesen werden. Diesem System liegt die Überlegung zugrunde, dass in einer Leistungskette am Ende eine Leistung steht, die belastungswürdigen Endverbrauch durch NichtSteuerpflichtige ermöglicht. Obwohl demnach bei zwischenunternehmerischen Umsätzen kein privater Endverbrauch stattfindet, wird dieser durch die Tätigkeit der Steuerpflichtigen im Ergebnis ermöglicht. 36 Daher ist ein Verständnis von Verbrauch im Sinne von Endverbrauch für Zwecke des
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Vgl. so auch S. Becker, DStR 2015, 1217 (1220); Englisch, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 1 (31); Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, 2003, S. 258; Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (181). S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 79; Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (181). Siehe auch Reiß, in: DStJG Band 13, 1990, S. 3 (25); Reiß, in: DStJG Band 32, 2009, S. 9 (36 f.). Siehe auch Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (211 f.). Ähnlich wenn auch im Ergebnis enger S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S.80.
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Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
Verbrauchsortprinzips weiterhin sinnvoll und überzeugend. 37 Es kommt dann auf die den Endverbrauch ermöglichenden Tätigkeiten des Steuerpflichtigen an. Teils wird insofern ein engeres Verständnis von Verbrauch bei zwischenunternehmerischen Umsätzen propagiert, wonach die Eingangsleistung, für welche der Besteuerungsort zu bestimmen ist, danach beurteilt werden soll, inwiefern sie als Kostenelement in die Ausgangsleistungen einfließt. 38 Dieser Auffassung liegt die vom EuGH entwickelte Rechtsprechung zugrunde, die für die Frage, ob ein Recht zum Vorsteuerabzug besteht, auf einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Eingangs- und Ausgangsumsätzen abstellt; die Kosten der Eingangsleistung müssen in den Preis der Ausgangsleistung einfließen. Andernfalls hat der Steuerpflichtige mangels ausreichenden Bezugs zu seiner wirtschaftlichen Tätigkeit kein Vorsteuerabzugsrecht. 39 Es liegt dann eine endgültige Belastung mit Mehrwertsteuer wie bei einem Endverbrauch vor. Dies ist konsequent, da dadurch deutlich wird, dass der Steuerpflichtige eine empfangene Dienstleistung zur Erbringung seiner wirtschaftlichen Tätigkeit verwertet hat. Gehen die Eingangsumsätze hingegen nicht als Kostenelemente in die Ausgangsleistungen ein, obwohl sie tatsächlich verbraucht werden, muss im Umkehrschluss nicht-wirtschaftlicher Konsum vorliegen, der mangels Vorsteuerabzugsrecht endgültig belastet wird. Letztlich verwirklicht sich so das Verbrauchsteuerprinzip, wonach wirtschaftliche Tätigkeiten nicht belastungswürdig sind. Ein Abstellen auf Kostenelemente für die Definition des Verbrauchs berücksichtigt allerdings nicht ausreichend das Verbrauchsortprinzip, nämlich eine sachgerechte, die Besteuerungshoheit wahrende Aufteilung der Besteuerungsrechte. Diese hat sich aber nicht nach einem gegebenenfalls zu gewährenden Vorsteuerabzugsrecht zu richten, sondern nach dem Ort des mutmaßlichen Endverbrauchs. Das Abstellen auf die Kostenelemente kann 37
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Ebenso S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 81; S. Becker, DStR 2015, 1217 (1220); wohl auch Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (179 f.). Enger Millar, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 275 (296). Auch der EuGH schein ein entsprechendes Verständnis zu verfolgen, vgl. Urteil v. 26.9.1996 – C-327/94 (Dudda), Rz. 24. Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG v. 23.12.2003, KOM(2003) 822, S. 3; Millar, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 275 (296); auch der EuGH scheint ein entsprechendes Verständnis zu verfolgen, vgl. Urteil v. 26.9.1996 – C-327/94 (Dudda), Rz. 23 f. Vgl. EuGH, Urteil v. 8.2.2007 – C-435/05 (Investrand), Rz. 23 f. m.w.N. Siehe auch eine überblickartige Darstellung dieser Kostenarten und zum Kausalzusammenhang bei Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 571 ff.
Verbrauchsortprinzip
daher letztlich nicht der Definition als Verbrauch dienen, sondern der Abgrenzung in wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Verbrauch durch den Steuerpflichtigen mit Konsequenzen insbesondere für das Vorsteuerabzugsrecht. 40 Die Berücksichtigung allein der in die Ausgangsleistungen einfließenden Kostenelemente wäre daher zu eng und würde nicht ausreichend den Zusammenhang zwischen Eingangsleistungen und der Ermöglichung des Endverbrauchs durch die Tätigkeit des Steuerpflichtigen berücksichtigen. Wie bereits betont, kann es auch hier aus praktischen Erwägungen letztlich nicht auf den tatsächlichen Verbrauchsort zur Bestimmung des Besteuerungs-ortes ankommen. Vielmehr ist hier ebenfalls die Vermutung dieses tatsächlichen Verbrauchs durch Vernichtung, Verwertung, Nutzung 41 zur Befriedigung privater Bedürfnisse maßgeblich. Diese Vermutung kommt dann entsprechend durch indizierende Anknüpfungspunkte zum Ausdruck, die die Vermutung rechtfertigen, dass an dem jeweiligen indizierenden Anknüpfungspunkt entsprechend dem hier zugrundegelegten Verbrauchsverständnis Endverbrauch beziehungsweise Tätigkeiten, die diesen ermöglichen, stattfinden. 42 Des Weiteren erleichtern solche Anknüpfungspunkte selbst bei Bestimmbarkeit des Orts des tatsächlichen Verbrauchs die Anwendbarkeit in einer Vielzahl von Einzelfällen. Die Anknüpfungspunkte systematisieren und typisieren daher Verbrauch, um die Ortsbestimmungsregeln für den Rechtsanwender praktikabel anwendbar und überprüfbar zu machen. Jedoch muss einschränkend festgestellt werden, dass der Ort der Einkommens- und Vermögensverwendung, auch wenn diese entsprechend dem Belastungsgrund der Mehrwertsteuer als Indikator für die Leistungsfähigkeit des Endverbrauchers herangezogen wird, nicht selbst als Anknüpfungspunkt für den Besteuerungsort von Endverbrauchern in Betracht kommt. Denn die 40
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Mit etwas anderer Begründung ebenfalls ablehnend S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 80. Siehe auch Vellen, in: Nieskens/Scheffler (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 1999/2000, S. 13 (44). Zu der Verbrauchsvermutung aufgrund indizierender Anknüpfungspunkte vgl. OECD, Applying VAT/GST to Cross-Border Trade in Services and Intangibles, Januar 2008, Kapitel 1 Tz. 4; OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.5; de la Feria, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 961 (962); Ecker, A VAT/GST Model Convention, 2013, S. 132 f.; Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (167); Millar, in: Krever (Hrsg.), VAT in Africa, 2008, S. 175 (180); Millar, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 275 (294, 297); Reiß, in: FS für Klaus Tipke, 1995, S. 433 (439); Reiß, in: StbJb. 1998/99, 1999, S. 391 (400).
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Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
Anknüpfung an die Einkommensverwendung (Zahlungsort) als Verbrauchsort ist ein sehr transaktionsbezogener Indikator für Verbrauch. Insofern kann nicht immer ein bestimmter geographischer Ort lokalisiert werden. Ein solcher ist aber erforderlich für die Bestimmung eines Verbrauchs im Sinne des Verbrauchsortprinzips. Der Ort der Einkommensverwendung ist daher nicht als entsprechender Anknüpfungspunkt geeignet. Verbrauch im Sinne des Verbrauchsortprinzips ist daher das dem Verbrauchsteuerprinzip zugrundeliegende Verständnis von Endverbrauch, wobei es bei zwischenunternehmerischen Leistungen maßgeblich auf die Tätigkeiten der Steuerpflichtigen ankommt, die dadurch Endverbrauch ermöglichen. 43 Mangels genauer und praktikabler Möglichkeit, den Ort dieses Verbrauchs stets festzustellen, wird dieser vermutet. Dabei werden bestimmte Indikatoren zur Bestimmung des vermuteten Verbrauchsorts herangezogen, um eine eindeutige örtliche Lokalisation zu ermöglichen. 3.
Bestimmungslandprinzip / Empfängerortprinzip als Ausprägung des Verbrauchsortprinzips
Entsprechend den vorangehenden Ausführungen bedarf es folglich bestimmter Indikatoren, um das Verbrauchsortprinzip und damit eine sachgerechte Zuordnung der Besteuerungsrechte zu gewährleisten. Dementsprechend wird ebenso einhellig wie das Verbrauchsortprinzip das Bestimmungslandprinzip als Ausprägung des Verbrauchsortprinzips und als maßgebliches Prinzip zur Ortsbestimmung anerkannt. 44 Dieses Prinzip legt als Leistungsort den Endpunkt einer Leistung zu Grunde. Es wird vermutet, dass der Endverbrauch dort stattfindet, wo sich die Leistung am Ende der Leistungserbringung befindet. 45 Jedoch ist dieses Prinzip im Ergebnis nur für Liefe43
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Vgl. Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (179 f., 211 f.). Enger hingegen S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 80 f., die nur auf Endverbrauch abstellt; enger auch Europäische Kommission, Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG v. 23.12.2003, KOM(2003) 822, S. 3 sowie Millar, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 275 (296). Anders Vellen, in: Nieskens/Scheffler (Hrsg.), Umsatzsteuer-KongressBericht 1999/2000, S. 13 (44), der auf die tatsächliche Verwendung oder Auswertung abstellt. Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 1 C.; Ecker, A VAT/GST Model Convention, 2013, S. 140; Krahnert/Seibold, IStR 2003, 369 (371); Millar, in: Krever (Hrsg.), VAT in Africa, 2008, S. 175 (177); Millar, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 275 (282); Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl. 2011, Einf. Rz. 53. Vgl. Ecker, A VAT/GST Model Convention, 2013, S. 140; Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl. 2011, § 3a Rz. 31; Tumpel, in: DStJG Band 32, 2009, S. 53 (66).
Verbrauchsortprinzip
rungen von Waren, die sich gegenständlich an einem bestimmten Ort befinden, praktikabel. Für Dienstleistungen ist hingegen das entsprechende Äquivalent, nämlich das Empfängerortprinzip, von größerer Relevanz. 46 Mangels Gegenständlichkeit von Dienstleistungen können diese selten einem genauen geographischen Ort zugeordnet werden. Daher wird hier weniger auf die Dienstleistung selbst, sondern vielmehr auf den Empfänger der Dienstleistung, der in den Genuss derselben kommt, zurückgegriffen. Gegenstück hierzu bilden das Ursprungslandprinzip beziehungsweise das Sitzortprinzip, die an die Herkunft einer Ware beziehungsweise an den Sitz des leistenden Steuerpflichtigen anknüpfen. 47 Diese Prinzipien können allerdings – insbesondere in grenzüberschreitenden Konstellationen – nicht in gleichem Maße dem Verbrauchsortprinzip gerecht werden. 48 Weder das Bestimmungslandprinzip noch das Empfängerortprinzip an für sich sind taugliche Anknüpfungspunkte zur Ortsbestimmung. Diese Prinzipien dienen als eine Art „Unterprinzipien“ der Verwirklichung des Verbrauchsortprinzips und geben Leitlinien vor, an denen sich alle Anknüpfungskriterien zu orientieren haben. 49 Die Indikatoren zur Bestimmung des Verbrauchsortes müssen daher grundsätzlich im Bestimmungsland beziehungsweise im Land des Empfängerortes gelegen sein, damit das Verbrauchsortprinzip gewahrt bleibt. Aus dieser Differenzierung ergibt sich auch der Unterschied zum sogenannten Ansässigkeitsortprinzip. Letzteres ist vom Empfängerortprinzip abzugrenzen, da der Empfängerort nicht zwangsläufig mit dem Ansässigkeitsort des Empfängers übereinstimmt. Vielmehr dient die Anknüpfung an den Ansässigkeitsort dazu, das Empfängerortprinzip zu verwirklichen, da der Ansässigkeitsort häufig ein praktikabler Anknüpfungsort zur Lokalisierung des Empfängers und damit des Ver46
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Vgl. Ecker, A VAT/GST Model Convention, 2013, S. 141; Lohse/Spilker, UR 2009, 325 (329); Monfort, UR 2009, 301 (309); Tumpel, in: DStJG Band 32, 2009, S. 53 (69 f.). Letztlich handelt es sich hier nur um eine begriffliche Differenzierung, die zudem von vielen Autoren nicht angewendet wird, vgl. beispielsweise de la Feria, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 961 (beispielsweise 979); OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.6. Vgl. Millar, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 275 (280); Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl. 2011, Einf. Rz. 53; Tumpel, in: DStJG Band 32, 2009, S. 53 (70 f.). Vgl. Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (201); Krahnert/Seibold, IStR 2003, 369 (371); Terra/Kajus, A Guide to the European VAT Directives 2012, Band 1, Kapitel 7.2.3, S. 288. Vgl. auch de la Feria, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 961 (979); Millar, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 275 (284, 286).
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Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
brauchsortes ist. Ob das Ansässigkeitsortprinzip und die anderen in der MwStSyst-RL gewählten Anknüpfungspunkte den zuvor erarbeiteten Leitlinien gerecht werden, wird noch an anderer Stelle ausführlicher untersucht. 50
II.
Neutralitätsprinzip
Das Neutralitätsprinzip ist weitgehend als grundlegendes Prinzip des Mehrwertsteuerrechts anerkannt. 51 Insbesondere in der Rechtsprechung des EuGH hat es im Laufe der Zeit eine immer größere Bedeutung eingenommen und wird umfangreich als Maßstab zur Beurteilung der Gemeinschaftsrechtmäßigkeit von nationalen Umsatzsteuerregelungen herangezogen. Insofern hat der EuGH in seiner Rechtsprechung verschiedene Ausprägungen des Grundsatzes hergeleitet und entwickelt 52, die im Folgenden dargestellt werden sollen. 1.
Verbindlicher Charakter des Neutralitätsprinzips
Schon in den Begründungserwägungen zur ersten Harmonisierungsrichtlinie des Rates vom 14.4.1967 wurde davon gesprochen, dass „größte Einfachheit und Neutralität eines Mehrwertsteuersystems […] erreicht [wird], wenn die Steuer so allgemein wie möglich erhoben wird und wenn ihr Anwendungsbereich alle Produktions- und Vertriebsstufen sowie den Bereich der Dienstleistungen umfaßt […]. [D]as gemeinsame Mehrwertsteuersystem muß […] eine Wettbewerbsneutralität in dem Sinne bewirken, daß gleichartige Waren innerhalb der einzelnen Länder ungeachtet der Länge des Produktions- und Vertriebswegs steuerlich gleich belastet werden […]“ 53. Diese Erwägungen wurden auch in der späteren Sechsten MwSt-RL weitergeführt, wo verlangt wird, „die Neutralität des gemeinsamen Umsatzsteuersystems in bezug auf den Ursprung der Gegenstände und Dienstleistungen zu wahren [und] eine
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Siehe 3. Teil: I. 3. b). Siehe beispielhaft für viele EuGH, Urteil v. 29.10.2009 – C-174/08 (NCC Construction), Rz. 40; v. 10.4.2008 – C-309/06 (Marks & Spencer), Rz. 47; v. 14.10.1996 – C317/94 (Gibbs), Rz. 20; Dziadkowski, DStZ 1999, 625 (625); Henkow, EC Tax Review 2008, 233 (234). Vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 1.3.2007 – C-363/05 (JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust), Rz. 35. 5. und 8. Begründungserwägung der Ersten Richtlinie 67/277/EWG des Rates v. 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, Abl. EG 1967, S. 1301 (Erste MwSt-RL).
Neutralitätsprinzip
bessere Steuerneutralität zu gewährleisten“ 54. Des Weiteren wird eine gleichmäßige Steuererhebung für erforderlich erachtet. 55 Fast wortlautidentisch werden sodann die zuvor zitierten Begründungserwägungen der Ersten MwSt-RL in den Erwägungen der MwStSyst-RL wiederholt. 56 Hierbei sei angemerkt, dass die MwStSyst-RL zwar die Sechste MwSt-RL ersetzt, aber nicht das grundlegende System ändern will, wie es ausdrücklich in der 3. Begründungserwägung der MwStSyst-RL heißt. Die Begründungserwägungen der vorgehenden Richtlinien haben daher weiterhin Bestand. Die seit Einführung des harmonisierten Mehrwertsteuersystems bis heute durchgängigen und zahlreichen Erwähnungen des Neutralitätsgedankens zeigen zunächst, dass es sich um einen für das Mehrwertsteuersystem maßgeblichen Gedanken handelt. Fraglich bleibt aber, inwiefern selbiger ein verbindliches und grundlegendes Prinzip ist, bedenkt man, dass er „nur“ in den Begründungserwägungen Erwähnung findet. Insofern ist aber zu berücksichtigen, dass auch die Begründungserwägungen Teil der Richtlinie sind. 57 Zwar gehören sie nicht zu den Artikeln, die der nationale Gesetzgeber in mehr oder minder gebundener Weise umsetzen muss. Er muss aber bei der Umsetzung die Begründungserwägungen berücksichtigen. Denn die Gründe einer Richtlinie werden ausdrücklich vom Willen des Richtliniengebers erfasst, wie der Text 58 und die Aufnahme in die offizielle Bekanntmachung im Amtsblatt zeigen. 59 Sie sind folglich Teil des Richtlinientextes, auch wenn sie nicht unmittelbar umgesetzt werden müssen wie die eigentlichen Artikel einer Richtlinie. 60 Daher haben die Begründungserwägungen verbindlichen Charakter für die Anwendung und Auslegung der Richtlinie 54
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4. und 5. Begründungserwägung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates v. 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, Abl. EG 1977, Nr. L 145, S. 1 (Sechste MwSt-RL). 14. Begründungserwägung der Sechsten MwSt-RL. Vgl. 5. und 7. Begründungserwägung der konsolidierten Fassung 02006L011220130101 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates v. 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, Abl. EG 2006, Nr. L 347, S. 1 (MwStSyst-RL). Siehe des Weiteren Begründungserwägung 13, 30 und 34. Vgl. Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, 1999, S. 105; Lohse, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 47 (51). Der Rat erlässt eine Richtlinie „in Erwägung nachstehender Gründe“. Siehe auch EuGH, Urteil v. 26.9.1996 – C-327/94 (Dudda), Rz. 22; Lohse, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 47 (57) und insbesondere das Zitat in dessen Fn. 63 aus Terra/Kajus, A Guide to the European VAT Directives; Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 3. Aufl. 2014, § 10 Rz. 35. Vgl. Köndgen, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 3. Aufl. 2014, § 6 Rz. 48; anders wohl Nieskens, UR 2004, 441 (447); Hidien, EWS 2003, 343 (343).
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Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
und sind Maßstab für die Beurteilung der Gemeinschaftsrechtmäßigkeit von mehrwertsteuerrechtlichen Regelungen. 61 Ergänzend dazu ist festzustellen, dass die Mehrwertsteuerrichtlinien in den einzelnen Artikeln zwar nicht ausdrücklich von „Neutralität“ sprechen. Sie nehmen aber Bezug auf die Begründungserwägungen und damit auch auf den dort beschriebenen Neutralitätsgedanken. Dies ergibt sich insbesondere aus Art. 2 der Ersten MwSt-RL, dem jetzigen Art. 1 Abs. 2 MwStSyst-RL. 62 Daher ist das Neutralitätsprinzip, wenn auch nicht ausdrücklich benannt, in den Artikeln der MwStSyst-RL niedergelegt und als solches verbindlich. Eine ausdrückliche Benennung eines Prinzips mit einem Namen kann dafür nicht erforderlich sein. Die Relevanz der Begründungserwägungen folgt in erster Linie aus der Auslegung der einzelnen Artikel einer Richtlinie. Die Auslegung einer Regelung der Richtlinien erfolgt nämlich unter besonderer Berücksichtigung des Zieles beziehungsweise Zweckes derselben; Ziel und Zweck ergeben sich dabei vor allem aus den Begründungserwägungen. 63 Im Endeffekt kann es daher dahinstehen, ob das Neutralitätsprinzip tatsächlich „kodifiziert“ ist. 64 Letztendlich ist es ein verbindlicher Auslegungsmaßstab, ob nun in kodifizierter Form oder als Willensäußerung beziehungsweise Zielvorgabe des Richtliniengebers. Das Neutralitätsprinzip muss bei der Umsetzung und Definition mehrwertsteuerrechtlich relevanter Begriffe durch die nationalen Gesetzgeber ebenso wie bei der Auslegung einschlägiger mehrwertsteuerrechtlicher Regelungen stets herangezogen werden. 65
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So wohl auch Lohse, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 47 (56 f.); ausdrücklich Lohse, UR 2004, 582 (582); allgemein Köndgen, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 3. Aufl. 2014, § 6 Rz. 48 ff. So ebenfalls Terra/Kajus, A Guide to the European VAT Directives 2012, Band 1, Kapitel 2.5, S. 81. Zumindest indirekt wohl auch der EuGH, Urteil v. 1.4.1982 – 89/81 (Hong-Kong Trade Development), Rz. 7; v. 3.12.1998 – C-381/97 (Belgocodex), Rz. 18; v. 8.6.2000 – C-98/98 (Midland), Rz. 29. Vgl. EuGH, Urteil v. 1.4.1982 – 89/81 (Hong-Kong Trade Development), Rz. 6; v. 26.9.1996 – C-327/94 (Dudda), Rz. 22; Sperling, Die Wertneutralität im EGUmsatzsteuerrecht in der Rechtsprechung des EuGH und die Auswirkungen auf das deutsche Recht, 2002, S. 155; Terra/Kajus, A Guide to the European VAT Directives 2012, Band 1, Kapitel 6.3.5, S. 268 f. Verneinend Nieskens, UR 2004, 441 (447); Hidien, EWS 2003, 343 (343). Vgl. EuGH, Urteil v. 6.11.2003 – C-45/01 (Christoph-Dornier-Stiftung), Rz. 42; v. 27.4.2006 – C-443, 444/04 (Solleveld u.a.), Rz. 36; v. 28.6.2007 – C-363/05 (JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust), Rz. 22 m.w.N., Rz. 29; v. 10.4.2008 – C309/06 (Marks & Spencer), Rz. 33 f.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 24.
Neutralitätsprinzip
2.
Das Neutralitätsprinzip aus Sicht der juristischen Mehrwertsteuerrechtslehre
Nachdem festgestellt wurde, dass das Neutralitätsprinzip ein aus dem Gemeinschaftsrecht hergeleitetes und verbindliches Prinzip ist, bleibt die Frage offen, was genau das Neutralitätsprinzip aussagt. Das Wort „neutral“ leitet sich aus dem lateinischen „neuter“ und „neutralis“ her, was in etwa „keiner von beiden“ beziehungsweise „keiner Partei angehörend“, „sächlich“ bedeutet. 66 Der Wortfamilie wird unter anderem die Bedeutung zugewiesen, „dass die beschriebene Sache von etw. nicht betroffen, bestimmt ist, etw. nicht hat“ 67 und „auf etwas keinen Einfluss habend, sich nicht auswirkend“ 68 bedeutet. Besonders hervorzuheben sind die Wörter „betroffen“, „Einfluss“, „auswirkend“. Diese Wörter haben nach allgemeinem Sprachverständnis ähnliche Bedeutungen; sie beschreiben eine bestimmte Wirkweise beziehungsweise im Zusammenhang mit „Neutralität“ das Fehlen einer solchen. Demnach ist etwas neutral, wenn es keine Auswirkungen und keinen Einfluss auf ein bestimmtes Bezugssubjekt / -objekt hat. Allein nach allgemeinem Sprachverständnis ist die Mehrwertsteuer demnach neutral, wenn sie auf etwas oder jemanden keinen Einfluss hat. 69 Es bleibt offen, um was oder wen es sich dabei handelt. Insofern wird im Mehrwertsteuerrecht von der Relativität der Steuerneutralität gesprochen. 70 Diese Frage ist unter Hinzunahme der einschlägigen Richtlinien weiter zu untersuchen und zu beantworten. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass Begriffe aus der Wortfamilie „neutral“ keine spezifisch juristischen oder gar steuerrechtlichen Begriffe sind. Dementsprechend wird der Neutralitätsbegriff – auch in Bezug auf Steuern – von verschiedenen Wissenschaften verwendet und mit eigenen Bedeutungen belegt. Der Begriff der Steuerneutralität ist daher kein spezifisch mehrwertsteuerrechtlicher Begriff, wenn er auch dort als „eines der Grundprinzipien, auf denen das Mehrwertsteuersystem beruht“ 71, bezeichnet wird. Das Neutralitätsprinzip ist vielmehr ein allgemein in den Steuerwis-
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Vgl. Duden, Das Herkunftswörterbuch, 4. Aufl. 2007, S. 559 Stichwort „neutral“. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2007, S. 1207 Stichwort „-neutral“. Duden, Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl. 2007, S. 931 Stichwort „…neutral“. Siehe auch Lohse, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 47 (49). Vgl. Lohse, UR 2004, 582 (583); Terra/Kajus, A Guide to the European VAT Directives 2012, Band 1, Kapitel 7.3, S. 289. EuGH, Urteil v. 14.10.1996 – C-317/94 (Gibbs), Rz. 20.
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Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
senschaften und unabhängig von den verschiedenen Steuerarten bekanntes und bedeutendes Prinzip. Zumindest für eine rechtliche Herangehensweise an und Untersuchung des Neutralitätsbegriffs im Mehrwertsteuerrecht müssen zwingend die gemeinschaftsrechtlichen Regeln, insbesondere die MwStSyst-RL, berücksichtigt werden. 72 Daneben sind allgemein gültige rechtliche Grundsätze, zum Beispiel primär- und verfassungsrechtlicher Art, mit einzubeziehen. Demgegenüber kann und (gegebenenfalls) muss eine ökonomische Herangehensweise von anderen Überlegungen ausgehen und auch andere Aspekte behandeln. Es kann und muss daher keinen einheitlichen Neutralitätsbegriff geben. Vielmehr ist der Begriff jeweils durch eine unterschiedliche Sichtweise geprägt. Wird also von der Steuerneutralität gesprochen, muss danach differenziert werden, in welchem Zusammenhang sie Erwähnung findet. Bevor der Begriff als Maßstab für die weitere Bearbeitung herangezogen werden kann, ist zu definieren, in welchem Sinne er hier verstanden wird. Soweit es den Bereich des Mehrwertsteuerrechts betrifft, kann und wird in der juristischen Steuerrechtslehre im Wesentlichen zwischen zwei Aspekten des mehrwertsteuerrechtlichen Neutralitätsprinzips unterschieden. Es handelt sich dabei um die Begriffe der Wettbewerbsneutralität und der Belastungsneutralität (oder Wettbewerbsgleichheit und Belastungsgleichheit). 73 Die beiden Aspekte haben wiederum Ausgestaltung – maßgeblich durch die Rechtsprechung des EuGH – gefunden. a)
Wettbewerbsneutralität
Wettbewerbsneutralität erfasst vereinfacht die Überlegung, dass Steuerpflichtige, die miteinander im Wettbewerb stehen, im Hinblick auf die Mehrwertsteuer unter gleichen Voraussetzungen agieren können. Die Mehrwertsteuerregelungen dürfen daher nicht nach Art, Zweck und Ausführung einer wirtschaftlichen Tätigkeit und des Leistungserbringers unterscheiden, zumindest soweit gleichartige Waren oder Dienstleistungen im Wettbewerb miteinander stehen und Unternehmer gleichartige Umsätze tätigen. 74 Zu berücksichtigen ist dabei stets, ob die Umsätze gleichartige Waren 72 73 74
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Ähnlich Lohse, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 47 (74). Vgl. Henze, in: Englisch/Nieskens (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 7 (24). Vgl. EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C-363/05 (JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust), Rz. 29, 46; v. 10.4.2008 – C-309/06 (Marks & Spencer), Rz. 47; v. 29.10.2009 – C-29/08 (SKF), Rz. 67 m.w.N.; Henze, in: Englisch/Nieskens (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 7 (14); Lohse, UR 2004, 582 (585).
Neutralitätsprinzip
oder Dienstleistungen betreffen und auf einem Markt stattfinden, denn nur dann kann Wettbewerb gegeben sein. 75 Es muss sich allerdings nicht um identische Waren oder Dienstleistungen beziehungsweise Umsätze handeln. 76 Schon aus der Gleichartigkeit folgt die Wettbewerbssituation. Eine Ware ist dann gleichartig, wenn sie die gleiche Funktion, den gleichen Zweck hat wie eine andere Ware und daher mit dieser ausgetauscht werden kann. 77 Das Neutralitätsprinzip gebietet daher in seiner Ausprägung als Wettbewerbsneutralität, dass die Mehrwertsteuerrichtlinien und die nationalen Vorschriften dahingehend ausgelegt werden müssen, dass miteinander im Wettbewerb stehende Steuerpflichtige beziehungsweise Waren und Dienstleistungen gleich behandelt werden müssen. Es müssen also alle Faktoren beseitigt werden, die diesen Wettbewerb verzerren können. 78 Einer der wichtigsten Faktoren für die Wettbewerbsfähigkeit eines Steuerpflichtigen ist der Preis, zu dem eine Ware oder eine Dienstleistung angeboten werden kann. Die Mehrwertsteuer ist somit wettbewerbsverzerrend, wenn sie in unterschiedlicher Weise als Kostenfaktor in den Preis für die Ware oder die Dienstleistung einfließt. 79 Werden daher miteinander im Wettbewerb stehende Steuerpflichtige unterschiedlich mit Mehrwertsteuer belastet, ist diese nicht mehr steuerneutral. So verlangt auch die Richtlinie, dass gleichartige Gegenstände und Dienstleistungen unabhängig von der Länge des Produktions- und Vertriebswegs gleichmäßig mit Mehrwertsteuer belastet werden. 80 Aus dem Charakter der Mehrwertsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, die allein den Endverbraucher mit Mehrwertsteuer belasten soll, folgt, dass die Steuerpflichtigen im Ergebnis nicht mit Mehrwertsteuer belastet werden dürfen, es sei denn sie konsumieren selbst. 81 Dies wird weitgehend gewährleistet durch das Recht der Steuerpflichtigen zum Vorsteuerabzug. Das Vorsteuerabzugsrecht wird deshalb im Zusammenhang mit dem Neutralitätsprinzip als „integrierender Bestandteil des Mechanismus
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Vgl. EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C-363/05 (JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust), Rz. 46. Vgl. EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C-363/05 (JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust), Rz. 46. Vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 1.3.2007 – C-363/05 (JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust), Rz. 39. Vgl. EuGH, Urteil v. 12.7.1988 – 138, 139/86 (Direct Cosmetics u.a.), Rz. 23. Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Einf. UStG, Rz. 39 f. 7. Begründungserwägung und Art. 1 Abs. 2 der MwStSyst-RL Vgl. EuGH, Urteil v. 1.4.1982 – 89/81 (Hong-Kong Trade Development), Rz. 9 f.; v. 24.10.1996 – C-317/94 (Gibbs), Rz. 23; Dziadkowski, DStZ 1999, 625 (626).
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Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
der Mehrwertsteuer“ bezeichnet. 82 Ein Zusammenhang besteht insofern aber auch zur Belastungsneutralität, denn der Vorsteuerabzug auf allen Vorstufen gewährleistet, dass der Endverbraucher die Mehrwertsteuer entsprechend zur Wertschöpfung und nicht kumulativ tragen muss. 83 Es darf demzufolge grundsätzlich keine Differenzierung in Bezug auf das Recht zum Vorsteuerabzug zwischen erlaubten und unerlaubten Tätigkeiten 84, zwischen vorbereitenden 85, laufenden und beendenden 86 Tätigkeiten oder anhand der Rechtsform 87 und der betrieblichen Organisation 88 des Steuerpflichtigen geben. Im Rahmen der folgenden Untersuchung der Ortsbestimmungsregeln und der Recharge Methode muss daher auch untersucht werden, ob diese Regeln insbesondere unabhängig von der Rechtsform, der betrieblichen Organisation etc. eine gleichmäßige Belastung gewährleisten und eine Kumulation von Mehrwertsteuer vermeiden. Das Postulat der Wettbewerbsneutralität ist sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene zu beachten. In diesem Zusammenhang wird auch von innerer und äußerer Neutralität 89 gesprochen. Damit ist gemeint, dass der Neutralitätsgedanke sowohl bei rein national gehandelten Waren und Dienstleistungen (innere Neutralität) als auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten (äußere Neutralität) zu berücksichtigen ist. Folglich darf es weder im nationalen noch im internationalen Bereich zu Wettbewerbsverzerrungen kommen. Die Formel „ungeachtet des Produktions- und Vertriebswegs“ erfasst auch den Weg über die Grenze. Insofern gelten die oben gemachten Ausführungen entsprechend. Gewisse Einschränkungen sind nur mit Blick auf die unterschiedlichen Steuersätze in den verschiedenen Län82 83
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EuGH, Urteil v. 29.10.2009 – C-174/08 (NCC Construction), Rz. 40 m.w.N. Vgl. EuGH, Urteil v. 24.10.1996 – C-317/94 (Gibbs), Rz. 23 f.; Henze, in: Englisch/Nieskens (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 7 (10, 12); Kogels, EC Tax Review 2012, 230 (230). Vgl. EuGH, Urteil v. 28.5.1998 – C-3/97 (Goodwin und Unstead), Rz. 15; v. 11.6.1998 – C-283/95 (Fischer), Rz. 22; v. 29.6.2000 – C-455/98 (Kaupo Salumets), Rz. 19. Dies gilt nicht, wenn die betroffene Ware oder Dienstleistung nicht im Wettbewerb zu anderen Waren oder Dienstleistungen steht; das sind insbesondere Falschgeld und Betäubungsmittel, vgl. EuGH, Urteil v. 29.6.2000 – C-455/98 (Kaupo Salumets), Rz. 16, 19 m.w.N. Vgl. EuGH, Urteil v. 14.2.1985 – 268/83 (Rompelman), Rz. 23; v. 29.2.1996 – C110/94 (Inzo), Rz. 15 ff.; v. 15.1.1998 – C-37/95 (Ghent Coal Terminal), Rz. 14 ff. Vgl. EuGH, Urteil v. 29.10.2009 – C-29/08 (AB SKF), Rz. 34. Vgl. EuGH, Urteil v. 10.9.2002 – C-141/00 (Kügler), Rz. 30; v. 7.9.1999 – C-216/97 (Gregg), Rz. 20. Vgl. EuGH, Urteil v. 4.5.2006 – C-169/04 (Abbey National), Rz. 68. Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, 1999, S. 107; Terra/Kajus, A Guide to the European VAT Directives 2012, Band 1, Kapitel 7.3, S. 289 ff.; Kogels, EC Tax Review 2012, 230 (230).
Neutralitätsprinzip
dern zu machen. Dies betrifft aber die Belastung des Endverbrauchers und wird sogleich näher ausgeführt. Abschließend sei noch auf den Zusammenhang zwischen dem Neutralitätsprinzip zum oben bereits erörterten Verbrauchsortprinzip hingewiesen. Sofern das Verbrauchsortprinzip umfassend verwirklicht wird, findet die Besteuerung idealerweise stets am Ort des Verbrauchs statt. Faktoren wie der Sitz des Dienstleistungserbringers, die Herkunft der Leistung, aber auch der Sitz des Endverbrauchers haben dann keinen Einfluss auf die Höhe der Mehrwertsteuerbelastung. Daraus folgt zum einen, dass Steuerpflichtige wettbewerbsneutral behandelt werden, da es für den Empfänger keinen Unterschied macht, bei welchem Leistungserbringer er eine Leistung bezieht. Zugleich wird der Empfänger dahingehend neutral behandelt, als dass die Höhe der Mehrwertsteuerbelastung allein von seinem Standort bei Verbrauch der Leistung abhängt. Unterschiede ergeben sich insofern nur aufgrund der unterschiedlichen nationalen Mehrwertsteuertarife. Durch Beachtung des Verbrauchsortprinzips wird somit zugleich umfassend dem Neutralitätsprinzip insbesondere in seiner Ausprägung als Wettbewerbsneutralität Rechnung getragen. Daraus folgt mit Verweis auf die Ausführungen zum Verbrauchsortprinzip, dass die Verwirklichung des Empfängerortprinzips beziehungsweise des Bestimmungslandprinzips als Ausprägungen des Verbrauchsortprinzips in besonderem Maße geeignet ist, Neutralität zu erreichen. 90 b)
Belastungsneutralität
Die Belastungsneutralität ist im Wesentlichen Ausdruck des Charakters der geltenden Mehrwertsteuer als Verbrauchsteuer. Danach wird allein der Endverbrauch, auf den es im Mehrwertsteuerrecht maßgeblich ankommt, mit Mehrwertsteuer belastet. 91 Die steuerliche Belastung von gleichartigen Waren muss dafür „ungeachtet der Länge des Produktions- und Vertriebswegs“ grundsätzlich gleich sein. 92 Dies folgt aus dem Charakter als allgemeine Verbrauchsteuer und dem grundlegenden System der Mehrwertsteuer, die 90
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Siehe hierzu insgesamt Camenzind, ASA 78 (2009/2010), 713 (717); Penke, Der Ort der sonstigen Leistungen im Umsatzsteuerrecht, 2008, S. 112 f., 144; Tumpel, in: DStJG Band 32, 2009, S. 53 (69); van Norden, in: van Arendonk/Jansen/van der Paardt (Hrsg.), VAT in an EU and International Perspective, 2011, S. 35 (37 f.); Vellen, in: Nieskens/Scheffler (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 1999/2000, S. 13 (51 f.). Vgl. anstelle vieler Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 12; Henkow, EC Tax Review 2008, 233 (233). Vgl. Art. 1 Abs. 2 MwStSyst-RL; EuGH, Urteil v. 14.10.1996 – C-317/94 (Gibbs), Rz. 20; siehe auch Kogels, EC Tax Review 2012, 230 (230).
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Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
als sogenannte Allphasen-Netto-Mehrwertsteuer ausgestaltet ist. 93 Letztendlich soll nur der Endverbraucher mit Mehrwertsteuer belastet sein, und zwar grundsätzlich jeder Verbraucher gleichmäßig, soweit die jeweiligen Waren und Dienstleistungen vergleichbar sind. Im Umkehrschluss muss daher jeder Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von Zweck und Erfolg dieser Tätigkeit einen Vorsteuerabzug geltend machen können. Das Mehrwertsteuersystem entsprechend der MwStSyst-RL gewährleistet dies durch das Recht der Steuerpflichtigen zum Vorsteuerabzug. 94 Allein der Endverbraucher, bei dem (der Vermutung nach) der Verbrauch stattfindet, kann keinen Vorsteuerabzug geltend machen und wird deshalb mit der Mehrwertsteuer belastet. Umgekehrt bedeutet Belastungsneutralität für Steuerpflichtige deshalb, dass sie grundsätzlich keine Mehrwertsteuer tragen sollen und umfassend einen Vorsteuerabzug geltend machen können. 95 Aus dem Vorstehenden erklärt sich somit die wiederholte Beschreibung des EuGH vom Vorsteuerabzug als integrierendem Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer. 96 Hieraus werden ebenfalls die Überschneidungen der Begriffe der Wettbewerbs- und Belastungsneutralität ersichtlich. Zwar soll der Vorsteuerabzug in erster Linie eine neutrale Belastung des Steuerpflichtigen in dem Sinne, dass kein Steuerpflichtiger und jeder Endverbraucher Mehrwertsteuer trägt, erreichen. Die Anwendung der Regeln zum Vorsteuerabzug, insbesondere die Frage, auf wen und auf welche Umsätze sie Anwendung finden, muss dabei aber im Blick haben, dass miteinander im Wettbewerb stehende Steuerpflichtige neutral behandelt werden müssen. Es kann daher gesagt werden, dass die Wettbewerbsneutralität im Wesentlichen die Unternehmer, also die Steuerpflichtigen, betrifft, 97 während die Belastungsneutralität (zumindest im Endergebnis) hingegen mehr den Endverbraucher im Blick hat. Insgesamt stellt sich allerdings die Frage, ob eine ausdrückliche Differenzierung zwischen Wettbewerbs- und Belastungsneutralität überhaupt erforderlich ist. Aus dem Vorstehenden ergibt sich nämlich im Grunde – vereinfacht ausgedrückt – folgende Schlussfolgerungskette: Die Rechtfertigung der Mehrwertsteuer als Steuer auf die Einkommensverwendung (Verbrauchsteuerprinzip) fordert, dass der Endverbrauch gleichmäßig und Steuerpflichtige im 93 94
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Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 3, 15; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Einf. UStG, Rz. 23. Vgl. EuGH, Urteil v. 14.2.1985 – 268/83 (Rompelman), Rz. 19; v. 15.1.1998 – C37/95 (Ghent Coal Terminal), Rz. 15; Grett, DStR 2001, 968 (973); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Einf. UStG, Rz. 21. Vgl. Theile, Wettbewerbsneutralität der harmonisierten Umsatzsteuer, 1995, S. 94 f. EuGH, Urteil v. 29.10.2009 – C-174/08 (NCC Construction), Rz. 40 m.w.N. Vgl. Tipke, StuW 1992, 103 (113).
Neutralitätsprinzip
Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit grundsätzlich gar nicht mit Mehrwertsteuer belastet werden; dies wird durch den Vorsteuerabzug bei Steuerpflichtigen gewährleistet; zugleich kann der Vorsteuerabzug aber nur wirksam sein, wenn Steuerpflichtige wettbewerbsneutral behandelt werden. 98 Daraus folgt, dass die Begriffe der Wettbewerbs- und Belastungsneutralität zwar verschiedene Aspekte berücksichtigen; sie ergänzen sich aber und sind nur als Einheit wirklich neutral. Im Hinblick auf unterschiedliche Steuertarife in den verschiedenen Mitgliedstaaten (und natürlich erst recht in den Drittstaaten) müssen Einschränkungen der Belastungsneutralität gemacht werden. Aus der Tatsache, dass es verschiedene Tarife gibt, folgt zwingend, dass nicht jeder Verbraucher in der Europäischen Union stets die gleiche Mehrwertsteuerlast proportional zum Wert der konsumierten Ware oder Dienstleistung zu tragen hat. Daraus ergibt sich eine wichtige Konsequenz: Belastungsneutralität kann zwar in rein nationalen Sachverhalten grundsätzlich verwirklicht werden. Sobald es hingegen zu Lieferungen oder Leistungen über die Grenze hinweg kommt, ist Belastungsneutralität in dem bestehenden, nicht vollständig harmonisierten System nicht vollumfänglich zu verwirklichen. Das hat zur Folge, dass insbesondere der Zuordnung von Besteuerungsrechten und damit der Beantwortung der Frage, wo der Endverbrauch stattfindet, maßgebliche Bedeutung zukommt. Denn die Belastungsneutralität gebietet, dass die Zuordnung von Besteuerungsrechten insofern belastungsneutral erfolgen muss, als dass der anzuwendende Tarif vom Ort des Verbrauches abhängen muss. Dadurch wird gewährleistet, dass zumindest alle Endverbraucher, die gleichartige Waren oder Dienstleistungen auf einem Gebiet mit einheitlichem Tarif konsumieren, gleichmäßig mit Mehrwertsteuer belastet werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist in diesem Rahmen die Vermeidung von Doppelbesteuerung. Würde ein Umsatz mehrfach, also in mehreren Ländern, mit Mehrwertsteuer belastet, wäre die steuerliche Belastung im Vergleich zu rein nationalen Umsätzen nicht mehr neutral. 99 Folglich kommt der Zuordnung von Besteuerungsrechten auch in diesem Zusammenhang große Bedeutung zu. Im Rahmen der folgenden Bearbeitung muss also stets berücksichtigt werden, ob die Zuordnungsregeln belastungsneutral sind.
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Siehe auch Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 25, der von einer „Rückkopplung des Neutralitätsprinzips an das Verbrauchsteuerprinzip“ spricht. Vgl. Henze, in: Englisch/Nieskens (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 7 (13).
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Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
3.
Exkurs: Das Neutralitätsprinzip aus finanz- und betriebswirtschaftswissenschaftlicher Sicht
Daneben ist der Begriff der Steuerneutralität in den Finanz- und Betriebswirtschaftswissenschaften von Relevanz 100, allerdings nicht immer übereinstimmend mit juristischer Terminologie und Bedeutung. Die betriebswirtschaftliche Lehre spricht insbesondere von der sogenannten Entscheidungsneutralität; sie untersucht aus Sicht des einzelnen Unternehmens, ob Entscheidungen unabhängig und ohne Einfluss durch Steuern getroffen werden. 101 Dies betrifft Entscheidungen des Unternehmens beziehungsweise Unternehmers bezüglich Fragen zum Beispiel zum Standort, der Finanzierung oder der zu wählenden Rechtsform. 102 In den Finanzwissenschaften wird Steuerneutralität vor allem in dem Sinne verstanden, dass Steuern die „wettbewerblich geregelte[…] Ressourcenallokation“ 103 nicht beeinflussen sollen. 104 Steuern dürfen demnach Entscheidungen (von Unternehmen und Konsumenten im Allgemeinen) bezüglich der effizienten und sinnvollen Verteilung der zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht beeinflussen; allein der Wettbewerb soll die Verteilung bestimmen. Diese Herangehensweisen erfolgen grundsätzlich ohne Konkretisierungen bezüglich einzelner Steuerarten, wobei allerdings bestimmte Teilaspekte der Neutralität gegebenenfalls bei bestimmten Steuern besonders relevant sind. 105 Das soeben beschriebene Verständnis vom Neutralitätsbegriff weist eine ökonomische, marktorientierte Herangehensweise auf und betrifft in erster Linie die Wirkungen von Steuern für Wirtschaftsteilnehmer in ökonomischer Hinsicht. Demgegenüber stellt das Prinzip der steuerlichen Neutralität in der juristischen Steuerrechtslehre vielmehr ein Postulat und Maßstab für den Richtlinien- und Gesetzgeber auf, das grundsätzlich zu berücksichtigen ist und an dem jede Regelung zu messen ist. Insofern gibt es aber auch Überschneidungen, da die Finanz- und Betriebswirtschaftslehre ebenfalls gegenüber der Politik und dem Gesetzgeber die Forderung aufstellt, das Steuersystem möglichst neutral zu gestalten. 106 Die Forderung ist allerdings 100 101 102 103 104
105 106
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Vgl. Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 253 (253). Vgl. Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 253 (253); Herzig/Watrin, StuW 2000, 378 (379); Theile, Wettbewerbsneutralität der harmonisierten Umsatzsteuer, 1995, S. 189. Siehe ausführlich Herzig/Watrin, StuW 2000, 378 (379 f.). Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 253 (254). Ebenso Herzig/Watrin, StuW 2000, 378 (380); ausführlich zur finanzwissenschaftlichen Interpretation im Sinne einer Allokationseffizienz Theile, Wettbewerbsneutralität der harmonisierten Umsatzsteuer, 1995, S. 154 ff. Siehe zum Beispiel die Auflistung von Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 253 (257). So von Seiten der Betriebswirtschaftslehre Herzig/Watrin, StuW 2000, 378 (380, 388); von Seiten der Finanzwissenschaften Elschen/Hüchtebrock, FA 1983, 253 (257,
Neutralitätsprinzip
aus steuerjuristischer Sicht der Tatsache geschuldet, dass das Neutralitätsprinzip Ausfluss des Gleichheitsgrundsatzes ist, während sie in finanz- und betriebswirtschaftswissenschaftlicher Hinsicht – einfach ausgedrückt – zur Verwirklichung eines funktionierenden und effizienten, durch Wettbewerb geprägten Wirtschaftsmarktes dient. Soweit also das Prinzip der steuerlichen Neutralität als Maßstab für die Bewertung im Rahmen der weiteren Ausführungen herangezogen wird, kommt es auf die steuerjuristische Definition des Begriffs an. Die Überlegungen, die von Seiten der Finanz- und Betriebswirtschaftslehre geäußert werden, fließen aber in Praktikabilitätserwägungen ein. Denn Letztere berücksichtigen ebenfalls insbesondere den Rechtsanwender. 4.
Primärrechtliche Herleitung
Das Neutralitätsprinzip in seiner Ausprägung als Wettbewerbsneutralität wird vom EuGH in ständiger Rechtsprechung aus dem allgemeinen primärrechtlich verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung (auch Diskriminierungsverbot) abgeleitet. 107 Dies ist logische Konsequenz, berücksichtigt man zum einen, dass das Prinzip der Wettbewerbsneutralität im Wesentlichen die Gleichbehandlung von im Wettbewerb miteinander stehenden Steuerpflichtigen verlangt. Zum anderen kann dies auch aus den Mehrwertsteuerrichtlinien geschlossen werden, wo in der englischen Fassung der Sechsten MwSt-RL in den Begründungserwägungen nicht von Neutralität sondern von „non-discriminatory“ die Rede ist; die Begrifflichkeiten werden also zugleich an den Sprachgebrauch des Gleichbehandlungsgrundsatzes angepasst. 108 Insgesamt gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz eine gleichmäßige Belastung mit Steuern. Dabei wird das Leistungsfähigkeitsprinzip als Ausdruck einer gleichmäßigen Verteilung der Steuerlast verstanden. 109 Daher rechtfertigt sich die Mehrwertsteuer als Steuer auf die Leistungsfähigkeit indizierende Einkommensverwendung. 110 Daraus kann gefolgert werden, dass Endverbraucher, sofern sie Einkommen verwenden, also im Sinne der
107 108 109 110
378); allgemein auch Theile, Wettbewerbsneutralität der harmonisierten Umsatzsteuer, 1995, S. 139 f. Vgl. EuGH, Urteil v. 8.6.2006 – C-106/05 (L.u.P.), Rz. 48 m.w.N.; zuletzt v. 31.1.2013 – C-643/11 (LVK), Rz. 55. Vgl. auch Fantozzi, in: FS für Frans Vanistendael, 2008, S. 387 (392), der insofern auch die gescheiterte Europäische Verfassung als Erkenntnisquelle heranzieht. Vgl. ausführlich zum Leistungsfähigkeitsprinzip anstatt vieler Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 3 Rz. 40 ff. Siehe dazu auch oben 2. Teil: I. 2. b).
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Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
Mehrwertsteuer als Verbrauchsteuer verbrauchen, gleichmäßig mit Mehrwertsteuer belastet werden müssen. 111 Folglich kann das Neutralitätsprinzip auch in seiner Ausprägung als Belastungsgleichheit aus dem primärrechtlich niedergelegten Gleichbehandlungsgrundsatz hergeleitet werden. 112 Es handelt sich bei dem Grundsatz der Gleichbehandlung um eines der grundlegenden Prinzipien des Unionssrechts 113, welches sich nicht in einem speziellen Artikel der Verträge wiederfindet. Die speziellen Diskriminierungsverbote zum Beispiel in Art. 18 AEUV sind nur Konkretisierungen beziehungsweise Ergänzungen dieses Grundprinzips. 114 Der EuGH leitet den Grundsatz wie alle Unionsgrundrechte aus den Verträgen, den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und insbesondere auch aus der Europäischen Charta für Menschenrechte her. 115 Insbesondere aus Art. 51 Abs. 1 der Europäischen Charta für Menschenrechte ergibt sich dabei ausdrücklich die Verbindlichkeit des in Art. 20 der Charta niedergelegten Gleichbehandlungsgrundsatzes für die Organe der Europäischen Union und die Mitgliedstaaten. Der Allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden. Eine Differenzierung ist nur möglich, wenn sie durch objektive Gründe gerechtfertigt werden kann. 116 Eine Verletzung liegt vor, wenn vergleichbare Sachverhalte ungleich behandelt werden und
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Vgl. Englisch, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 1 (20 f.); ders., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 25. Vgl. Englisch, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 1 (21); ders., in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 25. Vgl. anstatt vieler EuGH, Urteil v. 25.11.1986 – 201/85 (Klensch u.a.), Rz. 9 m.w.N.; v. 10.3.1998 – C-364/95 (T. Port), Rz. 81; v. 16.12.2008 – C-127/07 (Arcelor Atlantique et Lorraine u.a.), Rz. 23. Vgl. EuGH, Urteil v. 19.10.1977 – 117/76 (Ruckdeschel u.a.), Rz. 7; Ehlers, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 7 Rz. 15 und § 14 Rz. 22. Vgl. EuGH, Urteil v. 22.10.2002 – C-94/00 (Roquette Frères), Rz. 23; ausführlich zur Rechtsprechungsentwicklung Walter, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 1 Rz. 27 ff.; siehe auch Englisch, in: Weber (Hrsg.), Traditional and Alternative Routes to European Tax Integration, 2010, S. 231 (238); Neuner, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 3. Aufl. 2014, § 12 Rz. 32. Vgl. EuGH, Urteil v. 19.10.1977 – 117/76 (Ruckdeschel u.a.), Rz. 7; v. 15.4.1997 – C27/95 (Bakers of Nailsea), Rz. 27; v. 10.4.2008 – C-309/06 (Marks & Spencer), Rz. 51; v. 16.12.2008 – C-127/07 (Arcelor Atlantique et Lorraine u.a.), Rz. 23.
Neutralitätsprinzip
dadurch bestimmte Personen gegenüber anderen benachteiligt werden. 117 Umgekehrt liegt ebenfalls eine Verletzung vor, wenn nicht vergleichbare Sachverhalte gleich behandelt werden. Maßgeblich kommt es daher zunächst auf die Vergleichbarkeit der betreffenden Sachverhalte an. Die Vergleichbarkeit muss insbesondere unter Berücksichtigung des Ziels und des Zwecks der fraglichen Unionsmaßnahme und des Regelungsbereichs beurteilt werden. 118 Gründe zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Gleichem beziehungsweise Gleichbehandlung von Ungleichem müssen insbesondere objektiv und angemessen sein. Dies ist der Fall, wenn sie ein rechtlich zulässiges Ziel verfolgen und die Ungleichbehandlung / Gleichbehandlung im Verhältnis zu diesem Ziel angemessen ist. 119 Es stellt sich die Frage, warum überhaupt zwischen dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Prinzip der Wettbewerbsneutralität unterschieden wird, wenn das eine ohnehin eine Ausprägung des anderen sein soll. Der EuGH sieht folgenden Unterschied: Ein Verstoß gegen das Neutralitätsprinzip sei nur zwischen konkurrierenden Wirtschaftsteilnehmern möglich. Gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz kann hingegen auch durch andere Ungleichbehandlungen verstoßen werden. 120 Daneben ist jedoch ein weiterer Aspekt zu berücksichtigen. Der EuGH stellt klar, dass das Neutralitätsprinzip im Gegensatz zum Gleichheitsgrundsatz keinen Verfassungsrang hat und daher einer gesetzgeberischen Ausarbeitung durch Sekundärrecht bedarf.121 Das Neutralitätsprinzip ist folglich nicht in den primärrechtlichen Verträgen verwurzelt. Das Neutralitätsprinzip ist entsprechend enger als der Gleichheitsgrundsatz. Hieraus erklärt sich auch die Unterscheidung des EuGH bezüglich der möglichen Verstöße gegen die beiden Grundsätze. Eine Diskriminierung im Sinne der Wettbewerbsneutralität muss mehrwertsteuerspezifisch, also systemspezifisch, sein. 122 Der Richtliniengeber definiert in den Richtlinien, was ein (System-)Verstoß ist und was nicht, indem er eine Systementscheidung bezüglich des Mehrwertsteuersystems getroffen hat. Er kann hingegen nicht ohne Weiteres definieren, was ein Verstoß gegen den 117 118 119 120 121 122
Vgl. EuGH, Urteil v. 16.12.2008 – C-127/07 (Arcelor Atlantique et Lorraine u.a.), Rz. 39 m.w.N. Vgl. EuGH, Urteil v. 16.12.2008 – C-127/07 (Arcelor Atlantique et Lorraine u.a.), Rz. 26 m.w.N. Vgl. EuGH, Urteil v. 16.12.2008 – C-127/07 (Arcelor Atlantique et Lorraine u.a.), Rz. 47. Vgl. EuGH, Urteil v. 10.4.2008 – C-309/06 (Marks & Spencer), Rz. 49. Vgl. EuGH, Urteil v. 29.10.2009 – C-174/08 (NCC Construction), Rz. 42; v. 15.11.2012 – C-174/11 (Zimmermann), Rz. 50. Vgl. auch Englisch, in: Weber (Hrsg.), Traditional and Alternative Routes to European Tax Integration, 2008, S. 231 (240).
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Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
Gleichheitsgrundsatz ist. Dies hieße, den Gleichheitsgrundsatz einzuschränken, was nur bei objektiver Rechtfertigung möglich ist. Zugleich muss sich seine Definition an dem Gleichheitsgrundsatz messen. Entsprechend sind die möglichen Diskriminierungen im Rahmen des Gleichheitsgrundsatzes verglichen mit dem Neutralitätsprinzip weiter und nicht mehrwertsteuerspezifisch. Das Neutralitätsprinzip konkretisiert also entsprechend dem gesetzgeberischen Willen des Richtliniengebers das allgemeine primärrechtliche Prinzip. So erklärt sich auch die Äußerung des EuGH, dass sich das Neutralitätsprinzip aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitet und der gesetzgeberischen Ausarbeitung bedarf. Ausarbeitung ist nicht im Sinne von Einschränkung, sondern im Sinne von systemspezifischer Konkretisierung zu versteverstehen. Konkretisierung meint dabei, dass der Richtliniengeber den Gleichbehandlungsgrundsatz in Bezug auf einen speziellen Regelungsbereich mit besonderen Eigenarten und Zielen belegen und deuten will. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird also konkret in ein System, nämlich das Mehrwertsteuersystem, mit entsprechenden Zielen und Zwecksetzungen eingebettet. Insofern sind auch die vom EuGH angesprochenen Klarstellungen in den Mehrwertsteuerrichtlinien zu verstehen, deren Gegenstand das Neutralitätsprinzip ist. 123 Durch die Klarstellungen sollen der Wille und die Ziele des Richtliniengebers in Bezug auf das Mehrwertsteuersystem zum Ausdruck kommen. So erklärt sich die Beschreibung des EuGH vom Neutralitätsprinzip als Auslegungsgrundsatz, da der gesetzgeberische Wille neben dem Wortlaut maßgebliches Auslegungskriterium ist. 124 Aus den soeben gemachten Ausführungen folgt auch, dass ein Verstoß gegen das Neutralitätsprinzip in seiner Ausprägung als Wettbewerbsneutralität als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz einer Rechtfertigung durch objektive Gründe bedarf (siehe oben). 125 Denn andernfalls würden je nach Ausprägung des Gleichheitsgrundsatzes unterschiedliche Rechtfertigungsmaßstäbe gelten.
III. Praktikabilitäts- und Verhältnismäßigkeitsaspekte Neben dem Verbrauchsortprinzip und dem Neutralitätsprinzip soll noch ein weiterer Maßstab entwickelt werden, der sich unter dem Begriff Praktikabilitätsaspekte zusammenfassen lässt. 123 124 125
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Vgl. EuGH, Urteil v. 29.10.2009 – C-174/08 (NCC Construction), Rz. 43. Vgl. EuGH, Urteil v. 19.7.2012 – C-44/11 (Deutsche Bank), Rz. 45. Wohl insgesamt anders Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 24. So wohl auch EuGH, Urteil v. 29.10.2009 – C-174/08 (NCC Construction), Rz. 44 ff.
Praktikabilitäts- und Verhältnismäßigkeitsaspekte
Das europäische Mehrwertsteuersystem, ausgestaltet als Allphasen-NettoMehrwertsteuer mit Vorsteuerabzug, hat einen wesentlichen Grundgedanken. Durch die Einbehaltung und Abführung der Mehrwertsteuer muss der Steuerpflichtige selbstständig und im Interesse des Fiskus die geschuldete Mehrwertsteuer berechnen und abführen. Der Steuerpflichtige – und nicht die Finanzverwaltungen oder der Steuerträger – ist „Steuereinsammler“ 126. Dem Steuerpflichtigen werden somit besondere Pflichten übertragen, die bei anderen Steuern in der Regel den Finanzverwaltungen und dem Steuerträger obliegen. Aufgrund dieser erhöhten Pflichtenstellung muss ein Ausgleich für den Steuerpflichtigen dahingehend gefunden werden, dass die Pflichten und Risiken nicht in unverhältnismäßigem Maße einschränkend wirken. Andernfalls könnte im Einzelfall mit guten Gründen über einen ungerechtfertigten Eingriff in primärrechtlich gewährleistete Rechte, insbesondere die Grundfreiheiten, diskutiert werden. Die Pflichten dürfen nicht über das Maß des „Machbaren“ hinausgehen. Die Risiken dürfen nicht unverhältnismäßig belasten. Dies lässt sich als Bewertungsmaßstab wie folgt zusammenfassen: Die Pflichten des Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit der korrekten Einbehaltung und Abführung der Mehrwertsteuer dürfen nur so weit gehen, wie der Steuerpflichtige sie bei durchschnittlichem Sachverhalt mit einem zumutbaren Zeitaufwand und Kostenaufwand erfüllen kann. Daneben darf das Risiko einer fehlerhaften Beurteilung eines Sachverhalts in tatsächlicher oder mehrwertsteuerrechtlicher Hinsicht zu Lasten des Steuerpflichtigen nicht unangemessen hoch sein. Es handelt sich bei dem so ausgestalteten Praktikabilitätsmaßstab im Ergebnis um eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist ebenfalls als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts anerkannt. 127 Zumeist wird er durch den EuGH zur Rechtfertigung von Eingriffen insbesondere in unionsrechtliche Grundrechte und Grundfreiheiten herangezogen. 128 Dabei kommt es darauf an, dass der fragliche Eingriff einem legitimen Zweck dient. Der Eingriff muss zur Erfüllung dieses Zweckes geeignet und erforderlich sein und schließlich in einem angemessenen Verhältnis zum beeinträchtigten Recht stehen. Geeignetheit ist zu bejahen, wenn das beeinträchtigende Mittel den Zweck voraussichtlich 126 127
128
Englisch, IStR 2009, 526 (528). Vgl. auch EuGH, Urteil v. 21.2.2008 – C-271/06 (Netto Supermarkt), Rz. 21. Vgl. EuGH, Urteil v. 11.7.1989 – 265/87 (Schräder), Rz. 21; v. 11.5.2006 – C-384/04 (FTI), Rz. 29; Ehlers, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 7 Rz. 129. Vgl. beispielsweise EuGH, Urteil v. 1.12.2011 – C-250/08 (Kommission/Belgien), Rz. 68 m.w.N.
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Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
erreichen kann, es muss also fördernden Charakter haben. Das Mittel ist zudem erforderlich, wenn es keine weniger beeinträchtigenden Mittel gibt, die dennoch die gleiche Wirksamkeit haben. Abschließend müssen die gegeneinander streitenden Interessen, also der verfolgte Zweck und die betroffene Grundfreiheit / Grundrecht miteinander ins Gewicht gesetzt und abgewogen werden. 129 Bezogen auf das Mehrwertsteuersystem muss die Inanspruchnahme der Steuerpflichtigen daher grundsätzlich einen legitimen Zweck verfolgen, zu dessen Erfüllung geeignet und erforderlich und bezüglich der entstehenden Nachteile verhältnismäßig sein. Bezogen auf den geeigneten und erforderlichen Zweck ist insofern wieder darauf zu verweisen, dass es sich bei der Mehrwertsteuer um eine Allphasen-Netto-Umsatzsteuer handelt. Die Erhebung erfolgt also auf jeder Stufe, auch wenn im Ergebnis nur der private Endverbraucher belastet werden soll. Die Alternative, dass der private Endverbraucher die Steuer abführen muss, muss hier jedoch abgelehnt werden. Der Fiskus hätte kaum Kontrollmöglichkeiten gegenüber der Vielzahl an privaten Endkonsumenten. Diesen kann zudem nicht zugetraut werden, sich umfassend mit den Mehrwertsteuerregelungen auch in anderen Ländern auseinanderzusetzen. Des Weiteren gibt es eine schier unfassbare Menge an Endverbrauchern und Verbrauchstatbeständen, jedoch weit weniger Steuerpflichtige. Die effektive Steuererhebung wäre demnach eklatant gefährdet, würde man dem Endverbraucher die Pflicht auferlegen, Steuern abzuführen. Eine effektive und umfassende Steuererhebung kann daher wesentlich besser erreicht werden, indem man Steuerpflichtige zum Steuereinsammler macht. In diesen Überlegungen ist der legitime Zweck zu sehen, der es geeignet und erforderlich macht, die Mehrwertsteuer durch Steuerpflichtige abführen zu lassen. Die Pflichten des Steuerpflichtigen müssen insbesondere mit Bezug zu den Ortsbestimmungsregeln und deren Anwendung insofern praktikabel sein, als dass der Steuerpflichtige im Rahmen seiner üblichen Möglichkeiten in der Lage ist, die Anforderungen der Ortsbestimmungsregeln zu bestimmen und zu erfüllen. Es kann sich hierbei jedoch stets nur um eine Regelfallbetrachtung handeln, das heißt, die Praktikabilitätserwägungen müssen auf eine Vielzahl von üblichen Fällen abgestimmt sein und nicht jeden einzelnen und 129
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Vgl. insgesamt EuGH, Urteil v. 11.7.1989 – 265/87 (Schräder), Rz. 21; v. 17.1.2008 – C-37, 58/06 (Viamex Agrar u.a.), Rz. 35; Scheuing, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, 3. Aufl. 2015, § 6 Rz. 43; zusammenfassend zu den Merkmalen Ehlers, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 7 Rz. 130; Englisch, in: Weber (Hrsg.), Traditional and Alternative Routes to European Tax Integration, 2010, S. 231 (235 f.).
Praktikabilitäts- und Verhältnismäßigkeitsaspekte
außergewöhnlichen Sonderfall berücksichtigen. Praktikabel ist es also, wenn der richtige Leistungsort unter verhältnismäßigem Umfang im Regelfall fehlerfrei bestimmt werden kann. Konkret bedeutet dies, dass der Leistungsort vom Steuerpflichtigen durch die ihm üblicherweise zur Verfügung stehenden Informationen und anhand eindeutig bestimmbarer Kriterien ermittelt werden kann. Es darf nur das zu Grunde gelegt werden, was der Steuerpflichtige auch wissen kann. Insbesondere die Anknüpfungskriterien müssen sich mit diesen Mitteln eindeutig definieren lassen, es darf keine Auslegungsschwierigkeiten und -zweifel geben. Zudem muss sich der zeitliche, technische und personelle Aufwand in angemessenen Grenzen halten. 130 Die Ortsbestimmungsregeln müssen demnach einfach und eindeutig, effizient und kostengünstig zu erfüllen und anzuwenden sein. 131 Da die Ortsbestimmungsregeln aufgrund ihrer Natur zwangsläufig grenzüberschreitende Bezüge aufweisen, müssen vor allem die damit einhergehenden erhöhten Kosten und Risiken sowie der höhere Aufwand für den Steuerpflichtigen verhältnismäßig sein. Dies gilt insbesondere bei der Bestimmung eines im Ausland liegenden Verbrauchsortes, welcher üblicherweise aufgrund von Sprachbarrieren, Unkenntnis örtlicher Rechtslagen und ganz allgemein anderer Verkehrssitten höheren Aufwand und Risiken bei der Anwendung der Ortsbestimmungsregeln mit sich bringt. Diese Schwierigkeiten müssen zum einen reduziert werden und zum anderen so wenig wie möglich zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen. Werden die Anforderungen an eine optimale Ortsbestimmungsregel, wie sie oben formuliert wurden, gewährleistet, sind die mit der Befolgung der mehrwertsteuerrechtlichen Regeln einhergehenden Kosten erwartungsgemäß angemessen gering, sowohl bei einem Verbrauchsort im Inland als auch im Ausland. Zugleich minimieren zweifelsfrei anwendbare Ortsbestimmungsregeln das Risiko einer fehlerhaften Beurteilung mehrwertsteuerlicher Sachverhalte. Ist die Wahrscheinlichkeit der fehlerhaften Anwendung der Ortsbestimmungsregeln jedoch aufgrund ihrer optimalen Ausgestaltung gering, ist zugleich die Wahrscheinlichkeit, dass der Steuerpflichtige wegen der mit der fehlerhaften Beurteilung einhergehenden Steuerausfällen belastet wird, reduziert. Letztlich geht der Praktikabilitätsmaßstab im hier verstandenen Sinne jedoch über diese Verhältnismäßigkeitsüberlegungen hinaus beziehungsweise 130 131
Vgl. Turnier, Tax Law Review 1984, 435 (436 f., 458). Vgl. Kogels, Bull. Int. Tax. 2006, 375 (376); siehe auch Herzig/Watrin, StuW 2000, 378 (383).
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Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
ist konkreter. Denn eine Regel muss nicht nur für den Steuerpflichtigen als Steuereinsammler praktikabel sein. Auch die Finanzverwaltung muss im Rahmen des geltenden Rechts in der Lage sein, den Leistungsort zu bestimmen. Da jedoch im Gegensatz zum Steuerpflichtigen die Finanzverwaltung als Teil der Staatsgewalt nicht durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geschützt ist, muss der Aufwand nicht verhältnismäßig sein und können zum Beispiel Auslegungsschwierigkeiten insofern zu ihren Lasten fallen. 132 Dies bedeutet jedoch nicht, dass aus Sicht der Finanzverwaltung Praktikabilitätsüberlegungen überhaupt keine Rolle spielen. Denn auch für den Fiskus ist nur die Steuer sinnvoll, die in einem grundsätzlich durchführbaren Verfahren erhoben werden kann. Im Ergebnis heißt dies, dass zur Bestimmung des Leistungsortes nur solche Kriterien herangezogen werden können, die überhaupt bestimmt und ermittelbar sind. Wenn die Finanzverwaltung sie – auch unter großem Aufwand – nicht ermitteln kann, handelt es sich in der Regel nicht um praktikable Ortsbestimmungsregeln. Daher gelten auch zugunsten der Finanzverwaltung grundsätzlich die bereits oben aufgestellten Anforderungen an einfach, effizient, kostengünstig und zweifelsfrei anwendbare Ortsbestimmungsregeln. Während jedoch bei Steuerpflichtigen die praktikable Abführung der Mehrwertsteuer vorrangig von Bedeutung ist, sind für die Finanzverwaltung insbesondere die Kontrollfähigkeit und Durchsetzbarkeit der richtigen Anwendung der Ortsbestimmungsregeln relevant. Denn es ist Aufgabe der Finanzverwaltung, die Einhaltung der steuerlichen Regeln zu überwachen und so zu gewährleisten, dass der Fiskus Steuern im Rahmen der Steuergesetze erhebt. Dabei haben insbesondere Erklärungspflichten der Steuerpflichtigen große Bedeutung, da diese eine Überprüfung der Steuerpflichtigen und ihres Handelns häufig erst ermöglichen. Daneben ist es aus Sicht der Finanzverwaltung erforderlich, dass die Ortsbestimmungsregeln auf eine Vielzahl von Einzelfällen eindeutig und effizient angewandt werden können. Denn im Gegensatz zu Steuerpflichtigen, die nur ihre eigenen Leistungsbeziehungen beurteilen müssen, ist die Finanzverwaltung mit den unterschiedlichsten Unternehmen und Steuerpflichtigen konfrontiert. Häufig werden diese Ziele der Steuerpflichtigen einerseits und der Finanzverwaltung andererseits im Hinblick auf die praktikable Anwendung der mehrwertsteuerrechtlichen Regelungen miteinander im Konflikt stehen. Je höher nämlich die Kontrolldichte durch die Finanzverwaltung ist, desto höher werden regelmäßig die Befolgungspflichten für die Steuerpflichtigen 132
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Vgl. Ehlers, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 7 Rz. 52 und § 14 Rz. 59.
Anwendung der erarbeiteten Maßstäbe als Prüfungsmaßstab
sein. Beispielsweise kann die Finanzverwaltung durch weitreichende Erklärungspflichten die Einhaltung der Steuergesetze einfach kontrollieren und damit die Durchsetzung derselben gewährleisten. Weitreichende Erklärungspflichten sind jedoch aus Sicht der Steuerpflichtigen gleichbedeutend mit hohem zeitlichem und personellem, also kostenintensivem Aufwand, was einer praktikablen Anwendbarkeit entgegensteht. Daher muss eine Ortsbestimmungsregel nicht nur möglichst weitreichend den Anforderungen an eine praktikable Regel für Steuerpflichtige und Finanzverwaltung gerecht werden. Zugleich müssen die hier widerstreitenden Interessen in ein angemessenes Verhältnis gesetzt werden. Zugunsten der Steuerpflichtigen ist dabei der bereits oben erörterte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen, welcher zugleich die Finanverwaltung als Teil staatlicher Hoheit bindet. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle Kriterien und Pflichten, die mit der Ortsbestimmung einhergehen, anhand dieses Praktikabilitätsmaßstabes zu messen sind. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Einfachheit und Eindeutigkeit der Ortsbestimmungsregeln sowie ihre rechtssichere, kostengünstige und effiziente Anwendung. Dabei muss häufig ein Ausgleich zu den oben erarbeiteten Maßstäben (Verbrauchsortprinzip und Neutralitätsprinzip) hergestellt werden.
IV. Anwendung der erarbeiteten Maßstäbe als Prüfungsmaßstab Die soeben erarbeiteten Bewertungsmaßstäbe und -regeln – Verbrauchsortprinzip, Neutralitätsprinzip und Praktikabilitätserwägungen – müssen nunmehr in der folgenden Bewertung der Ortsbestimmungsregeln nach der MwStSyst-RL und dem OECD-Vorschlag berücksichtigt werden. Dafür werden die jeweiligen Regeln dargestellt und sodann anhand dieser Maßstäbe bewertet. Der Blick soll dabei insbesondere auf die Verwirklichung der Maßstäbe durch die Ortsbestimmungsregeln gerichtet werden. Jedoch ist stets zu beachten, dass sich die verschiedenen Maßstäbe – insbesondere das Verbrauchsortprinzip auf der einen und Praktikabilitätsaspekte auf der anderen Seite – nicht immer vollständig in Einklang miteinander bringen lassen und sich teilweise sogar widersprechen. 133 Ziel einer jeden Ortsbestim133
Siehe dazu im Einzelnen die folgende Bewertung anhand der Maßstäbe. Siehe auch Englisch, in: Weber (Hrsg.), Traditional and Alternative Routes to European Tax Integration, 2010, S. 231 (237), wonach dies geradezu in der Natur von Prinzipien liegt. Vellen spricht insofern von der „Quadratur des Kreises“, will man die verschiedenen
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Relevante Grundsätze des harmonisierten Mehrwertsteuersystems
mungsregel kann daher nicht die vollkommene Verwirklichung aller Prinzipien und Maßstäbe sein. Das Ideal ist es demnach, die verschiedenen Maßstäbe in einen möglichst schonenden Ausgleich miteinander zu bringen. Insofern kann an die im deutschen Verfassungsrecht bekannte Idee einer praktischen Konkordanz erinnert werden. Danach darf ein verfassungsrechtlich verankertes Interesse nicht völlig zu Gunsten eines anderen verfassungsrechtlich verankerten Interesses zurücktreten, da diese Interessen grundsätzlich gleichwertig sind. Dies gilt auch für die genannten Maßstäbe. Keiner ist grundsätzlich vor- oder nachrangig zu berücksichtigen.
Prinzipien miteinander in Einklang bringen, vgl. in: Nieskens/Scheffler (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 1999/2000, S. 13 (45).
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3. Teil: Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL I.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
Die Zuordnung von Besteuerungsrechten bei Dienstleistungen bestimmt sich maßgeblich nach den Ortsbestimmungsregeln in Titel V Kapitel 3 der MwStSyst-RL. Dabei wird in Art. 43 MwStSyst-RL zunächst der Begriff des Steuerpflichtigen für die Zwecke der Bestimmung des Ortes der Dienstleistung definiert. Sodann folgen in Art. 44, 45 MwStSyst-RL allgemeine Regeln für die Dienstleistung an steuerpflichtige beziehungsweise nichtsteuerpflichtige Empfänger. Sonderregeln enthalten die Art. 46 ff. MwStSyst-RL. Bevor man jedoch den Ort einer Dienstleistung bestimmen kann, muss entsprechend der Systematik der MwStSyst-RL zunächst geprüft werden, ob ein Steuerpflichtiger (Titel III der MwStSyst-RL) einen steuerbaren Umsatz (Titel IV – genauer Kapitel 3 – MwStSyst-RL) tätigt. Es folgt danach die Bestimmung, an welchem Ort die Dienstleistung (als steuerbarer Umsatz) der Mehrwertsteuer unterfällt. Entsprechend dieser Systematik sollen im Folgenden die wesentlichen Merkmale kurz dargestellt werden. In Gliederungspunkt II. werden danach einzelne Aspekte, die von besonderer Relevanz für die vorliegende Thematik sind, genauer untersucht. Dabei ist insgesamt zu beachten, dass das Thema dieser Arbeit die Beteiligung mehrerer fester Niederlassungen an einer (Dienst-)Leistung betrifft. Ein Schwerpunkt der Bearbeitung liegt in dieser Hinsicht auf unternehmensinternen Dienstleistungen, da diese auch Kern des ebenfalls zu untersuchenden OECD-Vorschlags sind. Daher werden Bestimmungen, die diese Aspekte betreffen, schwerpunktmäßig untersucht. 1.
Steuerpflichtiger
Die Frage, ob ein Steuerpflichtiger handelt, sei es als Leistender oder als Leistungsempfänger, ist in vielfältiger Hinsicht von Relevanz im Mehrwertsteuerrecht. Zunächst ist nur der Steuerpflichtige grundsätzlich Steuerschuldner (vgl. Art. 193 ff. MwStSyst-RL) und damit „Steuereinsammler“ 134 für den Staat. Daher regelt Art. 2 Abs. 1 lit. c) MwStSyst-RL ausdrücklich, dass nur die Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterliegen, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt. Der Steuerpflichtige soll 134
Anstatt vieler Tumpel, in: DStJG Band 32, 2009, S. 53 (87).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
jedoch entsprechend der Belastungskonzeption die an den Fiskus abgeführte Mehrwertsteuer auf den Endverbraucher als vorgesehenen Steuerträger überwälzen. 135 Daher muss der Steuerpflichtige vom Endverbraucher abgegrenzt werden. Des Weiteren sei darauf hingewiesen, dass die Eigenschaft des Steuerpflichtigen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL an verschiedenen Stellen in der Mehrwertsteuersystematik relevant wird. So kann nur ein Steuerpflichtiger ein Vorsteuerabzugsrecht geltend machen (vgl. Art. 168 MwStSyst-RL). Mit Bezug auf die Ortsbestimmungsregeln hat die Frage, ob ein Dienstleistungsempfänger Steuerpflichtiger ist, spätestens seit dem sogenannten Mehrwertsteuerpaket 136 besondere Wichtigkeit erlangt. Während zuvor für die Subsumtion unter verschiedene Ortsbestimmungsregeln in erster Linie die Qualifikation der Leistung als Lieferung oder Dienstleistung und dort jeweils in verschiedene Unterkategorien ausschlaggebend war, differenzieren die „neuen“ Ortsbestimmungsregeln zunächst danach, ob der Empfänger Steuerpflichtiger oder Nicht-Steuerpflichtiger ist. 137 Induktiv sind insofern insbesondere die Grundregeln in Art. 44, 45 MwStSyst-RL. Bevor also einem Land das Besteuerungsrecht zugewiesen werden kann, muss zunächst untersucht werden, ob der Dienstleistungsempfänger steuerpflichtig oder nicht-steuerpflichtig ist. In diesem Zusammenhang muss mit Blick auf den Begriff des Steuerpflichtigen eine weitere Differenzierung vorgenommen werden. Grundsätzlich ist Steuerpflichtiger im Sinne der Art. 44 ff. MwStSyst-RL, wer die Merkmale des Art. 9 MwStSyst-RL verwirklicht. Daneben findet sich jedoch in Art. 43 MwStSyst-RL eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Art. 44 ff. MwStSyst-RL. Danach gelten auch bestimmte andere Dienstleistungserbringer beziehungsweise -empfänger für Zwecke der Ortsbestimmungsregeln als Steuerpflichtige, die nicht von Art. 9 MwStSyst-RL erfasst sind. Bei Verwendung des Begriffs des Steuerpflichtigen
135 136
137
40
Siehe hierzu bereits oben 2. Teil: I. 1. Die Ortsbestimmungsregeln in der MwStSyst-RL wurden durch die RL 2008/8/EG des Rates v. 12.2.2008 zur Änderung der RL 2006/112/EG bezüglich des Ortes der Dienstleistung als Teil des sogenannten Mehrwertsteuerpakets umfassend reformiert. Die alte Grundregel in Art. 43 MwStSyst-RL a.F. legte unabhängig vom Empfänger den Ursprungsort als Ort der Dienstleistung fest. Ebenso differenzierten die meisten Sonderregeln in den Art. 44 ff. MwStSyst-RL a.F. nicht nach steuerpflichtigem und nicht-steuerpflichtigem Empfänger (eine der wenige Ausnahmen findet sich in Art. 56 MwStSyst-RL a.F.); relevant war zumeist allein die Qualifikation der Leistung. Maßgeblich für die vorliegende Bearbeitung sind die neuen Regeln. Vgl. Kindl/Reinbacher, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Leistungsort der Umsatzsteuer, 2009, S. 143 (145), insgesamt sehr ausführlich zu den Unterschieden zwischen den alten und den neuen Ortsbestimmungsregeln.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
muss dementsprechend differenziert werden, in welchem Sinne er zu verstehen ist. 138 Im Folgenden sollen daher unabhängig von der Eigenschaft als Leistungserbringer und Leistungsempfänger allgemein einige Merkmale des Steuerpflichtigen angesprochen werden. Danach ist auf die spezielle Regelung in Art. 43 MwStSyst-RL einzugehen. Wenn nun im Folgenden der Begriff des Steuerpflichtigen definiert und erörtert wird, wird die vom EuGH entwickelte Auslegungsmethodik neben den bereits erarbeiteten Maßstäben zu beachten sein. Diese Auslegungsmethodik, welche der EuGH bei Auslegung von Primär- oder Sekundärrecht anwendet, lässt sich in vier Teilaspekte einteilen: die Wortlautauslegung, die historische Auslegung, die systematische Auslegung und die teleologische Auslegung. 139 Dabei werden nicht immer alle vier Auslegungsmethoden in gleichem Maße angewendet. Dies folgt zum einen daraus, dass die verschiedenen Methoden durchaus zu verschiedenen Ergebnissen führen können. Zum anderen ergeben Normen nicht immer bezüglich aller vier Methoden Ergebnisse. Grundlegend zu beachten ist jedoch, dass der Wortlaut die äußerste Grenze jeder Auslegung bildet. 140 Zudem ist insbesondere die historische Auslegung nicht immer aussagekräftig, da Gesetzesmaterialien nur teilweise einsehbar sind und daher die Entstehungsgeschichte einer Norm nicht immer akkurat nachverfolgt werden kann. 141 Soweit im Übrigen keine klaren Auslegungsergebnisse zustande kommen beziehungsweise eine Norm auf verschiedene Weisen ausgelegt werden kann, ist grundsätzlich die Auslegungsweise zu wählen, die die grundlegenden Prinzipien und Ziele des
138 139
140 141
Vgl. ausführlich zur Regelung des Art. 43 MwStSyst-RL unten 3. Teil: I. 1. b). Vgl. EuGH, Urteil v. 5.2.1963 – 26/62 (van Gend & Loos), Slg. 1962, 7 (24); v. 9.8.1994 – C-327/91 (Kommission / Frankreich), Rz. 33 ff., 39; v. 6.5.2003 – C104/01 (Libertel), Rz. 25, 52 ff., 59; Borchardt, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, 3. Aufl. 2015, § 15 Rz. 34, 40, 45; Monfort, UR 2009, 301 (305); ausführlich zu den Auslegungsmethoden Anweiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, 1997, S. 143 ff.; Pechstein/Drechsler, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 3. Aufl. 2014, § 7 Rz. 16 ff. und Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.) Europäische Methodenlehre, 3. Aufl. 2014, § 10 Rz. 12 ff. Vgl. Monfort, UR 2009, 301 (305); Borchardt, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, 3. Aufl. 2015, § 15 Rz. 43, 48. Vgl. Borchardt, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, 3. Aufl. 2015, § 15 Rz. 42; Gaitanides, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 19 EUV Rz. 47; Monfort, UR 2009, 301 (305 f.); Pechstein/Drechsler, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 3. Aufl. 2014, § 7 Rz. 13, 33. Siehe auch EuGH, Urteil v. 6.5.2003 – C-104/01 (Libertel), Rz. 25.
41
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Unionsrechts am besten verwirklicht. 142 Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die Auslegungsmethoden von den grundlegenden Grundsätzen, insbesondere dem Neutralitäts- und Verbrauchsortprinzip, abgegrenzt werden müssen. Die Auslegungsmethoden dienen dabei auch als Mittel, um zu ermitteln, ob die benannten Grundsätze berücksichtigt und umgesetzt wurden. a)
Der Steuerpflichtige nach Art. 9 MwStSyst-RL
Gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. c) MwStSyst-RL unterliegen die hier interessierenden Dienstleistungen der Mehrwertsteuer, wenn sie von einem Steuerpflichtigen gegen Entgelt erbracht werden. Eine Definition des Begriffs des Steuerpflichtigen findet sich sodann in Art. 9 MwStSyst-RL. Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL bestimmt zunächst, dass derjenige als Steuerpflichtiger gilt, der eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt. Es folgt in Art. 9 Abs. 1 UAbs. 1 und 2 MwStSyst-RL eine beispielhafte Aufzählung von Tätigkeiten, die als wirtschaftliche Tätigkeiten gelten. In Art. 10 MwStSyst-RL wird das Merkmal der Selbstständigkeit negativ abgegrenzt. Maßgebliche Merkmale eines Steuerpflichtigen im Sinne der Art. 2 Abs. 1 lit. c), 9 Abs. 1 MwStSyst-RL sind folglich die selbstständige Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Ob diese Merkmale vorliegen, bestimmt sich nach dem Gesamtbild der Umstände im Einzelfall. 143 Aus dem Verbrauchsteuerprinzip und dem Neutralitätsprinzip folgert der EuGH zudem in ständiger Rechtsprechung, dass der Begriff des Steuerpflichtigen weit auszulegen ist. 144 (1)
Wirtschaftliche Tätigkeit
Zunächst setzt die Eigenschaft als Steuerpflichtiger voraus, dass man einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht. Was genau darunter zu verstehen ist, 142
143 144
42
Vgl. Borchardt, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, 3. Aufl. 2015, § 15 Rz. 47; Gaitanides, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 19 EUV Rz. 42; Pechstein/Drechsler, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 3. Aufl. 2014, § 7 Rz. 27, 40. Zum Beispiel das Neutralitätsprinzip wird daher vom EuGH insbesondere auch im Bereich des Mehrwertsteuerrechts umfangreich als Auslegungsmaßstab vor allem zur Ermittlung des gesetzgeberischen Willens (teleologische Auslegung) herangezogen; siehe ausführlich oben 2. Teil: II. 1. Vgl. EuGH, Urteil v. 26.9.1996 – C-230/94 (Enkler), Rz. 24; v. 19.7.2012 – C-263/11 (Rēdlihs), Rz. 40. Vgl. EuGH, Urteil v. 26.3.1987 – 235/85 (Kommission / Niederlande), Rz. 6, 8; v. 21.4.2005 – C-25/03 (HE), Rz. 39 f.; v. 26.6.2007 – C-284/04 (T-Mobile Austria), Rz. 34 f.; Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 623, Brüssel, 29.5.2009, taxud.d.1(2009)130169, S. 5; Bal, IVM 2013, 294 (294); Klose, Die Begriffe des Unternehmers und des Steuerpflichtigen im deutschen und europäischen Umsatzsteuerrecht, 2000, S. 102.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
wird in der MwStSyst-RL nicht gesagt. Jedoch enthält Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 MwStSyst-RL eine beispielhafte Aufzählung von Berufstypen, deren Tätigkeit als wirtschaftliche Tätigkeit gilt. Es handelt sich bei dieser Aufzählung nicht um eine abschließende. Vielmehr gibt sie Anhaltspunkte dafür, welche Tätigkeitsarten typischerweise als wirtschaftliche Tätigkeiten anzusehen sind. Daneben wird außerdem die Nutzung von körperlichen und nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen (Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 MwStSyst-RL) als wirtschaftliche Tätigkeit erfasst. Bei der Auslegung des Begriffs der wirtschaftlichen Tätigkeit liefern schließlich die Art. 9 Abs. 2, 12 MwStSyst-RL Anhaltspunkte. Im Wesentlichen setzt eine wirtschaftliche Tätigkeit drei Merkmale voraus. Die fragliche Person muss steuerbare Umsätze nachhaltig und mit Einnahmenerzielungsabsicht tätigen. 145 Dabei folgt die Voraussetzung, steuerbare Umsätze zur Erzielung von Einnahmen zu erbringen, in der Zusammenschau mit Art. 2 MwStSyst-RL. Folglich kann nur derjenige Steuerpflichtige sein, der Tätigkeiten im Sinne des Art. 2 MwStSyst-RL nachgeht, also Leistungen gegen Entgelt (steuerbare Umsätze) erbringt. 146 Leistungen sind dabei Lieferungen oder Dienstleistungen. Diese müssen in einem Austauschverhältnis erbracht werden, wobei der Steuerpflichtige als Erbringer der Lieferung beziehungsweise Dienstleistung dafür ein Entgelt erlangen muss. 147 Nur dann liegt ein durch einen Steuerpflichtigen erbrachter steuerbarer Umsatz vor. 148 Wichtig ist hier außerdem, die Einnahmenerzielungsabsicht von der Gewinnerzielungsabsicht abzugrenzen. Art. 2 MwStSyst-RL verlangt lediglich, dass der Steuerpflichtige Leistungen gegen Entgelt erbringt, sodass es für 145
146
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148
Vgl. EuGH, Urteil v. 13.12.2007 – C-408/06 (Götz), Rz. 18, 22; Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 40 Rz. 121 f.; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 37, 41 ff. Vgl. EuGH, Urteil v. 1.4.1982 – 89/81 (Hong-Kong Trade Development), Rz. 10 f.; v. 14.11.2000 – C-142/99 (Floridienne und Berginvest), Rz. 19; Klose, Die Begriffe des Unternehmers und des Steuerpflichtigen im deutschen und europäischen Umsatzsteuerrecht, 2000, S. 80; Probst, in: DStJG Band 13, 1990, S. 137 (145 f.); Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 40 Rz. 81; Reiß, in: DStJG Band 32, 2009, S. 9 (36); ders.; in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 42 f.; a.A. wohl Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht, 2005, S. 116. Vgl. EuGH, Urteil v. 13.12.2007 – C-408/06 (Götz), Rz. 18; v. 3.3.1994 – C-16/93 (Tolsma), Rz. 14; v. 14.11.2000 – C-142/99 (Floridienne und Berginvest), Rz. 20. So auch Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 40 Rz. 111; Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht, 2005, S. 37 f.; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 81; Terra/Watell, European Tax Law, 6. Aufl. 2012, S. 309. Siehe dazu auch unten 3. Teil: I. 2. a).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
das Vorliegen eines steuerbaren Umsatzes nur auf die Absicht ankommt, Einnahmen zu erzielen. 149 Entsprechend bestimmt Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL, dass ein wirtschaftlich Tätiger als Steuerpflichtiger gilt, unabhängig von dem Ergebnis der wirtschaftlichen Tätigkeit. Dabei kommt es jedoch nicht auf den inneren, subjektiven Willen des Steuerpflichtigen an. Vielmehr muss das Vorliegen der Einnahmenerzielungsabsicht objektiv anhand der nach Außen erkennbaren Umstände bestimmt werden. 150 Des Weiteren besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass nur derjenige ein Steuerpflichtiger im Sinne der MwStSyst-RL sein kann, der die entgeltlichen Leistungen nachhaltig erbringt. 151 Dies wird unter anderem im Umkehrschluss aus Art. 9 Abs. 2 MwStSyst-RL gefolgert. 152 (2)
Selbstständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit
Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL verlangt ausdrücklich, dass die wirtschaftliche Tätigkeit selbstständig ausgeübt werden muss. In Art. 9 MwStSyst-RL selbst finden sich darüber hinaus keine näheren Erläuterungen dazu, wie dieses Selbstständigkeitskriterium zu verstehen ist. Lediglich in Art. 10 MwStSyst-RL erfolgt eine negative Abgrenzung. Danach sind Lohn- und 149
150
151
152
44
Vgl. insgesamt EuGH, Urteil v. 29.2.1996 – C-110/94 (Inzo), Rz. 18; Kensbock, Der Unternehmerbegriff nach deutschem und europäischem Umsatzsteuerrecht, 2003, S. 93 ff.; Klose, Die Begriffe des Unternehmers und des Steuerpflichtigen im deutschen und europäischen Umsatzsteuerrecht, 2000, S. 106; Langer, in: Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, Art. 9-13 MwStSyst-RL Rz. 16; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 32; Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl. 2011, § 2 Rz. 60; Terra/Kajus, A Guide to the European VAT Directives 2012, Band 1, Kapitel 9.1.2, S. 370; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 62, 457. Vgl. EuGH, Urteil v. 14.2.1985 – 268/83 (Rompelman), Rz. 24; v. 26.3.1987 – 235/85 (Kommission / Niederlande), Rz. 8; v. 26.9.1996 – C-230/94 (Enkler), Rz. 24 ff.; v. 8.6.2000 – C-400/98 (Breitsohl), Rz. 34; v. 21.2.2006 – C-223/03 (University of Huddersfield), Rz. 49 f.; v. 21.2.2006 – C-255/02 (Halifax), Rz. 55; v. 26.6.2007 – C284/04 (T-Mobile Austria), Rz. 35; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 913 MwStSyst-RL Rz. 14; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 43, 45; Terra/Kajus, A Guide to the European VAT Directives 2012, Band 1, Kapitel 9.2, S. 371 und Kapitel 9.3, S. 387. Vgl. ausdrücklich EuGH, Urteil v. 13.12.2007 – C-408/06 (Götz), Rz. 18; Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht, 2005, S. 112, 115; Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 5, 118; Mößlang, UR 1994, 10 (17); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 27; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 57 f.; van Kesteren/Merkx, in: Ecker/Lang/Lejeune (Hrsg.), The Future of Indirect Taxation, 2012, S. 621 (629). Vgl. Bal, IVM 2013, 294 (295); Klose, Die Begriffe des Unternehmers und des Steuerpflichtigen im deutschen und europäischen Umsatzsteuerrecht, 2000, S. 99; Probst, in: DStJG Band 13, 1990, S. 137 (147); Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 118. Im Ergebnis so wohl auch EuGH, Urteil v. 26.9.1996 – C-230/94 (Enkler), Rz. 20; v. 13.6.2013 – C-62/12 (Kostov), Rz. 28 ff.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
Gehaltsempfänger sowie sonstige Personen nicht selbstständig im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL tätig, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind. Dieses Verhältnis muss hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schaffen. Diese Kriterien betreffen offensichtlich nur natürliche Personen. Offen bleibt also, unter welchen Voraussetzungen juristische Personen und andere Vereinigungen selbstständig sind. Diese Frage ist insbesondere mit Bezug auf die hier interessierenden festen Niederlassungen von Bedeutung. Denn von der (Un-)Selbstständigkeit solcher Niederlassungen hängt neben dem Status als eigenständiger Steuerpflichtiger auch die Behandlung unternehmensinterner Leistungen ab. 153 Bevor auf diese Aspekte in den folgenden Kapiteln eingegangen wird, ist daher bereits an dieser Stelle das Merkmal der Selbstständigkeit abstrakt zu untersuchen. Durch Auslegung ist im Folgenden zu ermitteln, wie das Selbstständigkeitsmerkmal mit Blick auf natürliche / juristische Personen und andere Zusammenschlüsse zu verstehen ist. Dabei könnten die Art. 10, 11 MwStSyst-RL weitere Anhaltspunkte liefern. (a)
Konkretisierung durch Rückgriff auf Art. 10 MwStSyst-RL
Geht man zunächst vom Wortlaut des Art. 10 MwStSyst-RL aus, so gibt das Erfordernis eines Unterordnungsverhältnisses maßgebliche Hinweise auf das Selbstständigkeitsmerkmal. Dieses Unterordnungsverhältnis muss bezüglich der Arbeitsbedingungen, des Arbeitsentgelts und der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers bestehen. Auch der EuGH hat in seiner Rechtsprechung dieses Merkmal maßgeblich gewürdigt. 154 Konkret verneint er ein Unterordnungsverhältnis, wenn die fragliche Person ihrer Tätigkeit für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung sowie in eigenem Namen nachkommt und die Modalitäten der Arbeitsausübung und der Entgelteinnahme selbst regelt. 155 Die Person darf also nicht in den Betrieb einer
153 154
155
Siehe dazu ausführlich unten 3. Teil: I. 3. c) (2) und II. EuGH, Urteil v. 26.3.1987 – 235/85 (Kommission / Niederlande), Rz. 14; v. 25.7.1991 – C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla), Rz. 10; v. 27.1.2000 – C-23/98 (Heerma), Rz. 18. Vgl. EuGH, Urteil v. 26.3.1987 – 235/85 (Kommission / Niederlande), Rz. 14; v. 25.7.1991 – C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla), Rz. 11 ff.; v. 27.1.2000 – C-23/98 (Heerma), Rz. 18; v. 18.10.2007 – C-355/06 (van der Steen), Rz. 22 f.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
anderen eingegliedert sein. 156 Indizien hierfür waren dem EuGH zufolge unter anderem die selbstständige Verschaffung der erforderlichen Arbeitskräfte und der sachlichen Mittel 157 sowie der Einsatz dieser Arbeitskräfte und Mittel zur Gewinnerzielung 158. Die Erteilung von Anweisungen 159, gesetzliche Regelungen zur Höhe der Vergütung 160, die Haftung des „Arbeitgebers“ 161, das Vorhandensein einer Disziplinaraufsicht 162 und die Beschränkung auf einen Kunden (dessen Gesellschafter man zudem ist) 163 sprechen hingegen nicht zwingend für ein Unterordnungsverhältnis. Ein festes Monatsgehalt und das Tätigwerden im Rahmen eines Arbeitsvertrages, also im Namen und für Rechnung des Arbeitgebers, sprechen wiederum für ein Unterordnungsverhältnis im Sinne des Art. 10 MwStSyst-RL. 164 Danach kommt es im Wesentlichen auf die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit auf eigene Verantwortung und eigenes Risiko an (auch Unternehmerinitiative und -risiko genannt), um selbstständig im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL zu sein. Diese Merkmale sind ebenfalls in anderen Steuerordnungen in Zusammenhang mit der Beurteilung der Selbstständigkeit einer Person bekannt 165 und stellen letztlich universelle Kriterien dergleichen dar. 166 Somit wägt der EuGH und mit ihm einhellig die Literatur und deutsche Rechtsprechung im Einzelfall anhand von Indizien ab, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse ein Unterordnungsverhältnis besteht, 156
157 158 159 160 161 162 163 164 165
166
46
Vgl. EuGH, Urteil v. 26.3.1987 – 235/85 (Kommission / Niederlande), Rz. 14; Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht, 2005, S. 230. EuGH, Urteil v. 25.7.1991 – C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla), Rz. 11. EuGH, Urteil v. 25.7.1991 – C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla), Rz. 13. EuGH, Urteil v. 25.7.1991 – C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla), Rz. 12. EuGH, Urteil v. 26.3.1987 – 235/85 (Kommission / Niederlande), Rz. 14; v. 25.7.1991 – C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla), Rz. 12. EuGH, Urteil v. 25.7.1991 – C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla), Rz. 14 f. EuGH, Urteil v. 26.3.1987 – 235/85 (Kommission / Niederlande), Rz. 14; v. 25.7.1991 – C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla), Rz. 12. EuGH, Urteil v. 27.1.2000 – C-23/98 (Heerma), Rz. 19. Vgl. EuGH, Urteil v. 18.10.2007 – C-355/06 (van der Steen), Rz. 22, 30, 32. Zum Beispiel bei der Mitunternehmerschaft im Einkommensteuerrecht in § 15 EStG, vgl. anstatt vieler Bode, in: Blümich, EStG, § 15 Rz. 347 und bei dem Unternehmer im Gewerbesteuerrecht in § 5 GewStG, vgl. anstatt vieler Gosch, in: Blümich, GewStG, § 5 Rz. 22. Daher kann zur Auslegung der deutschen Umsetzung in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG nach verbreiteter Auffassung auf das Verständnis in anderen Steuerarten zurückgegriffen werden, vgl. BFH, Urteil v. 25.6.2009 – V R 37/08, BStBl. II 2009, 873 (874); Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 40a Rz. 2; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 65; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 132; einschränkend Treiber, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 61 f. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es sich um einen einheitlichen Begriff handelt, vgl. ausführlich Kensbock, Der Unternehmerbegriff nach deutschem und europäischem Umsatzsteuerrecht, 2003, S. 140 ff.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
das durch das Fehlen eigener Unternehmerinitiative und eigenen Unternehmerrisikos geprägt ist und somit einem üblicherweise zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auftretenden Eingliederungsverhältnis entspricht. 167 Die oben genannten Indizien geben dabei bereits erste Anhaltspunkte, was unter Tätigwerden im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung zu verstehen ist. Der Steuerpflichtige wird auf eigene Verantwortung (Unternehmerinitiative) tätig, wenn er nicht an die Weisungen einer anderen Person bezüglich Zeit, Ort, Umfang und Art der Ausführung gebunden ist, sondern selbst entscheiden kann, welche Tätigkeit er wann, wie, in welchem Umfang, für welches Entgelt, mit welchen Mitteln etc. durchführt. 168 Der selbstständige Steuerpflichtige kann also jegliche Fragen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit selbst inhaltlich und organisatorisch gestalten (das „Ob“ und das „Wie“). Dabei ist zu beachten, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht allein aus dem Vertrag folgen kann, da andernfalls beispielsweise offensichtlich selbstständige Werkunternehmer, die aufgrund des Werkvertrags den Weisungen des Auftraggebers folgen, unselbstständig wären. Die Weisungsgebundenheit muss vielmehr gerade aus der Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers folgen 169, der Arbeitnehmer muss sozusagen ein „Rädchen im Gesamtgetriebe“ des Unternehmens darstellen. Daneben muss der Steuerpflichtige selbst das Risiko seiner wirtschaftlichen Tätigkeit tragen. Das heißt, er allein verantwortet den wirtschaftlichen (Miss-)Erfolg. Der Steuerpflichtige muss die laufenden Kosten tragen, gegebenenfalls Kapital einbringen etc. und umgekehrt profitiert er vom Gewinn des Unternehmens und generiert daraus Einkünfte. 170 Diese Einkünfte erhält der Steuerpflichtige aber nur bei Erfolg, während der Ar167
168
169 170
Vgl. ständige Rechtsprechung des BFH, Urteil v. 25.6.2009 – V R 37/08, BStBl. II 2009, 873 (874); Beschluss v. 10.11.2011 – V B 6/11, BFH/NV 2012, 459 (459); Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 40a Rz. 121; Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht, 2005, S. 232 f.; Korn, in: Bunjes, UStG, 15. Aufl. 2016, § 2 Rz. 94, 96; Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG (August 2015), § 2 Rz. 58; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Lange, UStG, § 2 Rz. 62; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, § 2 Rz. 139 f., 144. Vgl. Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 40a Rz. 71 f., 81; Kensbock, Der Unternehmerbegriff nach deutschem und europäischem Umsatzsteuerrecht, 2003, S. 149; Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 60; Widhalm, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 83 (96 f.); ähnlich Stadie, in: Rau/Dürrwächter, § 2 Rz. 144. Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG § 2 Rz. 147. Vgl. Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 40a Rz. 82, 127; Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 59; Widhalm, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 83 (96).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
beitnehmer erfolgsunabhängig ein (in der Regel monatliches) Gehalt erhält. 171 (b)
Kein Rückgriff auf Art. 11 MwStSyst-RL
Fraglich ist, ob die Merkmale einer Organschaft, wie sie nach Art. 11 UAbs. 1 MwStSyst-RL erforderlich sind, Rückschlüsse auf die Kriterien für die Selbstständigkeit zulassen. Wäre dies möglich, kann das Selbstständigkeitsmerkmal neben dem Art. 10 MwStSyst-RL auch durch Umkehrschluss der in Art. 11 UAbs. 1 MwStSyst-RL geforderten Merkmale der gegenseitigen finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Beziehungen konkretisiert werden. Eine Auslegung der Regelung lässt solche Rückschlüsse jedoch nicht zu. Art. 11 MwStSyst-RL stellt eine Ausnahme dahingehend dar, dass eigentlich eigenständige Steuerpflichtige bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen wie ein Steuerpflichtiger behandelt werden. Es handelt sich also eigentlich um selbstständig wirtschaftlich tätige Personen. 172 Art. 11 MwStSyst-RL überlässt es nunmehr den Mitgliedstaaten, diese als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, wenn sie durch wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind. Es handelt sich um eine Kann-Vorschrift, die impliziert, dass es sich eigentlich auch dann noch um einen eigenständigen Steuerpflichtigen handelt, wenn die Steuerpflichtigen eng miteinander verbunden sind. Andernfalls wäre die Vorschrift überflüssig, da mehrere Personen bei Vorliegen der Eingliederungsvoraussetzungen stets ein Steuerpflichtiger wären, auch wenn Art. 11 MwStSyst-RL in dem fraglichen Land nicht umgesetzt wurde. Dafür spricht auch die Beschränkung der organschaftlichen Wirkungen auf inländische Organschaften („in seinem Gebiet ansässige Personen“, Art. 11 UAbs. 1 MwStSyst-RL). Eine im Ausland ansässige Gesellschaft bleibt bezüglich der Wirkungen des Art. 11 MwStSyst-RL eigenständiger 171
172
48
Vgl. BFH, Urteil v. 25.6.2009 – V R 37/08, BStBl. II 2009, 873 (874); Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 40a Rz. 23; Kensbock, Der Unternehmerbegriff nach deutschem und europäischem Umsatzsteuerrecht, 2003, S. 149; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 62. So auch Europäische Kommission, Mitteilung über die Option der MwSt-Gruppe gemäß Art. 11 MwStSyst-RL, KOM(2009) 325, Brüssel, 2.7.2009, zu 3.2. und 3.3.1. Die Europäische Kommission spricht in diesem Zusammenhang von der MehrwertsteuerGruppe ausdrücklich als „fiktive Einrichtung“. Indirekt auch EuGH, Urteil v. 22.5.2008 – C-162/07 (Ampliscientifica), Rz. 20. Anders wohl BFH, Urteil v. 20.2.1992 – V R 80/85, BFH/NV 1993, 133 (134); v. 6.5.2010 – V R 24/09, BFH/NV 2011, 76 (77); Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 63. Davon unberührt bleibt die Entscheidung des EuGH, wonach auch Nicht-Steuerpflichtige grundsätzlich Teil einer Organschaft sein können, vgl. Urteil v. 9.3.2013 – C-85/11 (Kommission / Irland).
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
Steuerpflichtiger, auch wenn die Voraussetzungen für eine Organschaft zusammen mit einer inländischen Gesellschaft grundsätzlich erfüllt sind. 173 Des Weiteren ist eine ausländische feste Niederlassung nach einer nicht unumstrittenen Ansicht weiterhin Teil des inländischen Steuerpflichtigen, der aufgrund wirtschaftlicher, finanzieller und organisatorischer Eingliederung nunmehr mit einem anderen Steuerpflichtigen einen neuen Steuerpflichtigen bildet. 174 Gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen, die eine enge Verbindung schaffen, führen folglich noch nicht dazu, dass eine Person unselbstständig und damit kein Steuerpflichtiger ist. 175 Ein Rückgriff auf Art. 11 MwStSyst-RL zur Konkretisierung des Selbstständigkeitsmerkmals verbietet sich daher. (c)
Die Selbstständigkeit von nicht natürlichen Personen
Somit lässt sich feststellen, dass die Negativabgrenzung in Art. 10 MwStSyst-RL allein Anhaltspunkte für die Konkretisierung des Selbstständigkeitsmerkmals liefert. Art. 10 MwStSyst-RL ist jedoch beschränkt auf natürliche Personen. Dies kann allerdings nicht dazu führen, dass für andere Gesellschaften, Vereinigungen und Einrichtungen (im Folgenden Wirtschaftseinheiten) andere Kriterien gelten müssen. Vielmehr ist auch für solche Wirtschaftseinheiten maßgeblich darauf abzustellen, ob die wirtschaftliche Tätigkeit auf eigenes Risiko und eigene Verantwortung und ohne Bindung an Weisungen ausgeübt wird. Dabei sind jedoch in Abgrenzung zu Art. 10 MwStSyst-RL die Besonderheiten von Wirtschaftseinheiten zu beachten, die gerade keine natürlichen Personen sind (auch wenn sie aus solchen bestehen beziehungsweise in deren Eigentum stehen). Daher kann es hier kein Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis geben. Jedoch können auch 173 174
175
Vgl. Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 45 Rz. 11, 171; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1066. Vgl. Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 45 Rz. 64; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 127; Ehrke-Rabel, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 117 (122 f., 127 f.). Fraglich ist, ob auch die Europäische Kommission dieser Ansicht ist, da sie die in dem Urteil des EuGH v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank) entwickelte Regel, wonach Dienstleistungen zwischen Einheiten eines Steuerpflichtigen nicht steuerbar sind, nicht anwenden will auf Dienstleistungen innerhalb eines Steuerpflichtigen, der teilweise Mitglied einer Organschaft ist, vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Option der MwSt-Gruppe gemäß Art. 11 MwStSyst-RL, KOM(2009) 325, Brüssel, 2.7.2009, S. 9. Der EuGH hat diese Sicht nunmehr für die umgekehrte Konstellation einer in eine Organschaft eingebundene feste Niederlassung bestätigt, vgl. EuGH, Urteil v. 17.9.2014 – C-7/13 (Skandia America), Rz. 28 ff. Siehe zu dieser Frage ausführlich unten 3. Teil: II. 6. So auch Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 98. Anders scheinen dies Hamacher/Grundt, DStR 2006, 2157 (2159 f.) zu verstehen.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Wirtschaftseinheiten insbesondere weisungsgebunden sein und kein eigenes Risiko tragen. Mit Rücksicht darauf und auch in Abgrenzung zu den Eingliederungsmerkmalen des Art. 11 UAbs. 1 MwStSyst-RL muss daher die Selbstständigkeit beurteilt werden. Ein Weisungs- und Entscheidungsrecht von Gesellschaftern und Eigentümern kann nicht zwangsläufig die Selbstständigkeit der Wirtschaftseinheit ausschließen. 176 In diesem Fall wäre fast jede Wirtschaftseinheit nicht selbstständig. Dies entspricht der einhelligen Auffassung in der Literatur und der deutschen Finanzrechtsprechung, wonach zum Beispiel Personengesellschaften in der Regel selbstständig sind. 177 Die Weisungen der Eigentümer einer Wirtschaftseinheit schließen daher nicht zwangsläufig deren Selbstständigkeit aus. Umgekehrt können jedoch diese Wirtschaftseinheiten nicht stets selbstständige, wirtschaftlich tätige Steuerpflichtige sein, wie auch aus dem Grundsatz der Unternehmenseinheit, welcher auch auf feste Niederlassungen Anwendung findet, zu folgern ist. 178 Mit Blick auf die obenstehenden Ausführungen muss die Weisungsgebundenheit aus der Eingliederung folgen und inhaltlich und organisatorisch alle Aspekte der Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit betreffen. Damit eine Wirtschaftseinheit in diesem Sinne weisungsgebunden ist, muss eine vergleichbare Eingliederung vorliegen. Das einem Gesellschafter aufgrund seiner Gesellschafterstellung zustehende Weisungsrecht zum Beispiel gegenüber Organen der Gesellschaft kann dafür nicht ausreichen. Diese Art von „Weisungsrecht“ umfasst in der Regel ohnehin nicht im Detail Regelungen zu Ort, Zeit, Umfang und Art der Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Vielmehr betrifft es den allgemeinen Kurs, den eine Wirtschaftseinheit einschlagen soll. Das Weisungsrecht einer Person gegenüber der Wirtschaftseinheit muss daher so ausgestaltet sein, dass es dem eines typischen Arbeitgebers vergleichbar ist. Der Steuerpflichtige muss aufgrund der faktischen Verhältnisse gegenüber den fraglichen Einrichtungen vollumfänglich entscheiden und regeln können, wie diese der wirtschaftlichen Tätigkeit nach176
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So wohl auch Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 154 mit Bezug auf Personengesellschaften; ähnlich Zuidgeest, IVM 2010, 25 (30). Ähnliche Überlegungen, wenn auch in anderem Kontext stellt Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 62 f. an. Vgl. Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 40a Rz. 171, 173; Korn, in: Bunjes, UStG, 15. Aufl. 2016, § 2 Rz. 92; Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 52; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 182. Ebenso der BFH, Urteil v. 7.12.1978 – V R 22/74, BStBl. II 1979, 356 (358); v. 8.2.1979 – V R 101/78, BStBl. II 1979, 362 (364). Siehe zu diesen beiden Punkten ausführlicher unten 3. Teil: I. 1. a) (3) und 3. Teil: I. 3. c) (2) (d) iii.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
gehen. 179 Bei Niederlassungen und ähnlichen Einrichtungen, die keine eigene Rechtspersönlichkeit haben und keine Gesellschaften ähnliche Strukturen aufweisen, ist dies in der Praxis wohl meist recht unproblematisch zu bejahen. Umgekehrt sind juristische Personen und Personengesellschaften in der Regel nicht derart in das Unternehmen des Gesellschafters eingegliedert. 180 Im Übrigen kommt es wie bereits bei natürlichen Personen auf das Gesamtbild der Verhältnisse an, um die auf der Eingliederung beruhende Weisungsgebundenheit zu beurteilen. Mit Blick auf die Weisungsgebundenheit kann es daher durchaus Überschneidungen mit dem Merkmal der organisatorischen Eingliederung einer Organgesellschaft geben. Da daneben aber für beide Fälle noch weitere Kriterien hinzukommen, führt dies nicht automatisch dazu, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Organschaft zugleich die Selbstständigkeit zu verneinen ist. Ähnliches gilt für die Frage nach dem Unternehmerrisiko, bedenkt man, dass kaum eine Wirtschaftseinrichtung ohne personelle, finanzielle und sachliche Mittel auskommt. Daher gibt es für viele Gesellschaftsformen Kapitaleinbringungspflichten der Gesellschafter und Eigentümer. Umgekehrt beziehen die Eigentümer, zum Beispiel in Form von Ausschüttungen, Einkünfte von der fraglichen Wirtschaftseinheit. Die Ausstattung mit Mitteln jeglicher Art und die Abführung von Einkünften allein können wiederum nicht dazu führen, das Unternehmerrisiko der Wirtschaftseinheit zu bejahen. Auch hier ist anhand einer Gesamtbetrachtung abzuwägen, ob der steuerpflichtige Eigentümer oder die Wirtschaftseinheit das Risiko der wirtschaftlichen Tätigkeit trägt. 181 Wie ein Arbeitnehmer, der im Falle von Krankheit
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Entsprechend lehnte der EuGH ein Unterordnungsverhältnis zwischen zwei Gesellschaften ab, die aufgrund eines Vertrages eng miteinander zusammenarbeiteten, indem die eine Gesellschaft „Backoffice-Tätigkeiten“ für die andere Gesellschaft vornahm und diese Zusammenarbeit durch zwei mit Vertretern beider Gesellschaften besetzten Ausschüsse überwacht wurde, vgl. Urteil v. 3.3.2005 – C-472/03 (Andersen), Rz. 20. Der BFH geht sogar davon aus, dass Personenhandelsgesellschaften stets selbstständig sind, vgl. Urteil v. 7.12.1978 – V R 22/74, BStBl. II 1979, 356 (358); v. 8.2.1979 – V R 101/78, BStBl. II 1979, 362 (364). Ebenso Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht, 2005, S. 244; Treiber, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 25; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 182. Im Übrigen wird davon ausgegangen, dass juristische Personen in der Regel selbstständig sind, vgl. BFH, Urteil v. 6.6.2002 – V R 43/01, BStBl. II 2003, 36 (38); Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 40a Rz. 181; Kensbock, Der Unternehmerbegriff nach deutschem und europäischem Umsatzsteuerrecht, 2003, S. 134; Korn, in: Bunjes, UStG, 15. Aufl. 2016, § 2 Rz. 92; Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 51. So auch EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 35.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
dennoch seinen Lohn erhält 182, müssen der Wirtschaftseinheit – zum Beispiel bei Zahlungsausfall durch den Leistungsempfänger – von ihrem Eigentümer ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden, um ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit weiterhin nachkommen zu können 183. In beiden Fällen wäre aufgrund dieser Indizien im Rahmen der Gesamtbetrachtung ein Unternehmerrisiko zu verneinen. Mit einer entsprechenden Argumentation verneinte auch der EuCH in FCE Bank die Selbstständigkeit der festen Niederlassung. Dabei stellte der EuGH maßgeblich darauf ab, dass der festen Niederlassung kein Dotationskapital zur Verfügung stand, weshalb sie kein unternehmerisches Risiko zu tragen hatte und somit nicht selbstständig war. 184 Daher ist eine Gesamtbetrachtung der finanziellen Ausstattung dahingehend, ob eigenes Kapital vorhanden ist, ein maßgebliches Kriterium zur Feststellung der Selbstständigkeit einer Wirtschaftseinheit. 185 Umgekehrt kann die Abführung von Mitteln an den Eigentümer nicht zwangsläufig mit der Lohnzahlung des Arbeitgebers verglichen werden. Vielmehr muss untersucht werden, wie solche Mittelflüsse zu verstehen sind und ob sie entsprechend mit Lohnzahlungen (zum Beispiel bei Ausschüttungen an einen Gesellschafter, der dadurch sein Einkommen generiert) oder mit einer „gemeinsamen Kasse“ 186 vergleichbar sind. (3)
Die „Person“ des Steuerpflichtigen
Grundsätzlich kann jede natürliche und juristische Person sowie jedes sonstige Rechtsgebilde Steuerpflichtiger sein, sofern er eine wirtschaftliche Tätigkeit selbstständig ausüben kann und auch ausübt. Dies gibt das weite Verständnis des Begriffs des Steuerpflichtigen vor, wonach zur möglichst weitgehenden Verwirklichung des Verbrauchsteuerprinzips grundsätzlich nur der private Endverbrauch mangels Vorsteuerabzugsrecht mit Mehrwertsteuer belastet wird. Damit wird ebenfalls das Neutralitätsprinzip in seiner
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Vgl. zu diesem Beispiel unter anderen Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 40a Rz. 82; Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 59; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 62. Vgl. ein ähnliches Beispiel für Banken, EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 36. Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 35 ff. So wohl auch Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 40a Rz. 91; Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 59; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 62, die „kein Kapitaleinsatz“ als Indiz der Unselbstständigkeit nennen. Da die Wirtschaftseinheit nicht selbstständig über die Verwendung der ihr zur Verfügung gestellten Mittel dergestalt verfügen kann, dass sie allein mit diesen Mitteln ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
Ausprägung als Rechtsformneutralität verwirklicht. 187 Für die Anwendung der MwStSyst-RL kommt es nicht darauf an, was für eine Rechtsform jemand hat. Vielmehr ist das Mehrwertsteuersystem tätigkeitsbezogen auszulegen, wie bereits aus der Definition in Art. 9 MwStSyst-RL ersichtlich wird. 188 Dies hat insbesondere auch im grenzüberschreitenden Bereich Relevanz, wo häufig verschiedene Rechtsformen aufeinander treffen. Nur durch Anknüpfen an die Tätigkeit wird eine weite Anwendung des Mehrwertsteuersystems, insbesondere auch des Vorsteuerabzugs, auf alle wirtschaftlich Tätigen gewährleistet. Eine wichtige Konsequenz aus der Rechtsformneutralität ist, dass das Rechtsgebilde, das die „Person“ des Steuerpflichtigen bildet, grundsätzlich nicht im zivilrechtlichen Sinne rechtsfähig sein muss. 189 Es kommt nur darauf an, dass sie wirtschaftlichen Tätigkeiten selbstständig nachgehen kann, also insbesondere steuerbare Umsätze erbringen kann. 190 Des Weiteren folgt daraus, dass die Abgrenzung zu Nicht-Steuerpflichtigen ebenfalls tätigkeitsbezogen erfolgen muss. Folglich ist Nicht-Steuerpflichtiger, wer nicht-wirtschaftlich und / oder unselbstständig tätig wird. Da es für die Frage, ob ein Steuerpflichtiger handelt, nicht auf die Person beziehungsweise das Rechtsgebilde an für sich ankommt, ist der Steuerpflichtige nicht auf einen bestimmten Ort beschränkt. Er ist immer dann Steuerpflichtiger, wenn er seiner wirtschaftlichen Tätigkeit selbstständig nachgeht. 191 Entsprechend sagt Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL ausdrücklich, dass jemand bei Vornahme wirtschaftlicher Tätigkeiten als Steuerpflichtiger gilt, unabhängig von dem Ort, an dem er diesen Tätigkeiten nachkommt. Folglich kann es den grenzüberschreitenden Steuerpflichtigen geben. 192 Ist 187
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Vgl. EuGH, Urteil v. 7.9.1999 – C-216/97 (Gregg), Rz. 20; Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 41 Rz. 21; Korn, in: Bunjes, UStG, 15. Aufl. 2016, § 2 Rz. 8, 10. Vgl. Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 41 Rz. 1, 33; Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 21; Michel, BB 2008, 1936 (1937); Terra/Wattel, European Tax Law, 6. Aufl. 2012, S. 308. Vgl. zur Irrelevanz der Rechtsfähigkeit indirekt EuGH, Urteil v. 27.1.2000 – C-23/98 (Heerma), Rz. 8, 17; Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große UmsatzsteuerHandbuch, § 40 Rz. 122; van Kesteren/Merkx, in: Ecker/Lang/Lejeune (Hrsg.), The Future of Indirect Taxation, 2012, S. 621 (623). Vgl. Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 40 Rz. 122; Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht, 2005, S. 39 f.; Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 26; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 81 f. Vgl. anstatt vieler Terra/Kajus, A Guide to the European VAT Directives 2012, Band 1, Kapitel 9, S. 365. Vgl. Bal, IVM 2013, 294 (294); Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 45 Rz. 24; Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht, 2005, S. 48 f.; Korn, in: Bunjes, UStG, 15. Aufl. 2016, § 2
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
daher beispielsweise eine natürliche Person in Deutschland und den Niederlanden wirtschaftlich tätig, handelt es nicht um zwei Steuerpflichtige, sondern um einen einzigen, der in zwei Ländern wirtschaftlich tätig wird. Davon abzugrenzen ist die Frage, ob der eine Steuerpflichtige aufgrund seiner Tätigkeiten in mehreren Ländern auch mehrfach ansässig sein kann. 193 In diesem Zusammenhang ist auch auf den Grundsatz der Unternehmenseinheit 194 hinzuweisen. Dieser besagt zum einen, dass eine Person nicht für jede verschiedene Tätigkeitsart jeweils ein anderer Steuerpflichtiger ist. Eine Person beziehungsweise ein Rechtsgebilde kann immer nur ein Steuerpflichtiger sein mit gegebenenfalls verschiedenen Tätigkeitsbereichen. 195 Daneben kann ein Steuerpflichtiger neben seinen wirtschaftlichen Tätigkeiten grundsätzlich auch solchen Tätigkeiten nachgehen, die nicht die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL erfüllen, also nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten. 196 Dies ändert nichts an der grundsätzlichen Eigenschaft als Steuerpflichtiger, kann aber Auswirkungen insbesondere auf das Vorsteuerabzugsrecht haben. Davon abzugrenzen ist jedoch der Fall, dass ein Steuerpflichtiger, üblicherweise eine natürliche Person, zugleich Privatperson ist. In dieser Eigenschaft empfängt sie wie jeder andere private Endverbraucher Leistungen, die endgültig mit Mehrwertsteuer zu belasten sind. Insofern ist die fragliche Person Nicht-Steuerpflichtiger. 197 Ob auch andere, nicht natürliche Personen grundsätzlich für den privaten Bereich Leistungen beziehen können, kann hier dahin stehen. 198 Folglich kann ein Steuerpflichtiger wirtschaftliche und nicht-wirtschaftliche Tätigkeitsbereiche und einen
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Rz. 8; van Kesteren/Merkx, in: Ecker/Lang/Lejeune (Hrsg.), The Future of Indirect Taxation, 2012, S. 621 (626, 634). Dieses Verständnis ergibt sich im Umkehrschluss auch aus Art. 170 MwStSyst-RL, wonach ein Steuerpflichtiger gegebenenfalls einen Anspruch auf Erstattung von gezahlter Mehrwertsteuer hat, auch wenn er in dem Erstattungsland nicht ansässig ist. Siehe sogleich unten. Vgl. anschaulich Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer/Handbuch, § 45 Rz. 111; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 96. Vgl. EuGH, Urteil v. 13.6.2013 – C-62/12 (Kostov), Rz. 30 f.; Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 41 Rz. 31; Kensbock, Der Unternehmerbegriff nach deutschem und europäischem Umsatzsteuerrecht, 2003, S. 53; Korn, in: Bunjes, UStG, 15. Aufl. 2016, § 2 Rz. 150, 153; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 96, 96.4. Vgl. EuGH, Urteil v. 12.2.2009 – C-515/07 (VNLTO), Rz. 28, 30; v. 13.3.2008 – C437/06 (Securenta), Rz. 23, 26, 30 f.; Forgách, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 15 Rz. 121; Korf/Kurtz, UR 2010, 86 (98); Korn, in: Bunjes, UStG, 15. Aufl. 2016, § 2 Rz. 155 f.; Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 150b; Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl. 2011, § 2 Rz. 36/1, 129/1; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 47. Vgl. Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl. 2011, § 2 Rz. 126 f. Siehe dazu ausführlicher oben 2. Teil: I. 2. b).
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
privaten Bereich haben. Letzterer ist dabei zumindest bei natürlichen Personen nicht Teil des Steuerpflichtigen. Im konkreten Fall kommt zudem eine Steuerschuldnerschaft des Steuerpflichtigen nur in Betracht, wenn die konkrete Leistung eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung im Sinne des Mehrwertsteuersystems ist. Folglich kann eine Person nach dem Gesamtbild ihrer Tätigkeiten Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL sein und dennoch mangels steuerbaren Umsatzes im Einzelfall keine Mehrwertsteuer schulden. Des Weiteren folgt aus dem Grundsatz der Unternehmenseinheit, dass verschiedene Niederlassungen eines Steuerpflichtigen in aller Regel nicht dazu führen, dass es sich um verschiedene Steuerpflichtige handelt. Vielmehr ist der Steuerpflichtige in diesem Fall mehrfach ansässig. 199 Dies ergibt sich auch aus der Systematik der MwStSyst-RL, die beispielsweise in den Art. 44, 45 MwStSyst-RL zur Ortsbestimmung alternativ an den Sitz oder die feste Niederlassung eines Steuerpflichtigen anknüpft. In diesem Zusammenhang muss jedoch maßgeblich anhand des Selbstständigkeitsmerkmals zwischen Niederlassungen, die Teil des Steuerpflichtigen sind, und denen, die eigene Steuerpflichtige sind, abgegrenzt werden. Wird eine Niederlassung, üblicherweise eine Tochtergesellschaft, selbstständig tätig, handelt es sich bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen um einen eigenständigen Steuerpflichtigen. Selbst wenn die weiteren Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL nicht vorliegen, handelt es sich dennoch um eine eigenständige Person, die jedoch insbesondere mangels wirtschaftlicher Tätigkeit nicht die Rechtsfolgen eines Steuerpflichtigen treffen. 200 Nur wenn die Niederlassung gegenüber den anderen Niederlassungen unselbstständig tätig wird, ist sie Teil des Gesamt-Steuerpflichtigen. Dies betrifft insbesondere feste Niederlassungen, sei es im In- oder Ausland. Nach einhelliger Auffassung handelt es sich bei diesen nicht um eigenständige Steuerpflichtige, sondern um Teile eines einheitlichen Steuerpflichtigen. 201 Dies entspricht wiederum der tätigkeitsbezogenen Betrachtungsweise, wonach es 199
200
201
Vgl. Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 619, Brüssel, 11.5.2009, taxud.d.1(2009)108658, S. 2; ders., Working Paper Nr. 620, Brüssel, 2.6.2009, taxud.d.1(2009)132177, S. 6; Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 45 Rz. 24, 111. Ein typisches Beispiel sind insofern Vereine, die üblicherweise keinen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehen und daher trotz Selbstständigkeit kein Steuerpflichtiger sind. Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 23, 37; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 3a Rz. 25; van Kesteren/Merkx, in: Ecker/Lang/ Lejeune (Hrsg.), The Future of Indirect Taxation, 2012, S. 621 (622). Siehe zu dieser Thematik ausführlich unten 3. Teil: I. 3. c) (2).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
nicht auf die Rechtsform und Niederlassung ankommt, sondern allein auf das Vorliegen selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeiten. So erklären sich auch die Organschaftsregeln (Art. 11 MwStSyst-RL), wonach eigentlich selbstständige Steuerpflichtige bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Organschaft als ein Steuerpflichtiger behandelt werden. 202 b)
Der Steuerpflichtige nach Art. 43 MwStSyst-RL
(1)
Der nicht-wirtschaftlich tätige Steuerpflichtige
(a)
Die Regelung des Art. 43 MwStSyst-RL
Wie bereits festgestellt, können Steuerpflichtige neben ihrem wirtschaftlichen einen nicht-wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich haben. Häufig tritt dies bei Holdings auf, die teilweise steuerbare Umsätze erbringen, indem sie in die Verwaltung ihrer Beteiligungsgesellschaften eingreifen (wirtschaftliche Tätigkeit), soweit sie jedoch lediglich Beteiligungen halten, keine Leistungen gegen Entgelt erbringen (nicht-wirtschaftliche Tätigkeit). 203 Es stellt sich für die Ortsbestimmung eines Umsatzes die Frage, ob der Dienstleistungsempfänger Steuerpflichtiger im Sinne der Art. 44 ff. MwStSyst-RL ist, wenn er (auch) nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht. Denn für den Status als Steuerpflichtiger im Sinne von Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL kommt es maßgeblich auf das Erbringen steuerbarer Umsätze an. Daneben kann ein Steuerpflichtiger grundsätzlich aber auch nicht-wirtschaftlichen, aber nicht privaten Tätigkeiten nachgehen. 204 Betroffen sind davon neben den bereits erwähnten Holdinggesellschaften vor allem Vereine und Hoheitsträger. 205 Neben der Frage, ob jemand überhaupt Steuerpflichtiger im Sinne von Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL ist, stellt sich auch bei den Ortsbestimmungsregeln die Frage, ob eine Dienstleistung für wirtschaftliche, nicht-wirtschaftliche oder private Zwecke bezogen wird. 206 Vor der Änderung der MwStSyst-RL durch die RL 2008/8/EG war lange umstritten, bei 202 203
204 205
206
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So ausdrücklich Art. 11 UAbs. 1 MwStSyst-RL. Siehe auch Korn, in: Bunjes, UStG, 15. Aufl. 2016, § 2 Rz. 138; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 936. Ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. Urteil v. 20.6.1991 – C-60/90 (Polysar Investments), Rz. 13 f.; v. 14.11.2000 – C-142/99 (Floridienne und Berginvest), Rz. 17 ff.; v. 27.9.2001 – C-16/00 (Cibo Participations), Rz. 18 ff.; Mühleisen/Trapp, UR 2007, 633 (634). Siehe die zu der Thematik ergangene Rechtsprechung des EuGH im Überblick bei Korf/Kurtz, UR 2010, 86 (89 f.). Vgl. EuGH, Urteil v. 12.2.2009 – C-515/07 (VNLTO), Rz. 31 f. Vgl. EuGH, Urteil v. 12.2.2009 – C-515/07 (VNLTO), Rz. 20, 34, 39; v. 10.9.2014 – C-92/13 (Gemeente ‘s-Hertogenbosch), Rz. 23, 25; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 328. Zu der Differenzierung zwischen wirtschaftlichen, nicht-wirtschaftlichen und privaten Tätigkeiten siehe auch EuGH, Urteil v. 12.2.2009 – C-515/07 (VNLTO), Rz. 34 ff.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
welchen Dienstleistungsbezügen der Dienstleistungsempfänger Steuerpflichtiger für Zwecke der Ortsbestimmung ist. 207 Erst das Urteil des EuGH in der Rechtssache TRR 208 brachte neue Erkenntnisse. Nunmehr regelt Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL für Zwecke der Bestimmung des Ortes der Dienstleistung ausdrücklich, dass „ein Steuerpflichtiger, der auch Tätigkeiten ausführt oder Umsätze bewirkt, die nicht als steuerbare Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 angesehen werden, in Bezug auf alle an ihn erbrachten Dienstleistungen als Steuerpflichtiger [gilt]“. Darüber hinaus erklärt Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL für Zwecke der Ortsbestimmungsregeln, dass „eine nicht steuerpflichtige juristische Person mit MehrwertsteuerIdentifikationsnummer als Steuerpflichtiger [gilt]“. Damit stellt Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL klar, dass eine nicht-wirtschaftliche Tätigkeit grundsätzlich nichts an der Eigenschaft als Steuerpflichtiger für Zwecke der Ortsbestimmung ändert. Wer Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 9 MwStSyst-RL ist, ist für Zwecke des Art. 44 MwStSyst-RL stets Steuerpflichtiger, egal für welchen Tätigkeitsbereich die konkrete Dienstleistung empfangen wird. Dies gilt auch dann, wenn die Dienstleistung ausschließlich für nicht-wirtschaftliche Tätigkeiten des Steuerpflichtigen empfangen wird. 209 Nichts anderes kann sich aus der Formulierung in Art. 44 Satz 1 MwStSyst-RL ergeben, wonach ein Steuerpflichtiger, „der als solcher handelt“, Dienstleistungsempfänger sein muss. Vielmehr ist diese Formulierung als Abgrenzung zu Personen, die eine Dienstleistung für rein private Zwecke beziehen, zu verstehen. 210 Die Formulierung „der als solcher han207
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209
210
Vgl. gegen eine Erfassung von Steuerpflichtigen bei Dienstleistungsbezug auch für den nicht-wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich wohl BMF, Abschn. 38 Abs. 5 Satz 2 UStH zu § 3a UStG; Leonard, in: Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl. 2009, § 3a Rz. 25; siehe auch Nachweise bei Michel, BB 2008, 1936, Fn. 14 sowie GA Mazák, Schlussanträge v. 17.6.2008 – C-291/07 (TRR), Rz. 28 (Vortrag der italienischen Regierung); ehemals h.M. Für eine Erfassung sprach sich Michel, BB 2008, 1936 aus. EuGH, Urteil v. 6.11.2008 – C-291/07. In dieser Rechtssache entschied der EuGH, dass ein Steuerpflichtiger für Zwecke der Ortsbestimmung auch dann als Steuerpflichtiger gilt, wenn er die fragliche Dienstleistung für außerhalb des Anwendungsbereichs der Sechsten MwSt-RL liegende Tätigkeiten nutzen will, vgl. Rz. 29 des Urteils. Vgl. Lohse/Spilker, UR 2009, 325 (329); Monfort, UR 2009, 301 (310); Monfort, DStR 2013, 2245 (2247); in die Richtung gehend Pichler, SWI 2008, 265 (267); Reinbacher, ÖStZ 2009, 146 (146); Wille, IVM 2009, 8 (9). Ebenso entschied bereits der EuGH zur alten Rechtslage in seinem Urteil v. 6.11.2008 – C-291/07 (TRR), Rz. 35. Vgl. ebenso Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 609, TAXUD/2412/09, Brüssel, 9.2.2009, S. 5, 9; F. Becker/Müller-Lee, UStB 2009, 320
57
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
delt“ erfordert daher keine über die auch in Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL erforderliche Abgrenzung. 211 Umstrittener war dieses Verständnis der Formulierung „der als solcher handelt“ vor Erlass der neuen Ortsbestimmungsregeln in den Art. 43 ff. MwStSyst-RL. Dies lag insbesondere daran, dass es noch keine dem Art. 43 MwStSyst-RL entsprechende Regelung gab. Es wurde daher vertreten, dass nur der Steuerpflichtige „als solcher handelt“, der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit handelt. 212 Dies wurde aus dem Wortlaut des alten Art. 2 Nr. 1 Sechste MwSt-RL hergeleitet. Die neuen Regeln in Art. 43 und 44 MwStSyst-RL lassen diesen Schluss jedoch nicht mehr zu. Art. 43 MwStSyst-RL will offensichtlich den Anwendungsbereich der Ortsbestimmungsregeln für Dienstleistungen in B2B-Konstellationen erweitern. Würde die Formulierung „der als solcher handelt“ in Art. 44 Satz 1 MwStSyst-RL das alte Verständnis widerspiegeln, wäre Art. 43 MwStSyst-RL überflüssig. 213 Im Ergebnis kommt es für die Anwendung der Art. 43 Nr. 1, 44 MwStSystRL nicht darauf an, ob der Empfänger die fragliche Dienstleistung für seine wirtschaftlichen oder nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten verwendet. Er gilt in jedem Fall als Steuerpflichtiger für Zwecke der Ortsbestimmungsregeln. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass für andere Regelbereiche, also insbesondere das Vorsteuerabzugsrecht, nicht auf Art. 43 MwStSyst-RL zurückgegriffen werden kann. 214 Die Fiktion des Art. 43 MwStSyst-RL ist
211
212 213
214
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(325); F. Becker, UStB 2011, 144 (148); Ecker, FJ 2008, 355 (357); Lohse/Spilker/Zitzl, UR 2010, 633 (634); Matheis, UVR 2010, 57 (57); Monfort, UR 2009, 301 (312); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3a nF Rz. 48. Vgl. Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 609, TAXUD/2412/09, Brüssel, 9.2.2009, S. 2 f., 11; S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 186; im Ergebnis so wohl auch F. Becker/MüllerLee, UStB 2009, 320 (324 f.); Korn, in: Bunjes, UStG, 15. Aufl. 2016, § 3a Rz. 27; Lejeune/Kotanidis/Van Doninck, IVM 2009, 100 (102 f.); Monfort, UR 2009, 301 (312); ders., DStR 2013, 2245 (2247); Radeisen, DB 2009, 2229 (2230); im Ergebnis so auch van Doesum/van Kesteren/van Norden/Reiniers, EC Tax Review 2008, 78 (81). Vgl. indirekt GA Mazák, Schlussanträge v. 17.6.2008 – C-291/07 (TRR), Rz. 39 f.; Russo/Zanotti, VAT Monitor 2004, 236 (236). Ebenso Monfort, UR 2009, 301 (305). Ähnlich S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 187; van Doesum/van Kesteren/van Norden/Reiniers, EC Tax Review 2008, 78 (81). Vgl. Kindl, ÖStZ 2008, 583 (584); Monfort, DStR 2009, 297 (299); Pichler, SWI 2008, 265 (267); Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl. 2011, § 3a Rz. 37.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
dem eindeutigen Wortlaut nach ausschließlich auf die Ortsbestimmungsregeln anzuwenden. (b)
Die Regelung des Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL mit Blick auf Praktikabilitätsaspekte und das Verbrauchsortprinzip
Insgesamt ist die Regelung des Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL sowohl unter Verbrauchsortsgesichtspunkten als auch aus Praktikabilitätsgründen zu begrüßen. Sie stellt eine wesentliche Vereinfachung für den Dienstleistungserbringer dar, da er nicht feststellen muss, für welchen Bereich seines Unternehmens der Steuerpflichtige eine Dienstleistung empfängt. Eine solche Differenzierung wäre andernfalls in Zusammenhang mit dem Reverse Charge Verfahren nach Art. 192a ff. MwStSyst-RL von besonderer Wichtigkeit. Kurz gesagt wird der Dienstleistungsempfänger im Reverse Charge Verfahren bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen zum Steuerschuldner, wenn er Steuerpflichtiger ist und der Leistungsort in seinem Land liegt. Dementsprechend zahlt der Dienstleistungsempfänger nur den Nettobetrag ohne Mehrwertsteuer, wenn das Reverse Charge Verfahren zur Anwendung kommt. Müsste der Dienstleistungserbringer nunmehr danach differenzieren, ob die Dienstleistung für wirtschaftliche oder nicht-wirtschaftliche Tätigkeiten des Empfängers bestimmt ist und würde er insofern fälschlicherweise den Leistungsort gemäß Art. 44 MwStSyst-RL im Ausland vermuten (da er fälschlicherweise annimmt, die Leistung sei für wirtschaftliche Tätigkeiten bestimmt), würde er in der Rechnung an den Empfänger fälschlicherweise einen Nettobetrag ausweisen und nur den Nettobetrag verlangen. Richtigerweise hätte in diesem Fall der Leistungsort im Inland des Dienstleistungserbringers gelegen, da die Dienstleistung für den nichtwirtschaftlichen Tätigkeitsbereich des Dienstleistungsempfängers bestimmt war. Das Reverse Charge Verfahren wäre mangels grenzüberschreitender Leistung nicht zur Anwendung gekommen. 215 In der Praxis ist eine solche Differenzierung in vielen Fällen kaum oder nur mit großem Aufwand durchführbar. 216 Der Dienstleistungserbringer müsste letztlich bei jeder Dienstleistung seinen Empfänger befragen, ob er einen nicht-wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich hat und für welchen Bereich die konkrete Dienstleistung bestimmt ist. Es sind viele Fälle denkbar, in denen solche Informationen zu spät kommen, da die Dienstleistung längst erbracht und die Rechnung ausgestellt und bezahlt wurde. Selbst wenn solche Infor215 216
Vgl. zu den Risiken auch Prätzler, UStB 2010, 121 (123). Vgl. so auch die vierte Begründungserwägung der RL 2008/8/EG; GA Mazák, Schlussanträge v. 17.6.2008 – C-291/07 (TRR), Rz. 41 f.; Michel, BB 2008, 1936 (1938).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
mationen zeitnah einholbar sind, bleibt doch gegebenenfalls die Unsicherheit, ob der Dienstleistungsempfänger richtige Informationen herausgibt. So weiß der Dienstleistungsempfänger eventuell noch nicht, für welchen Tätigkeitsbereich er die empfangene Dienstleistung verwenden wird oder der Empfänger hat (k)ein Interesse daran, dass der Leistungsort gemäß Art. 44 MwStSyst-RL bei ihm liegt und gibt daher falsche Auskünfte. 217 Dies gilt einschränkend zumindest für die Dienstleistungsarten, die ihrer Art nach nicht ausschließlich für private Zwecke oder unternehmerische Zwecke verwendet werden können. Insofern sind die Schwierigkeiten zumindest bei Abgrenzung zum privaten Bereich teilweise gemildert. 218 Die diesbezüglichen Abgrenzungsschwierigkeiten, denen sich ein Dienstleistungserbringer ausgesetzt sieht, sind bei Unterscheidung, ob es sich um Dienstleistungsbezug für wirtschaftliche oder nicht-wirtschaftliche Zwecke handelt, noch wesentlich höher im Vergleich zur Abgrenzung zu privatem Dienstleistungsbezug. Mit Blick auf die Art der empfangenen Dienstleistung kann man nämlich zumindest teilweise relativ einfach sagen, ob eine Dienstleistung überhaupt für private oder wirtschaftliche Zwecke geeignet ist. So eignet sich beispielsweise Industriesoftware kaum für den privaten Bereich.219 Solch ein differenzierendes Indiz allein aufgrund des Zusammenhangs zwischen Dienstleistungsart und Tätigkeitsart kommt für wirtschaftliche und nicht-wirtschaftliche Tätigkeiten nicht in gleichem Maße in Betracht. Denn auch derjenige, der nicht-steuerbare Umsätze tätigt, kann dennoch ähnliche Betriebsstrukturen aufweisen wie der klassische Steuerpflichtige. Beispielsweise wird die reine Beteiligungsholding eine ähnliche Verwaltungssoftware benötigen wie ein steuerpflichtiger Konzern. Müsste der Dienstleistungserbringer nun auch danach unterscheiden, ob seine Dienstleistung für wirtschaftliche oder nicht-wirtschaftliche Zwecke bestimmt ist, fehlte ihm ein vereinfachendes Indiz. Zudem ist der Differenzierungsaufwand bei drei möglichen Tätigkeitsfeldern höher als nur bei zwei. 217
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219
60
Vgl. zu der Gesamtproblematik GA Mazák, Schlussanträge v. 17.6.2008 – C-291/07 (TRR), Rz. 41 ff.; Matheis, UVR 2010, 282 (284); zur gleichartigen Problematik bei Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL Radeisen, DB 2009, 2229 (2232). Vgl. Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 609, TAXUD/2412/09, Brüssel, 9.2.2009, S. 10 f.; Neeser, UVR 2010, 375 (377); Prätzler/Stuber, BB 2013, 475 (478); siehe auch EuGH, Urteil v. 11.7.1991 – C-97/90 (Lennartz), Rz. 20 und v. 26.9.1996 – C-230/94 (Enkler), Rz. 26 f., wonach die Art des erworbenen Gegenstands maßgeblich ist für die Frage, ob der Erwerb für die wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgt. Entsprechend berücksichtigt Art. 19 UAbs. 2 MwSt-DVO diese Differenzierung nach Art der Dienstleistung zum Teil. Siehe eine Aufstellung von Leistungen, die üblicherweise dem privaten Bereich zuzuordnen sind bei Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 3a Rz. 34.10 f. Vgl. dazu bereits oben.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
Insgesamt würde eine Differenzierungspflicht auf Seiten des Dienstleistungserbringers in vielen Fällen zu einem unverhältnismäßigen Aufwand führen, der insbesondere in Massenverfahren realistischerweise nicht durchführbar ist. Ihm würde das Risiko auferlegt, nachträglich aufgrund veränderter Erkenntnisse Mehrwertsteuer abführen zu müssen, die er nicht enthalten im Preis von seinem Empfänger erhalten hat. Dies gilt zumindest soweit ihm kein Vertrauensschutz gewährt wird. Die Regelung des Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL ist daher unter Praktikabilitätsaspekten wesentlich vorzugswürdiger. 220 Ausreichend muss die Feststellung sein, dass der Leistungsempfänger Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 9 MwStSyst-RL ist. Des Weiteren spricht das Verbrauchsortprinzip für eine solche Regelung. Dieses Prinzip verlangt die weitgehende Verlagerung des Leistungsorts an den Ort des Endverbrauchs. Ein besonders naheliegender und zumeist vertrauenswürdiger Anknüpfungspunkt für diesen Ort ist der Empfängerort. 221 Daher ist es unter diesem Gesichtspunkt geradezu zwingend, für alle Tätigkeitsbereiche den Empfänger als Steuerpflichtigen im Sinne des Art. 44 MwStSyst-RL zu erfassen. Je mehr Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen empfangen werden, desto mehr Umsätze werden gemäß Art. 44 MwStSyst-RL am Empfängerort als vermutetem Ort des Endverbrauchs besteuert. 222 Indem nun das Verbrauchsortprinzip durch Anknüpfung an den Empfängerort verwirklicht wird, wird auch Wettbewerbsneutralität erreicht. Die Mehrwertsteuerbelastung für den jeweiligen Empfänger ist so der Höhe nach unabhängig von der Herkunft der Leistung und dem Sitz des Leistungserbringers. 223
220
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223
Vgl. so bereits vor Einführung des Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL GA Mazák, Schlussanträge v. 17.6.2008 – C-291/07 (TRR), Rz. 41 und EuGH, Urteil v. 6.11.2008 – C291/07 (TRR), Rz. 30 ff.; ebenso (zur alten Rechtslage) Michel, BB 2008, 1936 (1938). Siehe dazu ausführlich unter 2. Teil: I. 3. und 3. Teil: I. 3. b). Vgl. ebenso Monfort, UR 2009, 301 (308); ders., DStR 2013, 2245 (2247); in die gleiche Richtung gehend Ecker, FJ 2008, 355 (356); Swinkels, IVM 2009, 28 (30). Mit einem ähnlichen Argument verstand der EuGH bereits nach alter Rechtslage einen Empfänger als Steuerpflichtigen, wenn er die Dienstleistung für Zwecke nichtwirtschaftlicher Tätigkeiten empfing, vgl. EuGH, Urteil v. 6.11.2008 – C-291/07 (TRR), Rz. 32. Vgl. so auch Monfort, DStR 2009, 297 (300); ders., UR 2009, 301 (307, 309); van Norden, in: van Arendonk/Jansen/van der Paardt (Hrsg.), VAT in an EU and International Perspective, 2011, S. 35 (37 f.); siehe auch Penke, Der Ort der sonstigen Leistungen im Umatzsteuerrecht, 2008, S. 111 f., 144; Reiß, in: DStJG Band 32, 2009, S. 9 (14 f., 28); Tumpel, in: DStJG Band 32, 2009, S. 53 (69). Siehe insbesondere zur Wettbewerbsneutralität ausführlich oben 2. Teil: II. 2. a).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
(c)
Abgrenzung des Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL zum Dienstleistungsempfang für private Zwecke
i.
Auslegung
Jedoch stellen sich weiterhin Abgrenzungsfragen. So bleibt offen, ob Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL auch für solche Dienstleistungen zur Anwendung kommt, die für rein private Zwecke erworben werden. Wie bereits festgestellt, ist eine umfassende Anwendbarkeit des Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL zur reinen Verwirklichung des Verbrauchsortprinzips geradezu zwingend. Praktikabilitätserwägungen bringen hingegen keine eindeutigen Ergebnisse, da bei umfassender Anwendung des Reverse Charge Verfahrens 224 der steuerpflichtige Empfänger zwar auch bei privatem Dienstleistungsbezug Steuerschuldner wäre, ihm dies aber unproblematisch zugetraut werden könnte. Es gibt allerdings ein Argument, das einem weiten Verständnis des Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL zwangsläufig entgegensteht. In der vierten Begründungserwägung der RL 2008/8/EG, die zunächst die Regelung des Art. 43 MwStSyst-RL sinngemäß wiedergibt, wird ausdrücklich erklärt, dass diejenigen Ortsbestimmungsregeln, die das Empfängerortprinzip verwirklichen, grundsätzlich nicht auf solche Dienstleistungen Anwendung finden sollten, die für den privaten Bereich des Steuerpflichtigen bestimmt sind. Als Teil der Richtlinie können auch Begründungserwägungen herangezogen werden, um die eigentlichen Regeln einer Richtlinie auszulegen. 225 Aus dem Zusammenhang der vierten Begründungserwägung mit dem Wortlaut des Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL ergibt sich daher eine eindeutige Einschränkung
224
225
62
Der Begriff des Steuerpflichtigen in Art. 196 MwStSyst-RL muss insofern parallel zu dem in Art. 43 MwStSyst-RL verstanden werden, vgl. ebenso Kindl, ÖStZ 2008, 583 (584); indirekt Monfort, DStR 2008, 1261 (1263); Reinbacher, ÖStZ 2009, 146 (149); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 13b nF Rz. 47 f.; van der Corput, IVM 2008, 6 (7); zweifelnd jedoch Pichler, SWI 2008, 265 (267). Je nachdem, wie weit Art. 43 MwStSyst-RL zu fassen ist, wäre demnach auch das Reverse Charge Verfahren anwendbar, sodass der Dienstleistungserbringer bei privatem Dienstleistungsbezug durch den Steuerpflichtigen nicht gezwungen wäre, in einer für ihn gegebenenfalls unbekannten Steuerjurisdiktion Steuern abführen zu müssen. Dies hätte einen hohen Verwaltungsmehraufwand und wohl auch Erhebungsdefizite zur Folge, vgl. insgesamt zu dieser Problematik Ecker, A VAT/GST Model Convention, 2013, S. 144; GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 27 f.; Kuttin/Berger, in: FS für Wolfgang Nolz, 2008, S. 249 (251); Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 13b Rz. 12, 14; Penke, Der Ort der sosntigen Leistungen im Umsatzsteuerrecht, 2008, S. 153; Vellen, in: Nieskens/Scheffler (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 1999/2000, S. 13 (55). Siehe dazu oben unter 2. Teil: II. 1.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
des Anwendungsbereichs dieser Fiktion. 226 Dieses Ergebnis legt Art. 19 UAbs. 1 MwSt-DVO 227 ebenfalls fest und räumt so zuvor gegebenenfalls bestehende Zweifel aus. ii.
Neutralitätsaspekte
Da bei Leistungen, die für private Zwecke bestimmt sind, nicht umfassend der Verbrauchsort berücksichtigt wird, kann man diese Regel mit Blick auf das Verbrauchsortprinzip kritisieren. 228 Jedoch gewährleistet die Einschränkung im Gesamtvergleich eine Gleichbehandlung aller für private Zwecke empfangenen Leistungen. Der private Verbraucher, der auch Steuerpflichtiger ist, kann so allein aufgrund dieser Stellung keine Vorteile gegenüber rein privaten Verbrauchern, die keine Möglichkeit zum Vorsteuerabzug haben, erlangen. 229 Eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung verschiedener privater Verbraucher kann auch nicht mit dem Verbrauchsortprinzip begründet werden. 230 Dies würde dazu führen, dass das Verbrauchsortprinzip auf Kosten der neutralen Behandlung jeglichen Endverbrauchs – oder mit anderen Worten: die Neutralität auf Kosten der Neutralität – verwirklicht würde. Zwar gewährleistete eine Erfassung des Dienstleistungsbezugs für 226
227
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230
Vgl. ebenso Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 609, TAXUD/2412/09, Brüssel, 9.2.2009, S. 3, 9; S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 188; Kindl, ÖStZ 2008, 583 (584); Kindl/Reinbacher, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Leistungsort der Umsatzsteuer, 2009, S. 143 (147); Michel, BB 2008, 1936 (1940); Monfort, DStR 2009, 297 (299); Monfort, UR 2009, 301 (311); Nieskens, UR 2008, 677 (680); Radeisen, DB 2009, 2229 (2229 f.); Reinbacher, ÖStZ 2009, 146 (146); Swinkels, IVM 2009, 28 (30); Korn, in: Bunjes, UStG, 15. Aufl. 2016, § 3a Rz. 26 f.; Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl. 2011, § 3a Rz. 41. Entsprechend wurde nunmehr der deutsche § 3a Abs. 2 Satz 3 UStG durch Art. 10 des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes v. 26.6.2013, BStBl. I 2013, 1809 geändert. Mehrwertsteuerdurchführungsverordnung, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates v. 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. L 77 v. 23.3.2011, S. 1 (MwSt-DVO). So S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 192. Vgl. ähnlich Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 609, TAXUD/2412/09, Brüssel, 9.2.2009, S. 9; Kindl, ÖStZ 2008, 583 (585); Kindl/Reinbacher, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Leistungsort der Umsatzsteuer, 2009, S. 143 (147). Dieser Ansicht folgt der EuGH in den anders gelagerten Fällen der Entnahme von Gegenständen aus dem Unternehmen. Entsprechend versteht der EuGH den Zweck der Entnahmebesteuerung gerade darin, bei Entnahme von Gegenständen aus dem Unternehmen für private Zwecke einen ungerechtfertigten Vorteil des Steuerpflichtigen aufgrund seiner Stellung zu verhindern, vgl. EuGH, Urteil v. 8.3.2001 – C-415/98 (Bakcsi), Rz. 42 m.w.N. So scheinbar S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 192.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
private Zwecke durch Steuerpflichtige in Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL, dass Dienstleistungen dahingehend in (wettbewerbs-)neutraler Weise besteuert würden, als dass es nicht auf den Ort des Dienstleistungserbringers ankäme. Jedoch wäre diese Besteuerung zugleich nicht (belastungs-)neutral, da je nachdem, ob der Empfänger auch Steuerpflichtiger ist, Art. 44 oder Art. 45 MwStSyst-RL und damit entweder das Empfängerort- oder das Ursprungslandprinzip mit unterschiedlichen Steuertarifen zur Anwendung käme. Aufgrund der Belastungskonzeption der Mehrwertsteuer, wonach nur der private Endverbrauch besteuert wird, muss daher einer Gleichbehandlung der privaten Verbraucher der Vorzug gegeben werden. Dagegen könnte man wiederum einwenden, dass auch der Dienstleistungsbezug für nicht-wirtschaftliche, aber nicht private Zwecke unter Neutralitätsgesichtspunkten ebenfalls wie der private Endverbrauch behandelt werden müsste, da der nicht-wirtschaftliche Tätigkeitsbereich mangels Vorsteuerabzugsrecht gleichermaßen mit Mehrwertsteuer belastet wird. Allerdings ist das Neutralitätsprinzip bereits von seinem Anwendungsbereich her nicht betroffen. Denn dieses verlangt die gleichmäßige Vorsteuerentlastung miteinander im Wettbewerb stehender Steuerpflichtiger (Wettbewerbsneutralität), um so zugleich eine gleichmäßige und zum Preis proportionale Belastung der Endverbraucher mit Mehrwertsteuer zu gewährleisten (Belastungsneutralität). Hier käme allenfalls eine Verletzung des Neutralitätsprinzips in seiner Ausprägung als Belastungsneutralität in Betracht, wenn man unter Verbrauch im Sinne des Verbrauchsteuerprinzips sowohl den privaten Endverbrauch als auch den Verbrauch für nicht-wirtschaftliche Zwecke versteht und insofern von einer ungleichen Belastung von Endverbrauchern ausgehen muss. Jedoch deutet bereits die Differenzierung in nichtwirtschaftliche und private Zwecke darauf hin, dass es sich hierbei nicht um den gleichen Verbrauch im Sinne des Verbrauchsteuerprinzips handelt. Privater Endverbrauch dient der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse durch natürliche Personen. Demgegenüber dient der Dienstleistungsempfang für nicht-wirtschaftliche, aber nicht unternehmensfremde Zwecke 231 nicht der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse, sondern der Verwirklichung der nicht-wirtschaftlichen Tätigkeit. 232 Es fehlt zudem häufig an einer natürlichen Person, sodass es regelmäßig bereits aus diesem Grund keinen Leistungsbezug für private Zwecke geben kann. Dabei muss der Begriff der 231 232
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Nach der Diktion des EuGH handelt es sich nur bei privaten Zwecken um unternehmensfremde, vgl. Urteil v. 12.2.2009 – C-515/07 (VNLTO), Rz. 39. Vgl. im Ergebnis ähnlich Englisch, in: Tipke/Lang, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 328; so im Ausgangspunkt auch Reiß, in: DStJG Band 32, 2009, S. 9 (37), wenn auch mit anderer Konsequenz.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
nicht-wirtschaftlichen Tätigkeit im Bezug zur wirtschaftlichen Tätigkeit verstanden werden. Während Letztere aufgrund steuerbarer Ausgangsumsätze der Mehrwertsteuer unterfällt, fehlt es bei Ersterer an einer steuerbaren Tätigkeit. Der Schluss, dass es sich dann automatisch um Verbrauch zur Befriedigung privater Bedürfnisse handelt, verbietet sich jedoch. 233 Vertritt man daher die Ansicht, dass Dienstleistungsbezug für nicht-wirtschaftliche Tätigkeiten nicht mit demjenigen für private Zwecke gleichzusetzen ist, ist bereits der Anwendungsbereich des Neutralitätsprinzips nicht eröffnet. Aus dem gleichen Grund fehlt es auch an vergleichbaren Sachverhalten, was für eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 20 EU-Charta) erforderlich wäre. Weder der Anwendungsbereich des Neutralitätsprinzips noch der des allgemeinen Gleichheitssatzes sind damit eröffnet. iii.
Gemischte Verwendung
Offen geblieben ist an dieser Stelle noch, ob Art. 44 MwStSyst-RL zur Anwendung kommt, wenn die fragliche Dienstleistung sowohl für wirtschaftliche, als auch für private Zwecke bestimmt ist. In einem solchen Fall kämen grundsätzlich sowohl Art. 44 als auch Art. 45 MwStSyst-RL als Ortsbestimmungsregeln in Betracht. Da eine einheitliche Leistung aber grundsätzlich nicht auf einen wirtschaftlichen und einen privaten Teil aufteilbar sind 234, muss der Leistungsort einheitlich nach einer Ortsbestimmungsregel bestimmt werden. Diese Frage muss wiederum unter Praktikabilitätsgesichtspunkten und mit Rücksicht auf das Verbrauchsortprinzip untersucht werden. Das Verbrauchsortprinzip wird insbesondere durch Anwendung des Empfängerortprinzips verwirklicht. Demnach ist eine möglichst breite Anwendung des Art. 44 MwStSyst-RL wünschenswert. Danach wäre in Fällen gemischter Leistungen eine Zuordnung insgesamt unter Art. 44 MwStSystRL zu befürworten. Dies würde wiederum eine neutrale Behandlung gewährleisten, da Dienstleistungen unabhängig von der Herkunft des Dienstleistungserbringers besteuert würden.
233
234
Vgl. EuGH, Urteil v. 12.2.2009 – C-515/07 (VNLTO), Rz. 31, 34 f., 40; ebenso die Sicht der Europäischen Kommission nach Monfort, UR 2009, 301 (306, 311); Heber, WJVL 2013, Band 2 Heft 1, 24 (29); Korf/Kurtz, UR 2010, 86 (98); Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl. 2011, § 2 Rz. 129/1, § 3a Rz. 38, 42. Zum Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung vgl. anstatt vieler Leidel, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Leistungsort der Umsatzsteuer, 2009, S. 41, mit ausführlicher Zusammenfassung der EuGH-Rechtsprechung zu dieser Thematik; siehe auch unten 3. Teil: I. 2. b).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Aus praktischer Sicht ist keine der beiden Auslegungen vorzugswürdig. In beiden Fällen müsste der Empfänger, wie bereits oben ausführlich beschrieben, den Status des Leistungsempfängers feststellen. Allenfalls lässt sich eine Vereinfachung bei Anwendung des Art. 44 MwStSyst-RL erkennen, da der Empfänger gegebenenfalls ein Interesse daran hat, sich als Steuerpflichtiger erkennen zu geben. Dem Dienstleistungserbringer bliebe es erspart, trotz offensichtlicher Steuerpflichtigeneigenschaft seines Empfängers weiter zu prüfen, ob die Dienstleistung nicht gegebenenfalls auch für private Zwecke bestimmt ist. Umgekehrt sind jedoch ebenso Fälle denkbar, in denen der steuerpflichtige Empfänger lieber Nicht-Steuerpflichtiger sein will. In diesen Fällen verbliebe bei dem Dienstleistungserbringer die Pflicht, den Status seines Empfängers zu bestätigen. Aus praktischer Sicht ist daher eine Zuordnung zu Art. 44 MwStSyst-RL weder zu befürworten noch abzulehnen. Mit Blick auf das Verbrauchsort- und das Neutralitätsprinzip sollte bei gemischten Leistungen jedoch insgesamt Art. 44 MwStSyst-RL zur Anwendung kommen. 235 Entsprechend findet sich in Art. 19 UAbs. 3 MwSt-DVO die Regel, dass gemischt genutzte Dienstleistungen nach Art. 44 MwStSystRL zu beurteilen sind. Eine teilweise Verwendung auch für private Zwecke ist daher unschädlich für die Anwendbarkeit des Art. 44 MwStSyst-RL.236 Damit ist die Steuerpflichtigeneigenschaft nach Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL nur ausgeschlossen, wenn eine Dienstleistung vollständig für den privaten Bereich bezogen wird. Bei gemischter Verwendung hingegen ist die anteilige private Verwendung für die Anwendbarkeit der Art. 43 Nr. 1, Art. 44 MwStSyst-RL unschädlich. (d)
Die Anwendbarkeit des Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL auf rein nicht-wirtschaftlich Tätige
Des Weiteren stellt sich die Frage, ob als Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL auch gilt, wer nur nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht. Der Wortlaut des Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL spricht dagegen, indem er von Steuerpflichtigen (im Sinne des Art. 9 MwStSyst-RL) spricht, die auch nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehen. Die Verwendung von „auch“ deutet darauf hin, dass der Dienstleistungsempfänger 235
236
66
Vgl. ebenso Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 609, TAXUD/2412/09, Brüssel, 9.2.2009, S. 6, 12; wohl auch S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 210 f. Ebenso S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 210; Lejeune/Cortvriend/Accorsi, IVM 2011, 144 (148); Nieskens, DB 2011, 1470 (1472 f.).
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
zumindest teilweise wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehen muss. Die Regelung macht Sinn, wenn man den Vereinfachungsgedanken hinter Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL berücksichtigt. Die Regel des Art. 43 Nr. 1 MwStSystRL soll, wie bereits ausführlich behandelt, dem Dienstleistungserbringer die Ortsbestimmung erleichtern, indem er nicht danach differenzieren muss, für welchen Tätigkeitsbereich ein Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 9 MwStSyst-RL eine Dienstleistung empfängt. Geht der Dienstleistungsempfänger allerdings nur nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten nach, muss nicht differenziert werden. Außerdem wäre bei Anwendbarkeit des Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL auf rein nicht-wirtschaftlich Tätige der Anwendungsbereich des Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL zu großen Teilen eingeschränkt. Denn Letzterer erfasst insbesondere Personen, die nicht wirtschaftlich tätig sind, ohne privaten Konsum zu verwirklichen. 237 Folglich ist Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL nicht auf Dienstleistungsempfänger anwendbar, die ausschließlich nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehen. (2)
Nicht-steuerpflichtige juristische Personen mit MehrwertsteuerIdentifikationsnummer
(a)
Anwendungsbereich und praktische Relevanz
Neben der Erfassung von „auch“ nicht-wirtschaftlich tätigen Steuerpflichtigen erfasst Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL für Zwecke der Ortsbestimmung bei Dienstleistungen nicht-steuerpflichtige juristische Personen, denen eine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer erteilt wurde. Damit ergänzt Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL den Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL und fügt eine weitere Gruppe von Dienstleistungsempfängern hinzu, auf die grundsätzlich das Empfängerortprinzip des Art. 44 MwStSyst-RL anwendbar ist. Während Art. 43 Nr. 1 MwStSyst-RL nun alle steuerpflichtigen juristischen und natürlichen Personen erfasst, fallen unter Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL nur juristische Personen, die keiner wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen. Typischerweise betrifft dies zum Beispiel die sogenannte reine Holding, die lediglich Beteiligungen hält, und juristische Personen des öffentlichen Rechts, die keiner wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen. 238 Diese juristischen Personen erhalten in der Regel trotz fehlender wirtschaftlicher Tätigkeit gemäß Art. 214 Abs. 1 lit. b) MwStSyst-RL eine MehrwertsteuerIdentifikationsnummer, wenn sie innergemeinschaftliche Erwerbe tätigen. 239 237 238 239
Siehe zu Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL sogleich unter 3. Teil: I. 1. b) (2). Vgl. Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 3a Rz. 34.2; van Doesum/van Kesteren/van Norden/Reiniers, EC Tax Review 2008, 78 (82); Wille, IVM 2009, 8 (9). Siehe auch Art. 17 Abs. 2 MwSt-DVO.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Hat eine nicht-steuerpflichtige juristische Person hingegen keine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer, ist sie auch für Zwecke der Ortsbestimmungsregeln Nicht-Steuerpflichtiger und fällt grundsätzlich unter Art. 45 MwStSyst-RL. Darüber hinaus muss der Begriff der juristischen Person in Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL meines Erachtens aufgrund des Gebots der Rechtsformneutralität in einem weiten Sinne verstanden werden. Hierunter dürfen nicht nur juristische Personen im zivilrechtlichen (deutschen) Sinne fallen. Vielmehr muss jede Personenvereinigung, die keine natürliche Person ist, erfasst werden. 240 (b)
Praktikabilität und Verbrauchsortprinzip
Der Zweck des Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL erklärt sich wiederum aus Praktikabilitätserwägungen und unter Verbrauchsortsgesichtspunkten. 241 Durch eine Erweiterung auf nicht-steuerpflichtige juristische Personen kommt das Verbrauchsortprinzip und damit auch der Neutralitätsgedanke verstärkt zur Anwendung. Umgekehrt sprechen Praktikabilitätsaspekte nicht zwingend gegen eine Anwendung des Empfängerortprinzips auf nicht-steuerpflichtige juristische Personen mit Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer. Aufgrund ihrer Registrierung sind sie bereits für mehrwertsteuerliche Zwecke erfasst und haben zudem bereits weitgehendere Kenntnisse vom inländischen Mehrwertsteuersystem. Daher droht bei dieser Gruppe im Gegensatz zu rein privaten natürlichen Personen in viel geringerem Maße die Gefahr, dass es zu Erhebungsdefiziten kommt. 242 Jedoch stellt sich die Frage, warum man nicht zumindest auch juristische Personen ohne MehrwertsteuerIdentifikationsnummer als Steuerpflichtige für Zwecke der Ortsbestimmung erfasst. Die Unterscheidung in Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL erfolgt nicht in 240
241 242
68
Vgl. S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 201; Monfort, UR 2009, 301 (313); van Doesum/van Kesteren/van Norden/Reiniers, EC Tax Review 2008, 78 (82). Anders für das deutsche Recht wohl Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 73 Rz. 167 ff.; ebenso, wenn auch beschränkend auf rechtsfähige Personengesellschaften Spilker, IStR 2009, 838 (842). Vergleichbar dazu ist die Frage zur Rechtsform einer Organgesellschaft; hier hat nunmehr auch der BFH aus Gründen der Rechtsformneutralität Zweifel an der deutschen Rechtslage geäußert, wonach nur juristische Personen Organgesellschaft werden können, vgl. BFH, Beschlüsse v. 11.12.2013 – XI R 38/12 und XI R 17/11, BStBl. II 2014, 428 (433) und BStBl. II 2014, 417 (424). Vgl. Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 609, TAXUD/2412/09, Brüssel, 9.2.2009, S. 7. Vgl. auch S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 203; Monfort, UR 2009, 301 (304); ders., DStR 2009, 297 (300); Nieskens, UR 2006, 99 (100).
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
bereits gerechtfertigter Weise nach dem Zweck des Leistungsbezugs, also nicht-wirtschaftliche oder private Zwecke. Vielmehr werden juristische Personen ungleich behandelt, je nachdem, ob sie eine MehrwertsteuerIdentifikationsnummer besitzen oder nicht, obwohl sie alle nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehen. Letztlich müssen jedoch praktische Überlegungen gegen eine Erweiterung auf alle juristischen Personen mit nicht-wirtschaftlicher Tätigkeit sprechen. Soweit diese juristischen Personen keine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer besitzen, sind sie mit Blick auf die Erhebung der Mehrwertsteuer vielmehr mit natürlichen Personen ohne Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer zu vergleichen. Mangels Registrierung besteht bei beiden Gruppen die erhöhte Gefahr, dass es zu Erhebungsdefiziten kommt. Von einer juristischen Person kann nämlich nicht allein aufgrund der Tatsache, dass sie nicht-wirtschaftlichen und nicht privaten Tätigkeiten nachgeht, erwartet werden, dass sie deshalb mit den Mehrwertsteuerregelungen vertraut ist. Mangels Registrierung ist darüber hinaus die Überwachungsmöglichkeit stark eingeschränkt. Das Zusammenspiel dieser beiden Aspekte erhöht die Gefahr von gewolltem und ungewolltem Verstoß gegen die Mehrwertsteuerregeln und resultiert so in Erhebungsdefiziten. Aus Praktikabilitätserwägungen ist eine Erfassung von juristischen Personen ohne Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer als Steuerpflichtiger für Zwecke der Ortsbestimmungsregeln daher nicht zu empfehlen. (c)
Innehaben und Verwenden der MehrwertsteuerIdentifikationsnummer
Fraglich erscheint jedoch, ob das reine Innehaben einer MehrwertsteuerIdentifikationsnummer ausreicht, um unter den Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL zu fallen oder ob diese auch verwendet werden muss. Weder der Wortlaut des Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL noch ergänzend Art. 17 MwSt-DVO geben hierüber eindeutige Auskunft. 243 Für Steuerpflichtige im Sinne des Art. 9 MwStSyst-RL stellt das Innehaben einer Identifikationsnummer nach einhelliger Auffassung kein konstitutives Merkmal dar. 244 Dies folgt bereits aus der Systematik des Gesetzes, wonach einem Steuerpflichtigen grundsätzlich eine Mehrwertsteuer-Identifikations243
244
Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl. 2011, § 3a Rz. 40 will jedoch anhand des Wortlauts des Art. 17 MwSt-DVO erkennen, dass es nur auf das Innehaben der Identifikationsnummer ankommt. Vgl. EuGH, Urteil v. 6.9.2012 – C-273/11 (Mecsek-Gabona), Rz. 60; v. 27.9.2012 – C-587/10 (VSTR), Rz. 40, 49, 51; Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 40 Rz. 61; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 21.
69
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
nummer zu erteilen ist (vgl. Art. 214 MwStSyst-RL). Auch Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL geht letztlich davon aus, dass Nicht-Steuerpflichtige ebenfalls eine Identifikationsnummer haben können. Wäre das Innehaben einer Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer aber ein konstitutives Merkmal des Steuerpflichtigen, wäre Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL insofern überflüssig. Somit ist weder das Innehaben noch das Verwenden einer MehrwertsteuerIdentifikationsnummer erforderlich, um Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL zu sein. Dies führt jedoch nicht zwangsläufig zu einer ähnlichen Annahme für Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL. Dieser geht im Gegenteil gerade davon aus, dass eine Person eine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer innehat, damit Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL überhaupt auf ihn oder sie anwendbar ist. Man kann daher sogar sagen, dass für den Steuerpflichtigen im Sinne des Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL zumindest das Innehaben einer MehrwertsteuerIdentifikationsnummer ein konstitutives Merkmal darstellt. 245 Offen bleibt allerdings, ob auch die Verwendung der besagten Identifikationsnummer als konstitutives Merkmal anzusehen ist. Für eine solche Betrachtungsweise sprechen sicherlich Vereinfachungsaspekte. Verwendet der Dienstleistungsempfänger gegenüber seinem Dienstleistungserbringer seine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer, weiß Letzterer stets, dass es sich um eine B2B 246-Konstellation handelt. 247 Umgekehrt bestünde für den Dienstleistungserbringer keine Nachforschungspflicht dahingehend, dass er sicherstellen muss, ob der Dienstleistungserbringer tatsächlich keine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer hat oder diese lediglich nicht verwendet. Gegen diese Ansicht sprechen aber ebenfalls gewichtige Gründe. Würde man allein auf die Verwendung abstellen, läge es in der Hand des Dienstleistungsempfängers, den Dienstleistungsort zu bestimmen. Durch „willkürliches“ Verwenden seiner Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer könnte der Empfänger den Besteuerungsort beliebig aussuchen. 248 Der NichtSteuerpflichtige mit Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer wäre – aufgrund der unterschiedlichen Anknüpfungspunkte für nicht-steuerpflichtige 245 246 247 248
70
Ebenso Monfort, UR 2009, 301 (313). Business to business. Zumindest mit der Einschränkung, dass die Identifikationsnummer nicht fälschlich verwendet wird. Siehe zur Möglichkeit von Gestaltungen Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 71 Rz. 72 f. Auch van Doesum/van Kesteren/van Norden/Reiniers, EC Tax Review 2008, 78 (82) erkennen bereits bei Beantragung einer Identifikationsnummer Gestaltungsmöglichkeiten.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
und steuerpflichtige Empfänger – im Vergleich zu Steuerpflichtigen unter Umständen besser gestellt, da Ersterer in gewissen Grenzen die Höhe seiner Mehrwertsteuerbelastung beeinflussen könnte. Verwendete der Empfänger seine Identifikationsnummer, würde der Dienstleistungsort in der Regel zum Empfänger verlagert; verwendete er keine Identifikationsnummer, bliebe es beim Ursprungslandprinzip. Diese Bedenken können auch nicht mit einer Pflicht des Steuerpflichtigen zur ordnungsgemäßen Verwendung seiner Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer ausgeräumt werden. 249 Die Überwachung solch einer Pflicht wäre höchstwahrscheinlich in vielen Fällen für die Finanzverwaltung nicht lückenlos möglich, sodass den Parteien (illegale) Spielräume verblieben. Solch eine subjektive Komponente bei den Ortsbestimmungsregeln kann nicht gewollt sein und ist es auch nicht. Zwar erkennt der EuGH grundsätzlich an, dass Steuerpflichtige für sie vorteilhafte Gestaltungen vornehmen können, die nicht die Grenze zum Missbräuchlichen überschreiten. 250 Eine entsprechende Wahlmöglichkeit des nicht-steuerpflichtigen Dienstleistungsempfängers mit Mehrwertsteuer-Identifikationsmöglichkeit kann dabei jedoch nicht als Gestaltungsoption gewollt sein. Diese Rechtsprechung kann daher nicht auf die Ortsbestimmungsregeln übertragen werden. Die Ortsbestimmungsregeln sollen objektiv anwendbar sein, ohne dass die Beteiligten den Leistungsort in jedem Einzelfall nach ihrem Belieben auswählen können. 251 Daher müssen die in den Ortsbestimmungsregeln verwendeten Anknüpfungspunkte, wie beispielsweise der Status des Empfängers, objektiver Natur sein, das heißt der Leistungsort muss anhand objektiv bestimmbarer Kriterien ermittelt werden können. Nur so kann eine sachgerechte Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse erfolgen, die sich entsprechend dem Verbrauchsortprinzip an dem Ort des mutmaßlichen Verbrauchs orientiert, wodurch wiederum eine neutrale Besteuerung gewährleistet wird. 252 Das Verbrauchsortprinzip spricht noch aus einer anderen Perspektive gegen einen „Verwendungs-Steuerpflichtigen“. Wie bereits mehrfach angesprochen, wird das Verbrauchsortprinzip in der Regel durch das Empfängerortprinzip weitergehend verwirklicht, als dies nach dem Ursprungslandprinzip der Fall ist. Daher ist eine möglichst breite Anknüpfung an den Empfänger249 250 251 252
Vgl. ebenso Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 73 Rz. 222. Vgl. EuGH, Urteil v. 21.2.2006 – C-255/02 (Halifax), Rz. 73 f.; v. 22.12.2010 – C277/09 (RBS Deutschland), Rz. 49. Vgl. Monfort, UR 2009, 301 (309). Vgl. Monfort, UR 2009, 301 (309).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
ort zu befürworten. Stellte man auf die Verwendung der Identifikationsnummer ab, wäre der Anwendungsbereich jedoch eingeschränkt, da es in der Regel mehr Nicht-Steuerpflichtige mit Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer geben sollte, als dann Nicht-Steuerpflichtige, die ihre Identifikationsnummer verwenden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Pflicht zur Angabe der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer in Rechnungen (vgl. Art. 226 Nr. 4 MwStSyst-RL) und der Zusammenfassenden Meldung (vgl. Art. 262 MwStSyst-RL). 253 Diese Pflicht betrifft nämlich nicht die Erfüllung der materiellen Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL, sondern formelle Erklärungspflichten. 254 Die Erbringung formeller Nachweise hat aber keinen materiell-rechtlichen Charakter, wie bereits wiederholt vom EuGH betont. 255 Durch formelle Indizien – wie beispielsweise die Erbringung eines Buchnachweises – soll lediglich das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen – zum Beispiel das Gelangen eines Gegenstandes in ein anderes Land im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung – für die Anwendbarkeit eines Mehrwertsteuertatbestands nachgewiesen werden. 256 Daher kann auch aus der formellen Nachweispflicht kein Schluss auf die materielle Eigenschaft einer Person als Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL gezogen werden. Schließlich kann die Regel in Art. 18 Abs. 1 lit. a) MwSt-DVO, wonach die Steuerpflichtigeneigenschaft bei Verwendung einer MehrwertsteuerIdentifikationsnummer zu vermuten ist, nicht als Argument für den „Verwendungs-Steuerpflichtigen“ herangezogen werden. Vielmehr bringt diese Regel gerade das entgegenstehende Verständnis zum Ausdruck. Eine Vermutungsregel besagt vielmehr, dass der Sachverhalt gegebenenfalls anders liegen kann, im konkreten Fall aber aufgrund des Vorliegens gewisser Indizien ein Merkmal als gegeben angenommen wird. Art. 18 Abs. 1 lit. a) MwSt-DVO nimmt entsprechend die Steuerpflichtigeneigenschaft an, wenn die Identifikationsnummer verwendet wird. 253 254 255
256
72
So wohl auch F. Becker/Müller-Lee, UStB 2009, 320 (323). Anders scheinbar Lohse/Spilker/Zitzl, UR 2010, 633 (636). Vgl. auch Prätzler/Stuber, BB 2013, 475 (478). Vgl. EuGH, Urteil v. 27.9.2007 – C-146/05 (Collée), Rz. 29, 31; v. 21.10.2010 – C385/09 (Nidera Handelscompagnie), Rz. 48 ff.; v. 6.9.2012 – C-273/11 (MecsekGabona), Rz. 59 f.; v. 27.9.2012 – C-587/10 (VSTR), Rz. 45 ff. Vgl. indirekt EuGH, Urteil v. 21.10.2010 – C-385/09 (Nidera Handelscompagnie), Rz. 42; v. 22.12.2010 – C-438/09 (Dankowski), Rz. 35 f.; deutlicher v. 27.9.2012 – C587/10 (VSTR), Rz. 49, 52; zusammenfassend zu der Rechtsprechung des EuGH Achatz, in: DStJG Band 32, 2009, S. 461 (462 ff.). Siehe auch Prätzler/Stuber, BB 2013, 475 (477).
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
Im Ergebnis ist daher Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 43 Nr. 2 MwStSyst-RL, wer eine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer innehat. 257 (3)
Abschließende Betrachtung
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Art. 43 MwStSyst-RL in weiten Bereichen das Interesse an einer praktikablen und zudem das Verbrauchsortprinzip verwirklichenden Regelung beachtet. Parallel zum Status der Beteiligten muss sogleich insbesondere im Rahmen der Art. 44 MwStSyst-RL weiterhin die Abgrenzung zwischen Hauptsitz und fester Niederlassung dargestellt werden. Diese Regelungen als Gesamtkonzept müssen dann in Vergleich zu den anderen Vorschlägen zur Zuordnung von Besteuerungsrechten gestellt werden. 2.
Steuerobjekt
a)
Steuerbarer Umsatz
Wie auch in anderen Steuerarten bedarf es neben dem Steuersubjekt (der Steuerpflichtige) eines Steuerobjektes. Dies sind in der Mehrwertsteuer alle steuerbaren Umsätze. Art. 2 MwStSyst-RL regelt in diesem Zusammenhang, welche Leistungen der Mehrwertsteuer unterliegen. All diesen Leistungen sind einige Merkmale gemeinsam, die sie zu steuerbaren Umsätzen machen. Zum einen muss die fragliche Leistung von einem Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, erbracht werden (vgl. Art. 2 Abs. 1 MwStSyst-RL). Es muss also einen Zusammenhang zwischen der fraglichen Leistung und der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen geben. Des Weiteren muss die Leistung grundsätzlich gegen Entgelt erbracht werden (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a) bis lit. c) MwStSyst-RL). Zwischen Leistungserbringer und Leistungsempfänger muss also ein Austauschverhältnis bestehen, wobei Leistung und Gegenleistung in einem Zusammenhang stehen müssen. 258 Damit die Leistung im Inland steuerbar ist, muss sie zudem im Inland erbracht werden. Dies richtet sich nach den Ortsbestimmungsregeln in Titel V der MwStSyst-RL. Des Weiteren muss die fragliche Leistung entsprechend dem 257
258
Vgl. ebenso, wenn auch kritisch S. Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, 2011, S. 202; Monfort, UR 2009, 301 (312 f.); mit anderen Argumenten Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl. 2011, § 3a Rz. 40. Vgl. EuGH, Urteil v. 5.2.1981 – 154/80 (Genossenschaft Coöperatieve Aardappelenbewaarplaats), Rz. 12; v. 3.3.1994 – C-16/93 (Tolsma), Rz. 13 f.; v. 21.3.2002 – C174/00 (Kennemer Golf & Country Club), Rz. 39; v. 16.12.2010 – C-270/09 (MacDonald Resorts), Rz. 16, 26; v. 27.10.2011 – C-93/10 (GFKL Financial Services), Rz. 17 ff.
73
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Verbrauchsteuergedanken der Mehrwertsteuer konsumfähig sein. Der Empfänger muss daher aus der Leistung einen verbrauchbaren Nutzen ziehen können. 259 Mit Blick auf das Erfordernis der Entgeltlichkeit der Leistung verlangt der EuGH in ständiger Rechtsprechung, dass „zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet“ 260. Dabei muss zwischen den Parteien eine Vereinbarung über den Preis und den Gegenwert der fraglichen Leistung vorliegen. 261 Bejaht man dementsprechend einen steuerbaren Umsatz, muss dieser als Dienstleistung oder Lieferung qualifiziert werden. Für die Anwendbarkeit der Ortsbestimmungsregeln in Kapitel 3 der MwStSyst-RL kommt es maßgeblich darauf an, dass die fragliche Leistung als Dienstleistung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 MwStSyst-RL qualifiziert wird. Nach der Definition in Art. 24 Abs. 1 MwStSyst-RL ist eine Dienstleistung jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist. Danach muss also eine Negativabgrenzung zu Lieferungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 MwStSyst-RL erfolgen. Art. 14 Abs. 1 MwStSyst-RL definiert Lieferungen als die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Jede Leistung, die keine Übertragung der Verfügungsmacht 262 beinhaltet, muss demnach eine Dienstleistung sein, sofern mit ihr ein verbrauchsfähiger Nutzen gewährt wird. b)
Leistungsbündel
Häufig ist eine klare Qualifizierung als Dienstleistung oder Lieferung nur schwer möglich, insbesondere, wenn eine Leistung sowohl Elemente von Dienstleistungen als auch Lieferungen enthält. Dies ist vor allem bei Leistungsbündeln der Fall. Leistungsbündel müssen zunächst dahingehend 259
260
261
262
74
Vgl. EuGH, Urteil v. 29.2.1996 – C-215/95 (Mohr), Rz. 19 ff.; v. 18.12.1997 – C384/95 (Landboden-Agrardienste), Rz. 20, 23 f.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 87 f; siehe auch Giesberts, StuW 1991, 175 (177). EuGH, Urteil v. 3.3.1994 – C-16/93 (Tolsma), Rz. 14; ebenso v. 21.3.2002 – C-174/00 (Kennemer Golf & Country Club), Rz. 39; v. 29.10.2009 – C-246/08 (Kommission / Finnland), Rz. 44; v. 16.12.2010 – C-270/09 (MacDonald Resorts), Rz. 16. Vgl. EuGH, Urteil v. 3.3.1994 – C-16/93 (Tolsma), Rz. 12; v. 29.10.2009 – C-246/08 (Kommission / Finnland), Rz. 43; v. 27.10.2011- C-93/10 (GFKL Financial Services), Rz. 17. Vgl. anstatt vieler EuGH, Urteil v. 29.3.2007 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 32 m.w.N.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 95.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
untersucht werden, ob es sich um eine einheitliche Leistung oder verschiedene Einzelleistungen handelt. In einem zweiten Schritt muss eine einheitliche Leistung als Dienstleistung oder als Lieferung qualifiziert werden. 263 (1)
Getrennte oder einheitliche Leistungen
Als Grundsatz gilt, dass verschiedene Umsätze getrennt zu betrachten sind und jeweils eine eigene Leistung darstellen. 264 Dies leitet der EuGH in ständiger Rechtsprechung aus Art. 2 Abs. 1 lit. a) MwStSyst-RL (vormals Art. 2 Abs. 1 der Sechsten MwSt-RL) her. 265 Auch dies dient einer neutralen Mehrwertbesteuerung 266, da insbesondere im Rahmen der Ortsbestimmungsregeln und der Steuerbefreiungen eine exaktere beziehungsweise engere Zuordnung möglich ist. Davon werden jedoch zwei Ausnahmen gemacht. 267 Die erste Fallgruppe betrifft Leistungen, bei denen die eine Hauptund die andere Nebenleistung ist. 268 Das Verhältnis von Haupt- zu Nebenleistung bestimmt sich insbesondere nach dem Zweck, den die eine Leistung für die andere aus Sicht des Leistungsempfängers hat. Es handelt sich demnach um eine Nebenleistung, wenn sie lediglich ein Mittel darstellt, um die Hauptleistung optimal in Anspruch nehmen zu können. Hat die Leistung aus Sicht des Leistungsempfängers hingegen einen eigenen Zweck, kann sie nicht als Nebenleistung qualifiziert werden. 269 Die zweite Fallgruppe betrifft 263 264 265
266 267
268
269
Vgl. anstatt vieler Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 110. Vgl. bereits EuGH, Urteil v. 8.7.1986 – 73/85 (Kerrutt), Rz. 14. Vgl. EuGH, Urteil v. 25.2.1999 – C-349/96 (Card Protection Plan), Rz. 29; v. 27.10.2005 – C-41/04 (Levob Verzekeringen), Rz. 20; v. 29.3.2007 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 22; v. 21.2.2008 – C-425/06 (Part Service), Rz. 50; v. 11.6.2009 – C-572/07 (RLRE Tellmer Property), Rz. 17; v. 2.12.2010 – C-276/09 (Everything Everywhere), Rz. 21; v. 10.3.2011 – C-497/09 u.a. (Bog u.a.), Rz. 53. Jedoch aus Art. 1 Abs. 2 UAbs. 2 MwStSyst-RL EuGH, Urteil v. 27.9.2012 – C-392/11 (Field Fisher Waterhouse), Rz. 14 und v. 17.1.2013 – C-224/11 (BGŻ Leasing), Rz. 29. So auch EuGH, Urteil v. 8.7.1986 – 73/85 (Kerrutt), Rz. 14; Lange, UR 2009, 289 (292). Vgl. zusammenfassend zur Rechtsprechung des EuGH Lange, UR 2009, 289 (294 ff.); sehr umfassend Leidel, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Leistungsort der Umsatzsteuer, 2009, S. 41; Slapio, MwStR 2013, 464 (464 f.). Vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 12.5.2005 – C-41/04 (Levob Verzekeringen), Rz. 67 f.; GA Léger, Schlussanträge v. 14.9.2006 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 41 f. Insgesamt EuGH, Urteil v. 22.10.1998 – C-308/96 und C-94/97 (Madgett und Baldwin), Rz. 24 f.; v. 25.2.1999 – C-349/96 (Card Protection Plan), Rz. 30; v. 11.1.2001 – C-76/99 (Kommission / Frankreich), Rz. 27; v. 3.7.2001 – C-380/99 (Bertelsmann), Rz. 20; v. 29.3.2007 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 28; v. 21.2.2008 – C-425/06 (Part Service), Rz. 52; v. 2.12.2010 – C-276/09 (Everything Everywhere), Rz. 25; v. 10.3.2011 – C-497/09 u.a. (Bog u.a.), Rz. 54; v. 27.9.2012 – C-392/11 (Field Fisher
75
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Leistungen, die nicht in einem Unterordnungsverhältnis stehen, jedoch so eng miteinander verbunden sind und dadurch objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, dass es aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers wirklichkeitsfremd wäre, diese Leistungselemente aufzuspalten. 270 Um zu beurteilen, ob es sich um Einzelleistungen oder eine einheitliche Leistung handelt, ist eine objektive Gesamtbetrachtung anhand der wesentlichen Leistungsmerkmale vorzunehmen. 271 Die Vereinbarung eines Gesamtpreises 272 und der Abschluss eines einheitlichen Vertrages 273 können dabei nicht als zwingende Indizien für eine einheitliche Leistung angesehen werden. Umgekehrt spricht die Einschaltung von Dritten 274 nicht zwangsläufig gegen eine einheitliche Leistung. In letzterem Fall muss die Leistung jedoch aus Sicht des objektiven Durchschnittverbrauchers insgesamt von dem (Haupt-)Unternehmer erbracht werden, das heißt er muss sich die Handlungen seiner Subunternehmer zurechnen lassen. 275 Wird das Leistungsbündel dann von mehreren, voneinander unabhängigen Steuerpflichtigen erbracht, kann es sich nicht um eine einheitliche Leistung handeln,
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76
Waterhouse), Rz. 17; v. 27.6.2013 – C-155/12 (Donnelley Global Turnkey Solutions), Rz. 22. EuGH, Urteil v. 12.6.1979 – 126/78 (Nederlandse Spoorwegen), Rz. 11 f.; v. 27.10.2005 – C-41/04 (Levob Verzekeringen), Rz. 22; v. 29.3.2007 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 22 f.; v. 21.2.2008 – C-425/06 (Part Service), Rz. 53; v. 11.6.2009 – C-572/07 (RLRE Tellmer Property), Rz. 19; v. 10.3.2011 – C-497/09 u.a. (Bog u.a.), Rz. 53; v. 27.9.2012 – C-392/11 (Field Fisher Waterhouse), Rz. 16; v. 17.1.2013 – C224/11 (BGŻ Leasing), Rz. 30; v. 21.2.2013 – C-18/12 (Žamberk), Rz. 28; v. 27.6.2013 – C-155/12 (Donnelley Global Turnkey Solutions), Rz. 21. Vgl. EuGH, Urteil v. 25.2.1999 – C-349/96 (Card Protection Plan), Rz. 28; v. 27.10.2005 – C-41/04 (Levob Verzekeringen), Rz. 19; v. 29.3.2007 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 21; v. 2.12.2010 – C-276/09 (Everything Everywhere), Rz. 26; v. 10.3.2011 – C-497/09 u.a. (Bog u.a.), Rz. 52; v. 27.9.2012 – C-392/11 (Field Fisher Waterhouse), Rz. 18 f.; v. 17.1.2013 – C-224/11 (BGŻ Leasing), Rz. 32; v. 21.2.2013 – C-18/12 (Žamberk), Rz. 27. Vgl. EuGH, Urteil v. 22.10.1998 – C-308/96 und C-94/97 (Madgett und Baldwin), Rz. 26; v. 25.2.1999 – C-349/96 (Card Protection Plan), Rz. 31; v. 27.10.2005 – C41/04 (Levob Verzekeringen), Rz. 25; v. 2.12.2010 – C-276/09 (Everything Everywhere), Rz. 29; v. 10.3.2011 – C-497/09 u.a. (Bog u.a.), Rz. 57; GA Kokott, Schlussanträge v. 12.5.2005 – C-41/04 (Levob Verzekeringen), Rz. 76 ff.; v. 27.9.2012 – C392/11 (Field Fisher Waterhouse), Rz. 27. Anders jedoch scheinbar EuGH, Urteil v. 11.6.2009 – C-572/07 (RLRE Tellmer Property), Rz. 23 f.; Birkenfeld, in: FS für Wolfram Reiss, 2008, S. 137 (144); Lange, UR 2009, 289 (291). Vgl. EuGH, Urteil v. 8.7.1986 – 73/85 (Kerrutt), Rz. 15; v. 27.9.2012 – C-392/11 (Field Fisher Waterhouse), Rz. 25; Birkenfeld, in: FS für Wolfram Reiss, 2008, S. 137 (141 ff.); Lange, UR 2009, 289 (291); Slapio, MwStR 2013, 464 (467). Vgl. EuGH, Urteil v. 11.1.2001 – C-76/99 (Kommission / Frankreich), Rz. 28; v. 22.10.1998 – C-308/96 und C-94/97 (Madgett und Baldwin), Rz. 24; v. 27.9.2012 – C-392/11 (Field Fisher Waterhouse), Rz. 26; Beschluss v. 19.1.2012 – C-117/11 (Purple Parking und Airparks Services), Rz. 37. Kritisch Korf, IStR 2008, 261 (261). Vgl. ähnlich Birkenfeld, in: FS für Wolfram Reiss, 2008, S. 137 (142).
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
selbst wenn die Leistungen im oben beschriebenen Sinne eng miteinander verbunden sind. 276 Das Gleiche gilt im umgekehrten Fall, wenn mehrere Leistungen, die die Voraussetzungen für eine einheitliche Leistung beziehungsweise Haupt- und Nebenleistung erfüllen, an mehrere Leistungsempfänger erbracht werden. 277 Es wird weithin die Ansicht vertreten, dass einheitliche Leistungen, die aus verschiedenen Elementen bestehen, nicht trennbar sind. Dies folgert der EuGH aus dem Interesse an einem funktionierenden Mehrwertsteuersystem 278 und der Verwirklichung der Mehrwertsteuerrichtlinien 279. Einheitliche Leistungen können daher nicht für Zwecke der Ortsbestimmungsregeln in verschiedene Lieferungen und Dienstleistungen aufgeteilt werden. 280 Dies hat Auswirkungen auf Sachverhalte, in denen auf Empfängerseite ein Steuerpflichtiger mit mehreren Niederlassungen steht, der die empfangene Leistung in mehreren dieser Niederlassungen verwenden will. Nach dem oben beschriebenen Grundsatz der einheitlichen Leistung kann die Leistung nur einem Ort zugeordnet werden. 281 Insofern tritt ein Konflikt zu anderen Prinzipien, insbesondere dem Verbrauchsortprinzip, auf. 282 (2)
Qualifikation von einheitlichen Leistungen
Kommt man zu dem Schluss, dass ein Leistungsbündel eine einheitliche Leistung darstellt, muss diese sodann als Lieferung oder Dienstleistung qua-
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Vgl. Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 31 Rz. 292; Birkenfeld, in: FS für Wolfram Reiss, 2008, S. 137 (142); Leonard, in: Bunjes, UStG, 15. Aufl. 2016, § 3 Rz. 21; im Ergebnis wohl ebenso Fritsch, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 3 Rz. 732 sowie Korf, IStR 2008, 261 (261). Vgl. Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 31 Rz. 294 und § 71 Rz. 51; wohl auch Penke, Der Ort der sonstigen Leistungen im Umsatzsteuerrecht, 2008, S. 155; Rademacher, INF 1997, 385 (385). Vgl. EuGH, Urteil v. 25.2.1999 – C-349/96 (Card Protection Plan), Rz. 29; v. 29.3.2007 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 22; v. 2.12.2010 – C-276/09 (Everything Everywhere), Rz. 22; v. 10.3.2011 – C-497/09 u.a. (Bog u.a.), Rz. 53; v. 27.9.2012 – C-392/11 (Field Fisher Waterhouse), Rz. 18; v. 17.1.2013 – C-224/11 (BGŻ Leasing), Rz. 31. Vgl. EuGH, Urteil v. 12.6.1979 – 126/78 (Nederlandse Spoorwegen), Rz. 12. Vgl. Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 71 Rz. 42; Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 609, Brüssel, 9.2.2009, TAXUD/2412/09, S. 6; Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 620, Brüssel, 2.6.2009, taxud.d.1(2009)132177, S. 9 f.; Radeisen, DB 2009, 2229 (2231); indirekt Fritsch, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 3 Rz. 727. Vgl. Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 71 Rz. 43; Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 620, Brüssel, 2.6.2009, taxud.d.1(2009)132177, S. 9 f. Siehe zu dieser Problematik ausführlich unten 3. Teil: I. 3. d) (2).
77
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
lifiziert werden. Auch dies erfolgt anhand einer Gesamtbetrachtung 283, wobei es maßgeblich auf die Bestimmung der wesentlichen Bestandteile beziehungsweise charakteristischen Merkmale des Leistungsbündels ankommt 284. Handelt es sich um Haupt- und Nebenleistung, prägt die Hauptleistung die Leistung als Lieferung oder Dienstleistung; die Nebenleistungen sind für die Qualifizierung insofern irrelevant. 285 Stehen die verschiedenen Leistungsbestandteile nebeneinander, kommt es auf die Bedeutung der wesentlichen Merkmale der einzelnen Leistungen für die Gesamtleistung an. 286 Diejenige Leistung bestimmt in der Regel die Leistungsart, die gegenüber den anderen Bestandteilen überwiegt. 287 Ob ein Leistungsbestandteil von prägender Bedeutung ist, richtet sich unter anderem nach Notwendigkeit für die Gesamtleistung, Umfang, Dauer und Kostenanteil in Bezug auf die Gesamtleistung, denn dadurch wird ein Überwiegen dieses Bestandteils indiziert (jedoch nicht bestimmt). 288
283
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288
78
Vgl. EuGH, Urteil v. 2.5.1996 – C-231/94 (Faaborg-Gelting), Rz. 12; v. 27.10.2005 – C-41/04 (Levob Verzekeringen), Rz. 19; v. 29.3.2007 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 21; v. 10.3.2011 – C-497/09 u.a. (Bog u.a.), Rz. 52, 62; v. 21.2.2013 – C-18/12 (Žamberk), Rz. 30. Vgl. EuGH, Urteil v. 2.5.1996 – C-231/94 (Faaborg-Gelting), Rz. 12; v. 29.3.2007 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 27; v. 10.3.2011 – C-497/09 u.a. (Bog u.a.), Rz. 62; v. 21.2.2013 – C-18/12 (Žamberk), Rz. 29; GA Léger, Schlussanträge v. 14.9.2006 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 55. Die Nebenleistung teilt das „steuerliche Schicksal“ der Hauptleistung, vgl. EuGH, Urteil v. 25.2.1999 – C-349/96 (Card Protection Plan), Rz. 30; v. 27.10.2005 – C41/04 (Levob Verzekeringen), Rz. 21; v. 11.6.2007 – C-572/07 (RLRE Tellmer Property), Rz. 18; v. 21.2.2008 – C-425/06 (Part Service), Rz. 52; v. 10.3.2011 – C497/09 u.a. (Bog u.a.), Rz. 54; v. 21.2.2013 – C-18/12 (Žamberk), Rz. 28. Deutlicher EuGH, Urteil v. 17.1.2013 – C-224/11 (BGŻ Leasing), Rz. 30. Indirekt auch EuGH, Urteil v. 29.3.2007 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 27 f. Vgl. auch Birkenfeld, in: FS für Wolfram Reiss, 2008, S. 137 (144); Lange, UR 2009, 289 (295). Vgl. EuGH, Urteil v. 27.10.2005 – C-41/04 (Levob Verzekeringen), Rz. 27; v. 29.3.2007 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 38; v. 10.3.2011 – C-497/09 u.a. (Bog u.a.), Rz. 61 f.; v. 21.2.2013 – C-18/12 (Žamberk), Rz. 29; GA Léger, Schlussanträge v. 14.9.2006 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 55, 59 f.; ausführlich auch Birkenfeld, in: FS für Wolfram Reiss, 2008, S. 137 (145 f.); Lange, UR 2009, 289 (299). Vgl. EuGH, Urteil v. 2.5.1996 – C-231/94 (Faaborg-Gelting), Rz. 14; v. 10.3.2011 – C-497/09 u.a. (Bog u.a.), Rz. 64 ff., 76, 81; GA Léger, Schlussanträge v. 14.9.2006 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 59 f. Zusammenfassend auch Leidel, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Leistungsort der Umsatzsteuer, 2009, S. 41 (51). Vgl. EuGH, Urteil v. 27.10.2005 – C-41/04 (Levob Verzekeringen), Rz. 28; v. 10.3.2011 – C-497/09 u.a. (Bog u.a.), Rz. 62 f.; v. 21.2.2013 – C-18/12 (Žamberk), Rz. 30; GA Léger, Schlussanträge v. 14.9.2006 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 57, 59. Einschränkend EuGH, Urteil v. 29.3.2007 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 37 ff. Teilweise anders Birkenfeld, in: FS für Wolfram Reiss, 2008, S. 137 (146).
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
3.
Leistungsort bei Dienstleistungen
a)
Allgemeiner Überblick
Um feststellen zu können, welchem Land das Besteuerungsrecht für einen konkreten Umsatz zukommt, kommt es in erster Linie auf die Ortsbestimmungsregeln an. Während nämlich zunächst jede Leistung dahingehend qualifiziert werden muss, ob es sich um eine Dienstleistung oder Lieferung handelt und ob sie von einem Steuerpflichtigen erbracht wurde, stellt sich im Anschluss stets die Frage, ob diese Leistung im Inland steuerbar ist. Dies kann nur bejaht werden, wenn die Ortsbestimmungsregeln dem fraglichen Staat das Besteuerungsrecht zuweisen, indem sie den Leistungsort in diesen Staat legen. Daher kommt den Ortsbestimmungsregeln die maßgebliche Bedeutung zu, die Besteuerungsrechte verschiedener Staaten voneinander abzugrenzen. 289 Dabei wird auf internationaler Ebene einhellig die Ansicht vertreten, dass die Umsatzsteuer entsprechend ihrem Belastungsgrund in dem Land des Verbrauchs zu erheben ist. Folglich soll grundsätzlich der Staat, in dem der fragliche Verbrauch (vermutlich) stattfindet, das Besteuerungsrecht haben. 290 Die Ortsbestimmungsregeln können daher nicht willkürlich einem Land das Besteuerungsrecht zuweisen. Vielmehr müssen sie sich an diesen Prinzipien orientieren mit dem Ziel, sie weitgehend zu verwirklichen. Die Ortsbestimmungsregeln enthalten für Dienstleistungen in den Art. 44, 45 MwStSyst-RL zwei Grundregeln. 291 Diese beiden Regeln differenzieren nicht nach Art der Dienstleistung. Vielmehr sind sie auf alle Dienstleistungen anwendbar, sofern nicht eine speziellere Regel in den Art. 46 ff. MwStSyst-RL greift. Art. 44, 45 MwStSyst-RL differenzieren lediglich nach dem Status des Leistungsempfängers, also seiner Eigenschaft als Steuerpflichtiger oder Nicht-Steuerpflichtiger. 292 Sofern der Leistungsempfänger Steuer289
290 291
292
Vgl. ständige Rspr. des EuGH, Urteil v. 4.7.1985 – 168/84 (Berkholz), Rz. 14; v. 20.2.1997 – C-260/95 (DFDS), Rz. 18; v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 42; Weiermeyer, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 125 (125); Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl. 2011, § 3a Rz. 54, 57. Vgl. anstatt vieler Reiß, in: StbJb. 1998/99, 1999, S. 391 (394). Siehe auch ausführlich oben 2. Teil: I. 1. Zwar ist zu dem Verhältnis der neuen Art. 44 ff. MwStSyst-RL noch keine Rechtsprechung ergangen. Jedoch ging der EuGH in ständiger Rspr. zur alten Rechtslage davon aus, dass die allgemeine, dem Art. 45 MwStSyst-RL ähnelnde Vorschrift gegenüber den spezielleren Ortsbestimmungsregeln keinen Vorrang hat, vgl. EuGH, Urteil v. 6.3.1997 – C-167/95 (Linthorst, Pouwels und Scheres), Rz. 11; v. 15.3.2001 – C108/00 (SPI), Rz. 15 f.; v. 12.5.2005 – C-452/03 (RAL), Rz. 24; v. 6.11.2008 – C291/07 (TRR), Rz. 23 ff. (mit Bezug zur MwStSyst-RL). Siehe dazu ausführlich oben 3. Teil: I. 1. b).
79
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
pflichtiger ist, ist in einem zweiten Schritt die jeweilige Dienstleistung seinem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder seiner festen Niederlassung zuzuordnen (Art. 44 MwStSyst-RL). Umgekehrt kommt es bei einem nichtsteuerpflichtigen Leistungsempfänger auf den Sitz beziehungsweise die feste Niederlassung des steuerpflichtigen Leistungserbringers an (Art. 45 MwStSyst-RL). Ist weder ein Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung vorhanden, gilt der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort als Dienstleistungsort (Art. 44 Satz 3 und Art. 45 Satz 3 MwStSyst-RL). Anknüpfungspunkt für die Ortsbestimmung sind folglich in erster Linie der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit und feste Niederlassungen. Im Verhältnis von Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit zu dazugehörigen festen Niederlassungen ist eine feste Niederlassung nach der hier vertretenen Ansicht vorrangiger Anknüpfungspunkt, sofern die konkrete Dienstleistung an sie beziehungsweise von ihr erbracht wird. 293 Zwar enthalten die Art. 44, 45 MwStSyst-RL ausdrückliche Zuordnungsregeln, jedoch stellen sich zahlreiche Abgrenzungsfragen. So muss zum einen zwischen den Begriffen „Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit“ und „feste Niederlassung“ unterschieden werden. Des Weiteren muss geklärt werden, wann eine Dienstleistung an den Sitz oder die feste Niederlassung erbracht wird. Neben den beiden Grundregeln in den Art. 44, 45 MwStSyst-RL normieren die Art. 46 ff. MwStSyst-RL für verschiedene Dienstleistungsarten besondere Ortsbestimmungsregeln. Diese Regeln differenzieren, anders als die Grundregeln, nicht stets anhand des Status des Dienstleistungsempfängers. 294 Vielmehr muss bei den speziellen Regeln in erster Linie anhand der Art der Dienstleistung differenziert werden. Maßgeblich für die Anwendbarkeit der speziellen Dienstleistungsregeln ist somit nicht die Qualifikation des Empfängers, sondern die der Dienstleistung. Demnach gibt es spezielle Ortsbestimmungsregeln beispielsweise für Vermittlungsleistungen (Art. 46 MwStSyst-RL), grundstücksbezogene Leistungen (Art. 47 MwStSyst-RL) oder Restaurant- und Verpflegungsumsätze (Art. 55, 57 MwStSyst-RL). Die Sonderregeln erklären sich aus der Annahme heraus, dass sich bei diesen bestimmten Dienstleistungen andere Anknüpfungspunkte als der Sitzort bes293 294
80
Eindeutiger Wortlaut der Art. 44 Satz 2 und Art. 45 Satz 2 MwStSyst-RL. Siehe dazu ausführlich unten 3. Teil: I. 3. c) (2) (d) iv. Lediglich Art. 46, 50, 53, 54, 56 Abs. 2, 58, 59 (und 59b) MwStSyst-RL sind in ihrer Anwendbarkeit nur auf Steuerpflichtige oder Nicht-Steuerpflichtige beschränkt. Alle anderen Ortsbestimmungsregeln sind unabhängig vom Status des Empfängers anwendbar.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
ser an den Ort des tatsächlichen Verbrauchs annähern. 295 So können insbesondere der Tätigkeitsort und ein Grundstück als alternative Anknüpfungspunkte herangezogen werden. Für die hier interessierenden mehrfachansässigen Steuerpflichtigen sind jedoch allein die Grundregeln der Art. 44, 45 MwStSyst-RL relevant, da nur diese feste Niederlassungen als Anknüpfungspunkt festlegen. Da die vorliegende Arbeit zudem schwerpunktmäßig auf Dienstleistungen zwischen Steuerpflichtigen beziehungsweise unternehmensinterne Dienstleistungen eingehen wird, wird im Folgenden nur bezüglich der in Art. 44 MwStSyst-RL niedergelegten Anknüpfungspunkte zu untersuchen sein, inwiefern diese geeignet sind, das Verbrauchsortprinzip zu verwirklichen. b)
Anknüpfungskriterien zur Annäherung an den Ort des tatsächlichen Verbrauchs
Dies vorweg sollen nunmehr die oben benannten Anknüpfungspunkte Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit, feste Niederlassung, Ansässigkeit und Wohnsitz dahingehend untersucht werden, inwiefern sie dem Verbrauchsortprinzip gerecht werden. (1)
Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit beziehungsweise feste Niederlassung
Das Bestimmungsland verwirklichend und in B2B-Konstellationen relevant sind der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Empfängers beziehungsweise der Ort der empfangenden festen Niederlassung als Anknüpfungspunkte für die Ortsbestimmung. Seit der umfassenden Reform der Ortsbestimmungsregeln in der MwStSyst-RL aus 2010 knüpft die Grundregel des Art. 44 MwStSyst-RL an diese Anknüpfungspunkte an, soweit keine spezielleren Ortsbestimmungsregeln einschlägig sind. 296 Bei der Anknüpfung an den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit beziehungsweise der festen Niederlassung wird generalisierend vermutet, dass die Ware beziehungsweise die Dienstleistung dort verbraucht wird, wo der Empfänger dergleichen sich üblicherweise aufhält und seiner wirtschaftlichen und gegebenenfalls auch nicht-wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht. Dies ist nach generalisierender Betrachtung üblicherweise der Tätigkeitsort des Steuerpflichtigen, also sein Hauptsitz (beziehungsweise Sitz der wirtschaft295 296
Vgl. Ecker, FJ 2008, 355 (357). So auch die OECD, Applying VAT/GST to Cross-Border Trade in Services and Intangibles, Kapitel 2 Tz. 9.
81
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
lichen Tätigkeit) und seine festen Niederlassungen. 297 Dabei verknüpft dieses Kriterium die Leistung mit einem geographisch relativ eindeutig lokalisierbaren Ort, wodurch eine exakte Zuteilung des Besteuerungsrechts gewährleistet werden kann. Indem die Anknüpfungskriterien Sitz der wirtwirtschaftlichen Tätigkeit und feste Niederlassung intendierter Weise die Besteuerung am Empfängerort als dem Ort des Verbrauchs realisieren wollen, wird zugleich das Neutralitätsprinzip dergestalt verwirklicht, dass die Belastung mit Mehrwertsteuer unabhängig von der Herkunft der Dienstleistung und des Dienstleistungserbringers erfolgt. Hier zeigt sich wiederum das Zusammenspiel zwischen dem Verbrauchsortprinzip und dem Neutralitätsprinzip. Durch Beachtung des Empfängerortes als Besteuerungsort werden diese beiden Prinzipien weitgehend beachtet. 298 Die beiden Anknüpfungskriterien werden auch umgekehrt in B2CKonstellationen mit Blick auf den Leistungserbringer verwendet. 299 Zwar wird in diesem Fall nicht in gleichem Maße das Verbrauchsortprinzip verwirklicht, da hier nicht gleichermaßen generalisierend vermutet werden kann, dass der Konsument in der Regel am Ort des Leistungserbringers verbraucht. 300 Bezüglich der Verwirklichung des Verbrauchsortprinzips werden insofern Abstriche zu Gunsten anderer – insbesondere Praktikabilitäts- 301 – Überlegungen gemacht. Die unterschiedliche Praktikabilität des Empfängerortes bei B2C- und B2BDienstleistungen ergibt sich insbesondere in Zusammenschau mit dem Reverse Charge Verfahren (vgl. Art. 192a ff. MwStSyst-RL). 302 Indem die Steuerschuldnerschaft so auf den Dienstleistungsempfänger übertragen wird, muss der Dienstleistungserbringer die jeweils anfallende Mehrwertsteuer nicht mehr abführen. Bei Anwendbarkeit des Reverse Charge Verfahrens ist dies nunmehr Aufgabe des Dienstleistungsempfängers. Weisen die Ortsbestimmungsregeln dem Land, in dem der Empfänger ansässig ist, das Besteuerungsrecht zu, muss der Dienstleistungserbringer sich nicht mit einer für 297 298 299 300
301
302
82
Vgl. Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (211). Befürwortend bereits Ratzel, Umsatzbesteuerung grenzüberschreitender Dienstleistungen, 2003, S. 149 ff. Vgl. anstatt vieler Tumpel, in: DStJG Band 32, 2009, S. 53 (69); Vellen, in: Nieskens/Scheffler (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 1999/2000, S. 13 (51 f.). Zum Beispiel als Grundregel in Art. 45 MwStSyst-RL. Vgl. auch Reiß, in: FS für Klaus Tipke, 1995, S. 433 (442); Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (201); Heinrich, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Verbrauchsort der Umsatzsteuer, 2009, S. 21 (34); Ecker, A VAT/GST Model Convention, 2013, S. 264. Vgl. hierzu ausführlich Heinrich, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Verbrauchsort der Umsatzsteuer, 2009, S. 21 (33 ff.); Ecker, FJ 2008, 355 (357); Ecker, A VAT/GST Model Convention, 2013, S. 261. Siehe zu dem Gleichlauf der Regelungen Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 13b nF Rz. 47.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
ihn gegebenenfalls unbekannten Rechtsordnung auseinandersetzen. 303 Dem Dienstleistungsempfänger hingegen kann eher zugetraut werden, dass er sich mit den mehrwertsteuerlichen Pflichten vertraut machen kann. Praktikabilitätsaspekte sprechen insofern nicht dagegen, den Empfängerort als Dienstleistungsort zu bestimmen. 304 Dies gilt allerdings einschränkend nur, soweit es sich bei dem Empfänger um einen Steuerpflichtigen handelt, der ohnehin Kenntnisse zumindest des Mehrwertsteuerrechts in seinem Ansässigkeitsstaat haben muss. 305 Daraus erklärt sich die Differenzierung zwischen B2C- und B2B-Dienstleistungen in Art. 44 und 45 MwStSyst-RL, wonach nur bei B2B-Dienstleistungen der Dienstleistungsort zum Empfänger verlagert wird. Dem nicht-steuerpflichtigen Empfänger kann nicht zugetraut werden, als Steuerschuldner die Mehrwertsteuer abführen zu müssen. 306 Daher ist das Reverse Charge Verfahren in diesen Fällen regelmäßig nicht anwendbar. Um jedoch stattdessen nicht dem (gegebenenfalls ausländischen) Dienstleistungserbringer die Pflicht aufzuerlegen, am Ort des Empfängers Mehrwertsteuer abzuführen, bleibt es in diesen Fällen beim Ursprungslandprinzip. Dies alles verdeutlicht den Ausgleich, der stets zwischen verschiedenen, oftmals widerstreitenden Prinzipien gefunden werden muss. (2)
Ansässigkeit und Wohnsitz
Ähnlich wie die Anknüpfung an den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder festen Niederlassung folgt auch die Anknüpfung an den Ansässigkeitsort oder Wohnsitz des Leistungsempfängers der Vermutung, dass Leistungen in der Regel in dem Umfeld verbraucht werden, wo sich der Empfänger überwiegend und üblicherweise aufhält. Die Anknüpfung an Ansässigkeit und Wohnsitz erlaubt ebenfalls einen geographischen Bezug zu einem Land. Insofern kann auf die voranstehenden Ausführungen verwiesen werden. Dabei ist der Unterschied zwischen Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit / fester 303
304 305
306
Vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 28; Ecker, A VAT/GST Model Convention, 2013, S. 144; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 13b Rz. 12; Penke, Der Ort der sosntigen Leistungen im Umsatzsteuerrecht, 2008, S. 152; Reinbacher, ÖStZ 2009, 146 (149). Vgl. Ecker, A VAT/GST Model Convention, 2013, S. 142; insgesamt Vellen, in: Nieskens/Scheffler (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 1999/2000, S. 13 (55 f.). Vgl. Penke, Der Ort der sonstigen Leistungen im Umsatzsteuerrecht, 2008, S. 152; Vellen, in: Nieskens/Scheffler (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 1999/2000, S. 13 (55). Vgl. Ecker, A VAT/GST Model Convention, 2013, S. 144. Nur so kann eine ausreichende Kontrolle und damit die Steuererhebung gewährleistet werden, vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 13b nF Rz. 5; siehe auch Vellen, in: Nieskens/Scheffler (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 1999/2000, S. 13 (55).
83
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Niederlassung und Ansässigkeit / Wohnsitz wohl im Wesentlichen mit Bezug auf den Empfänger zu betrachten. Bei steuerpflichtigen Empfängern wird in der Regel wohl ersteres gegeben sein, während NichtSteuerpflichtige – sofern sie nicht auch einen wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich haben oder juristische Personen sind – in aller Regel „nur“ einen Ansässigkeitsort / Wohnsitz haben werden. 307 Dafür spricht auch die Systematik der Art. 44, 45 MwStSyst-RL, die zwar vorrangig an Sitz und Niederlassung anknüpfen, letztlich aber keinen Unterschied zwischen diesen vier Anknüpfungspunkten machen. Soweit auch das Ansässigkeits- und Wohnsitzkriterium bezogen auf den Leistungserbringer angewendet werden, sei ebenfalls auf die obenstehenden Ausführungen verwiesen. (3)
Zusammenfassung
Alle diese Anknüpfungspunkte haben entsprechend ihrem Zweck, nämlich territoriale Zuordnung von Besteuerungsrechten, einen geographischen Bezug, da bestimmte Personen einem bestimmten Ort zuzuordnen sind. 308 Rein tätigkeitsbezogene Anknüpfungspunkte sind nämlich weit weniger tauglich zur Bestimmung des Leistungsortes, da diese häufiger und unmerklicher wechseln können. Daher haben auch vordergründig tätigkeitsbezogene Anknüpfungspunkte, wie zum Beispiel Veranstaltungen, meist einen geographischen Anknüpfungspunkt, nämlich den jeweiligen Veranstaltungsort, also das Theater, die Sportarena etc. 309 Unabhängig von den bereits genannten Anknüpfungspunkten ist daneben eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten denkbar. 310 Diese sind bei geographischem Bezug grundsätzlich auch geeignet, einem bestimmten Land das Besteuerungsrecht zuzuweisen.
307 308 309
310
84
Vgl. noch weitergehend Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3a nF Rz. 47, 49. Vgl. Heinrich, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Leistungsort der Umsatzsteuer, 2009, S. 21 (22, 24). Vgl. EuGH, Urteil v. 9.3.2006 – C-114/05 (Gillan Beach), Rz. 24; Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (228, 230); Lejeune/Kotanidis/Van Doninck, IVM 2009, 100 (105); Millar, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 275 (306); wohl auch Terra, CMLR 1989, 449 (458); Vellen, in: Nieskens/Scheffler (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 1999/2000, S. 13 (52 f.). Entsprechende Anknüpfungspunkte legen beispielsweise die Art. 53, 54 Abs. 1 MwStSyst-RL zugrunde, welche jedoch mangels Relevanz für die hier interessierende Fragestellungen nicht weiter untersucht werden. Beachte insofern die beispielhaften Ausführungen von Millar, in: Lang/Melz/ Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 275 (297 ff.); Ecker, A VAT/GST Model Convention, 2013, S. 140 ff.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
Dabei haben die Anknüpfungspunkte weitgehend gemeinsam, dass sie eine Annäherung an den Verbrauchsort erreichen wollen. Da dessen exakte Feststellung nicht möglich ist, können diese Anknüpfungspunkte jedoch nur näherungsweise den Verbrauchsort definieren. Grundsätzlich sind die Anknüpfungspunkte geeignet, dies zu verwirklichen. Daneben muss jedoch stets beachtet werden, dass neben dem Verbrauchsortprinzip gegebenenfalls andere Prinzipien und Überlegungen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. All diese müssen in Ausgleich miteinander gebracht werden, weshalb das Verbrauchsortprinzip nicht immer vollständig gewahrt werden kann. Zu nennen sind hier insbesondere das Neutralitätsprinzip sowie Praktikabilitätsaspekte. Soweit das Verbrauchsortprinzip verwirklicht wird, wird auch das Neutralitätsprinzip insoweit verwirklicht, als die Belastung mit Mehrwertsteuer unabhängig von der Herkunft der Leistung und dem Leistungserbringer ist (Wettbewerbsneutralität). Diese beiden Prinzipien stehen allerdings häufig im Konflikt zu dem Interesse an einer einfachen und effizienten Handhabung der Ortsbestimmungsregeln. Diesen Konflikt spiegeln die soeben untersuchten Anknüpfungspunkte wider. Dabei wird den verschiedenen Prinzipien in unterschiedlicher Weise durch die verschiedenen Anknüpfungspunkte Rechnung getragen. Die Ortsbestimmungsregeln verdeutlichen so das Ermessen des Richtliniengebers, welchem Prinzip er je den Vorrang geben will. Da alle Ortsbestimmungsregeln jedoch zumindest versuchen, die benannten Prinzipien zu berücksichtigen, können sie nicht per se abgelehnt werden. c)
Die Grundregel des Art. 44 MwStSyst-RL
Die Grundregel in Art. 44 MwStSyst-RL sieht als mögliche Anknüpfungspunkte den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit sowie feste Niederlassungen vor. Als Auffangregel kann daneben an den Wohnsitz beziehungsweise den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft werden. Diese Begriffe sollen im Folgenden erläutert werden. (1)
Begriff des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit
Eine Definition des Begriffs „Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit“ findet sich nicht in der MwStSyst-RL. Auch die Vorgängerrichtlinie enthielt keine Begriffserläuterung. Daneben können auch die vergleichbaren Begriffsdefinitionen insbesondere aus dem Gesellschaftsrecht nicht herangezogen werden, da diese erstens andere Zwecke verfolgen als der im Mehrwertsteuerrecht niedergelegte Begriff und zudem der Grundsatz einer einheitlichen Ausle-
85
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
gung von Unionsrecht gilt. 311 Erst Art. 10 MwSt-DVO enthält eine Definition. Danach gilt für Zwecke der Art. 44, 45 MwStSyst-RL als Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Ort, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden (Art. 10 Abs. 1 MwStDVO). Um diesen Ort zu ermitteln, muss untersucht werden, an welchem Ort die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung getroffen werden, wo der Ort des satzungsmäßigen Sitzes liegt und wo die Unternehmensleitung zusammenkommt (Art. 10 Abs. 2 UAbs. 1 MwSt-DVO). Vorrangiges Kriterium ist dabei der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden (Art. 10 Abs. 2 UAbs. 2 MwSt-DVO). Demgegenüber hat die Postanschrift keine Aussagekraft (Art. 10 Abs. 3 MwSt-DVO). 312 Daneben hatte der EuGH erstmals in der Rechtssache Planzer Luxembourg 313 ausdrücklich den Begriff des Sitzes der festen Niederlassung einer Gesellschaft erläutert. 314 Danach hat eine Gesellschaft den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit an dem „Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung dieser Gesellschaft getroffen und die Handlun311
312 313 314
86
In diesem Sinne auch GA Trstenjak, Schlussanträge v. 19.4.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 61 ff.; mit Bezug zum OECD-MA Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (203). Für eine unionsrechtskonforme Auslegung auch Wiesinger/Wagner, SWI 2007, 314 (317). Siehe auch sehr ausführlich zu der Definition in Art. 10 MwSt-DVO Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 59 ff. EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg). Die Entscheidung bezog sich zwar auf Art. 1 Nr. 1 der Dreizenten Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet ansässige Steuerpflichtige in der damaligen Fassung, vgl. EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 51. Meines Erachtens können die dort getroffenen Feststellungen zum Begriff Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit auch auf Art. 44, 45 MwStSystRL bezogen werden. Es ist nämlich nicht ersichtlich, warum der EuGH den gleichlautenden Begriff für unterschiedliche Normen im Mehrwertsteuersystem unterschiedlich auslegen sollte. Vielmehr ist eine einheitliche Auslegung, soweit nicht normbezogene Besonderheiten etwas anderes gebieten, aus Gründen der Praktikabilität zu befürworten. Dafür spricht auch, dass der EuGH mit Bezug auf den Begriff der festen Niederlassung auf seine zu den Ortsbestimmungsregeln ergangene Rechtsprechung verweist, vgl. EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourt), Rz. 54. Dieser Sicht folgen auch GA Trstenjak, Schlussanträge v. 19.4.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 65; Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 54. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die in dem Urteil gefundene Definition DBA-ausdrücklich nur auf Gesellschaften und nicht auf natürliche Personen bezogen ist. Allerdings ist die Definition meines Erachtens auch auf natürliche Personen anwendbar, sofern die Besonderheiten im Vergleich zu Gesellschaften entsprechend berücksichtigt werden. Dies folgt daraus, dass auch natürliche Personen, die Steuerpflichtiger sind, wesentliche Leitungsfunktionen ausüben müssen. Im Ergebnis so wohl auch Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 67.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
gen zu deren zentraler Verwaltung vorgenommen werden“ 315. Daneben nennt der EuGH eine Reihe von Kriterien, die bei der Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit berücksichtigt werden sollen. Dazu gehören der „statutarische Sitz, der Ort der zentralen Verwaltung, der Ort, an dem die Führungskräfte der Gesellschaft zusammentreffen, und der […] Ort, an dem die allgemeine Unternehmenspolitik dieser Gesellschaft bestimmt wird“ 316. Ebenfalls in Betracht gezogen werde können nachrangig „der Wohnsitz der Hauptführungskräfte, der Ort, an dem die Gesellschafterversammlung zusammentritt, der Ort, an dem die Verwaltungsunterlagen erstellt und die Bücher geführt werden, und der Ort, an dem die Finanz- und insbesondere die Bankgeschäfte hauptsächlich wahrgenommen werden“ 317. Demgegenüber sind Briefkastenfirmen und Strohfirmen nicht erfasst. 318 Sowohl der Definition in der MwSt-DVO als auch der in Planzer Luxembourg entwickelten Definition ist gemeinsam, dass es auf eine umfassende Auswertung verschiedener Anhaltspunkte ankommt. Es handelt sich dabei weniger um formale Kriterien, als vielmehr um eine wirtschaftliche Betrachtungsweise der Umstände im Einzelfall. Lediglich der statutarische Sitz kann insofern als formales Kriterium verstanden werden. Die Bedeutung dieses Sitzes wird jedoch insbesondere durch den Hinweis auf Briefkastenfirmen und Strohfirmen relativiert. Diese Herangehensweise ist zu befürworten. 319 Insbesondere zur Vermeidung von (missbräuchlichen) Gestaltungen sowie zur Gewährleistung einer einheitlichen Behandlung aller Steuerpflichtigen ist eine wirtschaftliche gegenüber einer formalen Betrachtung zu befürworten. 320 Nur so kann eine neutrale Behandlung aller Steuerpflichtigen gewährleistet werden. Insbesondere der statutarische Sitz kann 315 316 317 318
319
320
EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 60. EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 61. Siehe auch EuGH, Urteil v. 6.10.2011 – C-421/10 (Stoppelkamp), Rz. 30. EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 61. Siehe auch EuGH, Urteil v. 6.10.2011 – C-421/10 (Stoppelkamp), Rz. 31. Vgl. EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 62. Auch der Mehrwertsteuerausschss hat sich insgesamt der Auslegung des EuGH angeschlossen, vgl. Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 619, Brüssel, 11.5.2009, taxud.d.1(2009)108658, S. 4 f. Ähnlich auch unter Verweis auf das OECDMA die Definition von Balco, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 805 (806). Für eine wirtschaftliche Betrachtung spricht sich auch GA Trstenjak aus, vgl. Schlussanträge v. 19.4.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 63. Ebenso Penke, Der Ort der sonstigen Leistungen im Umsatzsteuerrecht, 2008, S. 119. Ähnlich auch GA Trstenjak, Schlussanträge v. 19.4.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 64, 71; beachte auch Rz. 59 f., wonach formale Nachweise keine unwiderlegliche Vermutung für die Ansässigkeit darstellen sollen, da dies dem Ziel der Bekämpfung betrügerischer Machenschaften zuwiderlaufen würde.
87
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
daher allenfalls ein Indiz darstellen 321, auch wenn er regelmäßig mit dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit übereinstimmen dürfte 322. Im Übrigen lässt sich feststellen, dass die Definitionen des EuGH und in Art. 10 MwSt-DVO weitgehend übereinstimmen. Beide stellen vorrangig auf die Handlungen zur zentralen Verwaltung und die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung ab. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die in Art. 10 MwSt-DVO niedergelegte Definition an der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Planzer Luxembourg und damit an dessen Auslegung von Richtlinienrecht orientiert. 323 Dabei deuten diese beiden Merkmale darauf hin, dass es sich bei dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit um eine zentrale Einheit des mehrfachansässigen Steuerpflichtigen handeln muss, in der wesentliche Leitungsfunktionen des Gesamtsteuerpflichtigen wahrgenommen werden. Diese Leitungsfunktionen sind weniger auf die konkrete Erbringung beziehungsweise den Empfang von Leistungen zu beziehen, sondern betreffen vielmehr das Funktionieren des Steuerpflichtigen als ganzen. Die weiteren Kriterien (statutarischer Sitz, Arbeitsort des Managements etc.) müssen wiederum als Indizien verstanden werden, die auf das Vorliegen der Merkmale für den Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit hindeuten. 324 Diese Kriterien 325 sind im Übrigen weitgehend selbst erklärend; ihre Subsumtion im Einzelfall bedarf dabei einer umfassenden Betrachtung aller Umstände. 326 Insgesamt ist davon auszugehen, dass jeder Steuerpflichtige einen Ort haben muss, an dem diese zentralen Leitungsfunktionen, die den Steuerpflichtigen überhaupt handlungsfähig machen, ausgeübt werden. Aus diesem Grund eignet sich der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit besonders als Anknüpfungspunkt. Einschränkend muss allerdings festgestellt werden, dass der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit in erster Linie wohl aus diesen prakti321
322
323 324 325 326
88
Ebenso Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 45 Rz. 53; im Ergebnis wohl auch Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 60; Penke, Der Ort der sonstigen Leistungen im Umsatzsteuerrecht, 2008, S. 119; Schlienkamp, UR 1997, 117 (123); Vogel, Grenzüberschreitender Dienstleistungs- und Warenverkehr im Lichte der Mehrwertsteuer, 2003, S. 236. Anders noch GA Mancini, Schlussanträge v. 6.6.1985 – 168/84 (Berkholz), Slg. 1985, I-2252 (I-2254 f.), der den Begriff im technischen Sinne versteht. Vgl. GA Trstenjak, Schlussanträge v. 19.4.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 64, die daher zunächst auf den statutarischen Sitz abstellt und nur bei gegenteiligen Hinweisen eine weitere Prüfung vornehmen will, vgl. Rz. 71. Vgl. ähnlich Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 55 f. Ebenso wohl Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 60. Siehe zu den Kriterien im Einzelnen auch Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 60 ff. In diesem Sinne auch Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 60 ff.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
schen Überlegungen als Anknüpfungspunkt gewählt wurde und weniger, um dem Verbrauchsortprinzip gerecht zu werden. 327 Eine Anknüpfung an den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit rechtfertigt sich dennoch, da neben den Praktikabilitätsaspekten zu berücksichtigen ist, dass er aufgrund der dort ausgeübten Leitungsaufgaben regelmäßig zu der wirtschaftlichen Tätigkeit des Gesamtsteuerpflichtigen beiträgt, welche die Anknüpfung an Steuerpflichtige unter Verbrauchsortgesichtspunkten rechtfertigt. Er eignet sich daher insgesamt als Anknüpfungspunkt zur Bestimmung des Leistungsortes, da er stets vorhanden ist, grundsätzlich geographisch zugeordnet werden kann, Verbrauch indizieren kann und zumindest für den Steuerpflichtigen selbst regelmäßig einfach zu bestimmen ist. Daneben ist davon auszugehen, dass am Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit regelmäßig den im Mehrwertsteuersystem niedergelegten Pflichten nachgekommen werden kann. Dies ist wiederum insbesondere dann relevant, wenn der Steuerpflichtige Steuerschuldner ist. Von den Kriterien für den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit unabhängig ist allerdings die Frage zu beurteilen, ob es sich um einen Steuerpflichtigen gemäß Art. 9 MwStSyst-RL handelt. Dabei muss der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht zwangsläufig die Voraussetzungen des Art. 9 MwStSyst-RL erfüllen. Es kann sich hierbei auch um eine feste Niederlassung handeln. 328 Jedoch deutet der Begriff des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht darauf hin, dass an diesem Ort selbst einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Art. 9 MwStSyst-RL nachgegangen wird oder alternativ die Voraussetzungen einer festen Niederlassung vorliegen müssen. 329 Dies folgt zunächst daraus, dass der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit neben festen Niederlassungen als Anknüpfungspunkt in der MwStSyst-RL genannt
327
328 329
Englisch spricht insofern auch von einem Auffangkriterium gegenüber der den Verbrauchsort berücksichtigenden festen Niederlassung, vgl. DStJG Band 32, 2009, S. 165 (203 f.). Kritisch daher Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 71 sowie van Kesteren/Merkx, in: Ecker/Lang/Lejeune (Hrsg.), The Future of Indirect Taxation, 2012, S. 621 (633). Vgl. EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 58. So EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 59. Auch der Mehrwertsteuerausschss hat sich dieser Auslegung angeschlossen, vgl. Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 619, Brüssel, 11.5.2009, taxud.d.1(2009)108658, S. 4. Anders scheint dies GA Trstenjak zu sehen, die den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit in Anlehnung an die Definitionen des Steuerpflichtigen und der festen Niederlassung definiert, vgl. Schlussanträge v. 19.4.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 72. Siehe auch Stensgaard, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 609 (616 f.).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
wird. 330 Dafür spricht auch, dass der Begriff des Steuerpflichtigen tätigkeitsbezogen 331 zu verstehen ist, während der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit sowie feste Niederlassungen in erster Linie als Anknüpfungspunkte für die Besteuerung am mutmaßlichen Ort des Verbrauches dienen. Es handelt sich demnach um verschiedene Konzepte. Es ist somit unerheblich, ob er Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 9 MwStSyst-RL oder eine feste Niederlassung ist. Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit muss aber dennoch Teil des Gesamtsteuerpflichtigen sein. Andernfalls wäre er kein tauglicher Anknüpfungspunkt für den Steuerpflichtigen. Faktisch wird dies in der Regel bedeuten, dass der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit regelmäßig die Anforderungen des Art. 9 MwStSyst-RL und seltener (nur) die Voraussetzungen für eine feste Niederlassung erfüllen wird. Eine Einheit des Steuerpflichtigen, die keine wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne von Art. 9 MwStSyst-RL wahrnimmt oder zumindest über ausreichend Personal und Sachmittel verfügt, um Leistungen empfangen oder erbringen zu können, und dennoch der Ort ist, an dem wesentliche Leitungsfunktionen ausgeübt werden, ist rein im Faktischen kaum vorstellbar. Sofern daher regelmäßig auch wirtschaftliche Tätigkeiten am Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeübt werden, wird auch weitgehender dem Verbrauchsortprinzip Rechnung getragen. Denn dort, wo der Steuerpflichtige seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht, kann regelmäßig auch ein Verbrauch vermutet werden. (2)
Begriff der festen Niederlassung
(a)
Erste Überlegungen
Wie bereits dargestellt, soll der Ort der Dienstleistung nach der Grundregel für Dienstleistungen zwischen Steuerpflichtigen in Art. 44 MwStSyst-RL dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder einer festen Niederlassung zugeordnet werden. Aufgrund des Themas dieser Arbeit, nämlich der Zuordnung von Besteuerungsrechten bei mehrfachansässigen Steuerpflichtigen, kommt es maßgeblich auf das Vorliegen von festen Niederlassungen an. Denn die feste Niederlassung dient im Mehrwertsteuerrecht als Anknüpfungspunkt im Rahmen der Ortsbestimmungsregeln. Sie ist dabei grundsätzlich geeignet, den Ort des Verbrauchs zu indizieren. 332 Dabei erfordern 330
331 332
90
Vgl. EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 58; Stensgaard, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 609 (616). Siehe dazu oben 3. Teil: I. 1. a) (3). Vgl. Englisch, IStR 2009, 526 (526); van Kesteren/Merkx, in: Ecker/Lang/Lejeune (Hrsg.), The Future of Indirect Taxation, 2012, S. 621 (621); Vitale, in:
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
mehrfachansässige Steuerpflichtige, sofern es sich nicht um natürliche Personen handelt, regelmäßig feste Niederlassungen, da nur Letztere die doppelte Ansässigkeit neben dem Hauptsitz ermöglichen. Daher hat das Vorliegen einer festen Niederlassung maßgebliche Bedeutung für die Beurteilung unternehmensinterner Dienstleistungen, zumal Letztere wiederum durch die besonderen Merkmale der festen Niederlassung beeinflusst wird. Entsprechend muss bestimmt werden, ob und wo eine feste Niederlassung vorliegt, um das Besteuerungsrecht dem „richtigen“ Staat zuordnen zu können. Im folgenden Kapitel soll deshalb zunächst der Begriff der „festen Niederlassung“ untersucht und eine Definition gefunden werden, die für die weitere Beschäftigung mit den Ortsbestimmungsregeln herangezogen werden kann. Die Frage, ob eine feste Niederlassung vorliegt und welche Merkmale sie hat, wirft mehrere Probleme auf. Es ist zu berücksichtigen, dass das Merkmal „feste Niederlassung“ beziehungsweise „Betriebsstätte“ in unterschiedlichen Gesetzen verwendet wird. So kommt der Betriebsstättenbegriff im deutschen UStG in § 3a Abs. 2 UStG vor. In der AO findet sich in § 12 AO sogar eine Definition. Auch Doppelbesteuerungsabkommen kennen den Betriebsstättenbegriff (vgl. Art. 5 OECD-MA 333). Im Unionsrecht hingegen wird von einer „festen Niederlassung“ gesprochen (vgl. Art. 44 MwStSystRL und Art. 11 MwSt-DVO). Die Frage ist nunmehr, wie diese verschiedenen Begriffe in den verschiedenen Teilrechtsgebieten miteinander zusammenhängen oder sogar übereinstimmen. Es ist weiterhin zu prüfen, welche Merkmale eine feste Niederlassung im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne hat und inwiefern sich insoweit gegebenenfalls eine Übereinstimmung zu den anderen Rechtsgebieten feststellen lässt.Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Definition einer festen Niederlassung von der Frage abzugrenzen ist, welche – als solche – qualifizierte feste Niederlassung nunmehr die Dienstleistung empfangen (oder erbracht) hat. Dies betrifft die Art. 44, 45 MwStSyst-RL und die entsprechenden Art. 17 ff. MwSt-DVO. Es handelt sich hierbei nicht mehr um eine Frage der Qualifizierung als feste Niederlassung, sondern betrifft den nächsten Schritt der Anwendung der Ortsbestimmungsregeln auf den konkreten Umsatz. 334
333 334
Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (778 f.). Siehe ausführlich oben 3. Teil: I. 3. b) (1). OECD Musterabkommen 2010 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Siehe auch Haller, MwStR 2015, 7 (9).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
(b)
Unionsrechtskonforme Auslegung im Mehrwertsteuerrecht
Das Mehrwertsteuerrecht ist harmonisiertes Recht. So soll ein (weitgehend) einheitliches Mehrwertsteuersystem innerhalb der Europäischen Union gewährleistet werden, dass zur Verwirklichung des Binnenmarktes beiträgt. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Mehrwertsteuerrichtlinien umzusetzen. Dabei steht ihnen kein Recht zur individuellen Auslegung der Richtlinien zu. Allein der EuGH hat das Monopol zur abschließenden Auslegung von Richtlinien in der Europäischen Union (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV).335 Dies gilt auch für den Begriff der „festen Niederlassung“ in Art. 44 MwStSyst-RL. Da dieser Begriff in der MwStSyst-RL nicht definiert wird, kommt der Auslegung durch den EuGH maßgebliche Bedeutung zu. 336 Könnte nämlich jeder Mitgliedstaat eigenständig Kriterien aufstellen, bei deren Vorliegen seiner Ansicht nach eine feste Niederlassung vorliegt, bestünde die (sehr wahrscheinliche) Gefahr einer uneinheitlichen Umsetzung des durch die MwStSyst-RL vorgegebenen Mehrwertsteuersystems. Im Zusammenhang mit den Ortsbestimmungsregeln der Art. 43 ff. MwStSyst-RL bestünde konkret die Gefahr einer unerwünschten Doppelbesteuerung oder Doppelnichtbesteuerung. 337 Daher ist der Begriff der „festen Niederlassung“ im Sinne der Mehrwertsteuerregelungen nach Maßgabe der Auslegung durch den EuGH zu definieren. Bei Anwendung der nationalen Regeln, die die MwStSyst-RL umsetzen, muss die MwStSyst-RL und die Auslegung durch den EuGH berücksichtigt werden. Nationale Regeln müssen entsprechend in unionsrechtskonformer Weise ausgelegt werden. 338 Erstmals mit Erlass der neuen Mehrwertsteuerdurchführungsverordnung vom 15.3.2011 wurde dort in Art. 11 MwSt-DVO eine Definition der festen Niederlassung niedergeschrieben. Aufgrund der unmittelbaren Verbindlich335
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338
92
Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 4 Rz. 16 f.; HackerOstermann, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 165 (169); Borchardt, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, 3. Aufl. 2015, § 15 Rz. 7. Das Fehlen einer verbindlichen Definition in der MwStSyst-RL wurde wiederholt kritisiert. Zuletzt sah jedoch die Kommission keinen Handlungsbedarf, vgl. Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG v. 23.12.2003, KOM(2003) 822, S. 10. Nunmehr wurde eine Definition in die MwSt-DVO aufgenommen, siehe dazu im Einzelnen unten 3. Teil: I. 3. (2) (d). Vgl. EuGH, Urteil v. 6.11.2008 – C-291/07 (TRR), Rz. 24; Weiermayer, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 125 (125); ausführlich zu dem ähnlich gelagerten Fall verschiedener Ortsbestimmungsregeln bezüglich grenzüberschreitender Leistungen innerhalb eines Unternehmens Can, IVM 2006, 424 (425 f.). Vgl. anstelle vieler EuGH, Urteil v. 5.10.2004 – C-397/01 (Pfeiffer u.a.), Rz. 113 m.w.N.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 8; Schlienkamp, UR 1997, 117 (118 f.).
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
keit der Durchführungsverordnung kommt daher Art. 11 MwSt-DVO neben der Auslegung des MwStSyst-RL durch den EuGH maßgebliche Bedeutung für die weitere Untersuchung zu. Folglich kommt es auf den unionsrechtlichen Begriff der „festen Niederlassung“ an, soweit im UStG eine Richtlinienregelung umgesetzt wurde, die den Begriff der „festen Niederlassung“ verwendet. Der Begriff der „Betriebsstätte“ ist dann im Sinne der „festen Niederlassung“ zu verstehen. Selbst wenn sich Überschneidungen zum Beispiel zur Definition in § 12 AO ergeben sollten, kann nicht auf Letztere zurückgegriffen werden. Es muss eine eigenständige, unionsrechtliche Begriffsbestimmung erfolgen. 339 Daher ist unter „Betriebsstätte“ im Sinne des § 3a Abs. 1 und 2 UStG eine „feste Niederlassung“ im Sinne der Art. 44 und 45 MwStSyst-RL sowie Art. 11 MwSt-DVO zu verstehen. Aufgrund der Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung kann der Begriff der „Betriebsstätte“ im UStG keine eigenständige Bedeutung haben. Dies hat auch der BFH nunmehr anerkannt und lehnt einen Bezug zu § 12 AO richtigerweise ab. 340 (c)
Das Verhältnis der MwStSyst-RL und ihrer Auslegung durch den EuGH zur MwSt-DVO
Bevor die einzelnen Merkmale einer festen Niederlassung nach Art. 44 Satz 2, 45 Satz 2 MwStSyst-RL und Art. 11 der MwSt-DVO untersucht werden, ist zunächst darauf einzugehen, in welchem Verhältnis die MwSt-DVO zur MwStSyst-RL steht, das heißt welche Norm Vorrang hat. Grundsätzlich bedürfen Richtlinien gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten, während Verordnungen gemäß Art. 288 Abs. 1 Satz 1 AEUV unmittelbare Wirkung entfalten. Entsprechend der Ermächtigungsgrundlage in Art. 397 MwStSyst-RL dient die MwSt-DVO der Bestimmung der zur Durchführung der MwStSyst-RL erforderlichen Maßnahmen. Dies korreliert mit dem 2. Erwägungsgrund der MwSt-DVO, wonach selbige die MwStSyst-RL konkretisieren will, um die Herstellung eines gemeinsamen Binnenmarktes durch einheitliche Anwendung der MwStSyst-RL zu gewährleisten. Aus dem Zusammenspiel dieser beiden Normen lässt sich klar 339
340
Vgl. EuGH, Urteil v. 22.5.2003 – C-103/01 (Kommission / Deutschland), Rz. 33; v. 27.11.2003 – C-497/01 (Zita Modes), Rz. 34 m.w.N.; BFH, Urteil v. 14.4.2010 – V B 157/08, BFH/NV 2010, 1315 (1315); Achatz, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGHRechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 21 (43); ausführlich Hidien, StuW 2005, 265 (267 f.); Monfort, UR 2012, 341 (344). Vgl. BFH, Urteil v. 19.11.1998 – V R 30/98, BStBl. II 1999, 108 (109); v. 14.2.2010 – V B 157/08, BFH/NV 2010, 1315 (1315); ebenso bzgl. der Definition in § 29 BAO (Österreich) VwGH, Erkenntnis v. 29.4.2003 – 2001/14/0226, VwSlg 7813 F/2003.
93
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
erkennen, dass es sich bei der MwSt-DVO um eine Durchführungsmaßnahme im Sinne des Art. 291 Abs. 2 AEUV handelt. Solche Maßnahmen dürfen jedoch nicht den zugrundeliegenden Rechtsakt, hier also die MwStSyst-RL, verändern, sondern lediglich konkretisieren. 341 Es kann sich kein Rangverhältnis dahingehend ergeben, dass die Verordnung der Richtlinie vorgeht. Dies entspricht auch dem Durchführungs- und Konkretisierungscharakter der MwSt-DVO. Dies kann nämlich gerade nicht bedeuten, dass die konkretisierende Norm der zugrundeliegenden Norm vorgeht und Letztere verdrängen kann. Daher ist die MwStSyst-RL die maßgebliche Norm; die MwSt-DVO konkretisiert diese nur und dient letztlich einer einheitlichen Auslegung durch alle Mitgliedstaaten. 342 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die MwSt-DVO nicht über die MwStSyst-RL hinausgehen oder diese gar verändern darf. Bei der Untersuchung des Art. 11 MwSt-DVO ist weiterhin zu beachten, dass dieser weitgehend auf der bis zum Erlass der MwSt-DVO ergangenen Rechtsprechung des EuGH zu festen Niederlassungen aufbaut. 343 Der Auslegung der MwStSyst-RL durch den EuGH kommt folglich auch im Hinblick auf Art. 11 MwSt-DVO große Bedeutung zu. Soweit die Rechtsprechung des EuGH zu festen Niederlassungen der MwStSyst-RL und den grundlegenden Prinzipien des Mehrwertsteuerrechts gerecht wird, muss dies auch für Art. 11 MwSt-DVO gelten, soweit Letzterer auf der EuGHRechtsprechung aufbaut. Im Folgenden wird daher sowohl auf die MwStSyst-RL und ihre Auslegung durch den EuGH als auch auf Art. 11 MwStDVO eingegangen. Dabei soll auch untersucht werden, inwiefern sich die MwSt-DVO von der MwStSyst-RL und der Rechtsprechung des EuGH unterscheidet beziehungsweise mit dieser übereinstimmt. Erkenntnisziel muss dabei sein, ob die in Art. 11 MwSt-DVO gefundene Definition im Einklang
341
342
343
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Vgl. EuGH, Urteil v. 15.10.2014 – C-65/13 (Europäisches Parlament / Europäische Kommission), Rz. 43, 45; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 291 AEUV Rz. 40; so auch Lejeune/Cortvriend/Accorsi, IVM 2011, 144 (145); Mellinghoff, UR 2013, 5 (9); Monfort, UR 2012, 172 (174). Vgl. insgesamt de Wit, in: van Arendonk/Jansen/van der Paardt (Hrsg.), VAT in an EU and International Perspective, 2011, S. 23 (31); Lohse, DStR 2011, 1740 (1740); sehr ausführlich Monfort, UR 2012, 172 (174 f.). Siehe auch Europäische Kommission, Commission Staff Working Document, Brüssel, 1.12.2010, SEC(2010) 1455 final, S. 52. Dies hat der EuGH in einer jüngeren Entscheidung ebenfalls bezogen auf die Auslegung von Art. 44 MwStSyst-RL festgestellt, vgl. EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 44 f. Erwägungsgrund 14 der MwSt-DVO stellt dementsprechend ausdrücklich klar, dass der Rechtsprechung des EuGH „Rechnung getragen werden sollte“. Siehe auch EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 58.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
mit der MwStSyst-RL und den grundlegenden Prinzipien des Mehrwertsteuerrechts steht. (d)
Der Begriff der „festen Niederlassung“ in Art. 44 MwStSyst-RL sowie Art. 11 MwSt-DVO
Erstmals hat der EuGH in der Rechtssache Berkholz 344 zum Begriff der festen Niederlassung entschieden. Die dort begonnene Rechtsprechung ist seitdem kontinuierlich in zahlreichen Entscheidungen fortgeführt worden. 345 Der EuGH definiert nunmehr den Begriff der „festen Niederlassung“ in gefestigter Rechtsprechung als einen durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personalund Sachmittel gebildeten Mindestbestand, der einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur voraussetzt, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht. 346 Zudem darf die feste Niederlassung gegenüber der Gesellschaft keine selbstständige Person sein. 347 Zu beachten ist, dass diese Rechtsprechung ursprünglich nur zu festen Niederlassungen des Leistungserbringers als Anknüpfungspunkt für die Ortsbestimmung ergangen ist, nicht jedoch zu der Frage, ob und wann eine feste Niederlassung bei einem Leistungsempfänger vorliegt. 348 Erstmals in der 344 345
346 347 348
EuGH, Urteil v. 4.7.1985 – 168/84. Vgl. insbesondere EuGH, Urteil v. 2.5.1996 – C-231/94 (Faaborg-Gelting); v. 20.2.1997 – C-260/95 (DFDS); v. 17.7.1997 – C-190/95 (ARO Lease); v. 7.5.1998 – C-390/96 (Lease Plan); v. 11.9.2003 – C-155/01 (Cookies World); v. 28.6.2007 – C73/06 (Planzer Luxembourg). EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 54. Vgl. EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – C-260/95 (DFDS), Rz. 25. Dies erklärt sich daraus, dass die Rechtsprechung weitgehend zu dem alten Art. 9 Abs. 1 Sechste MwSt-RL erging, welcher als Anknüpfungspunkt für die Ortsbestimmung lediglich den Dienstleistungserbringer und dessen feste Niederlassungen erfasste. Zwar betraf die Rechtssache Planzer Luxembourg (EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C73/06) die Vorsteuererstattung aus empfangenen Leistungen. Daher ging es nicht um die Ortsbestimmungsregeln nach der Sechsten MwSt-RL, sondern um die Vorsteuererstattung nach der Achten und Dreizehnten MwSt-RL. Jedoch fasste der EuGH in dieser Entscheidung die bis dahin zu dem Begriff der festen Niederlassung in Art. 9 Abs. 1 Sechste MwSt-RL ergangene Rechtsprechung abstrakt zusammen, vgl. Rz. 54 f. Daneben ging er nicht weiter auf konkrete Umstände des Einzelfalls ein. In ungewohnter Zurückhaltung definierte der EuGH lediglich die beiden Begriffe „feste Niederlassung, von wo aus Umsätze bewirkt worden sind“ und „Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit“ gemäß Art. 1 Nr. 1 Dreizehnte MwSt-RL, ohne bezogen auf den konkreten Fall zu einem Ergebnis zu kommen, um was es sich bei der Einrichtung in Luxemburg handelte. In der Entscheidung wurde daher auch nicht problematisiert, ob Leistungen für Zwecke der Ortsbestimmung an die fragliche Einrichtung in Luxemburg erbracht wurden. Die Entscheidung ist demnach nicht geeignet, über die zu Art. 9 Abs. 1 Sechste MwSt-RL formulierte Definition hinausgehende Aussagen zu treffen, welche
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
jüngeren Rechtssache Welmory, welche nach Erlass der MwSt-DVO erging, hatte der EuGH im Zusammenhang mit einer möglichen festen Niederlassung des Leistungsempfängers gemäß Art. 44 MwStSyst-RL und den dort enthaltenen Begriff der festen Niederlassung zu entscheiden. 349 Danach ist es in Anlehnung an die bereits erwähnte Rechtsprechung des EuGH erforderlich, „dass eine feste Niederlassung einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweis[t], die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf [beziehungsweise für die wirtschaftliche Tätigkeit 350] dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden“ 351. Diese Entscheidung konnte sich zwar nicht auf die in Art. 11 MwSt-DVO zugrunde gelegte Definition auswirken, muss aber dennoch sowohl mit Blick auf die Auslegung durch den EuGH als auch die Regelung in Art. 11 MwStDVO beurteilt werden, zumal sich der EuGH auf Art. 11 MwSt-DVO stützt. 352 Die Rechtsprechung des EuGH zum Begriff der festen Niederlassung wurde im Wesentlichen in Art. 11 Abs. 1 und 2 MwSt-DVO aufgenommen. 353 Dort wird eine „feste Niederlassung“ in Abhängigkeit davon definiert, ob es sich um eine feste Niederlassung des Dienstleistungsempfängers oder -erbringers handelt. Eine feste Niederlassung des Empfängers ist nach Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO „jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nach Artikel 10 dieser Verordnung, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden“.
349 350 351 352 353
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zwischen empfangenden und leistungserbringenden festen Niederlassungen unterscheiden. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine Zusammenfassung der bisher ergangenen Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 1 Sechste MwSt-RL, ohne dass es dabei darauf ankam, ob Leistungen an eine feste Niederlassung erbracht wurden. Vgl. auch GA Kokott, Schluss-anträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 3, 31; indirekt auch EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 43. Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory). Vgl. EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 59. EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 58. Vgl. EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 47, 58. Vgl. Mlcoch, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 77 (82), der von einem „Resümee“ der EuGH-Rechtsprechung spricht; ebenso Lejeune/Cortvriend/Accorsi, IVM 2011, 144 (146) mit einer Zusammenfassung der maßgeblichen Rechtsprechung.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
Auf Seiten des Erbringers wird eine feste Niederlassung gem. Art. 11 Abs. 2 MwSt-DVO definiert als „jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nach Artikel 10 dieser Verordnung, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen zu erbringen“. Entsprechend dem 14. Erwägungsgrund zur MwSt-DVO dienen diese Definitionen der einheitlichen Anwendung der Ortsbestimmungsregeln. Die Kriterien der Definition sollen dabei möglichst klar und objektiv sein, um die Anwendung zu erleichtern. Zudem sollte der EuGH-Rechtsprechung Rechnung getragen werden. Art. 11 MwSt-DVO will folglich nicht per se eine neue Definition der festen Niederlassung abweichend von der Auslegung der einschlägigen richtlinienrechtlichen Regelungen durch den EuGH schaffen. 354 Da der EuGH jedoch nur zu dienstleistungserbringenden Niederlassungen judiziert hat, kann der Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO nur in Teilen unter Berücksichtigung auf die EuGH-Rechtsprechung ausgelegt werden. Die Bedeutung der in der Definition des EuGH sowie in Art. 11 MwSt-DVO aufgezählten Merkmale soll nun im Folgenden eingehender untersucht und erläutert werden. Dabei soll zugleich ein Vergleich der beiden Definitionen stattfinden. i.
Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln mit hinreichendem Grad an Beständigkeit
Eine feste Niederlassung sowohl nach der Definition des EuGH als auch nach Art. 11 Abs. 1 und 2 MwSt-DVO setzt eine Einrichtung voraus, die sowohl über Personal als auch Sachmittel verfügt. Diese Ausstattung darf nicht nur vorübergehender Natur sein. Personal und Sachmittel müssen langfristig der Einrichtung dienen und nicht nur gelegentlich für diese tätig beziehungsweise verwendet werden. 355 Die Beständigkeit der Geschäftseinrichtung folgt demnach aus der dauerhaften Verfügbarkeit der Personal- und Sachmittel. 356 Ein Indiz für solch eine Beständigkeit ist der Abschluss von Verträgen und Entscheidungen über die Geschäftsführung; solche Ge-
354 355 356
Vgl. ebenso Scholz, UR 2015, 500 (502). Vgl. GA Mancini, Schlussanträge v. 6.6.1985 – 168/84 (Berkholz), Slg. 1985, I-2252 (I-2255). Vgl. EuGH, Urteil v. 17.7.1997 – C-190/95 (Aro Lease), Rz. 15.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
schäftshandlungen deuten auf eine Struktur hin, die mit ständig verfügbaren personellen und Sachmitteln ausgestattet ist. 357 Zudem berücksichtigt das Beständigkeitskriterium auch die Funktion der festen Niederlassung zur Zuordnung von Besteuerungsrechten entsprechend dem Verbrauch. Diese Verbrauchsvermutung in einem Land ist nämlich grundsätzlich gerechtfertigt, wenn dauerhaft Personal und Sachmittel vorhanden sind, die potentiell verbrauchen können beziehungsweise die Erbringung einer Dienstleistung hin zum Endverbraucher ermöglichen. 358 Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine feste Niederlassung fest mit dem Erdboden verbunden sein muss, wie aus den Rechtssachen Berkholz 359 und FaaborgGelting 360 zu folgen ist. 361 Verbrauch setzt nämlich keine Fixierung mit dem Erdboden voraus. Vielmehr folgt aus dem ständigen Vorhandensein von Personal und Sachmitteln die Verbrauchsvermutung, die die Anknüpfung an ein bestimmtes Land rechtfertigt 362. Des Weiteren reicht nicht jede personelle und sachliche Ausstattung aus, vielmehr verlangt der EuGH einen Mindestbestand. Wann die Ausstattung ausreichend ist, entscheidet sich dabei nach den betreffenden Dienstleistungen. Die Ausstattung ist dann ausreichend, wenn sie die autonome Erbringung der Dienstleistung ermöglicht. 363 Auch bei Anwendung des Art. 44 MwStSyst-RL sowie Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO ist eine entsprechende Ausstattung erforderlich, wobei es hier darauf ankommen muss, dass die 357
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362 363
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Vgl. EuGH, Urteil v. 17.7.1997 – C-190/95 (Aro Lease), Rz. 19; v. 7.5.1998 – C390/96 (Lease Plan), Rz. 26; v. 28.6.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 55. So auch die deutsche Finanzverwaltung, Abschn. 3a.1 Abs. 3 Satz 4 UStAE. Durch die Erbringung von Ausgangsleistungen wird in der Regel die Vermutung gerechtfertigt, dass zur Erbringung einer wirtschaftlichen Tätigkeit Verbrauch getätigt wurde; fehlt es an Ausgangsleistungen, ist nicht-wirtschaftlicher Verbrauch zu vermuten; siehe oben 2. Teil: I. 2. c). Vgl. auch Englisch, IStR 2009, 526 (526); Mlcoch, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 77 (91, 93); allgemeiner Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (781 f.). EuGH, Urteil v. 4.7.1985 – 168/84. EuGH, Urteil v. 2.5.1996 – C-231/94. So auch VwGH (Österreich), Erkenntnis v. 29.4.2003 – 2001/14/0226, VwSlg 7813 F/2003; Radeisen, in: Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 3a Rz. 178; Merkx, IVM 2012, 22 (Fn. 11); Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 77; Mlcoch, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 77 (89). Anders BFH, Urteil v. 26.6.1996 – XI R 18/94, BStBl. II 1998, 278 (278 f.), allerdings noch nach alter Vorgehensweise unter Rückgriff auf § 12 AO; kritisch auch Tumpel, in: FS für Gerold Stoll, 2005, S. 77 (89). Vgl. auch so ähnlich Mlcoch, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 77 (89). Vgl. EuGH, Urteil v. 17.7.1997 – C-190/95 (Aro Lease), Rz. 16; v. 28.6.2007 – C73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 54.
Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
Ausstattung die Verwendung empfangener Dienstleistungen für den eigenen Bedarf ermöglicht. 364 Fraglich ist, ob „personelle Mittel“ in dem Sinne zu verstehen ist, dass in der Geschäftseinrichtung Angestellte des Steuerpflichtigen tätig sein müssen oder ob auch externe, (weisungs-)unabhängige Personen genügen, die zum Beispiel auf Werkvertragsbasis für die jeweiligen Einzeldienstleistungen für den Steuerpflichtigen tätig werden. Diese Frage hängt eng damit zusammen, ob personelle Mittel eine persönliche Abhängigkeit zum Steuerpflichtigen implizieren. Würde man dies bejahen, kämen externe Personen nicht als personelle Mittel in Betracht, da sie persönlich unabhängig im Rahmen ihres Auftrages gegenüber dem Steuerpflichtigen tätig werden. Für eine entsprechend enge Auslegung spricht der Beständigkeitsgedanke im Zusammenspiel mit den Sachmitteln. Dieses Zusammenwirken wird verlangt, um die ständige Möglichkeit, Dienstleistungen zu erbringen beziehungsweise zu empfangen, zu gewährleisten. Müsste jedoch stets zunächst nach geeigneten Personen gesucht werden, die die fragliche Dienstleistung ausführen beziehungsweise für den Bedarf der festen Niederlassung verwenden können, wäre dies nicht mehr gewährleistet. Daher reichen allein externe Personen, die auf einzelvertraglicher Basis für den Steuerpflichtigen tätig werden, nicht aus; die feste Niederlassung erfordert eigenes Personal. 365 Etwas anderes könnte jedoch gelten, wenn die Personen zwar nicht Arbeitnehmer sind, die in einem durch Weisungsabhängigkeit und betriebliche Einbindung geprägten Verhältnis zum Steuerpflichtigen stehen, jedoch dauerhaft für ihn tätig werden. Beispiele wären insbesondere Agenten oder Kommissionäre, die dauerhaft den Steuerpflichtigen repräsentieren, ohne in einem zu Arbeitnehmern vergleichbaren Abhängigkeitsverhältnis zu stehen. 366 Soweit diese jedoch unabhängig von dem Steuerpflichtigen handeln, erachtet sie der EuGH ebenfalls nicht als Personal im Sinne seiner Definition. 367 Dafür spricht auch die allgemeine Rechtsprechung des EuGH zu Vertretern. Diese sind grundsätzlich eigenständige Wirtschaftsteilnehmer. Erst 364 365
366 367
Vgl. auch EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 58. Vgl. auch EuGH, Urteil v. 17.7.1997 – C-190/95 (Aro Lease), Rz. 19; anschaulich GA Maduro, Schlussanträge v. 27.1.2005 – C-452/03 (RAL), Rz. 41, 53; in diesem Sinne auch BFH, Urteil v. 30.6.2011 – V R 37/09, BFH/NV 2011, 2129 (2131); siehe auch Jovanovic/Merkx, EC Tax Review 2015, 202 (207); Mlcoch, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 77 (90). Ähnlich Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 79 f. Vgl. EuGH, Urteil v. 17.7.1997 – C-190/95 (Aro Lease), Rz. 21; ebenso v. 7.5.1998 – C-390/96 (Lease Plan). Siehe auch den umgekehrten Fall EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – C-260/95 (DFDS), Rz. 26 bei gegebener Abhängigkeit.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
wenn ein Vermittler nur für den Steuerpflichtigen tätig wird und daher kein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt, kann er als unselbstständiger Teil des Steuerpflichtigen erachtet werden. 368 Daher ist eine wirtschaftliche Betrachtung 369 vorzunehmen, anhand der beurteilt werden muss, ob dauerhaft personelle Mittel vorhanden sind, die in den Betrieb einer festen Niederlassung eingebunden sind. Das Personal und die Sachmittel, die zusammen wirken, erbringen beziehungsweise empfangen Dienstleistungen. Der Besteuerungsort dieser Dienstleistungen bestimmt sich dabei nach dem Ort der festen Niederlassung, welche als Anknüpfungspunkt dient. Der Rückgriff auf die feste Niederlassung als Anknüpfungspunkt rechtfertigt sich aufgrund des Handelns des Personals unter Verwendung der Sachmittel. 370 Es muss daher eine gewisse Einbindung zu der örtlich lokalisierbaren Einrichtung bestehen, da nur so das Beständigkeitskriterium, welches wiederum zur Realisierung des Verbrauchsortprinzips erforderlich ist, erfüllt wird. Demnach kommt es vorrangig darauf an, dass dauerhaft Personal, das betrieblich in die feste Niederlassung eingebunden ist, vorhanden sein muss, ohne dass es auf die zivilrechtliche Ausgestaltung ankommt. Insgesamt schließt dies jedoch nicht 368
369
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Vgl. EuGH, Urteil v. 1.10.1987 – 311/85 (Vereniging Van Vlaamse Reisbureaus), Rz. 20; v. 24.10.1995 – C-266/93 (Volkswagen AG), Rz. 18 f. m.w.N.; in diesem Sinne ist auch das Urteil v. 20.2.1997 – C-260/95 (DFDS) zu verstehen; siehe ausführlich GA La Pergola, Schlussanträge v. 16.1.1997 – C-260/95 (DFDS), Rz. 19 ff. Auch der EuGH nimmt regelmäßig eine wirtschaftliche Betrachtungsweise vor; vgl. EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – C-260/95 (DFDS); GA Léger, Schlussanträge vom 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 37; GA Maduro, Schlussanträge v. 27.1.2005 – C-452/03 (RAL), Rz. 44. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise müssen Sachverhalte nicht nach formalen Kriterien beurteilt werden, wie zum Beispiel gesetzliche Vorgaben in einem Mitgliedstaat, vgl. GA Léger, Schlussanträge vom 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 37. Vielmehr kommt es für eine Beurteilung auf Unionsebene allein auf eine umfassende Auseinandersetzung mit allen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Grundsätze an, ohne dass die formalen (Rechts-)Bedingungen insofern von Relevanz sind. Dies führt insbesondere dazu, dass rechtliche Qualifikationen auf nationaler Ebene keine Auswirkungen auf die Beurteilung eines Sachverhalts auf Unionsebene haben können. Dadurch wird gewährleistet, dass Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten keine Auswirkungen auf unionsrechtliche Konzepte haben. Nur so kann ein einheitliches Verständnis zum Beispiel von Begriffen in der MwStSyst-RL erreicht werden, vgl. EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – C-260/95 (DFDS), Rz. 23. Ein solches ist wiederum von großer Bedeutung für die Harmonisierung des Mehrwertsteuersystems. Zudem wird durch eine wirtschaftliche Betrachtung allgemein im Steuerrecht verhindert, dass Gestaltungen zur Steueroptimierung vorgenommen werden, vgl. Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (709); in diesem Sinne wohl auch EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – C-260/95 (DFDS), Rz. 23. Daher ist im Mehrwertsteuerrecht grundsätzlich eine wirtschaftliche gegenüber einer rein formalen, rechtlichen Betrachtung zu bevorzugen und wird auch im Folgenden zur Anwendung kommen. In diesem Sinne wohl auch GA Maduro, Schlussanträge vom 27.1.2005 – C-452/03 (RAL), Rz. 45.
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
aus, dass neben dem personellen Mindestbestand weitere externe Personen hinzugezogen werden können, um die Dienstleistungen zu erbringen beziehungsweise zu erhalten. 371 Mindestbestand an personellen Mitteln heißt daher in diesem Zusammenhang, dass die vorhandene personelle Ausstattung in der Lage sein muss, den Betrieb aufrechtzuerhalten und gegebenenfalls hinzugezogene Dritte anzuleiten. 372 Allerdings lässt dieses Begriffsverständnis, wonach Personal vorhanden sein muss, moderne Entwicklungen insbesondere im elektronischen Bereich in Teilen unberücksichtigt. So wird immer wieder diskutiert, ob ein Server eine feste Niederlassung sein kann. 373 Sofern der Server von ständig vorhandenem Personal betrieben und gewartet wird, kann eine feste Niederlassung wohl unproblematisch bejaht werden. 374 Dies ist weit umstrittener, wenn es an entsprechendem Personal fehlt. 375 Mit Rücksicht auf das Verbrauchsortprinzip ist hier eine differenzierende Betrachtung geboten. Käme es für die Ortsbestimmungsregeln allein auf den tatsächlichen Endverbrauch durch den Endverbraucher an, könnte kein Verbrauch vermutet werden mangels natürlicher Personen. Jedoch ist Verbrauch für Zwecke des Verbrauchsortprinzips auch das Weiterverarbeiten von Eingangsleistungen, um Ausgangsleistungen zu ermöglichen. In „traditionellen“ Wirtschaftszweigen setzt dies zumeist Personal voraus, das die Weiterverarbeitung vornimmt. Insbesondere bei elektronischen Leistungen ist jedoch eine Leistungserbringung weitgehend ohne eigenes Personal denkbar. 376 So kann ein Server, nachdem er von Menschenhand entsprechend konfiguriert wurde, Rechenleistungen erbringen, die eine Ausgangsleistung darstellen können. Mit Abruf durch den Leistungsempfänger wird die Ausgangsleistung dann erbracht. Es ist daher in der heutigen Zeit bei dem aktuellen Stand der Technik nicht mehr abwegig, dass Leistungen ohne ständiges Zusammenwirken von Personal und technischer Ausstattung erbracht werden können. Zwar ist stets die Einrichtung der technischen Mittel ein Vorgang, der auch menschliches Handeln 371 372
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374
375 376
Ähnlich GA Maduro, Schlussanträge vom 27.1.2005 – C-452/03 (RAL), Rz. 53. Siehe auch GA Mancini, Schlussanträge v. 6.6.1985 – 168/84 (Berkholz), Slg. 1985, I2252 (I-2255), der den Einsatz menschlicher Energie zum Betrieb der Einrichtung verlangt. Vgl. beispielsweise Andre/Mlcoch, ÖStZ 2009, 344 (346); Plank, ÖStZ 2008, 408; Stensgaard, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 609 (637 f.). Vgl. Plank, ÖStZ 2008, 408 (409); im Umkehrschluss Ratzel, Umsatzbesteuerung grenzüberschreitender Dienstleistungen, 2003, S. 130; anders jedoch Andre/Mlcoch, ÖStZ 2009, 344 (346). Vgl. Andre/Mlcoch, ÖStZ 2009, 344 (346); Plank, ÖStZ 2008, 408 (409). Vgl. Jovanovic/Merkx, EC Tax Review 2015, 202 (206); Plank, ÖStZ 2008, 408 (409).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
erfordert. Fraglich ist allerdings, ob dies als ständiges Zusammenwirken von personellen und Sachmitteln angesehen werden kann. Jedoch lässt diese Überlegung eine Sache unberücksichtigt. Der technische Fortschritt erlaubt (bisher) lediglich die Leistungserbringung ohne personelle Mittel. Verbrauch im Sinne des Verbrauchsortprinzips ist jedoch nicht die Leistungserbringung, sondern (unter anderem) die Weiterverarbeitung von Eingangsleistungen, die so in Ausgangsleistungen einfließen. Dieser Weiterverarbeitungsvorgang dürfte meines Erachtens nach heutigem Stand der Technik in den allermeisten Fällen immer noch personelle Unterstützung erfordern, zum Beispiel durch Einspeisen von Daten oder dem Bau des Servers. 377 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass elektronisch erbrachte Dienstleistungen in der Regel weniger ortsgebunden sind und der Leistungsabruf aus jedem Land der Welt erfolgen kann. Die grundsätzlich bei festen Niederlassungen gerechtfertigte Vermutung, dass eine Anknüpfung an diese eine näherungsweise Besteuerung am Ort des Endverbrauchs ermöglicht, ist daher bei der Dienstleistungserbringung durch Server weit weniger offensichtlich. Unabhängig von der Frage, ob nur bei vorhandenem Personal von einer festen Niederlassung gesprochen werden kann, rechtfertigt sich bereits mangels zu vermutender Annäherung an den Verbrauchsort eine Anknüpfung an Server, welche Dienstleistungen erbringen. Daraus ist zu folgern, dass in den allermeisten Fällen die Verbrauchsvermutung weiterhin nur dann gerechtfertigt ist, wenn tatsächlich Personal- und Sachmittel zusammenwirken. Die wenigen Fälle, in denen dies nicht der Fall ist, sind dann aus Praktikabilitätsüberlegungen zu vernachlässigen. Auch mit Blick auf den technischen Fortschritt ist daher das Erfordernis von ständig vorhandenen personellen Mitteln ein prinzipiengerechtes Merkmal der festen Niederlassung. Soweit die Sachmittel betroffen sind, müssen auch diese mit einer gewissen Beständigkeit vorhanden sein, um zusammen mit den personellen Mitteln die Dienstleistungserbringung und den -empfang zu ermöglichen. Mindestbestand kann in diesem Sinne nicht bedeuten, dass irgendwelche Sachmittel vorhanden sein müssen. Der Mindestbestand muss einen Bezug zu den zu erbringenden beziehungsweise zu empfangenden Dienstleistungen haben. Nur solche Sachmittel sind deshalb erfasst, die für die Dienstleistungser377
Vgl. ähnlich EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 60; Andre/Mlcoch, ÖStZ 2009, 344 (346); Plank, ÖStZ 2008, 408 (409). Siehe auch zum Beispiel eines Windrades Scholz, UR 2015, 500 (505).
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
bringung und den -empfang erforderlich sind. Dauerhaftes Vorhandensein von Sachmitteln kann hingegen nicht zwingend in dem Sinne verstanden werden, dass eine bestimmte Sache dauerhaft zur Verfügung steht. Handelt es sich um Verbrauchsgüter, die regelmäßig verschleißen, verbraucht und verwendet werden, kann es nur auf die ständige Verfügbarkeit von Sachmitteln dieser Art und Güte ankommen. Ebenso wie bei den personellen Mitteln muss gewährleistet sein, dass diese Mittel nicht erst beschafft werden müssen, um eine bestimmte Dienstleistung zu erbringen beziehungsweise zu empfangen. Demnach ist es für die Qualifikation einer Einrichtung als feste Niederlassung erforderlich, dass diese über Personal und Sachmittel verfügt, die den Empfang beziehungsweise die Erbringung von Dienstleistungen ermöglichen. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, welchem Steuerpflichtigen diese personellen (und sachlichen) Mittel derart zugeordnet werden können, dass er sie als seine bezeichnen kann. Das dauerhafte Vorhandensein von Personal und Sachmitteln in einer Einrichtung reicht nämlich zunächst für die Qualifikation dieser Einrichtung als feste Niederlassung. Um wessen Niederlassung es sich dabei handelt, ist davon unabhängig. 378 Ein Steuerpflichtiger empfängt beziehungsweise erbringt daher nur dann Dienstleistungen durch eine Einrichtung, die als feste Niederlassung qualifiziert wurde, wenn es sich dabei um seine handelt. Relevant wird diese Frage, wenn ein Steuerpflichtiger über die Einrichtung eines anderen Steuerpflichtigen verfügt beziehungsweise dessen Personal und Sachmittel zur Erbringung / zum Empfang eigener Dienstleistungen einsetzt. Auch hier kann es nur auf eine wirtschaftliche Betrachtung ankommen, da alles andere missbrauchsanfällig wäre. 379 Die zivilrechtliche Ausgestaltung ist insofern irrelevant. Entsprechend hat auch Generalanwältin Kokott in der diese Frage betreffenden Rechtssache Welmory 380 ausgeführt, dass das Personal und die Sachmittel der fraglichen festen Niederlassungen lediglich „wie eigene zur Verfügung“ stehen müssten, ohne dass es auf die tatsächli378 379
380
Siehe dazu ausführlich GA Maduro, Schlussanträge v. 27.1.2005 – C-452/03 (RAL), Rz. 47 ff. Vgl. GA Maduro, Schlussanträge v. 27.1.2005 – C-452/03 (RAL), Rz. 44; GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 48 f. Ebenso wohl Jovanovic/Merkx, EC Tax Review 2015, 202 (207); Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (178). EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory). In der Rechtssache ging es maßgeblich um die Frage, ob das Personal und die Sachmittel eines Steuerpflichtigen einem anderen derart zugerechnet werden kann, dass der zweite Steuerpflichtige aufgrund dieser personellen und Sachmittel über eine feste Niederlassung verfügt.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
che Arbeitgeber- beziehungsweise Eigentümerstellung ankäme. 381 Die feste Niederlassung müsse also eine einem Eigentümer beziehungsweise Arbeitgeber vergleichbare Verfügungsgewalt haben, die nicht kurzfristig aufgelöst werden könne, da nur so dem Beständigkeitskriterium gerecht werden könne. 382 Entsprechende Verträge mit dem tatsächlichen Eigentümer und Arbeitgeber müssten dies gewährleisten. 383 Generalanwalt Maduro ging in der Rechtssache RAL noch weiter, und verlangte lediglich eine entsprechende eigentümer- beziehungsweise arbeitgeberähnliche Stellung bezüglich der Sachmittel und / oder des Personals, das unmittelbar mit der Erbringung (beziehungsweise im Sinne des Art. 44 MwStSyst-RL mit dem Empfang) der fraglichen Dienstleistung zusammenhinge. 384 Andere Sachmittel und anderes Personal, das lediglich für Hilfstätigkeiten erforderlich sei, sei nur für die Qualifizierung als feste Niederlassung, nicht aber für die Zurechnung zu einem bestimmten Steuerpflichtigen erforderlich. 385 Diesen Ausführungen ist zuzustimmen. Sie berücksichtigen zum einen das bereits oben angesprochene Erfordernis nach personellen und sächlichen Mitteln, um eine Anknüpfung an einen bestimmten Ort zu rechtfertigen. Zum anderen ist es überzeugend, nicht auf eine absolute und umfassende Verfügungsgewalt bezüglich aller in einer festen Niederlassung eingesetzten Sachmittel und Personen abzustellen. Dies widerspräche eklatant den im Wirtschaftsleben üblichen Verhältnissen. 386 Danach ist es kaum praktikabel und insgesamt unüblich, dass ein Unternehmen alle von ihm benötigten Dienstleistungen selbst erbringt. Bereits zur Einsparung von Kosten wird regelmäßig auf externe Dienstleister zurückgegriffen, um Hilfstätigkeiten, wie beispielsweise Reinigungstätigkeiten durchzuführen. Schließlich wäre ein entsprechendes Verständnis, wie auch Generalanwältin Kokott richtigerweise ausführt, missbrauchsanfällig, da Unternehmen durch entsprechende Gestaltungen die Zurechnung einer festen Niederlassung als eigene steuern könnten. 387
381 382 383 384 385 386 387
Vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 48, 51. Vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 51. In diesem Sinne auch Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 79 f. Vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 51. Vgl. GA Maduro, Schlussanträge v. 27.1.2005 – C-452/03 (RAL), Rz. 52. Vgl. GA Maduro, Schlussanträge v. 27.1.2005 – C-452/03 (RAL), Rz. 52. GA Maduro spricht insofern von „absurden Ergebnissen“, vgl. Schlussanträge v. 27.1.2005 – C-452/03 (RAL), Rz. 53. Vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 49. Ebenso Haller, MwStR 2015, 7 (11); Jovanovic/Merkx, EC Tax Review 2015, 202 (207);.
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
ii.
Ständiges Zusammenwirken von Personal- und Sachmitteln zur autonomen Erbringung / zum Empfang und zur Verwendung der betreffenden Dienstleistungen erforderlich
Die soeben erläuterten beständig vorhandenen personellen Mittel und Sachmittel müssen laut EuGH in einer Weise zusammenwirken, die für die Erbringung der jeweiligen Dienstleistung erforderlich ist. Aus diesem Merkmal lässt sich zunächst ableiten, dass sowohl Personal als auch Sachmittel vorhanden sein müssen. Dies muss jedoch eingeschränkt werden, sollten für die Erbringung einer Dienstleistung aufgrund der Art der Dienstleistung in keinem Fall Sachmittel benötigt werden. Für den Regelfall, dass die Erbringung einer Dienstleistung sowohl Sachmittel als auch das Tätigwerden von Personen voraussetzt, muss jedoch beides ständig vorhanden sein und zusammenwirken. Mit anderen Worten: Das ständig vorhandene Personal muss die ständig vorhandenen Sachmittel einsetzen, um so die fragliche Dienstleistung erbringen zu können. 388 Problematischer ist das Merkmal der autonomen Erbringung einer Dienstleistung. Hier wird nicht klar, ob es auf die Möglichkeit zur Erbringung der Dienstleistung ankommt oder ob die feste Niederlassung die Dienstleistung tatsächlich erbringen muss. Umgekehrt stellt sich bei empfangenden festen Niederlassungen die Frage, worauf für den Empfang abzustellen ist. Auch muss herausgearbeitet werden, was genau unter dem Merkmal „autonom“ zu verstehen ist. (i)
Die passive feste Niederlassung
Unklar war lange Zeit und ist es auch nach Einführung des Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO, ob eine rein empfangende Niederlassung (sogenannte passive feste Niederlassung) eine feste Niederlassung im Sinne der EuGHRechtsprechung sein kann oder ob es auch hierfür darauf ankommt, dass die Niederlassung zumindest in der Lage ist, autonom Dienstleistungen zu erbringen. Zudem ist die Definition in Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO nur scheinbar eindeutig, indem sie eine Struktur verlangt, die den Empfang und die Verwendung der fraglichen Dienstleistung für den eigenen Bedarf erlaubt. Auch hier wird diskutiert, ob passive feste Niederlassungen, welche keine Ausgangsleistungen erbringen (können), von Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO erfasst sind. 389 Erstmals in einer jüngeren Entscheidung in der Rechtssache 388 389
Siehe auch GA Mancini, Schlussanträge v. 6.6.1985 – 168/84 (Berkholz), Slg. 1985, I2252 (I-2255). Die Möglichkeit einer passiven Niederlassung bejahend Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 619, Brüssel, 11.5.2009, taxud.d.1(2009)108658,
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Welmory 390 äußerte sich der EuGH zu festen Niederlassungen im Kontext des Dienstleistungsempfangs. Zwar ging es in dieser Sache nicht konkret um die Frage, ob eine passive feste Niederlassung tauglicher Anknüpfungspunkt im Sinne des Art. 44 Satz 2 MwStSyst-RL sein kann. Jedoch definierte der EuGH unter Verweis auf seine zuvor erörterte Rechtsprechung und Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO eine feste Niederlassung als eine solche, die „einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweis[t], die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden“ 391. Die in der Rechtssache betroffene Niederlassung musste demnach aufgrund ihrer Struktur in der Lage sein, die an sie erbrachten Dienstleistungen „für ihre wirtschaftliche Tätigkeit […] zu empfangen und zu verwenden.“ 392 Zunächst lässt sich der soeben beschriebenen Entscheidung entnehmen, dass es aus Sicht des EuGH nicht maßgeblich darauf ankommt, dass die fragliche Einrichtung in der Lage ist, Leistungen zu erbringen. Vielmehr spricht der EuGH insofern zunächst nur davon, dass sie die fragliche Dienstleistung für den eigenen Bedarf empfangen und verwenden können muss. Dabei greift der EuGH ausdrücklich auf die in Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO niedergelegte Definition zurück. Fraglich ist allerdings, wie der anschließende Verweis darauf, dass sie die Dienstleistung für ihre wirtschaftliche Tätigkeit empfangen und verwenden können muss, zu verstehen ist. Meines Erachtens ist dieser auf den Sachverhalt bezogenen Konkretisierung kein zusätzliches Erfordernis dahingehend zu entnehmen, dass nur die festen Niederlassungen, die wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehen, als solche definiert werden
390 391
392
S. 7; F. Becker, UStB 2011, 144 (154); Monfort, UR 2012, 341 (348); Monfort, DStR 2014, 2169 (2173); van Norden, in: van Arendonk/Jansen/van der Paardt (Hrsg.), VAT in an EU and International Perspective, 2011, S. 35 (47). Speziell bezogen auf Warenlager Becker, DStR 2015, 1217 (1221). Zwar offenlassend, aber scheinbar zur passiven festen Niederlassung tendierend auch GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 41 ff. Ablehnend hingegen Heinrichshofen, in: Englisch/Nieskens (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 109 (122); Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 94 ff.; Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (180 ff.). Zumindest kritisch de Wit, in: van Arendonk/Jansen/van der Paardt (Hrsg.), VAT in an EU and International Perspective, 2011, S. 23 (30 ff.). EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory). EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 58 (Hervorhebung durch die Autorin). Siehe auch GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 41. EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 59 (Hervorhebung durch die Autorin).
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
können. 393 Die Aussage, dass die fragliche feste Niederlassung Dienstleistungen für ihre wirtschaftliche Tätigkeit empfangen und verwenden (können) müsse, ist eher als Subsumtion unter den vorliegenden Sachverhalt zu verstehen. 394 Dies gilt umso mehr, als es in der Rechtssache maßgeblich darauf ankam, ob die fragliche Einrichtung ausreichend personelle und technische Ausstattung vorweisen konnte, um die vom Steuerpflichtigen ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit ausüben zu können. 395 Die Tatsache, dass sich aus der einzelfallbezogenen Entscheidung des EuGH in Welmory zumindest keine ausdrückliche Absage an eine passive feste Niederlassung entnehmen lässt, bedeutet jedoch nicht, dass der EuGH sie deshalb ermöglichen wollte. Vielmehr ist durch Auslegung der bisher durch den EuGH entwickelten sowie der in Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO niedergelegten Definition zu untersuchen, ob auch passive feste Niederlassungen tauglicher Anknüpfungspunkt für Art. 44 MwStSyst-RL sein können. Der Wortlaut des Begriffs „für den eigenen Bedarf“ gibt keine Anhaltspunkte für ein enges Verständnis, wonach nur der Bedarf für die Erbringung von Ausgangsleistungen gemeint wäre. „Bedarf“ deutet vielmehr darauf hin, dass davon alle Dienstleistungen erfasst werden, die in irgendeiner Form für die Tätigkeit des Leistungsempfängers erforderlich sind. 396 Zu beachten ist auch, dass die Differenzierung zwischen wirtschaftlichen Tätigkeiten, welche in Ausgangsleistungen münden, und sonstigen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen weder neu und noch wenig thematisiert ist. Insbesondere im Kontext des Vorsteuerabzugs werden ähnliche Fragen regelmäßig thematisiert. Es wäre daher für den Rat möglich gewesen, eine entsprechende Beschränkung auf Ausgangsleistungen durch die Verwendung des Begriffs „für ihre wirtschaftliche Tätigkeit“ anstelle von „für den eigenen Bedarf“ vorzunehmen. Dass der Rat stattdessen ausdrücklich „nur“ eine Verwendung „für den eigenen Bedarf“ verlangt, deutet daher insgesamt eher auf ein weites Verständnis des Begriffs hin. 397 Im Übrigen wäre die Aufteilung der Definition in Art. 11 Abs. 1 und 2 MwSt-DVO letztlich überflüssig, würde Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO die Möglichkeit, Ausgangsleistungen erbringen
393
394 395 396 397
Ebenso Monfort, DStR 2014, 2169 (2173). Anders jedoch Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (182); wohl auch Terra, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 210 (217). Siehe auch ausführlich Haller, MwStR 2015, 7 (8 f.). Ähnlich Monfort, DStR 2014, 2169 (2173). Vgl. EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 60 f. Ähnlich offen daher auch Damaschke, StBW 2014, 1000 (1002). Ebenso Monfort, DStR 2014, 2169 (2173). So auch Monfort, UR 2012, 341 (350).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
zu können, verlangen. In diesem Fall wäre eine einheitliche Definition wohl ausreichend gewesen. 398 Nur dieses Verständnis von Empfang und Verwendung für den eigenen Bedarf steht auch in systematischer Hinsicht mit den in Art. 43 MwStSyst-RL niedergelegten Regelungen in Einklang. 399 Danach kommt es unter bestimmten Voraussetzungen nicht auf die Erbringung steuerbarer Leistungen an, um für Zwecke der Ortsbestimmungsregeln für Dienstleistungen als Steuerpflichtiger qualifiziert zu werden. Art. 43 MwStSyst-RL trifft daher eine klare Entscheidung zugunsten einer weiten Anwendung des Art. 44 MwStSyst-RL. Dieser Anwendungsbereich würde jedoch wieder eingeschränkt, verlangte man für die Qualifikation einer Einrichtung als feste Niederlassung stets, dass diese Ausgangsleistungen erbringen kann. Zudem bringt Art. 43 MwStSyst-RL, indem er unter bestimmten Voraussetzungen auch solche Personen erfasst, die gerade keine steuerbaren Ausgangsleistungen, sondern ausschließlich oder teils nicht-wirtschaftliche Leistungen erbringen, zum Ausdruck, dass eine Anknüpfung an solche Steuerpflichtige grundsätzlich möglich ist. Es ist kein Differenzierungsgrund ersichtlich, warum dies bei passiven festen Niederlassungen anders sein sollte. Eine Auslegung des Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO ergibt daher, dass auch passive feste Niederlassungen erfasst werden. 400 Fraglich ist jedoch, ob dieses Ergebnis mit den grundlegenden Prinzipien des Mehrwertsteuersystems vereinbar ist. Für eine weite Auslegung des Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO, Art. 44 Satz 2 MwStSyst-RL spricht zunächst der Neutralitätsgrundsatz, wonach eine weite Auslegung der allgemeinen Tatbestandsmerkmale erforderlich ist. 401 Nur so kann nämlich eine umfassende Realisierung des Empfängerortprinzips gewährleistet werden, was wiederum eine weitgehend gleichmäßige Behandlung von Steuerpflichtigen gewährleistet. Der Bezug
398 399 400
401
Anders Haller, MwStR 2015, 7 (9). So wohl auch GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 43; siehe auch Haller, MwStR 2015, 7 (10); Monfort, DStR 2014, 2169 (2174). Ebenso Monfort, DStR 2014, 2169 (2173 f.); van Norden, in: van Arendonk/Jansen/van der Paardt (Hrsg.), VAT in an EU and International Perspective, 2011, S. 35 (47). Bestätigend wenn auch kritisch Haller, MwStR 2015, 7 (10 f.). Ähnlich kritisch de Wit, in: van Arendonk/Jansen/van der Paardt (Hrsg.), VAT in an EU and International Perspective, 2011, S. 23 (30 ff.); Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 94 f. Vgl. EuGH, Urteil v. 24.10.1996 – C-317/94 (Gibbs), Rz. 31; Achatz, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 21 (44); Lohse, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 47 (59).
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
von Dienstleistungen ist somit nicht mehr von der Herkunft der Ware oder dem Sitz des Dienstleistungserbringers abhängig. 402 Die umfassende Beachtung des Empfängerortprinzips realisiert im Ergebnis auch das Verbrauchsortprinzip. 403 Danach kommt es darauf an, den Ort der Besteuerung möglichst am Ort des Verbrauchs zu ermöglichen. Dieser wird gemäß Art. 44 MwStSyst-RL generalisierend am Ort des Empfängers vermutet. 404 Zur Verwirklichung des Empfängerortprinzips ist daher eine weite Anwendung des Art. 44 MwStSyst-RL geboten. 405 In diesem Zusammenhang sei auch darauf verwiesen, dass feste Niederlassungen häufig durch Hilfstätigkeiten und ähnliches, welche sie an andere Niederlassungen des Steuerpflichtigen erbringen, an der Erbringung von Ausgangsleistungen beteiligt sind. 406 Sie selbst erbringen in diesen Fällen keine Ausgangsleistungen, da unternehmensinterne Dienstleistungen, wie noch ausführlich zu erörtern sein wird, keine steuerbaren Umsätze darstellen. 407 Es ist daher bereits aufgrund der Beteiligung an der Erbringung steuerbarer Ausgangsleistungen systemgerecht, für Zwecke der Ortsbestimmung an solche passiven festen Niederlassungen anzuknüpfen. Diese Beteiligung rechtfertigt nämlich bereits die Vermutung, dass Endverbrauch näherungsweise im gleichen Land stattfindet. 408 Folglich steht das Verbrauchsortprinzip einer Anknüpfung an passive feste Niederlassungen nicht entgegen. Selbst in Fällen, in denen sich eine entsprechende Verbrauchsvermutung nicht rechtfertigen lässt, muss eine umfassende Anknüpfung an den Dienstleistungsempfänger für Zwecke der Ortsbestimmung aus Gründen der Praktikabilität befürwortet werden. Andernfalls müsste der Dienstleistungserbringer nämlich ermitteln, ob die Einrichtung, die er als Empfänger seiner Dienstleistung erachtet, überhaupt als Anknüpfungspunkt geeignet ist. Für 402
403
404 405
406 407 408
Siehe Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 619, Brüssel, 11.5.2009, taxud.d.1(2009)108658, S. 7. Ähnlich auch van Norden, in: van Arendonk/Jansen/van der Paardt (Hrsg.), VAT in an EU and International Perspective, 2011, S. 35 (47). Anders jedoch Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 94 f. So wohl auch Merkx, die allerdings bei zwischenunternehmerischen Umsätzen die Verwirklichung des Verbrauchsortprinzips insgesamt für entbehrlich hält, vgl. Establishments in European VAT, 2013, S. 96. Siehe dazu oben 2. Teil: I. 3. und 3. Teil: I 1. b). Vgl. Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 619, Brüssel, 11.5.2009, taxud.d.1(2009)108658, S. 7; im Ergebnis wohl auch GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 41; Damaschke, StBW 2014, 1000 (1002); Monfort, DStR 2014, 2169 (2173). Vgl. Becker, DStR 2015, 1217 (1221); Monfort, DStR 2014, 2169 (2174). Siehe dazu ausführlich unten 3. Teil: II. Vgl. Monfort, DStR 2014, 2169 (2174). Anders jedoch Haller, MwStR 2015, 7 (10), die eigene tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeiten verlangt.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
einen Dienstleistungserbringer wird regelmäßig nur unter hohem Aufwand möglich sein zu ermitteln, ob die fragliche Einrichtung die Möglichkeit hat, Ausgangsleistungen zu erbringen. Im Übrigen sei an dieser Stelle abschließend auf die relativierende Aussage von Generalanwältin Kokott hingewiesen, die in der Rechtssache Welmory die Vermutung angestellt hat, dass regelmäßig die Möglichkeit zur Leistungserbringung gegeben sein dürfte, sofern der ohnehin erforderliche Mindestbestand an Personal und Sachmitteln vorhanden ist 409. Die praktische Relevanz passiver fester Niederlassungen dürfte sich dementsprechend in Grenzen halten. Schließlich lässt eine entsprechende Auslegung des Art. 11 Abs. 1 MwStDVO auch keinen Widerspruch zu der Rechtsprechung des EuGH erkennen. Teils wird insofern darauf verwiesen, dass der EuGH vor der Rechtssache Welmory stets auf die Möglichkeit zur Erbringung einer Leistung abgestellt hat. 410 Jedoch ist diesbezüglich zum einen darauf zu verweisen, dass der EuGH selbst in Welmory in Anlehnung an Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO nicht mehr von diesem Merkmal spricht. Zum anderen wurde bereits darauf-hingewiesen, dass die ursprünglich vom EuGH entwickelte Definition der festen Niederlassung stets feste Niederlassungen des leistungserbringenden Steuerpflichtigen betraf. Es bestand daher nie die Notwendigkeit, auf passive feste Niederlassungen einzugehen. 411 Daher steht diese Auslegung auch im Einklang zu der Entscheidung des EuGH in Daimler und Widex 412. Dort ging es um den spezifischen Fall, dass ein Unternehmen, das in einem anderen Land ansässig ist, weil es dort eine feste Niederlassung hat, von der aus Umsätze erbracht werden, Vorsteuern nicht im Erstattungsverfahren geltend machen kann. 413 In diesem Fall erfolgt der Vorsteuerabzug im „normalen“ Abzugsverfahren (Art. 168 MwStSyst-RL). Die Rechtssache betraf also allein die Frage, in welchem Verfahren Vorsteuern geltend gemacht werden können, wenn ein Unternehmen in einem Land eine feste Niederlassung hat. Hingegen verlangte der EuGH nicht, dass die fragliche Niederlassung Leistungen erbringen kann, um als feste Niederlassung qualifiziert zu werden. 414 Es handelt sich demnach um eine feste Niederlas409 410
411 412 413 414
Vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 43. Vgl. de Wit, in: van Arendonk/Jansen/van der Paardt (Hrsg.), VAT in an EU and International Perspective, 2011, S. 23 (30 f.); van Norden, in: van Arendonk/Jansen/van der Paardt (Hrsg.), VAT in an EU and International Perspective, 2011, S. 35 (47). So auch Jovanovic/Merkx, EC Tax Review 2015, 202 (205); Monfort, DStR 2014, 2169 (2173). EuGH, Urteil v. 25.10.2012 – C-318, 319/11. Vgl. EuGH, Urteil v. 25.10.2012 – C-318, 319/11 (Daimler und Widex), Rz. 37. Ebenso wohl Jovanovic/Merkx, EC Tax Review 2015, 202 (205). Siehe dazu unten 3. Teil: I. 3. c) (2) (d) ii. (ii).
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
sung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung, wenn die fragliche Niederlassung (zumindest) in der Lage ist, Leistungen zu erbringen UND/ODER zu empfangen. (ii)
Möglichkeit zur Leistungserbringung / zum Leistungsempfang
Aus der Definition des EuGH wird nicht klar, ob es auf die tatsächliche Erbringung ankommt oder ob die Einrichtung lediglich ausreichende Personalund Sachmittel zur Verfügung haben muss, die bei entsprechendem Zusammenwirken die Dienstleistung erbringen könnten. Erstmals hat sich der EuGH in Daimler und Widex 415 dazu geäußert. In der Rechtssache wurde dem EuGH die Frage vorgelegt, wann die Mehrwertsteuererstattung an nichtansässige Steuerpflichtige ausgeschlossen ist. Maßgeblich war dabei die Auslegung der Art. 1 der Achten Richtlinie 416 und Art. 3 der Mehrwertsteuererstattungs-Richtlinie 417 in Zusammenhang mit der Frage, ob die Erstattung auch dann ausgeschlossen ist, wenn der Steuerpflichtige in dem Land der Erstattung eine Niederlassung hat, von der aus er jedoch keine Umsätze tätigt. Der EuGH entschied, dass der Erstattungsanspruch nur dann ausgeschlossen sei, wenn in dem Mitgliedstaat der Erstattung tatsächlich steuerbare Umsätze bewirkt werden. 418 Jedoch scheint der EuGH dies nicht als Merkmal für das Vorliegen einer festen Niederlassung zu verstehen. Vielmehr ist aufgrund des Wortlauts der Art. 1 der Achten Richtlinie („feste Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind“) und Art. 3 der Mehrwertsteuererstattungs-Richtlinie („feste Niederlassung, von der aus Umsätze bewirkt wurden“) davon auszugehen, dass die Bewirkung steuerbarer Umsätze eine zusätzliche Bedingung neben dem Vorliegen einer festen Niederlassung ist. 419 Im Umkehrschluss 415 416
417
418 419
EuGH, Urteil v. 25.10.2012 – C-318, 319/11. Achte Richtlinie 79/1072/EWG des Rates v. 6.12.1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige, ABl. Nr. L 331 S. 11. Richtlinie 2008/9/EG des Rates v. 12.2.2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige, Abl. Nr. L 44 S. 23. Vgl. EuGH, Urteil v. 25.10.2012 – C-318, 319/11 (Daimler und Widex), Rz. 43. Vgl. EuGH, Urteil v. 25.10.2012 – C-318, 319/11 (Daimler und Widex), Rz. 32, 50. Siehe auch EuGH, Urteil v. 16.7.2009 – C-244/08 (Kommission / Italien), Rz. 17, wonach der EuGH den Begriff der festen Niederlassung aus Art. 1 der Achten Richtlinie unter Verweis auf seine Rechtsprechung zur festen Niederlassung im Sinne der Sechsten MwSt-RL definiert; es handelt sich also im Verständnis des EuGH um den gleichen Begriff; ebenso Monfort, UR 2012, 341 (353) und UR 2012, 936 (936). Mit ähnlichen Überlegungen Jovanovic/Merkx, EC Tax Review 2015, 202 (205).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
muss es für das Vorliegen einer festen Niederlassung ausreichen, wenn diese aufgrund des ständigen Zusammenwirkens von Personal- und Sachmitteln die Möglichkeit hat, Dienstleistungen autonom zu erbringen. 420 Diese Auffassung bezüglich Art. 1 der Achten Richtlinie und Art. 3 der Mehrwertsteuererstattungs-Richtlinie kann wohl auch auf Art. 44 MwStSyst-RL übertragen werden, da nicht ersichtlich ist, warum der EuGH den gleichen Begriff hier anders definieren wollte. 421 Auch wenn der EuGH seine ursprüngliche Definition nicht zu festen Niederlassungen, welche als Dienstleistungsempfänger in Betracht kamen, entwickelte, ist davon auszugehen, dass auch für solche festen Niederlassungen die Möglichkeit zum Empfang genügen muss. Entsprechend hat der EuGH nunmehr in Anlehnung an Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO entschieden, dass die personelle und technische Ausstattung einer festen Niederlassung im Sinne des Art. 44 MwStSyst-RL dieser erlauben 422 beziehungsweise diese in die Lage versetzen muss 423, Leistungen zu empfangen und zu verwenden. Es ist daher davon auszugehen, dass der EuGH auch bei empfangenden festen Niederlassungen die Möglichkeit zum Dienstleistungsempfang ausreichen muss. Für diese Ansicht spricht auch der Zweck der Qualifizierung als feste Niederlassung. Feste Niederlassungen stellen neben dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit einen tauglichen Anknüpfungspunkt insbesondere für die Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen dar (vgl. Art. 44, 45 MwStSystRL). Hierdurch soll, wie bereits erläutert, eine möglichst korrekte Annäherung an den Verbrauchsort gewährleistet werden. Dabei ist aber zwischen der Qualifizierung als feste Niederlassung und der Anknüpfung an eine feste Niederlassung für die Ortsbestimmung einer konkreten Dienstleistung zu differenzieren. Für die Qualifizierung kommt es daher lediglich darauf an, 420
421
422 423
Vgl. ebenso wohl auch de Wit, in: van Arendonk/Jansen/van der Paardt (Hrsg.), VAT in an EU and International Perspective, 2011, S. 23 (29); Monfort, UR 2012, 341 (353); ähnlich auch der Vorschlag der Europäischen Kommission v. 5.12.1984 für eine Neunzehnte Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG, KOM(84) 648, Art. 1 Nr. 1 lit. b), wonach es noch nicht einmal auf die Möglichkeit, steuerbare Umsätze zu tätigen, ankommen sollte. Anders F. Becker, UStB 2013, 125 (127). Siehe beispielsweise für den Begriff der festen Niederlassung in Art. 26 Abs. 2 Satz 2 der Sechsten MwSt-RL (jetzt Art. 307 Abs. 1 MwStSyst-RL), den der EuGH ausdrücklich in gleicher Weise wie Art. 9 Abs. 1 der Sechsten MwSt-RL (jetzt Art. 44 MwStSyst-RL) interpretiert, Urteil v. 20.2.1997 – C-260/95 (DFDS), Rz. 17; ebenso Wiesinger/Wagner, SWI 2007, 314 (314). Vgl. EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 58. Vgl. EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 59.
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
dass eine Niederlassung grundsätzlich in der Lage ist, eine Dienstleistung zu erbringen oder zu empfangen und damit tauglicher Anknüpfungspunkt zu werden. Mangelt es bereits daran, fehlt auch die Rechtfertigung, an eine Niederlassung in Annäherung an den Verbrauchsort anzuknüpfen. Für die Ortsbestimmungsregeln kommt es dann hingegen auf die tatsächliche Erbringung beziehungsweise den tatsächlichen Empfang einer Dienstleistung an, um die konkrete Dienstleistung möglichst nah an dem Ort des Verbrauchs im konkreten Fall zu besteuern, indem an einen tauglichen Anknüpfungspunkt angeknüpft wird. 424 Insgesamt stellt sich die Diskussion bezogen auf Ortsbestimmungsregeln daher ohnehin weitgehend in hypothetischer Weise dar. Art. 44, 45 MwStSyst-RL fordern, dass eine Dienstleistung an beziehungsweise von der festen Niederlassung erbracht wird. Könnte die fragliche Einrichtung daher keine Dienstleistungen erbringen beziehungswesie empfangen, könnte sie kein tauglicher Anknüpfungspunkt im konkreten Fall sein. 425 Einen Unterschied kann es lediglich bezüglich anderer Regelungen geben sowie für den Fall, dass man das Prinzip der „force-ofattraction“ 426 (wieder) einführen würde. 427 Entsprechend diesem Verständnis der früheren EuGH-Rechtsprechung stellen Art. 11 Abs. 1 und Abs. 2 darauf ab, ob die Ausstattung die Dienstleistungerbringung beziehungsweise den Empfang und die Verwendung von Dienstleistungen erlaubt. Es kommt folglich auch nach Art. 11 MwSt-DVO allein auf die Möglichkeit der Dienstleistungserbringung beziehungsweise des Dienstleistungsempfangs an. Die als Maßstab anzuwendende Definition des EuGH wurde daher in dieser Frage vollständig umgesetzt, sodass sich insofern keine Unterschiede ergeben. Jedoch ist hier wiederum speziell für die Ortsbestimmungsregeln des Art. 44 MwStSyst-RL zumindest der tatsächliche Empfang letztlich ausschlaggebend.
424 425 426
427
Vgl. auch Monfort, UR 2012, 341 (349). Vgl. auch Monfort, UR 2012, 341 (347). Das Prinzip wird im Rahmen des Reverse Charge Verfahrens dahingehend diskutiert, ob allein das Vorhandensein einer festen Niederlassung des Leistungserbringers die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft ausschließt, oder ob die feste Niederlassung an der Leistungserbringung beteiligt sein muss, damit die Steuerschuld nicht auf den Empfänger übergeht. Art. 192a MwStSyst-RL regelt dies nunmehr ausdrücklich und verlangt eine Beteiligung der festen Niederlassung. Vgl. zu dem Begriff anstatt vieler de Wit, in: van Arendonk/Jansen/van der Paardt (Hrsg.), VAT in an EU and International Perspective, 2011, S. 23 (26). Siehe auch Farmer/Lyal, EC Tax Law, 1994, S. 159.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
(iii)
Autonome Leistungserbringung / autonomer Leistungsempfang
Der EuGH setzt in ständiger Rechtsprechung voraus, dass die fragliche Einrichtung, um als feste Niederlassung qualifiziert zu werden, die Möglichkeit zur autonomen Leistungserbringung haben muss. Demgegenüber wird das Merkmal „autonom“ in Art. 11 MwSt-DVO nicht genannt. Neben einer Erläuterung des Merkmals muss daher untersucht werden, ob sich hieraus ein Widerspruch zwischen der Definition des EuGH und der in Art. 11 MwStDVO ergibt. Bezüglich des Merkmals „autonom“ sei zunächst darauf hingewiesen, dass dies nicht zu verwechseln ist mit der Forderung, dass die feste Niederlassung unselbstständiger Teil des Steuerpflichtigen sein soll. 428 Das Erfordernis einer autonomen Erbringung bezieht sich allein auf die fraglichen Dienstleistungen. Das Merkmal dient dazu, eine Annäherung an den Verbrauchsort zu ermöglichen. Wie bereits festgestellt, wird das Ziel der Besteuerung am Verbrauchsort durch Indizien, die eine Näherung an den Endverbrauch anzeigen sollen, verwirklicht. 429 Entsprechend rechtfertigt sich die Vermutung, dass der Verbrauchsort dort ist, wo die Dienstleistung erbracht beziehungsweise empfangen wird. 430 Dies setzt eine selbstständige Erbringung / einen selbstständigen Empfang voraus, denn nur dort kann in der Regel der Verbrauch vermutet werden. Es ist jedoch in diesem Zusammenhang unklar, ob eine Dienstleistung von einer festen Niederlassung nur dann selbstständig erbracht wird, wenn ausschließlich die feste Niederlassung tätig wird. Fraglich ist, inwiefern die Beteiligung des Stammhauses oder einer anderen festen Niederlassung des Steuerpflichtigen unschädlich ist. So könnte man argumentieren, dass es sich nur dann um eine feste Niederlassung handelt, wenn sie (zumindest theoretisch) die ganze Dienstleistung alleine erbringen kann. Das Zusammenwirken verschiedener Einrichtungen des Steuerpflichtigen wäre in diesem Fall schädlich, sodass keine feste Niederlassung vorläge. Unzweifelhaft ist insofern, dass eine Einrichtung, die lediglich Hilfstätigkeiten und Tätig428 429 430
Vgl. ebenso Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 76; Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (174). Hierzu im Einzelnen 3. Teil: I. 3. c) (2) (d) iii. Vgl. Ecker, IVM 2012, 407 (409); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 396. Vgl. Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 620, Brüssel, 2.6.2009, taxud.d.1(2009)132177, S. 4; Resch, IBFD-News v. 1.9.2009, IFA 63rd Congress in Vancouver, Gliederungspunkt (a); de la Feria, in: Lang/Melz/ Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 961 (977 f.); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 433.
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
keiten vorbereitender Art für den Steuerpflichtigen erbringt, keine feste Niederlassung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung darstellen kann. 431 Es fehlt an einer eigenständigen Erbringung der mehrwertsteuerlich relevanten Leistung, die die Verbrauchsvermutung rechtfertigen könnte. Umgekehrt kann daher ebenfalls nicht verlangt werden, dass eine Einrichtung Dienstleistungen vollständig alleine erbringt ohne jegliche Hilfe. Hilfstätigkeiten und Tätigkeiten vorbereitender Art, die der Einrichtung gegenüber von anderen Einrichtungen oder vom Stammhaus aus erbracht werden, sind insofern unschädlich für eine autonome Leistungserbringung beziehungsweise einen autonomen Leistungsempfang. 432 Daher ist eine autonome Erbringung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung dahingehend zu verstehen, dass sich die Mitwirkung anderer Einrichtungen auf solche Hilfstätigkeiten beschränken muss. Der Kern der fraglichen Dienstleistung, also das, was sie als solche charakterisiert, muss von der festen Niederlassung erbracht werden können. Problematisch bleibt jedoch die Abgrenzung im Einzelfall. Hierzu kommt es entsprechend der EuGH-Rechtsprechung maßgeblich auf eine wirtschaftliche Betrachtung an, bei der alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. 433 Da Art. 11 Abs. 2 MwSt-DVO als Konkretisierung des Art. 45 MwStSystRL von dem Sitzortprinzip geleitet werden 434, können diese Überlegungen auf die in der MwSt-DVO niedergelegten Definition übertragen werden. Danach kommt es auch für die feste Niederlassung im Sinne des Art. 11 Abs. 2 MwSt-DVO auf die autonome Leistungserbringung an. Es gilt demnach auch im Rahmen des Art. 11 Abs. 2 MwSt-DVO die Vermutung, dass der Verbrauch dort stattfindet, wo der Dienstleistungserbringer handelt. Aufgrund dessen kann eine Niederlassung, die lediglich Hilfstätigkeiten erbringt, nicht als Anknüpfungspunkt herangezogen werden, da in diesem Fall kein ausreichender Zusammenhang zwischen der Dienstleistungserbringung 431
432
433
434
EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 56. Ebenso F. Becker, UStB 2011, 144 (154); Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (207); Lejeune/Cortvriend/Accorsi, IVM 2011, 144 (146); Mlcoch, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 77 (88); mit beispielhafter Aufzählung Hacker-Ostermann, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 165 (169). Vgl. auch de Wit, in: van Arendonk/Jansen/van der Paardt (Hrsg.), VAT in an EU and International Perspective, 2011, S. 23 (28); Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 76. Vgl. EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – C-260/95 (DFDS), Rz. 23; GA La Pergola, Schlussanträge v. 16.1.1997 – C-260/95 (DFDS); v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 35; siehe auch Hidien, StuW 2005, 265 (275). Vgl. F. Becker, UStB 2011, 144 (153); Monfort, UR 2009, 301 (304).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
und dem Ort der festen Niederlassung besteht. Aus diesem Grund kommt es maßgeblich darauf an, dass die feste Niederlassung wesentliche Tätigkeiten zur Erbringung der Dienstleistung selbst vornimmt. Das Erfordernis nach Autonomie ist dem Merkmal der Leistungserbringung daher inhärent. 435 Gleiches muss letztlich auch für den Leistungsempfang (Art. 44 Satz 2 MwStSyst-RL, Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO) gelten. Hierbei kommt es auf die Verwirklichung des Empfängerortprinzips an; es wird insofern an den steuerpflichtigen Empfänger angeknüpft. Es gilt wiederum die Verbrauchsvermutung am Ort der festen Niederlassung, da dort die empfangene Dienstleistung für den Bedarf der festen Niederlassung verwendet wird. Um diese Vermutung zu rechtfertigen, ist daher ebenso eine gewisse Selbstständigkeit bei dem Empfang und der Verwendung der Leistung erforderlich, um auch hier eine Abgrenzung zu reinen Hilfstätigkeiten zu gewährleisten. Auch Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO setzt damit implizit einen autonomen Leistungsempfang voraus, ohne dass dieses Merkmal ausdrücklich genannt werden muss. Abschließend ist daher festzustellen, dass Art. 11 MwSt-DVO nicht insofern der durch den EuGH erarbeiteten Definition einer festen Niederlassung widerspricht, als nur Letztere von autonomer Leistungserbringung / autonomen Leistungsempfang spricht. 436 iii.
Abhängigkeit und fehlende selbstständige Wirtschaftstätigkeit
(i)
Rechtspersönlichkeit kein Merkmal der festen Niederlassung
Aus seiner Rechtsprechung geht zudem hervor, dass der EuGH eine Abhängigkeit der Niederlassung vom Stammsitz fordert. Zunächst sei nochmals darauf hingewiesen, dass die erforderliche Abhängigkeit der Niederlassung von dem Hauptsitz des Unternehmens nicht mit dem Erfordernis der autonomen Leistungserbringung zu verwechseln ist. 437 Jedoch ist nicht umfassend geklärt, worauf es für die Abhängigkeit ankommt. Insofern konnte man bis zum Urteil in der Rechtssache DFDS 438 davon ausgehen, dass der EuGH in diesem Zusammenhang eine Unterscheidung zwischen Zweigniederlassungen (im Englischen „branches“) zu Tochtergesellschaften (im Englischen „subsidiaries“) vornahm, da er eine Eigenschaft als feste Niederlassung nur 435 436 437 438
Vgl. mit ähnlichen Argumenten F. Becker, UStb 2011, 144 (154); Monfort, UR 2012, 341 (349). Ebenso Monfort, UR 2012, 341 (349). Siehe oben 3. Teil: I. 3. c) (2) (d) ii. (iii). EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – C-269/95.
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
bezüglich Zweigniederlassungen feststellte. 439 Danach käme es maßgeblich auf die fehlende Rechtspersönlichkeit im zivilrechtlichen Sinne, also die zivilrechtliche Selbstständigkeit an. Fraglich ist nunmehr, ob es überhaupt nicht auf eine Unterscheidung in Tochtergesellschaften und unselbstständige Zweigniederlassungen ankommt, also insgesamt ein anderes Verständnis von Abhängigkeit herangezogen werden muss. Überwiegend wird vertreten, dass in der Rechtssache DFDS ein besonderer Fall zu entscheiden war und der EuGH letztendlich Missbrauch vermeiden wollte. 440 Andererseits kann man auch davon ausgehen, dass es dem EuGH auf eine wirtschaftliche Betrachtung ankommt, unabhängig von etwaigen zivilrechtlichen Gegebenheiten. 441 Wenn man sich die Rechtsprechung des EuGH anschaut, lässt sich zunächst feststellen, dass dieser anhand der „Rechtspersönlichkeit“ unterscheidet, ob eine Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung gegeben ist. 442 Seiner Ansicht nach hat eine Tochtergesellschaft stets eine Rechtspersönlichkeit; fehlt diese, handelt es sich regelmäßig um eine Zweigniederlassung. Ob eine Einrichtung eine Rechtspersönlichkeit hat, und damit rechtsfähig ist, hängt von der zivil- und gesellschaftsrechtlichen Qualifizierung ab. 443 Steuerrechtliche Beurteilungen spielen hier keine Rolle. Die Einteilung des EuGH ist logisch. Der EuGH erkennt anhand des Merkmals „Rechtspersönlichkeit“ zwei verschiedene Einrichtungstypen an, wie sie bei wirtschaftlich tätigen Personen vorkommen und auch außerhalb des Steuerrechts anerkannt sind. Demnach gibt es Wirtschaftseinheiten, die zwar aus verschiedenen Einrichtungen – gegebenenfalls sogar in mehreren Ländern – bestehen, jedoch nur eine Gesamtrechtspersönlichkeit haben (sogenannte Unterneh-
439 440
441 442 443
Vgl. Swinkels, IVM 2006, 415 (417). Vgl. in diesem Sinne wohl EuGH, Urteil v. 25.10.2012 – C-318, 319/11 (Daimler und Widex), Rz. 49; GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 36; Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 80; Mlcoch, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 77 (86); Terra, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 210 (217); van Norden, in: van Arendonk/Jansen/van der Paardt (Hrsg.), VAT in an EU and International Perspective, 2011, S. 35 (39). Vgl. Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (709). Vgl. EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – C-260/95 (DFDS), Rz. 26; v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 23. Vgl. z.B. zur niederländischen GbR EuGH, Urteil v. 27.1.2000 – C-23/98 (Heerma), Rz. 8; eine Aufzählung deutscher Vereinigungen findet sich beispielsweise bei Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 26.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
menseinheit). 444 Die verschiedenen Einrichtungen sind unselbstständige Teile der Gesamteinrichtung ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Durch die Differenzierung in Tochtergesellschaft und Zweigniederlassung sagt der EuGH jedoch nichts darüber, ob es sich bei der fraglichen Einrichtung (mit oder ohne Rechtspersönlichkeit) auch um einen Steuerpflichtigen handelt. Die Rechtsform einer Einrichtung kann dabei keine Auswirkungen auf die Eigenschaft als Steuerpflichtiger haben. 445 Dafür greift der EuGH (richtigerweise) auf Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL zurück, der die Voraussetzungen für die Eigenschaft als Steuerpflichtiger kodifiziert. 446 Hierbei handelt es sich um eine wirtschaftliche Betrachtung, ob die Einrichtung im Tatsächlichen einer selbstständigen Wirtschaftstätigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL nachgeht, unabhängig von ihrer zivilrechtlichen Beurteilung. 447 Konsequenterweise lässt der EuGH es deshalb für die Eigenschaft als Steuerpflichtiger nicht darauf ankommen, ob man eine (zivilrechtliche) Rechtspersönlichkeit, also Rechtsfähigkeit, hat. 448 Dies folgt auch aus dem Neutralitätsgedanken, der eine möglichst weite Erfassung von wirtschaftlich tätigen Personen fordert. 449 Entsprechend legt der EuGH die einschlägigen Regelungen der MwStSyst-RL weit aus, soweit sie das Neutralitätsprinzip verwirklichen. 450
444 445
446 447
448
449
450
Vgl. GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 55; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2013, § 17 Rz. 52. Vgl. anstatt vieler EuGH, Urteil v. 7.9.1999 – C-216/97 (Gregg), Rz. 20; v. 29.3.2012 – C-436/10 (BLM), Rz. 27, ständige Rechtsprechung. Siehe auch Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 41 Rz. 1; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 84; Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (783). Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 35. Vgl. EuGH, Urteil v. 27.1.2000 – C-23/98 (Heerma), Rz. 8; Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 9, 21; siehe auch Vitale, in: Lang/Melz/ Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (777, 780) zur Unabhängigkeit der Begrifflichkeiten in verschiedenen Rechtsgebieten. Vgl. EuGH, Urteil v. 27.1.2000 – C-23/98 (Heerma), Rz. 8; siehe auch Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 41 Rz. 1, 73; Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 21, 26; Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (783). Vgl. EuGH, Urteil v. 26.3.1987 – 235/85 (Kommission / Niederlande), Rz. 6; v. 7.9.1999 – C-216/97 (Gregg), Rz. 18 ff.; siehe auch GA Cosmas, Schlussanträge v. 20.5.1999 – C-23/98 (Heerma), Slg. 1999 I-421 (I-425); Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 41 Rz. 73; siehe auch Lohse, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 47 (59). Vgl. EuGH, Urteil v. 14.10.1996 – C-317/94 (Gibbs), Rz. 31; Lohse, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 59 (59).
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
Fraglich ist jedoch, ob es unabhängig davon auf das Innehaben einer Rechtspersönlichkeit ankommen muss für die Qualifizierung als feste Niederlassung. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob es einen Unterschied zwischen Zweigniederlassung und fester Niederlassung gibt. Zudem ist weiterhin unklar, ob aus der Entscheidung in DFDS nun eine wirtschaftliche Betrachtung zu folgern ist oder es sich dabei um eine Ausnahmeentscheidung handelt. Hierfür ist zunächst ein Blick auf Daimler und Widex 451 zu werfen. Dort sagt der EuGH ausdrücklich, dass in DFDS „die Selbständigkeit der Tochtergesellschaft nur deshalb unberücksichtigt blieb, um der wirtschaftlichen Realität bei der Feststellung, ob die Mutter- oder die Tochtergesellschaft tatsächlich die steuerbaren Umsätze in Form der fraglichen Dienstleistungen bewirkt hat und in welchem Mitgliedstaat folglich diese Umsätze zu besteuern sind, Rechnung zu tragen.“ 452 Diese Aussage lässt sich für beide eben genannten Ansichten als Argument heranziehen. Indem der EuGH sagt, dass die (zivilrechtliche) Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft „nur deshalb“ unberücksichtigt bleibe, um der wirtschaftlichen Realität gerecht zu werden, bringt er zum Ausdruck, dass es zur Beurteilung der Selbstständigkeit grundsätzlich auf die Unterscheidung zwischen Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen und damit auf die zivilrechtliche Differenzierung anhand der Rechtspersönlichkeit ankommt. Zugleich macht der EuGH davon aber eine Ausnahme, wenn die wirtschaftliche Realität dem widerspricht. Meines Erachtens ist daraus zu folgern, dass der EuGH weiterhin grundsätzlich für die Qualifizierung als feste Niederlassung zwischen Tochtergesellschaft und Zweigniederlassung, also anhand der Rechtspersönlichkeit, differenziert. In einem zweiten Schritt jedoch prüft der EuGH nunmehr gegen, ob dies auch der wirtschaftlichen Realität entspricht. 453 Dies entspricht neben dem Vorgehen in DFDS 454 auch dem in FCE Bank 455. Dort verneint der EuGH ebenfalls zunächst die Rechtspersönlichkeit der fraglichen Einrichtung. 456 Unabhängig davon hat er jedoch anhand einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise untersucht, ob diese Nieder-
451 452 453
454 455 456
EuGH, Urteil v. 25.10.2012 – C-318, 319/11. EuGH, Urteil v. 25.10.2012 – C-318, 319/11 (Daimler und Widex), Rz. 49. Vgl. ähnlich Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (709, 718); Pistone, VAT Monitor 1999, 101 (103). EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – C-260/95. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04. Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 23.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
lassung tatsächlich von dem Stammsitz abhängig ist und daher mit dem Stammsitz einen einzigen Steuerpflichtigen bildet. 457 Des Weiteren sei nochmals darauf hingewiesen, dass es für die Qualifizierung als Steuerpflichtiger nicht auf die Rechtsform der fraglichen Einrichtung ankommt. 458 Wie bereits festgestellt, hat das Innehaben einer Rechtspersönlichkeit in erster Linie zivilrechtliche Hintergründe und dient einer begrifflichen Unterscheidung in Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen. Es sagt daher nichts über die Eigenschaft als Steuerpflichtiger oder feste Niederlassung aus. Im Gegenteil folgt der EuGH ja der Ansicht, dass auch Einheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL sein können. Daraus ist zu folgern, dass die Rechtspersönlichkeit im zivilrechtlichen Sinne kein zwingendes Merkmal für oder gegen eine feste Niederlassung ist. 459 Sie dient jedoch als Indiz dafür, ob die fragliche Niederlassung von dem Stammsitz abhängig und daher als feste Niederlassung zu qualifizieren ist. Danach ist eine Niederlassung ohne eigene Rechtspersönlichkeit Teil einer Gesamteinheit und bildet Teil dieser (Gesamt-)Rechtspersönlichkeit. Im Ergebnis dient die zivilrechtliche Selbstständigkeit dem EuGH dazu, in einem ersten Schritt eine Qualifizierung vorzunehmen, die dann aber in einem zweiten Schritt an der wirtschaftlichen Realität zu messen ist. Die Entscheidung des EuGH in DFDS muss daher in der Tat als Sonderfall angesehen werden. Nur in Fällen, in denen eine wirtschaftliche Betrachtung zu insgesamt sinnvolleren Ergebnissen führt, kann von der vorhandenen Rechtspersönlichkeit einer Einheit abgesehen werden, um sie dennoch als feste Niederlassung zu qualifizieren. Trotz der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des Vorliegens einer Rechtspersönlichkeit muss jedoch für Zwecke der EuGH-Rechtsprechung zwischen Zweigniederlassungen und festen Niederlassungen differenziert werden. Keine Zweigniederlassung hat nach dem Begriffsverständnis des EuGH eine Rechtspersönlichkeit. Dies gilt jedoch nicht zwangsläufig für jede feste Niederlassung, wenn auch die fehlende Rechtspersönlichkeit ein starkes Indiz für die Abhängigkeit zum Stammsitz 457 458 459
Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 37 sowie v. 20.2.1997 – C-260/95 (DFDS), Rz. 25 f. Vgl. anstatt vieler EuGH, Urteil v. 7.9.1999 – C-216/97 (Gregg), Rz. 20. Siehe auch Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (781, 784); a.A. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3a nF Rz. 193. Anders scheinbar auch GA Kokott, die die Rechtsprechung in DFDS auf die Sonderregelung des Art. 307 Abs. 2 MwStSyst-RL beschränkt sehen will und zudem die Rechtssicherheit für den Steuerschuldner als Argument dafür heranzieht, dass juristische Personen keine feste Niederlassung sein können, vgl. Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 36.
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ist. Das Fehlen oder Vorhandensein einer Rechtspersönlichkeit ist daher kein Merkmal, um den Begriff der festen Niederlassung zu definieren. (ii)
Keine selbstständige Wirtschaftstätigkeit
Weiterhin muss untersucht werden, was unter dem Merkmal „selbstständige Wirtschaftstätigkeit“ zu verstehen ist. Maßgeblich ist hierbei zunächst auf die EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache FCE Bank 460 zu verweisen. In FCE Bank ging es vorrangig um die Frage, ob eine Leistung zwischen einer Zweigniederlassung und ihrem Stammsitz eine steuerbare Leistung sein kann. Dafür stellte der EuGH entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung zu steuerbaren Leistungen 461 darauf ab, ob zwischen Stammsitz und Zweigniederlassung ein Rechtsverhältnis bestand. Dies sei zu bejahen, wenn die Zweigniederlassung einer selbstständigen Wirtschaftstätigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL nachgehe. 462 In der Folge verneinte der EuGH die Steuerbarkeit solcher unternehmensinternen Leistungen, da die Zweigniederlassung mangels wirtschaftlichen Risikos keine selbstständige Einrichtung sei und daher aufgrund ihrer Abhängigkeit vom Stammsitz mit Letzterem zusammen einen einzigen Steuerpflichtigen bilde. Der EuGH verneinte dem folgend die selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit der Zweigniederlassung, die seiner Ansicht nach für ein Rechtsverhältnis erforderlich gewesen wäre. 463 Der EuGH geht bei der Feststellung, ob die Zweigniederlassung einer selbstständigen Wirtschaftstätigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL nachgeht, darauf ein, ob es sich bei der Zweigniederlassung um eine selbstständige Bank handelt, welches insbesondere zu bejahen sei, wenn sie das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit trägt. 464 Eine selbstständige Wirtschaftstätigkeit liegt also nur bei Selbstständigkeit der Einrichtung vor. Aufgrund dieser Aussage lässt sich fragen, ob es sich hierbei um zwei verschiedene Selbstständigkeitsbegriffe handelt. Selbstständigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL versteht der EuGH in Zusammenschau mit Art. 10 MwStSyst-RL zunächst dahingehend, dass kein Unterordnungsverhältnis vorliegen darf. 465 Zudem nimmt er eine Betrachtung anhand der Um460 461 462 463 464 465
EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04. Vgl. anstatt vieler EuGH, Urteil v. 3.3.1994 – C-16/93 (Tolsma), Rz. 14; v. 16.12.2010 – C-270/09 (MacDonald Resorts), Rz. 16 m.w.N. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 34 f.; siehe auch GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 38 ff. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 34 ff. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 35. Vgl. EuGH, Urteil v. 26.3.1987 – 235/85 (Kommission / Niederlande), Rz. 14; v. 27.1.2000 – C-23/98 (Heerma), Rz. 18; v. 25.7.1991 – C-202/90 (Ayuntamiento de
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
stände des Einzelfalls vor und achtet in diesem Rahmen darauf, ob der potentielle Steuerpflichtige in eigenem Namen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko handelt. 466 Auf der anderen Seite liegt der FCE BankEntscheidung zufolge eine selbstständige Einrichtung vor, wenn diese insbesondere das wirtschaftliche Risiko trägt. 467 In beiden Fällen stellt der EuGH im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtung also auf das wirtschaftliche Risiko ab. Soweit der EuGH in FCE Bank nur auf dieses Merkmal eingeht, ist aufgrund der Verwendung von „insbesondere“ darauf zu schließen, dass es sich nicht um das einzige Merkmal handeln muss. Meines Erachtens gibt es demzufolge zumindest keine praktischen Unterschiede. Vielmehr scheint der EuGH das Merkmal „selbstständig“ im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL (unter anderem) dahingehend zu definieren, dass eine Einrichtung / Person handeln muss, die das wirtschaftliche Risiko trägt, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung handelt und weisungsunabhängig ist. Folglich ist eine in diesem Sinne selbstständige Einrichtung grundsätzlich Steuerpflichtiger gemäß Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL. (iii)
Ergebnis: Zweck des Selbstständigkeitsmerkmals
Aus den vorstehenden Ergebnissen ist zu schlussfolgern, dass das Merkmal der Abhängigkeit, wie der EuGH es für die Qualifizierung als feste Niederlassung fordert, letztlich als Abgrenzungsmerkmal zu eigenständigen Steuerpflichtigen dient. Dafür spricht auch die Systematik der MwStSyst-RL. Die Regeln der Art. 44 Satz 2 und 45 Satz 2 MwStSyst-RL würden nämlich insofern keinen Sinn machen, wenn ein Steuerpflichtiger auch eine feste Niederlassung sein könnte. 468 In diesem Fall wäre bereits jeweils Satz 1 einschlägig. Denn wer bereits Steuerpflichtiger ist, muss nicht mehr als feste Niederlassung qualifiziert werden, damit an dessen Ort eine Leistung erbracht oder empfangen werden kann. Die Abgrenzung zwischen Stammsitz und fester Niederlassung dient vielmehr dazu, das Verbrauchsortsprinzip zu verwirklichen, indem näherungsweise an den Ort des Verbrauchs ange-
466
467 468
Sevilla), Rz. 9 f.; v. 19.7.2011 – C-263/11 (Rēdlihs), Rz. 26; siehe auch GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 39, der von einer Definition im Negativen spricht. Siehe auch Widhalm, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGHRechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 83 (95). Vgl. EuGH, Urteil v. 26.3.1987 – 235/85 (Kommission / Niederlande), Rz. 14; v. 25.7.1991 – C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla), Rz. 13 f.; v. 27.1.2000 – C-23/98 (Heerma), Rz. 18; v. 18.10.2007 – C-355/06 (van der Steen), Rz. 23; v. 19.7.2012 – C263/11 (Rēdlihs), Rz. 27; siehe auch ausführlich und zusammenfassend GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 40 f. Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 35. Vgl. GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 53.
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
knüpft wird. 469 Dieser kann aber bei Vorhandensein von Einrichtungen, die keine Steuerpflichtigen sind, vom Stammsitz abweichen. Das Konstrukt der festen Niederlassung dient daher als Anknüpfungspunkt für den Ort des Verbrauchs. Hingegen soll dadurch keine weitere Definition für Steuerpflichtige eingeführt werden. Des Weiteren ist deshalb auch die wirtschaftliche Betrachtungsweise verständlich, die der EuGH vornimmt, um das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Stammsitz und fester Niederlassung zu bestätigen. Die gleichen Kriterien wendet der EuGH schließlich auch an, um festzustellen, ob es sich bei einer Einrichtung oder Person um einen Steuerpflichtigen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL handelt. 470 Abhängig im Sinne der EuGHRechtsprechung zur festen Niederlassung ist also das Gegenstück zu selbstständig im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL. 471 Zugleich folgt daraus, dass der EuGH das Merkmal der Selbstständigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL als maßgebliches Kriterium für die Frage heranzieht, ob eine Einrichtung ausreichend Steuersubjektqualität hat, um als Adressat der in der MwStSyst-RL niedergelegten Rechte und Pflichten geeignet zu sein. 472 Wie oben festgestellt, kommt es dem EuGH nämlich hierfür nicht auf die zivilrechtliche Rechtspersönlichkeit, sondern auf die selbstständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit an. Indem eine feste Niederlassung keine entsprechende Selbstständigkeit aufweist, fehlt es ihr zugleich an ausreichender Steuersubjektqualität, um unabhängig von dem Gesamtsteuerpflichtigen als Steuerpflichtiger qualifiziert zu werden. 469
470
471
472
Vgl. auch Englisch, IStR 2009, 526 (526); van Kesteren/Merkx, in: Ecker/Lang/Lejeune (Hrsg.), The Future of Indirect Taxation, 2012, S. 621 (621); Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (779, 783). So auch van Kesteren/Merkx, in: Ecker/Lang/Lejeune (Hrsg.), The Future of Indirect Taxation, 2012, S. 621 (625 f.); im Ergebnis wohl auch Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 40a Rz. 23, dort insbesondere Fußnote 1, der zur Erläuterung der Merkmale des Selbstständigkeitsmerkmals auf FCE Bank verweist. Ebenso van Kesteren/Merkx, in: Ecker/Lang/Lejeune (Hrsg.), The Future of Indirect Taxation, 2012, S. 621 (626); wohl auch Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (174); davon scheint auch der Rechtsdienst der Europäischen Kommission auszugehen, vgl. Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 373, Brüssel, 30.11.2002, TAXUD/2434/02, S. 1. Vgl. EuGH, Urteil v. 27.1.2000 – C-23/98 (Heerma), Rz. 8. In diesem Sinne wohl auch der Rechtsservice der Europäischen Kommission, vgl. Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 373, Brüssel, 30.11.2002, S. 4; Kristoffersson, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 219 (222); sowie Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (783 f.). Siehe auch Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 127, die allerdings vorrangig auf das Vorhandensein einer Rechtspersönlichkeit abstellt.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Diese Schlussfolgerungen wurden in Art. 11 Abs. 1 und Abs. 2 MwSt-DVO konsequent umgesetzt. Vergleicht man nämlich die Definition des EuGH mit der in Art. 11 MwSt-DVO niedergelegten Definition, fällt auf, dass Art. 11 MwSt-DVO nicht auf die Abhängigkeit der festen Niederlassung von dem Steuerpflichtigen eingeht. Da dieses „Merkmal“ entsprechend den zuvor dargelegten Überlegungen letztlich nur die Abgrenzung zum Steuerpflichtigen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL verdeutlichen soll, war es nicht erforderlich, dieses in Art. 11 MwSt-DVO aufzunehmen. So wie der Steuerpflichtige selbstständig wirtschaftlich tätig werden muss, ist die feste Niederlassung als Teil der Gesamteinheit abhängig von dem Unternehmen, ohne dass es dazu eines konstitutiven Tatbestandsmerkmals bedarf. Es kann daher nicht von einer unvollständigen oder abweichenden Definition einer festen Niederlassung in Art. 11 MwSt-DVO gesprochen werden. 473 Abschließend lässt sich zu dem Merkmal der Abhängigkeit sagen, dass es hierfür auf die tatsächlichen Umstände ankommt. Ob eine Einrichtung von dem Stammsitz abhängig ist, bestimmt sich anhand der wirtschaftlichen Realität, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, ob die Einrichtung das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit trägt. Das Fehlen einer Rechtspersönlichkeit ist dabei kein zwingendes Indiz für die Abhängigkeit. Der EuGH will anhand dieses Merkmals eine Abgrenzung zu Steuerpflichtigen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL vornehmen, die gerade selbstständig einer Wirtschaftstätigkeit nachgehen müssen. Die Regeln zur Ortsbestimmung gemäß Art. 44 Satz 2 und Art. 45 Satz 2 MwStSyst-RL wären nämlich überflüssig, würden auch Steuerpflichtige von ihr erfasst. iv.
Zuordnung zur festen Niederlassung zweckdienlich und steuerlich sinnvoll
Neben den soeben untersuchten Merkmalen hat der EuGH stets für eine Anknüpfung an die feste Niederlassung anstelle des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit verlangt, dass Erstere zu einem steuerlich sinnvollen und zweckdienlichen Ergebnis führe oder andernfalls ein Konflikt mit einem anderen Mitgliedstaat bestünde. Der EuGH hat also einer Anknüpfung an den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit den Vorrang eingeräumt und als Regelanknüpfungspunkt erachtet. 474 Dabei hat er insbesondere die wirtschaftliche Realität und Neutralitätsüberlegungen für die Feststellung des sinnvolls-
473 474
So aber Lejeune/Cortvriend/Accorsi, IVM 2011, 144 (146). Vgl. EuGH, Urteil v. 4.7.1985 – 168/84 (Berkholz), Rz. 17; v. 20.2.1997 – C-269/95 (DFDS), Rz. 19; v. 7.5.1998 – C-390/96 (Lease Plan), Rz. 24.
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
ten und zweckdienlichsten Kriteriums herangezogen. 475 Diese Rechtsprechung erging jedoch zum alten Recht. Danach besagte Art. 9 Abs. 1 der Sechsten MwSt-RL, dass Anknüpfungspunkt für den Ort einer Dienstleistung der Ort war, an dem der Dienstleistungserbringer den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat. In den entsprechenden Regelungen der MwStSyst-RL, Art. 44, 45 MwStSyst-RL, heißt es hingegen, dass Ort einer Dienstleistung am Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit ist (Satz 1). Werden die Dienstleistungen jedoch an eine feste Niederlassung / von einer festen Niederlassung aus erbracht, ist dieser der Ort der Dienstleistung (Satz 2). Während der alte Wortlaut aufgrund der Verwendung von „oder“ keine ausdrückliche Vorrangigkeit erkennen ließ, wird in der neuen Regel eindeutig der festen Niederlassung der Vorrang eingeräumt, sofern die fragliche Dienstleistung durch beziehungsweise an sie erbracht wird. 476 Folglich ist nicht mehr zu prüfen, ob die Anknüpfung an die feste Niederlassung zu einem aus steuerlicher Sicht sinnvollen und zweckdienlichen Ergebnis führen würde. Anders sieht dies allerdings weiterhin der EuGH. Nach einer neueren Entscheidung zur Auslegung des Art. 44 MwStSyst-RL erachtet er in Fortführung zu der soeben beschriebenen Rechtsprechung zur alten Rechtslage den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit als vorrangigen Anknüpfungspunkt.477 Das Wort „jedoch“ deutet für den EuGH dabei auf eine Ausnahme von dem vorrangigen Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit hin. 478 Zudem sei der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der praktikablere Anknüpfungspunkt, da er leichter überprüfbar sei und komplizierte Nachforschungen vermeide. 479 Unterstützend führt der EuGH noch an, dass sich die Nachrangigkeit der festen Niederlassung auch daraus ergebe, dass sie als möglicher Anknüpfungspunkt erst im zweiten Satz genannt wird. 480 Danach gilt die feste Niederlassung weiterhin nur dann als Ort der Dienstleistung, wenn die Anknüp-
475
476
477 478 479 480
Vgl. EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – C-269/95 (DFDS), Rz. 23; v. 28.6.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 43; siehe auch Urteil v. 17.7.1997 – C-190/95 (Aro Lease), Rz. 26. Ebenso Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (209); Kossak, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 3a Rz. 14; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 3a Rz. 18.9 f.; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3a Rz. 194; einschränkend Scholz, UR 2015, 500 (503). Vgl. EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 53 f. Vgl. EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 56. Vgl. EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 55. Ebenso GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 44. Vgl. EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 56. Siehe auch GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 44.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
fung an den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht zu einer sinnvollen Lösung oder zu Konflikten mit anderen Mitgliedstaaten führt. 481 Die soeben beschriebene Auslegung des Wortes „jedoch“ als Indikator für eine Ausnahme kann nicht überzeugen. 482 Eine solche Auslegung, wonach nur an die feste Niederlassung anzuknüpfen ist, wenn dies zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt beziehungsweise Konflikte vermeidet, lässt sich aus diesem Wort nicht entnehmen. Auch die Nennung fester Niederlassungen als Anknüpfungspunkt erst in einem zweiten Satz lässt entgegen dem EuGH kein entsprechendes Nachrangigkeitsverhältnis erkennen. Lediglich die vom EuGH angeführten Praktikabilitätsaspekte scheinen stichhaltig. Allerdings ist es mehr als zweifelhaft, ob die vorrangige Anknüpfung an den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit insbesondere mit dem Verbrauchsortprinzip zu vereinbaren ist, zumal der Wortlaut zumindest keinen eindeutigen Vorrang erahnen lässt. Vielmehr sollte der Ort des Verbrauchs aus steuerlicher Sicht der sinnvollste Anknüpfungspunkt sein. 483 Betrachtet man allerdings die zugrundeliegenden Sachverhalte in den ursprünglichen Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Berkholz 484 und Faaborg Gelting 485, scheint die Entscheidung in praktischer Hinsicht verständlich. In beiden Fällen ging es um die Frage, ob der Ort der Dienstleistung auf einer Fähre am Ort der dortigen (etwaigen) festen Niederlassung war. Aus dogmatischer Betrachtung fand der Verbrauch wohl auf der Fähre statt. Jedoch wäre es schier unmöglich gewesen, einem Land das Besteuerungsrecht zuzuweisen, da der Verbrauch während der ganzen Fahrt stattfand, also konkret in deutschen, dänischen und internationalen Gewässern. Umgekehrt knüpfte der EuGH in DFDS 486, wo solche Schwierigkeiten nicht bestanden, an den Ort der festen Niederlassung an. 487 Es kann also vermutet werden, 481 482 483
484 485 486 487
Vgl. EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 53. So auch Haller, MwStR 2015, 7 (12). Vgl. GA Mancini, Schlussanträge v. 6.6.1985 – 168/84 (Berkholz), Slg. 1985, I-2252 (2255); Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (209); Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 3a Rz. 16, 27; Pistone, VAT Monitor 1999, 101 (102 f.); Radeisen, in: Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 3a Rz. 114, 173; van Norden, in: van Arendonk/Jansen/van der Paardt (Hrsg.), VAT in an EU and International Perspective, 2011, S. 35 (40). EuGH, Urteil v. 4.7.1985 – 168/84. EuGH, Urteil v. 2.5.1996 – C-231/94. EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – C-260/95. Vgl. insgesamt so mit ähnlichen Überlegungen Endfellner, SWI 2005, 142 (144); Farmer/Lyal, EC Tax Law, 1994, S. 160; Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 74; Schlienkamp, UR 1997, 117 (125); Stensgaard, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 609 (622); Weiermayer, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 2001, S. 125 (131 ff.); im Ergebnis so auch Mlcoch, in:
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
dass der EuGH zumindest indirekt den Verbrauchsort berücksichtigte und nur bei praktischen Schwierigkeiten von diesem Grundprinzip abwich. Solche Schwierigkeiten lassen sich zwar in der jüngsten Entscheidung des EuGH nicht erkennen. Der EuGH erörterte aber auch nicht, ob nun der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder die etwaige feste Niederlassung der sinnvollere Anknüpfungspunkt war. Der Ort der Dienstleistung wurde damit nicht weiter erörtert. Es blieb daher in der genannten Rechtssache offen, ob der EuGH den Verbrauchsort als steuerlich sinnvollen Ort erachtet hätte. Im Ergebnis sollte daher regelmäßig die feste Niederlassung der steuerlich sinnvollste Anknüpfungspunkt sein. Auch der EuGH hat sich zumindest nicht ausdrücklich gegen eine entsprechende Auffassung ausgesprochen. Während der EuGH allerdings weiterhin zumindest formal den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit als vorrangigen Anknüpfungspunkt erachtet, lässt Art. 44 MwStSyst-RL eine solche Auslegung nicht zu. Daher ist die feste Niederlassung vorrangiger Anknüpfungspunkt, sofern sie die fragliche Dienstleistung empfängt. Es ist demnach nicht vor Anwendung des Art. 44 Satz 2 MwStSyst-RL zu prüfen, ob die Anknüpfung an die feste Niederlassung auch sinnvoll und zweckdienlich ist. Unabhängig davon, welcher Auffassung man an dieser Stelle folgt, sei zuletzt angemerkt, dass die Frage nach einem sinnvollen und zweckdienlichen Anknüpfungspunkt kein Merkmal der festen Niederlassung ist. Auch der EuGH prüft in zwei Schritten, ob (1) eine feste Niederlassung entsprechend der oben genannten Definition vorliegt und ob (2) aus steuerlicher Sicht sinnvollerweise und zweckdienlich an die feste Niederlassung anstelle des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit anzuknüpfen wäre. 488 Nur eine feste Niederlassung entsprechend der Definition kann tauglicher Anknüpfungspunkt sein. Das Kriterium der Zweckdienlichkeit und Sinnhaftigkeit ist demnach auch nach Auffassung des EuGH kein Merkmal der festen Niederlassungen, sondern lediglich Voraussetzung für die Anknüpfung an eine bereits als solche qualifizierte feste Niederlassung. Vielmehr betrifft dieses Kriterium, sofern man es überhaupt anwenden will, das Rangverhältnis verschiedener Anknüpfungspunkte.
488
Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 77 (88), der sogar eine Rechtsprechungsänderung des EuGH erkennt. Vgl. EuGH, Urteil v. 4.7.1985 – 168/84 (Berkholz), Rz. 17 f.; v. 20.2.1997 – C-260/95 (DFDS), Rz. 19 f.; v. 17.7.1997 – C-190/95 (Aro Lease), Rz. 15 f.; anders jedoch Swinkels, IVM 2006, 415 (416) und Lejeune/Cortvriend/Accorsi, IVM 2011, 144 (146), die das Zweckdienlichkeitskriterium als Merkmal der festen Niederlassung erachten.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Aus diesem Grund war es wiederum konsequent, ein entsprechendes „Merkmal“ nicht in die Definition der festen Niederlassung in Art. 11 Abs. 1 und Abs. 2 MwSt-DVO aufzunehmen, da es sich bei dem Zweckdienlichkeitskriterium gerade nicht um ein solches handelt, dass für die Qualifikation als feste Niederlassung erforderlich ist. Insgesamt lässt sich feststellen, dass es nunmehr bei Vorliegen aller Voraussetzungen des Art. 44 Satz 2 beziehungsweise Art. 45 Satz 2 MwStSyst-RL auf den Ort der festen Niederlassung ankommt. Zu prüfen ist in diesem Rahmen, ob (1) eine feste Niederlassung vorliegt und ob (2) die fragliche Dienstleistung an diese oder von dieser erbracht wurde. (e)
Abschließende kritische Würdigung des unionsrechtlichen Verständnisses
Aufgrund der vorangegangenen Ausführungen sind die wesentlichen Merkmale einer festen Niederlassung im Unionsrecht daher − Unselbständigkeit gegenüber dem Hauptsitz, − ein Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln, − sowie die Möglichkeit zur Leistungserbringung beziehungsweise zum Leistungsempfang mit anschließender Verwendung für den eigenen Bedarf. Will man diese Merkmale nunmehr einer kritischen Würdigung unterziehen, ist zunächst an die Funktion der festen Niederlassung zu denken. Feste Niederlassungen dienen im Wesentlichen im Rahmen der Ortsbestimmungsregeln der Zuordnung des Besteuerungsrechts für die jeweilige Leistung. 489 Dabei soll möglichst weitgehend dem Verbrauchsortprinzip entsprochen werden. Die Merkmale der festen Niederlassung müssen daher Ausdruck dieses Prinzips sein und taugliche Anknüpfungspunkte bilden, die die Vermutung des Verbrauchs rechtfertigen. 490 Daneben müssen die Merkmale aber auch unter vertretbarem Aufwand feststellbar und identifizierbar sein. Das Merkmal der Unselbstständigkeit gegenüber dem Hauptsitz dient der Abgrenzung zu eigenständigen Steuerpflichtigen. 491 Im Mehrwertsteuersystem, wie es die MwStSyst-RL regelt, handelt es sich um den konsequenten 489
490 491
Vgl. anstatt vieler EuGH, Urteil v. 16.10.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 42, 50; Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (705 f.). Vgl. insofern ausführlich oben 2. Teil: I. 2. und 3. Vgl. ausführlich oben 3. Teil: I. 3. c) (2) (d) iii.
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
Umkehrschluss zu Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL. Die feste Niederlassung ist nämlich kein eigenständiger Steuerpflichtiger, der gemäß Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL die wirtschaftliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Wie bereits festgestellt, dient das Erfordernis von Personal- und Sachmitteln, die bei der Leistungserbringung beziehungsweise dem Leistungsempfang zusammenwirken, als Anknüpfungskriterium, das die Vermutung des Verbrauchs durch dieses Personal insbesondere bei Erbringung / Empfang von Leistungen rechtfertigt. Verbrauch kann grundsätzlich nur dort vermutet werden, wo natürliche Personen mit einer gewissen Beständigkeit agieren. Das Erfordernis der beständigen Struktur an Personal- und Sachmitteln dient dazu, einen ausreichend festen Bezug zu einem Land herzustellen, der die Vermutung untermauert, dass an diesem festen, örtlichen Bezugspunkt Verbrauch stattfindet. Fehlte es an diesem Beständigkeitskriterium, könnte zwar immer noch Verbrauch an dem jeweiligen unbeständigen Ort durch unbeständig vorhandene Personal- und Sachmittel vermutet werden. Jedoch widerspräche dies Praktikabilitätsaspekten. Unregelmäßig vorhandene Personal- und Sachmittel ließen sich insbesondere für den Leistungserbringer nur schwer ermitteln und erkennen. Darüber hinaus müsste bei Personal- und Sachmitteln, die ständig auf „Wanderschaft“ gingen, ein ausreichender territorialer Bezug verneint werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Personal- und Sachmittel mit dem Erdboden fest verbunden sein müssen. Vielmehr ist eine Beständigkeit dahingehend ausreichend, dass Personal- und Sachmittel in räumlicher Nähe zueinander vorhanden sind, die zudem zeitlich beständig einen territorialen Bezug erkennen lassen. Das Erfordernis, dass die Niederlassung aufgrund ihrer personellen und sächlichen Ausstattung die Möglichkeit zur Leistungserbringung beziehungsweise zum Leistungsempfang haben muss, bringt wiederum die Verbrauchsvermutung zum Ausdruck. Wo ein Leistungsempfang mit anschließender Verwendung für den eigenen Bedarf stattfindet, lässt sich in aller Regel die Verbrauchsvermutung für Zwecke der Ortsbestimmung rechtfertigen. Die Regelung folgt nämlich umfassend dem Empfängerortprinzip, dass typisierend auf den Empfang einer Dienstleistung abstellt. Es wird danach vermutet, dass der Endverbrauch näher am Ort des (steuerpflichtigen) Empfängers als am Ort des Dienstleistungserbringers liegt. 492 Abschließend bleibt es daher bei dem Urteil, dass die EuGH-Rechtsprechung zum Begriff der festen Niederlassung und darauf aufbauend die 492
Siehe dazu oben 2. Teil: I. 3. und 3. Teil: I. 1. b) (1) (b).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Definition in dem neuen Art. 11 MwSt-DVO weitgehend prinzipien- und systemgerecht ist. Sie wird im weiteren Verlauf der Bearbeitung als maßgebliches Verständnis zugrundegelegt. (3)
Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt
Kann weder der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung ermittelt werden, sehen Art. 44 Satz 3 sowie Art. 45 Satz 3 MwStSyst-RL den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungspunkte vor. Hierbei handelt es sich um einen Auffangtatbestand für den wohl praktisch seltenen Fall 493, dass bei einem Steuerpflichtigen weder ein Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung vorhanden ist. 494 Sowohl einen Wohnsitz als auch einen gewöhnlichen Aufenthalt können dabei der Natur dieser Anknüpfungspunkte nach nur natürliche Personen haben. 495 Auch dies schränkt die Relevanz der Anknüpfungspunkte für den hier interessierenden Fall mehrfachansässiger Steuerpflichtiger weiter ein. Die Begriffe sind wiederum nicht in der MwStSyst-RL definiert. Jedoch findet sich in Art. 12 und 13 MwSt-DVO eine Konkretisierung der Begriffe. Danach ist der Wohnsitz einer natürlichen Person der im Melderegister oder in einem ähnlichen Register eingetragene Wohnsitz oder der Wohnsitz, den die betreffende Person bei der zuständigen Steuerbehörde angegeben hat. Dies gilt jedoch nur, sofern keine Anhaltspunkte vorliegen, dass dieser Wohnsitz nicht die tatsächlichen Gegebenheiten widerspiegelt. Zudem ist der Wohnsitz unabhängig von der Eigenschaft der Person als Steuerpflichtiger beziehungsweise Nicht-Steuerpflichtiger zu bestimmen (Art. 12 MwSt-DVO). Der gewöhnliche Aufenthalt einer natürlichen Person bestimmt sich nach dem Ort, an dem die Person aufgrund persönlicher und beruflicher Bindungen gewöhnlich lebt (Art. 13 Abs. 1 MwSt-DVO). Liegen allerdings die beruflichen und die persönlichen Bindungen der Person in verschiedenen Ländern beziehungsweise wenn keine beruflichen Bindungen vorhanden sind, ist der gewöhnliche Aufenthalt anhand der persönlichen Bindungen zu be-
493 494 495
Vgl. Stensgaard, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 609 (627). Vgl. EuGH, Urteil v. 6.10.2011 – C-421/10 (Stoppelkamp), Rz. 27. Vgl. ausdrücklich Art. 12 und Art. 13 MwSt-DVO. Ebenso Stensgaard, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 609 (627). Anders jedoch Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 90.
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
stimmen, die enge Beziehungen zwischen der Person und einem Wohnort erkennen lassen (Art. 13 Abs. 2 MwSt-DVO). 496 Letztlich sind diese Definitionen wenig überraschend und entsprechen dem Verständnis, das auch in anderen Regelungsbereichen vertreten wird. In der Praxis dürften die Begriffe regelmäßig nur insofern Probleme aufwarten, als dass die relevanten Anhaltspunkte ermittelt und entsprechend subsumiert werden müssen. Da die beiden Anknüpfungspunkte zudem von geringer Relevanz sind, werden sie an dieser Stelle nicht weiter untersucht. d)
Zuordnung zu dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder der festen Niederlassung
Wie bereits erwähnt, dient der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit sowie das Konstrukt der festen Niederlassung dazu, Dienstleistungen entsprechend dem Verbrauchsortprinzip einem Land zuzuordnen und so eine sachgerechte Aufteilung der Besteuerungsrechte zu gewährleisten. 497 Daher kommt der Frage, ob eine Leistung dem Sitz oder einer festen Niederlassung zuzuordnen ist, maßgebliche Bedeutung zu. Neben dem Ziel, das Verbrauchsortprinzip zu verwirklichen, müssen die Zuordnungskriterien jedoch auch in der täglichen Handhabung einfach und praktikabel sein. Im Folgenden wird daher dargestellt, nach welchen Kriterien grundsätzlich die Zuordnung einer Dienstleistung an den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit beziehungsweise an eine feste Niederlassung zu erfolgen hat. Probleme bereiten dabei solche Dienstleistungen, die von einem mehrfachansässigen Steuerpflichtigen in verschiedenen Niederlassungen verwendet werden. Auf das Problem solcher mehrfach genutzter Dienstleistungen wird daher gesondert eingegangen. (1)
Mögliche Zuordnungskriterien
Entsprechend dem in Art. 44 MwStSyst-RL niedergelegten Empfängerortprinzip muss der Dienstleistungserbringer den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit beziehungsweise eine feste Niederlassung als Ort der Dienstleistung bestimmen. Sofern der Empfänger nur an einem Ort ansässig ist, dürfte dies in der Regel unproblematisch möglich sein. 498 Hat der Empfänger jedoch mehrere feste Niederlassungen, muss der Dienstleistungserbringer klären, an welche dieser Niederlassungen er leistet. In der MwStSyst-RL finden sich dazu keine Hinweise. Jedoch enthält die MwSt-DVO in Art. 20 ff. einige 496 497 498
Siehe auch ausführlich zu dem Begriff Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 619, Brüssel, 11.5.2009, taxud.d.1(2009)108658, S. 8 ff. Vgl. anstatt vieler Ecker, A VAT/GST Model Convention, 2013, S. 141. Vgl. Lejeune/Cortvriend/Accorsi, IVM 2011, 144 (148).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Anhaltspunkte dazu, nach welchen Kriterien der Dienstleistungserbringer den Ort der Dienstleistung bestimmen soll. Danach bestimmt Art. 20 MwStDVO zunächst für einfach ansässige Empfänger im Sinne des Art. 44 MwStSyst-RL, dass der Dienstleistungserbringer den Ort der Dienstleistung auf Grund der vom Empfänger erhaltenen Informationen feststellen soll. Diese Informationen soll er dabei mittels handelsüblicher Sicherheitsmaßnahmen überprüfen (Art. 20 Abs. 2 MwSt-DVO). Bei mehrfachansässigen Empfängern soll der Sitz beziehungsweise die Niederlassung Empfänger sein, die die Dienstleistung für ihren eigenen Bedarf verwendet (Art. 21 Abs. 2 MwSt-DVO). Dabei kommt es maßgeblich auf die Art und die Verwendung der erbrachten Dienstleistung an, um die feste Niederlassung zu ermitteln, die als Empfängerin im Sinne des Art. 44 MwStSyst-RL zu qualifizieren ist (Art. 22 Abs. 1 UAbs. 1 MwSt-DVO). Wenn jedoch weder die Art noch die Verwendung der fraglichen Dienstleistung entsprechende Anhaltspunkte liefern, soll der Dienstleistungserbringer insbesondere prüfen, ob der Vertrag, der Bestellschein und die vom Mitgliedstaat des Dienstleistungsempfängers vergebene und an den Dienstleistungserbringer mitgeteilte Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer die feste Niederlassung als Dienstleistungsempfängerin ausweisen (Art. 22 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 MwStDVO). Daneben kann die Tatsache, dass die feste Niederlassung die fragliche Dienstleistung zahlt, als Indiz gewertet werden (Art. 22 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 MwSt-DVO). 499 Wenn diese Kriterien keine Zuordnung ermöglichen, soll der Dienstleistungserbringer berechtigterweise davon ausgehen können, dass der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Ort der Dienstleistung ist. Das gleiche gilt, wenn mehrere unter Art. 44 MwStSyst-RL fallende Dienstleistungen innerhalb eines Vertrages erbracht werden, der eine oder mehrere Dienstleistungen umfasst, die auf nicht feststellbare oder nicht quantifizierbare Weise genutzt werden (Art. 22 Abs. 1 UAbs. 3 MwSt-DVO). Bei den hier interessierenden mehrfachansässigen Steuerpflichtigen kommt es folglich darauf an, dass die Dienstleistung für den eigenen Bedarf einer (oder mehrerer) festen Niederlassung oder des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit erbracht wurde. Entsprechend dem Grundsatz der Besteuerung am Ort des Verbrauches muss „für den eigenen Bedarf“ verbrauchsorientiert
499
Kritisch dazu unter anderem Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 100 f.; Heinrichshofen, in: Englisch/Nieskens (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 109 (119), da die Zahlung regelmäßig erst erfolgt, nachdem die Ortsbestimmung vorgenommen werden muss.
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
ausgelegt werden. 500 Eine feste Niederlassung beziehungsweise der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit sind demnach entsprechend dem bereits erarbeiteten Verbrauchsverständnis Empfänger im Sinne von Art. 44 MwStSyst-RL, wenn sie die fragliche Dienstleistung für ihre Tätigkeit nutzen und verwenden, um so Endverbrauch zu ermöglichen. Dabei muss die Dienstleistung nicht zwangsläufig in Ausgangsleistungen einfließen 501, auch wenn dies ein starkes Indiz für die Verwendung in der fraglichen Niederlassung wäre. 502 Gemäß Art. 22 MwSt-DVO soll die Ermittlung des richtigen Empfängers dabei zunächst auf die Kriterien Art und Verwendung der Dienstleistung, zugrundeliegender Vertrag, Verwendung einer Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer sowie ein möglicherweise vorhandener Bestellschein und gegebenenfalls auch die Zahlweise gestützt werden. 503 Diese Kriterien zeigen wiederum nicht den Leistungsempfang mit anschließender Verwendung an, sondern stellen ebenfalls Indizien dar, die die Vermutung der Verwendung für die Tätigkeit der fraglichen Niederlassung und damit die Verbrauchsvermutung rechtfertigen sollen. Dementsprechend wird vermutet, dass die Niederlassung, die eine Dienstleistung empfängt und verwendet, auch den dazugehörigen Vertrag unter Verwendung ihrer MehrwertsteuerIdentifikationsnummer abschließt. Ebenso können häufig bestimmte feste Niederlassungen entsprechend ihrer Funktion sinnvollerweise nur bestimmte Dienstleistungsarten nutzen. Damit rechtfertigt sich in vielen Fällen, auf die Art und Verwendung einer Dienstleistung zu schauen, um die empfangende feste Niederlassung zu ermitteln. 504 Grundsätzlich sind die in der MwStDVO aufgeführten Indizien daher geeignet, eine Zuordnung entsprechend dem vermuteten Verbrauch zu ermöglichen. Inwiefern sie allerdings tatsächlich den Verbrauchsort widerspiegeln, wird in der Praxis regelmäßig einzelfallabhängig sein. So kann insbesondere ein Vertrag und ein Bestellschein unabhängig von der Verwendung von jeder Niederlassung abgeschlossen beziehungsweise ausgefüllt werden. 505 Gleiches gilt für die Verwendung der dazugehörigen Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer und der Bezahlung. 500
501 502 503
504 505
Ähnlich auch Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (218); siehe auch Stensgaard, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 609 (625). Siehe dazu oben 3. Teil: I. 3. c) (2) (d) ii. (i). Siehe auch Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (218 f.); Kossak, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 3a Rz. 21. Vergleichbare Kriterien wurden bereits vor Erlass der MwSt-DVO vorgeschlagen, vgl. Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 620, Brüssel, 2.6.2009, taxud.d.1(2009)132177, S. 7; Lejeune/Kotanidis/Van Doninck, IVM 2009, 100 (103). Vgl. auch Slotty-Harms, UVR 2010, 91 (93). Entsprechend kritisch auch Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (207).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Häufig wird es in der Praxis sogenannte Einkaufsbetriebsstätten geben, die zentral für alle Niederlassungen entsprechende Verträge abschließen. 506 Zudem kann durch den gezielten Abschluss von Verträgen durch bestimmte Niederlassungen gestaltend auf den Ort der Dienstleistungserbringung Einfluss genommen werden. 507 Die Indizien Vertrag, Bestellschein und Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer sowie Zahlweise können daher häufig, aber nicht regelmäßig als aussagekräftige Indizien herangezogen werden. 508 Unter Praktikabilitätsaspekten müssen die genannten Indizien allerdings befürwortet werden. 509 Insgesamt handelt es sich nämlich um Indizien, die in der Praxis regelmäßig vorhanden sein werden. Dies erleichtert es insbesondere dem Dienstleistungserbringer, überhaupt Informationen zu erhalten. Eine umfassende Nachforschung für jeden Einzelfall würde demgegenüber regelmäßig einen unangemessen hohen Aufwand für den Dienstleistungserbringer mit sich führen. Eine effiziente und praktikable Ortsbestimmungsregel 510 erfordert es deshalb, auf einige wenige Kriterien zurückzugreifen, die regelmäßig vorhanden sind und für viele Fälle gerechtfertigterweise auf den Verbrauchsort hindeuten. Dies können die in Art. 22 MwSt-DVO aufgezählten Kriterien leisten. Insgesamt zeigt sich hier der Konflikt zwischen der Verwirklichung einer effizienten und einfach zu handhabenden Ortsbestimmungsregel und der Besteuerung am Ort des Endverbrauchs. Da jedoch die dem Dienstleistungserbringer aufzuerlegenden Nachforschungspflichten nicht in unangemessener Weise belastend wirken dürfen, muss im Ergebnis das Verbrauchsortprinzip insofern zurücktreten. Verallgemeinernde Indizien, die für viele Fälle geeignet sind, den Ort der Verwendung einer emp506 507
508
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510
Vgl. Lejeune/Kotanidis/Van Doninck, IVM 2009, 100 (103). Vgl. Schlienkamp, UR 1997, 117 (125); Stensgaard, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 609 (625). Paradigmatisch ist hier wohl der der durch den englischen High Court of Justice entschiedenen Rechtssache zugrundeliegende Sachverhalt, vgl. High Court of Justice (Chancery Division), Entscheidung v. 23.3.2006 – CH/2005/APP/0592, [2006] EWHC 593 (Ch). Ebenso Slotty-Harms, UVR 2010, 91 (93). Siehe auch die Kritik von Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (217 f.); differenzierter auch Heinrichshofen, in: Englisch/Nieskens (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 109 (117, 119), der letztlich nur den Vertrag beziehungsweise Bestellscheine als praktikable Indizien erachtet; lediglich die Verwendung einer Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer befürwortend Radeisen, DB 2009, 2229 (2231); das Vertragskriterium ablehnend Schlienkamp, UR 1997, 117 (126); insgesamt kritisch Schreib, UR 2007, 437 (440) sowie Swinkels, IVM 2006, 415 (418). Ebenso Schreib, UR 2007, 437 (440); wohl auch Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 100. Siehe auch Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (218). Kritisch allerdings Lejeune/Cortvriend/Accorsi, IVM 2011, 144 (149). Siehe zu dem Erfordernis anstatt vieler GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C605/12 (Welmory), Rz. 22.
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
fangenen Dienstleistung und damit zugleich den Verbrauchsort zu indizieren, müssen daher anerkannt werden. Allerdings kann dies einschränkend nur gelten, sofern nicht gegenteilige Anhaltspunkte auf ein anderes Ergebnis hindeuten. 511 Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 22 MwSt-DVO aufgezählten Kriterien keinen abschließenden Katalog darstellen. Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ lässt erkennen, dass es dem Dienstleistungserbringer frei steht, gleichfalls geeignete Kriterien heranzuziehen. 512 Sofern diese Kriterien im Vergleich zu den in Art. 22 MwSt-DVO aufgeführten Kriterien geeigneter scheinen, den richtigen Empfänger zu bestimmen, ist ihnen der Vorzug zu geben. Diese Kriterien müssen jedoch gleichermaßen die Vermutung rechtfertigen, dass die fragliche Dienstleistung am Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit beziehungsweise von einer bestimmten festen Niederlassung empfangen und verwendet wird und somit eine näherungsweise Bestimmung des Endverbrauchs ermöglichen kann. Hierbei kann es sich um eine Vielzahl von Kriterien handeln, die je nach Einzelfall sehr unterschiedlich aussehen können. Merkx nennt beispielsweise für Zwecke der Buchführung vorgenommene Kostenzuordnungen, welche die Vermutung rechtfertigen, dass die Niederlassung, die die Kosten trägt, auch als Empfängerin anzusehen ist. 513 Mit Blick auf die Ausführungen zu den Merkmalen einer festen Niederlassung, wonach das Zusammenwirken von Personal und Sachmitteln erforderlich ist, um dem Verbrauchsortprinzip gerecht zu werden, ist es des Weiteren auch für die im Rahmen des Art. 22 MwSt-DVO zu verwendenden Kriterien angemessen, auf dieses Personal beziehungsweise Sachmittel zurückzugreifen. So bieten sich als mögliche Kriterien für die Bestimmung des Empfängers einer Dienstleistung das Vorhandensein bestimmter Sachmittel oder bestimmten Personals an, die wiederum die Vermutung rechtfertigen, dass sie zum Empfang und zur Verwendung der fraglichen Dienstleistung eingesetzt werden. Zum Beispiel setzt die Wartung einer Maschine das Vorhandensein derselben voraus oder die Schulung von Personal betrifft gerade bestimmte Personalgruppen. Eine ausführlichere Untersuchung muss allerdings aufgrund der Vielzahl einzelfallabhängiger Kriterien an dieser Stelle unterbleiben.
511 512 513
Ähnlich Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 101. Siehe eine ausführliche Liste mit möglichen Kriterien bei Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 85 f., 102. Vgl. Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 102. Ob und inwiefern solche Kostenzuordnungen geeignet sind, wird unten unter 4. Teil: II. 4. e) ausführlich behandelt.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Schließlich enthält Art. 22 Abs. 1 UAbs. 3 MwSt-DVO noch eine Auffangregel für die Fälle, in denen die genannten Kriterien zu keinen eindeutigen Ergebnissen führen. Um den Aufwand für den Dienstleistungserbringer in einem angemessenen Verhältnis zu belassen, wird ihm für solche Fälle ermöglicht, auf den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit als Dienstleistungsort zurückzugreifen. Auch diese Regel ist letztlich unter Praktikabilitätsaspekten als Ausgleichsregel zu verstehen. Sie gewährt dem Dienstleistungserbringer in Fällen, in denen eine weitere Ermittlung zu einem unangemessen hohen Aufwand führen würde, Vertrauen. 514 So wird ein Ausgleich zwischen dem Interesse an einer möglichst korrekten Zuordnung zum Ort des Verbrauchs einerseits und dem Interesse an einer effizienten und nicht unangemessen belastenden Vorschrift für den Dienstleistungserbringer andererseits hergestellt 515. Diese Auffangklausel gibt allerdings wiederum Praktikabilitätsaspekten auf Kosten des Verbrauchsortes sowie damit einhergehend des Neutralitätsprinzips den Vorrang. Für die zuerst genannte Alternative in Art. 22 Abs. 1 UAbs. 3 MwSt-DVO, wenn also die dem Dienstleistungserbringer vorhandenen Indizien keine aussagekräftigen Hinweise zum richtigen Empfänger enthalten, ist dies im Interesse des Dienstleistungserbringers, der lediglich als „Steuereinsammler“ 516 für den Staat fungiert, zu befürworten. Fraglich ist allerdings, wie dies für die andere Alternative, also für Fälle, in denen ein Vertrag eine oder mehrere Dienstleistungen umfasst, die auf nicht feststellbare oder nicht quantifizierbare Weise genutzt werden, zu beurteilen ist. Auf diese Frage soll im Folgenden eingegangen werden. (2)
Nutzung durch mehrere feste Niederlassungen
Häufig wird es Dienstleistungen geben, die ein mehrfachansässiger Dienstleistungsempfänger in mehreren seiner Niederlassungen nutzen will. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „global contracts“. 517 Dem Verbrauchsortprinzip folgend müsste in solchen Fällen eine je anteilige Besteuerung in den Ländern der jeweiligen Niederlassungen erfolgen. Es müsste also mehrere Dienstleistungsorte geben. Damit wäre zugleich Neutralität dahingehend gewährleistet, dass die Mehrwertsteuer unabhängig von der Herkunft anfiele (Wettbewerbsneutralität). Dem widerspricht allerdings der
514 515 516 517
Vgl. Kossack, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 3a Rz. 23a. Siehe auch GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 45. Vgl. anstatt vieler Reiß, in: DStJG Band 32, 2009, S. 9 (36). Vgl. Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 620, Brüssel, 2.6.2009, taxud.d.1(2009)132177, S. 3, 9.
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung. 518 Danach können einheitliche Leistungen nicht auf mehrere feste Niederlassungen aufgeteilt werden; es kann nur einen Besteuerungsort geben. 519 Dies widerspricht offensichtlich dem Grundsatz, dass die Besteuerung am Verbrauchsort stattfinden soll. Entsprechendes gilt damit auch für den bereits erwähnten Art. 22 Abs. 1 UAbs. 3 MwSt-DVO, der für diese Fälle eine pauschale Zuordnung zum Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit vorsieht. Eine solche Regelung ist abzulehnen. Auch Praktikabilitätsaspekte können hier nicht ausgleichend entgegengehalten werden. Denn eine pauschale Anknüpfung stets an den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit lässt die tatsächlichen Verhältnisse in jeglicher Hinsicht unberücksichtigt. 520 Der Leistungsort wird so unabhängig davon bestimmt, ob der Sitz überhaupt an der fraglichen Dienstleistung beteiligt ist. 521 Gleiches gilt im Übrigen für mehrere in einem Vertrag zusammengefasste Leistungen, die nicht weiter unterschieden werden können. Man könnte nunmehr als alternative Lösung vorschlagen, insgesamt von dem Prinzip der Einheitlichkeit der Leistung abzuweichen. 522 Gegen diesen Vorschlag sind jedoch wiederum Praktikabilitätsaspekte sowie die dem Grundsatz der einheitlichen Leistung zugrunde liegenden Überlegungen ins Feld zu führen. 523 Wie bereits oben erläutert, folgt das Prinzip der Einheitlichkeit der Leistung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Danach sind eng miteinander verbundene Leistungen beziehungsweise Hauptund Nebenleistungen als einheitliche Leistungen zu behandeln, da eine getrennte Behandlung nicht im Interesse an einem funktionierenden Mehr-
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520 521
522 523
Vgl. auch Heinrichshofen, in: Englisch/Nieskens (Hrsg.), Umsatzsteuer-KongressBericht 2010, S. 109 (116). Vgl. Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 620, Brüssel, 2.6.2009, taxud.d.1(2009)132177, S. 2; Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 71 Rz. 43; Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 1997, S. 201; Radeisen, DB 2009, 2229 (2231); Schreib, UR 2007, 437 (440). Siehe zu einheitlichen Leistungen oben 3. Teil: I. 2. b). Siehe auch Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 620, Brüssel, 2.6.2009, taxud.d.1(2009)132177, S. 10; Schreib, UR 2007, 437 (440 f.). Vgl. auch Schreib, UR 2007, 437 (441). Die Europäische Kommission sah auch eine differenzierte Betrachtung vor und erachtete den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit lediglich als „starting point“, abweichend von welchem unter näher konkretisierten Umständen die feste Niederlassung als Empfängerin zu qualifizieren war, vgl. Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 634, Brüssel, 12.11.2009, taxud.d.1(2009)358416, S. 4. Siehe auch F. Becker/Müller-Lee, UStB 2009, 320 (326). Vgl. Heinrichshofen, in: Englisch/Nieskens (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 109 (116).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
wertsteuersystem 524 und der Verwirklichung der Mehrwertsteuerrichtlinien 525 stünde. Letztlich wird dadurch eine einheitliche Anwendung der Mehrwertsteuerregelungen gewährleistet. Gestaltungsspielräume und missbräuchliche Gestaltungen werden so vermieden. 526 Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die betroffenen Parteien mehrere Verträge abschließen, einen einheitlichen Preis vereinbaren oder Leistungsbestandteile zeitlich getrennt erbringen. Vergleichbare Leistungen werden unabhängig von diesen Aspekten gleichermaßen mit Mehrwertsteuer belastet. So wird das Neutralitätsprinzip wiederum berücksichtigt. 527 Wie auch in anderen Bereichen des Mehrwertsteuerrechts ist daher eine wirtschaftliche Betrachtung zu befürworten. Des Weiteren wäre eine getrennte Behandlung verschiedener Leistungsbestandteile wohl in der Praxis kaum zu handhaben. Dies begänne bereits bei der Frage, wo und wie die Aufteilung in die verschiedenen Leistungsbestandteile zu erfolgen hätte. Bereits hier sind zahlreiche Probleme erkennbar, die in der Praxis zu Diskussionen mit der Finanzverwaltung und anderen betroffenen Parteien führen würden. Weiterhin müsste in diesem Fall für die einzelnen Leistungsbestandteile getrennt die Steuerbarkeit, etwaige Steuerbefreiungen und der richtige Leistungsort ermittelt werden. Der Steuerpflichtige hätte ein Vielfaches an Leistungen zu bearbeiten. Schließlich sind Fälle denkbar, in denen nur eine Leistung vorliegt, die mehrfach durch verschiedene feste Niederlassungen benutzt wird. In diesem Fall gäbe es gar keine Leistungsbestandteile. Eine Aufteilung wäre insofern gar nicht möglich. Ein Abweichen von dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung ist daher abzulehnen. Das alles kann allerdings einschränkend nur gelten, sofern es sich tatsächlich um eine einheitliche Leistung handelt. Gerade bei Bezug einer Dienstleistung durch einen mehrfachansässigen Steuerpflichtigen muss daher besonders genau überprüft werden, ob es sich nicht aufgrund der Nut-
524
525 526 527
Vgl. EuGH, Urteil v. 25.2.1999 – C-349/96 (Card Protection Plan), Rz. 29; v. 29.3.2007 – C-111/05 (Aktiebolaget NN), Rz. 22; v. 2.12.2010 – C-276/09 (Everything Everywhere), Rz. 22; v. 10.3.2011 – C-497/09 u.a. (Bog u.a.), Rz. 53; v. 27.9.2012 – C-392/11 (Field Fisher Waterhouse), Rz. 18; v. 17.1.2013 – C-224/11 (BGŻ Leasing), Rz. 31. Vgl. EuGH, Urteil v. 12.6.1979 – 126/78 (Nederlandse Spoorwegen), Rz. 12. Vgl. Birkenfeld, in: FS für Wolfram Reiss, 2008, S. 137 (141 f.). Siehe auch Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 1997, S. 96.
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
zung in verschiedenen festen Niederlassungen um mehrere Dienstleistungen handelt. 528 Weiterhin könnte darüber nachgedacht werden, die (einheitliche) Leistung dahingehend aufzuteilen, dass es mehrere Leistungsorte gibt, an denen eine anteilige Besteuerung stattfinden würde. Einerseits wäre dies möglicherweise umzusetzen, indem der Dienstleistungserbringer direkt die verschiedenen Dienstleistungsorte bestimmt und dann eine zum Beispiel dem ProRata-Satz im Rahmen der Vorsteueraufteilung vergleichbare Aufteilung vornimmt. Gegen diesen Ansatz sprechen allerdings gravierende Bedenken. Nicht nur müsste der Dienstleistungserbringer nun bestimmen, ob der Dienstleistungsempfänger Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 44 oder NichtSteuerpflichtiger im Sinne des Art. 45 MwStSyst-RL ist und wer sein Empfänger ist. Er müsste zudem eine anteilige Zuordnung auf die verschiedenen empfangenden Niederlassungen vornehmen. Dies wird einem Dienstleistungserbringer, der üblicherweise keine Einblicke in die internen Vorgänge und Organisation des Dienstleistungsempfängers hat, kaum möglich sein. 529 Ihm hier umfassende Nachforschungspflichten aufzuerlegen, wäre höchst unangemessen. 530 Dies gilt umso mehr, als auch der Dienstleistungsempfänger regelmäßig kein Interesse daran haben wird, einem fremden Dritten interne Details zu seinem Unternehmen preiszugeben. Ihm kann daher nicht zugemutet werden, diese Informationen an den Dienstleistungserbringer preiszugeben. Eine Aufteilung von Dienstleistungen auf verschiedene feste Niederlassungen durch den Dienstleistungserbringer ist daher abzulehnen. Als Alternative kommt folglich nur in Betracht, dass der Dienstleistungsempfänger selbst die Zuordnung vornimmt und die verschiedenen Dienstleistungsorte bestimmt. Dies entspricht aber im Ergebnis der von der OECD erarbeiteten Recharge Methode. Diese wird im nächsten Kapitel umfassend untersucht. Daher wird eine weitere Untersuchung an dieser Stelle zurückgestellt. Abschließend lässt sich damit feststellen, dass eine Aufteilung von Leistungen auf mehrere Dienstleistungsorte durch den Dienstleistungserbringer abzulehnen ist. Nichtsdestotrotz ist auch die in Art. 22 Abs. 1 UAbs. 3 MwStDVO vorgesehene Lösung, wonach in diesen Fällen die Dienstleistung stets dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit zuzuordnen ist, abzulehnen. Selbst 528 529
530
Vgl. Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (219). Ähnlich auch F. Becker/Müller-Lee, UStB 2009, 320 (326). Vgl. Vellen, in: Nieskens/Scheffler (Hrsg.), Umsatzteuer-Kongress-Bericht 1999/2000, S. 13 (54). Siehe auch in anderem Kontext GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 30. Ebenfalls ablehnend Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (284).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
wenn eine anteilige Zuordnung, die das Verbrauchsortprinzip weitgehender berücksichtigen würde, abzulehnen ist, muss dennoch versucht werden, dem Verbrauchsortprinzip zumindest im Ansatz gerecht zu werden. In diesen Fällen muss demnach wiederum eine Betrachtung der Gesamtumstände im Einzelfall vorgenommen werden. 531 Im Rahmen seiner Möglichkeiten und ohne übermäßigen Verwaltungsmehraufwand sollte der Dienstleistungserbringer daher gewichten, welche Niederlassung am ehesten als Empfänger in Betracht kommt. Bei der Ermittlung des „richtigen“ Empfängers muss der Dienstleistungserbringer wiederum das Verbrauchsortprinzip berücksichtigen. Im Ergebnis muss so die Niederlassung als Empfänger bestimmt werden, die die fragliche Dienstleistung überwiegend für ihren Bedarf verwendet. 532 So wird zumindest eine überwiegende Zuordnung zum Ort des Verbrauchs gewährleistet im Gegensatz zu einer willkürlichen Berücksichtigung des Verbrauchsortes nach Art. 22 Abs. 1 UAbs. 3 MwSt-DVO. Unabhängig von dem Konflikt mit dem Verbrauchsortprinzip muss auch auf Probleme in praktischer Hinsicht hingewiesen werden. Der Dienstleistungserbringer ist in Fällen der Nutzung durch mehrere Niederlassungen in erhöhtem Maß Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Dienstleistungsortes ausgesetzt. Er muss nicht mehr nur danach differenzieren, ob sein Empfänger Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 44 oder Nicht-Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 45 MwStSyst-RL ist oder ob eine spezielle Ortsbestimmungsregel vorrangig ist. Bei mehrfacher Nutzung stellt sich zudem die Frage, ob überhaupt ein mehrfachansässiger Steuerpflichtiger auf der Empfängerseite steht (nur dann ist eine mehrfache Nutzung überhaupt denkbar) und welche der diversen Niederlassungen er richtigerweise als Empfängerin zu bestimmen hat. Unabhängig davon, dass eine korrekte Zuordnung entsprechend dem Verbrauch mangels Aufteilbarkeit nicht möglich ist, muss der Dienstleistungserbringer dennoch eine Niederlassung als Empfängerin bestimmen. Entsprechend den vorstehenden Erörterungen muss dies dem Ver531 532
Ebenso wohl auch Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (218 f.); Radeisen, DB 2009, 2229 (2231); Schreib, UR 2007, 437 (440 f.); Slotty-Harms, UVR 2010, 91 (93). Ebenso Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 620, Brüssel, 2.6.2009, taxud.d.1(2009)132177, S. 10; Englisch, in: DStJG Band 32, 2009, S. 165 (219); Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 71 Rz. 43 f.; Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 1997, S. 201; Heinrichshofen, in: Englisch/Nieskens (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 109 (116); für den umgekehrten Fall der Anknüpfung an das Ursprungsland siehe Lange, UR 1999, 149 (151); ähnlich Radeisen, DB 2009, 2229 (2231); wohl auch Terra, The Place of Supply in European VAT, London 1998, S. 114. Dies entspricht auch der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung, vgl. Abschn. 3a.2 Abs. 4 UStAE (Stand 2.1.2014). Kritisch Tumpel, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 97 (102).
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Die MwStSyst-RL bei Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige
brauchsortprinzip folgend die überwiegend nutzende Niederlassung sein. Dazu bedarf es grundsätzlich detaillierter Informationen, inwiefern eine einheitliche Dienstleistung innerhalb des Gesamtsteuerpflichtigen verwendet wird. Die in Art. 22 MwStSyst-RL genannten Indizien können dabei mit Blick auf das Verbrauchsortprinzip noch weniger Aussagekraft entfalten als bei einfacher Nutzung. 533 Denn grundsätzlich ist bei mehrfacher Nutzung noch weniger gewährleistet, dass die überwiegend nutzende Niederlassung den Vertrag abschließt, zahlt oder ihre Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer verwendet. Dies gilt umso mehr, als auch der Dienstleistungsempfänger bei Empfang der Dienstleistung nicht zwangsläufig sagen kann, wie er eine Dienstleistung auf seine verschiedenen Niederlassungen „aufteilen“ wird. Wenn aber schon der Empfänger, der grundsätzlich die besseren Kenntnisse über seine betrieblichen Interna haben sollte, eine Zuordnung nicht ohne Weiteres vornehmen kann, muss dies für den fremden Dienstleistungserbringer unmöglich sein. Letztlich muss er in der Praxis in vielen Fällen darauf verwiesen werden, anhand der ihm vorhandenen Indizien zu raten. Dies widerspricht jedoch dem Anspruch an eine möglichst einfach und rechtssicher zu handhabende Zuordnungsregel. Mit diesen praktischen Problemen für den Dienstleistungserbringer geht die Gefahr einer missbräuchlichen Handhabung durch den Dienstleistungsempfänger einher. Da der Dienstleistungserbringer in erhöhtem Maße auf die Informationen durch den Dienstleistungsempfänger angewiesen ist 534, erhöht sich die Gefahr, dass dieser durch bewusste Bestimmung des Dienstleistungsortes steueroptimierend tätig wird. 535 Letztlich kann hier nur die in Art. 22 Abs. 1 UAbs. 3 MwSt-DVO festgelegte Vermutung, wonach im Zweifel der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit als Empfangsort zu bestimmen ist, Abhilfe schaffen. Diese Regelung ist daher geeignet, die soeben beschriebenen praktischen Probleme zu reduzieren. 533 534
535
Ähnlich kritisch Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 102. Die Europäische Kommission sieht in diesen Fällen den Dienstleistungsempfänger hauptverantwortlich für die korrekte Behandlung der Dienstleistungen, vgl. Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 620, Brüssel, 2.6.2009, taxud.d.1(2009)132177, S. 10. Siehe auch Heinrichshofen, in: Englisch/Nieskens (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 109 (119). Merkx sieht allerdings die Manipulationsgefahr durch den Dienstleistungsempfänger eingeschränkt, wenn dieser gemeinsam mit dem Dienstleistungserbringer für die korrekte Bestimmung des Dienstleistungsortes verantwortlich ist, vgl. Establishments in European VAT, 2013, S. 102. Siehe auch Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 620, Brüssel, 2.6.2009, taxud.d.1(2009)132177, S. 3.
141
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Jedoch berücksichtigt Art. 22 Abs. 1 UAbs. 3 MwSt-DVO, wie bereits ausführlich dargestellt, in keiner Weise das Verbrauchsortprinzip. Selbst praktische Probleme können eine umfassende Missachtung des Verbrauchsortprinzips nicht rechtfertigen. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass Dienstleistungen, die durch einen mehrfachansässigen Steuerpflichtigen in mehreren seiner Niederlassungen genutzt werden, kaum prinzipiengerecht zugeordnet werden können. Die Anwendung der Ortsbestimmungsregeln kann nicht das Verbrauchsortprinzip und zugleich Praktikabilitätserwägungen umfassend berücksichtigen. Im existierenden Mehrwertsteuersystem erfolgt demnach die Behandlung von Dienstleistungen an mehrfachansässige Steuerpflichtige in unbefriedigender Weise. Es stellt sich daher die Frage, wie das bestehende System optimiert werden könnte. In dieser Hinsicht ist auf den Vorschlag der OECD in den International VAT/GST Guidelines zu verweisen, der für diese Fälle die Recharge Methode als Alternative vorschlägt. Ob es sich hierbei um eine taugliche Alternative handelt, die die beschriebenen Probleme beseitigen kann, wird an späterer Stelle ausführlich erörtert. 536 e)
Zusammenfassung
Die Ortsbestimmungsregeln sind insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext wichtiger Bestandteil des Mehrwertsteuersystems. Sie sollen eine Aufteilung der Besteuerungsrechte gewährleisten. Dabei folgen sie maßgeblich dem Verbrauchsortprinzip. Jedoch steht dieses häufig im Konflikt zu anderen Prinzipien. Insbesondere das Interesse an einer einfachen, rechtssicheren und möglichst unaufwändigen Anwendung der Ortsbestimmungsregeln steht häufig im Widerspruch zu dem Ziel, am Ort des Verbrauchs zu besteuern. Da zudem dieser Ort selten exakt bestimmt werden kann, hat der Richtliniengeber in den Art. 44 ff. MwStSyst-RL Anknüpfungspunkte entwickelt, die einen möglichst weitgehenden Ausgleich zwischen diesen Interessen erreichen sollen. Welchem Interesse dabei letztendlich der Vorrang gegeben wurde, stand maßgeblich im Ermessen des Richtliniengebers. Dabei ist dem Richtliniengeber weitgehend ein angemessener Ausgleich gelungen. Allerdings weisen insbesondere mehrfachansässige Steuerpflichtige als Dienstleistungsempfänger zahlreiche Probleme auf. Infolgedessen wird in diesen Fällen selten das Verbrauchsortprinzip und damit auch das Neutralitätsprinzip in seiner Ausprägung als Wettbewerbsneutralität berücksichtigt. 536
Siehe unten 4. Teil.
142
Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
Zugleich sind die Ortsbestimmungsregeln hier selten in praktikabler Weise anwendbar. Dies hat zur Folge, dass eine mehrfach durch einen Dienstleistungsempfänger genutzte Dienstleistung nur einem Besteuerungsort zugeordnet wird, der allenfalls teils das Verbrauchsortprinzip berücksichtigt und dennoch große Schwierigkeiten für den Dienstleistungserbringer mit sich führt. Als Konsequenz kommt es häufig zu anschließenden internen Leistungen innerhalb eines Steuerpflichtigen. An anderer Stelle wird daher ausführlich untersucht, inwiefern diese unternehemensinternen Leistungen zu behandeln sind und ob ein besserer Ausgleich der verschiedenen Interessen erreicht werden kann. 537
II.
Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
1.
Einführender Überblick über die Problematik unternehmensinterner Dienstleistungen
Nachdem im vorangegangenen Gliederungspunkt anhand der Systematik der MwStSyst-RL die wesentlichen Punkte auf dem Weg zur Generierung von Mehrwertsteueraufkommen besprochen wurden, soll nunmehr das Problem unternehmensinterner Dienstleistungen, also innerhalb eines mehrfachansässigen Steuersubjekts erbrachte Dienstleistungen, herausgegriffen und vertieft untersucht werden. Zwar mögen auch nicht aufgegriffene Punkte umstritten sein. Die folgende Untersuchung beschränkt sich jedoch auf Aspekte, die mit Blick auf den noch zu behandelnden Vorschlag der OECD von besonderer Relevanz sind. Insgesamt wird im Folgenden die europäische Rechtslage bezüglich unternehmensinterner Dienstleistungen dargestellt und einer kritischen Würdigung unterzogen. Der Kernpunkt der Diskussion um unternehmensinterne Dienstleistungen folgt aus dem Grundsatz der Unternehmenseinheit. Wie bereits dargestellt, kann ein Steuerpflichtiger grundsätzlich mehrere Niederlassungen in verschiedenen Ländern haben und dennoch ein einziges einheitliches Steuersubjekt bilden. Unternehmensinterne Dienstleistungen betreffen also die Frage, ob ein Steuerpflichtiger an sich selbst Dienstleistungen erbringen kann. Davon zu unterscheiden sind Fälle, in denen ein Steuerpflichtiger Dienstleistungen an ein (Tochter-)Unternehmen (oder eine ähnlich naheste-
537
Siehe 3. Teil: II. und 4. Teil.
143
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
hende Einrichtung) erbringt, das ein eigenständiger Steuerpflichtiger ist. 538 Hat man einmal festgestellt, dass es sich um einen eigenständigen Steuerpflichtigen handelt, ist unstreitig, dass Dienstleistungen zwischen der Mutter und der Tochter steuerbare Leistungen sind. Im Gegensatz dazu ist die Frage zur Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen weit unklarer. Maßgebliche Bedeutung kommt diesbezüglich dem EuGH-Urteil in der Rechtssache FCE Bank 539 zu. In diesem Verfahren hatte der EuGH erstmals zu unternehmensinternen Dienstleistungen Stellung zu nehmen. 540 Vor diesem Zeitpunkt herrschte insbesondere zwischen den Mitgliedstaaten Uneinigkeit darüber, ob unternehmensinterne Dienstleistungen steuerbar oder nicht steuerbar seien. 541 Dies spiegelte sich auch in dem langwierigen Verfahren zur umfassenden Neuregelung der Ortsbestimmungsregeln wider. Die Kommission machte bereits früh den Vorschlag, eine klarstellende Regelung einzufügen, wonach Dienstleistungen innerhalb eines Steuerpflichtigen nicht steuerbar seien. 542 Dies führte zu heftigen Diskussionen zwischen den Mitgliedstaaten mit der Folge, dass ein alternativer Vorschlag gemacht wurde. Dieser Alternativvorschlag sah für bestimmte Fälle Ausnahmen von dem Grundsatz vor, dass unternehmensinterne Dienstleistungen nicht steuerbar seien. 543 Danach wären extern bezogene Dienstleistungen, die innerhalb des Steuerpflichtigen weitervermittelt werden, steuerbar gewesen. Daneben wurde noch eine Beschränkung der Sonderregel auf Steuerpflichtige, die keinen vollständigen Vorsteuererstat-
538 539 540 541
542 543
Siehe zu der Abgrenzung zwischen selbstständigen Steuerpflichtigen und unselbstständigen festen Niederlassungen oben 3. Teil: I. 3. c) (2) (d) iii. Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04. Siehe dazu sogleich ausführlich. Für die Steuerbarkeit sprachen sich insbesondere Italien und Portugal aus, vgl. GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 31 ff. Dagegen war jedoch die Mehrheit der übrigen Mitgliedstaaten und die Kommission, vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 25; Europäische Kommission, MwStAusschuss, Working Paper Nr. 373, Brüssel, 30.11.2002, S. 1, 6; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Steuerfragen“, Interinstitutionelles Dossier 2003/0329 (CNS), FISC 150, Brüssel, 4.8.2004, S. 3. Siehe auch Amand, IVM 2007, 237 (241), dort insbesondere Fn. 34; Luuk, ST 2005, 504 (505); Russo/Zanotti, VAT Monitor 2004, 236 (238 f.). Man spricht in diesem Zusammenhang auch von dem sog. Single-Entity-Ansatz im Vergleich zum Seperate-Entity-Ansatz. Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG v. 23.12.2003, KOM(2003) 822, S. 12 sowie Art. 1 Nr. 1 des Richtlinienvorschlags. Vgl. Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Steuerfragen“, Interinstitutionelles Dossier 2003/0329 (CNS), FISC 150, Brüssel, 4.8.2004, S. 3 ff.
144
Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
tungsanspruch haben, vorgeschlagen. 544 Da sich die Mitgliedstaaten auf keinen der Vorschläge einigen konnten, wurde eine entsprechende Entscheidung insbesondere mit der Begründung, zunächst die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache FCE Bank 545 abzuwarten, aufgeschoben. 546 Nachdem der EuGH in der genannten Rechtssache die Steuerbarkeit verneinte, sieht man jedoch scheinbar keinen Handlungsbedarf mehr. Vielmehr wird die Entscheidung des EuGH weitgehend unkritisch akzeptiert und die Frage als geklärt erachtet. 547 Die Entscheidung des EuGH in FCE Bank kann allerdings nicht unkritisch übernommen werden. Auf die (vermeintlichen) dogmatischen Ungereimtheiten wird daher sogleich genauer eingegangen. Unabhängig davon, ob man die Entscheidung des EuGH in FCE Bank im Ergebnis befürwortet, führt die jetzige Handhabung jedenfalls im Dienstleistungsverkehr mit Drittstaaten zu Problemen. Dies gilt zumindest, soweit man die Wirkung von FCE Bank auf Sachverhalte mit Drittstaatenbezug ausdehnt. Da der EuGH diese Fallgruppe ausdrücklich ausgeklammert hatte, 548 wurde dies teilweise angezweifelt. 549 Es sind jedoch keine Gründe ersichtlich, warum zwischen in Mitgliedstaaten und in Drittstaaten ansässigen festen Niederlassungen differenziert werden sollte, zumal der EuGH sich auch nicht ausdrücklich für eine Differenzierung ausgesprochen hat. 550 Im Gegenteil hatte der EuGH zuletzt über interne Dienstleistungen zwischen einer in einem Drittstaat ansässigen Hauptniederlassung und einer in Schweden ansässigen festen Niederlassung zu entscheiden. 551 Auch wenn es in dem Verfahren vorrangig auf die Besonderheiten von Organschaften ankam, verwies der EuGH zunächst auf seine Entscheidung in FCE Bank und nahm keine weitere Differenzierung danach vor, ob die Hauptniederlassung innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union ansässig war. Dies spricht 544
545 546
547
548 549 550 551
Vgl. Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Steuerfragen“, Interinstitutionelles Dossier 2003/0329 (CNS), FISC 150, Brüssel, 4.8.2004, S. 5. Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04. Vgl. Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Steuerfragen“, Interinstitutionelles Dossier 2003/0329 (CNS), FISC 198, Brüssel, 8.10.2004, S. 2. Vgl. beispielsweise Glauser, IVM 2010, 31 (31); Pelzer/Vesterø, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 1015 (1027); Schreib, UR 2007, 437 (438); Swinkels, IVM 2006, 415 (415 f.). Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 22. Vgl. ohne Nennung von Gründen für die geäußerten Zweifel Amand, IVM 2007, 237 (242), dort Fn. 44; Swinkels, IVM 2006, 415 (416). Ebenso Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 127; wohl Swinkels, IVM 2006, 415 (416). Vgl. EuGH, Urteil v. 17.9.2014 – C-7/13 (Skandia America).
145
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
ebenfalls dagegen, für FCE Bank eine differenzierende Betrachtung vorzunehmen. Daher ist davon auszugehen, dass die in FCE Bank niedergelegten Grundsätze auch auf Sachverhalte mit Drittstaatenbezug anzuwenden sind und so Konflikte zu der entsprechenden Handhabung unternehmensinterner Dienstleistungen in manchen Drittstaaten gegeben sind. Einige Staaten, darunter die Schweiz, Australien und Neuseeland 552, behandeln unternehmensinterne Dienstleistungen zumindest im grenzüberschreitenden Kontext als steuerbar (sogenannter Seperate-Entity-Ansatz). Dies kann zu Konflikten, insbesondere zu Doppel(nicht-)besteuerung, führen. 553 Wird beispielsweise eine Dienstleistung von einer schweizerischen festen Niederlassung an den deutschen Hauptsitz erbracht, ist dieser Vorgang aus deutscher Sicht nicht steuerbar; es fällt daher keine Mehrwertsteuer an. Aus Sicht der schweizer Behörden ist der Vorgang steuerbar und bei Fehlen einschlägiger Befreiungstatbestände steuerpflichtig. In diesem Fall hat die feste Niederlassung in der Schweiz ein Vorsteuerabzugsrecht, sodass die Dienstleistung insgesamt nicht mit Mehrwertsteuer belastet ist. Handelt es sich um einen Steuerpflichtigen mit eingeschränktem Recht auf Vorsteuerabzug, erlangt er durch diese Gestaltung einen Steuervorteil. Erbringt umgekehrt der deutsche Hauptsitz eine Dienstleistung an seine feste Niederlassung in der Schweiz, hat der Hauptsitz kein Vorsteuerabzugsrecht, da deutsche Behörden unternehmensinterne Dienstleistungen als nicht steuerbar behandeln. Kommt aus Sicht der Schweizer Behörden das Reverse Charge Verfahren zur Anwendung, muss die feste Niederlassung als Steuerschuldnerin Mehrwertsteuer für die unternehmensinterne Dienstleistung abführen. Sie hat jedoch kein beziehungsweise ein eingeschränktes Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Steuerpflichtige keine steuerpflichtigen Ausgangsumsätze erbringt. Es kommt in diesen Fällen zu einer doppelten Belastung mit Mehrwertsteuer. 554 Unabhängig davon, ob man daher aus dogmatischer Sicht die Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen befürwortet oder ab-
552
553
554
Vgl. Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (715); Glauser, IVM 2010, 31 (31), insbesondere Fn. 3; Weidmann/Bader, ASA 78 (2009/2010), 801 (813 ff.). Vgl. zu dieser Problematik Can, IVM 2006, 424 (425 f.); Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (718 f.); Glauser, IVM 2010, 31 (31); Luuk, ST 2005, 504 (504 f.); Schaefer, UR 2001, 55 (56). Siehe mit ähnlichen Beispielen Can, IVM 2006, 424 (425 f.); Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (721 f.); Glauser, IVM 2010, 31 (32); Luuk, ST 2005, 504 (504 f.); Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 128; Schaefer, UR 2001, 55 (55 f.).
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Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
lehnt, sollte im internationalen Kontext eine einheitliche Regelung gefunden werden.
2.
Die Rechtssache FCE Bank (C-210/04)
a)
Der Sachverhalt
In der Rechtssache FCE Bank 555 ging es um eine Bank mit Sitz in England (FCE Bank), die eine Filiale in Italien hatte (FCE IT). Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts handelte es sich bei FCE IT um eine feste Niederlassung. 556 Der Generalanwalt akzeptierte diese Qualifikation als Tatsachenfeststellung und ging darüber hinaus von der Eigenschaft der FCE IT als Zweitniederlassung (Zweigstelle) im Sinne des Art. 1 Nr. 3 KreditinstituteRL 557 aus. 558 Solch eine Zweitniederlassung zeichnet sich gemäß Art. 1 Nr. 3 Kreditinstitute-RL durch ihre rechtliche Unselbstständigkeit aus. Diese Qualifikation als Zweitniederlassung und als feste Niederlassung nahm der EuGH – zumindest indirekt – zur Grundlage seiner Entscheidung. 559 Der EuGH hatte nunmehr zu entscheiden, ob die Erbringung von Dienstleistungen durch den Stammbetrieb (FCE Bank) an seine Filiale (FCE IT) der Mehrwertsteuer unterliegt. 560 Bei den fraglichen Leistungen handelte es sich um „Dienstleistungen in den Bereichen Beratung, Management, Personalaus- und -fortbildung, Datenverarbeitung sowie Bereitstellung und Betreuung von Anwendersoftware“ 561. Die Kosten für diese Dienstleistungen wurden nicht von FCE IT vergütet 562, jedoch stellte das vorlegende Gericht die ergänzende Frage, ob ein Cost-Sharing Agreement Einfluss auf die Entscheidung habe 563. 555 556
557
558 559 560 561 562
563
EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04. Vgl. GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 22. Diese Sicht wurde scheinbar von der Kommission geteilt und auch in der Literatur unkritisch übernommen, vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2003 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 27 (Sicht der Kommission) und Amand, IVM 2007, 237 (240); Can, IVM 2006, 424 (424); Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (795 f.). Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.3.2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. Nr. L 126, S. 1 (Kreditinstitute-RL). Vgl. GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 23. Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 23 f. Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), erste Vorlagefrage. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04, Rz. 15. Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 26, Stellungnahme FCE Bank. Allerdings ging GA Léger in seiner Sachverhaltsdarstellung davon aus, dass die Zweitniederlassungen der FCE Bank die Kosten der von ihr erbrachten Dienstleistungen anteilig tragen, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04, Rz. 8. Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), erste Vorlagefrage.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
In seiner Würdigung ging der EuGH zunächst auf seine ständige Rechtsprechung zur Steuerbarkeit von Leistungen ein, wonach ein Rechtsverhältnis zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger erforderlich sei, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden. 564 Solch ein Rechtsverhältnis setze eine selbstständige Wirtschaftstätigkeit der FCE IT voraus. Dafür müsse FCE IT wiederum eine selbstständige Bank sein, also insbesondere das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit tragen. 565 Mangels eigenem Dotationskapital der FCE IT verneinte der EuGH ein mit der Wirtschaftstätigkeit verbundenes Risiko. Letzteres läge vielmehr bei FCE Bank, gegenüber derer FCE IT somit abhängig sei. Als Konsequenz erachtete der EuGH FCE Bank und FCE IT als einen einzigen Steuerpflichtigen. 566 Auch Kostenvereinbarungen könnten an dieser Beurteilung nichts ändern, da sie nicht zwischen unabhängigen Parteien ausgehandelt würden. 567 Der EuGH antwortete daher auf die erste Vorlagefrage, „… dass die Artikel 2 Nummer 1 und 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass eine feste Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, die kein von dem Unternehmen, zu dem sie gehört, verschiedenes Rechtssubjekt ist und der das Unternehmen Dienstleistungen erbringt, nicht aufgrund der Kosten, mit denen sie wegen der genannten Dienstleistungen belastet wird, als Steuerpflichtiger anzusehen ist.“ 568 Als Fazit lässt sich damit aus der soeben beschriebenen Entscheidung des EuGH schließen, dass es weiterhin für die Steuerbarkeit von Leistungen maßgeblich auf ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ankommt. Solch ein Rechtsverhältnis können jedoch nur selbstständige Steuerpflichtige abschließen. Ein einziger Steuerpflichtiger, der auch eine Zweigniederlassung hat, kann hingegen mit sich selbst kein Rechtsverhältnis eingehen. b)
Interne Dienstleistungen und extern bezogene Dienstleistungen
Es stellt sich nunmehr die Frage, auf welche Sachverhalte die Entscheidung in FCE Bank Anwendung findet. Insofern ist zunächst zwischen Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger von einem unabhängigen dritten Steuerpflichtigen bezieht und dann als interne Dienstleistung an eine oder mehrere 564 565 566 567 568
EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 34 m.w.N. zu dieser ständigen Rechtsprechung. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 35. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 37. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 40. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 41.
148
Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
feste Niederlassungen weiterleistet, und internen Dienstleistungen, die von einer Niederlassung erzeugt und an eine andere erbracht werden (interne Wertschöpfung), zu differenzieren. Insbesondere bei extern bezogenen Dienstleistungen muss das Verhältnis zu den Ortsbestimmungsregeln untersucht werden. Daneben muss geklärt werden, welche Arten von Dienstleistungen, also extern bezogene und weitergeleistete und / oder intern erzeugte Dienstleistungen, die Entscheidung in FCE Bank betreffen. (1)
Korrekte Anwendung der Ortsbestimmungsregeln vorrangig
Soweit extern bezogene Dienstleistungen betroffen sind, muss nach geltender Rechtslage vorrangig auf eine korrekte Anwendung der Ortsbestimmungsregeln verwiesen werden. 569 Bezieht zum Beispiel eine Einkaufsbetriebsstätte A ein EDV-System, das danach (ausschließlich) bei der festen Niederlassung B eingesetzt wird, ist nach den allgemeinen Zuordnungskriterien B Empfänger der Dienstleistung. Gemäß Art. 44 Satz 2 MwStSyst-RL liegt der Dienstleistungsort bei B und nicht bei A. In einem solchen Fall kommt es zwar vielleicht faktisch zu einer unternehmensinternen Dienstleistung und einer Weiterverrechnung von Kosten, nicht jedoch aus mehrwertsteuerrechtlicher Sicht. Genau diesen Weg hat der High Court of Justice (England) und bestätigend der Court of Appeal in dem in Zusammenhang mit FCE Bank häufig erwähnten Urteil HM Revenue and Customs v Zurich Insurance Company 570 eingeschlagen. 571 Den Entscheidungen lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Versicherungsgesellschaft Zurich Insurance Company (ZIC CH) mit Sitz in der Schweiz wollte weltweit ein neues EDV-System einführen. Insbesondere ihre feste Niederlassung in England (ZIC UK) benötigte eine umfassende Neuerung, da die bisherigen Systeme des Stammsitzes und der festen Niederlassung nicht kompatibel waren. Zur Unterstützung bei der Einführung des neuen Systems wurde eine Beratungsgesellschaft engagiert. 569
570
571
Vgl. in die Richtung gehend Englisch, IStR 2009, 526 (527); umfassend zur Gesamtthematik Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 129 ff.; Schiller, UR 2006, 500 (508); Swinkels, IVM 2006, 415 (421 f.); ebenso und mit anschaulichen Beispielen von Streit, UR 2001, 373 (374 ff.). Bezüglich intern erbrachter Dienstleistungen sowie der Weiterleistung extern bezogener Dienstleistungen kommt eine Anwendung der Ortsbestimmungsregeln jedoch mangels Steuerbarkeit im Sinne der Rechtsprechung in FCE Bank nicht in Betracht. High Court of Justice (Chancery Division), Entscheidung v. 23.3.2006 – CH/2005/APP/0592, [2006] EWHC 593 (Ch) und Court of Appeal (Civil Division), Entscheidung v. 15.3.2007, [2007] EWCA Civ 218. Vgl. Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 129 (insbesondere Fn. 12); Schreib, UR 2007, 437; Swinkels, IVM 2006, 415 (419).
149
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Dafür schloss ZIC CH einen Rahmenvertrag mit der Beratungsgesellschaft ab, deren Sitz ebenfalls in der Schweiz lag. Die Beratungstätigkeit wurde durch deren englische Gesellschaft als Subunternehmer an den Örtlichkeiten der ZIC UK ausgeführt. Die englische Gesellschaft stellte ihre Kosten der schweizerischen Beratungsgesellschaft und diese wiederum ZIC CH in Rechnung. Schließlich verrechnete ZIC CH diese Kosten an ihre feste Niederlassung ZIC UK weiter. Die englischen Steuerbehörden waren nunmehr der Ansicht, dass der Dienstleistungsort im Vereinigten Königreich lag. Das erstinstanzliche Gericht lehnte diese Sicht mit dem Argument ab, dass für die Ortsbestimmung der Vertrag als vorrangiges Zuordnungskriterium heranzuziehen sei. Die folgenden beiden Instanzen lehnten eine Anknüpfung allein an den Vertrag ab. 572 Sie nahmen vielmehr eine Würdigung aller Gesamtumstände vor, wobei insbesondere berücksichtigt wurde, wer die fragliche Software überwiegend nutzen würde und wo die fraglichen Dienstleistungen ausgeführt wurden. 573 Aufgrund dieser Würdigung kam der High Court of Justice zu dem Ergebnis, dass der Dienstleistungsort bei der festen Niederlassung in England lag. 574 Der Stammsitz war hingegen nicht Empfänger der Dienstleistung, auch wenn er die Rechnung zunächst bezahlte und dann an die feste Niederlassung weiterverrechnete. Der High Court ebenso wie die vorangegangenen Instanzen behandelten diesen Fall folglich nicht als unternehmensinterne Dienstleistung, sondern wendeten vorrangig die Ortsbestimmungsregeln an. Dabei nahmen sie Rückgriff auf – wenn auch verschiedene – Kriterien zur Beurteilung, wer Empfänger im Sinne der Ortsbestimmungsregeln ist. Aus Sicht der Richter konnte so ein eindeutiges Ergebnis erzielt werden, da nur ein Empfänger identifiziert wurde. Unabhängig davon, welche Zuordnungskriterien man im Einzelnen bevorzugt, berücksichtigt die Entscheidung das Verbrauchsortprinzip, indem der Besteuerungsort (versuchsweise) möglichst korrekt an den Ort des Verbrauchs angenähert wird. Zugleich verwirklicht sich so das Neutralitätsprinzip in seiner Ausprägung als Wettbewerbsneutralität, da die Höhe der Mehrwertsteuerlast unabhängig vom Ort des Dienstleistungserbringers ist. Gestaltungen wie die von ZIC CH vorgenommene führen nicht zu einer geringeren Mehrwertsteuerbelastung, denn ZIC CH konnte den Dienstleis572
573
574
Vgl. High Court of Justice (Chancery Division), Entscheidung v. 23.3.2006 – CH/2005/APP/0592, [2006] EWHC 593 (Ch), Rz. 38 und Court of Appeal (Civil Division), Entscheidung v. 15.3.2007, [2007] EWCA Civ 218, Rz. 42. Vgl. High Court of Justice (Chancery Division), Entscheidung v. 23.3.2006 – CH/2005/APP/0592, [2006] EWHC 593 (Ch), Rz. 27 iv), 39, 42; Court of Appeal (Civil Division), Entscheidung v. 15.3.2007, [2007] EWCA Civ 218, Rz. 50. Vgl. High Court of Justice (Chancery Division), Entscheidung v. 23.3.2006 – CH/2005/APP/0592, [2006] EWHC 593 (Ch), Rz. 57.
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Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
tungsort nicht „künstlich“ in die Schweiz verlagern, um dann in einem zweiten Schritt die Dienstleistung an den tatsächlichen Empfänger weiter zu leisten. 575 Dieser Fall zeigt beispielhaft, wie es trotz einer internen Weiterverrechnung dennoch nicht auf eine rechtliche Würdigung entsprechend der in FCE Bank niedergelegten Grundsätze ankommt. Vielmehr führt eine systematisch korrekte Anwendung der Ortsbestimmungsregeln bereits zu Ergebnissen, die unter Neutralitäts- und Verbrauchsortaspekten zu befürworten sind. Dies gilt zumindest soweit die Zuordnungskriterien der Ortsbestimmungsregeln dem Verbrauchsortprinzip gerecht werden. Sofern demnach eine Zuordnung zu einer festen Niederlassung möglich ist, kommt es nicht auf die Frage an, ob die Verrechnung der Kosten zwischen zwei Niederlassungen eines Steuerpflichtigen steuerbar ist oder nicht. Die korrekte Anwendung der Ortsbestimmungsregeln nach geltendem Recht ist insoweit vorrangig. 576 Probleme kann dies allerdings im grenzüberschreitenden Kontext bringen, wenn die Ortsbestimmungsregeln von den nationalen Steuerbehörden unterschiedlich angewandt werden, sodass es zu einer ungewollten Doppel(nicht-)besteuerung kommt. 577 Hierbei handelt es sich aber um ein allgemeines Problem der Ortsbestimmungsregeln und nicht um ein spezifisch auf unternehmensinterne Dienstleistungen und Empfänger mit mehreren festen Niederlassungen bezogenes Problem. Insofern sei daher zum einen auf die obigen Ausführungen zur Zuordnung entsprechend den Ortsbestimmungsregeln hingewiesen. Zum anderen gibt dieses spezielle Problem gegebenenfalls Anlass zu einer Optimierung der Zuordnungsregeln, wie die OECD sie vorschlägt. Letzteres wird im folgenden Kapitel ausführlich besprochen. Anders jedoch, wenn eine Dienstleistung von mehreren festen Niederlassungen genutzt wird oder eine eindeutige Zuordnung aus anderen, meist praktischen Gründen nicht möglich ist. 578 Deshalb muss das vorangehende 575
576
577 578
Unberücksichtigt bleiben insofern die praktischen Schwierigkeiten, solche Gestaltungen durch korrekte Anwendung der Ortsbestimmungsregeln zu verhindern. Siehe auch Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (726). Siehe dazu auch sogleich der nächste Gliederungspunkt. Ebenso Englisch, IStR 2009, 526 (527); Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 129 f.; Schiller, UR 2006, 500 (508); Swinkels, IVM 2006, 415 (421 f.); von Streit, UR 2001, 373 (374 ff.). Vgl. von Streit, UR 2001, 373 (376). Siehe zu diesen Schwierigkeiten bereits oben 3. Teil: I. 3. d). Anschaulich, wenn auch relativierend Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 130. Ebenso Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (726); Swinkels, IVM 2006, 415 (415).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Ergebnis insbesondere aus praktischer Sicht eingeschränkt werden. Selbst wenn es theoretisch aus Sicht eines allwissenden objektiven Beobachters einen eindeutigen Ort gibt, dem eine Dienstleistung entsprechend dem Ort des tatsächlichen Empfängers zuzuordnen ist (Art. 44 MwStSyst-RL), kann der Dienstleistungserbringer dies häufig mangels ausreichender Informationen nicht eindeutig sagen. Solange er seinen Erkundigungspflichten nachkommt, kann ihm in diesen Fällen die „falsche“ Zuordnung nicht vorgeworfen werden. Wird eine einheitliche Dienstleistung von mehreren festen Niederlassungen verbraucht, gibt es zwar mehrere, gegebenenfalls auch eindeutig feststellbare Empfänger. Mangels Aufteilbarkeit einheitlicher Leistungen kann diese jedoch nur einem Empfänger zugeordnet werden. In diesen Fällen ist eine Zuordnung, die den richtigen Verbrauchsort berücksichtigt und damit neutral ist, nicht möglich. Daher liegt hier ein Bezug zu dem in FCE Bank gegebenen Sachverhalt nahe, wo es um interne Dienstleistungen ging. Es wird dann in der Praxis eine extern bezogene Leistung auf verschiedene feste Niederlassungen „aufgeteilt“, indem die Kosten anteilig verrechnet werden. Aufteilung ist hier jedoch nicht im Kontext einheitlicher Leistungen zu verstehen. Vielmehr wird eine einheitliche Leistung von mehreren festen Niederlassungen genutzt und die Kosten anteilig zugeordnet. Ist eine Leistung zunächst nicht entsprechend dem Verbrauchsort eindeutig zuzuordnen, kann der Steuerpflichtige selbst zu einem späteren Zeitpunkt anhand einer Kostenzuordnung den richtigen Empfänger bestimmen. Bezug von FCE Bank zu interner Wertschöpfung sowie extern bezogenen und weitergeleisteten Dienstleistungen
(2)
Fraglich ist, inwieweit die in FCE Bank getroffenen Feststellungen auf solche zuletzt beschriebenen Fälle anwendbar sind. Dies betrifft insbesondere die Frage, welche Arten von internen Dienstleistungen FCE Bank erfasst. Aus den Schlussanträgen und dem Urteil ergibt sich nicht ohne Weiteres, ob dem Sachverhalt nur intern erzeugte Dienstleistungen oder auch extern bezogene und weitergeleistete Dienstleistungen zugrunde lagen. In der Sachverhaltsbeschreibung heißt es, dass es sich bei den fraglichen Dienstleistungen um solche „in den Bereichen Beratung, Management, Personalaus- und -fortbildung, Datenverarbeitung sowie Bereitstellung und Betreuung von Anwendersoftware“ 579 handelte. Im Übrigen wird nur von Dienstleistungen
579
EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 15.
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gesprochen, die FCE Bank gegenüber der Zweitniederlassung erbringt. 580 Typischerweise dürfte es sich bei den erwähnten Dienstleistungen in der Praxis um intern erzeugte Dienstleistungen handeln. Dafür spricht auch eine in dem Urteil wiedergegebene Aussage von FCE Bank, wonach es sich um „die Ausführung interner Tätigkeiten [handele], die im eigenen Interesse des Unternehmens mit dem Ziel der einheitlichen Behandlung der Buchführungs-, Marketing- und anderer Daten durchgeführt würden“ 581. Allerdings wird weder in den Schlussanträgen noch dem Urteil ausdrücklich differenziert. Es ist daher offen, ob der EuGH im Falle eindeutig extern bezogener Dienstleistungen anders entschieden hätte. 582 Meines Erachtens kann bei extern bezogenen und dann weitergeleisteten Dienstleistungen ebenso wie bei intern erzeugten Dienstleistungen von unternehmensinternen Dienstleistungen im Sinne der FCE Bank-Rechtsprechung gesprochen werden, sodass sich eine weitere Differenzierung für die Untersuchung des Urteils erübrigt. 583 Es handelt sich bei beiden Dienstleistungsarten um vergleichbare Sachverhalte, die gleich beurteilt werden sollten. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass in FCE Bank die Leistung vom Hauptsitz originär selbst erbracht wurde, während extern bezogene und weitergeleistete Dienstleistungen ursprünglich von einem Dritten erbracht wurden. Eine Differenzierung kann nicht mit der Sicht des EuGH begründet werden, wonach unternehmensinterne Dienstleistungen mangels Rechtsverhältnis nicht steuerbar sind, denn dies betrifft die nachgelagerte Frage der Steuerbarkeit aller Dienstleistungen, die innerhalb eines Steuerpflichtigen erbracht werden. Vielmehr gebietet eine wirtschaftliche Betrachtungsweise eine ähnliche Behandlung. Die beiden Fallkonstellationen sind 580 581 582
583
Vgl. beispielsweise GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 28. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 26. Einen Hinweis kann insofern gegebenenfalls das Urteil v. 15.3.2001 – C-108/00 (SPI) des EUGH geben. In dieser Rechtssache hatte der EuGH darüber zu urteilen, ob die Subsumtion einer Dienstleistung unter eine spezielle Ortsbestimmungsregel unterschiedlich zu beurteilen sei, wenn die fragliche Dienstleistung mittelbar an den Empfänger erbracht wird, indem die Dienstleistung erst einem zwischengeschalteten Steuerpflichtigen in Rechnung gestellt wird, der sie wiederum dem Empfänger berechnet. Der EuGH verneinte eine unterschiedliche Behandlung für Dienstleistungen mittelbar und unmittelbar erbrachter Dienstleistungen. Die Weiterverrechnung hatte also keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Dienstleistung. Man könnte daher Parallelen zu der aktuell zu untersuchenden Frage feststellen. Jedoch muss einschränkend berücksichtigt werden, dass der EuGH maßgeblich auf die Art der Dienstleistung abstellte unabhängig von dem Vertragsverhältnis und der Tätigkeit der beteiligten Parteien, vgl. Rz. 19 ff. Ebenso wohl Glauser, IVM 2010, 31 (31); Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (283); auch Robinson, RES 2007, 83 differenziert nicht ausdrücklich zwischen externen und internen Leistungen.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
vergleichbar mit Kettenleistungen und einfachen Leistungen. Auch hier handelt es sich grundsätzlich um den gleichen Vorgang, der lediglich im ersteren Fall mehrfach wiederholt wird. Eine Unterscheidung danach, ob eine Lieferung oder Dienstleistungen über mehrere Stufen erbracht wird oder nicht, würde gegebenenfalls entsprechende Gestaltungen attraktiv machen. Für manche Steuerpflichtige wäre es danach gegebenenfalls interessant, integrierte Unternehmen, die mehrere Leistungsstufen umfassen, zu schaffen. Dies wäre mit den vor Einführung der Allphasen-NettoUmsatzsteuer beobachtbaren Entwicklungen hin zu Unternehmen, die alle Produktionsstufen umfassen, vergleichbar. Eine parallele Behandlung von externen und internen Dienstleistungen würde des Weiteren Abgrenzungsschwierigkeiten vermeiden, da nicht danach differenziert werden muss, ob die Dienstleistung zunächst extern bezogen wurde und dann – gegebenenfalls nach einer Modifikation oder Ähnlichem – innerhalb des Steuerpflichtigen weitergeleistet wird. Insbesondere bei Modifikationen an der ursprünglich extern bezogenen Dienstleistung ließe sich nämlich trefflich darüber streiten, ob es sich um eine externe oder interne Dienstleistung handelt. 584 Auch im Rahmen des Verfahrens zum Mehrwertsteuerpaket wurde das „Problem“ unternehmensinterner Leistungen erkannt. Damals wurde nach Beratungen in der Gruppe „Steuerfragen“ federführend von der damaligen Präsidentschaft ein Vorschlag entwickelt, die Steuerbarkeit extern bezogener Dienstleistungen zu fingieren. 585 Man nahm diesbezüglich eine Differenzierung zu intern erbrachten Dienstleistungen vor, da nur für extern bezogene Dienstleistungen die Steuerbarkeit zur Vermeidung von Gestaltungen als nötig erachtet wurde. 586 Daraus lässt sich schließen, dass die Präsidentschaft grundsätzlich von einer Vergleichbarkeit interner Dienstleistungen und extern bezogener und weitergeleisteter Dienstleistungen ausging. Für ein entsprechendes Verständnis des EuGH scheint nunmehr auch ein aktuelleres Urteil zu sprechen. In Skandia America hatte der EuGH über die Frage zu entscheiden, ob extern bezogene Dienstleistungen, die von der 584 585
586
Zu den praktischen Problemen siehe auch unten 4. Teil: II. 3. c) (2). Vgl. Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Steuerfragen“, Interinstitutionelles Dossier 2003/0329 (CNS), FISC 150, Brüssel, 4.8.2004, S. 4. Vgl. Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Steuerfragen“, Interinstitutionelles Dossier 2003/0329 (CNS), FISC 150, Brüssel, 4.8.2004, S. 4 f. (Anmerkung erster und zweiter Spiegelstrich). Siehe auch Luuk, ST 2005, 504 (507).
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Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
Hauptniederlassung an eine Zweigniederlassung in einem anderen Land weitergeleistet wurden, steuerbare Umsätze darstellen, wenn die Zweigniederlassung Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe ist. 587 Dabei ging der EuGH in seiner Begründung zunächst unter Verweis auf FCE Bank auf die dort niedergelegten Grundsätze ein, wonach die Steuerbarkeit interner Dienstleistungen abzulehnen ist, da feste Niederlassungen gegenüber der Hauptniederlassung nicht selbstständig tätig werden und nicht die mit ihrer Tätigkeit verbundenen wirtschaftlichen Risiken tragen. 588 Zwar bejaht der EuGH im Folgenden die Steuerbarkeit, allerdings aufgrund der Mitgliedschaft der festen Niederlassung zu einer Organschaft. 589 Die Differenzierung zwischen extern bezogenen Dienstleistungen und interner Wertschöpfung wird in der genannten Entscheidung nicht thematisiert. Aufgrund des Verweises auf FCE Bank ist zu folgern, dass auch der EuGH, wie bereits ausführlich erörtert, insofern keine Differenzierung vornehmen will. Mit Blick auf Skandia Amerika sowie die zuvor erörterten Aspekte sind daher extern bezogene Dienstleistungen und interne Wertschöpfung gleichermaßen im Sinne von FCE Bank zu behandeln. Lehnt der EuGH folglich in FCE Bank im Falle scheinbar unternehmensinterner Dienstleistungen die Steuerbarkeit der Leistungen ab, muss dies auch für extern bezogene und weitergeleistete Dienstleistungen gelten. Bejahte man hingegen generell die Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen, so kann dies nicht auf rein intern erbrachte Dienstleistungen beschränkt werden. 590
3.
Das Fehlen eines Rechtsverhältnisses als maßgebliche Begründung in FCE Bank
Der EuGH verlangt, dass nur derjenige ein Rechtsverhältnis eingehen kann, der einer selbstständigen Wirtschaftstätigkeit nachgeht und somit eigenständiger Steuerpflichtiger ist. 591 Der EuGH nimmt somit in der zuvor beschriebenen Entscheidung zunächst eine wirtschaftliche Betrachtung vor, um die fehlende Selbstständigkeit von FCE IT festzustellen. 592 Sodann wählt er je587 588 589 590 591 592
Vgl. EuGH, Urteil v. 17.9.2014 – C-7/13 (Skandia America), Rz. 21. EuGH, Urteil v. 17.9.2014 – C-7/13 (Skandia America), Rz. 24 ff. Vgl. EuGH, Urteil v. 17.9.2014 – C-7/13 (Skandia America), Rz. 31. Siehe auch ausführlich zu der Rechtssache unten unter 3. Teil: II. 6. Ebenso zu dem Gesamtergebnis Glauser, IVM 2010, 31 (31); Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (283); Schreib, UR 2007, 437 (438). Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 35, 37 und 41. Vgl. auch Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (717 f.); Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (797).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
doch einen scheinbar „legalistischen“ 593 Ansatz, indem er ein Rechtsverhältnis mangels Selbstständigkeit der FCE IT ablehnt. Es stellt sich daher die Frage, wie aus dieser Rechtsprechung ein allgemeiner Grundsatz hergeleitet werden kann beziehungsweise wie weit das Urteil des EuGH tatsächlich reicht. a)
Unabhängigkeit von zivilrechtlicher Wirksamkeit
Soweit der EuGH ein Rechtsverhältnis verlangt, knüpft er an seine entsprechende langjährige Rechtsprechung an. Danach muss zwischen Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger eine Vereinbarung darüber bestehen, dass die Leistung gegen eine Vergütung erfolgt, wobei ebenfalls die Höhe der Vergütung festzulegen ist. Die fragliche Leistung und ihre Gegenleistung müssen im Rahmen eines Rechtsverhältnisses ausgetauscht werden. 594 Mit Blick darauf, dass der EuGH die Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen maßgeblich mit dem Argument ablehnt, dass nur eigenständige Rechtssubjekte ein Rechtsverhältnis eingehen können, muss genauer darauf eingegangen werden, wie die beschriebene Vereinbarung rechtlich ausgestaltet sein muss. Es stellt sich die Frage, ob es sich dabei um einen Vertrag im zivilrechtlichen Sinne (zum Beispiel ein Kaufvertrag gemäß § 433 BGB) handelt. Dies würde bedeuten, dass die Steuerbarkeit einer Leistung von zivilrechtlichen Regelungen, insbesondere bezüglich der zivilrechtlichen Wirksamkeit, abhinge. Jedoch ließe ein solches Verständnis Raum für Gestaltungen, um Mehrwertsteuer zu vermeiden. 595 Betroffene könnten zum Beispiel bewusst die zivilrechtliche Unwirksamkeit eines Vertrages herbeiführen, um so Mehrwertsteuer zu vermeiden. Dies wiederum widerspräche einer neutralen Behandlung aller Leistungen. 596 Aus diesem Grund werden allgemein Begriffe im Steuerrecht und anderen Rechtsgebieten nicht zwangsläufig identisch ausgelegt. Ent593
594
595
596
Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (797). Siehe auch Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (713 f., 716). Vgl. EuGH, Urteil v. 3.3.1994 – C-16/93 (Tolsma), Rz. 12, 14; v. 5.6.1997 – C-2/95 (SDC), Rz. 45; v. 17.9.2002 – C-498/99 (Town & County Factors), Rz. 20 ff.; v. 26.6.2003 – C-305/01 (MGK-Kraftfahrzeuge-Factoring), Rz. 47; v. 29.10.2009 – C246/08 (Kommission / Finnland), Rz. 43 f.; v. 27.10.2011 – C-93/10 (GFKL Financial Services), Rz. 17 f. Siehe auch anschaulich Dobratz, Leistung und Entgelt im Europäischen Umsatzsteuerrecht, 2005, S. 34 ff.; Tehler, DStR 1995, 433 (434). Vgl. ähnlich kritisch EuGH, Urteil v. 17.9.2002 – C-498/99 (Town & County Factors), Rz. 21 f.; Bley, Tausch und Umtausch, Rücklieferung und Rückgabe im Umsatzsteuerrecht, 1987, S. 97; Huschens, UVR 2000, 157 (165); a.A. Dobratz, Leistung und Entgelt im Europäischen Umsatzsteuerrecht, 2005, S. 141. Vgl. ähnlich Simons, EC Tax Review 1994, 44 (45).
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Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
sprechend hat auch der EuGH entschieden, dass es für die Steuerbarkeit einer Leistung nicht auf die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit des zugrundeliegenden Vertrages ankommt. 597 Ebenso gehen die deutsche Rechtsprechung und die Literatur weitgehend einhellig davon aus, dass eine Vereinbarung im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne nicht anhand zivilrechtlicher Regelungen zu messen ist. 598 Dies besagt jedoch nicht, dass die vom EuGH verlangte Vereinbarung nicht dennoch vertragsähnliche Merkmale haben muss. Aus der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH 599 lassen sich insofern folgende Merkmale feststellen: − Es muss eine Einigung zwischen Leistungserbringer und -empfänger vorliegen. − Aufgrund dieser Einigung muss der Leistungserbringer verpflichtet sein, eine Dienstleistung oder Lieferung im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne zu erbringen. − Der Leistungsempfänger wiederum wird verpflichtet, eine Vergütung zu erbringen. − Diese Vergütung muss ein Entgelt im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne darstellen. Leistung und Entgelt stehen dabei in einem Austauschverhältnis. − Irrelevant ist hingegen, ob die Parteien zum Beispiel geschäftsfähig sind oder der Leistungsgegenstand gegen ein gesetzliches Verbot verstößt.
597
598
599
Vgl. EuGH, Urteil v. 17.9.2002 – C-498/99 (Town & County Factors), Rz. 21. Ebenso GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 27.9.2001 – C-498/99 (Town & County Factors), Rz. 38; GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 37. Vgl. BFH, Urteil v. 21.1.1993 – V R 30/88, BStBl. II 1993, 384 (386); v. 24.2.2005 – V R 1/03, BFH/NV 2005, 1160 (1162); Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 31 Rz. 102; im Ergebnis so auch Dobratz, Leistung und Entgelt im Europäischen Umsatzsteuerrecht, 2005, S. 142; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 93; Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 1997, S. 80; Huschens, UVR 2000, 157 (165); Korf, UR 1996, 330 (331); Nieskens, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 1 Rz. 181, 184, 188 f.; Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 1 Rz. 13; Streng, Zuschüsse und Subventionen im Umsatzsteuerrecht, 1999, S. 185; allgemeiner Simons, EC Tax Review 1994, 44 (45); indirekt Tehler, DStR 1995, 433 (434). Anders Herting, UR 1966, 97 (99). Vgl. unter anderem EuGH, Urteil v. 3.3.1994 – C-16/93 (Tolsma), Rz. 12 ff. (Rechtsverhältnis und Austauschverhältnis); v. 28.5.1998 – C-3/97 (Goodwin und Unstead), Rz. 9 (keine Differenzierung zwischen erlaubten und unerlaubten Geschäften); v. 17.9.2002 – C-498/99 (Town & County Factors), Rz. 21 ff. (Rechtsverhältnis, Vereinbarung und Durchsetzbarkeit); v. 29.10.2009 – C-246/08 (Kommission / Finnland), Rz. 43 f. (Vereinbarung, Rechtsverhältnis und Austauschverhältnis); v. 27.10.2011 – C-93/10 (GFKL Financial Services), Rz. 17 ff. (Vereinbarung, Rechtsverhältnis und Austauschverhältnis).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
− Mit Blick auf FCE Bank wird zudem erkennbar, dass Leistungsempfänger und -erbringer zwei verschiedene Steuerpflichtige beziehungsweise ein Steuerpflichtiger und ein Nicht-Steuerpflichtiger sein müssen. Ein Steuerpflichtiger kann also nicht mit sich selbst eine Vereinbarung treffen. 600 Rechtssubjekt und Rechtsverhältnis im Sinne der FCE BankRechtsprechung
b)
Die Entscheidung des EuGH in FCE Bank lässt erkennen, dass ein steuerbarer Umsatz grundsätzlich nur zwischen zwei verschiedenen Steuerpflichtigen erbracht werden kann. Fraglich ist, wie diese Aussage zu beurteilen ist. In der Entscheidung lehnt der EuGH die Steuerbarkeit der unternehmensinternen Dienstleistungen ab, da FCE IT kein „von dem Unternehmen, zu dem sie gehört, verschiedenes Rechtssubjekt ist“ 601, sodass sie kein Rechtsverhältnis eingehen konnte 602. Wie muss nun der Verweis auf ein „verschiedenes Rechtssubjekt“ sowie das fehlende Rechtsverhältnis verstanden werden? Nimmt der EuGH damit Rückgriff auf rechtsdogmatische Überlegungen zur Rechtspersönlichkeit? Oder kommt hier erneut eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zum Vorschein? (1)
Fehlende Rechtspersönlichkeit als maßgebliches Kriterium?
Der Begriff Rechtssubjekt deutet auf ein rechtliches Verständnis hin, das maßgeblich auf das Vorhandensein einer Rechtspersönlichkeit der fraglichen Einrichtung Rücksicht nehmen könnte. 603 Dies entspräche einer weit verbreiteten Argumentation, wonach die Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen mangels Rechtspersönlichkeit abgelehnt wird. 604 600 601 602 603
604
Was genau dies zu bedeuten hat, muss im Folgenden eingehender untersucht werden. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 41. Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 34 f. So scheinen auch Amand, IVM 2007, 237 (241, 243) und Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 127 die Entscheidung des EuGH zu interpretieren. Generell ablehnend gegenüber einem rein rechtlichen Verständnis der Rechtsservice der Europäischen Kommission, vgl. Europäische Kommission, MwStAusschuss, Working Paper Nr. 373, Brüssel, 30.11.2002, S. 4; Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (717); Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (783 ff.). Vgl. Luuk, ST 2005, 504 (511) und das von ihm beschriebene Urteil aus Finnland auf S. 513 f.; im Umkehrschluss Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 127. Ähnlich argumentiert auch GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 43, 45, der jedoch daneben auch auf das fehlende Risiko und damit auf eine wirtschaftliche Betrachtung zurückgreift (Rz. 46).
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Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
Bemerkenswert ist insofern in der Rechtssache FCE Bank, dass der EuGH nie ausdrücklich die Eigenschaft der Zweigniederlassung – was sie aufgrund ihrer fehlenden Rechtspersönlichkeit ist 605 – als feste Niederlassung bestätigt. Vielmehr versteht er zwar die Vorlagefrage dahingehend, ob „eine feste Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, die kein von dem Unternehmen, zu dem sie gehört, verschiedenes Rechtssubjekt ist (…), als Steuerpflichtiger anzusehen ist“ 606. Er spricht im Folgenden aber in Zusammenhang mit der italienischen Bank nur von Zweigniederlassung und nicht von fester Niederlassung. Der EuGH spricht folglich nur mit direktem Bezug zu den Vorlagefragen von festen Niederlassungen. 607 Im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung verwendet er hingegen stets den Begriff der Zweigniederlassung. 608 Fraglich ist, ob der Verwendung des Begriffs Zweigniederlassung eine Auslegung dahingehend entnommen werden kann, dass sie nur Einrichtungen ohne Rechtspersönlichkeit im zivilrechtlichen Sinne betrifft. Hierbei handelt es sich nicht zwingend um feste Niederlassungen, auch wenn es weitreichende Überschneidungen gäbe. In diesem Fall könnten auch feste Niederlassungen mit ihrem Stammsitz Rechtsverhältnisse eingehen und steuerbare Umsätze tätigen, sofern sie eine eigene Rechtspersönlichkeit haben und nur ausnahmsweise für Zwecke der Ortsbestimmung als feste Niederlassung qualifiziert werden. 609 Dass es solche feste Niederlassungen geben kann, wurde bereits besprochen 610 und vom EuGH in der Rechtssache DFDS bestätigt 611. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass der EuGH insbesondere in Zusammenhang mit den Ortsbestimmungsregeln den Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL, welcher den Begriff der festen Niederlassung enthält, unter Verwendung des Begriffs der Zweigniederlassung wiedergibt. 612 Zudem beantwortet er die erste Vorlagefrage unter Verwendung des Begriffs „feste Niederlassung“. Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass der EuGH entsprechend der Qualifikation durch das vorlegende Gericht davon ausgeht, dass FCE IT eine feste Niederlassung der FCE Bank ist, die zudem die Voraussetzungen des Art. 1 Nr. Kreditinstitute-RL erfüllt und damit Zweigstel605 606 607 608 609
610 611 612
EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 23. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 24. Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2003 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 24 und 41. Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2003 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 35 ff. So im Ergebnis Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 127. Danach sollen Dienstleistungen zwischen dem Hauptsitz und einer festen Niederlassung, die eine eigene Rechtspersönlichkeit hat, steuerbar sein. Siehe oben 3. Teil: I. 3. c) (2) (d) iii. Vgl. EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – C-260/95, Rz. 26 ff. Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2003 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 38.
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le im Sinne dieser Richtlinie ist. Außerdem ist anzumerken, dass weder der Generalanwalt noch die Beteiligten in dem Verfahren Zweifel an der Eigenschaft als feste Niederlassung hatten. Vielmehr wird vorausgesetzt, dass es sich bei der italienischen Bank um eine feste Niederlassung handelt. 613 Die rechtliche Würdigung des EuGH erfolgt daher auf Basis der Eigenschaft der FCE IT als feste Niederlassung im Sinne des Mehrwertsteuerrechts. 614 Allein aus der Verwendung des Begriffs „Zweigniederlassung“ kann daher nicht geschlossen werden, ob der EuGH auf die zivilrechtliche Rechtspersönlichkeit abstellt. Jedoch ist zu beachten, dass der EuGH neben der Steuerbarkeit unternehmensinterner Umsätze auch Vereinbarungen über die Aufteilungen der Kosten mit der Begründung ablehnt, dass „eine solche Vereinbarung nicht zwischen unabhängigen Parteien ausgehandelt wurde“. 615 Auch hier legt der EuGH ein (scheinbar) auf zivilrechtlichem Vertragsrecht beruhendes Verständnis zugrunde. Neben dem vom EuGH aufgestellten Erfordernis, wonach nur eigenständige Rechtssubjekte ein Rechtsverhältnis eingehen können, deutet diese Aussage eher darauf hin, dass es dem EuGH auf eine zivilrechtliche Rechtspersönlichkeit ankommt. 616 Danach müsste die Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen davon abhängen, ob die beteiligten Niederlassungen eine eigene Rechtspersönlichkeit haben. Gegen ein entsprechendes Verständnis spricht allerdings, dass dies im Widerspruch zu den oben zum Merkmal der Abhängigkeit für die Qualifizierung einer Einrichtung als feste Niederlassung erfolgten Überlegungen stünde. 617 Danach richtet sich dieses Merkmal nicht nach zivilrechtlichen Maßstäben, sondern es kommt maßgeblich auf eine wirtschaftliche Betrachtung an. Eine Einrichtung ist demnach für Zwecke des Mehrwertsteuerrechts selbstständig, wenn sie das wirtschaftliche Risiko trägt, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung handelt und weisungsunabhängig ist. Nur wenn eine Einrichtung diese Voraussetzungen erfüllt, kann ihr ausreichend Steu613
614
615 616
617
Vgl. GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 26 f., der sich aufgrund der Einschätzungsprärogative der nationalen Gerichte auf die Einschätzung des vorlegenden Gerichts stützt; EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 27, Stellungnahme der Kommission. Dieses Verständnis hat in einem Folgeurteil auch GA Villalón, Schlussanträge v. 28.2.2013 – C-388/11 (Société Le Crédit Lyonnais), Rz. 31, 34 in Bezug auf die Rechtssache FCE Bank zum Ausdruck gebracht. Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2003 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 40. So auch Amand, IVM 2007, 237 (241 f.) und Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 126 f. Bereits GA Léger scheint ein rechtliches Verständnis zugrunde zu legen, vgl. Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 28, 43. Siehe oben 3. Teil: I. 3. c) (2) (d) iii.
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ersubjektqualität zugesprochen werden, um Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL sein zu können. Bei festen Niederlassungen fehlt es hingegen an einer entsprechenden Selbstständigkeit. Es wäre demnach widersprüchlich, die Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen, an deren Erbringung feste Niederlassungen beteiligt sind, mit der Begründung abzulehnen, dass die feste Niederlassung keine Rechtspersönlichkeit hat, wenn es darauf für die Qualifizierung als feste Niederlassung gar nicht ankommt. 618 Zudem kann nur eine Begründung, die nicht auf die Rechtspersönlichkeit abstellt, den Neutralitätsgedanken ausreichend berücksichtigen. Hinge die Steuerbarkeit einer unternehmensinternen Leistung nämlich davon ab, ob die feste Niederlassung in zivilrechtlicher Hinsicht eine eigene Rechtspersönlichkeit hat, könnten Unternehmen entsprechende Niederlassungen einrichten und Leistungen erbringen, um aufgrund der steuerbaren Umsätze ein Vorsteuerabzugsrecht zu erhalten. Zudem entspricht es nicht dem Neutralitätsgedanken, gleiche Dienstleistungen unterschiedlich zu behandeln, weil verschiedene Unternehmen ihre Niederlassungen unterschiedlich organisieren und strukturieren. Allenfalls das auf einer wirtschaftlichen Betrachtung basierende Kriterium der Selbstständigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL kann daher zur Unterscheidung herangezogen werden, zwischen welchen Einrichtungen steuerbare Leistungen erbracht werden können und zwischen welchen nicht. 619 Aufgrund der soeben angestellten Überlegungen muss die Frage nach der Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen nach der hier vertretenen Ansicht unabhängig von der vorhandenen oder fehlenden Rechtspersönlichkeit der festen Niederlassung beantwortet werden. 620 Da jedoch die bis618
619 620
Anders insgesamt wohl GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 36; Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 127. Auch GA Léger verneint die Steuerbarkeit mangels eigener Rechtspersönlichkeit; daneben stellt er allerdings auch auf das fehlende wirtschaftliche Risiko ab, vgl. Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 43, 46. Siehe zur unterschiedlichen Behandlung selbstständiger Töchter, welche eigenständige Steuerpflichtige sind, unten 3. Teil: II. 5. b) (4). Vgl. befürwortend Rechtsservice der Europäischen Kommission, vgl. Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 373, Brüssel, 30.11.2002, S. 4, 6; ebenso Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (783 f.). Befürwortend wohl auch Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (717 f.). Anders wohl Luuk, ST 2005, 504 (511); Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 127; Russo/Zanotti, VAT Monitor 2004, 236 (242 f.); ein ähnliches Verständnis scheinen van Doesum/van Kesteren/van Norden, EC Tax Review 2007, 34 (35) zu haben.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
her erfolgte Auslegung der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache FCE Bank eher für ein rechtliches Verständnis spricht, ist im Folgenden zu untersuchen, wie der EuGH das Merkmal „Rechtsverhältnis“ verwendet und ob hier ein Verständnis zugrundegelegt werden kann, dass unabhängig von zivilrechtlichen Gegebenheiten ist. (2)
Das Erfordernis eines Rechtsverhältnisses
Zu klären ist, ob der EuGH, indem er strikt auf das Erfordernis nach einem Rechtsverhältnis abstellt, die wirtschaftliche Betrachtung vernachlässigt. Indem der EuGH für ein Rechtsverhältnis zwei verschiedene Steuerpflichtige verlangt 621, nimmt er zunächst eine rechtliche Betrachtung vor. Ein Steuerpflichtiger kann demnach nicht mit sich selbst eine Vereinbarung über eine Dienstleistung treffen, die den Anforderungen des EuGH an ein Rechtsverhältnis entspricht. Warum aber verlangt der EuGH für Leistungen ein Rechtsverhältnis? Bezüglich dieses Merkmals wird vertreten, dass das Erfordernis nach einem Rechtsverhältnis der Abgrenzung der wirtschaftlichen Tätigkeit, die grundsätzlich der Mehrwertsteuer unterfällt, von sonstigen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen im Rahmen seines Unternehmens dient. 622 Außerdem stelle das Rechtsverhältnis in erster Linie den vom EuGH in ständiger Rechtsprechung verlangten Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung her. 623 Ein darüber hinausgehendes Verständnis wird dem Erfordernis nach einem Rechtsverhältnis jedoch überwiegend nicht zugeschrieben. Insbesondere kommt es nicht auf ein zivilrechtliches Verständnis und die rechtliche Durchsetzbarkeit an. 624 Andere sehen dieses Erfordernis insgesamt kritisch. 625 621 622
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624 625
Deutlich so auch GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 38. Vgl. Dobratz, Leistung und Entgelt im Europäischen Umsatzsteuerrecht, 2005, S. 140 f., der allerdings dem Rechtsverhältnis einen rechtsverbindlichen Charakter zuzuschreiben scheint, siehe S. 139 f. Vgl. Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 32 Rz. 61; bereits vor dieser Rechtsprechung des EuGH Bley, Tausch und Umtausch, Rücklieferung und Rückgabe im Umsatzsteuerrecht, 1987, S. 96 f.; Dobratz, Leistung und Entgelt im Europäischen Umsatzsteuerrecht, 2005, S. 138; Huschens, UVR 2000, 157 (165); ähnlich Streng, Zuschüsse und Subventionen im Umsatzsteuerrecht, 1999, S. 186 f.; im Ergebnis so wohl auch Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (786). Ebenso GA Stix-Hackl, Schlussan-träge v. 27.9.2001 – C-498/99 (Town & County Factors), Rz. 37. Siehe dazu bereits oben unter 3. Teil: II. 3. a). Vgl. Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 14 Rz. 37 (kein Erkenntnisgewinn durch „Verrechtlichung“ der Leistungsbeziehungen); Simons, EC Tax Review
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Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
Wie bereits ausführlich erörtert, kann es in der Mehrwertsteuer nicht auf zivilrechtliche Umstände ankommen; das Mehrwertsteuersystem muss unabhängig ausgelegt werden. Daher kann das Erfordernis eines Rechtsverhältnisses nicht unter zivilrechtlichen Überlegungen beurteilt werden. Sofern aber das Rechtsverhältnis in einem nicht rechtlichen Sinne dazu dienen soll, den erforderlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung herzustellen, kann es als Kriterium für steuerbare Umsätze anerkannt werden. Jedoch muss dabei deutlich werden, dass damit nicht zivilrechtliche Konzepte gemeint sind. Eine das Erfordernis eines Rechtsverhältnisses ablehnende Ansicht muss zu dem Schluss kommen, dass das Rechtsverhältnis nicht als Begründung herangezogen werden kann, um die Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen abzulehnen. Allerdings erklären die das Erfordernis eines Rechtsverhältnisses befürwortenden Ansichten ebenfalls nicht ohne Weiteres, wieso der EuGH auch in dem der Rechtssache FCE Bank zugrundeliegenden Sachverhalt maßgeblich auf ein Rechtsverhältnis zurückgreift. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen unternehmensinterner Dienstleistung und Entgelt wurde in der Rechtssache nicht problematisiert. Zudem dürfte ein solcher Zusammenhang relativ problemlos herzustellen sein. Ebenso wenig problematisierte der EuGH, ob es sich bei den unternehmensinternen Dienstleistungen um wirtschaftliche Tätigkeiten des Steuerpflichtigen handelt. Dies wurde wohl als gegeben vorausgesetzt. Vielmehr hat der EuGH eine neue legalistische Dimension geschaffen, indem er ein weiteres Merkmal zum Rechtsverhältnis hinzugefügt hat. Danach können Parteien eines Rechtsverhältnisses nur zwei verschiedene Steuerpflichtige sein. Dadurch drückt der EuGH ein rechtliches Verständnis aus. Unabhängig davon, dass es nicht auf die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit eines Rechtsverhältnisses ankommen kann, entspricht dieses neue Erfordernis nicht der sonstigen Praxis im Mehrwertsteuerrecht 626, wonach auch der EuGH in der Regel nicht auf rechtliche Verhältnisse Rücksicht nimmt, sondern aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die objektiven Umstände beurteilt. 627 Zudem erscheint es zumindest überraschend bis unge-
626 627
1994, 44 (45); Terra/Kajus, A Guide to the European VAT Directives 2012, Band 1, Kapitel 8.4.5, S. 357 (unbeabsichtigte Nichtbesteuerung privaten Konsums); Widmann, UR 1995, 435 (436) („fragwürdig“). Welche maßgeblich dem Neutralitätsgrundsatz gerecht werden will. Vgl. Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (717 f.). Für eine wirtschaftliche Betrachtung im Allgemeinen Simons, EC Tax Review 1994, 44 (45); Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (784, 798); siehe auch
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
schickt, ohne nähere Erläuterung ein Merkmal zur Begründung heranzuziehen, das bisher stets in einem anderen Kontext verwendet wurde, wodurch dem Merkmal eine neue Dimension beigefügt wird. Ob die Entscheidung des EuGH auch eine wirtschaftliche Betrachtung zulässt, wird daher sogleich erörtert. (3)
Wirtschaftliche Betrachtung anhand des Austauschverhältnisses vorzugswürdig
Entsprechend dem bereits zuvor erörterten Grundsatz, wonach zivilrechtliche Besonderheiten grundsätzlich keine Auswirkung auf eine mehrwertsteuerrechtliche Beurteilung haben können, muss im Folgenden untersucht werden, ob eine wirtschaftliche Betrachtung zu dem gleichen Ergebnis kommt wie der EuGH anhand seiner rechtlich geprägten Würdigung. Meines Erachtens lässt das Mehrwertsteuersystem auch eine wirtschaftliche Betrachtung zu. Verschiedene feste Niederlassungen und der Hauptsitz bilden zusammen einen Steuerpflichtigen, der allerdings auf verschiedene Orte verteilt ist. Diese Verteilung ändert jedoch nichts daran, dass es sich um eine Gesamteinheit handelt, die lediglich für Zwecke der Zuordnung von Besteuerungsrechten unterschiedliche (geographische) Anknüpfungspunkte hat. 628 Demnach gilt als Empfänger der Gesamtsteuerpflichtige und nicht die einzelne Niederlassung. 629 Ein Steuerpflichtiger, der in mehreren Ländern ansässig ist, ist daher im Grunde mit einem Steuerpflichtigen vergleichbar, der an einem Ort verschiedene Abteilungen, Fabrikationshallen oder Ähnliches hat. Erwirbt nun die EDV-Abteilung ein System, das in den Fabrikhallen oder anderen Abteilungen genutzt wird, kann kaum von einer steuerbaren Dienstleistung die Rede sein. 630 Der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger grenzüberschreitend niedergelassen ist, kann für sich allein keine andere Betrachtung rechtfertigen. 631 Eine andere Betrachtung ließe sich allenfalls unter Überlegungen zum Verbrauchsortprinzip erklären, welches das Konzept
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Nieskens, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 1 Rz. 240; Weidmann/Bader, ASA 78 (2009/2010), 801 (811). Vgl. Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (778 ff.). Vgl. im Ansatz so auch Luuk, ST 2005, 504 (510); Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 127; in einem anderen Zusammenhang Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 31 Rz. 243. Vgl. mit ähnlichen Beispielen van Doesum/van Kesteren/van Norden, EC Tax Review 2007, 34 (34); van Doesum/van Norden, in: Ecker/Lang/Lejeune (Hrsg.), The Future of Indirect Taxation, 2012, S. 707 (716). Siehe auch Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (781).
164
Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
fester Niederlassungen (Anknüpfungspunkt zur Annäherung an den Verbrauchsort) überhaupt erklärt. 632 Unter wirtschaftlicher Betrachtung wäre es jedoch zunächst unnatürlich, eine Leistung an sich selbst zu erbringen. Handelte es sich um eine natürliche Person, die in mehreren Ländern ansässig ist, müsste sich diese Person zweiteilen, damit sie an sich selbst leistet unter Erfüllung der oben beschriebenen Voraussetzungen an ein Rechtsverhältnis. Insbesondere ist bei einem Steuerpflichtigen kaum ersichtlich, wie es zu dem verlangten Austauschverhältnis kommen kann. Gerade bei Lieferungen wird verlangt, dass dem Leistungsempfänger eine dem Eigentum vergleichbare Position verschafft wird (vgl. Art. 14 Abs. 1 MwStSyst-RL). 633 Ein Steuerpflichtiger kann auch unter wirtschaftlicher Betrachtung kaum einer seiner festen Niederlassungen als einer neuen Person Eigentum verschaffen; er wird vielmehr stets sich selbst die Verfügungsmacht an dem fraglichen Gegenstand verschaffen. 634 Ähnlich muss es auch für Dienstleistungen sein. Zwar fehlt es bei Dienstleistungen an der Körperlichkeit, die eine Verfügungsmacht im Sinne von Lieferungen ermöglicht. 635 Jedoch setzen auch Dienstleistungen voraus, dass der Empfänger die Nutzungs- und Verwendungsbefugnis bezüglich der Dienstleistung, also den verbrauchfähigen Vorteil, erhält. 636 Dies ist der Verfügungsmacht über körperliche Gegenstände vergleichbar und setzt ebenfalls voraus, dass der Empfänger zuvor nicht über die Dienstleistung verfügen konnte. Ein Steuerpflichtiger hat demnach als Einheit die Nutzungsbefugnis und den verbrauchbaren Vorteil bezüglich einer Dienstleistung, er kann sie nicht mehr sich selbst an einem anderen Niederlassungsort ermöglichen. 637 Dies folgt auch aus dem Grundsatz der Unternehmenseinheit.
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633 634 635
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Siehe dazu ausführlich unten 3. Teil: II. 5. a). Vgl. mit ähnlichen Überlegungen van Doesum/van Norden, in: Ecker/Lang/Lejeune (Hrsg.), The Future of Indirect Taxation, 2012, S. 707 (717 f.), die jedoch eine Steuerbarkeit mangels privaten Konsums ablehnen. Dies greift allerdings zu kurz, da es für das Verbrauchsortprinzip in B2BKonstellationen nicht allein auf den privaten Endkonsum ankommt, sondern auch auf die Ermöglichung desselben. Siehe dazu bereits oben 2. Teil: I. 2. c). Siehe auch Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 1997, S. 85. Vgl. auch Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 1997, S. 74 f.; Kristoffersson, in: Lang/Lejeune (Hrsg.), Improving VAT/GST, 2014, S. 519 (519). Vgl. zu diesem Merkmal anstatt vieler Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 100, 106; Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 1997, S. 82 ff. Vgl. Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 31 Rz. 41, 76; Fritsch, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 3 Rz. 630; Nieskens, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Rz. 521; Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 1 Rz. 9. Siehe auch Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 1997, S. 76 f. Ähnlich Tehler, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 1 Rz. 159.
165
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Daher ist das Ergebnis, wonach Dienstleistungen zwischen verschiedenen Teilen eines Steuerpflichtigen nicht steuerbar sind, mit Rücksicht auf die Anforderungen an einen steuerbaren Umsatz zu befürworten. 638 Jedoch kommt es nicht in erster Linie auf das Rechtsverhältnis an für sich, sondern vielmehr auf das dem Rechtsverhältnis zugrundeliegende Austauschverhältnis an. Das für einen steuerbaren Umsatz erforderliche Austauschverhältnis kann nur zwischen verschiedenen Steuerpflichtigen zustande kommen. 639 Gegen solch eine Auslegung der MwStSyst-RL spricht auch nicht der Vorschlag der Kommission, unternehmensinterne Dienstleistungen ausdrücklich als nicht-steuerbare Umsätze zu qualifizieren. 640 Mit dieser Regel sollte nämlich kein Ausnahmetatbestand von der geltenden Rechtslage geschaffen werden. Vielmehr wurde der vorgeschlagenen Regel Klarstellungscharakter bescheinigt, zumal die Kommission selbst ausdrücklich von der NichtSteuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen ausging. 641 Zusammenfassend ist die Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen daher mit Rücksicht auf die Anforderungen an einen steuerbaren Umsatz abzulehnen. 642 Dies ergibt eine wirtschaftliche, von zivilrechtlichen Besonderheiten unabhängige, Betrachtung des Mehrwertsteuersystems. Danach erfordert ein Umsatz einen Austausch. Letzterer erfordert jedoch zwei verschiedene Steuersubjekte im Sinne des Mehrwertsteuersystems. Ein mehrfachansässiger Steuerpflichtiger kann insofern nicht mit sich selbst an verschiedenen Niederlassungen Leistungen austauschen. Daher sind unter638 639 640 641
642
Siehe auch Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 1997, S. 76. Ähnlich Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 1997, 74 ff. Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG v. 23.12.2003, KOM(2003) 822, S. 12. Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG v. 23.12.2003, KOM(2003) 822, S. 11; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Steuerfragen“, Interinstitutionelles Dossier 2003/0329 (CNS), FISC 150, Brüssel, 4.8.2004, S. 3; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Steuerfragen“, Interinstitutionelles Dossier 2003/0329 (CNS), FISC 198, Brüssel, 8.10.2004, S. 2; Swinkels, IVM 2006, 415 (421); van der Corput, VAT Monitor 2004, 414 (414). Ebenso zu dem Gesamtergebnis Europäische Kommission, Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG v. 23.12.2003, KOM(2003) 822, S. 11; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Steuerfragen“, Interinstitutionelles Dossier 2003/0329 (CNS), FISC 150, Brüssel, 4.8.2004, S. 3; Russo/Zanotti, VAT Monitor 2004, 236 (241). Mit dem gleichen Ergebnis wenn auch unter anderer Begründung van Doesum/van Norden, in: Ecker/Lang/Lejeune (Hrsg.), The Future of Indirect Taxation, 2012, S. 707 (718). Kritisch unter Rückgriff auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (714 ff.; 728); unentschieden Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (801 ff.); Amand, IVM 2007, 237 (241 f.).
166
Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
nehmensinterne Dienstleistungen grundsätzlich nicht möglich. Fraglich ist jedoch, wie dies mit dem Gesamtsystem und den grundlegenden Prinzipien des Mehrwertsteuersystems vereinbar ist. Insofern kann insbesondere an der Vereinbarkeit mit den Regeln zu Lieferungen, den Organschaftsregeln und dem Vorsteuerabzugsrecht gezweifelt werden.
4.
Systematische Einordnung von FCE Bank
a)
Kein Widerspruch zu Art. 44 Satz 2 und 45 Satz 2 MwStSyst-RL
Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache FCE Bank darf nicht als Widerspruch zu Art. 44 Satz 2 und 45 Satz 2 MwStSyst-RL verstanden werden. Danach ist am Ort der festen Niederlassung und nicht am Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zu besteuern, wenn Erstere Dienstleistungsempfänger beziehungsweise -erbringer ist. FCE Bank ist nämlich nicht dahingehend zu verstehen, dass eine feste Niederlassung aufgrund ihrer Unselbstständigkeit keine Dienstleistungen gegenüber Dritten erbringen kann. 643 Erstens ist die Unselbstständigkeit im Sinne von FCE Bank nicht mit dem Erfordernis zu verwechseln, wonach feste Niederlassungen in der Lage sein müssen, Leistungen autonom zu erbringen. 644 Zweitens folgt aus der Entscheidung nicht, dass eine feste Niederlassung mangels Selbstständigkeit gegenüber dem Steuerpflichtigen per se keine steuerbaren Umsätze empfangen beziehungsweise erbringen kann. Bei Dienstleistungen an Dritte wird der Steuerpflichtige als Gesamteinheit verpflichtet. 645 Art. 44 Satz 2 und 45 Satz 2 MwStSyst-RL knüpfen lediglich für Ortsbestimmungszwecke an die feste Niederlassung als „Empfänger“ und „Erbringer“ an. Die feste Niederlassung ist nur in ihrer Funktion als Zurechnungsobjekt als Dienstleistungsempfänger und -erbringer zu sehen. Im Übrigen kommt es auf den Gesamtsteuerpflichtigen an. b)
Der Vergleich zu Lieferungen
Ohne einen vertieften Einblick in die Regelungen zu grenzüberschreitenden Lieferungen geben zu wollen, muss zumindest kurz auf die Regelungswirkung des Art. 17 Abs. 1 (in Verbindung mit Art. 21) MwStSystRL eingegangen werden. Nach dieser Regel sind unternehmensinterne Lieferungen zwischen Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen steu643 644 645
Im Ergebnis ebenso Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 373, Brüssel, 30.11.2002, S. 3 f. Zweifelnd Amand, IVM 2010, 20 (23). Siehe dazu bereits ausführlich oben 3. Teil: I. 3. c) (2) (d) ii. (iii) und iii. Vgl. ebenso Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 127; Luuk, ST 2005, 504 (510).
167
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
erbar. Man könnte nunmehr zu dem Schluss kommen, dass diese Regel eine entsprechende Auslegung auch für Dienstleistungen gebietet, sodass Dienstleistungen und Lieferungen einheitlich behandelt werden. 646 Jedoch berücksichtigt eine solche Herangehensweise nicht ausreichend den Ausnahmecharakter der genannten Regel. Wäre die Steuerbarkeit unternehmensinterner Leistungen dem Mehrwertsteuersystem als solches immanent, bräuchte es wohl keiner ausdrücklichen Regelung bezüglich der von Art. 17 Abs. 1 MwStSyst-RL erfassten Lieferungen. 647 Daran ändert auch die Entgeltlichkeitsfiktion in Art. 17 Abs. 1 MwStSyst-RL nichts, denn die Vorschrift fingiert für jegliches Verbringen, ob entgeltlich oder nicht, dass es sich um eine Lieferung gegen Entgelt handelt. Die Vorschrift hat damit insgesamt Fiktionscharakter. 648 Dadurch wird deutlich, dass unternehmensinterne Lieferungen ebenfalls grundsätzlich nicht steuerbar sind. 649 Für bestimmte Fälle macht Art. 17 Abs. 1 MwStSyst-RL davon eine Ausnahme. Das oben erreichte Ergebnis, wonach Dienstleistungen innerhalb eines Steuerpflichtigen nicht steuerbar sind, steht folglich nicht in unmittelbarem Konflikt zu Art. 17 Abs. 1 MwStsyst-RL. 650 So wird auch die Regelung in dem Schweizerischen MwStG, wonach unternehmensinterne Dienstleistungen im grenzüberschreitenden Kontext wie steuerbare Leistungen behandelt werden (vgl. im Umkehrschluss Art. 10 Abs. 3 MwStG), verstanden. Diese Regelung beschränkt sich auf grenzüberschreitende unternehmensinterne Dienstleistungen und wird daher als Durchbrechung der allgemeinen Regel, wonach unternehmensinterne Leistungen grundsätzlich nicht steuerbar sind, erachtet. 651 Zwar können aus ei646 647
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Vgl. Amand, IVM 2007, 237 (241). Vgl. ebenso GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 57, 60; Luuk, ST 2005, 504 (511); ähnlich Russo/Zanotti, VAT Monitor 2004, 236 (241); indirekt Slapio, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 54 Rz. 1. Vgl. Luuk, ST 2005, 504 (511); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 1a Rz. 260; Terra/Kajus, A Guide to the European VAT Directives 2012, Band 1, Kapitel 10.2.1.6, S. 468. GA Léger spricht in diesem Zusammenhang von „Sonderfällen“, vgl. Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 60. Vgl. ebenso GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 57; Ehrke-Rabel, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 117 (123 f.); indirekt Slapio, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 54 Rz. 1. Vgl. mit dem gleichen Ergebnis GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 57 ff.; Luuk, ST 2005, 504 (511). Anders wohl Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (791). Vgl. Luuk, ST 2005, 504 (504, 506); Weidmann/Bader, ASA 78 (2009/2010), 801 (809, 811, 813); wohl auch Camenzind, ASA 2009/2010 (78), 713 (727). Ähnliches gilt für das Australische Mehrwertsteuersystem. Dort gelten unternehmensinterne Dienstleistungen grundsätzlich als nicht steuerbar. Nur in zwei ausdrücklich geregel-
168
Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
ner schweizerischen Regelung nicht ohne Weiteres Schlussfolgerungen für das europäische Mehrwertsteuersystem gezogen werden. Jedoch folgen viele Mehrwertsteuersysteme und insbesondere das europäische sowie das schweizerische bestimmten grundlegenden systematischen Überlegungen und Prinzipien, die oft sogar universelle Geltung haben. Dazu gehört in der Schweiz ebenso wie in der Europäischen Union das Konzept von Steuerpflichtigem und festen Niederlassungen als Gesamteinheit. 652 Wie oben ausführlich untersucht, ergibt eine wirtschaftliche Betrachtung, dass grundsätzlich kein Austauschverhältnis zwischen Teilen eines Gesamtsteuerpflichtigen möglich ist. Daher kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Regelungen, die die Steuerbarkeit unternehmensinterner Leistungen fingieren, insgesamt als Ausnahme betrachtet werden. 653 Dies entspricht auch der Auffassung der Gruppe „Steuerfragen“, die im Rahmen der Beratungen zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG eine „Ausnahme vom Grundsatz der Nichtbesteuerung zwischen Niederlassungen“ vorschlug. 654 Somit wurde auch in der Europäischen Union einer der in der Schweiz bestehenden Ausnahmeregel vergleichbare Neuregelung als Ausnahme erachtet. Da Dienstleistungen und Lieferungen grundsätzlich gleich behandelt werden müssen, muss dies für beide Leistungsarten gelten. Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass aus der Ausnahmeregel in Art. 17 Abs. 1 MwStSyst-RL nicht folgen kann, dass unternehmensinterne Leistungen insgesamt steuerbar sind. Ein Widerspruch zwischen der Ent-
652
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ten Sonderfällen werden sie wie steuerbare Dienstleistungen behandelt. Vgl. zu der Australischen Rechtslage Millar/Moon, in: Lang/Lejeune (Hrsg.), Improving VAT/GST, 2014, S. 23 (54 ff.). Vergleichbar wird dies in Neuseeland gehandhabt, vgl. White/Trombitas, in: Ecker/Lang/Lejeune (Hrsg.), The Future of Indirect Taxation, 2012, S. 355 (372). Vgl. für die Schweiz Weidmann/Bader, ASA 78 (2009/2010), 801 (807 f.); EFD, Vernehmlassungsvorlage zur Vereinfachung des Bundesgesetzes über die Mehrwertsteuer, Februar 2007, S. 249; siehe auch im Umkehrschluss Art. 10 Abs. 3 MwStG (Schweiz); für die Union siehe bereits oben 3. Teil: I. 1. a) (3) und II. 3. Siehe andere Länder außerhalb der europäischen Union, die unternehmensinterne Dienstleistungen grundsätzlich als nicht steuerbar erachten: in Australien Millar/Moon, in: Lang/Lejeune (Hrsg.), Improving VAT/GST, 2014, S. 23 (54); in Chile Benedetto, in: Lang/Lejeune (Hrsg.), Improving VAT/GST, 2014, S. 135 (143); in Japan Nishiyama/Kimu, in: Lang/Lejeune (Hrsg.), Improving VAT/GST, 2014, S. 205 (211); in Neuseeland White/Trombitas, in: Ecker/Lang/Lejeune (Hrsg.), The Future of Indirect Taxation, 2012, S. 355 (372); in Russland Popova, in: Lang/Lejeune (Hrsg.), Improving VAT/GST, 2014, S. 305 (312); in Singapur Koh, in: Lang/Lejeune (Hrsg.), Improving VAT/GST, 2014, S. 331 (348). Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Steuerfragen“, Interinstitutionelles Dossier 2003/0329 (CNS), FISC 150, Brüssel, 4.8.2004, S. 4, erster Spiegelstrich.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
scheidung in FCE Bank und Art. 17 Abs. 1 MwStSyst-RL ist nicht erkennbar. c)
Art. 18 und 27 MwStSyst-RL
Ähnliche Überlegungen können auch mit Blick auf Art. 18 und 27 MwStSyst-RL angestellt werden. Danach haben die Mitgliedstaaten die Option, die unternehmensinterne Verwendung von Gegenständen und unternehmensintern erbrachte Dienstleistungen wie steuerbare Umsätze zu behandeln. Diesen Regeln ist ebenfalls ein Ausnahmecharakter zuzuschreiben, weshalb insofern auf die Ausführungen im vorangegangen Kapitel hingewiesen werden kann. Darüber hinaus deutet auch die fehlende Verbindlichkeit der Regeln darauf hin, dass es sich hierbei um Ausnahmevorschriften handelt. Folglich steht insbesondere Art. 27 MwStSyst-RL nicht in Widerspruch zu dem zuvor erarbeiteten Ergebnis, wonach unternehmensinterne Dienstleistungen im europäischen Mehrwertsteuersystem grundsätzlich nicht steuerbar sind. 655 d)
Verhältnis zur Besteuerung unentgeltlicher Dienstleistungen für unternehmensfremde Zwecke, Art. 26 MwStSyst-RL
Art. 26 MwStSyst-RL sieht für bestimmte Handlungen des Steuerpflichtigen eine Fiktion vor, wodurch selbige wie Dienstleistungen zu behandeln sind. Danach wird die unentgeltliche Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für unternehmensfremde Zwecke (Art. 26 Abs. 1 lit. a) MwStSyst-RL) sowie die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für unternehmensfremde Zwecke (Art. 26 Abs. 1 lit. b) MwStSyst-RL) einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt. Die unentgeltliche Verwendung im Sinne von lit. a) setzt voraus, dass der fragliche Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Damit werden Handlungen, die grundsätzlich als steuerbare Dienstleistungen erachtet werden können, jedoch allein mangels Entgeltlichkeit nicht steuerbar sind, dennoch wie steuerbare Dienstleistungen behandelt. Die Anwendbarkeit des Art. 26 MwStSyst-RL steht folglich nicht im Widerspruch zur EuGH-Rechtsprechung in FCE Bank, da Art. 26 MwStsyst-RL gerade die Steuerbarkeit nicht-steuerbarer Dienstleistungen fingiert.
655
Ebenso GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 58; Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (187), dort Fn. 110. Im Ansatz wohl ebenso Englisch, IStR 2009, 526 (527).
170
Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
Es stellt sich allerdings die Frage, ob Art. 26 MwStSyst-RL auf unternehmensinterne Dienstleistungen anwendbar ist, sodass diese zwar nach der Systematik des Mehrwertsteuersystems grundsätzlich nicht steuerbar sind, sie jedoch bei Umsetzung des Art. 26 MwStSyst-RL in nationales Recht unter den dort bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich für steuerbar erklärt werden. Bereits der Zweck des Art. 26 MwStSyst-RL widerspricht aber einer Anwendung auf unternehmensinterne Dienstleistungen. Zweck des Art. 26 MwStSyst-RL ist die Vermeidung unversteuerten Endverbrauchs und damit die Gleichstellung von Endverbrauchern und Steuerpflichtigen, soweit sie Eingangsleistungen einem Endverbrauch zuführen. 656 Der Steuerpflichtige soll nicht aufgrund seines Status einen Vorteil erlangen, soweit er Leistungen, die er für seine wirtschaftliche Tätigkeit unter Geltendmachung eines Vorsteuerabzugsrechts erworben hat, für nicht-wirtschaftliche Zwecke verwendet, die eigentlich mit Mehrwertsteuer zu belasten sind. 657 Man misst Art. 26 MwStSyst-RL daher auch den Charakter einer Vorsteuerabzugskorrekturvorschrift bei. 658 Art. 26 MwStSyst-RL erfasst demnach Handlungen, die die Merkmale eines steuerbaren Umsatzes erfüllen, auf die aber mangels Entgeltlichkeit keine Mehrwertsteuer erhoben werden kann. Dabei nimmt Art. 26 MwStSyst-RL jedoch eine Einschränkung vor, indem die fragliche unentgeltliche Dienstleistung für unternehmensfremde Zwecke beziehungsweise für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen oder seines Personals bestimmt sein muss. Dies ist folgerichtig, da die Mehrwertsteuer nur den Endverbrauch besteuern will. Wird eine Dienstleistung für wirtschaftliche Zwecke erbracht, besteht im Regelfall keine Gefahr unversteuerten Endverbrauchs. Demgegenüber handelt es sich bei unternehmensinternen Dienstleistungen nicht um solche für unternehmensfremde Zwecke. Vielmehr ist „für Zwecke der festen Niederlassung“ aufgrund des Grundsatzes der Unternehmensein-
656
657
658
Vgl. EuGH, Urteil v. 20.1.2005 – C-412/03 (Hotel Scandic Gåsabäck), Rz. 23; v. 14.9.2006 – C-72/05 (Wollny), Rz. 32; Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuerhandbuch, § 67 Rz. 11; Dobratz, Leistung und Entgelt im Europäischen Umsatzsteuerrecht, 2005, S. 120 f., 126; Widmann, in: Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 3 Abs. 9a Rz. 5. Vgl. EuGH, Urteil v. 26.9.1996 – C-230/94 (Enkler), Rz. 33; v. 20.1.2005 – C-412/03 (Hotel Scandic Gåsabäck), Rz. 23; v. 14.9.2006 – C-72/05 (Wollny), Rz. 32; Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuerhandbuch, § 67 Rz. 14; Englisch, in: Tipke/Lang, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 153; Reiß, DVR 1986, 130 (130); Widmann, in: Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 3 Abs. 9a Rz. 5. Vgl. Dobratz, Leistung und Entgelt im Europäischen Umsatzsteuerrecht, 2005, S. 120, 124; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 154; Probst, in: Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 3 Abs. 1b Rz. 37.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
heit gleichzusetzen mit „unternehmenseigene Zwecke“. 659 Ob es sich hierbei insgesamt um eine wirtschaftliche oder nicht-wirtschaftliche Tätigkeit handelt, wird dabei meistens bereits bei Erwerb der Dienstleistung im Rahmen des korrespondierenden Vorsteuerabzugs berücksichtigt. Eine Vorsteuerkorrektur ist insofern gar nicht mehr erforderlich. Es besteht folglich keine Gefahr unversteuerten Endverbrauchs. Der Zweck des Art. 26 MwStSyst-RL würde daher verfehlt. Schließlich kann als Umkehrschluss zu der Regelung in Art. 27 MwStSystRL, wonach unternehmensinterne Dienstleistungen unter bestimmten Voraussetzungen wie steuerbare Umsätze behandelt werden können, festgestellt werden, dass Art. 27 MwStSyst-RL überflüssig wäre, wenn diese Dienstleistungen bereits von Art. 26 MwStSyst-RL erfasst wären. Daher spricht auch die Gesetzessystematik gegen eine Erfassung unternehmensinterner Dienstleistungen von Art. 26 MwStSyst-RL. Als Fazit ist daher festzustellen, dass die Nicht-Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen nicht in Konflikt zu Art. 26 MwStSyst-RL steht. 660 Zugleich ist die Besteuerung von unentgeltlichen Dienstleistungen für unternehmensfremde Zwecke nach Art. 26 MwStSyst-RL nicht auf unternehmensinterne Dienstleistungen im oben erarbeiteten Sinne anwendbar. Die Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen wird daher nach geltender Rechtslage auch nicht fingiert. Eine entsprechende Anwendbarkeit müsste ausdrücklich durch die MwStSyst-RL erklärt werden. e)
Mindestbemessungsgrundlage, Art. 80 MwStSyst-RL
Weiterhin könnte Art. 80 MwStSyst-RL auf unternehmensinterne Dienstleistungen anwendbar sein. Art. 80 MwStSyst-RL ermöglicht bei bestimmten Leistungen, deren Entgelt als unangemessen hoch beziehungsweise niedrig empfunden wird, die Steuerbemessungsgrundlage auf ein angemessenes Entgelt anzupassen. Bezüglich der Anwendbarkeit des Art. 80 MwStSystRL auf unternehmensinterne Dienstleistungen stellen sich jedoch aufgrund des Anwendungsbereichs des Art. 80 MwStSyst-RL Zweifel ein. Eine Anwendbarkeit des Art. 80 MwStSyst-RL würde nämlich dem zuvor erarbeiteten Ergebnis widersprechen, wonach unternehmensinterne Dienstleistungen nicht steuerbar sind. Denn Art. 80 MwStSyst-RL setzt bereits insgesamt 659
660
Vgl. ebenso Gunacker-Slawitsch, Umsatzsteuerlicher Eigenverbrauch, 2007, S. 65; im Ergebnis so wohl auch Probst, in: Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 3 Abs. 1b Rz. 130; Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl. 2011, § 3 Rz. 223/1. Ähnlich mit Bezug zu Art. 16 MwStSyst-RL Kristoffersson, in: Lang/Lejeune (Hrsg.), Improving VAT/GST, 2014, S. 519 (520).
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Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
steuerbare Dienstleistungen voraus. 661 Lediglich die Bemessungsgrundlage zur Berechnung der Mehrwertsteuer wird durch Art. 80 MwStSyst-RL korrigiert. Entsprechend ist die Regelung in Titel VII (Steuerbemessungsgrundlage) der MwStSyst-RL eingeordnet. Es handelt sich folglich nicht in dem Sinne um eine Parallelvorschrift zu Art. 26 MwStSyst-RL, der für bestimmte Fälle die Steuerbarkeit einer Dienstleistung herstellt. Steuerbarkeit ist hier bereits unproblematisch gegeben, sodass mit Blick auf Art. 80 MwStSystRL kein Regelungsbedarf besteht. Wie jedoch ausführlich erörtert, sind Dienstleistungen zwischen Niederlassungen eines Steuerpflichtigen nicht steuerbar, da es an dem erforderlichen Austauschverhältnis fehlt. Man kann nicht an sich selbst eine Dienstleistung erbringen. Für die Anwendbarkeit des Art. 80 MwStSyst-RL fehlt es folglich bereits an einer steuerbaren Dienstleistung. 662 f)
Vergleichbare Wirkung von FCE Bank und nationalen Mehrwertsteuergruppen
Ein Steuerpflichtiger, der mehrere feste Niederlassungen hat, kann entsprechend den bisher erarbeiteten Ergebnissen keine steuerbaren Dienstleistungen innerhalb seines Unternehmens erbringen. Damit tritt für solche Unternehmen die gleiche Wirkung ein wie für nationale Mehrwertsteuergruppen (vgl. Art. 11 MwStSyst-RL) in einigen Mitgliedstaaten. Je nach Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten sind nämlich die untereinander erbrachten Leistungen ebenfalls nicht steuerbar, wenn sich mehrere Personen entsprechend den Voraussetzungen des Art. 11 MwStSyst-RL in Form der nationalen Umsetzungsregelung zu einem Steuerpflichtigen zusammenschließen. 663 Dies gilt jedoch einschränkend nur für inländische Mitglieder einer Organschaft. Die Wirkungen des Art. 11 MwStSyst-RL gelten nicht für grenzüberschreitende Organschaften („in seinem Gebiet“). Aufgrund der vergleichbaren Wirkung stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen FCE Bank und den Regeln zu Mehrwertsteuergruppen. Soweit es sich um Mehrwertsteuergruppen handelt, deren Mitglieder alle selbstständige Steuerpflichtige ohne Niederlassungen im Ausland sind, 661 662 663
Vgl. Martins, Intertax 2009, 322 (325). Ebenso Martins, Intertax 2009, 322 (325). So insbesondere in Deutschland, vgl. anstatt vieler Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 44 Rz. 31. Ebenso Österreich, vgl. Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl. 2011, § 2 Rz. 104. Andere Länder hingegen sehen bei Vorliegen einer Mehrwertsteuergruppe lediglich gewisse Erleichterungen im Verfahren der Mehrwertsteuererklärung und -erhebung vor, so beispielsweise Frankreich, vgl. Article 1693 ter im Code général des impôts.
173
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
kommt es zu keinen Überschneidungen. Im Übrigen entspricht eine inländische Mehrwertsteuergruppe einem rein inländischen Steuerpflichtigen mit mehreren festen Niederlassungen im Inland. Der Wirkungskreis mehrfachansässiger Steuerpflichtiger ist allerdings weiter, sofern eine oder mehrere der festen Niederlassungen im Ausland gelegen sind. Die Ratio von FCE Bank wird nämlich nicht auf das Inland beschränkt. In dem Fall hat eine inländische Mehrwertsteuergruppe die gleiche Wirkung wie mehrfach ansässige Steuerpflichtige. Es gibt lediglich Unterschiede hinsichtlich der Voraussetzungen, da die Wirkung der Mehrwertsteuergruppe nur bei Vorliegen aller Voraussetzungen eintritt 664 und sofern eine entsprechende Wirkung in den jeweiligen nationalen Umsetzungsregelungen vorgesehen ist. Man kann folglich davon sprechen, dass der Steuerpflichtige mit mehreren festen Niederlassungen in mehreren Ländern eine spezielle grenzüberschreitende Mehrwertsteuergruppe ist. 665 Warum also beschränkt die MwStSyst-RL Mehrwertsteuergruppen im Sinne des Art. 11 MwStSyst-RL auf das Inland, wenn es auch grenzüberschreitende „Mehrwertsteuergruppen“ in speziellen Fällen gibt? Oder sollte man sogar darüber diskutieren, ob sich aus der ausdrücklichen Beschränkung auf inländische Mehrwertsteuergruppen auch eine entsprechende Beschränkung für grenzüberschreitende Steuerpflichtige herleiten lässt. Dies erscheint allerdings mehr als fraglich, da Art. 11 MwStSyst-RL zum einen als Ausnahmevorschrift zu verstehen ist, aus der sich gerade keine allgemeinen Regeln herleiten lassen. Zudem lässt der Wortlaut des Art. 11 MwStSyst-RL eine solche Interpretation nicht zu. Schließlich ist auch die Entstehungsgeschichte vor Einführung des Art. 11 MwStSyst-RL zu beachten. Als die Mehrwertsteuergruppe in das europäische Mehrwertsteuersystem eingeführt wurde, befürchteten einige Staaten (Wettbewerbs-)Nachteile, sollte man die Wirkungen der Mehrwertsteuergruppe nicht auf das Inland beschränken. Man befürchtete insbesondere Gestaltungen, die die Zuordnung des Mehrwertsteueraufkommens verschieben und so zu Steuerausfällen für einzelne Mitgliedstaaten führen könnten. 666 Zudem sah man große 664
665
666
Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Option der MwSt-Gruppe gemäß Art. 11 MwStSyst-RL, KOM(2009) 325, Brüssel, 2.7.2009, S. 9 f.; Meyer, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 2 Rz. 91. Vgl. in diesem Sinne Amand, IVM 2007, 237 (243); Parolini, in: Maisto (Hrsg.), International and EC Tax Aspects of Groups of Companies, 2008, S. 103 (116). Auch Hamacher/Grundt, DStR 2006, 2157 (2160) gehen in diese Richtung, wenngleich mit zweifelhaften Schlussfolgerungen. Siehe dazu Europäische Kommission, Mitteilung über die Option der MwSt-Gruppe gemäß Art. 11 MwStSyst-RL, KOM(2009) 325, Brüssel, 2.7.2009, S. 8; Amand, IVM 2007, 237 (239); Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 157 f.; Reiß, in:
174
Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
Schwierigkeiten bei der Ausgestaltung der damit einhergehenden Regelungen, unter anderem bezüglich des Vorsteuerabzugsrechts grenzüberschreitender Mehrwertsteuergruppen. 667 Letztlich waren nicht alle Mitgliedstaaten von der Einführung einer obligatorischen Gruppenregelung zu überzeugen, weshalb sie den Mitgliedstaaten als Option anheimgestellt wurde. 668 Schon aus diesem Grund ist eine einheitliche Anwendung auf grenzüberschreitende Mehrwertsteuergruppen kaum denkbar. 669 Demgegenüber ist die NichtSteuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten dem Mehrwertsteuersystem immanent. Im Gegensatz zur Mehrwertsteuergruppe bedarf es für diese Fälle keiner ausdrücklichen Regelung, um die Nicht-Steuerbarkeit zu gewährleisten. Die unterschiedliche Behandlung folgt daher aus dem einseitigen Bedürfnis, die Nicht-Steuerbarkeit grenzüberschreitender Dienstleistungen innerhalb von Mehrwertsteuergruppen ausdrücklich regeln zu müssen und dem Unwillen der Mitgliedstaaten, dies zu tun. Mehrwertsteuergruppen und Steuerpflichtige mit mehreren festen Niederlassungen müssen daher als zwei parallele, aber unabhängige Konstruktionen verstanden werden. Sofern es daher zu teilweisen Überschneidungen kommt, haben diese keine Auswirkungen aufeinander. Die Regelungen zur Mehrwertsteuergruppe können keine andere Behandlung unternehmensinterner Dienstleistungen herbeiführen und umgekehrt.
5.
Neutralität, Verbrauchsortprinzip und Praktikabilität
Nachdem die Entscheidung des EuGH in FCE Bank eingehend mit Blick auf das Mehrwertsteuersystem untersucht wurde, wird an dieser Stelle auf die zu Beginn entwickelten Prinzipien eingegangen. Es stellt sich nämlich die Frage, ob die Entscheidung, wonach unternehmensinterne Dienstleistungen nicht steuerbar sind, neutral und praktikabel ist sowie das Verbrauchsort-
667 668
669
Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 125; van Norden, in: Weber/da Silva (Hrsg.), From Marks & Spencer to X Holding, 2011, S. 161 (165); Zuidgeest, IVM 2010, 25 (25 f.). Diese Gefahr ist für Leistungen innerhalb eines Landes nicht gegeben, da Besteuerung entsprechend dem Verbrauchsort in jedem Fall in dem fraglichen Land stattfindet und durch Tarifunterschiede motivierte Gestaltungen mangels Unterschieden keinen Sinn machen. Vgl. dazu Amand, IVM 2010, 20 (22). Die Kommission spricht in diesem Zusammenhang von einer „Abweichung von den normalen gemeinschaftlichen Mehrwertsteuerregelungen“ und unterstreicht so den Ausnahmecharakter der Organschaftsregeln, vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Option der MwSt-Gruppe gemäß Art. 11 MwStSyst-RL, KOM(2009) 325, Brüssel, 2.7.2009, S. 2. Zu den Schwierigkeiten siehe Amand, IVM 2007, 237 (240); Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 154 f.; Zuidgeest, IVM 2010, 25 (26).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
prinzip ausreichend berücksichtigt. Teilweise wurde bereits mit Blick auf einzelne Aspekte Rückgriff auf diese Prinzipien genommen. Unabhängig davon soll an dieser Stelle untersucht werden, ob die Steuerbarkeit oder die Nicht-Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen eher dem Verbrauchsort- und dem Neutralitätsprinzip entspricht und welcher Ansatz praktikabler ist. a)
Verbrauchsortprinzip
Entsprechend dem Verbrauchsortprinzip soll die Belastung mit Mehrwertsteuer grundsätzlich in dem Land erfolgen, wo der Ort des Endverbrauchs (vermutlich) liegt. 670 Erreicht wird dies über die Ortsbestimmungsregeln, die den Ort der Besteuerung in Annährung an den Endverbrauch bestimmen. Indem unternehmensinterne Dienstleistungen, egal ob zunächst extern bezogen oder intern erbracht, jedoch im System der MwStSyst-RL als nichtsteuerbar erachtet werden, kommen die Ortsbestimmungsregeln gar nicht erst zur Anwendung. Lediglich bei extern bezogenen und dann weitergeleisteten Dienstleistungen wird bei Erstbezug eine Ortsbestimmung vorgenommen. Ob diese im Übrigen korrekt beziehungsweise möglich ist, bleibt dabei fraglich. 671 Wird diese Eingangsleistung, die zum Beispiel vom Hauptsitz als Empfänger erworben wurde, dann an eine oder mehrere verschiedene feste Niederlassungen in anderen Ländern weitergeleistet, findet der anteilige Verbrauch zwar in den jeweiligen Ländern der festen Niederlassungen statt. Dies spiegelt sich mangels Anwendbarkeit der Ortsbestimmungsregeln allerdings nicht in einer Zuordnung des Besteuerungsrechts auf diese Länder wider. 672 Es lässt sich daher feststellen, dass die Nicht-Steuerbarkeit extern bezogener und dann weitergeleisteter Dienstleistungen nicht ausreichend das Verbrauchsortprinzip berücksichtigt. Besteuerung und das Verbrauchsortprinzip fallen daher auseinander. Unabhängig davon wäre zu beurteilen, ob auch die Nicht-Steuerbarkeit intern erbrachter Dienstleistungen dem Verbrauchsortprinzip widerspricht. Hierzu müsste jedoch vorrangig die Frage erörtert werden, ob interne Wertschöpfung überhaupt besteuert werden sollte. Diese allgemeine Frage muss an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben. 673 670 671 672 673
Dazu ausführlich 2. Teil: I. 1. Siehe dazu bereits ausführlich oben 3. Teil: I. 3. d) und II. 2. b) (1) Im Ergebnis so wohl auch Amand, IVM 2007, 237 (248). Insbesondere mit Blick auf die hier interessierende Recharge Methode ist die Frage nach der Steuerbarkeit interner Wertschöpfung nicht von Relevanz, vgl. dazu auch 4. Teil: II. 3. b) (2) und 4. d) (3) (a).
176
Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
b)
Neutralitätsgrundsatz
(1)
Bezug zur Besteuerung am Verbrauchsort
Indem die Besteuerung entsprechend dem Verbrauchsortprinzip unterbleibt, ist zugleich die Neutralität der Besteuerung in Frage gestellt. Entsprechend dem Neutralitätsgrundsatz soll die Belastung mit Mehrwertsteuer bei dem Endverbraucher unabhängig von dem Steuerpflichtigen und insbesondere seiner Herkunft erfolgen. Die Anzahl der Zwischenumsätze bis zur Leistungserbringung an den Endverbraucher hat ebenso wenig Einfluss auf die Höhe der Belastung mit Mehrwertsteuer. Des Weiteren muss die Mehrwertsteuer insofern neutral sein, als dass nur der Endverbraucher proportional zum Preis mit Mehrwertsteuer belastet wird, Steuerpflichtige hingegen unbelastet bleiben. Insbesondere um den ersten Punkt zu realisieren, kommt der Zuordnung des Besteuerungsrechts entsprechend dem Verbrauch maßgebliche Bedeutung zu. Wird nämlich am Ort des Verbrauchs besteuert, fällt die Höhe der Mehrwertsteuerbelastung unabhängig von der Herkunft des Steuerpflichtigen beziehungsweise der Dienstleistung aus. 674 Allerdings stellt sich die Frage, ob die Höhe der Mehrwertsteuerbelastung aufgrund der Nicht-Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen beeinflusst wird. Wird eine Dienstleistung beispielsweise durch den Hauptsitz in Deutschland erworben beziehungsweise intern erbracht und an die feste Niederlassung in Italien weitergeleistet, die dann damit steuerbare Ausgangsleistungen erbringt, hat die unternehmensinterne Dienstleistung zunächst keine Auswirkung auf die Ausgangsleistung mit Blick auf den Zusammenhang von Verbrauchsortprinzip und Neutralitätsprinzip. Bezüglich der Ausgangsleistung wird wie bei jeder anderen Dienstleistung entsprechend den einschlägigen Ortsbestimmungsregeln besteuert. Sofern diese Ortsbestimmungsregeln das Verbrauchsortprinzip verwirklichen, liegen keine sonstigen Bedenken bezüglich des Neutralitätsprinzips vor. (2)
Bezug zum Vorsteuerabzugsrecht Steuerpflichtiger
Da Steuerpflichtige des Weiteren ohnehin von Mehrwertsteuer unbelastet sein sollen und daher grundsätzlich ein Vorsteuerabzugsrecht haben, ist es für den Steuerpflichtigen mit mehreren festen Niederlassungen im Ergebnis irrelevant, in welchem Land er eine Eingangsleistung zum Vorsteuerabzug bringen kann. Ob der Steuerpflichtige daher nur eine Eingangsleistung bei externem Bezug hat oder eine weitere „Eingangsleistung“ bei der empfangenden Niederlassung der unternehmensintern weitergeleisteten Dienstleis674
Siehe dazu ausführlich oben 2. Teil: II. 2.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
tung vorliegt, bringt für das Neutralitätsprinzip aufgrund des Vorsteuerabzugsrechts keinen Unterschied. Allerdings muss insofern einschränkend auf Steuerpflichtige mit einem beschränkten Vorsteuerabzugsrecht hingewiesen werden. Hat ein Steuerpflichtiger nur ein eingeschränktes Vorsteuerabzugsrecht, da er auch nichtsteuerbare oder nicht-steuerpflichtige Ausgangsumsätze tätigt, kann es durchaus relevant sein, in welchem Land mit welchem Mehrwertsteuertarif er eine extern bezogene Dienstleistung, die dann weitergeleistet wird oder irgendwie in Zusammenhang mit intern erbrachten Dienstleistungen steht, bezieht. Dies ist häufig der Grund, warum feste Niederlassungen in Ländern mit niedrigerem Mehrwertsteuertarif als Einkaufsbetriebsstätte herangezogen werden, um durch diese Gestaltung bei eingeschränktem Vorsteuerabzugsrecht die endgültige Belastung mit Mehrwertsteuer zumindest zu verringern. 675 Die mit solchen Gestaltungen einhergehende unterschiedliche endgültige Belastung mit Mehrwertsteuer widerspricht folglich einer neutralen Behandlung aller Steuerpflichtigen, denn der Steuerpflichtige, der die Möglichkeit hat, grenzüberschreitend unter Verwendung fester Niederlassungen steuergünstig Dienstleistungen zu erwerben, ist gegenüber allen anderen Steuerpflichtigen im Vorteil. 676 Die Belastung mit Mehrwertsteuer bei dem Endverbraucher ist dann sehr wohl unterschiedlich, je nachdem welcher Steuerpflichtige die fragliche Dienstleistung erbringt. Bei Steuerpflichtigen mit beschränktem Vorsteuerabzugsrecht hat die Nicht-Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen demnach Beschränkungen des Neutralitätsprinzips zur Folge. (3)
Der Vergleich zur Behandlung unternehmensinterner Lieferungen (Art. 17 Abs. 1 MwStSyst-RL)
Wie bereits erörtert, steht Art. 17 Abs. 1 MwStSyst-RL aufgrund seines Ausnahmecharakters nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz der NichtSteuerbarkeit unternehmensinterner Leistungen. 677 Jedoch rechtfertigt der Ausnahmecharakter des Art. 17 Abs. 1 MwStSyst-RL nicht, warum eine entsprechende Fiktion nicht auch zwingend für Dienstleistungen eingeführt 675
676 677
Daher werden unternehmensinterne Dienstleistungen in manchen Ländern als steuerbar behandelt, um Gestaltungen zu verhindern, vgl. Englisch, IStR 2009, 526 (527). Siehe auch Amand, IVM 2007, 237 (248); Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/ Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (725 f.); Europäische Kommission, Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG v. 23.12.2003, KOM(2003) 822, S. 11; Swinkels, IVM 2006, 415 (415, 418). Vgl. ebenso Eskildsen, Intertax 2012, 44 (45); Glauser, IVM 2010, 31 (34). Siehe dazu oben 3. Teil: II. 4. b).
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Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
wird. Indem nur bestimmte unternehmensinterne Lieferungen steuerbar sind, werden diese anders als sonstige Lieferungen und Dienstleistungen behandelt. 678 Sofern es sich hierbei um substituierbare Güter handelt, kann die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung insoweit nicht mehr gewährleistet werden. Denn dann könnten Steuerpflichtige eine Lieferung durch eine entsprechende Dienstleistung substituieren und umgekehrt, um der Steuerbarkeit zu entgehen beziehungsweise diese herzustellen. Zwar mag es praktisch nur wenige Lieferungen geben, die durch eine Dienstleistung substituierbar sind. Jedoch ist es gerade im elektronischen Bereich nicht völlig abwegig. Man bedenke in diesem Zusammenhang etwa die Unterscheidung zwischen dem Kauf einer Standardsoftware (Lieferung) und einer solchen, die auf die persönlichen Bedürfnisse des Dienstleistungsempfängers zugeschnitten ist (Dienstleistung). 679 Selbst wenn die verschiedenen Leistungen nicht im Wettbewerb stehen, liegt dennoch eine Ungleichbehandlung zwischen verschiedenen Leistungsarten vor. Diese Ungleichbehandlung kann auch nicht durch die optionale Regelung in Art. 27 MwStSyst-RL beseitigt werden. Zwar sieht diese Regelung die Möglichkeit vor, unternehmensinterne Dienstleistungen zu besteuern. Allerdings handelt es sich hierbei um eine nicht zwingend durch die Mitgliedstaaten umzusetzende Regelung, welche zudem nur eine sehr geringe praktische Bedeutung hat. 680 Trotz dieser Regelung kommt es daher zu einer faktischen Ungleichbehandlung, welche rechtfertigungsbedürftig ist. Zweck der Ausnahmeregel in Art. 17 Abs. 1 MwStSyst-RL ist es, dem Verbrauchsort gerecht zu werden und so unter anderem Gestaltungen zu verhindern. 681 Dieser Zweck allein kann jedoch keine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen, da diese Probleme beziehungsweise Ziele in gleichem Maße für Dienstleistungen gelten beziehungsweise verwirklicht werden müssen. Im Gegenteil wird durch eine einseitige Verwirklichung der genannten Zwecke nur für Lieferungen die Ungleichbehandlung noch verschärft. Eine Rechtfertigung könnte sich allenfalls aus der unterschiedlichen Erhebungstechnik ergeben. Bei grenzüberschreitenden Lieferungen wird das 678 679
680 681
Siehe auch Amand, IVM 2007, 237 (242). Eine Gleichbehandlung befürwortend Glauser, IVM 2010, 31 (34). Vgl. EuGH, Urteil v. 27.10.2005 – C-41/04 (Levob), Rz. 27 ff.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 17 Rz. 101; van Doesum/van Norden, in: Ecker/Lang/Lejeune (Hrsg.), The Future of Indirect Taxation, 2012, S. 707 (710). Vgl. Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (186), dort Fn. 109. Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 1a Rz. 261; Slapio, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 54 Rz. 1; Tehler, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 1a Rz. 83. Siehe auch Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (719).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Verbrauchsortprinzip durch eine Befreiung bei Ausfuhr und eine Belastung bei Einfuhr erreicht. Mangels Körperlichkeit ist diese Erhebungstechnik bei Dienstleistungen kaum möglich, weshalb hier direkt eine Zuordnung des Besteuerungsrechts durch Zuordnung des Leistungsorts entsprechend den Ortsbestimmungsregeln für Dienstleistungen vorgenommen wird. Diese unterschiedliche Erhebungstechnik folgt im Wesentlichen aus der Körperlichkeit von Lieferungen, bei denen der Grenzübertritt physisch darstellbar ist. Mangels physischen Grenzübertritts werden Dienstleistungen daher näherungsweise direkt einem Leistungsort zugeordnet. Entsprechend könnte man argumentieren, dass die Zuordnung zu einer Niederlassung eines Gesamtsteuerpflichtigen nur bei physischem Grenzübertritt darstellbar ist, nicht jedoch bei unkörperlichen Dienstleistungen. Zugrunde liegt also der Praktikabilitätsgedanke. Diese Begründung zur Rechtfertigung der erkannten Ungleichbehandlung greift jedoch zu kurz. Nur weil Lieferungen physisch einer Niederlassung zugeordnet werden, bedeutet dies nicht, dass Dienstleistungen nicht zugeordnet werden können. Wäre dies der Fall, wären die geltenden Ortsbestimmungsregeln für Dienstleistungen, die ausdrücklich zwischen Stammsitz und festen Niederlassungen als Empfänger differenzieren, ebenfalls fehlgeleitet. Da aber die Art. 44, 45 MwStSyst-RL offensichtlich davon ausgehen, dass auch Dienstleistungen einer Niederlassung des Gesamtsteuerpflichtigen als Empfänger zugeordnet werden können, muss dies grundsätzlich auch bei unternehmensinternen Dienstleistungen möglich sein. Daher lässt sich die Ungleichbehandlung unternehmensinterner Dienstleistungen nicht aus den Unterschieden zwischen Lieferungen und Dienstleistungen bezüglich ihrer Körperlichkeit erklären. Vielmehr verlangte ein folgerichtiges Besteuerungskonzept, auch unternehmensinterne Dienstleistungen wie unternehmensinterne Lieferungen zu behandeln und dabei das jeweilige Zuordnungskonzept zu verwenden. Als Begründung für die unterschiedliche Behandlung von Lieferungen und Dienstleistungen kann weiterhin nicht die Schonung Steuerpflichtiger, die steuerbefreite Dienstleistungen erbringen, herangezogen werden. Insofern wird vertreten, dass Lieferanten typischerweise steuerpflichtige Umsätze tätigen, während Dienstleister häufig abzugsschädliche Umsätze tätigen. Als Beispiele seien hier Versicherungsunternehmer und Banken als klassische Dienstleistungsunternehmen genannt. Um für die zweite Gruppe an Steuerpflichtigen zusätzliche Belastungen durch endgültige Belastung mit Mehrwertsteuer und sogar doppelte Besteuerung dieser Umsätze zu vermeiden, sollen Dienstleistungen generell nicht steuerbar sein bei unternehmensinterner Erbringung. Da diese Gefahr bei Lieferungen typisierend nicht in glei180
Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
chem Maße besteht, können Lieferungen daher als steuerbar behandelt werden. 682 Bereits das Erfordernis einer typisierenden Betrachtung zeigt, dass die beschriebene Annahme nicht für alle Dienstleistungserbringer zutrifft. Man würde also, um einem bestimmten Teil an Steuerpflichtigen einen Vorteil zu gewähren, viele andere ebenso behandeln und umgekehrt. Zudem würde sich eine solche Vorgehensweise als behelfsmäßige Lösung eines durch andere Regelungen verursachten Problems, nämlich der Steuerbefreiungen und dem damit verbundenen Vorsteuerabzugsausschluss, darstellen. Dies kann nicht für eine Rechtfertigung genügen. Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass die Regelung in Art. 17 Abs. 1 MwStSyst-RL zu einer Ungleichbehandlung führt, die nicht gerechtfertigt werden kann. (4)
Der Vergleich zu Konzernstrukturen
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass teilweise ein Verstoß gegen das Neutralitätsprinzip als möglich erachtet wird aufgrund der unterschiedlichen Behandlung von Hauptsitz / fester Niederlassung-Konstellationen im Vergleich zu Mutter / Tochter-Konstellationen. 683 Während Dienstleistungen zwischen Ersteren als nicht-steuerbar gelten, werden Letztere grundsätzlich besteuert, es sei denn eine Mehrwertsteuergruppe gemäß Art. 11 MwStSystRL liegt vor und die nationale Umsetzungsnorm behandelt Leistungen zwischen Gruppenmitgliedern als nicht-steuerbar. Dies gilt zumindest für die Fälle, in denen eine zivilrechtlich selbstständige Tochter nicht entsprechend der bereits erörterten Rechtsprechung des EuGH in DFDS 684 als feste Niederlassung anzusehen ist. Aufgrund des besonderen Näheverhältnisses zwischen Gesellschaften in Konzernstrukturen könnte hier ebenfalls argumentiert werden, dass eine Gleichbehandlung von konzerninternen Leistungen und Leistungen innerhalb eines mehrfachansässigen Steuerpflichtigen erforderlich ist. Allerdings liegt hier bereits keine Vergleichbarkeit vor. Die Differenzierung zwischen verschiedenen festen Niederlassungen eines Steuerpflichtigen dient in erster Linie der am Verbrauchsortprinzip orientierten Zuordnung 682 683
684
Vgl. zu dieser Überlegung Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (714). Siehe Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (719); Kristoffersson, in: Lang/Lejeune (Hrsg.), Improving VAT/GST, 2014, 519 (522); Zuidgeest, IVM 2010, 25 (28). EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – C-260/95. Siehe auch 3. Teil: I. 3. c) (2) (d) iii.
181
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
nach den Ortsbestimmungsregeln. Es handelt sich jedoch weiterhin um einen einzigen Steuerpflichtigen. 685 Umgekehrt handelt es sich bei Müttern und selbstständigen Töchtern um getrennte Steuerpflichtige, die sich für Zwecke der Beurteilung von Leistungen grundsätzlich wie fremde Dritte gegenüberstehen. Da es sich also im ersten Fall um einen Steuerpflichtigen, im zweiten Fall hingegen um zwei Steuerpflichtige handelt, können diese Konstellationen daher nicht miteinander verglichen werden. 686 Gerade dieser Unterschied erklärt auch, warum Leistungen bei Hauptsitz / fester Niederlassung-Konstellationen als nicht-steuerbar anzusehen sind, nicht jedoch Leistungen zwischen Gesellschaften innerhalb eines Konzerns. Insofern kann daher keine Verletzung des Neutralitätsprinzips in seiner Ausprägung als Wettbewerbsneutralität in Betracht kommen. Des Weiteren ist keine Verletzung des Neutralitätsprinzips in seiner Ausprägung als Rechtsformneutralität ersichtlich, da die Vergleichbarkeit an der (fehlenden) Eigenschaft als Steuerpflichtiger scheitert, welche wiederum nicht anhand der Rechtsform zu beurteilen ist. c)
Praktikabilität
Da die unternehmensinternen Dienstleistungen nicht steuerbar sind, erübrigen sich die sonstigen Erklärungspflichten und Ähnliches, die mit steuerbaren Ausgangsumsätzen einhergehen. Der Steuerpflichtige muss folglich keine Vorsteuer bezüglich der unternehmensinternen Dienstleistung melden und im Anschluss kein Vorsteuerabzugsrecht geltend machen. Der Steuerpflichtige muss folglich gar nichts tun, was offensichtlich aus seiner Sicht zu einer Verringerung der Lasten in Zusammenhang mit der Anwendung der Mehrwertsteuergesetze führt. Dies gilt ebenso für die Verwaltung, die weniger Vorgänge bearbeiten muss, die ihr andernfalls gemeldet würden. Insbesondere bleibt es beiden erspart, über die Zuordnung der unternehmensinternen Dienstleistungen sowie die Angemessenheit der Vergütung für die unternehmensinterne Dienstleistung und die damit einhergehenden Bewertungsfragen zu diskutieren. 687 Damit wird erhebliches Konfliktpotential zwischen Steuerpflichtigem und Verwaltung vermieden. Die einfachere Handhabung der Regelungen zum Mehrwertsteuersystem erfüllt insofern die Anforderungen an ein praktikables Mehrwertsteuersystem.
685 686 687
Siehe hierzu ausführlich oben 3. Teil: I. 1. a) (3) und 3. b) (1). Im Ergebnis so auch Zuidgeest, IVM 2010, 25 (28). Vgl. auch Englisch, IStR 2009, 526 (527); Zuidgeest, IVM 2010, 25 (25).
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Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
Allerdings wurden bereits zuvor die Schwierigkeiten für dritte Dienstleistungserbringer beschrieben, die nicht immer ohne Weiteres den richtigen Empfänger einer Dienstleistung bestimmen können. Bei Zweifeln obliegen ihnen umfassende Nachforschungspflichten, um den richtigen Empfänger zu ermitteln. Wären unternehmensinterne Dienstleistungen steuerbar, wäre die Zuordnung zu einem Empfänger unter Verbrauchsortgesichtspunkten nicht mehr von ausschlaggebender Wichtigkeit, da bei falscher Zuordnung auf erster Stufe eine Korrektur durch Besteuerung der anschließenden unternehmensinternen Dienstleistungen erfolgen kann. Dem dritten Dienstleistungserbringer könnten so Erkundigungspflichten ebenso wie die Gefahren einer falschen Zuordnung erspart bleiben. Aus der Sicht des dritten Dienstleistungserbringers ist die Nicht-Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen folglich nicht immer die praktikabelste Lösung. 688 Es lässt sich daher feststellen, dass das Erfordernis einer praktikablen Anwendbarkeit des Mehrwertsteuersystems nicht eindeutig durch den SingleEntity-Ansatz erfüllt werden kann. d)
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Nicht-Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen sowohl gegen das Verbrauchsort- als auch das Neutralitätsprinzip verstößt. Demgegenüber sprechen Praktikabilitätsaspekte teilweise für die Nicht-Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen. Bevor daher eine abschließende Entscheidung getroffen wird, muss zunächst der demgegenüber stehende Seperate-Entity-Ansatz anhand der Maßstäbe untersucht werden. Dies wird im folgenden Kapitel geschehen.
6.
Exkurs: Die feste Niederlassung als Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe
Es stellt sich die Frage, wie die Rechtsprechung in FCE Bank zu beurteilen ist, wenn feste Niederlassungen Teil einer Mehrwertsteuergruppe sind. Insoweit ist bereits umstritten, ob und inwieweit feste Niederlassungen überhaupt einer Mehrwertsteuergruppe beitreten können. Unter den Befürwortern ist des Weiteren umstritten, ob die Rechtsprechung in FCE Bank auch dann anwendbar ist, wenn grenzüberschreitende Dienstleistungen zwischen Niederlassungen eines Steuerpflichtigen stattfinden, von denen eine feste
688
Siehe auch Glauser, IVM 2010, 31 (34 f.).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Niederlassung beziehungsweise der Sitz Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe ist. a)
Alleinige Mitgliedschaft der festen Niederlassung
Nach einer weit verbreiteten Ansicht können auch feste Niederlassungen Teil einer Mehrwertsteuergruppe werden. 689 Jedoch differenzieren insofern einige danach, ob die feste Niederlassung selbstständiges Mitglied der Mehrwertsteuergruppe wird oder ob der Steuerpflichtige insgesamt der Mehrwertsteuergruppe beitritt, deren Wirkungen jedoch nur für die inländischen Niederlassungen eintreten. Entsprechend dieser Ansicht können feste Niederlassungen nicht selbstständig einer Mehrwertsteuergruppe beitreten. 690 Diese Frage wurde nunmehr in der Rechtssache Skandia America 691 thematisiert. In dieser Rechtssache wurde der EuGH gefragt, ob „extern erworbene Dienstleistungen, die von der Hauptniederlassung eines Unternehmens in einem Drittland an seine Zweigniederlassung in einem Mitgliedstaat erbracht werden und bei denen die Kosten für den Erwerb der Zweigniederlassung zugewiesen werden, steuerpflichtige Umsätze dar[stellen], wenn die Zweigniederlassung zu einer Mehrwertsteuergruppe in diesem Mitgliedstaat gehört“ 692. Generalanwalt Wathelet verneint diese Frage in seinen Schlussanträgen, da Zweigniederlassungen nicht selbstständig einer Mehrwertsteuergruppe beitreten könnten, was bei der fraglichen Niederlassung jedoch scheinbar der Fall war. 693 Zur Begründung dieses Ergebnisses führt er den Wortlaut von Art. 9 und 11 MwStSyst-RL an. Während Art. 11 MwStSystRL von „ansässige Personen“ spricht, verwendet Art. 9 MwStSyst-RL ein einfaches „wer“. Daraus folgert Generalanwalt Wathelet, dass Art. 9 MwStSyst-RL weiter sei als Art. 11 MwStSyst-RL, sodass „ansässige Personen“ jeder sein könne, der eine Rechtspersönlichkeit besitzt, also natürliche und 689
690
691 692 693
Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Option der MwSt-Gruppe gemäß Art. 11 MwStSyst-RL, KOM(2009) 325, Brüssel, 2.7.2009, S. 7 f.; Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 45 Rz. 101; Ehrke-Rabel, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, 117 (121); wohl auch Neyt, in: Maisto (Hrsg.), International and EC Tax Aspects of Groups of Companies, 2008, S. 209 (242); Vyncke, IVM 2007, 250 (256); siehe auch der Vortrag der deutschen Regierung in der Rechtssache Skandia America, vgl. GA Wathelet, Schlussanträge v. 8.5.2014 – C-7/13, Rz. 26. Diese Ansicht vertrat die Regierung des Vereinigten Königreichs in der Rechtssache Skandia America, vgl. GA Wathelet, Schlussanträge v. 8.5.2014 – C-7/13, Rz. 31 f.; ebenso Wüst, MwStR 2014, 425 (427). Aktenzeichen C-7/13. Erste Vorlagefrage in der Rechtssache C-7/13 (Skandia America). Vgl. GA Wathelet, Schlussanträge v. 8.5.2014 – C-7/13 (Skandia America), Rz. 45 ff.
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Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
juristische Personen. Zweigniederlassungen könnten demnach keine Person im Sinne des Art. 11 MwStSyst-RL sein und somit nicht einer Mehrwertsteuergruppe beitreten. Nur der Steuerpflichtige als Ganzes könne dies tun. 694 Dem Ergebnis ist zwar teils zuzustimmen, allerdings kann diese Argumentation nicht vollständig überzeugen, da zum einen die Funktion fester Niederlassungen nicht ausreichend berücksichtigt wird und zum anderen einer rechtlichen Betrachtungsweise der Vorzug vor einer wirtschaftlichen gegeben wird. Wie bereits umfangreich erläutert, dient das Konzept der festen Niederlassung in erster Linie dazu, Besteuerungsrechte entsprechend dem Verbrauchsortprinzip aufzuteilen, indem feste Niederlassungen als Anknüpfungspunkt für Ortsbestimmungsregeln herangezogen werden. Daher muss der Begriff „ansässige Personen“ in Art. 11 MwStSyst-RL insbesondere mit Blick auf diese Funktion ausgelegt werden und nicht rein rechtlich als natürliche und juristische Personen. 695 Auch feste Niederlassungen sind ansässige Personen im Sinne des Art. 11 MwStSyst-RL, da sie der konzeptionelle Anknüpfungspunkt für mehrfachansässige Steuerpflichtige sind. 696 Aufgrund des Grundsatzes der Unternehmenseinheit muss nämlich der Gesamtsteuerpflichtige als ansässig gelten. Die feste Niederlassung dient dabei letztlich nur dazu, einen ausreichenden territorialen Bezug in einem bestimmten Land für den Gesamtsteuerpflichtigen herzustellen. Ein Steuerpflichtiger mit mehreren festen Niederlassungen ist folglich dank seiner festen Niederlassungen mehrfachansässig. Als Folge des Grundsatzes der Unternehmenseinheit kann zugleich keine personelle Unterscheidung zwischen dem Steuerpflichtigen und seinen festen Niederlassungen vorgenommen werden, es handelt sich um eine Person für Zwecke des Mehrwertsteuerrechts. Eine Unterscheidung danach, ob die feste Niederlassung selbstständig oder der Steuerpflichtige insgesamt mit all seinen Niederlassungen der Organschaft beitritt, kann dann nur noch überflüssig sein. Eine solche Differenzierung verkennt, dass feste Niederlassungen bereits Teil des einheitlichen Steuerpflichtigen sind. 697 Indem diese Argumentation nach der Rechtspersönlichkeit differenziert, wird zudem nicht ausreichend eine wirtschaftliche Betrachtung berücksichtigt. Wie bereits mehrfach betont, kann das Fehlen oder Vorhandensein einer eigenen Rechtspersönlichkeit allenfalls indikativen Charakter zum Bei694 695 696 697
Vgl. GA Wathelet, Schlussanträge v. 8.5.2014 – C-7/13 (Skandia America), Rz. 44 ff. Ebenso wohl Wüst, MwStR 2014, 425 (429). Ebenso wohl auch F. Becker, UStB 2014, 346 (351). So scheinbar auch Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 160.
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
spiel für die Eigenschaft als feste Niederlassung haben, jedoch nicht allein als maßgebliches Merkmal bei der Auslegung einzelner Begriffe der MwStSyst-RL herangezogen werden. 698 Letztlich differenziert der Generalanwalt danach, ob die Niederlassung eine eigene Rechtspersönlichkeit hat oder nicht, nicht aber ob eine feste Niederlassung vorliegt oder nicht. Schließlich ist bereits aus praktischen Überlegungen nur schwer vorstellbar, wie im Einzelnen genau danach differenziert werden kann, ob die feste Niederlassung selbstständig oder der ganze Steuerpflichtige der Mehrwertsteuergruppe beitritt. Wesentliches Merkmal der festen Niederlassung ist ihre Abhängigkeit gegenüber dem Hauptsitz. Um Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe zu werden, muss finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung vorliegen. Obwohl diese Merkmale nicht identisch sind, gibt es dennoch gewisse Überschneidungen. Daher ist es nur schwer darstellbar, dass eine feste Niederlassung finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in eine (fremde) Mehrwertsteuergruppe eingegliedert und sogleich gegenüber ihrem Steuerpflichtigen abhängig ist. 699 Aus praktischer Sicht muss die Eingliederung in eine Mehrwertsteuergruppe das Verhältnis der festen Niederlassung zum Sitz beeinflussen, sodass diese entweder mangels Abhängigkeit keine feste Niederlassung des Steuerpflichtigen mehr ist oder auch der Steuerpflichtige insgesamt mit einbezogen wird in die Mehrwertsteuergruppe. Zusammenfassend ist eine Differenzierung danach, ob die feste Niederlassung selbstständig oder der ganze, mehrfachansässige Steuerpflichtige der Mehrwertsteuergruppe beitritt, abzulehnen. Feste Niederlassungen können als Teil eines Gesamtsteuerpflichtigen Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe werden, sofern die Voraussetzungen des Art. 11 MwStSyst-RL erfüllt sind. 700 Anders scheint dies allerdings der EuGH zu sehen. Ohne weiter auf die Ausführungen in den Schlussanträgen einzugehen, geht der EuGH davon aus, dass die fragliche feste Niederlassung einer Mehrwertsteuergruppe angehört und mit den anderen Gruppenmitgliedern einen einzigen Steuerpflichtigen 698
699 700
In diese Richtung gehend Parolini, in: Maisto (Hrsg.), International and EC Tax Aspects of Groups of Companies, 2008, S. 103 (104). Ebenso von Streit/Streit, MwStR 2014, 714 (716). Kritisch auch Endres, MwStR 2015, 916 (919). Vgl. auch Wüst, MwStR 2014, 425 (427 f.). Mit ähnlichen Überlegungen, wenn auch anderen Schlussfolgerungen Vyncke, IVM 2007, 250 (259). Vgl. insgesamt auch mit argumentativem Rückgriff auf das Prinzip der Unternehmenseinheit F. Becker, UStB 2014, 346 (351 ff.), der im Ergebnis allerdings zu anderen Ergebnissen kommt.
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Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
bildet. 701 Der EuGH scheint daher der Ansicht zu sein, dass eine feste Niederlassung auch allein Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe werden kann. 702 Diese Ansicht ist allerdings aufgrund der zuvor benannten Aspekte abzulehnen. b)
Steuerbarkeit interner Dienstleistungen
Wie bereits erwähnt, ist weiterhin umstritten, ob unternehmensinterne Dienstleistungen nicht steuerbar sind, wenn eine feste Niederlassung oder der Stammsitz eines Steuerpflichtigen Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe wird. Wird also beispielsweise der Stammsitz A Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe in Deutschland, stellt sich die Frage, ob intern erbrachte Dienstleistungen an seine feste Niederlassung B in den Niederlanden (oder umgekehrt) nicht steuerbar sind. Diese Frage stellte das vorlegende Gericht in Skandia America. 703 Einige betrachten feste Niederlassungen weiterhin als unselbstständigen Teil des Steuerpflichtigen, sodass FCE Bank folgend Dienstleistungen zwischen Stammsitz und fester Niederlassung weiterhin nicht steuerbar sind. 704 Insbesondere die Kommission, aber auch andere wollen FCE Bank in solchen Fällen hingegen nicht anwenden. 705 Die Kommission argumentiert damit, 701 702 703
704
705
EuGH, Urteil v. 17.9.2014 – C-7/13 (Skandia America), Rz. 28. Vgl. auch F. Becker, UStB 2014, 346 (349); zurückhaltender hingegen Stratton, BTR 2015, 19 (24 f.). Bezüglich dieser Frage können die Schlussanträge keine weiteren Anhaltspunkte liefern, da Generalanwalt Wathelet, wie bereits erläutert, bereits die Mitgliedschaft der festen Niederlassung an der Mehrwertsteuergruppe im konkreten Fall ablehnte. Er konnte diese nachgelagerte Frage daher nicht mehr beantworten. Jedoch beantwortet er hilfsweise die zweite Frage, welche sich maßgeblich auf diese nachgelagerte Frage stützte. Während es schon nicht der üblichen Vorgehensweise entspricht, Folgefragen hilfsweise zu beantworten, verwundert es darüber hinaus, wie er die zweite Frage hilfsweise beantwortet, ohne auf die dafür maßgebliche Frage nach der Steuerbarkeit der Dienstleistungen zwischen Sitz und fester Niederlassung, die Teil einer Mehrwertsteuergruppe sein soll, einzugehen. Insgesamt überzeugt dieses Vorgehen daher nicht. Vgl. so wohl Amand, IVM 2010, 20 (22); Birkenfeld, UR 2010, 198 (204 f.); ders., in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 45 Rz. 83 f.; Ehrke-Rabel, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 117 (122); Glaser, TaxAdviser 2008, 26 (27); Glauser, IVM 2010, 31 (35); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 127; bezüglich der deutschen Rechtsansicht Wüst, MwStR 2014, 425 (427); gegen die Ansicht der Kommission Zuidgeest, IVM 2010, 25 (27). Ebenso die bisherige deutsche Finanzverwaltungsauffassung, vgl. Abschn. 2.9 Abs. 6 UStAE. Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Option der MwSt-Gruppe gemäß Art. 11 MwStSyst-RL, KOM(2009) 325, Brüssel, 2.7.2009, S. 9. Ebenso scheinbar Irland, vgl. Amand, IVM 2007, 237 (240); Belgien geht in Missbrauchsfällen von der Steuerbarkeit aus, vgl. Neyt, in: Maisto (Hrsg.), International and EC Tax Aspects of Groups of Companies, 2008, S. 209 (243); auch Schweden geht in diesen Fällen von
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
dass sich durch Bildung einer Mehrwertsteuergruppe ein neuer Steuerpflichtiger bilde. Der Stammsitz / die feste Niederlassung werde Teil dieses neuen Steuerpflichtigen und könne daher nicht mehr einen einheitlichen Steuerpflichtigen mit den übrigen Niederlassungen bilden. 706 Dadurch komme FCE Bank, wonach die Steuerbarkeit gerade wegen der „Mitgliedschaft“ an dem Gesamtsteuerpflichtigen abgelehnt wird, nicht mehr zur Anwendung. 707 Der EuGH kam entgegen den Schlussanträgen zu dem Schluss, dass die feste Niederlassung Mitglied der Mehrwertsteuergruppe war, weshalb er Gelegenheit hatte, zu der Frage nach der Steuerbarkeit solcher interner Leistungen Stellung zu nehmen. Danach sei eine Dienstleistung, die der ausländische Stammsitz an die feste Niederlassung erbringt, nicht als an die feste Niederlassung, sondern zugunsten der Mehrwertsteuergruppe erbracht anzusehen. 708 Zudem seien der Stammsitz und seine feste Niederlassung nicht als ein Steuerpflichtiger anzusehen. 709 Daher sei die Erbringung einer Dienstleistung durch den Stammsitz an die feste Niederlassung steuerbar. 710 Der EuGH scheint damit die gleiche Ansicht wie die Kommission zu vertreten. Die Auffassung von EuGH und Kommission erklärt nicht ohne Weiteres, was mit den Niederlassungen im Ausland, die nicht Teil der inländischen Mehrwertsteuergruppe sind, geschieht. Wird lediglich eine feste Niederlassung Mitglied der Mehrwertsteuergruppe, sollte der Steuerpflichtige auch ohne diese feste Niederlassung ohne Probleme fortbestehen können. Handelt es sich jedoch um eine Mehrwertsteuergruppe im Land des Stammsitzes, stünden die festen Niederlassungen, die mangels Selbstständigkeit eigentlich nicht die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 MwStSyst-RL erfüllen, ohne den Teil des Gesamtsteuerpflichtigen da, der wesentliche Anforderungen der Steuerpflichtigeneigenschaft erfüllt. Allein aufgrund der Tatsache, dass der Stammsitz Teil einer Mehrwertsteuergruppe wird, tragen seine festen Niederlassungen nicht automatisch das Risiko und werden auch ansonsten nicht
706
707 708 709 710
der Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen aus, vgl. GA Wathelet, Schlussanträge v. 8.5.2014 – C-7/13 (Skandia America), Rz. 18, 33, 35. Befürwortend Parolini, in: Maisto (Hrsg.), International and EC Tax Aspects of Groups of Companies, 2008, S. 103 (117); Vyncke, IVM 2007, 250 (259). Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Option der MwSt-Gruppe gemäß Art. 11 MwStSyst-RL, KOM(2009) 325, Brüssel, 2.7.2009, S. 5, 9; so auch Vyncke, IVM 2007, 250 (259). Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Option der MwSt-Gruppe gemäß Art. 11 MwStSyst-RL, KOM(2009) 325, Brüssel, 2.7.2009, S. 9. Vgl. EuGH, Urteil v. 17.9.2014 – C-7/13 (Skandia America), Rz. 29 f. Vgl. EuGH, Urteil v. 17.9.2014 – C-7/13 (Skandia America), Rz. 31. Vgl. EuGH, Urteil v. 17.9.2014 – C-7/13 (Skandia America), Rz. 31.
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Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
selbstständig. 711 Die Eigenschaft als selbstständig und wirtschaftlich tätige Person beurteilt sich nämlich, wie bereits erläutert, anhand objektiver Tatsachen. Diese Tatsachen verändern sich jedoch nicht durch eine finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung des Stammsitzes in einen anderen Steuerpflichtigen. 712 Die Ansicht der Kommission und des EuGH hätte daher zur Folge, dass eine weitere Kategorie von Niederlassung neben Steuerpflichtigen und festen Niederlassungen geschaffen würde. Für eine solche weitere Kategorie gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte in der MwStSyst-RL und weder EuGH noch Kommission können dies gewollt haben. Auch umgekehrt bleiben die Tatsachen, wonach die feste Niederlassung gegenüber dem ausländischen Steuerpflichtigen abhängig ist, bestehen, wenn die feste Niederlassung daneben Teil einer Mehrwertsteuergruppe wird. 713 Geht man also davon aus, dass die Teilhabe an einer Mehrwertsteuergruppe für einen Teil des grenzüberschreitenden Steuerpflichtigen nicht dazu führt, dass die übrigen Niederlassungen selbstständig werden, führt eine wirtschaftliche Betrachtungsweise – wie oben umfassend erläutert – weiterhin dazu, dass unternehmensinterne Dienstleistungen grundsätzlich nicht steuerbar sind. Daher spricht auch die hier favorisierte wirtschaftliche Betrachtungsweise zunächst gegen eine Steuerbarkeit in den beschriebenen Fällen. 714 Allerdings bringt der EuGH zum Ausdruck, dass eine feste Niederlassung, indem sie Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe wird, mit den anderen Mitgliedern zu einem einzigen Steuerpflichtigen „verschmilzt“. Mit dieser Betrachtung kann man den soeben erörterten Schwierigkeiten entgegensetzen, dass die feste Niederlassung weiterhin Teil eines Steuerpflichtigen ist, allerdings nicht mehr des ursprünglichen. Dies erklärt hingegen nicht die umgekehrte Situation, wenn der Stammsitz Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe wird, da es der außerhalb der Mehrwertsteuergruppe existierenden festen
711
712 713 714
So auch die Beteiligtenvorträge in der Rechtssache Skandia America, vgl. GA Wathelet, Schlussanträge v. 8.5.2014 – C-7/13, Rz. 28; Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 160. Nicht unkritisch auch F. Becker, UStB 2014, 346 (353). Anders jedoch von Streit/Streit, MwStR 2014, 714 (718); wohl auch Endres, MwStR 2015, 916 (919). So auch Ehrke-Rabel, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 117 (127). So auch EuGH, Urteil v. 17.9.2014 – C-7/13 (Skandia America), Rz. 24 ff. Ähnlich Amand, IVM 2010, 20 (22); Ehrke-Rabel, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 117 (126 f.).
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
Niederlassung weiterhin an Selbständigkeit fehlt. 715 Als Konsequenz der „Verschmelzung“ zu einem neuen Steuerpflichtigen verfolgt der EuGH die Auffassung, dass nach der Systematik der Mehrwertsteuergruppe diese Erklärungen für die ganze Mehrwertsteuergruppe abgibt. Somit kann eine Dienstleistung nur gegenüber der ganzen Mehrwertsteuergruppe erbracht werden, da die einzelne feste Niederlassung aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Mehrwertsteuergruppe für sich keine Erklärungen mehr abgeben kann. 716 Diese Auffassung macht aber nur Sinn, wenn man davon ausgeht, dass feste Niederlassungen getrennt von ihrem Stammsitz Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe werden können. Dieser Ansicht scheint der EuGH zu folgen, indem er pauschal feststellt, dass die feste Niederlassung einer Mehrwertsteuergruppe angehört. Diese Auffassung ist, wie bereits oben erörtert, abzulehnen. Aufgrund der einheitlichen Betrachtung eines Steuerpflichtigen wird der Gesamtsteuerpflichtige mit seiner Niederlassung in dem jeweiligen Land Teil der Mehrwertsteuergruppe. Zudem geht der EuGH weiterhin davon aus, dass die feste Niederlassung von dem Stammsitz abhängig ist, obwohl sie Mitglied einer anderen Mehrwertsteuergruppe ist. 717 In konsequenter Fortführung der Rechtsprechung des EuGH in FCE Bank muss demzufolge auch bei der festen Niederlassung und dem Stammsitz in Skandia America kein Rechtsverhältnis möglich sein, sodass zwischen diesen keine ein Rechtsverhältnis begründenden Erklärungen abgegeben werden können. 718 Wenn aber eine feste Niederlassung nach Auffassung des EuGH in FCE Bank nie Erklärungen gegenüber ihrem Stammsitz abgeben kann, stellt sich die Frage, inwiefern sie dann als Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe diese Fähigkeit verlieren kann, sodass die fragliche Leistung nicht an sie, sondern die Mehrwertsteuergruppe erbracht wird. Die Argumentation des EuGH ist insofern widersprüchlich. 719 Zwar argumentiert der EuGH damit, dass nunmehr eine Erklärung gegenüber dem Steuerpflichtigen, der die Organschaft darstellt, abgegeben wird. In der Tat müssen Leistungen zwischen zwei unabhängigen Steuerpflichtigen entsprechend der Systematik des Mehrwertsteuerrechts als steuerbare Umsätze behandelt werden, da insofern ein Rechtsverhältnis möglich ist. 715
716 717 718 719
Zwar hat sich der EuGH zu dieser umgekehrten Fallgestaltung mangels Relevanz nicht geäußert, es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung in Skandia America auch auf solche Fälle anwendbar wäre, vgl. ebenso Kristoffersson, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 219 (222 f.). Zustimmend insofern von Streit/Streit, MwStR 2014, 714 (717). Vgl. EuGH, Urteil v. 17.9.2014 – C-7/13 (Skandia America), Rz. 26. Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 35 ff. Ähnlich Stratton, BTR 2015, 19 (25 f.).
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Unternehmensinterne Dienstleistungen bei Steuerpflichtigen mit festen Niederlassungen
Hingegen kam es bei Leistungen zwischen Stammsitz und fester Niederlassung als Folge der FCE Bank-Rechtsprechung nie auf das entsprechende Rechtsverhältnis an. Daher ist die Frage, wer gegenüber anderen Steuerpflichtigen Erklärungen abgeben kann, die für die Steuerbarkeit von Leistungen relevant sind, auch weiterhin zwischen unselbstständigen Teilen eines Steuerpflichtigen irrelevant. Insofern besteht auch kein Konflikt zu dem teils angesprochenen Territorialitätsprinzip, wonach die Wirkung einer nationalen Gruppenregelung nicht auf andere Länder übergreifen dürfe. 720 Des Weiteren schreibt das Verständnis der Kommission sowie des EuGH Art. 11 MwStSyst-RL eine zusätzliche Wirkung zu, die weder erkennbar noch gewollt war. Ausdrücklich tritt bei Vorliegen aller Voraussetzungen für eine Mehrwertsteuergruppe die Wirkung des Art. 11 MwStSyst-RL ein, sodass Leistungen zwischen selbstständigen Steuerpflichtigen wie unternehmensinterne Leistungen im Sinne von FCE Bank behandelt werden, sofern die nationale Umsetzungsnorm dies vorsieht. Würden aber Leistungen zwischen Stammsitz und fester Niederlassung steuerbar, weil einer der beiden Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe ist, träte die umgekehrte Wirkung ein; Art. 11 MwStSyst-RL wirkte also auch in die umgekehrte Richtung. 721 Neben diesen Aspekten wird für die Sicht des EuGH und der Kommission vorgebracht, dass dadurch sogleich Missbrauch vermieden werde. 722 Allerdings kann die Vermeidung von Missbrauch nicht zur Auslegung herbeigezogen werden, sondern könnte allenfalls als Rechtfertigungsgrund für eine Regelung angeführt werden, die ausdrücklich die Unanwendbarkeit von FCE Bank für unternehmensinterne Dienstleistungen zwischen Niederlassungen eines Steuerpflichtigen, von denen eine Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe ist, regelt. 723 Missbrauchsvermeidung ist daher als Argument für die Auslegung des EuGH und der Kommission abzulehnen. Folglich ist die Sicht der Kommission und auch die des EuGH abzulehnen. 724 Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Regeln zur Mehrwert720 721 722 723
724
Siehe dazu von Streit/Streit, MwStR 2014, 714 (717). Ähnlich ablehnend die Beteiligtenvorträge in dem Vorlageverfahren Skandia America, vgl. GA Wathelet, Schlussanträge v. 8.5.2014 – C-7/13, Rz. 27. Vgl. Endres, MwStR 2015, 916 (919); Kristoffersson, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 219 (223); Vyncke, IVM 2007, 250 (259). Diesen Weg ist scheinbar Belgien gegangen, vgl. Vyncke, IVM 2007, 250 (260). Auch Stratton schlägt vor, Gestaltungen wie die in Skandia America durch nationale Missbrauchsvorschriften zu verhindern, vgl. BTR 2015, 19 (25). Ebenso Ehrke-Rabel, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 117 (128); Merkx, Establishments in European VAT, 2013, S. 160; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 127.4; Zuidgeest, IVM 2010, 25 (27); diese Meinung vertrat auch die deutsche Regierung in der Rechtssache Skan-
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Die Zuordnung des Besteuerungsrechts im Sinne der MwStSyst-RL
steuergruppe weder insgesamt noch im Speziellen gegen die NichtSteuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen sprechen. 725
7.
Schlussfolgerungen
Die umfassende Untersuchung des Urteils in FCE Bank sowie seine Auswirkungen und Zusammenhänge mit dem Mehrwertsteuersystem als Ganzes haben kein eindeutiges Ergebnis hervorgebracht. Zwar kann die Begründung des EuGH in FCE Bank nicht ohne Weiteres überzeugen, jedoch ist im Ergebnis aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtung zu bestätigen, dass unternehmensinterne Dienstleistungen aufgrund des Grundsatzes der Unternehmenseinheit grundsätzlich nicht steuerbar sind. Auch andere Regelungen der MwStSyst-RL, insbesondere die Regelungen zur Mehrwertsteuergruppe (Art. 11 MwStSyst-RL) und zur Steuerbarkeit unternehmensinterner Lieferungen in Art. 17 MwStSyst-RL, widersprechen diesem Ergebnis nicht. Allerdings führt die unterschiedliche Behandlung von Dienstleistungen und Lieferungen zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung dergleichen. Schließlich steht die Nicht-Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen im Widerspruch sowohl zum Verbrauchsort- als auch zum Neutralitätsprinzip und kann auch unter Praktikabilitätsaspekten nicht ohne Weiteres gerechtfertigt werden. Folglich passt sich die Nicht-Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen im Großen und Ganzen in das Mehrwertsteuersystem ein, führt aber zu Konflikten mit den oben eingeführten Maßstäben. Daher könnte als Alternative die Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen in Betracht kommen. Dies wird von der OECD im Rahmen der sogenannten Recharge Methode vorgeschlagen, die daher im folgenden Kapitel näher untersucht werden soll. Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
725
dia America, vgl. GA Wathelet, Schlussanträge v. 8.5.2014 – C-7/13, Rz. 27. Insgesamt kritisch Stratton, BTR 2015, 19. Zustimmend hingegen F. Becker, UStB 2014, 346 (353). Siehe auch Endres, MwStR 2015, 916 (920).
192
4. Teil: Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode I.
Die International VAT/GST Guidelines der OECD
Die OECD war bisher insbesondere für ihre Arbeit zu dem Musterabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung (OECD-MA) im Bereich der direkten Steuern bekannt. Seit einigen Jahren bemüht sie sich jedoch auch im Bereich der indirekten Steuern um die Harmonisierung der Mehrwertsteuer, um so Hindernisse für den grenzüberschreitenden Handel zu minimieren. Als Produkt dieser Bemühungen wurden am 18.4.2014 die International VAT/GST Guidelines veröffentlicht. Dabei handelt es sich um sogenannte „soft law“, das heißt die dort niedergelegten Regeln entfalten keine Verbindlichkeit für den Rechtsanwender. Um Regelungen der International VAT/GST Guidelines innerhalb der Europäischen Union Geltung zu verschaffen, müssten sie daher in die MwStSyst-RL implementiert werden. Die International VAT/GST Guidelines beschäftigen sich in drei Kapiteln mit grundlegenden Merkmalen der Mehrwertsteuer (Kapitel 1), der Neutralität der Mehrwertsteuer im grenzüberschreitenden Handel (Kapitel 2) sowie dem Ort der Besteuerung für grenzüberschreitende Dienstleistungen im B2B-Kontext (Kapitel 3). Von Interesse für die folgende Bearbeitung ist vornehmlich Kapitel 3. Als Grundregel zur Bestimmung des Besteuerungsortes bestimmt Guideline 3.2, dass der Besteuerungsort bei Dienstleistungen zwischen Steuerpflichtigen in dem Land liegen soll, in welchem der Erwerber zu lokalisieren ist. So soll erreicht werden, dass die Besteuerung am Ort des Verbrauchs stattfindet (Guideline 3.1). Als maßgebliches Indiz für die Identität des Erwerbers soll auf „business agreements“ zurückgegriffen werden (Guideline 3.3). Diese Geschäftsvereinbarung soll allen Beteiligten (Leistungserbringer, -erwerber und Finanzverwaltung) helfen, die Art der Leistung und die Identität der Beteiligten zu identifizieren sowie grundsätzlich den Ort des Erwerbers zu bestimmen. 726 Dabei ist der Begriff weit zu verstehen und umfasst nicht nur Verträge im zivilrechtlichen Sinne. 727 Diese Vereinbarungen, unabhängig von ihrer Rechtsnatur, dienen also als maßgeblicher Anhaltspunkt zur Bestimmung des Empfängers und sollen so ein praktikables und einfaches Instrument für Steuerpflichtige sein.
726 727
OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.9. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.10.
193
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
Diese Guideline ähnelt den Anhaltspunkten, die nach den Art. 44, 45 MwStSyst-RL herangezogen werden können, um den Empfänger einer Dienstleistung zu bestimmen. Während die International VAT/GST Guidelines jedoch allein auf die genannten Vereinbarungen abstellen, werden im Rahmen der Art. 44, 45 MwStSyst-RL auch andere Anhaltspunkte, wie beispielsweise die Person des Zahlenden 728, die Verwendung einer Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer, die Art der Dienstleistung etc. anerkannt. 729 Jedoch muss darauf hingewiesen werden, dass es für die Bestimmung des Empfängers nach den International VAT/GST Guidelines nicht auf die Person ankommt, die die maßgebliche Geschäftsvereinbarung schließt. 730 Vielmehr soll nach meinem Dafürhalten der Inhalt der Vereinbarung die maßgeblichen Anhaltspunkte geben. Daher können die für die MwStSystRL relevanten Anhaltspunkte indirekt auch über die Geschäftsvereinbarung im Sinne der Guideline 3.3 für die Bestimmung des Empfängers relevant werden. 731 Die Geschäftsvereinbarung ist daher als Lieferant aller nötigen Informationen zu verstehen. Des Weiteren unterscheiden die Guidelines zwischen sogenannten „single location entities“ (SLE) und „multi location entities“ (MLE). Erstere sind nur an einem Ort ansässig, während Letztere sich als eine Einheit mit Niederlassungen („establishments“) in mehr als einem Land darstellen. 732 Da die Bestimmung des Besteuerungsortes bei MLEs im Gegensatz zu SLEs 733 wesentlich komplizierter sein kann, schlagen die Guidelines drei Ansätze vor, um eine Besteuerung am Ort des Verbrauchs sicherzustellen. Diese drei Ansätze werden als „direct use apporach“, „direct delivery approach“ und „recharge method“ bezeichnet. 734 Insbesondere der letzte Ansatz betrifft Fälle, in denen eine Dienstleistung von mehr als einer Niederlassung verbraucht wird und so der Ort des Verbrauchs in mehr als einem Land liegt. 728
729 730
731
732 733 734
Nach den Guidelines kommt der Person des Zahlenden ausdrücklich keine Funktion zur Bestimmung des Empfängers zu, vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.51. Siehe dazu ausführlich oben 3. Teil: I. 4. d) (1). OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Box 3.1 spricht ausdrücklich davon, dass Geschäftsvereinbarungen aus den Elementen bestehen, die die an einer Dienstleistung Beteiligten sowie die Rechte und Pflichten bezüglich der Dienstleistung identifizieren. Elemente der Geschäftsvereinbarung können dementsprechend Bestellformulare, Rechnungen, Zahlungsmittel etc. sein, vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.13. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.18 f. Die Guidelines halten die Anwendbarkeit hier für „straightforward“, vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.18. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.22.
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Die International VAT/GST Guidelines der OECD
Der Direct-Use-Ansatz bestimmt als Besteuerungsort das Land, in dem die Niederlassung des Erwerbers liegt, die die Dienstleistung nutzt. 735 Dieser Ansatz ist insbesondere dann geeignet, wenn die Nutzung durch eine Niederlassung des Steuerpflichtigen offensichtlich ist. 736 Hingegen wird dieser Ansatz als ungeeignet erachtet, wenn der Leistungserbringer nicht weiß, welche Niederlassung des Erwerbers die Dienstleistung nutzt, entweder weil ihm die dafür nötigen Informationen fehlen oder weil dies bei Erwerb der Dienstleistung noch nicht feststeht. Zudem ist dieser Ansatz ineffektiv, wenn die fragliche Dienstleistung von mehr als einer Niederlassung genutzt wird. 737 Bei dem Direct Delivery Ansatz wird das Besteuerungsrecht dem Land zugeordnet, in dem die Niederlassung des Empfängers liegt, an die der Dienstleistungserbringer die jeweilige Dienstleistung erbringt. 738 Dieser Ansatz betrifft vor allem Dienstleistungen, die eine physische Präsenz am fraglichen Niederlassungsort erfordern und daher die Vermutung begründen, dass der Verbrauch auch dort stattfindet. Aufgrund der physischen Präsenz kann zudem davon ausgegangen werden, dass alle Beteiligten die nötigen Informationen haben, um den Besteuerungsort am fraglichen Niederlassungsort zuzuordnen. 739 Diese beiden Ansätze sind in der MwStSyst-RL nicht unbekannt. Die Überlegung, den Besteuerungsort anhand des Ortes des Verbrauchs beziehungsweise des Erbringungsortes zu bestimmen, wurde auch im Rahmen der Ortsbestimmungsregeln für Dienstleistungen umgesetzt. So ordnet beispielsweise Art. 53 MwStSyst-RL das Besteuerungsrecht dem Land zu, in dem die Tätigkeit, durch die die Dienstleistung erbracht wird, ausgeführt wird. Diese tätigkeitsbezogenen Ortsbestimmungsregeln folgen daher dem Direct Delivery Ansatz. In Art. 59a MwStSyst-RL wird des Weiteren der Besteuerungsort anhand des Ortes der tatsächlichen Nutzung oder Auswertung bestimmt, welches dem Direct-Use-Ansatz entspricht. Im Grunde wollen auch die beiden Grundregeln, Art. 44 und 45 MwStSyst-RL, das Besteuerungsrecht entsprechend dem Ort des Verbrauchs, also im Sinne des
735 736 737
738 739
OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.24. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.25. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.26. Da dieser Ansatz im Wesentlichem dem in Art. 44 MwStSyst-RL gewählten Ansatz entspricht, kann auf die bereits geäußerte Kritik zu Art. 44 MwStsyst-RL verwiesen werden, siehe oben 3. Teil: I. 3. d); vgl. auch Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (282). OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.27. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.28.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
Direct-Use-Ansatzes, zuordnen. 740 Wie bereits ausführlich erläutert, folgen die Grundregeln der Überlegung, dass der Sitz des Empfängers bei B2BKonstellationen beziehungsweise des Dienstleistungserbringers bei B2CKonstellationen dort ist, wo der Verbrauch stattfindet. 741 Allerdings lösen diese Ansätze nicht die Probleme, die bereits ausführlich im Rahmen des Art. 44 MwStSyst-RL erörtert wurden. Hat der Dienstleistungserbringer keine ausreichenden Informationen darüber, welche Niederlassung des Steuerpflichtigen die Dienstleistung nutzt, oder wird die Dienstleistung durch mehrere Niederlassungen genutzt, bringen diese beiden Ansätze keine neuen Erkenntnisse. Dies hat auch die OECD erkannt 742 und daher einen dritten Ansatz vorgeschlagen, die sogenannte Recharge Methode. Danach ist es Aufgabe des empfangenden Steuerpflichtigen, die von dem externen Dienstleistungserbringer erbrachte Dienstleistung innerhalb seines Unternehmens an seine festen Niederlassungen weiter zu verrechnen. Durch die Weiterverrechnung kommt es zu einer Zuordnung der Besteuerungsrechte entsprechend dem Verbrauch durch die festen Niederlassungen. 743 Dieser Ansatz ist so in der MwStSyst-RL unbekannt. Da er zudem explizit als Lösungsansatz für Steuerpflichtige mit mehreren festen Niederlassungen und die zwischen diesen vorgenommenen unternehmensinternen Dienstleistungen zu verstehen ist, soll die Recharge Methode im Folgenden ausführlich untersucht werden. Dabei soll der Fokus insbesondere auf einer möglichen Umsetzung in der MwStSyst-RL liegen. Im ersten Entwurf der International VAT/GST Guidelines von Februar 2013 wurde neben der Recharge Methode ebenfalls der Direct-Use-Ansatz als Alternative vorgeschlagen. Hingegen war der Direct Delivery Ansatz in dem Entwurf nicht vorgesehen. Stattdessen wird dort als dritte Alternative der sogenannte Head Office Ansatz genannt, wonach das Besteuerungsrecht immer dem Land zugewiesen wird, in welchem der Hauptsitz des Steuerpflichtigen liegt. 744 Ohne sich auf einen der Ansätze festlegen zu wollen 745, 740 741 742
743 744 745
Vgl. Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (282). Siehe dazu ausführlich oben 2. Teil: I. 3. und 3. Teil: I. 3. b) (1). OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.26, 3.31. Siehe auch OECD, International VAT/GST Guidelines – Draft Consolidated Version, Februar 2013, S. 5. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.29. OECD, International VAT/GST Guidelines – Draft Consolidated Version, Februar 2013, S. 5. OECD, International VAT/GST Guidelines – Draft Consolidated Version, Februar 2013, S. 5.
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Die Recharge Methode
wurde in dem Entwurf dennoch nur die Recharge Methode ausführlich behandelt. Dies geschah wohl vor allem deshalb, da man bei dem Direct-UseAnsatz ebenso wie bei dem Head Office Ansatz praktische und prinzipielle Probleme sah. Während Ersterer vor allem zu praktischen Problemen bei der Bestimmung der Niederlassung, die die Dienstleistung tatsächlich nutzt, führt, verwirklicht Letzterer das zugrundeliegende Prinzip der Besteuerung am Ort des Verbrauchs nur unzureichend. 746 Dadurch kann insbesondere die Gefahr bestehen, dass Steuerpflichtige zur Verringerung ihrer Belastung mit Mehrwertsteuer ihren Sitz in ein Land mit niedrigem Mehrwertsteuertarif verlegen. 747 Für einen solchen Ansatz würden wohl allenfalls Praktikabilitätsgründe sprechen. 748 Da dieser Ansatz aber in keiner Weise die besonderen Herausforderungen bezüglich des Verbrauchsortprinzips bei Steuerpflichtigen mit mehreren festen Niederlassungen berücksichtigt, soll im Folgenden nicht weiter auf diesen Ansatz eingegangen werden.
II.
Die Recharge Methode
1.
Allgemeine Beschreibung
Die Recharge Methode ist in Guideline 3.5 niedergelegt. Daneben wird sie ausführlich in Kapitel 3, C.5 749 kommentiert. Die Recharge Methode ist auf extern bezogene Dienstleistungen beschränkt. Sie betrifft daher nicht rein intern erbrachte Dienstleistungen, also interne Wertschöpfung. Bezüglich der extern bezogenen Dienstleistungen wird sodann in zwei Schritten vorgegangen. In einem ersten Schritt wird die extern erworbene Dienstleistung einer Niederlassung zugeordnet, die entsprechend der Geschäftsvereinba746
747 748
749
OECD, International VAT/GST Guidelines – Draft Consolidated Version, Februar 2013, S. 5. Ebenso Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (dort Fn. 2); die Stellungnahmen von Rishi Gainda (S. 2), Software Finance & Tax Executives Council (S. 2) und Tax Executives Institute, Inc. (S. 5) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ ctp/consumption/public-comments-international-vat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). Vgl. Charlet/Buydens, WJWL 2012, Volume 1 Heft 1, 175 (181); Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (dort Fn. 2). Daher befürwortend Körner, MwStR 2013, 227 (231); vgl. auch die Stellungnahmen von SwissBanking (S. 3) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/ consumption/public-comments-international-vat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). Einschränkend ist insofern allerdings darauf hinzuweisen, dass auch die Qualifikation einer Niederlassung als Hauptsitz zu erheblichen praktischen Problemen führen kann, vgl. Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (dort Fn. 2). OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.68 ff.
197
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
rung im Sinne der Guideline 3.3 als Erwerber zu identifizieren ist. 750 Insofern bestehen keine Unterschiede zu Dienstleistungen, die an eine SLE erbracht werden. Erst wenn die fragliche Dienstleistung teilweise oder ganz von anderen festen Niederlassungen als dem Erwerber genutzt werden, wird der zweite Schritt vorgenommen. Hier wird anhand der internen Weiterverrechnung, die der Steuerpflichtige üblicherweise vornimmt, dem Ort der Niederlassung beziehungsweise Niederlassungen, die die Dienstleistung tatsächlich nutzt beziehungsweise nutzen, das Besteuerungsrecht zugeordnet. Um die Besteuerung am Verbrauchsort zu gewährleisten, wird daher die interne Weiterverrechnung als steuerbare Dienstleistung behandelt. 751 Die Steuerbarkeit wird damit für unternehmensinterne Dienstleistungen fingiert. Die Weiterverrechnung im zweiten Schritt betrifft nur den empfangenden Steuerpflichtigen. Mit Abschluss der externen Dienstleistung und den damit einhergehenden Verpflichtungen ist der externe Dienstleistungserbringer von weiteren Verpflichtungen im Rahmen der Recharge Methode befreit. Der zweite Schritt betrifft ihn nicht mehr. 752 Der empfangende Steuerpflichtige hingegen hat die extern bezogene Dienstleistung, die ganz oder teilweise von anderen festen Niederlassungen des Steuerpflichtigen verwendet wird, an diese weiter zu verrechnen. 753 Jedoch erachten die Guidelines einschränkend nur für Fälle grenzüberschreitender Dienstleistungen die Recharge Methode für anwendbar. Findet die Nutzung durch eine oder mehrere andere feste Niederlassungen innerhalb eines Landes statt, das als Empfangsort im ersten Schritt qualifiziert wurde, überlassen die Guidelines den nationalen Gesetzgebern die Entscheidung, ob sie auch in diesem Fall die Recharge Methode anwenden wollen. 754 Die Beurteilung der Weiterverrechnung soll auf sogenannten „recharge arrangements“ beruhen. Diese internen Verrechnungsabreden über die Weiterverrechnung von Leistungen sollen im Grunde eine ähnliche Funktion wie die Geschäftsvereinbarungen im Sinne der Guideline 3.3 bei Dienstleistungen zwischen unabhängigen Dritten haben. 755 Sie dienen also insbesondere der Identifikation der Niederlassungen, die die fragliche Dienstleistung nutzen, sowie der Ermittlung des Umfangs, in dem die Dienstleistung von den Niederlassungen im Einzelnen genutzt wird. 756 So kann der Besteue750 751 752 753 754 755 756
OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.71. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.71. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.80. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.81. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.83. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.85. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.86.
198
Die Recharge Methode
rungsort und die Höhe der Mehrwertsteuer ermittelt werden, die sich folglich anhand der Weiterverrechnung bemisst. 757 Im ersten Entwurf der Guidelines aus Februar 2013 war noch vorgesehen, dass Mehrwertsteuer grundsätzlich auch dann erhoben werden sollte, wenn keine Weiterverrechnung vorgenommen wurde, obwohl andere Niederlassungen als die, die als Empfängerin der Dienstleistung im ersten Schritt qualifiziert wurde, die fragliche Dienstleistung nutzen. In diesem Fall sollte der Steuerpflichtige so behandelt werden, als ob eine Weiterverrechnungsvereinbarung vorhanden sei. Dadurch sollte die Besteuerung im Land des Verbrauchs sichergestellt werden. 758 Insofern wurde angenommen, dass die Guidelines vorsahen, eine Weiterverrechnung zu fingieren. 759 Die endgültige Version aus April 2014 enthält diese eben beschriebene Regelung nicht mehr. Stattdessen spricht sie davon, dass die empfangende Niederlassung im ersten Schritt verpflichtet ist („is required“), eine Weiterverrechnung vorzunehmen. 760 Die endgültige Version geht also weiter und verlangt stets die Weiterverrechnung der Kosten, wenn die extern bezogene Dienstleistung ganz oder teilweise von anderen Niederlassungen als der im ersten Schritt als Empfängerin qualifizierten Niederlassung genutzt wird. Eine Fiktion ist dann gar nicht mehr erforderlich. Um eine Besteuerung am Verbrauchsort zu gewährleisten, müssen die internen Abreden eine Aufteilung der Dienstleistung vornehmen, die möglichst korrekt den Verbrauch berücksichtigt. Dabei adressieren die Guidelines mit Bezug auf die Abreden Probleme bezüglich einer sinnvollen Aufteilung. Soweit eine extern bezogene Dienstleistung vollständig als solche an eine andere feste Niederlassung weitergeleistet wird oder eine klare und offensichtliche Aufteilung möglich ist, sollen die internen Abreden dies widerspiegeln. 761 Allerdings ist eine Zuordnung entsprechend dem tatsächlichen Verbrauch häufig nur schwer möglich, insbesondere wenn sich Dienstleistungen nicht klar trennen lassen und zudem eine exakte Dokumentation des 757 758 759
760
761
OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.96 f. Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines – Draft Consolidated Version, Februar 2013, Chapter 3 Tz. 3.21. Vgl. die Stellungnahmen von Deloitte (S. 8) und Rishi Gainda (S. 3) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/public-comments-internationalvat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.81. Kritisch zu einer Verpflichtung die Stellungnahmen von Fidal (S. 2) und ICAEW (S. 3) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/public-commentsinternational-vat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.87.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
jeweiligen Verbrauchs durch die einzelnen Niederlassungen für diese übermäßig belastend wäre. 762 In diesen Fällen akzeptieren die Guidelines näherungsweise Schätzungen, die die Aufteilung anhand von Aufteilungsschlüsseln vornehmen. 763 Die Aufteilungsschlüssel sollen angemessen und vernünftig („fair and reasonable“ 764) sein, sodass die näherungsweise Aufteilung möglichst korrekt ist. Die Aufteilungsschlüssel sollen verlässlichen Rechnungslegungsstandards folgen und vor Manipulationen geschützt sein. 765 Daher schlagen die Guidelines vor, soweit vorhanden, auf Informationen zurückzugreifen, die bereits für andere Zwecke, zum Beispiel Buchführung oder direkte Steuern, erhoben wurden. 766 Im Übrigen soll es nicht eine zwingende Beurteilung geben, was ein angemessener und vernünftiger Aufteilungsschlüssel ist, da dies im Einzelfall je nach Größe und Organisation, Branche und Komplexität des jeweiligen Steuerpflichtigen sehr unterschiedlich sein kann. 767 Die Guidelines schlagen zudem einige mögliche Aufteilungsschlüssel vor, die jedoch stets vom Einzelfall abhängig anzuwenden sind und keine übermäßigen Belastungen sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltungen mit sich bringen dürfen. 768 Mögliche Aufteilungsschlüssel sind demnach unter anderem die Zahl der Arbeitnehmer, Fläche, Umlauf- und Anlagevermögen, Computer, bestimmte Ausgaben, Zahlen zu verschiedenen Geschäftsvorgängen etc. 769 Hinzuweisen ist an dieser Stelle zudem auf die Aussage in den Guidelines, wonach der Steuerpflichtige den Zusammenhang zwischen der ursprünglichen externen Dienstleistung und der Weiterverrechnung sowie den Zusammenhang zwischen den Kosten der externen Dienstleistung und der Höhe der weiterverrechneten Kosten ausreichend deutlich darstellen muss. Dabei kommt es nicht auf eine Weiterverrechnung getrennt nach den einzelnen Transaktionen an („without requiring a recharge on a transaction-bytransaction basis“). 770 Dies unterscheidet sich deutlich von dem in der MwStSyst-RL zugrunde gelegten System, wonach insbesondere für das Vorsteuerabzugsrecht ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang jeder 762 763 764 765 766 767 768 769 770
OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.88. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.88, 3.90. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.90. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.90. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.90. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.90. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.90 f. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.91. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.92.
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Die Recharge Methode
einzelnen Eingangsleistung zu einer oder mehreren Ausgangsleistungen bestehen muss. Hier wird also grundsätzlich auf Transaktionsbasis beurteilt und keine Gesamtbetrachtung vorgenommen. Man spricht daher auch von der Mehrwertsteuer als Transaktionssteuer. 771 Probleme bei der Aufteilung bereitet weiterhin die Trennung zwischen extern bezogenen und weitergeleisteten Dienstleistungen und rein intern erbrachten Dienstleistungen. Die Guidelines wollen die Recharge Methode ausdrücklich nur auf Dienstleistungen der ersten Art anwenden. Daher müssen bei der Besteuerung der unternehmensinternen Dienstleistung, die auf der Weiterverrechnung beruht, Kostenbestandteile, die von rein internen Dienstleistungen, also interner Wertschöpfung, herrühren, unberücksichtigt bleiben. 772 Wie dies im Einzelnen erfolgen soll, bleibt in den Guidelines allerdings offen. Die Guidelines stellen insofern lediglich fest, dass näherungsweise Aufteilungsmethoden ausreichen sollen, wenn eine detaillierte Trennung der verschiedenen Bestandteile übermäßig belastend wäre. 773 Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Frage nach dem Vorsteuerabzug bezüglich der extern bezogenen Dienstleistung und der Weiterverrechnung. Die Niederlassung, die im ersten Schritt als Empfängerin zu qualifizieren ist, soll entsprechend den normalen Regeln zum Vorsteuerabzug ein Vorsteuerabzugsrecht bezüglich der extern bezogenen und weitergeleisteten Dienstleistung haben. 774 Dabei soll die Recharge Methode nicht das Vorsteuerabzugsrecht des Steuerpflichtigen bezüglich anderer Eingangsleistungen, die nicht von der Recharge Methode erfasst werden, beeinflussen. 775 Meines Erachtens kann diese Formulierung nur so verstanden werden, dass der Pro-Rata-Satz des Steuerpflichtigen nicht durch die Weiterverrechnung, die als steuerbare Dienstleistung gelten soll, beeinflusst werden darf. Die Höhe des anteiligen Vorsteuerabzugsrechts des Steuerpflichtigen bezüglich anderer Eingangsleistungen erhöht sich daher nicht aufgrund eines Anstiegs der zu berücksichtigenden steuerbaren Ausgangsleistungen (= unternehmensinternen Dienstleistungen). 776 Des Weiteren stellt sich die Frage, ob die weiterleistende feste Niederlassung bezüglich der Eingangsleistung, welche weitergeleistet wird, ein volles Vorsteuerabzugsrecht hat oder ob auch hier die allgemeinen Einschränkun771 772 773 774 775 776
Vgl. Ecker, A VAT/GST Model Convention, 2013, S. 114 f. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.99. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.103. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.94. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.94. So auch Ecker, SWI 2013, 118 (123); Körner, MwStR 2013, 227 (229).
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
gen des Vorsteuerabzugsrechts greifen. 777 Sofern letzteres zu bejahen wäre, bedeutete dies eine doppelte Belastung mit Mehrwertsteuer für alle an der extern bezogenen und weitergeleisteten Dienstleistung beteiligten Niederlassungen des Steuerpflichtigen. Ein solches Verständnis stünde im Widerspruch zum Neutralitätsprinzip. 778 Folglich müssen die International VAT/GST Guidelines mit Blick auf diese Frage ausgelegt werden. Maßgebliche Anhaltspunkte könnte hier Tz. 3.94 779 liefern: 3.94 To ensure VAT neutrality for the establishment that makes the recharge, general input VAT deduction rules should apply for this establishment in respect of the input VAT on the service or intangible received and subsequently recharged. The application of the recharge method should not influence the MLE’s right to input VAT deduction in respect of purchases other than the service or intangible to which the recharge method is applied. Wie gerade festgestellt, wäre die Neutralität gefährdet, sofern die weiterleistende Niederlassung nur ein eingeschränktes Vorsteuerabzugsrecht hat. Fraglich ist also, wie weit die Anwendung der allgemeinen Vorsteuerabzugsregeln („general input VAT deduction rules“) gehen soll. Würde die Anwendbarkeit nur die reine Möglichkeit erfassen, Vorsteuern abzuziehen, sofern die Eingangsleistung in unmittelbarem und direkten Zusammenhang mit Ausgangsleistungen (also der weitergeleisteten Dienstleistung) steht, müsste ein vollständiges Vorsteuerabzugsrecht gegeben sein. Erst die Regeln, die das Vorsteuerabzugsrecht insbesondere bei steuerbefreiten Ausgangsleistungen einschränken, gefährden die Neutralität. Das gleiche müsste für ein anteiliges Vorsteuerabzugsrecht insbesondere bei sogenannten Gemeinkosten gelten. Die anteilige Beschränkung des Vorsteuerabzugsrechts dürfte bezüglich Gemeinkosten, soweit sie weitergeleistet werden, nicht angewendet werden. Dann wäre die Recharge Methode insgesamt neutral, da 777
778
779
Ein entsprechender Vorschlag für ein umfassendes Vorsteuerabzugsrecht wurde auch im Rahmen der Konsultation zu dem Entwurf der International VAT/GST Guidelines aus Februar 2013 aufgegriffen, vgl. die Stellungnahmen von Association for Financial Markets in Europe (S. 4), British Bankers‘ Association (S. 7), European Banking Federation (S. 5), Febelfin (S. 2), Federation of European Accountants (S. 6) und ICAEW (S. 4) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/publiccomments-international-vat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). Vgl. auch Amand, IVM 2007, 237 (247); Eskildsen, Intertax 2012, 444 (446); Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (283); Zuidgeest, IVM 2010, 25 (25). Siehe dazu bereits bezüglich des zurzeit in der Europäischen Union geltenden Systems oben 3. Teil: II. 5. b) (2). OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.94.
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Die Recharge Methode
es nicht mehr zu einer Kumulation von Mehrwertsteuer kommt. 780 Das Neutralitätsprinzip spricht daher für eine Auslegung, wonach nur auf das Vorsteuerabzugsrecht als solches verwiesen wird, ohne die sonstigen Einschränkungen zu erfassen. Eine entsprechende Auslegung entspricht auch dem Charakter der Recharge Methode als Korrekturmaßnahme. Denn die Belastung mit Mehrwertsteuer bei der empfangenden Niederlassung im ersten Schritt ist Folge der „falschen“ Zuordnung. Richtigerweise hätte die Belastung bei der Niederlassung eintreten sollen, die die extern bezogene Dienstleistung tatsächlich nutzt. So wird im zweiten Schritt das Verbrauchsortprinzip gewahrt, indem es dort zu einer Erhebung mit Mehrwertsteuer kommt. Mangels tatsächlichem Verbrauch bei der ersten Niederlassung soll es dort eigentlich nicht zu einer Belastung kommen, weshalb ein diesbezügliches Vorsteuerabzugsrecht systemgerecht wäre. 781 Ein weiteres Indiz für diese Auslegung könnte zudem der Wortlaut in Tz. 3.94 Satz 2 bieten. Wie bereits bezüglich eines etwaigen Pro-Rata-Satzes erörtert, soll die Recharge Methode keinen Einfluss auf das Vorsteuerabzugsrecht des Steuerpflichtigen haben, soweit es sich um Dienstleistungen handelt, die nicht von der Recharge Methode betroffen sind. Daher hat die Fiktion einer steuerbaren Leistung keinen Einfluss auf den Pro-Rata-Satz des Steuerpflichtigen. Man könnte jedoch dieser Aussage eine erweiternde Bedeutung geben und sie so verstehen, dass umgekehrt auch durch steuerbefreite Dienstleistungen bedingte Einschränkungen des Vorsteuerabzugs780
781
Daher wurde verschiedentlich als Anmerkung zum ersten Entwurf der Recharge Methode vorgeschlagen, bezüglich der weitergeleisteten Dienstleistung bei der weiterleistenden Niederlassung ein vollständiges Vorsteuerabzugsrecht zuzulassen, vgl. die Stellungnahmen von Association for Financial Markets in Europe (S. 4), British Bankers‘ Association (S. 7), Febelfin (S. 2), Federation of European Accountants (S. 6) und ICAEW (S. 4) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/ public-comments-international-vat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). Demgegenüber ist eine Regelung, wonach beim Empfänger der weitergeleisteten Dienstleistung ein volles Vorsteuerabzugsrecht bezüglich solcher Dienstleistungen besteht, abzulehnen. Denn dies würde zum einen den Empfänger bevorzugen, der zunächst aufgrund einer „falschen“ Zuordnung nicht als Dienstleistungsempfänger der externen Dienstleistung qualifiziert wurde und auf den dann die Recharge Methode anwendbar würde. Richtigerweise wäre er nämlich bereits bei Bezug der externen Dienstleistung gemäß Art. 44 MwStSyst-RL als Dienstleistungsempfänger zu qualifizieren gewesen und hätte dann ganz normal ein, gegebenenfalls anteiliges, Vorsteuerabzugsrecht geltend machen können. Die Recharge Methode wäre damit wieder sehr gestaltungsanfällig. Im Übrigen wäre die Recharge Methode dann überflüssig, da es aufgrund des vollen Vorsteuerabzugsrechts stets zu einer vollständigen Entlastung der Mehrwertsteuer am Ort der weitergeleisteten Dienstleistung käme. Behandelt man interne Dienstleistungen als nicht steuerbar, wäre das Ergebnis dennoch gleich.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
rechts keinen Einfluss auf Dienstleistungen haben sollen, die von der Recharge Methode erfasst sind. Allerdings spricht der Wortlaut ausdrücklich nur von Dienstleistungen, auf die die Recharge Methode nicht angewendet wird. Eine entsprechende Aussage für den umgekehrten Fall lässt sich dem nicht entnehmen. Auch im Übrigen gibt es Anhaltspunkte, die gegen die zuvor erörterte eingeschränkte Anwendung der Vorsteuerabzugsregeln sprechen. Zum einen wird in der Kommentierung nur die Aussage zum Einfluss der Recharge Methode auf das Vorsteuerabzugsrecht bezüglich anderer Dienstleistungen fett hervorgehoben. Dadurch soll die besondere Wichtigkeit der Aussage hervorgehoben werden. Die zuvor erörterte Auslegung, die ebenso wie die fett hervorgehobene Aussage als Einschränkung verstanden werden kann, müsste insofern aber als von größerer Wichtigkeit erachtet werden. Allerdings kann mit Blick auf die bereits beschriebenen Folgen für das Neutralitätsprinzip davon ausgegangen werden, dass ein Verweis auf ein umfassendes Vorsteuerabzugsrecht für die weiterleistende Niederlassung derart selbstverständlich ist, dass es keiner besonderen Hervorhebung bedarf. Vielmehr wäre im umgekehrten Fall eine Beschränkung des Vorsteuerabzugsrechts der weiterleistenden Niederlassung mit schwerwiegenden Folgen behaftet, sodass eine Durchsetzbarkeit der Recharge Methode insgesamt mehr als zweifelhaft erschiene. Folglich kann der Hervorhebung keine Aussage dahingehend entnommen werden, dass damit auch auf die Regelungen zu Einschränkungen des Vorsteuerabzugsrechts verwiesen werden sollte. Zum anderen wurden die VAT/GST Guidelines nicht explizit auf das europäische Mehrwertsteuersystem zugeschnitten, sondern sollen in allen Mehrwertsteuersystemen dazu dienen, eine entsprechende Regelung in das jeweilige nationale Recht umzusetzen. Danach kann der pauschale Verweis auf die allgemeinen Regeln zum Vorsteuerabzugsrecht in den jeweiligen Jurisdiktionen nicht zwangsläufig auch auf Einschränkungen des Vorsteuerabzugsrechts bezogen sein, da dies von Land zu Land unterschiedlich sein kann. Zwar muss insbesondere bezüglich Beschränkungen des Vorsteuerabzugsrechts berücksichtigt werden, dass wohl die meisten Mehrwertsteuersysteme ähnliche Regelungen vor allem zu steuerbefreiten Dienstleistungen kennen. Jedoch fallen diese Regelungen im Einzelfall sehr unterschiedlich aus und können nicht als allgemeiner Grundsatz, der jedem Mehrwertsteuersystem immanent ist, bezeichnet werden. Die Pauschalität des Verweises auf Regeln zum Vorsteuerabzugsrecht spricht letztlich dafür, dass lediglich auf das Vorsteuerabzugsrecht als solches verwiesen werden sollte und nicht auf im Einzelfall bestehende Beschränkungen. Dafür spricht wiederum auch der Verweis darauf, dass durch die Anwendung der Vorsteuerabzugsregeln 204
Die Recharge Methode
Neutralität gewährleistet werden soll. Denn dies deutet auf das allgemeine Verständnis hin, wonach Neutralität eng mit dem Vorsteuerabzugsrecht für Steuerpflichtige verknüpft ist. Somit sprechen der Wortlaut sowie insbesondere das Neutralitätsprinzip und der Charakter der Recharge Methode als korrigierende Ortsbestimmungsregel für eine Auslegung von Tz. 3.94 der International VAT/GST Guidelines, wonach die weiterleistende Niederlassung bezüglich der Eingangsleistungen, welche sie weiterleistet, ein umfassendes Vorsteuerabzugsrecht hat. 782 Da die Weiterverrechnung eine steuerbare Dienstleistung darstellt, auf die Mehrwertsteuer erhoben wird, wird die tatsächlich nutzende Niederlassung beziehungsweise werden die tatsächlich nutzenden Niederlassungen des Steuerpflichtigen in entsprechender Höhe mit Mehrwertsteuer entsprechend den nationalen Regeln am Ort der Niederlassungen belastet. Die Guidelines empfehlen hier die Anwendung eines reverse charge Verfahrens, sodass die Empfängerin der weiterverrechneten Dienstleistung die Mehrwertsteuer in ihrer Jurisdiktion abführen kann, da dort der Ort der Besteuerung sein soll. 783 Soweit die tatsächlich verwendende Niederlassung entsprechend den Regelungen in ihrem Land ein Vorsteuerabzugsrecht hat, kann sie die Vorsteuern aus der unternehmensinternen Dienstleistung geltend machen. 784 Diese Aussage ist offensichtlich anders zu verstehen als die zuvor mit Bezug auf das Vorsteuerabzugsrecht der im ersten Schritt empfangenden Niederlassung gemachte Aussage. Die im zweiten Schritt empfangende Niederlassung ist bezüglich des Vorsteuerabzugsrechts aus der unternehmensinternen Dienstleistung nicht anders zu behandeln, als wenn es sich um eine extern bezogene Dienstleistung handelte. Hat die Niederlassung daher nur ein eingeschränktes Vorsteuerabzugsrecht, betrifft dies sowohl externe Eingangsleistungen, die nicht von der Recharge Methode erfasst sind, als auch unternehmensinterne Dienstleistungen im zweiten Schritt.
782
783 784
Ebenso wohl Körner, MwStR 2013, 227 (229); Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (283 f.); Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (187). Siehe auch Amand, IVM 2007, 237 (247). Anders die Stellungnahmen von British Bankers‘ Association (S. 7) und Ernst & Young (S. 3) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/ consumption/public-comments-international-vat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.95. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.98.
205
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
2.
Zwischenfazit
Die vorangegangene Darstellung der Recharge Methode, wie die OECD sie versteht, zeigt, dass die OECD den zuvor schon angesprochenen SeperateEntity-Ansatz zumindest im grenzüberschreitenden Kontext bevorzugt. Zwar lässt sie auch andere Ansätze (Direct-Use- und Direct-DeliveryAnsatz) zu, jedoch wird die Recharge Methode weit ausführlicher beschrieben und kommentiert, sodass eine Präferenz erkennbar wird. Die Recharge Methode ist zudem gegensätzlich zu dem Vorgehen nach der MwStSyst-RL. Während der EuGH in FCE Bank ausdrücklich die Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen verneint, setzt die Recharge Methode diese voraus. Jedoch muss insofern einschränkend darauf verwiesen werden, dass die Recharge Methode ausdrücklich nur extern bezogene und weiterverrechnete Dienstleistungen erfasst, während die Entscheidung in FCE Bank nach der hier vertretenen Auffassung auch auf extern bezogene und weitergeleistete Dienstleistungen anzuwenden ist 785.
3.
Beurteilung anhand der Maßstäbe
Die soeben beschriebene Recharge Methode muss in zweierlei Hinsicht untersucht werden. Zum einen muss sich die Recharge Methode an den eingangs erarbeiteten Maßstäben messen. Danach ist zu untersuchen, inwiefern sich der Vorschlag in das bereits existierende System nach der MwStSystRL einpassen lässt. Es geht dabei um die Umsetzbarkeit der vorgeschlagenen Methode im europäischen Mehrwertsteuersystem. Bezüglich des ersten Untersuchungsschrittes müssen mehrere Aspekte der vorgeschlagenen Methode auf ihre Vereinbarkeit mit dem Neutralitätsgrundsatz, dem Verbrauchsortprinzip sowie unter Praktikabilitätsaspekten untersucht werden. Im Wesentlichen müssen hier die Beschränkung auf extern bezogene und weitergeleistete Dienstleistungen sowie die Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalte, mögliche Probleme bei der Aufteilung extern bezogener und intern ergänzter Dienstleistungen, Fragen zum Vorsteuerabzugsrecht, die Beachtung des Verbrauchsorts, die Sicht des externen Dienstleistungserbringers und die Überprüfung der Weiterverrechnung angesprochen werden.
785
Siehe dazu ausführlich oben 3. Teil: II. 2. b) (2).
206
Die Recharge Methode
a)
Verbrauchsortprinzip
Die Recharge Methode sieht vor, dass in einem ersten Schritt die extern bezogene Dienstleistung einer Niederlassung des Steuerpflichtigen zugeordnet wird, die die fragliche Dienstleistung nicht zwangsläufig verwendet. Diese „falsche“ Zuordnung trägt, wie bereits ausführlich dargestellt 786, zwei Schwierigkeiten bei der Bestimmung des richtigen Empfängers Rechnung. Zum einen ist es dem Dienstleistungserbringer nicht immer möglich, bei Erbringung der Dienstleistung zu bestimmen, welche feste Niederlassung die Dienstleistung verwendet. Des Weiteren kommt es häufig vor, dass einheitliche Dienstleistungen von mehr als einer festen Niederlassung verwendet werden, weshalb eine korrekte Zuordnung nach dem Verbrauchsortprinzip nicht möglich ist. Diese Probleme können auch nicht durch den Vorschlag in den Guidelines verhindert werden, für die Bestimmung des Empfängers auf die Geschäftsvereinbarung Rückgriff zu nehmen (vgl. Guideline 3.3). 787 Diese Guideline ist mit den existierenden Regelungen insbesondere in Art. 44 MwStSyst-RL zu vergleichen. Guideline 3.3 in Verbindung mit Box 3.1 ist lediglich konkreter beziehungsweise enger in der Bestimmung der maßgeblichen Indizien, welche zur Bestimmung der empfangenden Niederlassung herangezogen werden sollen. Der Rückgriff auf Geschäftsvereinbarungen hat daher vor allem das Ziel, die Bestimmung des Empfängers anhand klar bestimmbarer Indizien möglichst rechtssicher vorzunehmen. Die Geschäftsvereinbarung kann jedoch ebenso wenig die eingangs beschriebenen Probleme verhindern, wie dies im zurzeit existierenden System der Fall ist. Daher sieht die Recharge Methode einen zweiten Schritt vor, um trotz dieser Probleme eine möglichst korrekte Zuordnung vorzunehmen, die möglichst weitgehend das Verbrauchsortprinzip verwirklicht. Denn in diesem zweiten Schritt wird erneut eine Zuordnung vorgenommen, dieses Mal jedoch durch den empfangenden Steuerpflichtigen. Damit wird zunächst dem Problem begegnet, dass der Dienstleistungserbringer die internen Vorgänge innerhalb des empfangenden Steuerpflichtigen in der Regel kaum kennt. Dem Steuerpflichtigen kann hingegen zugetraut werden, dass er weiß, welche Dienstleistungen in welcher seiner Niederlassungen verwendet werden. Er kann daher auf Grund seiner besseren Kenntnis eine weitaus bessere Zuordnung vornehmen, die grundsätzlich eher das Verbrauchsortprinzip berücksichti-
786 787
Vgl. oben 3. Teil: I. 3. d). Zu den Gefahren Charlet/Holmes, IVM 2006, 431 (436).
207
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
gen kann. 788 Zudem werden einheitliche Dienstleistungen, die für mehrere feste Niederlassungen bestimmt sind, in diesem zweiten Schritt aufgeteilt, sodass hier zum ersten Mal eine den Verbrauch berücksichtigende Zuordnung stattfindet. Dies gilt zwar einschränkend nur, soweit der Steuerpflichtige die Zuordnung nach bestem Wissen korrekt und ohne steuersparende Gestaltungen vornimmt. Jedoch betrifft dies nicht die grundsätzliche Eignung der Recharge Methode, dem Verbrauchsortprinzip gerecht zu werden, sondern vielmehr die Befolgung der Erklärungspflichten durch den Steuerpflichtigen. 789 Daher lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die Recharge Methode den beiden wesentlichen Problempunkten, wie sie insbesondere in Art. 44 MwStSyst-RL mit Blick auf das Verbrauchsortprinzip bestehen, begegnet. Sie verwirklicht damit weitgehend das Verbrauchsortprinzip. 790 b)
Neutralitätsprinzip
(1)
Probleme mit Blick auf das Vorsteuerabzugsrecht
Im Rahmen der Untersuchung des im europäischen Mehrwertsteuersystem verfolgten Ansatzes, wonach unternehmensinterne Dienstleistungen nicht steuerbar sind (sogenannter Single-Entity-Ansatz), wurden bereits Konflikte mit dem Neutralitätsgrundsatz herausgearbeitet. Danach bestehen insbesondere Bedenken bei Steuerpflichtigen mit eingeschränktem Vorsteuerabzugsrecht. Diese Steuerpflichtigen können unterschiedlich mit endgültiger Mehrwertsteuer belastet werden, je nachdem in welchem Land sie feste Niederlassungen haben, die gegebenenfalls als Einkaufsbetriebsstätten fungieren. 791 Es wurde daher festgestellt, dass der Single-Entity-Ansatz bei eingeschränktem Vorsteuerabzugsrecht zu Konflikten mit dem Neutralitätsprinzip führen kann. Werden die sich daran anschließenden unternehmensinternen Dienstleistungen hingegen ebenfalls wie steuerbare Umsätze behandelt, kommt entsprechenden Gestaltungen kein Vorteil mehr zu. Der Steuerpflichtige kann also frei zwischen Töchtern und inländischen sowie ausländischen festen Niederlassungen wählen. Da das Handeln der Steuerpflichtigen nicht mehr durch Steuerung des Verbrauchsorts anhand der Einschaltung von bestimmten Niederlassungen beeinflusst wird, wird folglich 788 789 790
791
In die Richtung gehend Glauser, IVM 2010, 31 (34 f.). Kritisch zu den Kontrollmöglichkeiten Ecker, SWI 2013, 118 (126). So auch Can, IVM 2006, 424 (427); Ecker, SWI 2013, 118 (124); Glauser, IVM 2010, 31 (34 f.); Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (285). Im Ergebnis wohl auch Amand, IVM 2010, 20 (24). Siehe dazu ausführlich oben 3. Teil: II. 5. b). Siehe auch Ecker, SWI 2013, 118 (124); Glauser, IVM 2010, 31 (34); Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (286).
208
Die Recharge Methode
(Wettbewerbs-)Neutralität erreicht. 792 Die Recharge Methode kann folglich durch Verwirklichung des Verbrauchsortprinzips auch das Neutralitätsprinzip (in seiner Ausprägung als Wettbewerbsneutralität) beachten. 793 Soweit im Übrigen bereits im Rahmen des Seperate-Entity-Ansatzes angesprochen wurde, dass die Nicht-Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen eine doppelte Belastung mit Mehrwertsteuer bei Steuerpflichtigen mit eingeschränktem Vorsteuerabzugsrecht vermeidet und so eine neutrale Behandlung gewährleistet, gilt dies auch für die Recharge Methode. Weiter oben wurde im Rahmen der allgemeinen Beschreibung der Recharge Methode bereits festgestellt, dass die International VAT/GST Guidelines dahingehend auszulegen sind, dass die weiterleistende Niederlassung ein umfassendes Vorsteuerabzugsrecht hat, soweit die Vorsteuer auf extern bezogenen und weitergeleisteten Dienstleistungen lastet. Somit wird eine Kumulation der Mehrwertsteuerbelastung verhindert. Die Recharge Methode steht folglich auch insofern im Einklang mit dem Neutralitätsprinzip in seiner Ausgestaltung als Wettbewerbsneutralität, da die Belastung unabhängig von der Zahl der Zwischenstufen in der Leistungskette ist. 794 (2)
Beschränkung auf extern bezogene Dienstleistungen
Indem die Recharge Methode ausdrücklich auf extern bezogene und weiterverrechnete Dienstleistungen beschränkt ist 795 und somit interne Wertschöpfung nicht berücksichtigt, kann es zu einer unterschiedlichen Belastung mit Mehrwertsteuer kommen. Auf rein intern erbrachte Dienstleistungen wird keine Mehrwertsteuer erhoben, auf extern bezogene hingegen schon. Hat die im zweiten Schritt empfangende Niederlassung des Steuerpflichtigen ein eingeschränktes Vorsteuerabzugsrecht, kommt es zu einer endgültigen Belastung mit Mehrwertsteuer. Dadurch kommt es zu einer unterschiedlichen Belastung extern bezogener und weiterverrechneter Dienstleistungen auf der einen Seite und interner Wertschöpfung auf der anderen Seite.
792 793 794
795
Vgl. Charlet/Holmes, IVM 2010, 431 (433); Eskildsen, Intertax 2012, 444 (445). Ebenso Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (285). Wohl auch Amand, IVM 2010, 20 (24). Ebenso wohl Körner, MwStR 2013, 227 (229); Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (283 f.). Siehe auch Amand, IVM 2007, 237 (247). Ein anderes Verständnis der International VAT/GST Guidelines wird hingegen geäußert in den Stellungnahmen von British Bankers‘ Association (S. 7); Ernst & Young (S. 3) und Febelfin (S. 2) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/public-commentsinternational-vat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.29, 3.99.
209
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
Man könnte nunmehr darüber diskutieren, dass die Ausgestaltung der Recharge Methode so dem Neutralitätsgrundsatz widerspricht. 796 Andererseits kann vorgebracht werden, dass dadurch zumindest teilweise eine doppelte Belastung mit Mehrwertsteuer vermieden wird, was wiederum das Neutralitätsprinzip wahrt. 797 Jedoch berücksichtigt dies alles nicht ausreichend den Zweck und den Regelungscharakter der Recharge Methode. Diese ist nämlich lediglich als Ortsbestimmungsregel zu verstehen, die durch Hinzufügung eines zweiten Zuordnungsschrittes zuvor falsche Zuordnungen korrigiert. Sie setzt daher als Ortsbestimmungsregel intrinsisch extern bezogene Dienstleistungen voraus, da nur bezüglich solcher Dienstleistungen die Ortsbestimmungsregeln zur Anwendung kommen. Anders wäre dies nur, wenn man interne Dienstleistungen insgesamt für steuerbar erklären wollte. Dann wären für diese ebenfalls die Ortsbestimmungsregeln relevant. In diesem Fall wäre allerdings eine Korrektur im zweiten Schritt entbehrlich, da die Probleme, die zu der falschen Zuordnung im ersten Schritt geführt haben, hier entfallen. Der Steuerpflichtige könnte die rein intern erbrachte Dienstleistung direkt richtig zuordnen. Folglich folgt aus dem Zweck (Korrektur) und dem Regelungscharakter (Ortsbestimmungsregel) der Recharge Methode zwangsläufig, dass diese nur auf extern bezogene Dienstleistungen anwendbar ist. Aus diesem Regelungszweck folgt zugleich, dass die endgültige Belastung der Empfängerin der weitergeleisteten Dienstleistung mit Mehrwertsteuer systemgerecht ist. Hätte nämlich bei externem Bezug der Dienstleistung sofort eine korrekte Zuordnung stattgefunden, wäre die fragliche Niederlassung gleichermaßen mit Mehrwertsteuer belastet, sofern sie kein Vorsteuerabzugsrecht hat. Ein vermeintlicher Verstoß gegen das Neutralitätsprinzip folgt daher nicht aus der Besteuerung der weitergeleisteten Dienstleistung, sondern aus der fehlenden Entlastungsmöglichkeit vorsteuerabzugsbeschränkter Steuerpflichtiger im Allgemeinen. Es besteht daher kein Bezug zu den hier interessierenden Ortsbestimmungsregeln. 796
797
In diese Richtung argumentiert Körner, MwStR 2013, 227 (231 f.). Siehe auch Eskildsen, Intertax 2012, 444 (445); Heber, IStR 2014, 686 (687); die Stellungnahme von VAT Practitioners Group (S. 2) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/ consumption/public-comments-international-vat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). So wohl die Stellungnahmen von Tax Executives Institute (S. 6) und Chartered Institute of Taxation (S. 9) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/ consumption/public-comments-international-vat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014).
210
Die Recharge Methode
Im Übrigen gewährleistet das bereits angesprochene umfassende Vorsteuerabzugsrecht der weiterleistenden Niederlassung, dass es nicht zu einer weiteren Belastung kommt, die neben die auch im bestehenden System eintretende Belastung bei beschränkt vorsteuerabzugsberechtigten Steuerpflichtigen tritt. Bei Anwendung der Recharge Methode kommt es folglich nicht zu einer stärkeren Beeinträchtigung des Neutralitätsprinzips, wenn auch die im existierenden System stattfindende Beeinträchtigung ebenfalls nicht beseitigt wird. Davon unabhängig ist die Frage, ob grundsätzlich auch interne Wertschöpfung steuerbar sein sollte. Da dies jedoch nicht die Recharge Methode betrifft, sondern eine allgemeine Frage ist, muss eine weitere Untersuchung an dieser Stelle unterbleiben. 798 Daher liegt auch kein Konflikt zu dem zuvor erarbeiteten Ergebnis vor, wonach die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache FCE Bank sowohl auf interne Wertschöpfung als auch auf extern bezogene und weitergeleistete Dienstleistungen anwendbar ist. Denn in dieser Rechtssache ging es um die Frage, ob unternehmensinterne Dienstleistungen steuerbar sind, während die Recharge Methode eine nachgelagerte Frage, nämlich die Korrektur einer Ortsbestimmung, betrifft. (3)
Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalte
Schließlich wird die Recharge Methode ausdrücklich auf grenzüberschreitende Sachverhalte beschränkt, wobei den einzelnen nationalen Gesetzgebern freigestellt wird, sie auch auf inländische Sachverhalte anzuwenden. 799 Diesen Weg hat beispielsweise die Schweiz gewählt. Dort kommt der Seperate-Entity-Ansatz ebenfalls nur bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen zum Ansatz. 800 Indem bei extern bezogenen und über die Grenze weiterverrechneten Dienstleistungen (erneut) Mehrwertsteuer erhoben wird, wird solch ein Steuerpflichtiger bei eingeschränktem Vorsteuerabzug mit mehr Mehrwertsteuer belastet als ein Steuerpflichtiger, der nur im Inland zwischen verschiedenen festen Niederlassungen weiterleistet. Dies widerspricht dem Neutralitätsprinzip in seiner Ausprägung als Wettbewerbsneutralität, 798 799 800
Siehe insofern lediglich die Ausführungen zur Reichweite der EuGH-Rechtsprechung in FCE Bank oben unter 3. Teil: II. 2. b). Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.83. Vgl. Can, IVM 2006, 424 (424); Glauser, IVM 2010, 31 (31); Grosjean/Honauer, in: Lang/Lejeune (Hrsg.), Improving VAT/GST, 2014, S. 409 (418). Eine ähnliche Regelung gibt es in Australien, wo sog. „inbound services“ (nach Australien geleistete Dienstleistungen) wie steuerbare Leistungen behandelt werden, vgl. Millar/Moon, in: Lang /Lejeune (Hrsg.), Improving VAT/GST, 2014, S. 23 (55). In Neuseeland gilt dies zusätzlich auch für exportierte Leistungen, vgl. White/Trombitas, in: Ecker/ Lang/Lejeune (Hrsg.), The Future of Indirect Taxation, 2012, S. 355 (372).
211
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
wonach es für die endgültige Mehrwertsteuerbelastung keinen Unterschied machen darf, an welchem Ort und mit wie vielen Zwischenschritten eine Dienstleistung erbracht wird und ob der Steuerpflichtige feste Niederlassungen oder selbstständige Steuerpflichtige einschaltet. 801 Jedoch wird diesem potentiellen Konflikt wiederum dadurch begegnet, dass die Weiterleistung der extern bezogenen Dienstleistung ein volles Vorsteuerabzugsrecht bei der weiterleistenden Niederlassung begründet. Dadurch ist die Belastung mit Mehrwertsteuer gleich, auch wenn der Steuerpflichtige nur im Inland tätig wird und insofern die Recharge Methode keine Anwendung findet. Unabhängig davon rechtfertigen der Zweck und Charakter der Recharge Methode die Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalte. Die Recharge Methode will durch eine Korrektur der ursprünglichen Zuordnung des Besteuerungsrechts eine Zuordnung entsprechend dem Ort des Verbrauchs ermöglichen. Wird die fragliche Dienstleistung allerdings innerhalb des gleichen Landes weitergeleistet, bleibt die Zuordnung im ersten Schritt korrekt. Eine erneute Zuordnung zu einer anderen festen Niederlassung in demselben Land würde das Besteuerungsrecht weiterhin dem gleichen Land zuordnen. Unter Verbrauchsortaspekten ist die Recharge Methode daher nur bei grenzüberschreitenden Sachverhalten erforderlich. Die Beschränkung stellt damit eine Vereinfachung und Entlastung für den Steuerpflichtigen insbesondere mit eingeschränktem Vorsteuerabzugsrecht dar, da er keine weiteren unternehmensinternen Dienstleistungen erklären muss. Im Übrigen kann auch eine etwaige neutralitätsschädliche Ungleichbehandlung zwischen grenzüberschreitend tätigen Steuerpflichtigen und nur im Inland agierenden Steuerpflichtigen aufgrund unterschiedlichen Aufwands bei Anwendung der Recharge Methode gerechtfertigt werden. Praktikablitätsaspekte und das bei rein im Inland tätigen Steuerpflichtigen nicht gefährdete Verbrauchsortprinzip sprechen für eine „Bevorzugung“ derselben. Abschließend bleibt festzustellen, dass die Einschränkung auf grenzüberschreitende Dienstleistungen mit Blick auf den Zweck, also insbesondere das Verbrauchsortprinzip, Sinn macht. Zudem wird der durch die Recharge 801
Vgl. Körner, MwStR 2013, 227 (232); wohl auch Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (287 f.); Millar/Moon, in: Lang/Lejeune (Hrsg.), Improving VAT/GST, 2014, S. 23 (56). Auch Swinkels sieht eine mögliche Verletzung des Diskriminierungsverbots, wobei er jedoch zu dem Schluss kommt, dass es sich allenfalls um eine optische Verletzung handelt, da im Ergebnis die Besteuerung hergestellt wird, die ohne Gestaltungen hätte bestehen sollen, vgl. IVM 2006, 415 (420).
212
Die Recharge Methode
Methode eintretende Mehraufwand beschränkt, was wiederum im Hinblick auf Praktikabilitätsaspekte zu befürworten ist. Eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung des Neutralitätsprinzips ist daher nicht ersichtlich. (4)
Zusammenfassung
Im Ergebnis trägt die Recharge Methode dem Neutralitätsprinzip umfassend Rechnung. Bereits die umfassende Verwirklichung des Verbrauchsortprinzips verwirklicht zugleich das Neutralitätsprinzip. Insbesondere werden so neutralitätsschädliche Gestaltungen unter Hinzuziehung sogenannter Einkaufsbetriebsstätten verhindert. Daneben führt weder die Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalte noch auf extern bezogene und weitergeleistete Dienstleistungen zu einer Beeinträchtigung des Neutralitätsprinzips. Lediglich aus der Ungleichbehandlung solcher Dienstleistungen könnte sich eine neutralitätsschädliche Behandlung ergeben, da grenzüberschreitend ansässige Steuerpflichtige durch die Recharge Methode mehr Aufwand haben. Allerdings sind die Beschränkungen aufgrund erhöhten Aufwands mit dem Zweck der Recharge Methode und Praktikabilitätserwägungen zu rechtfertigen. Die daneben verbleibende unterschiedliche Belastung interner Wertschöpfung und externen Leistungsbezugs ist keine Folge der Recharge Methode, sondern der Beschränkungen des Vorsteuerabzugsrechts. Ein insofern bestehender Konflikt zum Neutralitätsprinzip wird daher weder durch die Recharge Methode verursacht, noch kann er durch diese beseitigt werden. c)
Praktikabilität
Mit Blick auf die Praktikabilität der Recharge Methode lassen sich einige besonders relevante Aspekte herausarbeiten. Zum einen muss die Recharge Methode mit Blick auf den externen Dienstleistungserbringer untersucht werden. Daneben sind mögliche Probleme bei der Abgrenzung zwischen extern bezogenen und weiterverrechneten Dienstleistungen und rein intern erbrachten Dienstleistungen anzusprechen. Des Weiteren wird in den International VAT/GST Guidelines ein Rückgriff auf bereits existierende Dokumentationen zur Prüfung der Angemessenheit der Verrechnung empfohlen. Auch dies ist unter Praktikabilitätsaspekten anzusprechen. Schließlich muss untersucht werden, ob die Tatsache, dass die Recharge Methode zu weiteren steuerbaren Umsätzen führt, Auswirkungen insbesondere bezüglich des Administrationsaufwandes für alle Beteiligten hat.
213
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
(1)
Der externe Dienstleistungserbringer
Bereits im Rahmen der Überlegungen zum Verbrauchsortprinzip wurde erwähnt, dass der externe Dienstleistungserbringer häufig vor Schwierigkeiten rein praktischer Art gestellt ist, wenn er eine Dienstleistung dem Sitz oder einer festen Niederlassung als Empfänger zuordnen muss. Zwar muss der empfangende Steuerpflichtige grundsätzlich die dafür erforderlichen Informationen bereitstellen. Jedoch weiß der Dienstleistungserbringer nicht immer, ob er diesen Informationen vertrauen kann. Zudem weiß gegebenenfalls der Empfänger zu dem Zeitpunkt, in dem die Zuordnung erfolgen muss, auch noch nicht, welche seiner Niederlassungen in welchem Umfang die fragliche Dienstleistung verwenden wird und daher als Empfängerin zu qualifizieren ist. 802 Letztlich trägt der Dienstleistungserbringer das Risiko der richtigen beziehungsweise falschen Zuordnung. 803 Dieses Risiko wird durch die Recharge Methode zumindest reduziert. Selbst wenn die Zuordnung im ersten Schritt nicht hundertprozentig korrekt war, kann dieser „Fehler“ im zweiten Schritt durch den empfangenden Steuerpflichtigen korrigiert werden. Das Risiko einer falschen Zuordnung wird damit weitgehend vom Dienstleistungserbringer auf den Dienstleistungsempfänger verlagert. 804 Zu der Frage, ob dies gerechtfertigt ist, müssen zwei Überlegungen Rücksicht finden. Die Entscheidung, wer das Risiko der richtigen Zuordnung tragen soll, ist eine relativ willkürliche, die durch den Richtliniengeber und die nationalen Umsetzungsregelungen getroffen wird. Dabei wird das Risiko für den Dienstleistungserbringer allein durch gegebenenfalls existierende Vertrauensschutzregeln in ein angemessenes Verhältnis gebracht. Jedoch spricht für eine Verlagerung des Risikos auf den Dienstleistungsempfänger zumindest im B2B-Kontext, dass dieser in der Regel die bessere Kenntnis von den tatsächlichen Umständen hat. Aufgrund dieser überlegenen Position ist es zu befürworten, etwaige Risiken und Bürden auf den steuerpflichtigen Empfänger zu übertragen. Dies entspricht des Weiteren dem Charakter der Mehrwertsteuer als Steuer auf den Verbrauch. Da der Dienstleistungsempfänger, auch im B2B-Kontext, stets dem endgültigen Eigenverbrauch näher ist, sollten die Lasten, die mit der Erhebung der Mehrwertsteuer einherge-
802 803 804
Zu den Probleme siehe auch Ecker, SWI 2013, 118 (124 f.). Vgl. zu den Risiken bereits ausführlich oben 3. Teil: I. 1. b) (1) (b). Ähnlich Ecker, SWI 2013, 118 (125); siehe auch die Stellungnahme von SwissBanking (S. 3) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/publiccomments-international-vat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014).
214
Die Recharge Methode
hen, in diese Nähe gerückt werden. Eine Verlagerung der Pflichten und Risiken auf den empfangenden Steuerpflichtigen ist daher angemessen. 805 Der Dienstleistungserbringer muss nach den Guidelines bei Zuordnung der Dienstleistung nur noch die Geschäftsvereinbarung zu Rate ziehen, um einen Empfänger zu bestimmen. 806 Ob dies unter Verbrauchsortaspekten korrekt ist, ist dabei wegen der Korrekturmöglichkeit im zweiten Schritt vergleichsweise unerheblich. Der Dienstleistungserbringer hat zudem ein relativ einfach zu handhabendes Mittel, nämlich die besagte Geschäftsvereinbarung, um den Empfangsort zu ermitteln. Probleme können sich insofern allenfalls ergeben, wenn die Geschäftsvereinbarung keine eindeutigen Ergebnisse aufzeigt, welche Niederlassung des Steuerpflichtigen als Empfängerin zu qualifizieren ist. 807 Jedoch muss auch hier darauf verwiesen werden, dass dies zum einen kein Mehr an Problemen im Vergleich zu den sonst auch bestehenden Problemen darstellt und zum anderen weiterhin eine Korrektur im zweiten Schritt möglich bleibt. Folglich wird der externe Dienstleistungserbringer durch die Recharge Methode entlastet. 808 Da es ein wichtiges Ziel des Mehrwertsteuergesetzgebers ist, die Anwendbarkeit der Mehrwertsteuerregeln für Steuerpflichtige, welche als „Steuereinsammler“ für den Staat handeln, möglichst einfach und rechtssicher zu gestalten, ist die Einführung der Recharge Methode mit Blick auf die soeben erörterten Praktikabilitätsaspekte nur zu befürworten. 809 (2)
Abgrenzungsprobleme zwischen extern bezogenen Dienstleistungen und interner Wertschöpfung
Wie bereits festgestellt, ist die Beschränkung der Recharge Methode auf externen Dienstleistungsbezug zwingende Folge ihres Zwecks und ihres Regelungscharakters. Allerdings führt dies zu dem Folgeproblem, dass zwischen den Bestandteilen der extern bezogenen Dienstleistung und gegebe805 806 807
808 809
Ebenso wohl Europäische Kommission, MwSt-Ausschuss, Working Paper Nr. 634, Brüssel, 12.11.2009, taxud.d.1(2009)358416, S. 4. Vgl. Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (285). Vgl. die Stellungnahme von Fidal (S. 2) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/public-comments-internationalvat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). Vgl. auch Ecker, SWI 2013, 118 (124 f.); Glauser, IVM 2010, 31 (35); Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (285). Ebenso Glauser, IVM 2010, 31 (35); die Stellungnahmen von SwissBanking (S. 3) und Software Finance & Tax Executives Council (S. 2) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/public-comments-international-vat-gst-guidelin es.htm (aufgerufen am 11.8.2014).
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
nenfalls hinzugefügter interner Wertschöpfung differenziert werden muss. Nur bezüglich der extern bezogenen Bestandteile ist die Recharge Methode anwendbar, muss also Mehrwertsteuer erhoben werden. Dies führt zu praktischen Schwierigkeiten, wie verschiedentlich kritisiert wurde. 810 Die Steuerpflichtigen müssen nämlich in irgendeiner Form dokumentieren, welche Bestandteile einer Dienstleistung woher stammen. Zudem ist es erforderlich, die Bestandteile zu gewichten und zu bewerten, um eine angemessene Bemessungsgrundlage für den externen Bestandteil an der neuen Dienstleistung zu ermitteln. Da die Beschränkung auf extern bezogene Dienstleistungen aus dem Charakter der Vorschrift folgt, kann hier keine Abwägung anhand der erarbeiteten Maßstäbe erfolgen. Das Ergebnis würde stets das gleiche bleiben. Daher führt die Recharge Methode insofern zu zusätzlichen Belastungen für Finanzverwaltung und Steuerpflichtige. Bevor ein Land sich daher für oder gegen die Umsetzung der Recharge Methode entscheidet, müssen die Einbußen gegen die Vorteile der Recharge Methode, wie sie zuvor erarbeitet wurden, abgewogen werden. 811 Jedoch sehen die VAT/GST Guidelines als Ausgleich für diese praktische Schwierigkeiten bei der Trennung extern bezogener Dienstleistungen und intern hinzugefügter Wertschöpfung eine Vereinfachung vor, um unverhältnismäßige Belastungen zu vermeiden. Danach dürfen zur Aufteilung Methoden angewandt werden, die nicht exakt, sondern lediglich näherungsweise aufteilen. Dies gilt, soweit eine exakte Aufteilung unverhältnismäßig belastend wäre. 812 Dies verringert die praktischen Probleme, sodass Praktikabilitätsaspekte nicht mehr in gleichem Maße ins Gewicht fallen dürften. Alternativ wird im Übrigen vorgeschlagen, die Recharge Methode nur auf extern bezogene Dienstleistungen anzuwenden, die vollständig weitergeleistet werden, ohne dass intern erbrachte Dienstleistungen hinzugefügt werden. 813 Jedoch würde dies die Wirkung der Recharge Methode einschränken, da nicht mehr alle extern bezogenen Dienstleistungen dem richtigen 810
811 812 813
Vgl. Körner, MwStR 2013, 227 (231); die Stellungnahmen von BP Group (S. 3), CBI (S. 2), European Banking Federation (S. 4), Federation Bancaire Francaise (S. 2) und Insurance Europe (S. 1) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/ consumption/public-comments-international-vat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). Siehe dazu sogleich unter 4. Teil: II. 3. d). Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.103. Vgl. die Stellungnahmen von British Bankers‘ Association (S. 5), European Banking Federation (S. 5) und Febelfin (S. 2) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http:// www.oecd.org/ctp/consumption/public-comments-international-vat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014).
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Die Recharge Methode
Verbrauchsort zugeordnet würden. Teilweise wird in der Praxis sogar gesagt, dass üblicherweise jede extern bezogene und weitergeleistete Dienstleistung interne Wertschöpfung enthält, da bereits die Weiterleistung unter Nutzung der Ressourcen des Steuerpflichtigen eine intern erbrachte Dienstleistung darstellen könnte. 814 Sollte dies stimmen, würde die Recharge Methode faktisch leerlaufen. Schließlich müsste bei diesem Modifikationsvorschlag genau untersucht werden, ob tatsächlich keine interne Wertschöpfung hinzugefügt wurde. Dies führt ebenfalls zu praktischen Problemen und Abgrenzungsschwierigkeiten. Daher kann eine Beschränkung nicht als taugliche Alternative erachtet werden. Unabhängig davon kann darüber diskutiert werden, ob insbesondere das Neutralitätsprinzip sowie Praktikabilitätsaspekte dafür sprechen, auch interne Wertschöpfung für steuerbar zu erklären, um insgesamt eine einheitliche Handhabung bezüglich unternehmensinterner Dienstleistungen zu erreichen. In diesem Falle müsste nicht zwischen extern bezogenen und weitergeleisteten Dienstleistungen sowie interner Wertschöpfung differenziert werden. Denn auch im Rahmen der Recharge Methode erfolgt die Ortsbestimmung im zweiten Schritt letztlich anhand der „normalen“ Ortsbestimmungsregel, wonach Besteuerung am Ort des Verbrauchs stattfinden soll, wie sie auch auf rein interne Dienstleistungen anzuwenden wären. Um rein interne Dienstleistungen für steuerbar zu erklären, bräuchte es aber einer eigenen Regelung. Es würde sich hierbei nicht um eine Ortsbestimmungsregel handeln. Daher handelt es sich hierbei um eine von der Bewertung der Recharge Methode unabhängige Problematik, die im Rahmen dieser Arbeit nicht erörtert wird. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Abgrenzung zwischen interner Wertschöpfung und externem Dienstleistungsbezug zu erheblichen praktischen Problemen führen kann. Hier ist eindeutig ein durch die Recharge Methode verursachter Mehraufwand für Steuerpflichtige und Finanzverwaltung zu verzeichnen. Relativierend ist aber darauf hinzuweisen, dass die International VAT/GST Guidelines hier Vereinfachungsregeln vorsehen, die den Mehraufwand wiederum verringern.
814
Vgl. die Stellungnahme von Insurance Europe (S. 1) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/public-comments-international-vat-gstguidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014).
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
(3)
Die Kostenaufteilung und der Rückgriff auf eine bereits existierende Dokumentation
Zunächst ist festzustellen, dass als wesentlicher Unterschied zu dem System, wie es in der Europäischen Union verfolgt wird, die Fiktion der Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen sowie eine Kostenzuordnung und -aufteilung entsprechend dem Verbrauch in den verschiedenen festen Niederlassungen des Steuerpflichtigen erforderlich ist. Der Steuerpflichtige ist daher zunächst mehr belastet. Insofern kann ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand bei ihm und auch bei der Finanzverwaltung nicht verneint werden. 815 Dieser Mehraufwand folgt zum einen daraus, dass es nach dem in der Europäischen Union bisher verfolgten Ansatz in der Regel nur einen Umsatz gibt, nämlich die extern bezogenen Dienstleistungen, die gegebenenfalls als Ausgangsleistung wiederum einen steuerbaren Umsatz darstellen. Alle weiteren Vorgänge innerhalb des Steuerpflichtigen sind für Mehrwertsteuerzwecke irrelevant. Dies bedeutet insbesondere, dass der Steuerpflichtige diesbezüglich keine Erklärungen gegenüber der Finanzverwaltung abgeben muss, da es nur einen einzigen Umsatz gibt. Die Recharge Methode hingegen geht von mindestens zwei Umsätzen aus, nämlich der extern bezogenen Dienstleistung sowie der Weiterverrechnung als eigene Umsätze, für die ebenfalls gegenüber dem Finanzamt Mehrwertsteuer abgeführt und gegebenenfalls ein Vorsteuerabzugsrecht geltend gemacht werden muss. Die Erklärungspflichten vervielfachen sich demnach. Auf der anderen Seite muss auch die Finanzverwaltung mehr Umsätze bearbeiten und prüfen. 816 Dieser gerade skizzierte Mehraufwand stellt allerdings lediglich eine quantitative Vermehrung der bereits bestehenden Aufgaben des Steuerpflichtigen dar. Bereits jetzt muss er die genannten Erklärungspflichten befolgen. Daher hielte sich die Belastung in Grenzen, zumal die Zahlen der Umsätze bei einem Steuerpflichtigen ebenfalls schwanken können, sodass der Gesamtaufwand über die Jahre sehr unterschiedlich ausfallen kann. Zudem sehen die International VAT/GST Guidelines für Steuerpflichtige die Möglichkeit, im 815
816
Ebenso Ecker, SWI 2013, 118 (125 f.); Englisch, IStR 2009, 526 (527); Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (288); die Stellungnahmen von ICAEW (S. 4), Rishi Gainda (S. 2), SwissBanking (S. 2) und VAT Practitioners Group (S. 1) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/public-comments-international-vatgst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). Dies erkennt auch die Schweizerische Finanzverwaltung, vgl. EFD, Vernehmlassungsvorlage zur Vereinfachung des Bundesgesetzes über Mehrwertsteuer, Februar 2007, S. 247. Insofern erkennt auch die OECD Regelungsbedarf in den einzelnen Ländern, vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.33.
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Die Recharge Methode
Rahmen des empfohlenen Reverse Charge Verfahrens ganz auf die Erhebung der Mehrwertsteuer zu verzichten, wenn in allen betroffenen festen Niederlassungen ein vollständiges Vorsteuerabzugsrecht gegeben ist. 817 Die Guidelines sehen also durchaus Maßnahmen vor, durch die der quantitative Mehraufwand verringert werden kann. Zum anderen muss der Steuerpflichtige die Dienstleistung entsprechend der tatsächlichen Nutzung einer oder mehreren festen Niederlassungen zuordnen. Sofern mehrere feste Niederlassungen betroffen sind, ist eine Kostenaufteilung, gegebenenfalls anhand eines sinnvollen Kostenaufteilungsschlüssels, erforderlich. Insbesondere die Ermittlung, welche Niederlassung in welchem Umfang eine Dienstleistung nutzt und wie diese angemessen aufzuteilen ist, bedeutet einen zusätzlichen Ermittlungsaufwand beim Steuerpflichtigen, den es so vorher nicht gab. Insofern ist auch ein qualitativer Mehraufwand gegeben. Die International VAT/GST Guidelines gehen jedoch ausdrücklich davon aus, dass die Recharge Methode kaum zu zusätzlichem Verwaltungsaufwand führen würde, da ein Rückgriff auf bereits existierende Dokumentation möglich sei und zudem sogar empfohlen wird. 818 Als Informationen, auf die möglicherweise zurückgegriffen werden könnte, werden in den Guidelines solche genannt, die bereits für Buchführungs-, Steuer- oder andere Kontrollzwecke verfügbar sind. 819 Zudem lassen die International VAT/GST Guidelines auch Kostenaufteilungsmethoden zu, die auf Schätzungen und Näherungswerten beruhen, sofern eine detaillierte Analyse der Nutzenanteile der einzelnen festen Niederlassungen schwierig und unverhältnismäßig belastend wäre. 820 Bereits durch diese Akzeptanz von Schätzwerten lässt sich eine erste Minderung des qualitativen Mehraufwandes ermöglichen. Die Recharge Methode und insbesondere die Kostenaufteilung soll nicht unverhältnismäßig belastend sein. Weiterhin wird der Aufwand in der Tat geringer, wenn nicht eine neue, zusätzliche Dokumentation geschaffen und gepflegt werden muss. 821 Der Mehraufwand besteht dann vor allem darin, die vorhandenen Informati817 818 819 820 821
Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.95. Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.32, 3.105. Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.32. 3.90. Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.88. Vgl. auch die Stellungnahme von Tax Executives Institute (S. 5) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/public-comments-internationalvat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014).
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
onen für die Kostenaufteilung auszuwerten. Kann demnach auf vorhandene Informationen zurückgegriffen werden, muss zwar ein Verwaltungsmehraufwand anerkannt werden, dieser wäre aber begrenzt. Dies ist allerdings nur möglich, wenn die in den Unternehmen vorhandenen Dokumente und Informationen tatsächlich geeignet sind, die Nutzungsanteile bei den einzelnen festen Niederlassungen und sinnvolle Kostenaufteilungsschlüssel zu ermitteln. 822 Die Eignung solcher Informationen hängt maßgeblich von den Dokumentationspflichten in den jeweiligen Jurisdiktionen ab. Hier muss es vorrangig auf Informationen ankommen, die auf gesetzlichen Pflichten beruhen, da nur diese einheitlich bei allen Unternehmen vorliegen. Freiwillige Dokumentationen einzelner Unternehmen können hingegen kein einheitliches Bild davon geben und daher kein abschließendes Urteil darüber erlauben, ob ein Rückgriff auf vorhandene Informationen den qualitativen Mehraufwand, den die Recharge Methode mit sich bringen würde, so gering wie möglich hält. Da es aber auf je nationale Gegebenheiten ankommt, kann an dieser Stelle kein abschließendes Urteil darüber gefällt werden, ob sich der durch die Recharge Methode faktisch eintretende Mehraufwand in angemessenen Grenzen hält. Dies soll daher für die Europäische Union im Rahmen der Untersuchung zur Umsetzbarkeit der Recharge Methode ausführlich erörtert werden. 823 (4)
Die interne Verrechnungsabrede
Schließlich muss die von den International VAT/GST Guidelines geforderte Verrechnungsabrede mit Blick auf Praktikabilitätsaspekte untersucht werden. Interne Verrechnungsabreden sollen die interne Weiterverrechnung unterstützen und erleichtern, indem sie dem Steuerpflichtigen und der Steuerverwaltung die Informationen liefern, die sie normalerweise aus der Geschäftsvereinbarung erhalten würden. Die interne Verrechnungsabrede soll also das Äquivalent zu den Geschäftsvereinbarungen bei Dienstleistungen zwischen unabhängigen Dritten sein. 824 Insbesondere soll die interne Verrechnungsabrede Informationen liefern, die die Identifikation der an der Weiterleistung beteiligten festen Niederlassungen ermöglichen, sowie solche Informationen, die die richtige Erhebung der Mehrwertsteuer auf die Weiterleistung belegen. 825 Die Verrechnungsabreden sollen Angaben dazu enthalten, ob eine Dienstleistung an eine oder mehrere feste Niederlassungen weitergeleistet wird und auf welche Niederlassungen welche Kosten 822 823 824 825
Daher kritisch Ecker, SWI 2013, 118 (125 f.). Siehe dazu unten 4. Teil: II. 4. e). Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.85. Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.86.
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Die Recharge Methode
entfallen. 826 Im Ergebnis stellt die Verrechnungsabrede daher eine Dokumentation dazu dar, was mit extern erworbenen Dienstleistungen innerhalb des Steuerpflichtigen geschieht. Auch hier kann wohl, soweit vorhanden, auf bereits für andere Zwecke erstellte Unterlagen zurückgegriffen werden. Insbesondere scheint die Verrechnungsabrede eine Zusammenfassung der zuvor durch die bereits erörterten Dokumentationen und Informationen gefundenen Ergebnisse darzustellen. Sie dient in erster Linie der Beweisführung und Belegung der Vorgänge innerhalb des Steuerpflichtigen. Dies lässt darauf schließen, dass ein Rückgriff auf bereits vorhandene Informationen zwingend erforderlich ist. Daher dürfte das Erfordernis einer Verrechnungsabrede keine übermäßigen zusätzlichen Belastungen mit sich bringen. Jedoch gilt dies nur, wenn es tatsächlich üblicherweise Unterlagen und Informationen in Unternehmen gibt, die den Anforderungen an interne Verrechnungsabreden genügen. Insgesamt kann insofern bereits auf die im vorangegangenen Gliederungsabschnitt getätigten Überlegungen und Hinweise verwiesen werden. d)
Zusammenfassung und abschließende Abwägung
Im Folgenden sollen die Ergebnisse der Beurteilung der Recharge Methode abschließend bewertet werden. Dabei soll insbesondere ein Vergleich zu den Ergebnissen der Beurteilung des bisherigen Systems nach der MwStSyst-RL (Single-Entity-Ansatz) gezogen werden. Eindeutig lässt sich zunächst feststellen, dass das Verbrauchsortprinzip umfassend verwirklicht wird bei Anwendung der Recharge Methode, während dies im europäischen Mehrwertsteuersystem nicht der Fall ist. Indem das Verbrauchsortprinzip verwirklicht wird, wird zugleich Neutralität gewährleistet. Denn auch das Neutralitätsprinzip (in seiner Ausprägung als Wettbewerbsneutralität) ist insofern weniger gefährdet, als die unterschiedliche Belastung mit Mehrwertsteuer – je nachdem ob eine Tochter, eine inländische feste Niederlassung oder eine ausländische feste Niederlassung bei Bezug von Dienstleistungen eingeschaltet wird – verringert wird. Bei der Recharge Methode kommt es nur noch zu unterschiedlichen Belastungen und damit zu einer Beeinträchtigung des Neutralitätsprinzips, soweit zwischen interner Wertschöpfung und externem Leistungsbezug sowie rein inländischen und ausländischen Sachverhalten differenziert wird, da dies für 826
Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.87 f.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
Teile der Steuerpflichtigen einen Mehraufwand bedeutet. Jedoch ist Ersteres zwangsläufige Folge des Charakters der Recharge Methode, die eine erste Ortsbestimmung korrigieren will. Hier kann kein Ausgleich geschaffen werden. Zweitens ist die unterschiedliche Behandlung inländischer und grenzüberschreitender Sachverhalte nicht zwingend; den nationalen Gesetzgebern bleibt es freigestellt, ob sie die Recharge Methode auch auf rein inländische Sachverhalte anwenden. Eine entsprechende Abwägung kann jedoch nicht auf das Verbrauchsortprinzip zurückgreifen, da beide Alternativen eine Besteuerung am Ort des Verbrauchs gewährleisten. Gegen eine Ausweitung auf inländische Sachverhalte kann eingewendet werden, dass dies in praktischer Hinsicht zu einer zusätzlichen Belastung für den Steuerpflichtigen führen würde. Soweit es daneben zu einer unterschiedlichen Belastung interner Wertschöpfung und externem Dienstleistungsbezugs mit Mehrwertsteuer kommt, ist dies allein Folge eines eingeschränkten Vorsteuerabzugsrechts und nicht der Recharge Methode. Das Neutralitätsprinzip wird insofern nicht durch die Recharge Methode eingeschränkt. Weiterhin kann es bei Steuerpflichtigen mit eingeschränktem Vorsteuerabzugsrecht zu einer kumulativen Belastung mit Mehrwertsteuer kommen, wenn die Weiterleistung als weiterer Umsatz besteuert wird. Allerdings sieht die Recharge Methode zur Vermeidung einer neutralitätsschädlichen Behandlung vorsteuerabzugsbeschränkter Steuerpflichtiger ein umfassendes Vorsteuerabzugsrecht der weiterleistenden Niederlassung bezüglich der extern bezogenen und intern weitergeleisteten Dienstleistungen vor. Es macht daher keinen Unterschied, ob man inländische oder ausländische Niederlassungen einbezieht und ob man eine extern bezogene Dienstleistung weiterleistet oder nur interne Wertschöpfung erfolgt. 827 Auch der Single-Entity-Ansatz vermeidet mangels Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen einen Konflikt mit dem Neutralitätsprinzip und schont so Steuerpflichtige mit eingeschränktem Vorsteuerabzugsrecht. 828 Allerdings kann die Nicht-Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen zugleich in sich eine Verletzung des Neutralitätsgrundsat827
828
Letzteres gilt einschränkend nur dahingehend, dass keine zusätzliche Belastung mit Mehrwertsteuer erfolgt. Sofern die feste Niederlassung, welche als Empfängerin der intern weitergeleisteten Dienstleistung anzusehen ist, ein eingeschränktes Vorsteuerabzugsrecht hat, kommt es aufgrund dieser Beschränkung zu einer endgültigen Belastung mit Mehrwertsteuer, die bei interner Wertschöpfung vermieden würde. Amand spricht in diesem Zusammenhang von einem notwendigen Korrektivmechanismus, vgl. IVM 2010, 20 (21) und einer pragmatischen Lösung, vgl. IVM 2007, 237 (241).
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Die Recharge Methode
zes mit sich bringen, da das Verbrauchsortprinzip nicht umfänglich berücksichtigt wird. Zudem wurde bereits festgestellt, dass die MwStSyst-RL eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von unternehmensinternen Dienstleistungen und Lieferungen vorsieht, indem nur unternehmensinterne Lieferungen nach Art. 17 Abs. 1 MwStSyst-RL besteuert werden müssen. 829 Diese Ungleichbehandlung wird durch eine Besteuerung extern bezogener und weitergeleisteter Dienstleistungen zumindest teilweise beseitigt. Insgesamt ist daher mit Blick auf das Neutralitätsprinzip die Recharge Methode vorzuziehen. Eine doppelte Belastung mit Mehrwertsteuer kommt daher nur noch in Betracht, wenn die Finanzverwaltungen der an einer unternehmensintern weitergeleisteten Dienstleistung beteiligten Länder einen Sachverhalt insgesamt unterschiedlich beurteilen. Speziell bei der Recharge Methode besteht insofern die Gefahr, dass die Finanzverwaltungen in verschiedenen Ländern die Aufteilung und Zuordnung einer extern bezogenen Dienstleistung auf eine oder mehrere feste Niederlassungen unterschiedlich beurteilen und daher im eigenen Land eine entsprechende Korrektur bei der Besteuerung der unternehmensintern weitergeleisteten Dienstleistung vornehmen. 830 Daneben kommt es allgemein zu einer Doppelbesteuerung, wenn zwei Finanzbehörden in verschiedenen Ländern beide im jeweils eigenen Land aufgrund unterschiedlicher Anwendung der Ortsbestimmungsregeln einen Anknüpfungspunkt für die Besteuerung erkennen. Umgekehrt kann es ebenfalls zu einer ungewollten Doppel-Nichtbesteuerung kommen, wenn keines der beteiligten Länder ein Besteuerungsrecht geltend macht. 831 Da auch auf die unternehmensintern weitergeleistete Dienstleistung die allgemeinen Ortsbestimmungsregeln anwendbar sind, kann es hier gleichermaßen zu einer uneinheitlichen Anwendung derselben kommen. 829 830
831
Siehe dazu ausführlich oben unter 3. Teil: II. 5. b) (3). Vgl. auch die Stellungnahme von Association for Financial Markets in Europe (S. 4) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/public-commentsinternational-vat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). Vgl. hier nur GA Kokott, Schlussanträge v. 15.5.2014 – C-605/12 (Welmory), Rz. 26 sowie Haydl, IStR 2015, 587 (588). Die Gefahr besteht insbesondere bei uneinheitlicher Umsetzung in nationales Recht, siehe dazu ein anschauliches Beispiel zu dem § 3a Abs. 2 UStG a.F. von Korn, in: Bunjes, UStG, 15. Aufl. 2016, § 3a Rz. 29. Anschaulich ist auch die bereits erwähnte Rechtssache Zurich Insurance aus England; hier waren sich nicht einmal die verschiedenen nationalen Instanzen einig, wie die Zuordnung der fraglichen Leistung zu erfolgen hatte, vgl. High Court of Justice (Chancery Division), Entscheidung v. 23.3.2006 – CH/2005/APP/0592, [2006] EWHC 593 (Ch), Rz. 38 sowie zusammenfassend oben 3. Teil: II. 2. b) (1). Zu den Problemen bei der Zuordnung einer Dienstleistung an einen mehrfachansässigen Empfänger bereits ausführlich oben 3. Teil: I. 3. d) (2).
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
Es muss daher festgestellt werden, dass die Recharge Methode zwar grundsätzlich umfassender dem Verbrauchsortprinzip und damit einhergehend dem Neutralitätsprinzip gerecht wird. Jedoch birgt sie zugleich ein Risiko ungewollter Doppel(nicht-)besteuerung. Soweit dieses von der unterschiedlichen Anwendung von Ortsbestimmungsregeln herrührt, handelt es sich hierbei allerdings um ein allgemeines Problem, das gleichermaßen bei „normalen“ Dienstleistungen, auf welche die Recharge Methode nicht anwendbar ist, besteht. Vielmehr ist aufgrund der Berücksichtigung der Nutzung durch mehrere Niederlassungen eines Steuerpflichtigen im Rahmen der Recharge Methode davon auszugehen, dass die Konkurrenz zwischen beteiligten Ländern verringert wird. Wenn nämlich aufgrund anteiliger Nutzung einer Dienstleistung in mehreren Ländern grundsätzlich mehrere Anknüpfungspunkte in Betracht kommen, jedoch nur einem Land das Besteuerungsrecht insgesamt zugewiesen werden kann, steigt die Gefahr, dass nicht nur ein Land einen vorrangigen Anknüpfungspunkt im Inland sieht. Die Recharge Methode sieht hingegen im zweiten Schritt eine Zuteilung auf alle beteiligten Länder vor. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass einzelne Länder eine Zuordnung im ersten Schritt eher akzeptieren werden, wenn sie bei der Zuordnung im zweiten Schritt zumindest anteilig berücksichtigt werden. Die Gefahr der Doppel(nicht-)besteuerung besteht dann nur noch, soweit die Zuordnung im zweiten Schritt nicht anerkannt wird. Insgesamt wird daher das Risiko einer Doppel(nicht-)besteuerung aufgrund unterschiedlicher Anwendung der Ortsbestimmungsregeln minimiert. Das verbleibende Risiko bezüglich unterschiedlicher Zuordnung der unternehmensintern weitergeleisteten Dienstleistung ist demgegenüber nicht gleichermaßen negativ zu beurteilen. Die hier bestehende mögliche doppelte (Nicht-)Besteuerung betrifft allenfalls Teile der ursprünglich extern bezogenen Dienstleistung. Die Recharge Methode ist daher auch mit Blick auf das bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stets bestehende Risiko der Doppel(nicht-)besteuerung vorzugswürdig gegenüber dem zurzeit in der Europäischen Union bestehenden System. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die oben angesprochene Gefahr doppelter (Nicht-)Besteuerung aufgrund uneinheitlicher Behandlung unternehmensinterner Dienstleistungen 832 weitgehend beseitigt wird, wenn ein international einheitliches Regime eingeführt wird. Die Recharge Methode verringert daher nicht nur innerhalb der Europäischen Union, sondern auch bei grenzüberschreitendem Dienstleistungsverkehr mit Drittstaaten weitge832
Siehe oben 3. Teil: II. 1.
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Die Recharge Methode
hend die Gefahr der Doppel(nicht-)besteuerung. Dies gilt einschränkend allerdings nur, soweit die Recharge Methode international breite Zustimmung findet. Als großer Gegensatz zu diesen Überlegungen müssen nunmehr Praktikabilitätsaspekte angeführt werden. Die Einführung der Recharge Methode würde zu einer angemessenen Entlastung externer Dienstleistungserbringer führen. Jedoch ginge dies mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand und Kosten für Steuerpflichtige und Finanzverwaltung einher, da die Erklärungspflichten sowie die Dokumentationspflichten zunehmen und zudem eine Aufteilung interner Wertschöpfung und externer Dienstleistungen vorgenommen werden müsste. Die Möglichkeit, zur Aufteilung auf Schätzwerte zurückzugreifen, führt allerdings zu einer ersten Minderung der zusätzlichen Pflichten. Daneben wird verschiedentlich vorgeschlagen, die Recharge Methode auf Steuerpflichtige mit eingeschränktem Vorsteuerabzugsrecht zu beschränken. 833 In der Tat kann das Verbrauchsortprinzip bei Steuerpflichtigen mit vollem Vorsteuerabzugsrecht auch ohne die Recharge Methode verwirklicht werden. Aufgrund des vollen Vorsteuerabzugsrechts sind solche Steuerpflichtigen nicht an den bereits beschriebenen Gestaltungen interessiert. Würden nur bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen die Recharge Methode anwenden, wäre der zusätzliche Aufwand insgesamt verringert. Fraglich erscheint allenfalls die praktische Relevanz, wie viele Steuerpflichtige in all ihren festen Niederlassungen ein vollständiges Vorsteuerabzugsrecht haben. Wie hoch der zusätzliche Aufwand im Ergebnis ist, hängt aber maßgeblich von den bereits vorhandenen Informationen ab, die die nationale Rechtslage erfordert. Hierzu kann noch keine abschließende Beurteilung vorgenommen werden, da der Aufwand im Rahmen der Umsetzbarkeit der Recharge Methode in das europäische Mehrwertsteuersystem umfassend untersucht werden muss. Dies ist der ausschlaggebende Punkt in der Abwägung der Vorund Nachteile der beiden Ansätze. 834 Sollte es in der Tat möglich sein, vor833
834
Vgl. Ecker, SWI 2013, 118 (126); Englisch, IStR 2009, 526 (527); Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (288); vgl. auch die Stellungnahmen von CBI (S. 2) und Rishi Gainda (S. 2) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/publiccomments-international-vat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). Eine entsprechende Einschränkung sah auch der bereits erwähnte Vorschlag zur Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen im Rahmen des Verfahrens zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG vor, vgl. Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Steuerfragen“, Interinstitutionelles Dossier 2003/0329 (CNS), FISC 150, Brüssel, 4.8.2004, S. 5. Ebenso Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (288).
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
handene Informationen für die Ermittlung der tatsächlich nutzenden festen Niederlassungen und die korrekte Kostenaufteilung heranzuziehen, hielten sich der zusätzliche Verwaltungsaufwand und die Kosten in einem angemessenen Rahmen. Die Vorteile mit Blick auf das Verbrauchsortprinzip und das Neutralitätsprinzip könnten den verbleibenden zusätzlichen Aufwand aufwiegen. Festzustellen ist, dass die Recharge Methode im Vergleich zum SingleEntity-Ansatz vorzugswürdiger ist, soweit das Verbrauchsortprinzip und das Neutralitätsprinzip betroffen sind. Demgegenüber hängt die Beurteilung mit Blick auf Praktikabilitätsaspekte weitgehend von den Umständen in den nationalen Mehrwertsteuersystemen und bei den einzelnen Steuerpflichtigen ab. Sowohl bei der Recharge Methode als auch bei dem bisherigen System sind in praktischer Hinsicht Abstriche zu machen. Dies spiegelt sich im Meinungsbild in Literatur und Praxis wider, ob ein Seperate-Entity-Ansatz oder ein Single-Entity-Ansatz zu befürworten ist. 835
4.
Mögliche Ausgestaltung und Eingliederung in das bestehende System
Da es sich bei den International VAT/GST Guidelines um unverbindliche Regelungsvorschläge handelt, müsste die Recharge Methode in die MwStSyst-RL implementiert werden, um ihr umfassende Geltung innerhalb der Europäischen Union zu verschaffen. Diesbezüglich ist zu untersuchen, inwiefern die in der MwStSyst-RL niedergelegten allgemeinen Konzepte zu der Recharge Methode passen. Dies betrifft insbesondere das Verständnis der festen Niederlassung. Zudem stellt sich die Frage, ob die Recharge Methode überhaupt erforderlich ist oder ob es bereits Regelungen gibt, die zu ähnlichen Ergebnissen führen können. Insofern ist vor allem zu untersuchen, ob bestehende Regelungen durch geringfügige Ergänzungen entsprechend 835
Vgl. pro Seperate-Entity-Ansatz: Glauser, IVM 2010, 31 (35); Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (288). Siehe auch die Stellungnahmen von Deloitte (S. 8); Ernst & Young (S. 2); ICAEW (S. 5); Software Finance & Tax Executives Council (S. 2) und Tax Executives Institute (S. 5) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/ consumption/public-comments-international-vat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). Für den Single-Entity-Ansatz beziehungsweise gegen die Recharge Methode sprechen sich hingegen aus: Can, IVM 2006, 424 (427); Körner, MwStR 2013, 227 (231); kritisch auch die Stellungnahmen von Association for Financial Markets in Europe (S. 1), Insurance Europe (S. 2) und Taxand (S. 11) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/public-comments-international-vatgst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). Siehe auch Ecker, SWI 2013, 118; insgesamt eher kritisch Englisch, IStR 2009, 526 (527).
226
Die Recharge Methode
erweitert werden können. Des Weiteren ist zu untersuchen, inwiefern auf bereits vorhandene Informationen, die für andere Zwecke zusammengestellt werden, zurückgegriffen werden kann. Dies ist von Relevanz, um eine abschließende Beurteilung der Praktikabilität der Recharge Methode vornehmen zu können. a)
Die feste Niederlassung
(1)
Die Vereinbarkeit des Art. 5 OECD-MA mit der MwStSyst-RL und den International VAT/GST Guidelines
Die OECD verwendet bereits seit langem den Begriff der Betriebsstätte in ihrem Musterabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung (OECDMA). In Art. 5 Abs. 1 OECD-MA wird eine Betriebsstätte als „eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird“ definiert. In Art. 5 Abs. 2 OECD-MA erfolgt eine beispielhafte Aufzählung von Betriebsstätten (Ort der Leitung, Zweigniederlassung, Geschäftsstelle, Fabrikationsstätte, Werkstätte, Bergwerke und Ähnliches). Art. 5 Abs. 3 bis 7 OECD-MA schließlich regeln Sonderfälle. Fraglich ist, wie der Begriff der „establishments“ im Rahmen der Recharge Methode der OECD zu verstehen ist und wie insofern eine Umsetzung in das bestehende System in der Europäischen Union möglich ist. Man könnte nunmehr die Überlegung anstellen, für eine umfassende Auslegung des Begriffs der festen Niederlassung im Sinne der MwStSyst-RL sowie der International VAT/GST Guidelines auf die Definition in Doppelbesteuerungsabkommen und in dem zugrundeliegenden Musterabkommen der OECD (Art. 5 OECD-MA) zurückzugreifen, sofern an dem Erlass der MwStSyst-RL sowie der Umsetzung der Recharge Methode auf der einen Seite und dem OECD-MA die gleichen Parteien „beteiligt“ sind. 836 Dagegen sprechen jedoch die unterschiedlichen Funktionen der Betriebsstätte und der festen Niederlassung in direkten und indirekten Steuern. 837 Regelungen über Betriebsstätten in Doppelbesteuerungsabkommen wollen Betriebsgewinne auf verschiedene Staaten für Zwecke der Ertragsteuern 836
837
Einen Rückgriff auf Art. 5 OECD-MA befürwortet daher Körner, MwStR 2013, 227 (230). Sehr nah an Art. 5 OECD-MA orientiert sich auch die schweizerische Definition einer festen Niederlassung, vgl. Camenzind, ASA 2009/2010 (78), 713 (726 f.); Can, IVM 2006, 424 (425). Vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.2006 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 39; Cussons/FitzGerald, in: IFA Cahiers 2006, Volume 91B, S. 69 (Fn. 7); Englisch, IStR 2009, 526 (526); Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (287).
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
aufteilen. Es kommt dabei maßgeblich darauf an, den Gewinn für eine bestimmte Periode entsprechend der „Verursachung“ des Gewinns den verschiedenen beteiligten Betriebsteilen zuzuordnen. Nur bei ausreichender Verknüpfung eines Gewinns mit einem territorial abgrenzbaren Gebiet kann dabei eine Steuererhebung gerechtfertigt werden. 838 Das System der Mehrwertsteuer ist demgegenüber transaktionsbezogen und will die jeweilige Lieferung oder Leistung (idealerweise) entsprechend dem Endverbrauch zuordnen. Die Definitionen der Betriebsstätte im Sinne der Doppelbesteuerungsabkommen und der festen Niederlassung im Rahmen der Mehrwertsteuer gehen daher aufgrund dieser unterschiedlichen Ausgangsüberlegungen – Verwirklichung des Erwirtschaftungsgedankens und einer territorialen Verknüpfung gegenüber dem Verbrauchsgedanken – von unterschiedlichen Ansätzen aus. 839 Eine unkritische Übernahme der Begriffsbestimmungen aus den direkten Steuern auf die Mehrwertsteuer oder umgekehrt ist daher nicht möglich. Jedoch schließt dies nicht aus, dass Überlegungen, die im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen angestellt werden, auch für die Definition des Begriffes der festen Niederlassung für Zwecke der Mehrwertsteuer Berücksichtigung finden können. 840 Es muss jedoch stets auf die unterschiedlichen Ansätze Rücksicht genommen werden. Zudem kann es durchaus zu Überschneidungen kommen, sodass eine Betriebsstätte im Sinne der direkten Steuern zugleich eine feste Niederlassung für Zwecke der Mehrwertsteuer ist. 841 Unabhängig von diesen funktionalen Überlegungen spricht zumindest mit Blick auf die MwStSyst-RL auch der Harmonisierungsgedanke wiederum gegen eine Übernahme der Betriebsstättendefinition aus dem Bereich der direkten Steuern. Würden die Mitgliedstaaten für die Begriffsklärung lediglich auf Definitionen in ihren Doppelbesteuerungsabkommen verweisen, hätte dies gegebenenfalls eine uneinheitliche Interpretation zur Folge. 842 838
839
840 841 842
Vgl. Iavagnilio, VAT Monitor 2002, 470 (471); Englisch, IStR 2009, 526 (526); Mlcoch, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 77 (77). Vgl. zu diesen Aspekten insgesamt Mlcoch, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 77 (77 f.); Englisch, IStR 2009, 526 (526); Iavagnilio, VAT Monitor 2002, 470 (471); siehe auch Vitale, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 773 (778 f.). Sehr ausführlich zu der Gesamtthematik Englisch, in: Lang/Melz/Kristiffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 1. So auch Schaffner, How Fixed Is a Permanent Establishment?, 2013, S. 58. Vgl. ausführlich zur Vergleichbarkeit Mlcoch, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 77 (89 ff.). Vgl. Iavagnilio, VAT Monitor 2002, 470 (471).
228
Die Recharge Methode
Dies betrifft jedoch nur die Auslegung der MwStSyst-RL. Für das Begriffsverständnis im Rahmen der VAT/GST Guidelines ist diese Überlegung irrelevant. (2)
Die feste Niederlassung für Zwecke der Ortsbestimmung im Mehrwertsteuerrecht auf Ebene der OECD
Fraglich ist, inwiefern die Definition in Art. 5 OECD-MA sowie das unionsrechtliche Verständnis der festen Niederlassung dennoch von Relevanz sind. Hier muss differenziert werden. Da die Reformvorschläge von der OECD stammen, die bezogen auf ihre Mitglieder weiter ist als die Europäische Union, kann für die Untersuchung dieser Vorschläge auf internationaler Ebene nicht ohne Weiteres auf den unionsrechtlichen Begriff der festen Niederlassung zurückgegriffen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Definition des Art. 5 OECD-MA unkritisch übernommen werden könnte. 843 Dem widersprechen die soeben dargelegten unterschiedlichen Funktionen von Betriebsstätten in direkten und indirekten Steuern. Folglich erfordert der in den Reformvorschlägen verwendete Betriebsstättenbegriff eine Interpretation, die sich an den Funktionen der indirekten Steuern zu orientieren hat. Dabei kann aber grundsätzlich auf die unionsrechtliche Interpretation ebenso wie auf Art. 5 OECD-MA zurückgegriffen werden. Dies gilt insbesondere, soweit einzelne Merkmale des unionsrechtlichen Begriffs durch die besonderen Funktionen und Eigenheiten der Mehrwertsteuer geprägt sind. Soweit jedoch die konkrete Umsetzung auf Unionsebene zu untersuchen sein wird, muss insbesondere auf das unionsrechtliche Verständnis geschaut und überprüft werden, ob und inwieweit dieses mit der Recharge Methode kompatibel ist. Denn nur eine einheitliche Auslegung des Begriffs der festen Niederlassung für alle Regeln in der MwStSyst-RL kann sinnvoll sein, sollte man die Recharge Methode in europäisches Recht umsetzen. Die erste Version der International VAT/GST Guidelines aus Februar 2013 enthielt keine weitergehende Erläuterung zu dem in dem Entwurf erwähnten Begriff der „establishments“. Dies nahmen verschiedene Gruppierungen zum Anlass, in der anschließenden öffentlichen Konsultation eine genauere Definition des Begriffs zu fordern. 844 Wohl als Reaktion darauf enthalten 843 844
Ein Rückgriff auf Art. 5 OECD-MA befürwortend Körner, MwStR 2013, 227 (230). Vgl. die Stellungnahmen von Association des Femmes Fiscalistes Françaises (S. 5), BASF (S. 2), Tax Executives Institute (S. 4), Rishi Gainda (S. 2), Fidal (S. 1), Federation of European Accountants (S. 4) und Ernst & Young (S. 2) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/public-comments-international-vat-
229
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
die endgültigen International VAT/GST Guidelines aus April 2014 in Fußnote 24 eine Konkretisierung des Begriffs „establishment“. Fußnote 24 der International VAT/GST Guidelines besagt demnach, dass „[f]or the purpose of these Guidelines, it is assumed that an establishment comprises a fixed place of business with a sufficient level of infrastructure in terms of people, systems and assets to be able to receive and/or make supplies. Registration for VAT purposes by itself does not constitute an establishment for the purposes of these Guidelines. Countries are encouraged to publicise what constitutes an “establishment” under their domestic VAT legislation.” Diese Definition weist einige Gemeinsamkeiten mit der bereits erarbeiteten Definition des Begriffs der festen Niederlassung im Sinne der MwStSyst-RL auf. 845 Zudem gibt die OECD zu erkennen, dass sie keine eigene endgültige Auslegung des Begriffs vornehmen will, sondern dies den nationalen Gesetzgebern überlässt. Letzteres ist zunächst unproblematisch, sofern die jeweiligen nationalen Begriffsverständnisse sich an dem Mehrwertsteuersystem zugrundeliegenden Überlegungen im Allgemeinen orientieren und nicht unkritisch Rückgriff auf die Definition der Betriebsstätte in Art. 5 OECDMA nehmen. Jedoch besteht die Gefahr, dass das Verständnis in den einzelnen Staaten abweicht und so für den Rechtsanwender insbesondere Rechtsunsicherheit entstehen kann. So muss ein Steuerpflichtiger, der Niederlassungen in verschiedenen Ländern (außerhalb der EU) hat, für jede Niederlassung getrennt anhand des nationalen Verständnisses überprüfen, ob im konkreten Fall eine feste Niederlassung vorliegt oder nicht. Daher muss eine Umsetzung der Recharge Methode in das Mehrwertsteuersystem der EU einheitlich für alle Mitgliedstaaten erfolgen und möglichst mit allgemeinen Prinzipien der Mehrwertsteuer im Einklang stehen. So kann zumindest der Versuch unternommen werden, auch mit Drittstaaten eine größtmögliche Harmonisierung und somit einfache Anwendbarkeit für Steuerpflichtige zu erreichen. Die Definition in den International VAT/GST Guidelines und das Verständnis der festen Niederlassung auf Ebene der EU sind sich sehr ähnlich. Die feste Niederlassung im Sinne der MwStSyst-RL definiert sich nach der Rechtsprechung des EuGH als einen durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal-
845
gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). Kritisch auch Körner, MwStR 2013, 227 (229). Siehe dazu oben 3. Teil: I. 3. c) (2).
230
Die Recharge Methode
und Sachmittel gebildeten Mindestbestand, der einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur voraussetzt, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht. 846 Die feste Niederlassung muss dabei gegenüber dem Steuerpflichtigen unselbstständig sein. 847 Wie bereits ausführlich untersucht, entspricht dem die in Art. 11 MwSt-DVO niedergeschriebene Definition, die darüberhinaus passive feste Niederlassungen erfasst. Wesentliche Merkmale einer festen Niederlassung im europäischen Mehrwertsteuersystem sind danach − Unselbständigkeit gegenüber dem Hauptsitz, − ein Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln − sowie die Möglichkeit zur Leistungserbringung beziehungsweise zum Leistungsempfang. 848 Die Definition in den VAT/GST Guidelines verlangt ähnliche Merkmale, nämlich − ein ausreichendes Maß an Infrastruktur bezüglich Personen, Systemen und Vermögenswerten sowie − die Möglichkeit, Leistungen aufgrund dieser Infrastruktur zu empfangen und / oder zu erbringen. Die Registrierung für Mehrwertsteuerzwecke ist hingegen irrelevant. Ein direkter Vergleich ergibt daher, dass die beiden Merkmale nach den VAT/GST Guidelines mit dem zweiten und dritten Merkmal nach dem europäischen Mehrwertsteuersystem übereinstimmen. Lediglich das Merkmal, wonach die feste Niederlassung unselbstständig sein muss, wird nicht genannt. Dies ist allerdings denklogische Folge der Eigenschaft als feste Niederlassung, da es sich andernfalls um einen eigenständigen Steuerpflichtigen handelt. 849 Dies folgt aus dem Grundsatz der Unternehmenseinheit. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die International VAT/GST Guidelines dieses Merkmal ebenfalls vorsehen, eine ausdrückliche Erwähnung jedoch für überflüssig erachtet haben. Da die International VAT/GST Guidelines es zudem im Einzelnen den jeweiligen nationalen Gesetzgebern überlassen haben, ihr jeweiliges nationales Verständnis des Begriffs der festen Niederlassung anzuwenden, kann das im europäischen Mehrwertsteuer-
846 847 848 849
EuGH, Urteil v. 28.6.2007 – C-73/06 (Planzer Luxembourg), Rz. 54. Vgl. EuGH, Urteil v. 20.2.1997 – C-260/95 (DFDS), Rz. 25. Siehe insgesamt dazu oben 3. Teil: I. 3. c) (2) (e). Siehe dazu bereits oben 3. Teil: I. 3. c) (2) (d) iii.
231
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
system angewandte Verständnis für die folgende Untersuchung unproblematisch auch auf die Recharge Methode angewandt werden. b)
Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen und Kostenaufteilung
Im vorangegangen Kapitel wurde ausführlich die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache FCE Bank und ihre Implikationen untersucht. 850 Danach sind unternehmensinterne Dienstleistungen nach dem europäischen Mehrwertsteuersystem nicht steuerbar. Diese Erkenntnis ist sowohl auf rein intern erbrachte Dienstleistungen als auch auf extern bezogene und dann weitergeleistete Dienstleistungen anzuwenden. 851 Dies scheint der Recharge Methode teilweise zu widersprechen. Sofern rein intern erbrachte Dienstleistungen betroffen sind, will auch die OECD die Recharge Methode nicht anwenden. Sie geht insofern ebenfalls von der Nicht-Steuerbarkeit interner Wertschöpfung aus. 852 Jedoch wird die Weiterverrechnung extern bezogener Dienstleistungen wie eine steuerbare Leistung behandelt 853, sodass hier ein Widerspruch zu der Entscheidung in FCE Bank zu bestehen scheint. In der Tat werden bei der Recharge Methode zumindest extern bezogene und weitergeleistete Dienstleistungen mit Mehrwertsteuer belastet, während dies nach der Auslegung des EuGH nicht möglich ist. Ein Gleichlauf lässt sich insofern nur herstellen, wenn die Zuordnung nach den Ortsbestimmungsregeln direkt von vornherein die feste Niederlassung als Empfängerin bestimmt, die auch nach der Recharge Methode im zweiten Schritt als Empfängerin qualifiziert wird. Jedoch wurde bereits ausführlich erörtert, dass der vorzugswürdige Vorrang der „normalen“ Ortsbestimmungsregeln 854 vor einer Diskussion über die (Nicht-)Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen nicht immer möglich ist. In diesen Fällen kommt es zu unterschiedlichen Ergebnissen bei Anwendung der Recharge Methode im Vergleich zum System in der Europäischen Union. Allerdings bedeutet dies keinen Widerspruch zwischen den beiden Ansätzen. Vielmehr gehen auch die International VAT/GST Guidelines grundsätzlich davon aus, dass unternehmensinterne Dienstleistungen nicht steuerbar sind. Für bestimmte Fälle erheben sie auf diese Dienstleis850 851 852 853
854
Siehe oben 3. Teil: II. Siehe oben 3. Teil: II. 2. b) (2). Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.99. Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.81: “[…] the internal charge […] is treated as consideration for a supply within the scope of VAT”. Siehe dazu oben 3. Teil: II. 2. b) (1).
232
Die Recharge Methode
tungen dennoch Mehrwertsteuer, um eine Korrektur der Zuordnung zu einem Dienstleistungsort zu ermöglichen. Somit wird eine teilweise Steuerbarkeit fingiert. Eine Fiktion stellt dabei keinen Widerspruch dar. Vielmehr müsste zur Umsetzung dieser Methode in das europäische System auch dort eine entsprechende Fiktion vorgenommen werden. Andernfalls bliebe es dabei, dass unternehmensinterne Dienstleistungen nach der MwStSyst-RL nicht steuerbar sind. Diese Fiktion müsste insofern umfassend sein, als auf die weitergeleistete Dienstleistung wie auf jede andere Dienstleistung Mehrwertsteuer erhoben werden muss und die empfangende Niederlassung insofern ein (gegebenenfalls eingeschränktes) Vorsteuerabzugsrecht haben soll. Da die unternehmensinterne Dienstleistung wie vergleichbare Dienstleistungen behandelt werden soll, erfasst dies insbesondere auch Steuerbefreiungen, sodass die konkret weitergeleistete Dienstleistung steuerbefreit ist, wenn die je einschlägigen Voraussetzungen erfüllt sind. Jedoch dürfte eine Fiktion nicht so weit gehen, feste Niederlassungen als Steuerpflichtige zu behandeln. In diesem Fall wäre jede unternehmensinterne Dienstleistung steuerbar und die feste Niederlassung träfen weitreichende Folgen unabhängig von der Besteuerung der weitergeleisteten Dienstleistung. Zudem kann dies nicht gewollt sein, da feste Niederlassungen auch weiterhin im Wesentlichen als Anknüpfungspunkt für Zwecke der Ortsbestimmung dienen und keine darüber hinausgehende Funktion erhalten sollen. Dies gilt auch nach der Recharge Methode, die selbst den Charakter einer korrigierenden Ortsbestimmungsregel hat. Im Ergebnis wird also für bestimmte Fälle auf das Erfordernis eines Rechtsverhältnisses beziehungsweise eines Austauschverhältnisses 855 verzichtet mit den entsprechenden Folgen, nämlich der Erhebung von Mehrwertsteuer und dem korrespondierenden Vorsteuerabzugsrecht im Rahmen der sonstigen Voraussetzungen. Durch einen solchen „Verzicht“ hinsichtlich extern bezogener und weitergeleisteter Dienstleistungen können unproblematisch die gewünschten Folgen für die Recharge Methode erreicht werden, ohne darüber hinaus unerwünschte Ergebnisse zu erzielen. Es würde daher eine Regelung genügen, die eine entsprechende Ausnahme für extern bezogene und intern weitergeleistete Dienstleistungen kodifiziert. Diese Regel wäre systematisch bei den Regeln zum steuerbaren Umsatz in Titel IV der MwStSyst-RL einzuordnen. 855
Zu den Merkmalen und ihren Folgen für die Nicht-Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen siehe oben 3. Teil: II. 3. b).
233
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
Diese Regelung würde aber nur für bestimmte Dienstleistungen die Steuerbarkeit gewährleisten. Dadurch würde noch nicht erreicht, dass die weitergeleistete Dienstleistung beziehungsweise die angefallenen Kosten entsprechend dem tatsächlichen Nutzen auf die einzelnen Niederlassungen aufgeteilt wird. Auch dafür müsste eine Regelung eingeführt werden, die die Zuordnung unter Berücksichtigung des Verbrauchs durch eine entsprechende Kostenaufteilung erreicht. Hierbei würde es sich um die eigentliche Ortsbestimmungsregel handeln, die systematisch in Titel V der MwStSyst-RL zu verorten wäre. Eine alternative Regelung, die lediglich die Zuordnung und Kostenaufteilung regelte, käme hingegen nicht zu dem gleichen Ziel. Um eine Zuordnung unter Berücksichtigung des Verbrauchs zu gewährleisten, muss die unternehmensinterne Dienstleistung besteuert werden. Die Kostenaufteilung allein genügt dafür nicht. Nach meinem Dafürhalten ist es daher zwingend erforderlich, die eingeschränkte Steuerbarkeit zu fingieren. Unabhängig von diesen Regelungen müsste auch eine Regelung eingeführt werden, wonach die weiterleistende Niederlassung bezüglich der weitergeleisteten Dienstleistung ein volles Vorsteuerabzugsrecht hat unabhängig von etwaigen Beschränkungen beim Vorsteuerabzugsrecht, die sich bei gleicher Leistung zwischen unabhängigen Steuerpflichtigen ergäben. 856 Dies beträfe aber nicht die bereits erörterte eingeschränkte Fiktion der Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen zusammen mit der entsprechenden Ortsbestimmung, sondern vielmehr die Regeln zum Vorsteuerabzugsrecht. Hier müsste eine weitere Regel eingefügt werden, die für Umsätze im Sinne der Regel, die die Steuerbarkeit fingiert und der Ortsbestimmungsregel, die die Recharge Methode umsetzt, ein volles Vorsteuerabzugsrecht ermöglicht. Es handelte sich bei einer solchen Regel also um eine Rückausnahme von der Einschränkung des Vorsteuerabzugsrechts, das systematisch in Titel X der MwStSyst-RL und nicht bei den Ortsbestimmungsregeln zu verorten wäre. c)
Die Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalten
Wie bereits umfassend erörtert, soll die Recharge Methode nur auf grenzüberschreitend weitergeleitete Dienstleistungen angewendet werden. Jedoch wird es letztendlich den nationalen Gesetzgebern überlassen, ob sie die Recharge Methode auch auf rein inländische Sachverhalte erweitern wol-
856
Siehe dazu oben 4. Teil: II. 1.
234
Die Recharge Methode
len. 857 Die nationalen Gesetzgeber müssen daher entsprechend den oben angestellten Überlegungen insbesondere zu Praktikabilitätsaspekten und dem Neutralitätsprinzip abwägen, ob eine Erweiterung auf inländische Sachverhalte vorgenommen werden soll. Eine Erweiterung auf nationale Sachverhalte würde zwar eine Gleichstellung aller extern bezogenen und intern weitergeleisteten Dienstleistungen ermöglichen, zugleich aber auch für rein inländisch tätige Steuerpflichtige zusätzlichen Aufwand bedeuten. Da zudem das Verbrauchsortprinzip aufgrund des Charakters der Recharge Methode als korrigierende Ortsbestimmungsregel nicht betroffen ist 858, empfiehlt es sich insgesamt, die Recharge Methode nicht auf inländische Sachverhalte zu erweitern. Daneben ist im europäischen Mehrwertsteuersystem nur so eine systematische Einordnung zu Mehrwertsteuergruppen möglich. Die Wirkungen einer Mehrwertsteuergruppe, also die Nicht-Steuerbarkeit von Leistungen zwischen Gruppenmitgliedern, werden im Geltungsbereich der MwStSyst-RL auf inländische Gruppenmitglieder beschränkt. Ob dies insbesondere mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist, ist umstritten 859, muss aber an dieser Stelle offen bleiben. Fest steht zumindest innerhalb der EU, dass der Richtliniengeber nur inländische Dienstleistungen erfassen wollte. Würde man nunmehr die Recharge Methode auf grenzüberschreitende Sachverhalte beschränken, wäre so ein Gleichlauf mit den Regeln zur Mehrwertsteuergruppe hergestellt. Andernfalls würden die Wirkungen der Mehrwertsteuergruppe und der Recharge Methode sich gegenseitig aufheben und man müsste sicherlich eine Lösung finden, welche Regelung bei Dienstleistungen zwischen festen Niederlassungen eines Steuerpflichtigen, der zugleich insgesamt Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe ist, anzuwenden wäre. Da die Mehrwertsteuergruppe gerade den Administrationsaufwand für Steuerpflichtige senken sowie die Schonung beschränkt vorsteuerabzugsberechtigter Steuerpflichtiger erreichen will, würde es wenig Sinn machen, eine Rückausnahme für Leistungen zwischen festen Niederlassungen einzuführen. Nur bei Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalte würde die Recharge Methode konsequent in das bestehende System eingefügt werden.
857 858 859
Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.83. Siehe auch ausführlich oben 4. Teil: II. 3. Siehe hierzu oben 4. Teil: II. 3. b) (3). Vgl. anstatt vieler Ehrke-Rabel, in: Achatz/Tumpel, Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 117 (128).
235
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
An dieser Stelle wird daher empfohlen, die Recharge Methode bei Implementierung in die MwStSyst-RL nur auf solche Dienstleistungen anzuwenden, die über die Grenze weitergeleistet werden. Eine Beschränkung ließe sich problemlos durch einen entsprechenden Zusatz umsetzen und weist keine gestalterischen oder systematischen Probleme auf. d)
Bereits in der MwStSyst-RL angelegte Normen als Alternative zur Recharge Methode
(1)
Unentgeltliche Dienstleistung für unternehmensfremde Zwecke, Art. 26 MwStSyst-RL
Es wurde bereits festgestellt, dass die Regelung in Art. 26 MwStSyst-RL nach geltender Rechtslage nicht auf unternehmensinterne Dienstleistungen anwendbar ist. 860 Man kann sich jedoch die Frage stellen, ob Art. 26 MwStSyst-RL auf unternehmensinterne Dienstleistungen angewendet werden sollte. Würde man Art. 26 MwStSyst-RL ausdrücklich für unternehmensinterne Dienstleistungen anwendbar erklären, könnte die Recharge Methode gegebenenfalls überflüssig werden. Dazu müsste eine entsprechende Fiktion vorgenommen werden, sodass unternehmensinterne Dienstleistungen trotz fehlendem Austauschverhältnis von Art. 26 MwStSyst-RL erfasst werden. Allerdings spricht gegen eine Alternativität des Art. 26 MwStSyst-RL im Vergleich zur Recharge Methode, dass die beiden Regelungen unterschiedlichen Charakter haben und andere Zwecke verfolgen. Sie regeln nicht das gleiche nur anders, sondern haben insgesamt einen verschiedenen Regelungsansatz. Art. 26 MwStSyst-RL soll in erster Linie unversteuerten Endverbrauch verhindern. Dazu wird bezüglich bestimmter Dienstleistungen die Entgeltlichkeit fingiert. Die Recharge Methode hingegen ist eine Ortsbestimmungsregel, die die richtige Zuordnung des Besteuerungsrechts entsprechend dem Verbrauch bezweckt. Die Recharge Methode ist bezüglich eines möglichen unversteuerten Endverbrauchs hingegen allenfalls zweitrangig, da Endverbrauch bei B2B-Konstellationen keine Relevanz hat. Bereits aufgrund dieser unterschiedlichen Zwecke ist eine Anwendung des Art. 26 MwStSyst-RL auf unternehmensinterne Dienstleistungen als Alternative zur Recharge Methode wenig sinnvoll. Zudem hat die Recharge Methode Fälle unentgeltlicher Dienstleistungen nicht im Blick. Im Gegenteil muss regelmäßig davon ausgegangen werden, dass unternehmensinterne Dienstleistungen regelmäßig gegen Entgelt erbracht werden. Dies folgt bereits aus dem in der Ertragsbesteuerung nieder860
Siehe dazu 3. Teil: II. 4. d).
236
Die Recharge Methode
gelegten Gebot, einen fremdvergleichskonformen Preis zu vereinbaren. Die Tatsache, dass diese (Verrechnungs-)Preise den in den OECD Verrechnungspreisrichtlinien und vergleichbaren nationalen Regelwerken niedergelegten Anforderungen genügen müssen, kann dabei nicht gegen die für die Entgeltlichkeit erforderliche Vereinbarung 861 sprechen. Denn diese Regelungen betreffen regelmäßig nur die Höhe des vereinbarten Preises, nicht jedoch das Ob. In der Praxis muss man daher davon ausgehen, dass in aller Regel ein Preis bestimmt wird, der gegebenenfalls nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht und daher angepasst wird. Insofern ist bereits der unangemessen hohe oder niedrige Preis ausreichend, um Entgeltlichkeit zu bejahen, da die Unangemessenheit keinen Einfluss auf die Entgeltlichkeit hat. 862 Fälle, die von der Recharge Methode erfasst werden sollen, sind daher regelmäßig entgeltlich, weshalb sie nicht unter einen erweiterten Art. 26 MwStSyst-RL fallen würden. Aus all diesen Gründen muss daher eine alternative Neuregelung, wonach Art. 26 MwStSyst-RL auf unternehmensinterne Dienstleistungen Anwendung finden würde, abgelehnt werden. Die Recharge Methode ist insofern vorzugswürdig. (2)
Art. 80 MwStSyst-RL
Ebenso wie bei Art. 26 MwStSyst-RL könnten auch die Regeln zur Mindestbemessungsgrundlage in Art. 80 MwStSyst-RL auf unternehmensinterne Dienstleistungen erweitert werden. Jedoch widerspricht auch hier der Regelungscharakter des Art. 80 MwStSyst-RL einer Erweiterung auf unternehmensinterne Dienstleistungen, da die Recharge Methode insofern weiter geht und andere Zwecke verfolgt. Im Gegensatz zur Recharge Methode, die eine falsche Zuordnung des Besteuerungsrechts korrigieren will, hat Art. 80 MwStSyst-RL keinen Einfluss auf die Ortsbestimmungsregeln. Da bereits eine steuerbare Dienstleistung vorliegt, wurde bereits eine entsprechende Zuordnung anhand der Ortsbestimmungsregeln vorgenommen. Ob diese richtig oder falsch ist, wird durch 861
862
Siehe insofern die Voraussetzungen nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH, wonach als Entgelt alles erfasst wird, was der Leistungsempfänger aus seiner Sicht aufwendet, um die Leistung zu erhalten. Dabei muss zwischen den Parteien eine Vereinbarung über den Preis oder einen Gegenwert geschlossen werden, sodass zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, vgl. EuGH, Urteil v. 3.3.1994 – C-16/93 (Tolsma), Rz. 12 f.; v. 2.6.1994 – C-33/93 (Empire Stores), Rz. 12, 19; v. 27.10.2011 – C-93/10 (GFKL Financial Services), Rz. 17 ff. Vgl. EuGH, Urteil v. 20.1.2005 – C-412/03 (Hotel Scandic Gåsabäck), Rz. 22, 24; v. 9.6.2011 – C-285/20 (Campsa Estaciones de Servicio), Rz. 25.
237
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
Art. 80 MwStSyst-RL nicht korrigiert. Lediglich die Höhe der Bemessungsgrundlage wird korrigiert mit dem Ergebnis, dass das Land, in dem den Ortsbestimmungsregeln zufolge das Besteuerungsrecht liegt, eine höhere oder niedrigere Mehrwertsteuer erhoben wird. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des Art. 80 MwStSyst-RL auf unternehmensinterne Dienstleistungen würde folglich mit Blick auf das Verbrauchsortprinzip keine Veränderungen zur bisherigen Rechtslage herbeiführen. Vielmehr würde der Zweck der Recharge Methode, zur Verwirklichung des Verbrauchsortprinzips eine Korrektur der Ortsbestimmung vorzunehmen, insgesamt verfehlt. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Zweck der Mindestbemessungsgrundlage ausdrücklich die Vorbeugung gegen Steuerhinterziehung oder -umgehung (Art. 80 Abs. 1 MwStSyst-RL) ist. Indem die unangemessen hohe beziehungsweise niedrige Bemessungsgrundlage angepasst wird, werden entsprechende Gestaltungen verhindert, die auf eine verringerte Belastung mit Mehrwertsteuer abzielen. Diese Gefahr besteht jedoch bei Dienstleistungen, die von der Recharge Methode erfasst wären, nicht in gleichem Maße. Die Recharge Methode will eine Aufteilung entsprechend der Kosten für die Eingangsleistung vornehmen. Diese Kosten dürften jedoch regelmäßig nicht manipulierbar sein, wie dies bei einem subjektiv bestimmten Preis der Fall ist. Mangels Relevanz könnte und will die Recharge Methode diesen Zweck gar nicht erreichen. Vielmehr soll durch die Recharge Methode eine korrekte Aufteilung der Besteuerungsrechte erreicht werden, was wiederum mangels korrigierender Ortsbestimmungsregel bei Art. 80 MwStSyst-RL nicht möglich ist. Bezüglich ihres Regelungscharakters und der verfolgten Zwecke weisen Art. 80 MwStSyst-RL und die Recharge Methode folglich keinerlei Überschneidungen auf. Die beiden Regelungen können daher nicht als Alternativen erachtet werden. Sie könnten sich allenfalls ergänzen, sofern es um die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die weitergeleisteten Dienstleistungen geht. 863 (3)
Art. 27 MwStSyst-RL
Art. 27 MwStSyst-RL ermöglicht es den Mitgliedstaaten, die Erbringung einer Dienstleistung durch einen Steuerpflichtigen für das eigene Unternehmen einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichzustellen, falls ihn die Erbringung einer derartigen Dienstleistung durch einen anderen Steuerpflichtigen 863
Siehe dazu 4. Teil: II. 4. d) (3) (c).
238
Die Recharge Methode
nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigen würde. Kodifizierter Zweck der Bestimmung ist die Vorbeugung von Wettbewerbsverzerrungen. Dienstleistungen, die von Art. 27 MwStSyst-RL erfasst sind, müssen gemäß Art. 77 MwStSyst-RL den Normalwert als Steuerbemessungsgrundlage zugrunde legen. Bereits an dieser Stelle ist festzustellen, dass Art. 27 MwStSyst-RL ebenso wie die Recharge Methode die Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen voraussetzt. Die damit einhergehenden Vorteile, wie sie bereits bei der Recharge Methode festgestellt wurden, treten daher auch im Rahmen des Art. 27 MwStSyst-RL ein. 864 Da die Regelung explizit unternehmensinterne Dienstleistungen betrifft, stellt sich hier in besonderem Maße die Frage, ob Art. 27 MwStSyst-RL als taugliche Alternative zur Recharge Methode in Betracht kommt. Dazu ist zu untersuchen, ob Art. 27 MwStSyst-RL die Probleme, die im Rahmen der Recharge Methode identifiziert wurden, zu beheben vermag oder ob er seinerseits im Konflikt zu den oben erarbeiteten Maßstäben steht. Bevor mit einer eingehenderen Untersuchung begonnen wird, muss außerdem einschränkend darauf hingewiesen werden, dass die Umsetzung des Art. 27 MwStSyst-RL den Mitgliedstaaten frei überlassen ist. Es ist daher möglich, die Vorschrift zum Beispiel auf bestimmte Dienstleistungen zu beschränken. 865 Dies würde daher die Berücksichtigung der von der Recharge Methode verfolgten Ziele sowie sonstige etwaige Vorteile des Art. 27 MwStSyst-RL wieder einschränken. Soweit daher im Folgenden Art. 27 MwStSyst-RL im Vergleich zur Recharge Methode für vorzugswürdig erachtet wird, kann dies nur vollumfänglich Gültigkeit erlangen, wenn Art. 27 MwStSyst-RL ohne weitere Einschränkungen umgesetzt wird. Um eine einheitliche Umsetzung und damit weitgehende Erreichung des Verbrauchsortund auch des Neutralitätsprinzips zu erreichen, wäre demnach eine zwingende Umsetzungspflicht ohne Spielraum erforderlich. 866
864 865
866
Siehe auch Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (187). Vgl. GA Sharpston, Schlussanträge v. 26.1.2012 – C-621/10 und C-129/11 (Balkan and Sea Properties und Provadinvest), Rz. 32; Eskildsen, Intertax 2012, 444 (446); Swinkels, IVM 2008, 175 (179). Vgl. ebenso Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (187).
239
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
(a)
Keine Differenzierung zwischen extern bezogenen Dienstleistungen und interner Wertschöpfung
i.
Praktikabilitätsaspekte
Im Rahmen der Untersuchung der Recharge Methode wurde mit Blick auf Praktikabilitätsaspekte herausgearbeitet, dass die Differenzierung zwischen extern bezogenen Dienstleistungen und interner Wertschöpfung in praktischer Hinsicht zu Problemen führen kann. 867 Zu untersuchen ist daher, ob Art. 27 MwStSyst-RL ebenfalls auf extern bezogene und weitergeleistete Dienstleistungen beschränkt ist. Dies ist mit Blick auf den Wortlaut zweifelhaft. Dieser spricht von der Erbringung einer Dienstleistung, ohne in irgendeiner Form danach zu differenzieren, ob hiervon interne Wertschöpfung erfasst oder ausgeschlossen ist. Zudem will die Vorschrift Wettbewerbsverzerrungen vorbeugen. Auch dies spricht für eine weite Auslegung, da eine unterschiedliche Behandlung von In- und Outsourcing ein maßgeblicher Faktor für Wettbewerbsverzerrungen sein kann. 868 Schließlich ist die Regelung systematisch in Titel IV. (Steuerbarer Umsatz) eingegliedert. Im Gegensatz zur Recharge Methode handelt es sich folglich nicht um eine korrigierende Ortsbestimmungsregel, sondern um eine Regel, die umfassend die Steuerbarkeit bestimmter Dienstleistungen fingiert. Mangels Charakter als Ortsbestimmungsregel ist daher ein externer Leistungsbezug nicht zwingend erforderlich. Folglich ist die Vorschrift bezüglich der Steuerbarkeit interner Wertschöpfung weiter gefasst als die Recharge Methode. 869 Indem keine Differenzierung zwischen externem Leistungsbezug und interner Wertschöpfung vorgenommen wird, werden die im Rahmen der Recharge Methode identifizierten Probleme hinsichtlich der praktischen Abgrenzung vermieden. Insofern ist Art. 27 MwStSyst-RL daher im Vergleich zur Recharge Methode vorzugswürdig.
867 868 869
Siehe dazu oben 4. Teil: II. 3. c) (2). Vgl. de la Feria/Walpole, Int. Comp. Law 2009, 987 (911); Eskildsen, Intertax 2012, 444 (445); Heber, IStR 2014, 686 (687). Eine engere Betrachtung nimmt zumindest bezüglich Art. 18 MwStSyst-RL Swinkels vor, vgl. IVM 2008, 175 (178). Danach dürfen nur die Bestandteile einer unternehmensinternen Lieferung besteuert werden, auf denen ursprünglich Mehrwertsteuer gelastet hat. Allerdings widerspricht dies der systematischen Einordnung als Fiktion der Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen. Die eingeschränkte Auslegung würde Art. 18 MwStSyst-RL vielmehr ebenfalls den Charakter einer Korrekturvorschrift geben, da faktisch die ursprünglich falsche Zuordnung zu einer Niederlassung des Steuerpflichtigen mit vollem Vorsteuerabzugsrecht korrigiert wird.
240
Die Recharge Methode
ii.
Unterschiedliche Behandlung interner Wertschöpfung und externen Dienstleistungsbezugs
Die Erweiterung der Steuerbarkeit auf interne Wertschöpfung, wie in Art. 27 MwStSyst-RL vorgesehen, könnte das Neutralitätsprinzip weitergehend verwirklichen. Wie bereits erwähnt, wird insofern vorgebracht, dass eine unterschiedliche Belastung extern bezogener und weitergeleisteter Dienstleistungen einerseits und interner Wertschöpfung andererseits dem Neutralitätsprinzip in seiner Ausgestaltung als Wettbewerbsneutralität widerspricht. 870 Je nachdem, ob der Steuerpflichtige nämlich die Erbringung bestimmter Dienstleistungen an unabhängige Dritte auslagert (sogenanntes „Outsourcing“) oder nicht, ist er gegebenenfalls endgültig mit Mehrwertsteuer belastet. 871 Umgekehrt kann jedoch vorgebracht werden, dass eine weitgehende Besteuerung auch interner Wertschöpfung die Beeinträchtigungen aufgrund der Beschränkungen beim Vorsteuerabzugsrecht verschärft, da in diesem Fall mehr Steuerpflichtige in neutralitätsschädlicher Weise endgültig mit Mehrwertsteuer belastet werden. 872 Dies alles trifft allerdings nur zu, sofern der Steuerpflichtige ein eingeschränktes Vorsteuerabzugsrecht hat. Bei voll vorsteuerabzugsberechtigten Steuerpflichtigen macht es hingegen keinen Unterschied, sodass in diesen Fällen der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität nicht betroffen ist. Allerdings wurde bereits festgestellt, dass die endgültige Belastung mit Mehrwertsteuer keine Folge der Recharge Methode (beziehungsweise des Art. 27 MwStSyst-RL), sondern der Regeln zum eingeschränkten Vorsteuerabzugsrecht ist. 873 Diese Belastung passt sich daher mit und ohne Anwendung der Recharge Methode in das bestehende System ein. Demgegenüber will Art. 27 MwStSyst-RL gerade eine einheitliche Belastung durch umfassende Besteuerung aller unternehmensinternen Dienstleistungen erreichen. Die Recharge Methode und Art. 27 MwStSyst-RL verfolgen daher unterschiedliche Zwecke, weshalb die Steuerbarkeit intern erbrachter Wertschöpfung einerseits und weitergeleisteter Dienstleistungen im Rahmen der Rech870 871 872
873
Vgl. Eskildsen, Intertax 2012, 444 (445); Heber, IStR 2014, 686 (687). Körner, MwStR 2013, 227 (231 f.) sieht zudem die Rechtsformneutralität betroffen. Vgl. Eskildsen, Intertax 2012, 444 (445); Heber, IStR 2014, 686 (687). Vgl. in diesem Sinne wohl auch die Stellungnahmen von Tax Executives Institute (S. 6) und Chartered Insitutute of Taxation (S. 9) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/public-comments-international-vat-gstguidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). Siehe dazu oben 4. Teil: II. 3. b) (2).
241
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
arge Methode andererseits zu unterscheiden ist. Die Besteuerung der weitergeleisteten Dienstleistungen im Rahmen der Recharge Methode dient allein der Korrektur einer zuvor erfolgten Ortsbestimmung. Die Entlastung der weiterleistenden Niederlassung verhindert dabei eine doppelte Belastung. Demgegenüber würde eine Belastung intern erbrachter Wertschöpfung vielmehr eine weitere Besteuerungsebene einführen, da nunmehr Dienstleistungen, die auch nach der Recharge Methode nicht zu besteuern wären, als steuerbare Dienstleistung behandelt werden. Hier interessiert jedoch allein der mit der Recharge Methode verfolgte Zweck, nämlich die Besteuerung entsprechend dem Verbrauchsortprinzip. Ob darüber hinaus intern erbrachte Wertschöpfung besteuert werden sollte, ist demgegenüber entsprechend dem Zweck des Art. 27 MwStSyst-RL eine Frage der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen. Für die hier interessierende Fragestellung, inwiefern Art. 27 MwStSyst-RL als Alternative zur Recharge Methode in Betracht kommt, hat diese Frage nach der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen keine Relevanz. Eine weitergehende Untersuchung, ob eine Steuerbarkeit zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen sinnvoll ist, kann daher an dieser Stelle unterbleiben. Insgesamt ist festzustellen, dass Art. 27 MwStSyst-RL, soweit er aufgrund der umfassenden Besteuerung auch interner Wertschöpfung Wettbewerbsverzerrungen vermeiden soll, nicht mit der Recharge Methode zu vergleichen ist. Ob Art. 27 MwStSyst-RL insofern das Neutralitätsprinzip verwirklicht, ist für einen Vergleich der beiden Ansätze irrelevant, da die Recharge Methode dieses Problem bereits ihrem Zweck nach nicht betrifft. Hier muss die Feststellung genügen, dass aufgrund der Beschränkungen beim Vorsteuerabzugsrecht das Neutralitätsprinzip beeinträchtigt wird. Dies ist aber weder eine unmittelbare Folge der Recharge Methode noch des Art. 27 MwStSyst-RL. iii.
Doppelte Belastung mit Mehrwertsteuer bei beschränkt vorsteuerabzugsberechtigten Steuerpflichtigen
Die weiterleistende Niederlassung hat im Rahmen der Recharge Methode bezüglich der extern bezogenen Dienstleistung ein vollumfängliches Vorsteuerabzugsrecht. So wird eine neutrale Behandlung gewährleistet, da es nicht zu einer doppelten Belastung der extern bezogenen und weitergeleisteten Dienstleistung kommt. Fraglich ist, ob auch Art. 27 MwStSyst-RL eine vergleichbare Entlastung ermöglicht. Bei rein interner Wertschöpfung fließen jedoch keine mit Mehrwertsteuer belasteten Eingangsleistungen ein, sodass mangels doppel242
Die Recharge Methode
ter Belastung mit Mehrwertsteuer keine weitere Beschränkung des Neutralitätsprinzips festzustellen ist. Relevant wäre diese Frage folglich allein bei unternehmensinternen Dienstleistungen, in die extern bezogene Eingangsleistungen einfließen. Sofern ein Steuerpflichtiger nämlich bei Anwendung des Art. 27 MwStSyst-RL eine Leistung extern und endgültig mit Mehrwertsteuer belastet bezieht und dann intern weiterleistet, kommt es zu einer doppelten Belastung mit Mehrwertsteuer. Diese ließe sich nur vermeiden, wenn die extern bezogenen Bestandteile in vergleichbarer Weise von Mehrwertsteuer entlastet würden, sodass die Besteuerung der unternehmensinternen Dienstleistung im Rahmen des Art. 27 MwStSyst-RL auf eine Nettosumme erfolgte. Sofern Art. 27 MwStSyst-RL keine vergleichbare Regelung ermöglicht, wäre in den beschriebenen Fällen das Neutralitätsprinzip durch Art. 27 MwStSyst-RL beschränkt, da die Zahl der Zwischenumsätze Einfluss auf die Belastung des Endverbrauchs mit Mehrwertsteuer hat. Hier ist ein auch die Recharge Methode betreffender Aspekt des Neutralitätsgrundsatzes betroffen. Sollte sich daher herausstellen, dass nur die Recharge Methode Abhilfe durch Gewährung eines umfassenden Vorsteuerabzugsrechts der weiterleistenden Niederlassung schafft, wäre sie im Hinblick auf das Neutralitätsprinzip im Vergleich zu Art. 27 MwStSyst-RL vorzugswürdig. Der Wortlaut des Art. 27 MwStSyst-RL sieht keine entsprechende Entlastungsmöglichkeit vor. Lediglich das Neutralitätsprinzip im eben beschriebenen Sinne spricht für eine entsprechende Auslegung. Im Übrigen besteht hier kein Widerspruch zum Zweck des Art. 27 MwStSyst-RL, nämlich die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen. Dieser will lediglich verhindern, dass Steuerpflichtige, die Dienstleistungen intern erbringen, nicht mit Mehrwertsteuer belastet werden, während andere Steuerpflichtige, die diese Dienstleistungen extern beziehen (müssen), bei eingeschränktem Vorsteuerabzug endgültig mit Mehrwertsteuer belastet werden. Art. 27 MwStSyst-RL betrifft daher vorrangig Leistungen, die eigentlich gar nicht mit Mehrwertsteuer belastet würden; der Zweck des Art. 27 MwStSyst-RL wird bereits erreicht, wenn bisher unbelastete unternehmensinterne Dienstleistungen besteuert werden. 874 Der Zweck des Art. 27 MwStSyst-RL spricht daher zusammen mit dem Neutralitätsgrundsatz dafür, dass Art. 27 MwStSyst-RL zumindest nicht dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass eine entsprechende Entlastungsmöglichkeit überhaupt nicht möglich wäre. Daher besteht für den nati874
Vgl. so auch Amand, IVM 2007, 237 (247).
243
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
onalen Gesetzgeber bei Umsetzung des Art. 27 MwStSyst-RL die Möglichkeit, die doppelte Belastung mit Mehrwertsteuer durch ein entsprechendes Vorsteuerabzugsrecht für die leistungserbringende Niederlassung des Steuerpflichtigen zu vermeiden. 875 Im Ergebnis beschränkt Art. 27 MwStSystRL nicht per se das Neutralitätsprinzip. Im Gegenteil besteht auch hier die Möglichkeit, die nationale Umsetzungsnorm entsprechend auszugestalten, um eine doppelte Belastung mit Mehrwertsteuer zu vermeiden. Der grundsätzlich mögliche Widerspruch zum Neutralitätsprinzip kann daher vermieden werden. Somit ist festzustellen, dass Art. 27 MwStSyst-RL im Gegensatz zur Recharge Methode nicht ausdrücklich eine doppelte Belastung mit Mehrwertsteuer verhindert. Allerdings ergibt eine Auslegung des Art. 27 MwStSystRL die Möglichkeit, Entlastungsmöglichkeiten vorzusehen, die dem bereits bei der Recharge Methode angesprochenen Vorsteuerabzugsrecht für die weiterleistende Niederlassung vergleichbar sind. Auch Art. 27 MwStSystRL beschränkt daher nicht zwangsläufig das Neutralitätsprinzip. (b)
Keine Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalte
Art. 27 MwStSyst-RL sieht im Gegensatz zur Recharge Methode keine Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalte vor. Damit werden Konflikte mit dem Neutralitätsprinzip vermieden, wie sie im Rahmen der Recharge Methode auftreten können. Allerdings werden diese Probleme beseitigt, indem der weiterleistenden Niederlassung ein umfassendes Vorsteuerabzugsrecht bezüglich extern bezogener und weitergeleisteter Dienstleistungen gewährt wird. Sowohl Art. 27 MwStSyst-RL als auch die Recharge Methode stehen daher nicht im Konflikt mit dem Neutralitätsprinzip. Jedoch erhöht sich durch die Erweiterung auf inländische Sachverhalte zugleich die Zahl der Umsätze, für die eine objektive Bewertung und Besteuerung vorgenommen werden muss. Der Administrationsaufwand für Steuerpflichtige und Finanzverwaltung verzeichnet so einen quantitativen Anstieg. Eine Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalte käme im Rahmen des Art. 27 MwStSyst-RL auch nicht in Betracht, um eine höhere Praktikabilität zu gewährleisten. Während die Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalte im Rahmen der Recharge Methode mit Blick auf das Verbrauchsortprinzip sinnvoll ist, könnte der vorrangige Zweck des Art. 27 MwStSyst-RL hingegen nicht verwirklicht werden. Die Wettbe875
Ähnlich Amand, IVM 2007, 237 (247); Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (187).
244
Die Recharge Methode
werbsverzerrung kommt gerade durch die fehlende Besteuerung unternehmensinterner Dienstleistungen zustande. Ob die fraglichen Dienstleistungen über die Grenze erbracht werden, ist insofern irrelevant. Damit lassen Praktikabilitätsaspekte die Recharge Methode gegenüber dem Art. 27 MwStSystRL in seiner aktuellen Ausgestaltung vorzugswürdig erscheinen, da er regelmäßig in quantitativer Hinsicht weniger Aufwand bedeuten wird. (c)
Kostenaufteilung oder Normalwert
Der größte Unterschied zwischen Art. 27 MwStSyst-RL und der Recharge Methode liegt in der Bemessungsgrundlage. Die Recharge Methode nimmt entsprechend ihrem Charakter als korrigierende Ortsbestimmungsregel eine Kostenaufteilung der extern bezogenen Dienstleistung vor. Bemessungsgrundlage für die jeweilige empfangende Niederlassung ist demnach der jeweilige Kostenanteil. Demgegenüber ist gemäß Art. 77 MwStSyst-RL als Bemessungsgrundlage für Dienstleistungen im Sinne des Art. 27 MwStSystRL der Normalwert anzusetzen. Bei diesen unterschiedlichen Bewertungsansätzen stellt sich die Frage, welcher Ansatz praktikabler anzuwenden ist. i.
Die Bemessungsgrundlage bei der Recharge Methode
Die Kostenaufteilung und die maßgebliche Bemessungsgrundlage im Rahmen der Recharge Methode sind von der Grundidee her einfach zu erklären. Der Steuerpflichtige, der als Empfänger der konkreten Dienstleistung im ersten Schritt qualifiziert wurde, hat die Kosten für den Erwerb der Dienstleistung, also in aller Regel den gezahlten Preis, entsprechend der tatsächlichen Nutzung aufzuteilen. Jede feste Niederlassung, die die konkrete Dienstleistung nutzt, soll entsprechend ihrem Nutzungsverhältnis die Kosten tragen und somit anteilig entsprechend den Bedingungen in ihrem Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der Weiterverrechnung ist damit zunächst leicht zu bestimmen, da diese die gleiche ist wie im ersten Schritt. Vorteilhaft daran ist insbesondere, dass eine weitgehende Gleichstellung aller Dienstleistungen bezüglich ihrer Bemessungsgrundlage sichergestellt wird, da im zweiten Schritt nur eine Gesamtbemessungsgrundlage aufgeteilt wird. Handelt es sich im ersten Schritt um einen gewöhnlichen Umsatz zwischen unabhängigen Steuerpflichtigen, kommt es maßgeblich auf Art. 73 MwStSyst-RL an. Danach umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen. In praktischer Hinsicht kann hierbei da245
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
rauf verwiesen werden, dass es sich bei der tatsächlich erbrachten Gegenleistung häufig um ein leicht zu ermittelndes Kriterium handelt. 876 Natürlich kann auch die extern bezogene Dienstleistung bei Vorliegen aller Voraussetzungen unter Art. 26 MwStSyst-RL oder Art. 80 MwStSyst-RL fallen, sodass als Bemessungsgrundlage der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung (Art. 75 MwStSyst-RL) beziehungsweise der Normalwert (Art. 80 Abs. 1 MwStSyst-RL) zugrundezulegen ist. Insofern ergeben sich insgesamt keine Unterschiede beziehungsweise Änderungen zu Umsätzen, auf die die Recharge Methode nicht angewandt werden soll. Die Bewertung der Bemessungsgrundlage folgt daher den allgemeinen Regeln. Die Recharge Methode bereitet insofern keine über die allgemein üblichen hinausgehenden Probleme. Problematisch und neu ist somit „nur“ die angemessene Aufteilung der Gesamtbemessungsgrundlage auf die einzelnen Niederlassungen. 877 Diese Aufteilung kommt als zweiter Schritt im Rahmen der Recharge Methode zu dem bereits Bekannten hinzu. Hier stellen sich vor allem die bereits erwähnten praktischen Probleme, wie eine angemessene Aufteilung sinnvollerweise zu erfolgen hat. Diesbezüglich wurde festgestellt, dass Bedenken ausgeräumt werden können, sollte ein Rückgriff auf bereits vorhandene Informationen möglich sein. Eine entsprechende Untersuchung wird an späterer Stelle in aller Ausführlichkeit erfolgen. 878 Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Recharge Methode die Kostenaufteilung und damit ein Rückgriff auf die entstandenen Aufwendungen zwingend ist. Die Bewertung anhand des Normalwertes käme insofern nicht in Betracht. Dies folgt aus dem Charakter der Recharge Methode als korrigierende Ortsbestimmungsregel. Die anhand des Preises bemessene Mehrwertsteuer auf die externe Dienstleistung, durch die zugleich die Zuordnung des Besteuerungsrechts erfolgt, wird im zweiten Schritt in einem anderen Land erhoben, da diesem Land richtigerweise das Besteuerungsrecht zugeordnet werden muss. Es handelt sich daher um die gleiche Bemessungsgrundlage, die lediglich je nach Einzelfall aufzuteilen ist.
876 877 878
Vgl. Reiß, BB 1985, 1724 (1725). Siehe dazu unten 4. Teil: II. 4. e). Siehe unten 4. Teil: II. 4. e).
246
Die Recharge Methode
ii.
Die Bemessungsgrundlage gemäß Art. 27, 77 MwStSyst-RL
(i)
Der Normalwert gemäß Art. 72 Abs. 1 MwStSyst-RL
Der Normalwert wird in Art. 72 MwStSyst-RL definiert. Danach gilt als „Normalwert“ der gesamte Betrag, den ein Empfänger einer Lieferung oder ein Dienstleistungsempfänger auf derselben Absatzstufe, auf der die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung erfolgt, an einen selbständigen Lieferer oder Dienstleistungserbringer in dem Mitgliedstaat, in dem der Umsatz steuerpflichtig ist, zahlen müsste, um die Dienstleistung beziehungsweise die Lieferung unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs zu erhalten (Art. 72 Abs. 1 MwStSyst-RL). Wenn keine vergleichbare Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen ermittelt werden kann, muss der Normalwert anderweitig bestimmt werden; bei Dienstleistungen muss dann ein Betrag angesetzt werden, der nicht unter dem Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung liegen darf (Art. 72 Abs. 2 UAbs. 2 MwStSyst-RL). Danach ist die Bewertung zum Normalwert in zwei Stufen möglich. Der zweite, nachrangige Bewertungsschritt ist unter Praktikabilitätsaspekten zu verstehen. 879 Ist eine Ermittlung der Bemessungsgrundlage durch Vergleich auf Dienstleistungen zwischen selbstständigen Steuerpflichtigen nicht möglich, kommt es demnach auf den Betrag der Ausgaben an. Die erste Stufe sieht eine Bewertung vor, die im Bereich der direkten Steuern vergleichbar vorgenommen wird. 880 Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Fremdvergleich, das heißt der nach objektiven Kriterien zu bestimmende Preis muss dem entsprechen, was fremde Dritte unter vergleichbaren Umständen üblicherweise als Preis vereinbaren würden. 881 Für die Ermittlung des Vergleichswerts soll dieser dem Preis, der bei einem hypothetischen Verkauf im Einzelhandel vom Endverbraucher gezahlt würde, „so nahe wie möglich“ kommen. 882 Die Umstände beim Steuerpflichtigen werden grundsätzlich nicht berücksichtigt; es handelt sich daher um einen fiktiven Wert 883.
879 880
881 882 883
Vgl. ähnlich Dobratz, Leistung und Entgelt im Europäischen Umsatzsteuerrecht, 2005, S. 187. Zur Vergleichbarkeit des Fremdvergleichs nach den Verrechnungspreisgrundsätzen im Bereich der direkten Steuern und dem Normalwert nach Art. 72 MwStSyst-RL vgl. Jensen, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 877 (891). Siehe auch ausführlicher unten 4. Teil: II. 4. d) (3) (c) iii. (ii). Siehe auch OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel 1 Tz. 1.3. EuGH, Urteil v. 12.7.1988 – 138/86 (Direct Cosmetics), Rz. 53. Vgl. Söhn, DStZ 1987, 367 (368).
247
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
(ii)
Betrag der Ausgaben gemäß Art. 72 Abs. 2 UAbs. 2 MwStSystRL
Der Begriff „Betrag der Ausgaben“ wird in Art. 72 Abs. 2 UAbs. 2 MwStSyst-RL nicht erläutert. 884 Nach der Rechtsprechung des EuGH steht die Auslegung des Begriffes auch nicht im Ermessen der Mitgliedstaaten.885 Ihnen steht allerdings „ein gewisser Ermessensspielraum“ zu, sofern sie dabei den Sinn und Zweck der Vorschrift berücksichtigen. 886 Folglich gibt es nicht eine klare und einheitliche Definition des Begriffes. Grundsätzlich erfasst der Begriff aber die Ausgaben, die mit dem Gegenstand selbst verknüpft sind. 887 Dies sind Ausgaben, die zum Beispiel für den Erwerb oder die Herstellung des fraglichen Gegenstands, der unter Art. 26 MwStSyst-RL fällt, aufgewendet wurden, soweit sie „zum Vorsteuerabzug berechtigt haben und ohne die die fragliche private Nutzung nicht möglich gewesen wäre“. 888 Mit Blick auf den Zweck des Art. 26 MwStSyst-RL, nämlich unversteuerten Endverbrauch zu verhindern, ist es konsequent, nur solche Aufwendungen zu erfassen, für die der Steuerpflichtige ein Vorsteuerabzugsrecht geltend machen konnte. Andernfalls besteht nicht die Gefahr unversteuerten Endverbrauchs. Gleiches ist mit Blick auf die bereits erörterte doppelte Belastung mit Mehrwertsteuer im Rahmen des Art. 27 MwStSyst-RL sinnvoll, sofern in die unternehmensinterne Dienstleistung extern bezogene Eingangsleistungen einfließen. So kann nämlich gleichfalls gewährleistet werden, dass es nicht zu einer doppelten Belastung mit Mehrwertsteuer kommt. 889 Allerdings muss einschränkend darauf hingewiesen werden, dass nur in Fällen, in denen es nicht vorrangig auf den Normalwert im Sinne des Art. 72 Abs. 1 MwStSyst-RL ankommt, die neutralitätsschädliche Behandlung beseitigt werden kann. Daher spricht zumindest das Neutralitätsprinzip insgesamt für eine umfassende Anwendung des Art. 72 Abs. 2 UAbs. 2 MwStSyst-RL für die Bewertung unternehmensinterner Dienstleistungen im Rahmen des Art. 27 MwStSyst-RL oder alternativ für ein bereits oben angesprochenes Vorsteuerabzugsrecht. 884 885 886 887 888 889
Siehe zusammenfassend zu dem Begriff Gunacker-Slawitsch, Umsatzsteuerlicher Eigenverbrauch, 2007, S. 130 ff. Vgl. EuGH, Urteil v. 14.9.2006 – C-72/05 (Wollny), Rz. 26. EuGH, Urteil v. 14.9.2006 – C-72/05 (Wollny), Rz. 28. EuGH, Urteil v. 26.9.1996 – C-230/94 (Enkler), Rz. 36; v. 14.9.2006 – C-72/05 (Wollny), Rz. 27. EuGH, Urteil v. 14.9.2006 – C-72/05 (Wollny), Rz. 27. Siehe auch EuGH, Urteil v. 26.9.1996 – C-230/94 (Enkler), Rz. 34, 36. Siehe auch Amand, IVM 2007, 237 (247).
248
Die Recharge Methode
Daneben macht die Definition des EuGH einen Kausalitätszusammenhang erforderlich. Die Aufwendungen müssen die fragliche private Nutzung möglich machen 890, sie müssen mit dem Gegenstand verknüpft sein 891. Allerdings ist die genannte Rechtsprechung des EuGH nicht zu originären Dienstleistungen ergangen, sondern zu Gegenständen, deren Entnahme Dienstleistungen gleichgestellt wird (vgl. Art. 26 Abs. 1 lit. a) MwStSystRL). Diese Rechtsprechung lässt sich aber auf originäre Dienstleistungen übertragen. Als Ausgaben kommen danach solche Aufwendungen in Betracht, die nötig sind, um die Dienstleistung erbringen zu können. Auch hier kommt es maßgeblich auf die kausale Betrachtung an. Dabei kann es durchaus möglich sein, dass auch der Aufwand für Gegenstände berücksichtigt werden muss, soweit zur Erbringung der Dienstleistung Gegenstände erforderlich sind. Hingegen können Aufwendungen, die zur Erhaltung oder zum Gebrauch eines Gegenstands getätigt werden, nicht (anteilig) berücksichtigt werden. 892 iii.
Die praktische Anwendbarkeit des Art. 72 MwStSyst-RL
Wie bereits erwähnt, muss im Rahmen des Art. 72 MwStSyst-RL zwischen dem Vergleichswert (Art. 72 Abs. 1 MwStSyst-RL) und dem Betrag der Ausgaben (Art. 72 Abs. 2 UAbs. 2 MwStSyst-RL) unterschieden werden. Vorrangig ist daher zu untersuchen, welchen Aufwand es für einen Steuerpflichtigen mit sich bringen würde, eine Bemessungsgrundlage nach Art. 72 Abs. 1 MwStSyst-RL beziehungsweise nach Art. 72 Abs. 2 UAbs. 2 MwStSyst-RL zu ermitteln. (i)
Erste Bewertung
Die Bewertung anhand des Vergleichswerts beruht im Wesentlichen auf einer Schätzung dessen, was ein unabhängiger Dritter für die fragliche Dienstleistung gezahlt hätte. 893 Im Gegensatz dazu hängt die Bewertung anhand des Betrags der Ausgaben von objektiv überprüfbaren Zahlen, nämlich den Ausgaben des Steuerpflichtigen, ab. 894 Eine Bewertung anhand des Vergleichswerts erscheint daher ungenauer und wohl auch aufwendiger, da nicht in gleichem Maße auf bereits vorhandene Zahlen beim Steuerpflichti-
890 891 892 893 894
Vgl. EuGH, Urteil v. 14.9.2006 – C-72/05 (Wollny), Rz. 27, 50. Vgl. EuGH, Urteil v. 26.9.1996 – C-230/94 (Enkler), Rz. 36. Vgl. EuGH, Urteil v. 25.5.1993 – C-193/91 (Mohsche), Rz. 14; Wagner, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 10 Rz. 391. Vgl. GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-220/04 (FCE Bank), Rz. 64. Vgl. Reiß, BB 1985, 1724 (1725).
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
gen zurückgegriffen werden kann. 895 Ein solcher Rückgriff beim Vergleichswert ist wohl nur möglich, wenn der Steuerpflichtige die fragliche Dienstleistung auch an Dritte erbringt. Andererseits wird in anderem Kontext vorgebracht, dass die Aufschlüsselung einer Leistung in ihre Kostenbestandteile wesentlich aufwändiger sei als die Bewertung anhand des Vergleichswerts. 896 Insbesondere die Aufteilung von Gemeinkosten erübrige sich bei einer Bewertung nach dem Vergleichswert. 897 Bezogen auf die vorliegende Frage macht es demnach der Rückgriff auf die tatsächlichen Kosten erforderlich, in umfangreicher Weise die Gesamtkosten aufzuschlüsseln, um die für die unternehmensinterne Dienstleistung maßgeblichen Kosten zu ermitteln. Demgegenüber ist bei einer Bewertung der Bemessungsgrundlage anhand des Vergleichswertes nicht erforderlich, die (Kosten-)Bestandteile der fraglichen Leistung zu ermitteln. Es muss vielmehr eine Untersuchung des einschlägigen Marktes vorgenommen werden. Letztlich geht die Frage, welcher Wert einfacher zu ermitteln ist, in die gleiche Richtung wie die bereits angesprochene Frage danach, ob die im Rahmen der Recharge Methode erforderliche Kostenaufteilung durch Rückgriff auf bereits vorhandene Dokumentationen keine unangemessene Belastung für Steuerpflichtige und Finanzverwaltung mit sich bringt. Denn sowohl bei der Recharge Methode als auch bei der Ermittlung des Betrags der Ausgaben kommt es auf eine Untersuchung der Aufwendungen des Steuerpflichtigen mit Blick darauf an, wie diese Aufwendungen Bestandteil der unternehmensinternen Dienstleistung geworden sind. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass es im Rahmen der Recharge Methode nur auf die Kosten für extern bezogene Dienstleistungen ankommt, während der Betrag der Ausgaben auch Kostenbestandteile erfasst, die allenfalls mittelbar in Zusammenhang mit Eingangsleistungen stehen oder vollständig intern erbracht wurden.
895
896
897
Vgl. ebenso Reiß, BB 1985, 1724 (1726); ähnlich Söhn, DStZ 1987, 367 (368, 372); siehe auch Europäische Kommission, Vorschlag zur Änderung der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie v. 26.7.1974, COM(74) 795, S. 7. Kritisch auch GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2009 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 64 sowie Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (188). Vgl. EuGH, Urteil v. 22.10.1998 – C-308/96 und C-94/97 (Madgett und Baldwin), Rz. 45 sowie GA Léger, Schlussanträge v. 30.4.1998 – C-308/96 und C-94/97 (Madgett und Baldwin), Rz. 77 f. Vgl. GA Léger, Schlussanträge v. 30.4.1998 – C-308/96 und C-94/97 (Madgett und Baldwin), Rz. 78.
250
Die Recharge Methode
In jedem Fall kommt es auf eine Kostenanalyse der unternehmensinternen Dienstleistung an. Daher kann die hier zu erörternde Frage, ob der Betrag der Ausgaben im Vergleich zum Vergleichswert einfacher zu ermitteln ist, ebenfalls unter Verweis auf gegebenenfalls vorhandene Dokumentationen beim Steuerpflichtigen beantwortet werden. Sollte es tatsächlich regelmäßig Informationen geben, die für eine angemessene Kostenaufteilung erforderlich sind, so können diese sowohl für Zwecke der Recharge Methode als auch für die Ermittlung des Betrags der Ausgaben herangezogen werden und so den Aufwand für Steuerpflichtige und Finanzverwaltung verringern. Unabhängig davon kann weder für eine Bemessungsgrundlage auf Basis des Vergleichswerts noch auf Basis des Betrags der Ausgaben eine definitive Antwort dahingehend gegeben werden, welcher Wert einfacher zu ermitteln ist. 898 Dies hängt weitgehend von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, sodass unter Praktikabilitätsaspekten keine der beiden Bewertungsmethoden mehr oder weniger vorzugswürdig erscheint, sofern kein Rückgriff auf die erwähnten Dokumentationen möglich scheint. (ii)
Die Bewertung im Bereich der Ertragsteuern
Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass eine Ermittlung der Bemessungsgrundlage im Rahmen des Art. 27 in Verbindung mit Art. 77 MwStSyst-RL anhand des Betrags der Ausgaben dann vorzugswürdig scheint, wenn es ähnlich wie bei der Recharge Methode Dokumentationen gibt, auf die zur Ermittlung der maßgeblichen Ausgaben zurückgegriffen werden kann. Jedoch könnte es auch bei Bewertung nach dem Vergleichswert möglich sein, auf bereits vorhandene Dokumentationen zurückzugreifen, um so den Bewertungsaufwand zumindest zu verringern. Wie bereits erwähnt, ist der Vergleichswert den Verrechnungspreisregeln im Bereich der Ertragsteuern ähnlich, beide folgen dem sogenannten Fremdvergleichsgrundsatz. Man könnte daraus gegebenenfalls folgern, dass die Bewertung nach Verrechnungspreisgrundsätzen im Bereich der direkten Steuern für die Bewertung zum Vergleichswert in der Mehrwertsteuer herangezogen werden könnte. Dann müsste eine Bewertung nur einmal für zwei Steuerarten erfolgen. 899 Dies brächte weitreichende Vereinfachungseffekte vor allem für Steuerpflichtige, die bereits für Zwecke der direkten Steuern Verrechnungspreise berücksichtigen müssen, mit sich. In diesem Fall müsste ein Ver898 899
Ähnlich Europäische Kommission, Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG v. 16.3.2005, KOM(2005) 89, S. 7 f. Vgl. Jensen, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 891; Martins, Intertax 2009, 322 (330).
251
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
gleich der Kostenaufteilung bei der Recharge Methode mit der Bewertung anhand des Vergleichswerts gemäß Art. 27 in Verbindung mit Art. 77, 72 Abs. 1 MwStSyst-RL unter Praktikabilitätsaspekten zu dem Schluss kommen, dass beide ähnlich aufwändig wären, dieser Aufwand aber durch bereits vorhandene Dokumentationen und Informationen gering gehalten werden kann. Voraussetzung für eine entsprechende parallele Anwendung muss aber sein, dass der Vergleichswert im Sinne des Art. 72 Abs. 1 MwStSyst-RL mit dem nach den OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 zu ermittelnden Preis korrespondiert. Der Fremdvergleichsgrundsatz im Bereich der Ertragsteuern muss also zunächst dem im Bereich der Mehrwertsteuer entsprechen. Weitgehend wird dies bejaht. 900 Im Ausgangspunkt ist dem zuzustimmen. Sowohl Art. 72 Abs. 1 MwStSyst-RL als auch die OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 wollen im Grundsatz den zwischen nahestehenden Personen vereinbarten Preis auf den Preis anpassen, der üblicherweise zwischen fremden Dritten vereinbart wird. Art. 72 Abs. 1 MwStSyst-RL spricht insofern von einem Preis, wie er von einem selbstständigen Leistungsempfänger auf derselben Absatzstufe zu dem gleichen Zeitpunkt unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs vereinbart worden wäre. Die OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 rekurrieren unter Verweis auf Art. 9 OECD-MA auf zwischen nahestehenden Personen vereinbarte Bedingungen, die von Bedingungen abweichen, wie sie zwischen selbstständigen Unternehmen bei vergleichbaren Transaktionen unter vergleichbaren Umständen (sogenannte vergleichbare unkontrollierte Transaktionen) vereinbart worden wären. 901 Im Ergebnis gehen die beiden Regelungsbereiche daher von dem gleichen Ausgangspunkt aus, nämlich vergleichbaren Transaktionen beziehungsweise Leistungen mit vergleichbaren Umständen, wie sie zwischen unabhängigen Dritten stattfinden. Allerdings kann die Untersuchung damit noch nicht zu Ende sein. Die Vergleichbarkeit des Fremdvergleichsgrundsatzes muss auch berücksichtigen, dass die Verrechnungspreisrichtlinien einen dezidierten Katalog möglicher Methoden vorsehen, die zur Ermittlung des dem Fremdvergleich standhal900
901
Vgl. Jensen, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 891; Lucas Mas, IVM 2008, 37 (44); Mesdom/Van Vlem, Tax Planning International Transfer Pricing 2007, Heft 3, 3 (5). Siehe auch Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (732), allerdings mit kritischer Würdigung sowie Lucas Mas, in: Bakker/Obuoforibo (Hrsg.), Transfer Pricing and Customs Valuation, 2009, S. 189 (205). Im Ergebnis ablehnend Santoro, ITPJ 2007, 147 (154, 156). OECD Verrechnungspreisrichtlinien, Kapitel I Tz. 1.6.
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Die Recharge Methode
tenden Preises herangezogen werden sollen. 902 Diese Methoden werden in der einen oder anderen Form von den meisten Ländern, die ein Verrechnungspreisregime vorhalten, berücksichtigt. 903 Demgegenüber sieht die MwStSyst-RL keine Regelungen zur Ermittlung des Normalwertes in seinen verschiedenen Ausprägungen vor. Es wird deshalb diskutiert, die Bewertungsmethoden der OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 auch für Zwecke der Mehrwertsteuer heranzuziehen. 904 Teils verweisen nationale Mehrwertsteuergesetze bereits auf die Bewertungsmethoden für Ertragsteuern beziehungsweise wenden die gleichen Bewertungsmethoden für beide Steuerarten an. 905 Durchgängig werden hierzu jedoch Konflikte aufgeführt, die sich aus der unterschiedlichen Systematik direkter Steuern im Vergleich zur Mehrwertsteuer ergeben. 906 Zum einen ist an dieser Stelle auf die unterschiedlichen Besteuerungszeiträume beziehungsweise -zeitpunkte hinzuweisen. 907 Die Mehrwertsteuer ist 902 903 904
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Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien, Kapitel II. Vgl. Ainsworth, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 821 (838 ff.). Vgl. Ainsworth, Working Paper No. 07-23, S. 1 f., 8; ders., in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 821 (821, 838); Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (733); Heber, IStR 2014, 686 (690); Idsinga/Kalshoven/van Herksen, ITPJ 2005, 199 (202 f.); Jensen, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 877 (891); Martins, Intertax 2009, 322 (330); Lucas Mas, IVM 2008, 37 (45); Santoro, ITPJ 2007, 147 (154). Die OECD und die WCO haben 2006 und 2007 zu der Frage der Harmonisierung der Verrechnungspreisregime im Zoll- und Ertragssteuerrecht sogar eine gemeinsame Konferenz abgehalten, siehe dazu Ping/Silberztein, WCR Band 1, Heft 1. Zum Beispiel Russland, vgl. Ainsworth, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 821 (843, 845); Heber, IStR 2014, 686 (690); ebenso Österreich, vgl. Ehrke-Rabel, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 117 (125) sowie Spanien, vgl. Lucas Mas, IVM 2008, 37 (45). Eine sehr ausführliche Untersuchung, welche Länder gleiche oder ähnliche Bewertungsmethoden für verschiedene Steuerarten anwenden, findet sich bei Ainsworth, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 821 (839 ff.). Siehe auch Lucas Mas, in: Bakker/Obuoforibo (Hrsg.), Transfer Pricing and Customs Valuation, 2009, S. 189 (206). Vgl. Ainsworth, Working Paper No. 07-23, S. 2, 7; ders., in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 821 (839); Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (728); Jensen, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 877 (898 ff.); Lucas Mas, in: Bakker/Obuoforibo (Hrsg.), Transfer Pricing and Customs Valuation, 2009, S. 189 (196 f.); Santoro, ITPJ 2007, 147 (153 ff.). Siehe auch Heber, IStR 2014, 686 (690). Vgl. Ainsworth, Working Paper No. 07-23, S. 14; ders., in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 821 (823, 867 f.); Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (735); Diemer, IStR 2007, 587 (589); Lucas Mas, in: Bak-
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
eine transaktionsbezogene Steuer. Der dem Fremdvergleichsgrundsatz standhaltende Preis muss demnach grundsätzlich im geltenden System für jede einzelne Leistung ermittelt werden. Dies gilt umso mehr, als es für verschiedene Leistungsarten einerseits verschiedene Tarife gibt, andererseits die Regeln zur Bemessungsgrundlage unterschiedliche Ansätze vorsehen (siehe Art. 72 ff. MwStSyst-RL). Da die Mehrwertsteuer unmittelbar bei Bewirken der fraglichen Leistung fällig wird (vgl. Art. 63 MwStSyst-RL), muss die Bewertung zum Vergleichswert ebenfalls unmittelbar erfolgen. Demgegenüber werden die Verrechnungspreise bei direkten Steuern für Zeiträume, meist für je ein Jahr, ermittelt. Dies folgt aus der Zeitabschnitten folgenden Ertragsbesteuerung. Diese will grundsätzlich den Gewinn, wie er in einer bestimmten Periode erwirtschaftet wurde, besteuern. Damit einher geht der Zweck der Verrechnungspreiskorrektur, die eine angemessene Gewinnzuordnung auf verschiedene Länder erreichen will. Folglich orientieren sich die Ertragsbesteuerung und mit ihr die OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 an Zeiträumen, die in der Regel auf je ein Jahr angelegt sind. Die Bewertung beziehungsweise Korrektur der vereinbarten Preise, die entsprechend Einfluss auf den zu versteuernden Gewinn haben, erfolgt daher bezogen auf den Gewinn. Deshalb kommen Bewertungen und Korrekturen auch am Ende des Wirtschaftsjahres in Betracht und die Bewertungsmethoden sind teilweise unabhängig von der einzelnen Transaktion anzuwenden. Insofern werden gegebenenfalls verschiedene Transaktionen gebündelt und ein einheitlicher Verrechnungspreis ermittelt. 908 Folglich kann die Bewertung für Zwecke der Ertragsbesteuerung zeitlich sowie auf die Transaktionen aufgeteilt von der Bewertung für Zwecke der Mehrwertsteuer abweichen. 909 Zum anderen erfolgt die Erhebung der jeweiligen Steuer nach unterschiedlichen Systemen. Die Mehrwertsteuer als indirekte Steuer wird bei dem Leis-
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ker/Obuoforibo (Hrsg.), Transfer Pricing and Customs Valuation, 2009, S. 189 (196); Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (287). Zum Beispiel die transaktionsbezogene Gewinnaufteilungsmethode, vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.108 ff. Siehe auch Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (734); Charlet/Holmes, IVM 2010, 431 (432); Lucas Mas, in: Bakker/Obuoforibo (Hrsg.), Transfer Pricing and Customs Valuation, 2009, S. 189 (197); Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (286 f.); Santoro, ITPJ 2007, 147 (149). Vgl. insgesamt zu der Problematik mit gleichen oder ähnlichen Argumenten Ainsworth, Working Paper No. 07-23, S. 14; ders., in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 821 (867 f.); Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (735 f.); Charlet/Holmes, IVM 2010, 431 (435); Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (188).
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Die Recharge Methode
tungserbringer erhoben, sodass Steuerträger und Steuerschuldner auseinanderfallen. Die Ertragsteuern als direkte Steuern werden bei jedem erhoben, der einen Gewinn erwirtschaftet hat. Entsprechend diesen unterschiedlichen Ausgangspunkten bei der Erhebung passen die einzelnen Methoden teils nicht zu der Systematik der Mehrwertsteuer. 910 Beispielsweise orientiert sich die sogenannte Wiederverkaufsmethode 911 am Käufer, da die Bewertung anhand des Wiederverkaufspreises durch den Käufer erfolgt. Der Leistungserbringer hat diese Daten jedoch nicht zwangsläufig, weshalb es ihm schwerfallen dürfte, eine angemessene Bewertung vorzunehmen. Die Bewertung für Zwecke der Mehrwertsteuer muss aber grundsätzlich durch den Dienstleistungserbringer erfolgen, da er zumindest bei unentgeltlichen oder unangemessen billigen beziehungsweise teuren Dienstleistungen Steuerschuldner ist und zumindest in Deutschland auch in Fällen des Art. 80 MwStSyst-RL eine Rechnung unter Ausweis der Mehrwertsteuer ausstellen muss. Der Käufer hat folglich weder mit der Bewertung noch mit der Abführung der entsprechenden Mehrwertsteuer viel zu tun. 912 Anders ist dies im Bereich der Ertragsteuern, da der Preis dort im Rahmen der Werbungskosten maßgebliche Auswirkungen auf die endgültige Steuerlast hat. Folglich ist die besagte Methode eher auf die Erhebungssystematik, wie sie bei Ertragsteuern zu finden ist, zugeschnitten. Schließlich gibt es praktische Probleme dahingehend, dass die Verrechnungspreisregelungen verschiedene Ziele bei Festlegung eines dem Fremdvergleich standhaltenden Preises verfolgen. Im Rahmen der Ertragsbesteuerung dienen Preisgestaltungen dazu, Gewinne möglichst hoch oder niedrig ausfallen zu lassen. Der Gewinn soll möglichst niedrig in den Ländern sein, in denen das Besteuerungsniveau hoch ist und umgekehrt möglichst hoch, wo das Besteuerungsniveau niedrig ist. Der Preis dient dabei als Gestaltungsinstrument, um Gewinne entsprechend zu steuern. 913 Ist der Preis für eine Leistung hoch, führt dies beim Leistungserbringer zu höheren Gewinnen und beim Empfänger zu höheren Ausgaben, die den Gewinn verringern. Die Finanzverwaltungen verfolgen entsprechend das gegenteilige Ziel, wenn 910 911 912
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Siehe daher überwiegend kritisch Santoro, ITPJ 2007, 147 (155). Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.21 ff. Vgl. insgesamt zu dieser Problematik mit anschaulichem Beispiel Ainsworth, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 821 (857 f.). Vgl. Jensen, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 877 (882); Vögele/Fischer, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel A Rz. 11. Siehe auch Charlet/Holmes, IVM 2010, 431 (432).
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
sie Verrechnungspreiskorrekturen vornehmen. 914 Demgegenüber dient die Festlegung objektiver Preise im Rahmen der Mehrwertsteuer dazu, Gestaltungen bezüglich des Vorsteuerabzugsrechts und der endgültigen Belastung mit Mehrwertsteuer zu verhindern. 915 Hat ein Steuerpflichtiger ein eingeschränktes Abzugsrecht, kann er ein Interesse daran haben, einen niedrigen Preis zu vereinbaren, um die Belastung mit endgültiger Mehrwertsteuer zu verringern. 916 Daneben kann die Höhe des vereinbarten Entgelts Einfluss auf den ProRata-Satz haben. Mit entsprechenden Gestaltungen kann ein Steuerpflichtiger dadurch gegebenenfalls sein anteiliges Vorsteuerabzugsrecht erhöhen. 917 Damit kann zwischen der Preisfindung für Zwecke der Mehrwertsteuer und derjenigen für Zwecke der Ertragssteuern ein Konflikt bestehen. 918 Aus Sicht der Finanzverwaltung kann es für Zwecke der Mehrwertsteuer zum Beispiel vorteilhaft sein, wenn das vereinbarte Entgelt möglichst hoch ist, da entsprechend die geschuldete Mehrwertsteuer höher ausfällt. Zur gleichen Zeit bedeutet ein hoher Preis jedoch, dass der im Rahmen der Ertragsbesteuerung zu versteuernde Gewinn verringert wird. Das gleiche nur umgekehrt gilt für den Steuerpflichtigen. Will man also einen einheitlichen Preis für beide Steuerregime festlegen, müssen diese gegebenenfalls divergierenden Interessen sowohl beim Steuerpflichtigen als auch bei der Finanzverwaltung in Einklang gebracht werden. Insbesondere bei der Finanzverwaltung kann dies problematisch sein, wenn die verschiedenen Steuern in unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche fallen und keine Bindung bezüglich der Entschei-
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Vgl. insgesamt Jensen, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 877 (882); siehe auch Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 72-92 MwStSyst-RL Rz. 37. Vgl. Idsinga/Kalshoven/van Herksen, ITPJ 2005, 199 (202 f.); Jensen, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 877 (883); Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 72-92 MwStSyst-RL Rz. 37. Vgl. mit ausführlichem Beispiel Jensen, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 877 (883, 893); siehe auch Idsinga/Kalshoven/van Herksen, ITPJ 2005, 199 (202 f.); Lucas Mas, in: Bakker/Obuoforibo (Hrsg.), Transfer Pricing and Customs Valuation, 2009, S. 189 (199). Vgl. mit ausführlichem Beispiel Jensen, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 877 (884, 894); Lucas Mas, in: Bakker/Obuoforibo (Hrsg.), Transfer Pricing and Customs Valuation, 2009, S. 189 (199 ff.). Vgl. Diemer, IStR 2007, 587 (588); Lehner, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 33 (33). Auch die OECD hat dieses Problem erkannt, vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, KapiteI I Tz. 1.79.
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Die Recharge Methode
dungen des jeweils anderen besteht. 919 Es ist daher bereits aus rein praktischer Sicht fraglich, ob der für eine Steuerart ermittelte Verrechnungspreis unbesehen auf die andere Steuerart übertragen wird. Ergänzend sei zudem auf die Sicht von Generalanwalt Léger hinzuweisen, wonach nicht auf nationale Bestimmungen für die direkte Besteuerung der Unternehmensgewinne zurückzugreifen sei, da es sich bei dem Fremdvergleichsgrundsatz um eine Fiktion handele, während in der Mehrwertsteuer die Bemessungsgrundlage anhand der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung und nicht nach objektiven Maßstäben geschätzten Werten zu ermitteln sei. 920 Auch wenn diese Sicht im Ergebnis mit den hier erarbeiteten Ergebnissen übereinstimmt, scheint sie dennoch widersprüchlich, da auch die MwStSyst-RL teils objektive Werte, nämlich den Normalwert, anerkennt. Aus den vorangegangenen Überlegungen folgt zunächst, dass zwecks Ermittlung des Vergleichswerts nicht pauschal auf die OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 und die dort verankerten Bewertungsmethoden verwiesen werden kann. Allenfalls einzelne Methoden sind überhaupt ihrer Systematik nach auch im Mehrwertsteuersystem geeignet. 921 Daraus folgt, dass ein Unternehmen, das für Zwecke der Ertragsbesteuerung bestimmte Methoden gewählt hat, diese gegebenenfalls bereits mangels systematischer Eignung nicht auch für die Mehrwertsteuer verwenden kann. Daneben erfolgt die Bewertung in der Regel nicht gleichzeitig. Änderungen, die sich zwischenzeitlich ergeben, führen daher zunächst zu einem Auseinanderfallen der ermittelten Preise bei der Mehrwertsteuer und den direkten Steuern. 922 Dies bedeutet, dass nicht zwangsläufig der exakt gleiche Preis für beide Steuerarten zugrunde gelegt werden kann. 923
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Ping/Silberztein sprechen bezüglich der Vereinbarkeit von Bewertungsmethoden im Zoll- und Ertragssteuerrecht von einer Glaubwürdigkeitsfrage, vgl. WCR Band 1, Heft 1, S. 2. GA Léger, Schlussanträge v. 29.9.2005 – C-210/04 (FCE Bank), Rz. 64. Eine ausführliche Untersuchung hierzu siehe bei Ainsworth, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 821 (839 ff.); siehe auch Santoro, ITPJ 2007, 147 (155). Daher ist umstritten, ob nachträgliche Korrekturen für Zwecke der Ertragsbesteuerung Auswirkung auf den bereits zuvor ermittelten Wert im Rahmen der Mehrwertsteuer haben können. Siehe zu dieser Diskussion Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 703 (734 ff.); Idsinga/Kalshoven/van Herksen, ITPJ 2005, 199 (207 f.); Martins, Intertax 2009, 322 (328 f.); Lucas Mas, in: Bakker/Obuoforibo (Hrsg.), Transfer Pricing and Customs Valuation, 2009, S. 189 (209 ff.); Santoro, ITPJ 2007, 147 (157 ff.). Ebenfalls kritisch Ainsworth, Working Paper No. 07-23, S. 82; Charlet/Koulouri, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009,
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
Grundsätzlich jedoch können die Dokumentationen, die für Zwecke der Verrechnungspreisermittlung im Bereich der Ertragsteuern erstellt werden, auch eine erleichterte Ermittlung des Vergleichswerts gemäß Art. 72 Abs. 1 MwStSyst-RL ermöglichen. Insbesondere Untersuchungen zur Marktsituation haben Relevanz für beide Steuerarten. Dabei können die unterschiedlichen Systeme und Zwecke der Steuern auch keinen Einfluss auf die Ergebnisse entsprechender Untersuchungen haben. Erst die Ermittlung eines Preises aufgrund entsprechender Untersuchungen führt demnach zu unterschiedlichen Ergebnissen. Daraus ist zu folgern, dass eine pauschale Übernahme der für Zwecke der Ertragsteuern ermittelten Verrechnungspreise nicht möglich ist. Die der Preisermittlung zugrundeliegenden Untersuchungen und Dokumentationen können hingegen auch im Bereich der Mehrwertsteuer die Ermittlung des Vergleichswerts erleichtern. 924 Sofern daher Unternehmen im Rahmen der Ertragsbesteuerung Verrechnungspreiskorrekturen vornehmen müssen, werden die praktischen Schwierigkeiten und der Aufwand bei der Ermittlung des Vergleichswerts zumindest reduziert. (iii)
Zwischenergebnis
Ein Vergleich der beiden Bewertungsansätze im Rahmen des Art. 72 MwStSyst-RL gibt in praktischer Hinsicht kein eindeutiges Bild. Zumindest jedoch ist festzustellen, dass eine parallele Ermittlung des Vergleichswertes zu Verrechnungspreisen in der Ertragsbesteuerung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz abzulehnen ist. Bezüglich des Betrags der Ausgaben müssen Praktikabilitätsaspekte ähnlich berücksichtigt werden wie bei der Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode. Denn die Ermittlung der maßgeblichen Ausgaben ist insofern mit der Ermittlung der maßgeblichen Kosten im Rahmen der Recharge Methode vergleichbar. iv.
Zusammenfassung
Insgesamt ist festzustellen, dass die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode eher in das allgemeine System eingepasst ist. Insbesondere gewährleistet die Kostenaufteilung eine parallele Anwendung zu „normalen“ Dienstleistungen, die nicht unter die Recharge Methode fallen, da bei beiden Arten von Dienstleistungen die gleichen Bewertungsregeln anzuwenden wären. Dies hätte den Vorteil, dass kein neues Bewertungsregime
924
S. 703 (737); Jensen, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 898 f.; Santoro, ITPJ 2007, 147 (155 f.). Ebenso wohl Charlet/Holmes, IVM 2010, 431 (434); Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (188).
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Die Recharge Methode
für die von der Recharge Methode erfassten Dienstleistungen eingeführt werden müsste und die Bewertung für alle Dienstleistungen parallel erfolgt. Somit wird weitgehende Vergleichbarkeit erreicht. Des Weiteren würde eine Bewertung zumindest nach Art. 73 sowie Art. 72 Abs. 2 UAbs. 2 und 75 MwStSyst-RL anhand objektiv leichter zu ermittelnden und überprüfbaren Werten und Kriterien erfolgen, während eine Bewertung nach dem Vergleichswert eher durch Schätzungen erfolgt, die stets eine gewisse Gefahr der Ungenauigkeit mit sich führen. Diese Gefahr bestünde daher bei Dienstleistungen im Rahmen des Art. 27 MwStSyst-RL regelmäßig 925, im Rahmen der Recharge Methode hingegen nur für die Fälle, in denen die Eingangsleistung nach Art. 80 MwStSyst-RL zu behandeln wäre. Art. 27 MwStSyst-RL beziehungsweise der Normalwert könnten zudem im Vergleich zur Recharge Methode weniger praktikabel sein, sofern der Rückgriff auf bereits vorhandene Dokumentationen möglich ist. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass die Ermittlung zumindest des Vergleichswerts komplizierter wäre. Jedoch können die Dokumentationen für Zwecke der Verrechnungspreiskorrektur im Bereich der Ertragsbesteuerung ebenfalls die Ermittlung des Vergleichswerts erleichtern. Praktikabilitätsaspekte lassen daher im Ergebnis keine der Bewertungen vorzugswürdig erscheinen. Ein wesentlicher Vorteil des Art. 27 MwStSyst-RL in praktischer Hinsicht ist jedoch, dass keine Differenzierung zwischen interner Wertschöpfung und externem Leistungsbezug erfolgen muss. Die insofern bei der Recharge Methode identifizierten Probleme spielen bei Art. 27 MwStSyst-RL keine Rolle. Zugleich kann Art. 27 MwStSyst-RL jedoch in quantitativer Hinsicht bei Erfüllung von Erklärungspflichten und ähnlichem einen Mehraufwand bedeuten, da dieser keine Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalte vorsieht. (d)
Abschließende Abwägung
Insgesamt lässt sich daher feststellen, dass die Recharge Methode ebenso wie Art. 27 MwStSyst-RL in ähnlichem Umfang die Steuerbarkeit mit den damit einhergehenden Problemen und Konflikten ermöglichen. Auch das Neutralitätsprinzip bleibt durch beide Ansätze gleichermaßen gewahrt. Die verbleibenden Unterschiede erklären sich zumeist mit dem Charakter der Recharge Methode als korrigierende Ortsbestimmungsregel, während 925
Ausgenommen sind Fälle, in denen die Bewertung sekundär gemäß Art. 72 Satz 2 Abs. 2 MwStSyst-RL anhand des Betrags der Ausgaben erfolgt.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
Art. 27 MwStSyst-RL demgegenüber umfassend die Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen fingiert. Dementsprechend wird das Verbrauchsortprinzip eher durch die Recharge Methode verwirklicht. Da Art. 27 MwStSyst-RL nach der derzeitigen Rechtslage auf den Normalwert zurückgreift (vgl. Art. 77 MwStSyst-RL), ist dieser im Vergleich zur Recharge Methode weniger empfehlenswert. Selbst wenn Art. 27 MwStSyst-RL dahingehend geändert würde, dass es statt des Vergleichswerts auf den Betrag der Ausgaben ankäme, muss festgestellt werden, dass die Recharge Methode in größerem Umfang eine Gleichstellung mit „normalen“ Dienstleistungen erreicht. Neue Bewertungsregime und Ausnahmen vom Grundfall der Bewertung nach Art. 73 MwStSyst-RL werden weitgehend vermieden. Bei Dienstleistungen im Sinne des Art. 27 MwStSyst-RL käme es auch bei einer Änderung stets auf eine „neue“ Bewertung der unternehmensinternen Dienstleistung an. Die Recharge Methode nimmt demgegenüber keine neue Bewertung vor, sondern greift auf die bereits für die externe Dienstleistung vorgenommene zurück. Daher scheint die Recharge Methode insgesamt mit Blick auf die heranzuziehende Bewertungsgrundlage und die Einpassung in das Bewertungssystem zu anderen Dienstleistungen vorzugswürdiger. Dies kann auch nicht durch die bezüglich Art. 27 MwStSyst-RL erkannten Vorteile bei der praktischen Anwendung der Vorschrift aufgewogen werden. Im Übrigen muss hierbei berücksichtigt werden, dass Art. 27 MwStSyst-RL seinerseits praktische Probleme aufwirft. Zudem spricht gegen eine vollumfängliche Alternativität der beiden Ansätze, dass der mit der Recharge Methode vorrangig verfolgte Zweck, nämlich die umfassende Verwirklichung des Verbrauchsortprinzips, bei Art. 27 MwStSyst-RL gar keine Berücksichtigung findet. 926 Obwohl die bei unternehmensinternen Dienstleistungen erkannten Probleme mit Blick auf das Neutralitätsprinzip und das Verbrauchsortprinzip weitgehend gleichermaßen verwirklicht werden, unterscheiden die beiden Ansätze sich dennoch in ihrer Zweckrichtung. Der Zweck der Recharge Methode, eine Zuordnung der Besteuerungsrechte entsprechend dem Verbrauch zu erreichen, wird daher nur durch die Recharge Methode vollumfänglich verwirklicht und muss unter dem Aspekt der korrekten Zuordnung der Besteuerungsrechte vorzugswürdig sein.
926
Für eine Alternativität hingegen Mikutienė, WJVL 2014, Band 3 Heft 3, 166 (188).
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Die Recharge Methode
e)
Rückgriff auf bereits vorhandene Informationen
Die International VAT/GST Guidelines gehen davon aus, dass die Aufteilung der bezüglich des externen Leistungsbezugs entstandenen Kosten auf existierenden Geschäftsvorgängen und Informationen aufbauen kann, die in der Regel bereits für Zwecke der Buchführung, Steuern oder anderer regulatorischer Zwecke vorhanden sind. Durch den Rückgriff auf diese bereits vorhandenen Informationen sei die Recharge Methode nicht mit unverhältnismäßigem Verwaltungsmehraufwand verbunden. 927 Idealerweise soll die Zuordnung der Kosten so nah wie möglich an die tatsächliche Nutzung angenähert werden. Jedoch erkennt die OECD an, dass dies insbesondere bei Nutzung durch mehrere feste Niederlassungen nicht ohne Komplikationen möglich ist. 928 Deshalb lässt sie Kostenaufteilungsschlüssel zu, die näherungsweise unter Verwendung von Schätzungen eine möglichst sinnvolle und angemessene Aufteilung vornehmen. 929 Als Beispiele für mögliche Aufteilungsschlüssel schlagen die International VAT/GST Guidelines unter anderem die Zahl der Angestellten oder die Zahl der Rechnungen vor. 930 Die Wahl des jeweiligen Schlüssels muss dabei von den Umständen des Einzelfalls abhängen. Insbesondere die Art der fraglichen Dienstleistung hat maßgeblichen Einfluss darauf. Weiterhin muss der jeweils gewählte Schlüssel geeignet sein, den Nutzenanteil widerzuspiegeln, es muss also ein angemessenes Verhältnis zwischen Art der Dienstleistung und der sich in dem gewählten Schlüssel ausdrückenden Nutzung der Dienstleistung erreicht werden. Geht es zum Beispiel um die Aufteilung von Kosten für ein EDV-System, ist es sinnvoll, auf die in den betroffenen Niederlassungen vorhandenen Computer abzustellen, auf denen das System letztlich installiert und verwendet wird. Die Zahl der Computer spiegelt dabei die Nutzung des EDV-Systems wider. Die bei den Steuerpflichtigen bereits vorhandenen Informationen müssen diese Aspekte berücksichtigen. Sie müssen in irgendeiner Form Informationen dazu geben, in welchem Umfang die einzelnen Niederlassungen an der Nutzung beteiligt sind. Es bedarf also einer Kostenträgeranalyse. Sofern auf Kostenaufteilungsschlüssel Rückgriff genommen wird, müssen stattdessen Informationen zu den Daten verfügbar sein, auf denen der jeweilige Kostenschlüssel beruht. Zum Beispiel müssen Informationen zu der Zahl der Mitarbeiter in allen Niederlassungen des Steuerpflichtigen vorliegen. 927 928 929 930
Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.32, 3.90. Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.88. Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.88 ff. Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.91.
261
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
Im Folgenden soll daher untersucht werden, ob solche Informationen regelmäßig bei Steuerpflichtigen vorhanden sind und ob diese geeignet sind, eine Aussage zur Praktikabilität der Recharge Methode zu erlauben. Insbesondere muss es dabei darum gehen, ob der Rückgriff auf besagte Informationen den mit der Recharge Methode verbundenen Mehraufwand in einem angemessenen Verhältnis belassen kann. Bei dieser Untersuchung muss zwischen Informationen, die der Kostenträgeranalyse dienen, und Informationen für die Wahl eines geeigneten Kostenaufteilungsschlüssels differenziert werden. Da die Kostenträgeranalyse und die Kostenaufteilungsschlüssel die Kostenaufteilung nicht exakt vergleichbar vornehmen, kann es Informationen geben, die nur für eine der beiden Aufteilungsmethoden geeignet sind. Informationen sind demnach für die Kostenträgeranalyse geeignet, wenn sie Rückschlüsse auf die tatsächliche Nutzung erlauben. Es handelt sich hierbei also um eine Untersuchung von Fakten bezüglich des Verbrauchs einer Dienstleistung. Demgegenüber erfordert ein geeigneter Kostenaufteilungsschlüssel Zahlen, die je nach Art der fraglichen Dienstleistung eine angemessene und möglichst nahe Vermutung der Nutzung ermöglichen. Die Zahlen haben in diesem Zusammenhang zunächst nichts mit der tatsächlichen Nutzung zu tun, sondern erlauben erst durch ihr Verhältnis im Gesamtunternehmen zur festen Niederlassung eine Vermutung der tatsächlichen Nutzung. Insgesamt ist der Annahme der OECD zuzustimmen, dass die Recharge Methode und insbesondere die Kostenaufteilung mit angemessenem Aufwand möglich ist, wenn auf bereits vorhandene Informationen zurückgegriffen werden kann. Dieser Aufwand ist jedoch nur dann angemessen, wenn es Informationen im Unternehmen gibt, die ohne erheblichen zusätzlichen Zeitund Kostenaufwand zusammengestellt und für Zwecke der Kostenaufteilung ausgewertet werden können. Es muss sich also letztlich um Informationen handeln, die für zwei Zwecke aggregiert werden und deren Auswertung für beide Zwecke vergleichbar und in vergleichbarer Weise aufwendig ist. Mit Zwecken ist dabei zum einen die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode gemeint und zum anderen der Grund, warum die fraglichen Informationen bereits vorhanden sind, also zum Beispiel Buchführungszwecke. Hingegen ist der Aufwand gemessen am Zweck einer korrekten Zuordnung der Besteuerungsrechte unangemessen hoch, wenn die bereits vorhandenen Informationen erst völlig neu zusammengestellt werden müssen und deren Auswertung in keiner Weise vergleichbar mit der Informationsauswertung für den anderen Zweck ist. Denn dann handelt es sich um einen völlig neuen Vorgang mit entsprechend hohem Mehraufwand. Hier können die Vorteile der Recharge Methode, also vor allem die weitgehende Sicherstellung der 262
Die Recharge Methode
Besteuerung am Verbrauchsort, nicht gegen die Nachteile mit Blick auf die Praktikabilität aufgewogen werden. Die nachfolgende Untersuchung soll daher Erkenntnisse mit Blick auf die Praktikabilität der Recharge Methode liefern, um sodann eine abschließende Abwägung mit besonderem Blick auf die zur Untersuchung der Recharge Methode erarbeiteten Maßstäbe vorzunehmen. Im Folgenden werden verschiedene Regelungen beziehungsweise faktische Gegebenheiten, die zu einer kostenbezogenen Informationssammlung führen, auf ihre Eignung für die Recharge Methode im soeben beschriebenen Sinne untersucht. Die Untersuchung wird zunächst freiwillige Dokumentationen erfassen, deren Vorhandensein aufgrund der Freiwilligkeit nicht genau bestimmt werden kann. Demzufolge ist eine entsprechende Untersuchung der Eignung für Zwecke der Recharge Methode nur eingeschränkt möglich. Daher wird im Weiteren auf Dokumentationserfordernisse für Verrechnungspreiszwecke einzugehen sein. Im Gegensatz zu freiwilligen Kostenträgeranalysen sind Regelungen zur Ermittlung von Verrechnungspreisen weit verbreitet. Sollten sie im Übrigen geeignet sein, wären sie einer Untersuchung unter Praktikabilitätsaspekten zugänglich, zumal sie in aller Regel auf gesetzlichen Vorschriften basieren. Im Steuerrecht gibt es üblicherweise drei verschiedene Verrechnungspreisregime, eines im Bereich der direkten Steuern, eines für den Zoll und eines in der Mehrwertsteuer. Auf Ebene der EU finden sich für Zwecke der Mehrwertsteuer Regelungen in den Art. 72 ff. MwStSyst-RL. Daneben sind auch im Zollrecht unter bestimmten Voraussetzungen Berichtigungen des Transaktionswerts vorgesehen. 931 Für Zwecke der Ertragsteuern gibt es Regelungen in nationalen Doppelbesteuerungsabkommen, die sich in der Regel an Art. 7 und 9 OECD-MA orientieren, und außerdem die OECD Verrechnungspreisrichtlinien. Es stellt sich daher die Frage, inwiefern die erwähnten Verrechnungspreisregeln einen Rückgriff im Rahmen der Recharge Methode ermöglichen.
931
Vgl. in der Europäischen Union Art. 29 ff. Zollkodex (Verordnung Nr. 2913/92 v. 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften) und Art. 150 ff. Zollkodex-DVO (Verordnung Nr. 2454/93 v. 2.7.1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften).
263
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
(1)
Freiwillige Dokumentationen aus betriebswirtschaftlichen Gründen
(a)
Informationsgehalt
Zunächst scheint es möglich, dass Unternehmen aus betriebswirtschaftlichen Gründen Dokumentationen dazu erstellen, in welchem Umfang einzelne Niederlassungen des Steuerpflichtigen zum Gesamtaufwand beitragen. Insbesondere ist an dieser Stelle an Kostenrechnungen für betriebswirtschaftliche Zwecke zu denken. In der Regel wird es solche Rechnungen geben, um dem Unternehmer einen detaillierten Überblick über Vorgänge in seinem Unternehmen zu ermöglichen. 932 Sofern es in den Unternehmen solche Dokumentationen gibt, sind diese unter bestimmten Voraussetzungen für die Kostenaufteilung im zweiten Schritt der Recharge Methode geeignet. Denn in der Regel bilden solche sogenannten Kostenrechnungen 933, sofern sie der Abbildung der (vergangenen) Unternehmensvorgänge dienen, detailliert entstandene Kosten ab. 934 Dabei werden diese Kosten auf Kostenstellen und Kostenträger verteilt, die die Kostenentstehung und Kostenverursachung widerspiegeln sollen. 935 Gemeinkosten werden anhand von Schlüsseln aufgeteilt, die wiederum die Verursachung widerspiegeln sollen. 936 Damit bieten entsprechende Kostenrechnungen einen Überblick nicht nur über mögliche Kostenbestandteile, sondern vor allem über die Kostenverursachung. Sofern diese Verursachung (näherungsweise) mit dem Verbrauch im Sinne der Mehrwertsteuer übereinstimmt, können hieraus Anhaltspunkte für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode erarbeitet werden. Verbrauch im Sinne der Ortsbestimmungsregeln muss vor allem als 932
933
934
935
936
Üblicherweise wird es in irgendeiner Form Kostenübersichten geben, insbesondere zur Preisgestaltung und Planung im Unternehmen, vgl. Engler/Freytag, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel O Rz. 284; siehe auch Haas, in: DStJG Band 36, 2013, S. 285 (287, 293). Kostenrechnungen sind in der Betriebswirtschaftslehre ein umfangreich erörtertes und beschriebenes Konzept. Aufgrund einer anderweitigen Schwerpunktsetzung kann an dieser Stelle nur eine überblickartige Beschreibung der grundlegenden Merkmale, soweit sie für die Untersuchung der Recharge Methode relevant sind, erfolgen. Vgl. Schweitzer/Küpper, Systeme der Kosten- und Erlösrechnung, 11. Aufl. 2016, S. 49, 80; Fandel/Fey/Heuft/Pitz, Kostenrechnung, 3. Aufl. 2009, S. 2 ff., 79, 124; Freidank, Kostenrechnung, 9. Aufl. 2012, S. 92, 191, 197; Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 5. Aufl. 2010, S. 71, 75, 155. Vgl. Fandel/Fey/Heuft/Pitz, Kostenrechnung, 3. Aufl. 2009, S. 33, 124; Freidank, Kostenrechnung, 9. Aufl. 2012, S. 94; Schweitzer/Küpper, Systeme der Kosten- und Erlösrechnung, 11. Aufl. 2016, S. 49, 98 ff.; Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 5. Aufl. 2010, S. 90, 99. Vgl. Freidank, Kostenrechnung, 9. Aufl. 2012, S. 95, 140, 143; Schweitzer/Küpper, Systeme der Kosten- und Erlösrechnung, 11. Aufl. 2016, S. 147 ff.; Steger, Kostenund Leistungsrechnung, 5. Aufl. 2010, S. 87, 100 f.
264
Die Recharge Methode
Verwendung von Leistungen für Ausgangsleistungen oder sonst für die Tätigkeit der fraglichen Niederlassung verstanden werden. 937 Sofern mit der Kostenträgerrechnung entstandene Kosten abgebildet werden, wird ihre Entstehung grundsätzlich mit dem Verbrauch beziehungsweise der Verwendung von Gütern, die in den sogenannten Kostenstellen eingesetzt werden, in Verbindung gebracht. 938 Ohne im Einzelnen auf die technische Vorgehensweise der Kostenträgerrechnung einzugehen, kann festgestellt werden, dass Kosten verschiedenen Einheiten innerhalb des Unternehmens zugeordnet werden, wobei ebenfalls eine verbrauchsorientierte Betrachtung erfolgt. Daraus lassen sich in ausreichender Weise Übereinstimmungen zu der verbrauchsorientierten Zuordnung im Rahmen der Mehrwertsteuer erkennen. Indem die Zuordnung auf Kostenstellen, also verschiedenen Bereichen innerhalb des Unternehmens, erfolgt 939, kann auch für Zwecke der Recharge Methode in ausreichender Weise erkennbar werden, welche Niederlassungen im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne Kosten verursachen. Etwaige Ungenauigkeiten bei der Kostenzuordnung entsprechend dem Verbrauch müssen dabei akzeptiert werden, sofern die Zuordnung in ausreichender Weise üblichen Standards entspricht und nachvollziehbar erfolgt. Denn sowohl die Zuordnung für betriebswirtschaftliche als auch mehrwertsteuerrechtliche Zwecke kann nie zu hundert Prozent exakt erfolgen. Es ergeben sich insofern immer etwaige Ungenauigkeiten, die Folge praktischer Gegebenheiten sind. Folglich sind Kostenträgerrechnungen, die entsprechend beziehungsweise vergleichbar dem oben Beschriebenen vorgehen, geeignet, Informationen auch für Zwecke der Recharge Methode bereitzuhalten. Einschränkend muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass Kostenträgerrechnungen nicht zwangsläufig alle entstandenen Kosten erfassen. Dies hängt letztlich von der jeweiligen Vorgehensweise im Einzelfall ab. 940 Die soeben getroffenen Aussagen erlangen daher nur für die Kosten, 937 938
939
940
Siehe dazu ausführlich oben 2. Teil: I. 2. c). Vgl. Schweitzer/Küpper, Systeme der Kosten- und Erlösrechnung, 11. Aufl. 2016, S. 71, 98. Siehe zu verschiedenen Zuordnungsprinzipien Freidank, Kostenrechnung, 9. Aufl. 2012, S. 193 ff.; Grob/Bensberg, Kosten- und Leistungsrechnung, 2005, S. 41 ff.; Schweitzer/Küpper, Systeme der Kosten- und Erlösrechnung, 11. Aufl. 2016, S. 75 ff.; Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 5. Aufl. 2010, S. 91 ff. Siehe zu der räumlichen und qualitativen Bestimmung von Kostenstellen ausführlich Fandel/Fey/Heuft/Pitz, Kostenrechnung, 3. Aufl. 2009, S. 125 ff.; Freidank, Kostenrechnung, 9. Aufl. 2012, S. 140 f.; Schweitzer/Küpper, Systeme der Kosten- und Erlösrechnung, 11. Aufl. 2016, S. 141 ff.; Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 5. Aufl. 2010, S. 262 ff. Insofern wird in der Betriebswirtschaftslehre zwischen Vollkosten- und Teilkostenrechnungen unterschieden, vgl. Freidank, Kostenrechnung, 9. Aufl. 2012, S. 191; Grob/Bensberg, Kosten- und Leistungsrechnung, 2005, S. 57; Schweitzer/Küpper,
265
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
die von einer entsprechenden Kostenträgerrechnung erfasst werden, Bedeutung. Allerdings ergeben sich mit Blick auf die vorliegende Bearbeitung auch Bedenken. Bevor jedoch auf diese eingegangen wird, sei vorab noch darauf hinzuweisen, dass solche freiwilligen Dokumentationen abzugrenzen sind von verpflichtend oder freiwillig erstellten Bilanzen und der zugehörigen Buchführung. 941 Hierzu wird sogleich im Einzelnen eingegangen. (b)
Eignung für eine Kostenträgeranalyse im Rahmen der Recharge Methode
Zunächst ist festzustellen, dass keine weit verbreiteten Regelungen in den nationalen Gesetzen ersichtlich sind, die eine solche detaillierte Kostenträgeranalyse im Allgemeinen oder eine Kostenträgerrechnung im oben beschriebenen Sinne im Besonderen verbindlich vorschreiben. 942 Wenn jedoch keine verbindlichen Regeln zu einer Kostenträgeranalyse ersichtlich sind, gibt es zunächst keine Sicherheit, dass entsprechende Informationen weit verbreitet vorhanden sind. Daher ist eine aussagekräftige Untersuchung der Recharge Methode mit Blick auf Praktikabilitätsaspekte nicht möglich. Mangels gesetzlicher Regelungen gibt es zudem keine Gewähr, dass die freiwillig geführten Kostenträgeranalysen stichhaltig sind. Da sie mangels gesetzlicher Verpflichtung nicht überprüft werden, kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass sie gegenüber Manipulationen gefeit sind. Aus rein praktischer Sicht ist zudem anzumerken, dass es sich gegebenenfalls gar nicht empfiehlt, „ehrliche“ Kostenträgeranalysen zu erstellen, da damit stets die Gefahr verbunden ist, dass zum Beispiel im Rahmen von Betriebsprüfungen auch solche Dokumentationen geprüft und entsprechende Korrekturen vorgenommen werden. Freiwillige Kostenträgeranalysen sind daher zumindest in höherem Maße dem Verdacht ausgesetzt, manipulierbar zu sein. Zwar fordern die International VAT/GST Guidelines nur bezüglich der Auswahl geeigneter Aufteilungsschlüssel ausdrücklich, dass
941
942
Systeme der Kosten- und Erlösrechnung, 11. Aufl. 2016, S. 82 f.; Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 5. Aufl. 2010, S. 72. Siehe auch ausführlicher unten 4. Teil: II. 4. e) (3) (b) iv. Siehe zu den Unterschieden zwischen Buchführung und Bilanzierung und Kostenträgerrechnungen Schweitzer/Küpper, Systeme der Kosten- und Erlösrechnung, 11. Aufl. 2016, S. 62 f.; siehe auch Freidank, Kostenrechnung, 9. Aufl. 2012, S. 93, 175 f.; Grob/Bensberg, Kosten- und Leistungsrechnung, 2005, S. 9 ff.; Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 5. Aufl. 2010, S. 71. Siehe zu betriebswirtschaftlichen Kostenrechnungen Freidank, Kostenrechnung, 9. Aufl. 2012, S. 93; Schweitzer/Küpper, Systeme der Kosten- und Erlösrechnung, 11. Aufl. 2016, S. 34; Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 5. Aufl. 2010, S. 80.
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Die Recharge Methode
diese Sicherungsmaßnahmen gegen Manipulationen vorsehen müssen. 943 Allerdings setzen jegliche Informationen, die für die Zuordnung von Dienstleistungen innerhalb des Steuerpflichtigen herangezogen werden, eine gewisse Stichhaltigkeit voraus. 944 Manipulierte Daten können insgesamt nicht geeignet sein, eine stichhaltige und an der Nutzung orientierte Weiterverrechnung zu gewährleisten, unabhängig davon, wie die Zuordnung im Einzelfall erfolgt. Freiwillige Kostenträgeranalysen sind daher nur dann überhaupt geeignet, wenn eine Überprüfung ihrer Stichhaltigkeit gewährleistet wird. 945 Folglich sind aus betriebswirtschaftlichen Gründen geführte, (zumeist) freiwillige Dokumentationen nicht geeignet, ein abschließendes Urteil bezüglich der Praktikabilität der Recharge Methode zu bilden. Nichtsdestotrotz können entsprechende Dokumentationen erste Anhaltspunkte für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode geben. Dies setzt allerdings voraus, dass die Richtigkeit entsprechender Dokumentation ausreichend sicher durch die Finanzverwaltung verifiziert werden kann und die Dokumentation den eben genannten inhaltlichen Anforderungen gerecht wird. Nur wenn letzteres zu bejahen ist, kann davon ausgegangen werden, dass die aus betriebswirtschaftlichen Gründen geführten Kostenrechnungen ausreichend Anhaltspunkte für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode geben können. (c)
Eignung zur Ermittlung eines Kostenschlüssels im Rahmen der Recharge Methode
Etwas anderes muss jedoch für die Ermittlung geeigneter Kostenschlüssel gelten, wie die OECD sie zur Vereinfachung anerkennt. 946 Diese Kostenschlüssel nehmen Rückgriff zum Beispiel auf die Zahl der vorhandenen Computer oder die Bürofläche. Solche Zahlen sind unabhängig von den zuvor angesprochenen Kostenträgeranalysen zu betrachten. Es handelt sich hierbei nämlich um faktische Daten. Um diese ermitteln zu können, muss zwangsläufig auf entsprechende Unterlagen bei dem Steuerpflichtigen zurückgegriffen werden. Hier können zum einen Inventarlisten und darauf
943 944 945 946
Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.90. Siehe bezüglich den Anforderungen an die Verrechnungsabrede OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.86. So wohl auch OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.101. Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.88.
267
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
aufbauend auch Bilanzen Rückschlüsse zulassen. 947 So kann die im Betrieb vorhandene Menge eines bestimmten Wirtschaftsguts aus Inventarlisten oder durch ihre Bilanzierung ermittelt werden. Daneben werden sich solche Daten in der Regel nur in sonstigen Unterlagen, zum Beispiel der EDV-Abteilung oder der Personalabteilung, finden. Gesetzlich verpflichtend erstellte Unterlagen wird es hier häufig nicht geben. Allenfalls Inventarisierungslisten könnten mit einer gewissen Regelmäßigkeit gesetzlich vorgegeben sein. 948 Da es sich bei diesen Daten jedoch um „harte“ Zahlen handelt, also solche, die mathematisch genau bestimmbar und relativ einfach zu überprüfen sind, bestehen insofern nicht die gleichen Bedenken bezüglich der Überprüfbarkeit und der Manipulierbarkeit, wie sie bezüglich freiwilliger Kostenträgeranalysen vorgebracht wurden. Soweit also Bilanzen, Inventarlisten und sonstige Unterlagen Aussagen zu Daten enthalten, die für die Ermittlung von geeigneten Kostenaufteilungsschlüsseln erforderlich sind, können besagte Informationen geeignet sein, auch für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode herangezogen zu werden. Allerdings führt das Vorhandensein solcher Daten für sich noch nicht zu einer Vereinfachung beziehungsweise Verringerung des Verwaltungsaufwands bezüglich der Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode. Um eine Kostenaufteilung sinnvoll vornehmen zu können, müssten die vorhandenen Unterlagen zunächst zusammengestellt und ausgewertet werden, um entsprechende Rückschlüsse für die Ermittlung von Kostenschlüsseln zu ermöglichen. Das Vorhandensein entsprechender Unterlagen kann daher nur bedingt zur Vereinfachung der Kostenaufteilung beitragen. Der Vorteil besteht insofern lediglich in dem Vorhandensein der Daten. 949 (2)
Die Regeln in Art. 72 ff. MwStSyst-RL
Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach den Art. 72 ff. MwStSystRL wurde bereits erörtert. Danach kommt es maßgeblich auf den subjektiven, zwischen den Leistungsparteien vereinbarten Preis an. Nur unter bestimmten Umständen wird hingegen ein Preis, der sich anhand objektiver Kriterien bemisst, zugrunde gelegt. Es kann dann anstelle des subjektiv vereinbarten Entgelts der Normalwert (Art. 77 und Art. 80 in Verbindung mit Art. 72 MwStSyst-RL), der Einkaufspreis beziehungsweise der Selbstkos947 948 949
Ähnlich Reimer, in: Reimer/Schmid/Orell, Permanent Establishments, 4. Aufl. 2015, § 1.03 Rz. 89. Siehe zum Beispiel in Deutschland § 240 HGB. Siehe zu Kostenaufteilungsschlüsseln auch unten 4. Teil: II. 4. e) (3) (c).
268
Die Recharge Methode
tenpreis (Art. 74 und Art. 76 MwStSyst-RL) und der Betrag der Ausgaben (Art. 75 MwStSyst-RL) als mögliche Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt werden. Des Weiteren wurde festgestellt, dass diese objektiv zu ermittelnden Bemessungsgrundlagen keine weiteren Angaben dazu enthalten, wie die Preise ermittelt werden sollen. Daher ist ein Rückgriff auf bereits vorhandene Dokumentation nicht offensichtlich. Es muss bereits gezweifelt werden, ob überhaupt Dokumentationen zur Bewertung anhand der Art. 74 ff. MwStSyst-RL vorhanden sind. Vielmehr wurde bereits erörtert, ob und inwiefern ein Rückgriff auf die Bewertung für Zwecke der Ertragsteuern möglich ist. 950 Weiterhin sehen die Bewertungsvorschriften gemäß Art. 72 ff. MwStSyst-RL keine Zuordnung der fraglichen Leistungen entsprechend der Nutzung vor. Sie setzen erst im zweiten Schritt an, also wenn die Bemessungsgrundlage für die anhand der Ortsbestimmungsregeln zugeordnete Leistung ermittelt werden soll. Die Regelungen sind daher nicht geeignet, Rückschlüsse über die Nutzung einer Dienstleistung innerhalb des Steuerpflichtigen zu erlauben. Schließlich wurde bereits erörtert, dass Art. 26 in Verbindung mit Art. 75 MwStSyst-RL sowie Art. 80 MwStSyst-RL in der Regel nicht auf Leistungen innerhalb des Steuerpflichtigen anwendbar sind. Daneben ist die praktische Relevanz von Art. 27 in Verbindung mit Art. 77 MwStSyst-RL, der grundsätzlich auf unternehmensinterne Dienstleistungen anwendbar wäre, sehr gering. Kaum ein Mitgliedstaat hat diese Regelung in nationales Recht umgesetzt. 951 Folglich erfassen Informationen, die mit den Art. 74 ff. MwStSyst-RL einhergehen, kaum das Verhältnis zwischen verschiedenen festen Niederlassungen und dem Hauptsitz eines Steuerpflichtigen. Der Informationsgehalt für Zwecke der Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode ist daher mehr als gering. Insgesamt sind die Verrechnungspreisregeln in der MwStSyst-RL daher für sich gesehen weder in systematischer noch in praktischer Hinsicht geeignet, Informationen zur angemessenen Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode zu liefern. (3)
Verrechnungspreise in der Ertragsbesteuerung
In der Ertragsbesteuerung sind Verrechnungspreise ein international weit verbreitetes Instrument zur Einkünfteabgrenzung. Am Fremdvergleichsgrundsatz orientiert werden dabei Vorgänge zwischen Personen einer Unter950 951
Siehe oben 4. Teil: II. 4. d) (3) (c) iii. (ii). Vgl. Mikutienė, WJVL 2015, Band 3 Heft 3, 166 (186), dort Fn. 109.
269
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
suchung dahingehend unterzogen, ob die vereinbarte Leistung und Gegenleistung angemessen sind. Dies betrifft in der Regel Personen, die aufgrund eines besonderen Näheverhältnisses dem Verdacht ausgesetzt sind, durch Preisgestaltungen Gewinne und Verluste steueroptimiert auf verschiedene Länder zu verteilen. Insbesondere die OECD hat daher in Art. 7 und 9 OECD-MA und den OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 Verfahren und Regelungsvorschläge entwickelt, um eine sinnvolle Gewinnabgrenzung bei Unternehmen mit Aktivitäten in verschiedenen Ländern zu gewährleisten. Die Regeln betreffen insbesondere Leistungen zwischen Mitgliedern von Konzernen und zwischen Stammsitz und Betriebsstätten. Im Folgenden werden nunmehr einige dieser Regelungen näher untersucht. Da für Zwecke der Ermittlung von Verrechnungspreisen in der Regel umfangreiche Dokumentationen erstellt werden müssen, ist es nämlich naheliegend zu untersuchen, ob diese Dokumentationen auch anderweitig verwendet werden können. 952 Der Fokus wird dabei auf der Frage liegen, inwiefern Informationen, die zur Anwendung der erwähnten Regeln im Bereich der Ertragsbesteuerung erfasst werden, auch für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode hilfreich sein können. (a)
Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten
Wie bereits erwähnt, wurde der Betriebsstättenbegriff im Bereich der Ertragsbesteuerung zur Gewinnabgrenzung entwickelt. Regelungen dazu, wie die Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätten und Stammsitz eines Unternehmens im Einzelnen vorzunehmen ist, finden sich in Art. 7 OECD-MA. Die dortigen Regelungen wurden entweder in der alten Fassung oder in der neuen Fassung aus 2010 in vielen zwischenstaatlichen Doppelbesteuerungsabkommen aufgenommen. 953 Daneben findet sich beispielsweise im deutschen § 1 Abs. 5 AStG eine Regelung, die den in Art. 7 OECD-MA 2010 enthaltenen Grundsätzen weitgehend entspricht. Auch in nationalen Vor952
953
Entsprechend wurde auch im Rahmen der Konsultationen zu dem Entwurf der International VAT/GST Guidelines im Februar 2013 verschiedentlich verlangt beziehungsweise vorgeschlagen, auf die Regelungen zu Verrechnungspreisen im Sinne der OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 zurückzugreifen, vgl. die Stellungnahmen von Association for Financial Markets in Europe (S. 3), Association des Femmes Fiscalistes Françaises (S. 5), Ernst & Young (S. 3) und ICAEW (S. 3) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/public-comments-international-vatgst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014). Siehe beispielhaft eine Liste deutscher DBA mit Verweis auf die Fassung des OECDMA, dem jeweils entsprochen wurde, bei Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 96.
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Die Recharge Methode
schriften anderer Länder finden sich vergleichbare Regelungen, die an Art. 7 OECD-MA a.F. beziehungsweise 2010 angelehnt sind. Im Folgenden soll nur auf die Regelung in den OECD-MA und nicht auf bilaterale Abkommen und nationale Vorschriften eingegangen werden. Da jedoch weitgehend zumindest einer der beiden Fassungen des Art. 7 OECD-MA in den verschiedenen Doppelbesteuerungsabkommen entsprochen wird, kann davon ausgegangen werden, dass die Aussagen zu Art. 7 OECD-MA a.F. beziehungsweise 2010 für einige Länder Relevanz haben. Zudem handelt es sich bei beiden Ansätzen um grundlegende Konzepte, die in gleicher oder ähnlicher Form weltweit bekannt sind. Die folgende Untersuchung hat daher auch für eine mögliche Umsetzung der Recharge Methode im europäischen Mehrwertsteuersystem Relevanz. Nicht alle bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen und nationalen Vorschriften wurden bereits an den neuen Ansatz in Art. 7 OECD-MA 2010 angepasst. Insbesondere ältere Doppelbesteuerungsabkommen, die zwischenzeitlich nicht neu verhandelt wurden, entsprechen eher dem in Art. 7 OECD-MA a.F. gewählten Ansatz. Zudem wurden die Änderungen in Art. 7 OECD-MA 2010 nicht gleichermaßen unkritisch aufgenommen. Beispielsweise lehnt das Musterabkommen der UN den dort gewählten Ansatz ausdrücklich ab. 954 Daher werden im Folgenden beide Ansätze überblickartig erläutert und mit Blick auf die Recharge Methode untersucht. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf der Frage liegen, inwiefern die für die Gewinnabgrenzung erforderlichen Informationen auch Rückschlüsse für eine angemessene Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode ermöglichen. i.
Maßgeblichkeit des Art. 7 OECD-MA mit Blick auf den Begriff der festen Niederlassung
Bevor im Einzelnen auf die Regeln des Art. 7 OECD-MA eingegangen wird, muss vorab eine allgemeine Frage angesprochen werden, die für alle Regelungen aus dem Bereich des Doppelbesteuerungsrechts relevant ist. Wie bereits erläutert, ist der Begriff der festen Niederlassung autonom auszulegen, da es sich hierbei um einen Begriff des Unionsrechts handelt. Zwar weist dieser Begriff einige Überschneidungen mit dem in Art. 5 OECD-MA niedergelegten Begriff der Betriebsstätte auf. Ähnliches gilt für die nationale Regelung in § 12 AO in Deutschland und vergleichbare Regelungen in anderen Ländern. Aus diesem Grund wurde der Begriff der festen Niederlas954
Vgl. United Nations Model Double Taxation Convention 2011, Kommentar zu Art. 7 Tz. 1.
271
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
sung lange Zeit mit dem im nationalen Recht meist aus dem Bereich der Ertragsbesteuerung bekannten Betriebsstättenbegriff gleichgesetzt und einheitlich ausgelegt. 955 In der Schweiz, die keine unionsrechtskonforme Auslegung vornehmen muss, ist dies noch heute (mit Einschränkungen) so.956 Die Begriffe überlappen sich demnach, sind jedoch nicht deckungsgleich. In den meisten Fällen wird daher eine feste Niederlassung zugleich eine Betriebsstätte sein. 957 Fraglich ist aber, welche Auswirkungen diese unvollständige Kongruenz mit Blick auf die hier zu erörternde Frage hat, wann Informationen, die für Zwecke der Gewinnabgrenzung zwischen Stammsitz und Betriebsstätte vorhanden sind, auch für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode verwendet werden können. Für eine Vielzahl von Fällen dürfte dies aufgrund der häufigen Übereinstimmung beider Begriffe unproblematisch sein. Das Problem stellt sich demnach nur in einem kleinen Teil der Fälle. Allerdings muss insofern beachtet werden, dass der Begriff der Betriebsstätte in der Regel weiter ist als der Begriff der festen Niederlassung. Dies folgt daraus, dass die Betriebsstätte als Anknüpfungspunkt für Gewinne dient, die in einem Land generiert wurden. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist demnach in erster Linie die gewinnbringende Tätigkeit, deren Gewinn aufgrund des ausreichenden territorialen Bezugs einer Betriebsstätte in dem fraglichen Land steuerlich abgeschöpft wird. 958 Demgegenüber dient die feste Niederlassung als Anknüpfungspunkt, um eine Besteuerung am Ort des Verbrauchs möglichst weitgehend zu ermöglichen. 959 Die Voraussetzungen für eine feste Niederlassung müssen daher diesem Verbrauchsgedanken gerecht werden, während die Betriebsstätte neben dem ausreichenden territorialen Bezug zur Gewinnerzielung geeignet sein muss. Als Beispiel sei hier allein das Erfordernis der personellen Ausstattung bei festen Niederlassungen genannt, das diesen Verbrauchsgedanken verwirklichen soll. Bei Betriebsstät-
955
956 957
958
959
Vgl. Bornheim, UStB 2001, 125 (126); Englisch, IStR 2009, 526 (526); für Österreich Mlcoch, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 77 (79). Vgl. Weidmann/Bader, ASA 78 (2009/2010), 801 (818); Wiederkehr/Arnet, ST 2011, 763 (763). Vgl. Endfellner, SWI 2005, 142 (145); Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 1997, S. 134; Mlcoch, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 77 (91). Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 5 Tz. 1, 5; Mlcoch, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 77 (78); Wassermeyer, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 4. Siehe dazu ausführlich oben 3. Teil: I. 3. b) (1).
272
Die Recharge Methode
ten ist dies hingegen nicht zwangsläufig erforderlich, da Gewinn auch ohne Personal generiert werden kann. 960 Der Begriff der Betriebsstätte ist daher in der Regel weitergefasst. 961 Folglich dürfte die unvollständige Überschneidung der beiden Begriffe für die vorliegende Untersuchung unproblematisch sein. Etwaige verbleibende Fälle, die außerhalb dieser Schnittmenge liegen, können aufgrund ihrer geringen Bedeutung vernachlässigt werden. Eine aussagekräftige Untersuchung bleibt dennoch möglich. ii.
Der sogenannte Relevant Business Activity Approach (Art. 7 OECD-MA a.F.)
(i)
Allgemeine Beschreibung
Die Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätten und Stammsitz nach dem sogenannten Relevant Business Activity Approach folgt einer eingeschränkten Selbstständigkeitsfiktion. 962 Die Betriebsstätte wird wie eine eigenständige Einheit behandelt, jedoch nicht umfassend in jeder Hinsicht. Leistungsbeziehungen zwischen Betriebsstätte und Stammsitz sind grundsätzlich nicht möglich mangels zivilrechtlicher Gültigkeit solcher Beziehungen zwischen unselbstständigen Teilen einer Unternehmenseinheit. 963 Interne Leistungen werden daher grundsätzlich nicht mit einem fremdüblichen, also mit einem Gewinnaufschlag versehenen Preis bewertet. Vielmehr erfolgt in der Regel eine Verrechnung nur der tatsächlich entstandenen Aufwendun-
960
961 962
963
Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 5 Tz. 10, wobei fehlendes Personal wohl auch bei Betriebsstätten im Sinne des Art. 5 OECD-MA die Ausnahme sein dürfte. Siehe auch Endfellner, SWI 2005, 142 (143); Mlcoch, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 77 (80). Ebenso Bornheim, UStB 2001, 125 (128); Mlcoch, in: Achatz/Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, 2012, S. 77 (91 f., 95). Vgl. Buchner, StB 2013, 81 (86); Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 86; umfassend auch zur Gegenansicht Kroppen, in: Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 7 MA Rz. 98 ff. Dies ist auf nationaler Ebene zwar nicht unumstritten, in Deutschland aber wohl herrschende Auffassung, vgl. ausführlich auch zu der gegenteiligen Ansicht einer vollumfänglichen Selbstständigkeitsfiktion Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 77 ff.; Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.160; Kroppen, in: FS für Norbert Herzig, 2010, S. 1071 (1073 f.); Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, S. 40 ff.; Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel I Rz. 1.23. Vgl. anstatt vieler Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Kapitel 18 Rz. 25; Wassermeyer, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 321, 324.
273
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
gen. 964 Insbesondere gilt dies für Leistungen, die dem Unternehmen als Ganzes dienen. 965 Allerdings soll in Fällen, in denen eine intern erbrachte Dienstleistung zur üblichen Geschäftstätigkeit der fraglichen Betriebsstätte gehört, ein fremdüblicher Preis mit Gewinnaufschlag angesetzt werden. 966 Dies entspricht dem in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA niedergelegten Fremdvergleichsgrundsatz, wonach die Betriebsstätte so behandelt werden muss, als hätte sie die fragliche Tätigkeit als selbstständiges Unternehmen ausgeübt. Der Betriebsstätte müssen also die Gewinne zugerechnet werden, die sie als selbstständiges Unternehmen erzielen könnte. 967 Letztlich kommt es bei dieser Differenzierung maßgeblich darauf an, ob die fragliche Leistung mit der Wertschöpfung des Unternehmens zusammenhängt, was eine entsprechende Gewinnzuordnung rechtfertigt. 968 Da bei einer eingeschränkten Selbstständigkeitsfiktion weiterhin im Grundsatz von der Unternehmenseinheit ausgegangen wird, muss der Gewinn der Betriebsstätte im Verhältnis zum Gesamtgewinn des Unternehmens stehen; nur der vom Gesamtunternehmen realisierte Gewinn kann auch aufgeteilt werden. 969 Für die Gewinnaufteilung beziehungsweise die Ermittlung des Betriebsstättengewinns sieht Art. 7 OECD-MA a.F. zwei Möglichkeiten vor, die sogenannte direkte Methode 970 und die sogenannte indirekte Methode 971 (Art. 7 964
965
966
967 968
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970
971
Vgl. OECD, MA-Kommentar 2005 zu Art. 7 Tz. 17.2, 17.7; Buchner, StB 2013, 81 (84, 86); Kahle, in: FS für Gerrit Frotscher, 2013, S. 287 (289); Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Kapitel 18 Rz. 18.43, 18.45 ff. Vgl. OECD, MA-Kommentar 2005 zu Art. 7 Tz. 17.2; Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 86; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Kapitel 18.45 ff. Vgl. OECD, MA-Kommentar 2005 zu Art. 7 Tz. 17.1 f., 17.5 f.; Barig, IWB 2013, 801 (802); Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Kapitel 16 Rz. 16.278; Wassermeyer, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 286 ff. Vgl. Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 73. Vgl. Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.143; Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, BetriebsstättenHandbuch 2006, Kapitel III Rz. 3.4; siehe auch Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, S. 41; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Kapitel 18.45. Vgl. Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.6, 2.37; Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 90 ff., 103; Kahle, in: FS für Gerrit Frotscher, 2013, S. 287 (289); Kroppen, in: FS für Norbert Herzig, 2010, S. 1071 (1074). Vgl. Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.6, 2.137; Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 100; Wassermeyer, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 188. Vgl. Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.6, 2.137; Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 104; Wassermeyer, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 190.
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Die Recharge Methode
Abs. 4 OECD-MA a.F.). In beiden Fällen muss die Aufteilung dem Fremdvergleichsgrundsatz standhalten. 972 Bei der direkten Methode wird der Betriebsstättengewinn anhand einer Betriebsstättenbilanz ermittelt. 973 Diese Betriebsstättenbilanz ist dabei als „Ausschnitt“ aus der Bilanz des Gesamtunternehmens zu verstehen. 974 Dementsprechend werden der Betriebsstätte durch Buchführung und Bilanzierung Wirtschaftsgüter sowie Erträge und Aufwendungen des Gesamtunternehmens zugeordnet. Die Zuordnung von Wirtschaftsgütern erfolgt nach Ansicht der OECD entsprechend einer funktionellen Betrachtung der Nutzung durch die Betriebsstätten beziehungsweise den Stammsitz, also danach, welcher Funktion das jeweilige Wirtschaftsgut dient. 975 Erträge werden ähnlich nach dem Beitrag zur Erbringung der Ertrag bringenden Leistung zugeordnet. 976 Dabei muss ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Gewinnanteil der fraglichen Betriebsstätte zugeordnet werden. 977 Umgekehrt werden Aufwendungen ebenfalls entsprechend der Betriebsstätte zugeordnet, die sie benötigt beziehungsweise veranlasst hat. 978 Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Aufwendungen der Betriebsstätte dem Land zugeordnet werden müssen, in dem sie tatsächlich anfallen (vgl. Art. 7 Abs. 3 OECD-MA a.F.). Verursachung ist daher in einem veranlassungsorientierten und nicht in einem räumlichen Sinne zu verstehen, das heißt die Verursachung hängt im 972 973
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Vgl. Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.5. Vgl. OECD, MA-Kommentar 2005 zu Art. 7 Tz. 12; Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.6, 2.137; Barig, IWB 2013, 801 (802); Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 101; Reimer, in: Reimer/Schmid/Orell, Permanent Establishments, 4. Aufl. 2015, § 1.03 Rz. 88; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Kapitel 18.23. Vgl. Wassermeyer, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 188. Vgl. OECD, MA-Kommentar 2005 zu Art. 7 Tz. 12.1; siehe auch Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 115; Wassermeyer, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 240; für Deutschland Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.37. Vgl. Wassermeyer, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 243; Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.37; Buchner, StB 2013, 81 (82); Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 113. Dabei müssen die Erträge, die der Betriebsstätte zugerechnet werden, grundsätzlich dem Fremdvergleichsgrundsatz standhalten, vgl. Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 73. Vgl. Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.140; Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 73; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Kapitel 18.45. Vgl. Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.6; Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 113; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Kapitel 18.46; Wassermeyer, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 271, 331; ausführlicher zu dem Verursachungsgedanken unten 4. Teil: II. 4. e) (3) (a) ii. (ii).
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
weitesten Sinne mit der Tätigkeit der fraglichen Betriebsstätte zusammen. 979 Dabei ist bei gemischter Veranlassung eine entsprechende gemischte Zuordnung möglich. 980 Die indirekte Methode ermittelt den Betriebsstättengewinn aus der anderen Richtung. Ausgehend von dem Gesamtgewinn des Unternehmens wird dieser unter Rückgriff auf geeignete Aufteilungsschlüssel auf die Betriebsstätten und den Stammsitz aufgeteilt. 981 Die OECD geht davon aus, dass die direkte Methode gegenüber der indirekten Methode vorrangig anzuwenden ist. 982 Dies folgt wohl überwiegend daraus, dass die direkte Methode besser Rücksicht auf unterschiedliche Funktionen und die Struktur von Betriebsstätten nimmt, aufgrund derer eine ratierliche Gewinnaufteilung meist nicht sinnvoll scheint. 983 Jedoch muss darauf hingewiesen werden, dass sich in der Praxis häufig sogenannte gemischte Methoden finden, die den Betriebsstättengewinn ausgehend von einer Betriebsstättenbilanz unter Zuhilfenahme von Aufteilungsschlüsseln ermitteln. 984 Danach wird eine Betriebsstättenbilanz erstellt, die Zuordnung der Wirtschaftsgüter, Erträge und Aufwendungen erfolgt jedoch ganz oder teilweise unter Verwendung von Aufteilungsschlüsseln. 985 Der gemischten Methode wird insbesondere bei gemischter Verwendung von Wirtschaftsgütern beziehungsweise der gemischten Verursachung von Er979
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Vgl. Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 42; Wassermeyer, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 331; siehe auch ausführlicher unten 4. Teil: II. 4. e) (3) (a) ii. (ii). Vgl. Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.40 unter Verweis auf die Gegenansicht bezüglich Wirtschaftsgüter; Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel I Rz. 1.25. Vgl. OECD, MA-Kommentar 2005 zu Art. 7 Tz. 25; Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.6, 2.137; Barig, IWB 2013, 801 (802); Kroppen, in: Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 7 MA Rz. 233; Reimer, in: Reimer/Schmid/Orell, Permanent Establishments, 4. Aufl. 2015, § 1.03 Rz. 121; Wassermeyer, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 190. Vgl. OECD, MA-Kommentar 2005 zu Art. 7 Tz. 24. Vgl. Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 105; Kroppen, in: Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 7 MA Rz. 237; Wassermeyer, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 190. Vgl. Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.6, 2.137; Wassermeyer, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 191; Bendlinger, in: FS für Helmut Loukota, 2005, S. 45 (71). Vgl. Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.137; Bendlinger, in: FS für Helmut Loukota, 2005, S. 45 (70 f.); Strunk, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 4 Rz. 4.89.
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Die Recharge Methode
trägen und Aufwendungen gefolgt. 986 Insofern sind auch die bezüglich unterschiedlicher Strukturen und Funktionen geäußerten Bedenken relativiert, da die Aufteilung wesentlich kleinschrittiger erfolgt. Als mögliche Aufteilungsschlüssel kommen zum Beispiel die gezahlten Löhne, die Gesamtumsätze oder das Vermögen in Betracht. 987 Welcher Schlüssel zu verwenden ist, hängt dabei insbesondere bei der gemischten Methode davon ab, welche Wirtschaftsgüter, Erträge oder Aufwendungen im konkreten Einzelfall betroffen sind. So würden zum Beispiel personalbezogene Aufwendungen nach einem Lohn- oder Personalschlüssel aufzuteilen sein. 988 Im Rahmen der indirekten Methode hängt die Wahl des Schlüssels maßgeblich von der Tätigkeit des Unternehmens ab, durch die die aufzuteilenden Gewinne generiert werden. 989 Wird der Gewinn eines Unternehmens beispielsweise maßgeblich durch das Personal erbracht, ist wiederum ein Personalschlüssel sinnvoll. 990 Für die Frage, ob die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode auf bereits vorhandene Informationen zurückgreifen kann, kommt es maßgeblich auf eine mögliche Parallelität zwischen den soeben beschriebenen Gewinnaufteilungsmethoden und der Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode an. Hier muss sowohl zwischen der oben beschriebenen indirekten und direkten Methode bei der Ertragsbesteuerung als auch zwischen der Kostenaufteilung aufgrund von Kostenträgeranalysen und anhand von Kostenaufteilungsschlüsseln bei der Recharge Methode differenziert werden.
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Vgl. Wassermeyer, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 189; wohl auch Bendlinger, in: FS für Helmut Loukota, 2005, S. 45 (69); Reimer, in: Reimer/Schmid/Orell, Permanent Establishments, 4. Aufl. 2015, § 1.03 Rz. 90. Vgl. OECD, MA-Kommentar 2005 zu Art. 7 Tz. 27; Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 105; siehe mit weiteren Beispielen Reimer, in: Reimer/Schmid/Orell, Permanent Establishments, 4. Aufl. 2015, § 1.03 Rz. 123; Strunk, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 4 Rz. 4.84. Siehe weitere Beispiele bei Wassermeyer, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 284. Vgl. OECD, MA-Kommentar 2005 zu Art. 7 Tz. 27; Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.146; in diesem Sinne auch Reimer, in: Reimer/Schmid/Orell, Permanent Establishments, 4. Aufl. 2015, § 1.03 Rz. 91, 121. Siehe verschiedene Beispiele bei OECD, MA-Kommentar 2005 zu Art. 7 Tz. 27; weitere Beispiele bei Kroppen, in: Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 7 MA Rz. 246.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
(ii)
Die direkte Methode und die Kostenträgeranalyse
Wesentliches Merkmal der direkten Methode ist es, dass sie eine Zuordnung entsprechend der Verursachung und der funktionalen Zugehörigkeit vornimmt. Insofern wird eine Betrachtung dahingehend vorgenommen, ob ein Wirtschaftsgut oder ein Aufwand derart von der Betriebsstätte genutzt beziehungsweise verursacht wird, dass er direkt oder indirekt mit dem durch die Betriebsstätte erbrachten Wertschöpfungsanteil zusammenhängt. Es findet folglich eine Nutzenanalyse beziehungsweise eine Untersuchung dahingehend statt, welcher Aufwand welcher Betriebsstätte zuzurechnen ist. Es könnte sich insofern eine Parallelität zu der Recharge Methode herstellen lassen, als dass besagte Untersuchung der erwähnten Kostenträgeranalyse vergleichbar ist. Hierzu müssen im Wesentlichen zwei Aspekte erörtert werden. Zum einen stellt sich die Frage, ob die die Zuordnung voraussetzende Veranlassung im Rahmen der direkten Methode ausreichend vergleichbar mit dem Verbrauchsgedanken im Sinne der Mehrwertsteuer ist. Eine feste Niederlassung verbraucht entsprechend dem bereits erarbeiteten Verständnis von Verbrauch im Sinne des Verbrauchsortprinzips, wenn sie mithilfe der fraglichen Leistung Endverbrauch ermöglicht. Dies ist zu bejahen, wenn die Eingangsleistung der Tätigkeit der festen Niederlassung dient. 991 Zum anderen ist zumindest in der deutschen Literatur umstritten, wann und wonach sich die Zuordnung von Gewinn insbesondere bei Innentransaktionen ergibt, bei denen sich der Gewinn (noch) nicht im Außenverhältnis realisiert hat. Als Zuordnungskriterien wird hier unter anderem vorgeschlagen, auf den Funktionsnutzen, den Erwirtschaftungsbeitrag oder den Wertschöpfungsbeitrag abzustellen. 992 Zumindest die OECD hat maßgeblich eine funktionelle, wirtschaftliche Betrachtung befürwortet, wonach die Zuordnung von Gewinn und Aufwand den „tatsächlichen wirtschaftlichen Funktionen“ 993 entsprechen soll. 994
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Siehe hierzu oben 2. Teil: I. 2. b) und 3. Teil: I. 3. c) (2) (d) ii. (i). Vgl. ausführlich zu dem Streitstand Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel III Rz. 3.10 ff.; siehe auch Buchner, StB 2013, 81 (85); Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, S. 40 ff. OECD, MA-Kommentar 2005 zu Art. 7 Tz. 12.1. Vgl. OECD, MA-Kommentar 2005 zu Art. 7 Tz. 12.1.; Strunk, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 4 Rz. 4.26; siehe auch Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Ka-
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Die Recharge Methode
Die den Funktionsnutzen befürwortende Meinung stellt auf den Zusammenhang zu der anhand von Funktionen zu beurteilenden Tätigkeit ab, wobei sie die Gewinnzuordnung am anteiligen Funktionsnutzen orientiert. 995 Soweit auf den Erwirtschaftungsbeitrag abgestellt wird, kommt es auf die sich ebenfalls an der Funktion der Betriebsstätte orientierende Tätigkeit derselben an, durch die ein Ertrag erwirtschaftet wird. 996 Maßgeblich ist also der Zusammenhang zwischen Aufwand und Erwirtschaftungsbeitrag. Ähnlich geht auch die am Wertschöpfungsbeitrag orientierte Ansicht vor, wobei die Wertschöpfung strikt auf tatsächliche Gewinnrealisation im Außenverhältnis beschränkt wird und bezüglich der Zuordnung auf die Veranlassung abzustellen ist. 997 Die Unterschiede zwischen den Ansichten ergeben sich also daraus, dass auf unterschiedliche Zeitpunkte für die Verursachung abgestellt wird, je nachdem ob es auf die tatsächliche Gewinnrealisierung (so insbesondere bei Abstellen auf den Erwirtschaftungsbeitrag beziehungsweise den Wertschöpfungsbeitrag) oder vorgelagerte Tätigkeiten (insbesondere die Betrachtung nach dem Funktionsnutzen) ankommt. 998 Letztlich kommt es aber für die hier vorzunehmende Untersuchung nicht auf die im In- und Ausland im Einzelnen umstrittene Differenzierung an. Der beschriebene Streit entzündet sich nämlich maßgeblich an der Frage der Gewinnrealisierung bei Innentransaktionen ohne Außenumsatz und nicht daran, wie die Zuordnung grundsätzlich zu erfolgen hat. 999 Bezogen auf die Recharge Methode kommt es darauf jedoch nicht an. Ausreichend hierfür ist die Feststellung, dass alle Theorien im Wesentlichen eine Verursachungsbe-
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pitel II Rz. 2.124; Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, BetriebsstättenHandbuch 2006, Kapitel III Rz. 3.3.17 f. Vgl. H. Becker, DB 1989, 10 (13); zusammenfassend Buchner, StB 2013, 81 (85); Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 91, 115; Kroppen, in: Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 7 MA Rz. 119; speziell zu Wirtschaftsgütern Strunk, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 4 Rz. 4.92 ff.; zusammenfassend Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel III Rz. 3.14. Vgl. zu dieser Auffassung zusammenfassend Buchner, StB 2013, 81 (85); siehe auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Kapitel 18 Rz. 18.12 f.; zusammenfassend Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, BetriebsstättenHandbuch 2006, Kapitel III Rz. 3.15. Vgl. befürwortend wohl Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, BetriebsstättenHandbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.6, 2.37 ff., 2.48, der jedoch zugleich eine funktionale Betrachtung vornimmt, siehe Rz. 2.124; zusammenfassend Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel III Rz. 3.19, 3.21. So im Ansatz Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 114. Vgl. Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel III Rz. 3.7, 3.10.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
trachtung vornehmen, welche im weitestgehenden Sinne mit der Tätigkeit der fraglichen Betriebsstätte zusammenhängen muss. Ein Aufwand der Betriebsstätte wird daher entsprechend einer wirtschaftlichen, funktionalen, tatsächlichen, also insgesamt anhand einer veranlassungsorientierten Betrachtung zugeordnet. 1000 Der Aufwand muss direkt oder durch die Tätigkeit der Betriebsstätte verursacht beziehungsweise von dieser genutzt worden sein. 1001 Die Zuordnung des Besteuerungsrechts entsprechend dem Verbrauch folgt nicht einem bestimmten Kriterium. In der Regel werden Indizien herangezogen, die den Verbrauchsort indizieren. Eine exakte Zuordnung findet hier in aller Regel nicht statt. Folglich muss eine an Verursachungsgesichtspunkten orientierte Zuordnung ausreichen, unabhängig davon, wie genau im Einzelnen Verursachung zu definieren ist. Maßgeblich ist nur, dass die Verursachungsbetrachtung möglichst an den Verbrauchsortgedanken angenähert ist. Wie bereits gesagt, orientiert sich der Verbrauch bei festen Niederlassungen nach der hier vertretenen Auslegung weitgehend an der Verwendung für die Tätigkeit der festen Niederlassung, wobei ein Außenumsatz nicht zwingend erforderlich ist. 1002 Diese Betrachtung weist ausreichende Parallelen zu der am Verursachungsgedanken orientierten Zuordnung von Wirtschaftsgütern, Aufwand und Ertrag im Rahmen der Gewinnzuordnung bei Betriebsstätten aus. Die im Rahmen der direkten Methode für Zwecke der Gewinnaufteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätten vorgenommene Zuordnung ist daher zumindest mit Blick auf die am Verbrauchsortgedanken orientierte Kostenzuordnung geeignet, Rückschlüsse auch für Zwecke der Kostenträgeranalyse im Rahmen der Recharge Methode zu erlauben. 1000
Vgl. Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel II Rz. 2.6, 2.62; Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 113; Kroppen, in: Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 7 MA Rz. 207 ff.; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, S. 30; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Kapitel 18 Rz. 18.13, 18.34; Strunk, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 4 Rz. 4.69; Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel III Rz. 3.7. 1001 Vgl. Brüninghaus, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel L Rz. 69; Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 92; Kroppen, in: Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 7 MA Rz. 68; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Kapitel 18.43, 18.45 ff.; Reimer, in: Reimer/Schmid/Orell, Permanent Establishments, 4. Aufl. 2015, § 1.03 Rz. 189; in einem allgemeineren Sinne auch Strunk, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 4 Rz. 4.30, 4.69. 1002 Siehe oben 2. Teil: I. 2. b) und 3. Teil: I. 3. c) (2) (d) ii. (i).
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Die Recharge Methode
Bei einem Zusammenhang zu Außenumsätzen muss nach Ansicht der OECD bei der Zuordnung zu einer Betriebsstätte ein Gewinnaufschlag berücksichtigt werden, während bei Gemeinkosten, die dem Unternehmen als Ganzes dienen, nur der Aufwand zuzurechnen ist. Sofern ein Gewinnaufschlag unabhängig von der Gewinnrealisierung im Außenverhältnis befürwortet wird, muss dies wohl bei allen internen Leistungen gelten. Jedoch widerspricht dies der Recharge Methode, die eine reine Aufteilung der Kosten bezüglich der extern bezogenen Dienstleistung erreichen will. Ein Gewinnaufschlag ist damit nicht zu vereinbaren. Es stellt sich daher des Weiteren die Frage, ob insbesondere bei Bilanzierung mit einem Gewinnaufschlag ausreichend Informationen vorhanden sind, um eine Kostenträgeranalyse, die gerade keinen Gewinnaufschlag vorsieht, zu ermöglichen. Grundsätzlich spiegelt sich in der Bilanzierung eines Ertrages, Aufwandes oder Wirtschaftsgutes entsprechend dem oben erörterten Verursachungsgedanken die tatsächliche Nutzung wider. Dies gilt zumindest dann, wenn auf nationaler Ebene getrennte Bilanzen für einzelne feste Niederlassungen eines Steuerpflichtigen verlangt werden. 1003 Wird ein Gewinnaufschlag auf einen Aufwand, der der Betriebsstätte zuzuordnen ist, in der Buchführung berücksichtigt, spiegelt der Ausweis von Aufwand und Wirtschaftsgütern nicht zwangsläufig die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse im Sinne einer Kostenaufteilung wider. Die Zuordnung wird aufgrund des Gewinnaufschlags „verzerrt“ dargestellt. Aus der Betriebsstättenbilanz, der der Aufwand zugeordnet wurde, lässt sich nicht (vollumfänglich) erkennen, welcher Anteil den tatsächlichen Kosten und welcher dem Gewinnaufschlag entspricht. Allerdings sind insofern grundlegende Buchführungs- und Bilanzierungsgrundsätze zu berücksichtigen. Danach wird bei Verbuchung beispielsweise eines Verkaufserlöses bei der leistenden Betriebsstätte beziehungsweise dem Stammsitz, der mit dem fraglichen Aufwand korrespondiert, getrennt nach Aufwand und Ertrag verbucht. 1004 Aus der gegenläufigen Buchführung zu dem Aufwand lässt sich daher erkennen, inwiefern sich der mit einem Gewinnaufschlag versehene Aufwand in einen Kosten- und einen Gewinnteil 1003
Grundsätzlich richtet sich dies nach den normalen Buchführungsregeln. Sehr ausführlich Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch 2006, Kapitel 12 Rz. 12.1 ff. Siehe auch zu den Fällen, in denen dies in Deutschland im Einzelnen erforderlich ist Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Kapitel 18 Rz. 18.17 f.; Wassermeyer, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 180. 1004 Je anteilige Buchung im Aufwandkonto und im Ertragkonto, vgl. überblickartig zur Technik der Buchführung und Bilanzierung im Steuerrecht Hennrichs, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 9 Rz. 20 ff.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
aufteilt. Da es sich trotz getrennter Buchführung und Bilanzierung um ein Einheitsunternehmen handelt, sollten alle Betriebsstätten und der Stammsitz grundsätzlich die Möglichkeit haben, aus den jeweiligen Bilanzen beziehungsweise der entsprechenden Buchführung Informationen bezüglich der Kostenaufteilung zu erhalten. Ein etwaiger Ausweis eines Aufwandes versehen um einen Gewinnaufschlag sollte nach allgemeinen Buchführungsund Bilanzierungsgrundsätzen keine Probleme für die Kostenträgeranalyse darstellen. Dies kann allerdings wiederum nur gelten, wenn in dem fraglichen Unternehmen ausreichend Informationen darüber vorhanden sind, inwiefern sich eine interne Leistung in Aufwand und Gewinn aufteilen lässt. Erfolgt die (fremdvergleichskonforme) Bewertung der unternehmensinternen Leistung hingegen ohne Ermittlung einzelner Kostenbestandteile, dürfte ein getrennter Ausweis von Aufwand und Gewinn regelmäßig nicht möglich sein. Die Aussagekraft der korrespondierenden Bilanzen der Betriebsstätten und des Stammsitzes ist daher auf Fälle beschränkt, in denen es Informationen zu den einzelnen Bestandteilen eines internen Umsatzes gibt. 1005 Abgesehen von dieser Einschränkung lässt sich ein weiterer Vorteil eines Rückgriffs auf Bilanzen mit Blick auf das Erfordernis, dass die jeweilige Zuordnung ebenfalls einem Fremdvergleich standhalten muss 1006, erkennen. Danach kann zum Beispiel ein Aufwand nicht zugeordnet werden, der nicht üblicherweise bei vergleichbarer Tätigkeit unabhängiger Unternehmen vorkommt. Hieraus ergibt sich eine weitere „Qualitätskontrolle“ der Zuordnung, die auch für Zwecke der Recharge Methode eine größere Gewährleistung bietet, dass die Zuordnung, soweit praktisch überhaupt möglich, richtig und ohne Manipulationen vorgenommen wurde. Fraglich bleibt jedoch, wie dies alles zu beurteilen ist, wenn keine getrennten Bilanzen aufgestellt werden. Denn es ist nicht zwangsläufig in jedem Land erforderlich, für die verschiedenen festen Niederlassungen getrennte Bilanzen aufzustellen. 1007 In diesem Fall soll der anteilige Gewinn durch
1005
Siehe dazu auch ausführlich die Untersuchung verschiedener Verrechnungspreismethoden nach den OECD Verrechnungspreisrichtlinien, welche zur Bewertung unternehmensinterner Leistungen herangezogen werden, sofern ein Gewinnaufschlag vorgesehen ist, 4. Teil: II. 4. e) (3) (b). 1006 Vgl. Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 73. 1007 Jedoch werden in der Praxis unabhängig von gesetzlichen Regelungen regelmäßig Bilanzen für die einzelnen Betriebsstätten geführt, vgl. Barig, IWB 2013, 801 (802); siehe auch OECD, MA-Kommentar 2005 zu Art. 7 Tz. 12.
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Die Recharge Methode
Schätzung festgelegt werden. 1008 Soweit möglich, kann alternativ auch auf die indirekte Methode zurückgegriffen werden, die ohnehin von einem Gesamtgewinn ausgehend den anteiligen Gewinn der Betriebsstätte berechnet. Eine Schätzung bietet jedoch keine einer Bilanz vergleichbare Aufstellung der verschiedenen Posten. Insbesondere wird ohne Bilanz und der damit einhergehenden Zuordnung von Ertrag und Aufwand auf die verschiedenen Betriebsstättenbilanzen nicht ersichtlich, wie der Gesamtaufwand anteilig zuzuordnen ist. Letztlich dürfte eine Schätzung ähnlich der indirekten Methode von dem Gesamtgewinn ausgehen und diesen unter Rückgriff auf verschiedene Kriterien aufteilen. 1009 Fehlt es demnach an einer Betriebsstättenbilanz, kommen die soeben gemachten Ausführungen nicht zur Anwendung. Es sind dann keine geeigneten Informationen vorhanden, die die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode erleichtern. Ob dies auch gilt, wenn auf die indirekte Methode zurückgegriffen oder die Schätzung dieser vergleichbar vorgenommen wird, ist sogleich zu erörtern. Zusammenfassend ist festzustellen, dass Bilanzen grundsätzlich geeignet sind, Rückschlüsse über die Zuordnung von Aufwand zu geben. Allerdings ist die Eignung einzelfallabhängig, wobei letztlich den für die Bilanzierung erforderlichen und vorhandenen Informationen eine maßgebliche Bedeutung zukommt. Demnach liegt der Vorteil von Bilanzen vor allem darin, dass sie Informationen zu der Zuordnung einer Leistung an für sich auf eine oder mehrere Betriebsstätten liefern. Insgesamt kommen diese Vorteile allerdings nur zum Tragen, wenn überhaupt getrennte Bilanzen aufgestellt werden. (iii)
Die indirekte Methode und Kostenaufteilungsschlüssel
Die indirekte Methode nimmt Rückgriff auf Aufteilungsschlüssel. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Methode mit der von der OECD vorgeschlagenen Vereinfachungsregel, wonach die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode auch durch Rückgriff auf angemessene Kostenaufteilungsschlüssel möglich ist, ausreichend Gemeinsamkeiten aufweist. Zunächst muss hier auf den maßgeblichen Unterschied zwischen dem Aufteilungsschlüssel der indirekten Methode und dem Kostenaufteilungsschlüssel im Rahmen der Recharge Methode hingewiesen werden. Die indirekte Methode geht von einer Aufteilung des Gesamtgewinns aus. Der herangezogene Aufteilungsschlüssel dient dazu, diesen Gesamtgewinn entsprechend dem Verursachungsbeitrag der einzelnen Betriebsstätten und des Stammsit1008
Vgl. OECD, MA-Kommentar 2005 zu Art. 7 Tz. 24; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Kapitel 18 Rz. 18.23. 1009 Siehe auch OECD, MA-Kommentar 2005 zu Art. 7 Tz. 24.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
zes aufzuteilen. 1010 Der Schlüssel muss folglich so gewählt werden, dass er möglichst genau die Beiträge zur Gewinnerwirtschaftung wiedergibt. 1011 Demgegenüber will der von der OECD in den International VAT/GST Guidelines akzeptierte Kostenaufteilungsschlüssel die entstandenen Kosten aufteilen. Ein Schlüssel ist danach angemessen, wenn er möglichst genau die Beiträge zur Kostenverursachung wiedergibt. Die beiden Schlüssel gehen daher von unterschiedlichen Ausgangssituationen, nämlich Gewinnaufteilung beziehungsweise Kostenaufteilung, aus. Dementsprechend kann ein Schlüssel, der den Kostenverursachungsbeitrag widerspiegelt, nicht zwangsläufig mit dem Beitrag zum Gesamtgewinn übereinstimmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Unternehmensteil kostenintensive Tätigkeiten mit geringer Gewinnmarge übernimmt, während in anderen Unternehmensteilen der Großteil des Gesamtgewinns bei geringen Kosten anfällt. Ein Kostenaufteilungsschlüssel, der die Kostenverursachung angemessen aufteilt, würde diametral im Gegensatz zu einem den Gewinnverursachungsbeitrag berücksichtigenden Schlüssel stehen. 1012 Folglich sind Aufteilungsschlüssel, die für die indirekte Methode verwendet werden, nicht zwangsläufig geeignet, eine entsprechende Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode vorzunehmen. Es muss demnach im Einzelfall geprüft werden, ob der gewählte Schlüssel auch die Kostenverursachungsbeiträge ausreichend berücksichtigt. Ein Schlüssel kann daher nur nach entsprechender Untersuchung für beide Zwecke verwendet werden. Die Relevanz der Aufteilungsschlüssel der indirekten Methode für die Recharge Methode ist somit eingeschränkt. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn die gemischte Methode angewendet wird. Die hier verwendeten Schlüssel sollen keine Aufteilung entsprechend dem Beitrag zum Gesamtgewinn erreichen. Vielmehr erfolgt die Zuordnung grundsätzlich anhand der getrennten Bilanzierung. Sofern einzelne Bilanzierungsposten nicht unkompliziert oder eindeutig einer Betriebsstätte beziehungsweise dem Stammsitz zugeordnet werden können, wird auf Schlüssel zurückgegriffen, um eine möglichst angemessene anteilige Zuordnung zu ermöglichen. Die gemischte Methode stellt eine Vereinfachung dar und ist aus diesem Grund mit den in den International VAT/GST Guidelines akzeptierten Kostenaufteilungsschlüsseln, die ebenfalls der Vereinfachung 1010
Vgl. Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 105. Siehe auch aus einer eher betriebswirtschaftlichen Sicht Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, S. 151; Weiner/Mintz, ET 2002, 346 (346). 1012 Einer ähnlichen Kritik sieht sich letztlich auch die indirekte Methode insgesamt ausgesetzt, vgl. Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 MA Rz. 105. 1011
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Die Recharge Methode
dienen sollen, vergleichbar. Wie bereits erwähnt, wird die gemischte Methode insbesondere bei gemischter Verwendung beziehungsweise Verursachung, wo eine exakte Zuordnung praktisch kaum oder gar nicht möglich ist, verwendet. Aufteilungsschlüssel müssen demnach weniger den Beitrag zum Gesamtgewinn berücksichtigen, als vielmehr die Verursachung beispielsweise eines Aufwandes im Einzelnen. Der Schlüssel wird daher kleinschrittiger angewendet, also jeweils unterschiedlich bei Zuordnung eines Wirtschaftsgutes, eines Aufwandes oder eines Ertrages. Sofern demnach ein Aufwand aufgeteilt werden soll, dürfte dies weitgehend vergleichbar mit einem Kostenaufteilungsschlüssel für Zwecke der Recharge Methode sein. Insofern kann daher ein angemessener Aufteilungsschlüssel für beide Zwecke verwendet werden. Folglich ist die indirekte Methode in Reinform kaum geeignet, um Informationen auch für Zwecke der Recharge Methode und hier insbesondere für die Ermittlung geeigneter Kostenaufteilungsschlüssel zu liefern. Anders ist dies jedoch bei der gemischten Methode. Hier verwendete Aufteilungsschlüssel können grundsätzlich auch für Zwecke der Recharge Methode verwendet werden und so eine Erleichterung bei der Kostenaufteilung bringen. iii.
Der sogenannte Functionally Seperate Entity Approach (Art. 7 OECD-MA 2010)
(i)
Allgemeine Beschreibung
Mit den Änderungen im OECD-MA 2010 hat ein neuer Ansatz zur Gewinnaufteilung zwischen Betriebsstätten und Stammsitz Eingang in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 gefunden. Der sogenannte Functionally Seperate Entity Approach, auch unter dem Begriff Authorized OECD Approach (AOA) erfasst, geht im Gegensatz zu dem alten Art. 7 OECD-MA von einer vollständigen Selbstständigkeitsfiktion aus. 1013 Der maßgebliche Unterschied zu der eingeschränkten Selbstständigkeitsfiktion besteht in der Berücksichtigung interner Leistungen zwischen Stammsitz und Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnermittlung. Werden daher zwischen Betriebsstätte und Stammsitz Leistungen, in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA „dealings“ genannt, 1013
Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 7 Tz. 17; Buchner, StB 2013, 81 (87); Kahle, in: FS für Gerrit Frotscher, 2013, S. 287 (287 f.); Kroppen, in: FS für Norbert Herzig, 2010, 1071 (1075); Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECDMA, 2012, S. 47; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Kapitel 18 Rz. 18.26.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
erbracht, sind diese wie Leistungen zwischen fremden Dritten zu behandeln und mit einem angemessenen Fremdvergleichspreis zu bewerten. 1014 Der Gewinn der Betriebsstätte wird damit vollständig von dem Ergebnis des Gesamtunternehmens abgekoppelt, eine Beschränkung durch den Gesamtgewinn findet nicht mehr statt. 1015 Dadurch hat sich aus Sicht der OECD der langjährige Streit darüber, wann und wie Innentransaktionen zu behandeln sind, erledigt. 1016 Die OECD sieht auch ohne Gewinnrealisierung im Außenverhältnis regelmäßig einen Gewinnaufschlag vor. 1017 Um demnach die anteiligen Gewinne des Stammsitzes und der Betriebsstätten zu ermitteln, muss in zwei Schritten vorgegangen werden. 1018 In einem ersten Schritt ist eine Funktionsanalyse vorzunehmen. Dabei werden der Betriebsstätte Funktionen, Vermögen und Risiken zugeordnet, um so ein selbstständiges, mit allen zur Ausübung der ihr übertragenen Tätigkeiten erforderlichen und einhergehenden Mitteln ausgestattetes Unternehmen zu fingieren. 1019 Die Funktionsanalyse soll den Vorgaben der Verrechnungspreisrichtlinien entsprechen. 1020 Es kommt dabei maßgeblich auf die Tätigkeiten und Aufgaben der Betriebsstätte im Verhältnis zum Gesamtunter-
1014
Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 7 Tz. 22, 24; Brüninghaus, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel L Rz. 73. 1015 Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 7 Tz. 17; Brüninghaus, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel L Rz. 67; Ditz, IStR 2005, 37 (38); Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, S. 103; Hemmelrath/Kepper, IStR 2013, 37 (38); Kaeser, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 394 f., 418. 1016 Vgl. Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, S. 47; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2011, Kapitel 18 Rz. 18.26. Siehe zu dem Streit im Überblick oben 4. Teil: II. 4. e) (3) (a) ii. (ii). 1017 Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 7 Tz. 17; Buchner, StB 2013, 81 (86); Kahle, in: FS für Gerrit Frotscher, 2013, S. 287 (288); Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, S. 117. 1018 Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 7 Tz. 20; zusammenfassend OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 44. 1019 Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 7 Tz. 21; OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 14, 45; Brüninghaus, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel L Rz. 71; Kaeser, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 429. 1020 Vgl. OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 9; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, S. 106 f.
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Die Recharge Methode
nehmen an. 1021 Für die Zuordnung soll insbesondere auf die von Personen ausgeübten Funktionen geschaut werden, um eine angemessene Zuordnung der Risiken und des Vermögens zu determinieren (sogenannte „people functions“). 1022 Ausgangspunkt dafür ist die Überlegung, dass die Personen in der Betriebsstätte die Risiken aufnehmen und die Wirtschaftsgüter betroffen sind, die bei Ausführung der zugewiesenen Funktion des Unternehmensteils erforderlich sind beziehungsweise entstehen. 1023 In einem zweiten Schritt werden sodann die Transaktionen innerhalb des Unternehmens (sogenannte „dealings“) an dem Fremdvergleichsgrundsatz gemessen. Voraussetzung für solche internen Transaktionen soll sein, dass ein tatsächliches und identifizierbares Ereignis stattgefunden hat, das von einiger wirtschaftlicher Bedeutung ist. 1024 Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn wirtschaftlich erhebliche Risiken, Verantwortlichkeiten oder Vorteile übertragen werden. 1025 Die Bewertung ist analog zu den in den Verrechnungspreisrichtlinien niedergelegten Grundsätzen vorzunehmen. 1026 Als Vergleichsunternehmen soll dabei vorzugsweise auf Unternehmen mit vergleichbaren Funktionen zurückgegriffen werden, um den fremdvergleichskonformen Preis zu ermitteln. 1027 Der Gewinn der Betriebsstätte wird daher durch Berücksichtigung aller ihrer Tätigkeiten und vor allem auch Transaktionen mit anderen Teilen des Unternehmens ermittelt. 1028 Da nunmehr auch Innentransaktionen mit einem Gewinnaufschlag zu versehen sind, kommt es nicht auf die Realisierung des Gewinns im Außenverhältnis an. Folglich
1021
Vgl. OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 10; siehe auch ausführlich zum Funktionsbegriff Reimer, in: Reimer/Schmid/Orell, Permanent Establishments, 4. Aufl. 2015, § 1.03 Rz. 168 ff. 1022 Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 7 Tz. 21. 1023 Vgl. OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 15; Barig, IWB 2013, 801 (803); Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, S. 106, 110 f.; Reimer, in: Reimer/Schmid/Orell, Permanent Establishments, 4. Aufl. 2015, § 1.03 Rz. 172 f. 1024 Vgl. OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 35. 1025 Vgl. OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 36. 1026 Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 7 Tz. 22; OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 39. 1027 Vgl. OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 17; Brüninghaus, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel L Rz. 73; Greinert/Metzner, Ubg 2014, 307 (308). 1028 Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 7 Tz. 20.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
kann eine Betriebsstätte einen Gewinn ausweisen, auch wenn das Gesamtunternehmen Verluste macht oder umgekehrt. 1029 (ii)
Verbrauchsorientierte Zuordnung
Die Gewinnermittlung soll insgesamt grundsätzlich weiterhin im Sinne der direkten Methode ermittelt werden. 1030 Demgegenüber wird die indirekte Methode nicht mehr anerkannt, Art. 7 Abs. 4 OECD-MA a.F. wurde daher gestrichen. 1031 Begründet wird dies damit, dass die indirekte Methode bei dem AOA schwer mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar sei. 1032 In der Tat scheint es schwer vorstellbar, die Aufteilung eines tatsächlich realisierten Gewinns (indirekte Methode) mit der Annahme einer vollständigen Selbstständigkeit in Einklang zu bringen, wonach der Gewinn einer Betriebsstätte unabhängig ist von dem Gesamtgewinn und ein Gewinn auch ohne tatsächliche Gewinnrealisierung zugewiesen werden kann. Demgegenüber soll die gemischte Methode insbesondere bei Gemeinkosten grundsätzlich weiterhin anwendbar sein. 1033 Soweit bereits oben bei der Erörterung der direkten Methode diskutiert wurde, inwiefern die Gewinnrealisierung relevant ist für die Zuordnung 1034, ist diese Diskussion im Rahmen des AOA entschieden. Unabhängig davon, dass dieser Streit keine Relevanz für die hier zu untersuchenden Aspekte hat, kann erneut darauf hingewiesen werden, dass der AOA von einer uneingeschränkten Selbstständigkeitsfiktion ausgeht. Auf die Gewinnrealisation kommt es demnach nicht an. Auch geht die OECD nun eindeutig von einer funktionellen Betrachtung aus, um Wirtschaftsgüter, Vermögen und Risiken und Aufwand ebenso wie
1029
Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 7 Tz. 17; Baldamus, IStR 2012, 317 (318); Barig, IWB 2013, 801 (804); Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 7 OECD-MA Rz. 190; Kaeser, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 395, 418. 1030 Vgl. Barig, IWB 2013, 801 (805); Kaeser, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 419, 429; Wassermeyer, IStR 2012, 277 (278). 1031 Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 7 Tz. 41. 1032 Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 7 Tz. 41. Siehe auch ablehnend mit Blick auf konzeptionelle und praktische Schwierigkeiten Mödinger, Internationale Erfolgsund Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, S. 150 ff. 1033 Vgl. Reimer, in: Reimer/Schmid/Orell, Permanent Establishments, 4. Aufl. 2015, § 1.03 Rz. 189 f.; Kaeser, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 419, 538. 1034 Siehe oben 4. Teil: II. 4. e) (3) (a) ii. (ii).
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Die Recharge Methode
interne Leistungen 1035 zuzuordnen. Für die Zuordnung der Wirtschaftsgüter, Risiken und Vermögen kommt es dabei maßgeblich auf die sogenannten „significant people functions“, aber auch andere Funktionen an, also darauf, inwiefern Personal, dass die der Betriebsstätte zugewiesene Funktionen entsprechend ausübt, an der Verwendung von Wirtschaftsgütern, dem Tragen von Risiken, dem Nutzen von Leistungen etc. beteiligt ist. 1036 Insbesondere bei materiellen Wirtschaftsgütern geht die OECD zudem ausdrücklich davon aus, dass eine Zuordnung vorrangig nach dem tatsächlichen Gebrauch erfolgen soll. 1037 Dies ändert nichts an dem bereits oben erarbeiteten Ergebnis, wonach die Zuordnung insbesondere der sogenannten „dealings“ sowie des Aufwandes einer Verursachungs- und Nutzenbetrachtung folgt. 1038 Im Rahmen des AOA wurde dies lediglich dahingehend konkretisiert, dass es maßgeblich auf einen Nutzen für beziehungsweise auf eine Verursachung durch die zugewiesene Funktion der Betriebsstätte ankommt, da diese die Betriebsstätte ausmachen. Insgesamt lässt sich das Vorgehen folglich so zusammenfassen, dass die zugeordneten Vermögenswerte, Funktionen, Risiken etc. eine entsprechende Vermutung der Verursachung beziehungsweise Nutzung zusammenhängender Leistungen bestimmen. 1039 Folglich kann hier wie oben festgestellt werden, dass eine Zuordnung von Aufwand im Rahmen der direkten Methode, also mithilfe getrennter Betriebsstättenbilanzen, auch im Rahmen der Recharge Methode geeignet ist, um eine angemessene Kostenaufteilung zu ermöglichen. Auch hier betrifft dies insbesondere die Zuordnung einer (Teil-)Leistung für sich auf eine Betriebsstätte.
1035
Vgl. speziell zur funktionalen Analyse bei internen Leistungen Kaeser, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 540. 1036 Vgl. OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 18, 62, 173; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, S. 110 ff.; Reimer, in: Reimer/Schmid/Orell, Permanent Establishments, 4. Aufl. 2015, § 1.03 Rz. 155 ff. 1037 Vgl. OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 18, 75. 1038 Vgl. recht deutlich OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 94; siehe auch Barig, IWB 2013, 801(802); Kaeser, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 538. 1039 Vgl. Reimer, in: Reimer/Schmid/Orell, Permanent Establishments, 4. Aufl. 2015, § 1.03 Rz. 182.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
(iii)
Weitere Erleichterung aufgrund erhöhter Dokumentationserfordernisse
Da die einzelnen Transaktionen der Betriebsstätte, auch innerhalb des Einheitsunternehmens, für Verrechnungspreiszwecke zu bewerten sind, ist insofern eine genauere Dokumentation und Überwachung erforderlich. 1040 Dies stellt eine weitere Erleichterung für Zwecke der Recharge Methode dar. Denn grundsätzlich müssen die Innentransaktionen nicht nur im Rahmen des AOA berücksichtigt werden, sondern auch bei Anwendung der Recharge Methode. Werden demnach Dokumentationen über alle Innentransaktionen erstellt, können diese für beide Zwecke zur Anwendung kommen. Bedenken bezüglich der Schwierigkeiten der Identifizierung der für die Recharge Methode relevanten unternehmensinternen Dienstleistungen können damit begegnet werden. Bei Anwendung des AOA müssen diese unternehmensinternen Dienstleistungen nämlich bereits identifiziert und dokumentiert werden. Sofern dies auch für Zwecke des AOA zu praktischen Schwierigkeiten führt, sieht der MA-Kommentar ausdrücklich vor, dass die Dokumentationsanforderungen möglichst in einem angemessenen Verhältnis zu den Umständen stehen sollen. Insbesondere sollen die Dokumentationspflichten nicht über das hinausgehen, was zwischen verbundenen Unternehmen erforderlich ist. 1041 Des Weiteren soll die Beurteilung von internen Leistungen anhand der Bücher sowie sonstiger interner Dokumentationen, insbesondere auch interne Korrespondenz und Kommunikation, möglich sein. 1042 Demnach müssen für Zwecke des AOA nicht völlig neue Dokumentationen erstellt werden. Vielmehr ist auch hier ein Rückgriff auf üblicherweise im Unternehmen vorhandene Informationen möglich, um darauf aufbauend die internen Leistungen zu identifizieren. Dabei ist davon auszugehen, dass üblicherweise Korrespondenz oder andere Dokumentationen über interne Leistungsbeziehungen vorhanden sind und, sofern Betriebsstättenbilanzen geführt werden, auch ein entsprechender Ausweis darin Rückschlüsse erlaubt. Dürfen daher solche Informationen für die Identifikation von internen Leistungen verwendet werden, vereinfacht dies den Vorgang für Unternehmen erheblich. Vereinfachend wirkt auch, dass die OECD für die Identifizierung interner Leistungen nur an tatsächli1040
Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 7 Tz. 25; OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 34, 175. 1041 Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 7 Tz. 26; OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 37. 1042 Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 7 Tz. 26; ausführlicher OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 177, 179.
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che Vorfälle anknüpfen will. 1043 Etwas, das real vorgenommen wird, ist wesentlich leichter zu entdecken, zu dokumentieren und zu interpretieren, da es an etwas Fassbares anknüpft. Schließlich sieht die OECD vor, dass die Identifikation und Beurteilung von internen Leistungen ebenso wie die Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte anhand der Funktionsanalyse erfolgen soll. 1044 Dies betrifft auch die Untersuchung, ob die vorhandene oder für Zwecke des AOA erstellte Dokumentation entsprechend den Funktionen der Betriebsstätte dem Fremdvergleichsgrundsatz standhält. 1045 Bereits bekannte Methoden werden demnach sowohl im Großen als auch differenziert im Kleinen für jede einzelne interne Leistung angewendet. Dies alles führt dazu, dass die Identifizierung und Beurteilung der internen Leistungen mit einem angemessenen Aufwand möglich ist. Zwar ist ein Mehraufwand nicht abzulehnen; aufgrund der Möglichkeit, bereits vorhandene Dokumente und Informationen zu verwenden, hält sich dieser jedoch in überschaubaren Grenzen. Das Interesse an einer korrekten Aufteilung der Besteuerungsrechte, sowohl bei der Ertragsbesteuerung als auch der Mehrwertsteuer, muss nicht gegenüber dem Interesse, Steuerpflichtige nicht unangemessen stark mit Dokumentationspflichten zu belasten, zurücktreten. Allerdings werden Bedenken vorgebracht, dass die nationalen Finanzverwaltungen gegebenenfalls die für Zwecke des AOA erstellte Dokumentation der Unternehmen nicht anerkennen oder sogar über die in dem OECD-MA niedergelegten Erfordernisse hinausgehende Dokumentationen verlangen. 1046 Dies sei zu befürchten, obwohl die OECD die einzelnen Länder ausdrücklich zur Anerkennung solcher Dokumente auffordert. 1047 Daher seien übermäßige Belastungen mit Blick auf den Verwaltungsaufwand und die Kosten für Unternehmen zu befürchten. 1048 Eine ähnliche Überlegung könnte sich auch mit Blick auf die International VAT/GST Guidelines ergeben. Den International VAT/GST Guidelines zu1043
Vgl. OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 177. 1044 Vgl. OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 177. 1045 Vgl. OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 181. 1046 Vgl. Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, S. 226. 1047 Vgl. Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, S. 226. 1048 Vgl. Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, S. 226 f.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
folge sollen die Steuerpflichtigen interne Verrechnungsvereinbarungen aufstellen, die die für die Finanzverwaltung erforderlichen Informationen enthalten. Die Verrechnungsvereinbarungen sollen die zwischen unabhängigen Steuerpflichtigen erforderlichen Geschäftsvereinbarungen ersetzen, weshalb sie vergleichbare Informationen enthalten sollen. 1049 Erforderliche Informationen in diesem Sinne sind solche, die die Identifikation der betroffenen Niederlassungen ermöglichen sowie als Beweis für die folgerichtige und richtige Behandlung der Weiterleistung dienen können. 1050 Diese Verrechnungsvereinbarung ist mit den für Zwecke des AOA zu erstellenden Dokumentationen vergleichbar. Beide dienen dazu, interne Leistungen zu identifizieren und die richtige steuerliche Behandlung dergleichen gegenüber den Steuerbehörden zu rechtfertigen. Zudem bauen die in der Verrechnungsvereinbarung beziehungsweise in den für Zwecke des AOA erstellten Dokumenten inhaltlich auf gleichen Informationen auf. Wie bereits ausführlich erörtert, sind nämlich Informationen, die insbesondere für die Ermittlung interner Leistungen für Zwecke der Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten ermittelt und zusammengestellt werden, auch für Zwecke der Recharge Methode verwendbar. Dies gilt sowohl für den alten, in Art. 7 OECD-MA a.F. niedergelegten als auch den neuen, seit 2010 verfolgten Ansatz. Daher könnten die bezüglich der Dokumentation für Zwecke des AOA vorgebrachten Bedenken auch für die Recharge Methode problematisch werden. Wenn die Finanzverwaltung die Dokumentation für die eine Steuerart nicht anerkennt, ist dies nämlich auch für die andere zu befürchten. Jedoch enthalten die International VAT/GST Guidelines wesentlich genauere Überlegungen dazu, welche Dokumente im Einzelnen von den Finanzverwaltungen angefordert werden können. Diesbezüglich wird auf die bereits im nationalen Recht etablierten Regelungen und Praktiken bei Betriebsprüfungen verwiesen. Insbesondere soll es hierbei auf Geschäftsunterlagen ankommen. 1051 Diese sollen zum Beispiel Kopien der Originalrechnungen bezüglich der extern bezogenen Dienstleistung sowie sonstige Unterlagen, die die Ermittlung der auf die Weiterleistung erhobenen Mehrwertsteuer erläutern, beinhalten. 1052 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die bezüglich der Dokumentation im Rahmen des AOA geäußerten Bedenken zu einem erheblichen Teil mit der 1049
Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.85. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.86. 1051 OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.101. 1052 OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.102. 1050
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Die Recharge Methode
dort erforderlichen Ermittlung von Verrechnungspreisen zusammenhängen. 1053 Aufbauend auf den Informationen, die sowohl für Zwecke der Recharge Methode als auch für den AOA verwendet werden können, muss bei Anwendung des AOA in einem zweiten Schritt eine ausführliche Verrechnungspreisdokumentation erstellt werden. Dies ist im Rahmen der Recharge Methode nicht erforderlich. Die Untersuchung, inwiefern die für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode erforderlichen Informationen mit angemessenem Aufwand ermittelt werden können, beschränkt sich daher auf den ersten Teil der Dokumentationserfordernisse. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass weder der OECD-MA noch die International VAT/GST Guidelines verbindliche Vorgaben enthalten. 1054 Welche Anforderungen daher in den einzelnen Ländern an die Steuerpflichtigen gestellt werden, kann durch die Überlegungen der OECD allenfalls unverbindlich beeinflusst werden und wird zudem in den nationalen Regelungen sehr unterschiedlich ausfallen. Folglich kann an dieser Stelle kein abschließendes Urteil zu dem tatsächlichen Aufwand für Steuerpflichtige in den unterschiedlichen Steuerjurisdiktionen gefällt werden. Es muss für Zwecke der Recharge Methode bei einer Beurteilung der in den International VAT/GST Guidelines niedergelegten Grundsätzen bleiben. Die Zusammenstellung der dort erwähnten Unterlagen und Dokumentationen sollte jedoch entsprechend dem oben bereits Erörterten keine unangemessen hohe Belastung darstellen. (b)
Die Methoden zur Ermittlung von Verrechnungspreisen nach den OECD Verrechnungspreisrichtlinien
i.
Einordnung in den Kontext
Neben oder in Zusammenhang mit der Gewinnabgrenzung nach Art. 7 OECD-MA könnte gegebenenfalls auch die Ermittlung fremdvergleichskonformer Preise gemäß den OECD Verrechnungspreisrichtlinien weitere Erkenntnisse für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode liefern. Hierzu sind die verschiedenen Methoden zur Ermittlung von Verrechnungspreisen, wie sie in den OECD Verrechnungspreisrichtlinien beschrieben werden, zu untersuchen. Vorab muss aber auf einige allgemeine Aspekte eingegangen werden. 1053
Vgl. dazu ausführlich Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, S. 226 ff. 1054 Vgl. Reimer, in: Reimer/Schmid/Orell, Permanent Establishments, 4. Aufl. 2015, § 1.03 Rz. 244.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Verrechnungspreismethoden für sich gesehen keine eigenständige Bedeutung haben. Sie werden erst in Zusammenhang mit der Gewinnabgrenzung, sowohl zwischen selbstständigen Unternehmen als auch innerhalb eines Unternehmens zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, relevant. Inwiefern die Regelungen zur Gewinnabgrenzung bereits Rückschlüsse für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode ermöglichen, wurde eingehend erörtert. An dieser Stelle soll daher nur untersucht werden, ob und wenn ja welche Verrechnungspreismethoden weitere, über die Gewinnabgrenzung als solche hinausgehende Informationen bereithalten. Dies muss insofern unabhängig von der Gewinnabgrenzung nach Art. 7 OECD-MA gesehen werden, als dass die Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz, welcher die Anwendung der OECD Verrechnungspreisrichtlinien erfordert, grundsätzlich nur in ihrem ersten Schritt für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode relevant ist. Die Kostenaufteilung will nämlich der weitergeleisteten unternehmensinternen Dienstleistung kein Gewinnelement zufügen. Die Weiterleistung bei der Recharge Methode steht ihrem Zweck nach im Widerspruch zu einer fremdvergleichskonformen Bewertung. 1055 Demnach sind zunächst nur die Informationen, die für die Gewinnabgrenzung zusammengestellt werden, relevant, die nichts mit der fremdvergleichskonformen Bewertung der internen Leistungen zu tun haben. 1056 Jedoch könnten die Informationen, die für die Ermittlung fremdvergleichskonformer Preise beziehungsweise für die Anwendung der Verrechnungspreismethoden erforderlich sind und zusammengestellt werden, weitere Informationen auch für die Kostenaufteilung bereithalten. Grundsätzlich behandeln die OECD Verrechnungspreisrichtlinien nur Geschäftsvorfälle, also Leistungen zwischen Unternehmen innerhalb eines Konzerns. Da jedoch die Verrechnungspreisrichtlinien analog im Rahmen des AOA zur Anwendung kommen, kommt es in diesen Fällen auf die Bewertung interner Leistungen zwischen Stammsitz und Betriebsstätte beziehungsweise zwischen Betriebsstätten an. Sofern daher ein zu überprüfender Geschäftsvorfall ganz oder teilweise einer internen Dienstleistung entspricht, wie sie im Rahmen der Recharge Methode zu beurteilen ist, kann die Bewertung anhand der in den Verrechnungspreisrichtlinien vorgesehenen Methoden gegebenenfalls auch Relevanz für die Recharge Methode ha-
1055 1056
Vgl. ähnlich Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (286). Siehe auch zu der erforderlichen Differenzierung Kaeser, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 580.
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Die Recharge Methode
ben. Der zu bewertende Geschäftsvorfall und die interne Dienstleistung korrelieren insofern. Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die Verrechnungspreismethoden grundsätzlich nur im Kontext unternehmensinterner Leistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätten angewendet werden, wenn diese Leistungen mit einem dem Fremdvergleichsgrundsatz standhaltenden Preis bewertet werden müssen. Einen ausdrücklichen Verweis durch analoge Anwendung sieht insofern nur der neue Art. 7 Abs. 2 OECD-MA vor. Im Rahmen des AOA sind nämlich grundsätzlich alle Preise für interne Leistungen entsprechend den Vorgaben der OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 zu bewerten. Demgegenüber war die Anwendung der OECD Verrechnungspreisrichtlinien nach der eingeschränkten Selbstständigkeitsfiktion des Art. 7 OECD-MA a.F. grundsätzlich nicht vorgesehen. Vielmehr sollte nur unter bestimmten Voraussetzungen ein Gewinnaufschlag vorgenommen werden, der zudem in der Regel mit tatsächlichen Gewinnrealisierungen in Zusammenhang stand. 1057 Die folgende Untersuchung kann daher nur dann Relevanz für die Recharge Methode haben, wenn die betroffenen Unternehmen eine Gewinnabgrenzung anhand einer vollständigen Selbstständigkeitsfiktion vornehmen (müssen). Sofern keine fremdvergleichskonformen Preise gemäß den OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 für interne Leistungen innerhalb eines Unternehmens ermittelt werden müssen, können mit den Verrechnungspreismethoden einhergehende Informationen keine Aussagen zu dem Verhältnis zwischen Stammsitz und Betriebsstätte und damit auch nicht für Stammsitz und feste Niederlassung erlauben. Die Relevanz der folgenden Untersuchung ist damit auf entsprechende Fälle begrenzt. Eine weitere Einschränkung der Relevanz der folgenden Überlegungen folgt daraus, dass die Verrechnungspreismethoden nicht immer alle gleichermaßen von allen angewandt werden. Vielmehr erfolgt die Auswahl geeigneter Methoden auf Grundlage der Umstände im jeweiligen Einzelfall. 1058 Je nach Art der zu bewertenden Leistungen ebenso wie nach Art der jeweiligen Geschäftstätigkeit des betroffenen Unternehmens können sich einige Methoden eher anbieten als andere. Insgesamt sind dabei einige Methoden üblicher als
1057
Siehe ausführlich zu der alten Regelung in Art. 7 OECD-MA oben 4. Teil: II. 4. e) (3) (a) ii. 1058 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.2; Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 10.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
andere. 1059 Daneben werden die traditionellen transaktionsbezogenen Methoden (die sogenannte Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufsmethode und die Kostenaufschlagsmethode) gegenüber den sogenannten geschäftsvorfallbezogenen Methoden (die sogenannte geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode und Nettomargenmethode) als vorrangig erachtet, sofern sie gleichermaßen sinnvoll anwendbar sind. 1060 Insgesamt kann den verschiedenen in den OECD Verrechnungspreisrichtlinien vorgesehenen Methoden daher keine gleichmäßige Gültigkeit zugesprochen werden. Sofern einzelne Methoden auch für die Kostenaufteilung geeignet sein sollten, lässt sich daraus folglich keine allgemeine Aussage zur Praktikabilität der Recharge Methode herleiten. Geeignete Verrechnungspreismethoden können daher nur ergänzend zur Beurteilung der Praktikabilität der Recharge Methode herangezogen werden. Die folgende Untersuchung muss außerdem von der zuvor bereits erörterten Frage nach einer einheitlichen Anwendung der Bewertungsmethoden auch für Ermittlung des Normalwertes im Sinne des Art. 72 MwStSyst-RL abgegrenzt werden. 1061 Die dort erörterten Konflikte unter anderem zu der Transaktionsbezogenheit der Mehrwertsteuer im Vergleich zur Abschnittsbetrachtung der Ertragsteuer sowie der unterschiedlichen Zwecke des Normalwertes im Vergleich zu Verrechnungspreisen in der Ertragsbesteuerung betreffen nämlich die Bewertung einer Leistung. Die hier zu untersuchende Frage betrifft aber eine vorgelagerte Stufe. Es muss untersucht werden, ob Dokumentationen und Informationen, die für die anschließende Bewertung nach Maßgabe der Verrechnungspreisrichtlinien erstellt werden, auch für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode verwendet werden können. Dabei muss diese Dokumentation in der Regel zeitgerecht über das 1059
Naumann geht zum Beispiel davon aus, dass in der Praxis die traditionellen Bewertungsmethoden gegenüber den geschäftsvorfallbezogenen Methoden nur noch von geringer Relevanz sind, vgl. IStR 2013, 616. Zu ähnlichen Ergebnissen für die USA siehe Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 45. Insbesondere bei unternehmensinternen Dienstleistungen soll hingegen die Kostenaufschlagsmethode regelmäßig zur Anwendung kommen, vgl. Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.189 sowie Haas, in: DStJG Band 36, 2012, S. 285 (292); ebenso Ernst & Young, 2010 Global Transfer Pricing Survey, S. 13, http://www.ey.com/ Publication/vwLUAssets/Global_transfer_pricing_survey_-_2010/$FILE/2010-Glo baltransferpricingsurvey_17Jan.pdf (aufgerufen am 1.12.2014). 1060 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.3; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.171; Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 21. 1061 Siehe dazu oben 4. Teil: II. 4. d) (3) (c) iii. (ii).
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Die Recharge Methode
ganze Jahr hinweg geführt werden 1062, sodass sich die zeitlichen Konflikte erledigen. 1063 Zudem sieht auch die OECD Einschränkungen der Transaktionsbezogenheit der Mehrwertsteuer vor. Nach den International VAT/GST Guidelines können nämlich auch mehrere Transaktionen zusammengefasst werden. 1064 Des Weiteren betreffen die Konflikte aufgrund der unterschiedlichen Zwecke der Bewertung zum Normalwert in der Mehrwertsteuer im Vergleich zur Bewertung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz in der Ertragsbesteuerung die Bewertung aufgrund der Dokumentationen und nicht die Dokumentation an für sich. Folglich würde ein Ergebnis, wonach die für Zwecke der Verrechnungspreise erstellte Dokumentation auch Rückschlüsse für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode erlaubt, nicht im Widerspruch zu dem zuvor gefundenen Ergebnis stehen, wonach eine einheitliche Bewertung der Verrechnungspreise in der Mehrwertsteuer und der Ertragsbesteuerung zumindest problematisch erscheint. ii.
Preisvergleichsmethode
Die Preisvergleichsmethode nimmt zur Ermittlung eines fremdvergleichskonformen Preises Rückgriff auf Preise für vergleichbare Leistungen, wie sie zwischen fremden Dritten tatsächlich vereinbart werden. Die Preisermittlung nach dieser Methode untersucht also in erster Linie, ob unabhängige Unternehmen vergleichbare Leistungen erbringen und welche Preise dort vereinbart werden. 1065 Hingegen kommt es nicht auf die tatsächlichen Kosten an, die für den Unternehmer konkret bei Erbringung einer Leistung anfallen. Daher ist diese Methode nicht geeignet, Rückschlüsse für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode zu erlauben, da es bei Letzterer maßgeblich darauf ankommt, welche Kosten in die unternehmens1062
Vgl. OECD, MA-Kommentar 2010 zu Art. 7 Tz. 26 sowie OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel V Tz. 5.20 („contemporaneous documentation“); die OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 sehen im Übrigen zukunftsbezogene, vergangenheitsbezogene und insbesondere eine Betrachtung über mehrere Jahre hinweg vor, vgl. Kapitel III Tz. 3.69 ff.; Reimer, in: Reimer/Schmid/Orell, Permanent Establishments, 4. Aufl. 2015, § 1.03 Rz. 119. 1063 Anders wohl Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (287), die als Lösung vorschlägt, die Bewertung der Weiterverrechnung im Rahmen der Recharge Methode ebenfalls erst zum Jahresende vorzunehmen. 1064 Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.92. 1065 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.13, 2.15; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.174; Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 48; Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 50.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
intern weitergeleistete Leistung eingegangen sind. Die Preisvergleichsmethode beziehungsweise Dokumentationen, die zur Ermittlung eines Verrechnungspreises anhand der Preisvergleichsmethode erstellt werden, können daher keine geeigneten Informationen auch für Zwecke der Recharge Methode bereithalten. iii.
Wiederverkaufsmethode
Die Wiederverkaufsmethode betrachtet im Ausgangspunkt den Preis, den das die Verrechnungspreismethode anwendende Unternehmen für eine Leistung, die zuvor als unternehmensinterne Leistung innerhalb des Unternehmens geleistet wurde, an fremde Dritte erzielt. Davon ausgehend wird ein Abzug vorgenommen. Es soll sich dabei um die Gewinnmarge handeln, die die zwischen Erwerb und Wiederverkauf entstandenen Kosten decken sowie einen angemessenen Gewinn enthalten soll. 1066 Auch diese Methode konzentriert sich in erster Linie auf den Gewinnanteil der Leistung, allerdings soll die Wiederverkaufsmarge auch die auf der Zwischenstufe hinzugekommenen Kosten berücksichtigen. Die OECD empfiehlt zur Ermittlung des Wiederverkaufspreises insbesondere einen Vergleich zu Verkäufen herzustellen, die der Wiederverkäufer an unabhängige Dritte tätigt. 1067 Dies ist sinnvoll, zumal bei Vergleich des Wiederverkaufspreises unbekannter Dritter nicht bekannt sein wird, inwiefern sich die Marge in Kosten und Gewinn aufteilt. 1068 Die Ermittlung der Wiederverkaufsmarge erfolgt daher regelmäßig nicht durch differenzierte Untersuchung der Kostenbestandteile, sondern ebenfalls durch Vergleich mit unkontrollierten Transaktionen. Die dort veranschlagte Gewinnmarge soll vermutlich vergleichbare Kosten und Gewinne erfas-
1066
Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.21; Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.15, 5.22; Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 93; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. 2016, S. 569; Vögele/Raab/Diessner, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 150, 157; Wittendorff, Transfer Pricing and the Arm’s Length Principle in International Tax Law, 2010, S. 720. 1067 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.22; siehe auch Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.181. 1068 Zu den praktischen Schwierigkeiten der Ermittlung von Gewinnmargen unabhängiger Dritter Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.19; Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 104, 114.
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Die Recharge Methode
sen. 1069 Entsprechende Dokumentationen dürften daher regelmäßig nur Informationen zu Vergleichstransaktionen ohne genaue Aufschlüsselungen zu den Kosten enthalten. 1070 Sofern jedoch Beiträge des Wiederverkäufers berücksichtigt werden 1071 und es dazu entsprechende Dokumentationen gibt, können diese zumindest Informationen zu der Aufteilung der Leistung in externen Leistungsbezug und interne Wertschöpfung geben. Diese Aufteilung ist nach der Recharge Methode erforderlich, da sie nur auf extern bezogene Dienstleistungen anwendbar sein soll. Allerdings erachtet die OECD für Fälle, in denen (erhebliche) Beiträge des Wiederverkäufers geleistet werden und zu berücksichtigen sind, gegebenenfalls die Kostenaufschlagsmethode als sinnvoller. 1072 Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass die für Zwecke der Wiederverkaufsmethode erstellten Dokumentationen häufig keine Differenzierung zwischen Gewinn und Kosten vornehmen werden. Sofern entsprechende Dokumentationen eine Untersuchung auch der Beiträge des Wiederverkäufers vorsehen, kann dies zumindest zu einer teilweisen Erleichterung bei der Anwendung der Recharge Methode führen. Die Erleichterung betrifft dann vor allem die Differenzierung zwischen externem Leistungsbezug und internem Wertschöpfungsbeitrag. Die praktische Relevanz der Wiederverkaufsmethode für die Recharge Methode dürfte sich allerdings in Grenzen halten. iv.
Kostenaufschlagsmethode
Die Kostenaufschlagsmethode nimmt Bezug auf die entstandenen Kosten für die zu bewertende Leistung und fügt einen angemessenen Gewinnauf1069
Vgl. Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 114. 1070 Ebenso Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.22; Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 166 f. 1071 Vgl. zu entsprechenden Fällen OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.31, 2.35; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.183, 3.186; Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 136. 1072 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.30 f.; allgemeiner Vögele/Raab/Diessner, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 152; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.186, wobei häufig eine Kombination von Wiederverkaufspreismethode und Kostenaufschlagsmethode anzutreffen sei, vgl. Rz. 3.184. So auch Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 139.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
schlag hinzu. Der Gewinnaufschlag soll dabei die ausgeübten Funktionen sowie die Marktverhältnisse berücksichtigen. 1073 Darüber hinaus sollte er Gewinnaufschlägen, wie sie zwischen unabhängigen Dritten anzutreffen sind, entsprechen. 1074 Die Kosten sollen in erster Linie anhand der Bücher des betroffenen Unternehmens ermittelt werden. 1075 Allerdings ist unklar, welche Kosten für die Kalkulation einzubeziehen sind. Dies gilt umso mehr, als der Kostenbegriff in den einzelnen Ländern unterschiedlich sein kann. 1076 Die OECD differenziert insofern zwischen drei grundsätzlichen Kostenarten, welche nicht alle immer berücksichtigt werden müssen beziehungsweise sollen. 1077 Es handelt sich hierbei um direkte Kosten, die bei Erbringung einer konkreten Dienstleistung beziehungsweise Herstellung eines konkreten Produkts entstehen, und indirekte Kosten, welche nicht explizit mit der Erbringung einer Dienstleistung beziehungsweise der Herstellung eines Produkts zusammenhängen, sowie operative Kosten des Unternehmens als Ganzes. 1078 Bei der Ermittlung der Kostenbasis kommt es nach Ansicht der OECD in der Regel nur auf die direkten und indirekten Kosten an, wobei jedoch auch operative Kosten berücksichtigt werden können, sofern dies erforderlich scheint. 1079 Welche Kosten berück-
1073
Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.39; Reimer, in: Reimer/Schmid/Orell, Permanent Establishments, 4. Aufl. 2015, § 1.03 Rz. 112. 1074 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.40; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. 2016, S. 571; Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 256. 1075 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.47; Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.39; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. 2016, S. 572. 1076 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.46; Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.42 f. Siehe zu verschiedenen Kostenbegriffen aus der Betriebswirtschaftslehre Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 267 ff. 1077 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.47 f.; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.195. 1078 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.47; Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 192; kritisch zu dieser Differenzierung Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.47 ff. 1079 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.46 f.; Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 192, 226, 228, 230.
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Die Recharge Methode
sichtigt werden, hängt letztlich maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls sowie den Gegebenheiten in den jeweiligen Jurisdiktionen ab. 1080 Schwierigkeiten bereiten vor allem Gemeinkosten, sofern sie für die Bestimmung eines Verrechnungspreises berücksichtigt werden. 1081 Da bei diesen Kosten üblicherweise keine Aufteilung entsprechend der tatsächlichen Verursachung möglich ist, sollen die Kosten für Zwecke der Kostenaufschlagsmethode unter Zuhilfenahme von Schlüsseln aufgeteilt werden. 1082 Die zur Aufteilung verwendeten Verteilungsschlüssel sollen mit den von unabhängigen Unternehmen verwendeten Schlüsseln vergleichbar sein oder zumindest betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechen. 1083 Des Weiteren ist nicht eindeutig bestimmt, wie die Kosten, die in den Verrechnungspreis einfließen sollen, in zeitlicher Hinsicht zu ermitteln sind. Insofern kommen grundsätzlich drei Varianten in Betracht: die Istkostenrechnung, die Normalkostenrechnung sowie die Plankostenrechnung. 1084 Die Rechnungsarten unterscheiden sich durch ihren unterschiedlichen zeitlichen Ansatz. 1085 Die Istkostenrechnung ist vergangenheitsbezogen, sie ermittelt die tatsächlichen Kosten, wie sie in der Vergangenheit tatsächlich
1080
Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.46 ff.; Wittendorff, Transfer Pricing and the Arm’s Length Principle in International Tax Law, 2010, S. 731 f. Insgesamt kritisch zu der sogenannten Vollkostenrechnung Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 297 ff., der jedoch eine Wahlfreiheit des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers erkennt, vgl. Rz. 226. 1081 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.50; Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.64; Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 286, 298. Dabei sollen Gemeinkosten nicht identisch mit operativen Kosten sein, sondern können auch indirekte Kosten erfassen, vgl. Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 228, 239. 1082 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.50; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.206 f. 1083 Vgl. Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.210. 1084 Vgl. Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.51; ders., in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.196; Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 248; Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 282. 1085 Vgl. Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.51; Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 248.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
entstanden sind. 1086 Demgegenüber betrachtet die Normalkostenrechnung vergangene Kosten und ermittelt darauf aufbauend durchschnittliche Kosten für die Gegenwart. 1087 Die Plankostenrechnung erstellt eine zukunftsbezogene Analyse der zu erwartenden Kosten. 1088 An der Istkostenrechnung wird kritisiert, dass sie nicht immer ausreichend bei unabhängigen Dritten auftretende Gewinnminderungen aufgrund ineffizienter Vorgehensweise berücksichtigt. 1089 Zudem wird ein fehlender Zukunftsbezug kritisiert; die durch diese Methode ermittelten Kosten werden nämlich erst mit einer gewissen Zeitverzögerung festgestellt und stehen daher zu dem Zeitpunkt, in dem der (Verrechnungs-)Preis ermittelt werden soll, häufig nicht zur Verfügung. 1090 Demgegenüber weisen sowohl die Normalkostenrechnung als auch die Plankostenrechnung Ungenauigkeiten auf, da sie nicht unmittelbar auf den tatsächlich entstandenen Kosten basieren. 1091 Daher sehen diese Methoden teils Korrektur- und Anpassungsmöglichkeiten vor. 1092 Trotz dieser Kritik1086
Vgl. Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.52; ders., in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.197; Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 248. 1087 Vgl. Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.55; ders., in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.199; Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 248; Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 289. 1088 Vgl. Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.57; ders., in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.201; Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 248; Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 293 f. 1089 Vgl. Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.54; ders., in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.197; Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 248; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. 2016, S. 573; Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 287. 1090 Vgl. Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.53; ders., in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.203 f.; Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 283. 1091 Vgl. Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 248. 1092 Vgl. Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.199, 3.203; Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 248.
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punkte sind dennoch grundsätzlich alle Methoden zulässig 1093, wobei in der Praxis die Normal- und Plankostenrechnung bevorzugt werden 1094. Fraglich ist nunmehr, ob und wie die für die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode ermittelten Kosten einer Kostenaufteilung zugrunde gelegt werden können. Diesbezüglich ist erneut zwischen der Ermittlung der durch externen Leistungsbezug entstandenen Kosten und der verursachungsgerechten Zuordnung dieser Kosten zu unterscheiden. Sofern die Kostenaufschlagsmethode zunächst die für die Kostenbasis relevanten Kosten ermittelt, betrifft dies ersteres. Eine Aufstellung aller Kosten ist nämlich zunächst auf den internen Leistungserbringer bezogen, sie stellt fest, welche Kosten er hatte. Für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode kann dies zunächst nur bei Abgrenzung der Kosten des externen Leistungsbezugs von denen der internen Wertschöpfung relevant sein. Sobald aber die für die jeweilige Leistung maßgebliche Kostenbasis bestimmt wird, ist dies einer verursachungsgerechten Zuordnung gleichzustellen. Die nach den Verrechnungspreisrichtlinien zu bewertende Dienstleistung korrespondiert insofern mit der Weiterleistung der extern bezogenen Dienstleistung, wie sie für die Recharge Methode relevant ist. Indem die Kosten für diese Dienstleistung im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode bestimmt werden, wird zugleich eine Kostenzuordnung vorgenommen. Dabei können die Dokumentationen zur Kostenzusammensetzung helfen, die Kosten der externen Dienstleistung von den Kosten für beigefügte interne Wertschöpfung abzugrenzen. Unklar ist allerdings, ob die im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode zugeordneten Kosten mit den für Zwecke der Recharge Methode zuzuordnenden Kosten übereinstimmen. Dies ist fraglich, da die Kostenaufschlagsmethode nicht zwangsläufig auch Gemeinkosten zuordnet. Sollten aber Gemeinkosten auch Kosten für externen Leistungsbezug, der an die einzelnen Niederlassungen weitergeleistet wird, erfassen, ist die Kostenbasis für Zwecke der Recharge Methode nicht vollständig. Dann kann die Kostenaufschlagsmethode nur für direkte und indirekte Kosten Aufschlüsse darüber geben, welche Niederlassung an den Kosten dahingehend beteiligt ist, dass
1093
Vgl. Hülshorst/Mank, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 249; Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 282. 1094 Vgl. Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.63; ders., in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.204; Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 288.
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sie die extern bezogene Dienstleistung nutzen. Die Kostenaufschlagsmethode ist in diesen Fällen nur teilweise aussagekräftig. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass in rein praktischer Hinsicht Gemeinkosten im Sinne der OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 häufig zu einem nicht unerheblichen Teil aus intern generierten Leistungen bestehen dürften. Diese umfassen aus Sicht der OECD insbesondere Managementleistungen des Stammsitzes gegenüber den Betriebsstätten. 1095 Daneben kommen allgemeine Kosten in Betracht, die der Erbringung der Managementleistungen dienen, wie zum Beispiel Kosten für Räumlichkeiten, Computer etc. Solche Kosten werden allerdings wiederum häufig mit externem Leistungsbezug zusammenhängen. Hingegen sind Leistungen, die von mehreren Betriebsstätten für die Erbringung eigener Leistungen erforderlich sind, in der Regel bereits von den indirekten Kosten erfasst. Indirekte Kosten sollen nämlich vor allem solche Kosten umfassen, die zwar in Zusammenhang mit der Tätigkeit der Betriebsstätte stehen, sich allerdings nicht einer bestimmten Leistung zuordnen lassen, sondern verschiedenen Leistungen beziehungsweise Leistungsarten dienen. Als Beispiel nennen die OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 Kosten für eine Abteilung, die die für die Produktion erforderlichen Maschinen instand hält. 1096 Solche indirekten Kosten dürften daher in der Praxis häufig auch aus externem Leistungsbezug resultieren, zum Beispiel wenn mit einem Dritten ein Servicevertrag über die Wartung und Instandhaltung der Maschinen vereinbart wird. 1097 Die Recharge Methode ist daher häufig auf indirekte Kosten anzuwenden, aber nur auf solche Gemeinkosten, die ebenfalls aus externem Leistungsbezug resultieren. Dies gilt zumindest nach dem von der OECD propagierten Verständnis von indirekten Kosten im Vergleich zu Gemeinkosten. 1098 Unabhängig davon, wie man im Mehrwertsteuerrecht im Einzelnen begrifflich zwischen gemischter Verwendung und Gemeinkosten differenzieren will, lässt sich feststellen, dass die Auffassung der OECD in vielen Fällen 1095
Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.47. Es dürften hier vor allem Personalkosten anfallen. 1096 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.47. 1097 Ob es sich um externe oder interne Kosten handelt, wird dabei von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängen. 1098 Dieses Verständnis davon, was Gemeinkosten sind, muss nicht zwangsläufig mit dem in der Mehrwertsteuer übereinstimmen. Gemeinkosten im Mehrwertsteuerrecht umfassen nämlich insbesondere die Eingangsleistungen, die sich nicht unmittelbar einer Ausgangsleistung zuordnen lassen können. Auf eine ausführliche Differenzierung kommt es an dieser Stelle aber nicht an. Maßgeblich ist hier allein die Reichweite der Kostenbasis nach dem Verständnis der OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010.
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Die Recharge Methode
dahin geht, dass extern bezogene Leistungen in die Kostenbasis für Zwecke der Kostenaufschlagsmethode aufzunehmen sind. Diese Erkenntnis schränkt die Fälle, in denen Gemeinkosten im Sinne der OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 zwar aus externem Leistungsbezug resultieren, aber nicht in Kostenbasis für Zwecke der Kostenaufschlagsmethode einfließen, ein. Daher dürfte die für die Kostenaufschlagsmethode ermittelte Kostenbasis in vielen Fällen den externen Leistungsbezug abdecken. Als Ergebnis kann daher festgestellt werden, dass die im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode zugeordneten Kosten vielfach mit den für Zwecke der Recharge Methode zuzuordnenden Kosten übereinstimmen werden und somit vielfach Aufschlüsse für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode zulassen werden. Allerdings kann dies nicht umfassend für alle Fälle gelten, da die Kostenbasis für die Kostenaufschlagsmethode dennoch enger sein kann. Dies gilt zumindest für die Länder, die der OECD folgend Gemeinkosten nicht in die Kostenbasis aufnehmen. Wie die OECD jedoch selbst feststellt, fällt die Abgrenzung zwischen den drei Kostenarten in den einzelnen Jurisdiktionen teils sehr unterschiedlich aus. 1099 Zudem sind Fälle denkbar, in denen auch Gemeinkosten in die Kostenbasis aufgenommen werden. 1100 Sofern dies der Fall ist, wird die Relevanz der Kostenaufschlagsmethode für die Recharge Methode wiederum erhöht. Des Weiteren beruht die Ermittlung der Kosten nicht zwangsläufig auf den tatsächlich entstandenen Kosten (zu bejahen bei der Istkostenrechnung), sondern kann auch zukunftsorientierte beziehungsweise Durchschnittsberechnungen beinhalten (so die Normal- und Plankostenrechnung). Fraglich ist daher, ob die mit der Normal- beziehungsweise Plankostenrechnung einhergehenden Ungenauigkeiten im Widerspruch zu der für die Zwecke der Mehrwertsteuer zu ermittelnden Bemessungsgrundlage stehen. Die Recharge Methode will grundsätzlich die tatsächlich entstandenen Kosten aus dem externen Dienstleistungsbezug aufteilen. Wie bereits erörtert, soll als Basis für die Aufteilung auf die Bemessungsgrundlage gemäß den Art. 72 ff. MwStSyst-RL zurückgegriffen werden, wie sie zur Besteuerung des externen Leistungsbezugs berücksichtigt wurde. Die maßgebliche Kostenbasis im Rahmen der Recharge Methode beruht daher zumindest ihrer Höhe nach auf der Bemessungsgrundlage, die bereits vorab ermittelt wurden. Dies steht in Widerspruch zumindest zu einer Kostenbasis, die auf einer Plankostenrechnung oder einer Normalkostenrechnung beruht. 1099 1100
Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.48. Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.46.
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Allerdings ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Plan- beziehungsweise Normalkostenrechnung üblicherweise vorab vorgenommen wird, damit sodann auf sie zurückgegriffen werden kann, wenn die nach Fremdvergleichsgrundsätzen zu bewertende Transaktion stattfindet. Ohnehin kann die fragliche interne Leistung insbesondere bei Anwendung des AOA erst dann bewertet werden, wenn sie stattfindet, da die OECD nur an tatsächliche Vorfälle anknüpfen will. 1101 Damit beruht zwar bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode die Kostenbasis der internen Leistung gegebenenfalls auf in der Vergangenheit für die Zukunft ermittelten Berechnungen. Die Bewertung selbst findet aber in der Gegenwart statt. Damit weist die Bewertung interner Leistungen einen gewissen Gegenwartsbezug auf, der jedoch zunächst nichts an den zuvor erkannten Ungenauigkeiten der Planbeziehungsweise Normalkostenrechnung ändert. Dies ändert sich jedoch, wenn die in der Vergangenheit vorgenommene Plan- beziehungsweise Normalkostenrechnung in der Gegenwart korrigiert wird. Durch entsprechende Anpassungen erreichen diese Rechnungen ebenfalls einen Gegenwartsbezug, der etwaige Ungenauigkeiten zumindest teilweise beseitigen kann. Zudem kann in Fällen, in denen die genannten Ungenauigkeiten nicht (vollständig) beseitigt werden können, die für Zwecke der Kostenaufschlagsmethode erstellte Dokumentation eventuell in abstrahierter Form für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode hilfreich sein. Denn auch wenn die Ermittlung der Kostenbasis nicht auf den tatsächlichen Kosten beruht, so kann sie dennoch für die gegenwärtig zu beurteilende interne Leistung Aussagen über die Zuordnung der Kosten in allgemeinerer Weise enthalten. Unabhängig von der exakten Kostenbasis enthält diese in jedem Fall Aussagen dazu, welche Bestandteile die interne Leistung beinhaltet. Indem sie als interne Dienstleistung an eine bestimmte Betriebsstätte qualifiziert wird, wird zudem auch unabhängig von der exakten Kostenbasis eine Zuordnung zu der nutzenden Betriebsstätte vorgenommen. Diese Zuordnung zusammen mit der Verwendung der Bemessungsgrundlage der externen Dienstleistung für Zwecke der Mehrwertsteuer kann daher dennoch die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode erleichtern. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass auch die Recharge Methode grundsätzlich Näherungswerte und damit Ungenauigkeiten aus Praktikabilitäts1101
Vgl. OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 177.
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gründen anerkennt. 1102 Sofern also Informationen aus anderen Bereichen für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der weitergeleisteten Dienstleistung herangezogen werden, dient dies der Vereinfachung. Solche Vereinfachungen müssen allerdings häufig gewisse Ungenauigkeiten akzeptieren. Die benannten Ungenauigkeiten können daher nicht per se zu einer Ablehnung der im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode ermittelten Werte für die Recharge Methode führen, solange sie auf anerkannten und schlüssigen Methoden beruhen. Letzteres kann bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode grundsätzlich bejaht werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die für Zwecke der Kostenaufschlagsmethode erstellten Dokumentationen sowohl für die Abgrenzung externer Dienstleistungen von interner Wertschöpfung als auch für die Zuordnung der externen Leistungen auf feste Niederlassungen herangezogen werden können. Allerdings betrifft dies nicht immer alle Leistungen. Einschränkend muss hier darauf hingewiesen werden, dass es Fälle geben kann, in denen bestimmte Kosten (insbesondere Gemeinkosten) nicht immer in die für Zwecke der Kostenaufschlagsmethode ermittelte Kostenbasis aufgenommen werden. Dies hängt von der Handhabung in der jeweiligen Jurisdiktion und von der Qualifizierung einzelner Kostenpunkte ab. Der Kostenaufschlagsmethode kann daher große, wenn auch keine vollumfängliche Relevanz für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode zuerkannt werden. v.
Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode
Bei der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode wird die Nettomarge aus der zu bewertenden internen Leistung mit Margen verglichen, die das fragliche Unternehmen in unkontrollierten Transaktionen oder ein Dritter bei vergleichbaren Leistungen erzielt. 1103 Die maßgeblichen Nettogewinnmargen werden ermittelt, indem der Nettogewinn zu einer angemessenen Basis in Bezug gesetzt wird. Als mögliche Basen werden beispielhaft Kosten, Umsätze oder Vermögen genannt. 1104 Bei dieser Methode 1102
Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.88. Vgl. Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.229; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 276; Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 350. 1104 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.58; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.229; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II (Juni 2015), OECD-Kapitel II Rz. 274; Greinert, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.92; 1103
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kommt es folglich maßgeblich auf den Vergleich von Nettogewinnmargen an. Diese Nettogewinnmargen enthalten zunächst keine Aussagen, die für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode relevant sein können, zumal es bei Letzterer gerade nicht auf den Gewinn ankommt. Allenfalls aus der Ermittlung der kontrollierten Nettomarge, indem der Nettogewinn in Relation zu einer angemessenen Basis gesetzt wird, könnten sich Hinweise auf die richtige Kostenaufteilung ergeben. Dies ist zumindest dann nicht völlig von der Hand zu weisen, wenn als Bezugspunkt auf Kosten zurückgegriffen wird. Es muss nämlich zunächst die maßgebliche (Kosten-)Basis ermittelt werden, welche gegebenenfalls Aussagen auch für Zwecke der Recharge Methode ermöglicht. Zunächst ist einschränkend darauf hinzuweisen, dass die Nettogewinnmarge nicht zwangsläufig auf Basis der Kosten zu ermitteln ist. Was als Nenner heranzuziehen ist, hängt maßgeblich von der Art des zu untersuchenden Geschäftsvorfalls ab. 1105 Sofern beispielsweise der Umsatz oder das Vermögen sinnvollerweise zur Ermittlung der Nettogewinnmarge heranzuziehen sind, können daraus keine Rückschlüsse für Zwecke der Recharge Methode gezogen werden. Denn weder der Umsatz noch das Vermögen eines Steuerpflichtigen geben unmittelbar Auskunft darüber, welche Kostenbestandteile in der fraglichen Dienstleistung enthalten sind. Daher kann die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode nur dann für die Recharge Methode von Relevanz sein, wenn der Nettogewinn zu Kosten gewichtet wird. Dies soll üblicherweise dann der Fall sein, wenn die Kosten „Aufschluss über den Wert der vom untersuchten Unternehmen ausgeübten Funktionen, eingesetzten Wirtschaftsgüter und übernommenen Risiken geben“ 1106. Die Feststellung, dass nur eine Kostenbasis überhaupt geeignet sein könnte, reicht allein aber noch nicht aus für eine Untersuchung der Geeignetheit der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode. Des Weiteren ist zu untersuchen, welche Bestandteile die genannte Basis enthält und ob diese ein ausreichendes Bild von den Kosten geben können, wie es zur Bewertung einer weitergeleisteten Dienstleistung im Rahmen der Recharge Methode erforVögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 350. 1105 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.87; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 410; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. 2016, S. 578; Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 357. 1106 OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.92.
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derlich ist. Es kommt daher maßgeblich darauf an, ob solch eine Basis die Kosten aus externem Leistungsbezug und eine ausdifferenzierte Aufstellung der Kostenbestandteile enthält sowie die angesetzten Kosten ausreichend Gemeinsamkeit mit der Bemessungsgrundlage des externen Dienstleistungsbezugs aufweisen. Des Weiteren muss die Kostenbasis die Kosten für den zu bewertenden Geschäftsvorfall, also für die interne Dienstleistung, widerspiegeln. Die Kostenbasis soll nicht alle Kosten der fraglichen Niederlassung erfassen, sondern nur jene, die unmittelbar oder mittelbar mit der zu überprüfenden internen Leistung zusammenhängen. 1107 Damit ist bereits eine erste Einschränkung der Kostenbasis erkennbar. Indem ein Zusammenhang mit der internen Leistung bestehen soll, spiegelt die Kostenbasis den zu bewertenden Geschäftsvorfall und damit die weitergeleistete Dienstleistung wider. Sollten diese Kosten daher die Kosten aus dem externen Leistungsbezug beinhalten, also ausreichend Gemeinsamkeit mit deren Bemessungsgrundlage aufweisen, kann die Kostenbasis die Kosten der internen Dienstleistung widerspiegeln beziehungsweise Hinweise für die Bemessungsgrundlage der weitergeleisteten Dienstleistung liefern. Grundsätzlich soll die Kostenbasis alle Kosten des Geschäftsvorfalls erfassen 1108, wobei anteilige Kosten in angemessener Weise den verschiedenen Geschäftsvorfällen zuzuordnen sind 1109. Welche Kosten im Einzelfall zu erfassen sind, hängt jedoch maßgeblich von einer Vergleichbarkeitsanalyse ab, also vom Vergleich zu unabhängigen Unternehmen. 1110 Insbesondere wird dies am Beispiel von sogenannten durchlaufenden Kosten, das heißt externen Kosten, diskutiert. 1111 Auch hier ist davon auszugehen, dass durchlaufende Kosten nicht generell zu erfassen oder nicht zu erfassen sind, son-
1107
OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.92. Sogenannte Vollkostenbasis, vgl. Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.64, 5.68; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECDKapitel II Rz. 424; OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.93. 1109 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.89; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 415. 1110 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.93; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 424. 1111 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.93; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 424 f. 1108
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
dern eine Entscheidung stets auf Basis einer Vergleichbarkeitsanalyse zu erfolgen hat. 1112 Letztlich kann wie bereits oben im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode festgestellt werden, dass im Einzelfall unterschiedliche Kostenpositionen erfasst werden können. Einschlägige Dokumentationen können daher in unterschiedlicher Weise Informationen bereithalten, die auch für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode von Relevanz sind. Sofern im jeweiligen Einzelfall jedoch auch externe Kosten erfasst sind und sich dies in ausreichender Weise aus den Dokumentationen erkennen lässt, können diese Dokumentationen auch für die Recharge Methode hilfreich sein. Wie nämlich bereits oben erörtert, stellt eine entsprechende Erfassung einer Kostenposition für einen Geschäftsvorfall zugleich eine Zuordnung dieser Kosten zu einer Betriebsstätte dar. 1113 Ebenso kann bezüglich der Frage, wann die Kosten in zeitlicher Hinsicht zu ermitteln sind, auf die Ausführungen im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode verwiesen werden. Die OECD Verrechnungspreisrichtlinien lassen wie bei der Kostenaufschlagsmethode auch bei der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode Plan- und Sollkostenrechnungen ebenso wie Istkostenrechnungen zu. 1114 Probleme bezüglich möglicher Ungenauigkeiten insbesondere der Plan- und der Sollkostenrechnung müssen hier in gleicher Weise wie bei der Kostenaufschlagsmethode Berücksichtigung finden. Insofern sei daher auf die bereits oben erfolgten Erörterungen verwiesen. 1115 Die Eignung der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode ergibt sich daher ähnlich wie die Kostenaufschlagsmethode vor allem aus den Dokumentationen, die zur Ermittlung der jeweiligen Kostenbasis erstellt werden. Diese Dokumentationen können Informationen zu der Differenzierung zwischen Kosten aus externem Leistungsbezug und interner Wertschöpfung sowie spezifisch durch Erfassung dieser Kosten bei einer internen Leistung eine Kostenaufteilung auf verschiedene feste Niederlassungen und den Stammsitz enthalten. Diese Parallelen spiegeln sich auch in der Auffassung der OECD wider, wonach die Kostenaufschlagsmethode und die Wieder-
1112
Vgl. Greinert, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.106. 1113 Siehe bereits oben 4. Teil: II. 4. e) (3) (b) iv. 1114 OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.95; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 428 ff. 1115 Vgl. oben 4. Teil: II. 4. e) (3) (b) iv.
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Die Recharge Methode
verkaufspreismethode der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode gleichen. 1116 Diese potentielle Eignung der Dokumentationen muss sich auch auf solche beziehen, die die Ermittlung des Nettogewinns dokumentieren. Auch hier dürfen grundsätzlich nur solche Kosten und Erlöse berücksichtigt werden, die aus dem fraglichen Geschäftsvorfall herrühren. 1117 Dabei muss wiederum eine Aufteilung verschiedener Kosten und Erlöse dahingehend vorgenommen werden, wie sie den einzelnen Geschäftsvorfällen zuzuordnen sind. 1118 Ebenfalls gibt es keine klaren Hinweise dazu, welche Kosten und Erlöse genau zu erfassen sind, hier kommt es wiederum maßgeblich auf eine Vergleichbarkeitsanalyse an. 1119 Die Inhalte der entsprechenden Dokumentationen sind daher je nach Einzelfall in unterschiedlicher Weise geeignet, Hinweise für die Kostenbestandteile einer internen Dienstleistung und damit für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode zu geben. Insbesondere die Zuordnung beziehungsweise Aufteilung von Betriebsausgaben dürften jedoch wertvolle Hinweise dazu geben, welche festen Niederlassungen Kosten verursacht haben, also am Verbrauch beteiligt waren. Abschließend ist bezüglich der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode festzustellen, dass diese überhaupt nur für Zwecke der Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode geeignet ist, wenn als Basis auf die Kosten zurückgegriffen wird. Dabei kommt insbesondere den Dokumentationen, die zur Ermittlung der Kostenbasis erstellt werden, Bedeutung auch für die Recharge Methode zu. vi.
Geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode
Die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode ermittelt als Ausgangspunkt den Gewinn, der durch die internen Geschäftsvorfälle generiert
1116
Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.69. Siehe auch Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 350. 1117 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.78; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 385; Greinert, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.101 f.; Vögele/Raab, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 355. 1118 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.78; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 386. 1119 Vgl. im Einzelnen OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.79 ff.; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECDKapitel II Rz. 388 ff.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
wurde. 1120 Dieser Gewinn wird sodann in fremdvergleichskonformer Weise zwischen den an den Geschäftsvorfällen beteiligten Unternehmensteilen aufgeteilt. 1121 Die Aufteilung soll die durch die beteiligten Unternehmensteile übernommenen Funktionen und Risiken berücksichtigen und dem entsprechen, was unabhängige Dritte vereinbart hätten. 1122 Die OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 lassen grundsätzlich verschiedene Ansätze zur Gewinnaufteilung zu, wobei zwei besonders erörtert werden: Dabei handelt es sich um die Beitragsanalyse sowie die Restgewinnanalyse. 1123 Im Rahmen der Beitragsanalyse wird der Gewinn entsprechend dem Wert der Beiträge der beteiligten Parteien aufgeteilt. Sofern keine tatsächlichen Marktwerte ermittelt werden können, erfolgt die Aufteilung im Schätzwege. 1124 Die Restgewinnanalyse geht in zwei Schritten vor. Zunächst wird entsprechend den nicht einzigartigen Beiträgen der Parteien ein den Fremdvergleichsgrundsatz beachtender Gewinn zugeteilt. Der dann verbleibende Gewinn wird in einem zweiten Schritt zugeordnet, wobei es maßgeblich auf die Umstände im Einzelfall, also den individuellen Beitrag ankommt. 1125 Für die Gewinnaufteilung können grundsätzlich ver-
1120
Siehe dazu OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.124; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.225; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 465, 470. 1121 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.108; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.225. 1122 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.116; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.225; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 482, 501, 517; Greinert, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.129. 1123 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.118; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.226; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 508; Greinert, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.129; Wittendorff, Transfer Pricing and the Arm’s Length Principle in International Tax Law, 2010, S. 753. 1124 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.119; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.226; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 513, 516. 1125 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.121; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Kapitel 3 Rz. 3.226; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 519 f.; Greinert, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.131; Vöge-
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schiedene Kriterien oder Aufteilungsschlüssel berücksichtigt werden, sofern diese auf objektiven Daten beruhen. 1126 Praktisch relevant sind insbesondere Aufteilungsschlüssel, die aus einer Zahl oder einer variablen Größe bestehen können. 1127 Welcher Schlüssel gewählt wird, hängt wiederum von den Umständen des Einzelfalls ab. Wichtig ist nur, dass der gewählte Schlüssel mit der Erwirtschaftung des Gesamtgewinns zusammenhängt. 1128 Der gewählte Aufteilungsschlüssel muss also geeignet sein, den Wertschöpfungsbeitrag widerzuspiegeln. Als mögliche Schlüssel zählen die OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 unter anderem Vermögenswerte / Kapital, Ausgaben und Kopfzahlen auf. 1129 Zu untersuchen ist wiederum, inwiefern die Dokumentationen, die zur Ermittlung eines Gewinnes nach der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode erstellt werden, Informationen für die Kostenbestandteile der zu bewertenden Geschäftsvorfälle und damit auch der internen Dienstleistung beinhalten. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Gewinnaufteilung an für sich keine geeigneten Rückschlüsse für eine Kostenaufteilung ermöglicht. Wie bereits erörtert, ist der Recharge Methode ein Gewinnaufschlag und damit eine gewinnorientierte Betrachtung fremd. Des Weiteren spiegeln die für einen kostenbasierten Aufteilungsschlüssel ermittelten Ausgaben in der Regel nicht den Kostenanteil einer bestimmten Leistung wider. Vielmehr wird hierfür auf Gesamtausgaben einer bestimmten Ausgabenart geschaut. Die für einen kostenbasierten Aufteilungsschlüssel ermittelten und dokumentierten Ausgaben können daher für sich ebenfalls keinen Aussagewert für die Recharge Methode übermitteln. Allerdings könnten die gewählten Aufteilungsschlüssel zumindest für eine Kostenaufteilung anhand von Kostenaufteilungsschlüsseln im Rahmen der
le/Raab/Diessner, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel D Rz. 510. 1126 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.132; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 562. 1127 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.134; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 568. 1128 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.135; Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel II Rz. 570, 573; Greinert, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.134. 1129 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.135.
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
Recharge Methode verwendet werden. 1130 Dies setzt voraus, dass die gewählten Schlüssel den anteiligen Verbrauch der jeweiligen festen Niederlassungen näherungsweise widerspiegeln. Dies scheint zweifelhaft, da die für Zwecke der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode verwendeten Aufteilungsschlüssel einen Zusammenhang zu den jeweiligen Wertschöpfungsbeiträgen herstellen sollen. Hier besteht wiederum ein Konflikt zu der Recharge Methode, die eine verbrauchsorientierte Betrachtung vornehmen will. Dabei müssen Kostenverursachung im Sinne von mehrwertsteuerlichem Verbrauch und Gewinnverursachung nicht zwangsläufig gleich laufen. 1131 Beispielsweise würde ein gewinnorientierter, kostenbasierter Aufteilungsschlüssel Kopfzahlen der Personen, die ein Patent entwickelt haben, das gewinnbringend lizensiert wird, heranziehen. Maßgebliche Personen wären hierfür wohl vor allem Forscher in den verschiedenen beteiligten Unternehmensteilen. Diese Personen können auch für einen Kostenaufteilungsschlüssel im Rahmen der Recharge Methode herangezogen werden, der Kosten für forschungsbezogene Dienstleistungen aufteilen soll. In einem solchen Beispiel würde der Aufteilungsschlüssel auch für die Recharge Methode geeignet sein. Wandelt man das Beispiel jedoch dahingehend ab, dass an dem Lizensierungsgewinn beispielsweise auch die Patentabteilung sowie die Rechtsabteilung beteiligt waren, muss für Zwecke der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode ein anderer Aufteilungsschlüssel gefunden werden, der sich nicht nur an den Forschern orientiert. Solch ein Schlüssel wäre allerdings nicht zur Aufteilung forschungsbezogener Kosten im Rahmen der Recharge Methode geeignet, da die Patentabteilung entsprechende Leistungen nicht im Sinne einer verbrauchsorientierten Betrachtung nutzt. Dieses Beispiel zeigt, dass für Zwecke der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode gewählte Aufteilungsschlüssel durchaus aber nicht zwangsläufig geeignet sein können, auch eine verbrauchsorientierte Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode zu ermöglichen. Die Geeignetheit muss dabei im Einzelfall überprüft werden. Sofern für beide Zwecke geeignete Aufteilungsschlüssel gefunden werden können, lässt sich eine Vereinfachung insbesondere dahingehend erkennen, dass die für die Ermittlung des Schlüssels relevanten Daten für beide Zwe1130 1131
So wohl auch Merkx, EC Tax Review 2013, 282 (286 f.). Ähnliche Kritik wird auch bei Kosten als Aufteilungsschlüssel im Rahmen der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode geäußert, da Kosten nicht zwangsläufig in proportionalem Verhältnis zum Gewinn stehen, vgl. Greinert, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 5 Rz. 5.134.
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cke nur einmal ausgewertet werden müssen. Bereits die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode sieht eine umfangreiche Auswertung interner Daten vor. 1132 Bei Eignung des Aufteilungsschlüssels muss diese Auswertung auch im Rahmen der Recharge Methode ausreichen. Es muss dann nur noch der jeweilige Schlüssel auf die Kosten der extern bezogenen Dienstleistung angewendet werden, um eine an den Verbrauch angenäherte Zuordnung auf die verschiedenen festen Niederlassungen vorzunehmen. vii.
Zwischenfazit
Die vorangegangene Untersuchung hat gezeigt, dass Kostenzuordnung und Kostenaufteilung keine den Unternehmen unbekannten Konzepte sind. Einige Verrechnungspreismethoden sehen entsprechendes vor. Sofern demnach Unternehmen Verrechnungspreise anwenden, besteht die realistische Möglichkeit, dass es Dokumentationen gibt, die auch der Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode dienlich sein können. Dies gilt zumindest dort, wo der AOA Anwendung findet und somit auch zwischen Stammsitz und Betriebsstätten Verrechnungspreise ermittelt werden müssen. Einschränkend ist allerdings festzuhalten, dass die obenstehende Untersuchung, ob und inwiefern einzelne Verrechnungspreismethoden für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode geeignet sind, allenfalls näherungsweise Ergebnisse liefern konnte. Die oben erfolgte Untersuchung beschränkt sich nämlich auf die Methoden, wie sie in den OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 niedergelegt sind. Dies berücksichtigt nicht, dass es den einzelnen Ländern freisteht, diese Methoden überhaupt anzuerkennen, abzuwandeln oder ganz neue Methoden festzuschreiben. Fest steht allerdings, dass sich nationale Verrechnungspreisregelungen vielerorts zumindest im Ansatz an den OECD Verrechnungspreisrichtlinien orientieren 1133 oder zumindest vergleichbaren Grundsätzen folgen. Als Beispiel lassen sich hier insbesondere die Berichte des Joint Transfer Pricing Forums (JTPF) der Europäischen Union 1134 nennen. Bei seiner Arbeit orientiert sich das JTPF ausdrücklich an den OECD Verrechnungspreisrichtli1132
Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel II Tz. 2.141 ff.; siehe auch Dawid, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECDKapitel II Rz. 598 ff. 1133 Die OECD Verrechnungspreisrichtlinien dienen dann als Auslegungshilfe. 1134 Die Aufgabe des JTPF besteht darin, „der Kommission für praktische Probleme bei der Verrechnungspreisgestaltung in der EU pragmatische, nicht legislative Lösungen vorzuschlagen“, vgl. http://ec.europa.eu/taxation_customs/taxation/company_tax/ transfer_pricing/forum/index_de.htm (Stichpunkt Arbeitsweise) (aufgerufen am 16.12.2014).
315
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
nien. 1135 Im Übrigen finden sich häufig Verwaltungsschreiben oder Gesetze, die anlehnend an die OECD Verrechnungspreisrichtlinien entsprechende Regelungen auf nationaler Ebene festschreiben. In Deutschland beispielsweise geben die Verwaltungsgrundsätze des Bundesministeriums der Finanzen 1136 in nicht verbindlicher Form Hinweise zur Einkunftsabgrenzung und sehen als mögliche Bewertungsmethoden die drei bereits beschriebenen Standardmethoden vor. 1137 Ähnliches gilt für das österreichische Äquivalent. 1138 Daher kann den oben getroffenen Feststellungen und Aussagen zumindest im Grundlegenden eine gewisse länderübergreifende Gültigkeit zugesprochen werden. Im Allgemeinen kann daher festgestellt werden, dass einzelne Verrechnungspreismethoden beziehungsweise die dafür erstellten Dokumentationen Informationen zu der Zuordnung von Kosten enthalten sowie Anhaltspunkte zur Differenzierung zwischen Kosten für externen Leistungsbezug und interner Wertschöpfung geben können. Dies betrifft zunächst vor allem die Kostenaufschlagsmethode sowie die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode. Die Kostenaufschlagsmethode ermittelt stets, die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode bei Bezugnahme auf Kosten eine Kostenbasis, in der die mit der zu bewertenden Leistung zusammenhängenden Kosten erfasst werden sollen. Insbesondere die Kostenaufschlagsmethode liefert daher in der Regel Informationen sowohl zu den externen und internen Kostenbestandteilen einer Leistung als auch zu der Zuordnung auf verschiedene Betriebsstätten. Allerdings ist bei beiden Methoden nicht gewährleistet, dass stets alle Kosten aus externem Dienstleistungsbezug in die Kostenbasis aufgenommen werden. Die Kostenaufschlagsmethode liefert daher in der Regel Informationen, die für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode verwendet werden können. Gleiches gilt für die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode, sofern der Nettogewinn zu Kosten in Bezug gesetzt wird. Allerdings sind diese Informationen nicht immer vollständig, sodass die entsprechenden Dokumentationen nicht für alle extern bezogenen Dienstleistungen, auf die die Recharge Methode anzuwenden wäre, herangezogen werden können.
1135
Vgl. http://ec.europa.eu/taxation_customs/taxation/company_tax/transfer_pricing/foru m/index_de.htm (Stichpunkt Arbeitsweise) (aufgerufen am 16.12.2014). 1136 Bundesministerium der Finanzen, Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen (Verwaltungsgrundsätze) v. 23.2.1983, IV C 5-S 1341-4/83, BStBl. I 1983, 218. 1137 Tz. 2.2 Verwaltungsgrundsätze. 1138 Siehe Bundesministerium der Finanzen (Österreich), VPR 2010, Verrechnungspreisrichtlinien 2010 v. 28.10.2010, BMF-010221/2522-IV/4/2010, Tz. 1.2.1.
316
Die Recharge Methode
Des Weiteren besteht grundsätzlich auch bei Anwendung der Wiederverkaufsmethode die Möglichkeit, dass diese Informationen vor allem für die Abgrenzung externer Kosten von interner Wertschöpfung bereithält. Allerdings sind entsprechende Informationen nur unter bestimmten Voraussetzungen vorhanden, sodass die praktische Relevanz der Wiederverkaufsmethode für Zwecke der Recharge Methode eingeschränkt ist. Demgegenüber dürfte die Preisvergleichsmethode überhaupt nicht hilfreich sein. Schließlich können die Aufteilungsschlüssel, die im Rahmen der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode verwendet werden, auch für die Kostenaufteilung herangezogen werden, sofern dort auf Kostenaufteilungsschlüssel zurückgegriffen werden darf. Allerdings ist im Einzelfall zu untersuchen, ob der jeweils verwendete Schlüssel den Verursachungsgedanken bezogen auf die jeweilige extern bezogene Dienstleistung ausreichend beachtet. Folglich ist festzustellen, dass die im Rahmen der Verrechnungspreismethoden gesammelten Informationen auch für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode heranzuziehen sind. Jedoch hängt dies von den Umständen des Einzelfalls ab. Zudem werden die Informationen in der Regel nicht vollständig sein, sodass sie allenfalls ergänzend herangezogen werden können. Unabhängig von diesen Feststellungen ergibt sich ein weiterer Vorteil aus der Verwendung von Verrechnungspreisdokumentationen für Zwecke der Recharge Methode. In aller Regel entsprechen die Dokumentationen der Unternehmen über die Ermittlung von Verrechnungspreisen nationalen Anforderungen. Diese Dokumentationen werden zudem regelmäßig durch die Finanzverwaltung geprüft. Soweit die Dokumentationen entsprechend den oben stehenden Voraussetzungen für die Recharge Methode verwendet werden können, kann in aller Regel auf die Stichhaltigkeit und Richtigkeit der Informationen vertraut werden. Dies betrifft auch die Fremdüblichkeit der festgesetzten Preise. Bei Festlegung von Verrechnungspreisen für Zwecke der Ertragsbesteuerung kommt es maßgeblich darauf an. Werden die einschlägigen Informationen daher auch für die Recharge Methode verwendet, kann darauf vertraut werden, dass die Kostenaufteilung fremdüblich ist und keine unangemessenen Gestaltungen gewählt wurden. (c)
Kostenumlagevereinbarungen und Konzernumlagen
Sofern der AOA zur Anwendung kommt, sind nunmehr als Folge der umfassenden Selbstständigkeitsfiktion auch Kostenumlagevereinbarungen (vgl. Kapitel VIII OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010) und Leistungsumlagen (vgl. Kapitel VII OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010) unter 317
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
Beteiligung von Stammsitz und Betriebsstätten möglich. 1139 Beide Umlageformen sind ausdrücklich in den OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 vorgesehen und folgen besonderen Regeln. Hier muss zunächst eine Differenzierung der Kostenumlagevereinbarungen zu sogenannten Leistungsumlagevereinbarungen getroffen werden. Maßgebliches Unterscheidungskriterium ist das Leistungsaustauschelement. Bei Leistungsumlagen werden innerhalb des Konzerns beziehungsweise im vorliegenden Kontext zwischen Stammsitz und Betriebsstätten Dienstleistungen gegen Entgelt erbracht. Es liegt also ein Leistungsaustausch vor. 1140 Die Besonderheit im Vergleich zu „normalen“ konzerninternen Dienstleistungen liegt darin, dass die Abrechnung dieser Leistungen zwischen den beteiligten Konzerngesellschaften nicht immer im Wege der Einzelabrechnung erfolgt, sondern Kosten zusammengefasst und unter Verwendung angemessener Schlüssel aufgeteilt werden können (sogenannten indirekte Preisberechnung). 1141 Der so bestimmte Preis muss wiederum dem Fremdvergleichsgrundsatz gerecht werden. Üblicherweise sind hierzu die bereits erörterten Verrechnungspreismethoden zur Bestimmung eines fremdvergleichskonformen Preises mit Gewinnaufschlag heranzuziehen. 1142 Die Zusammenfassung und Aufteilung der Kosten auf die Konzerngesellschaften beziehungsweise Betriebsstätten ist dann zulässig, wenn die für verschiedene interne Leistungen entstandenen Kosten nicht genau zugeord1139
Vgl. OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 212, 219; Kaeser, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 572, 574; Kroppen, in: FS für Norbert Herzig, 2010, S. 1071 (1083 f.). Zu den Begrifflichkeiten siehe beispielsweise Engler/Wellmann, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel N Rz. 116; Sieker, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 9 MA Rz. 277. 1140 Vgl. Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 6 Rz. 6.328; Greil, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel VII Rz. 7; Engler/Reinert, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel N Rz. 282; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. 2016, S. 599; Sieker, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 9 MA Rz. 277. 1141 Vgl. zu konzerninternen Dienstleistungen OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel VII Tz. 7.23 ff.; Greil, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel VII Rz. 10; Engler/Wellmann, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel N Rz. 117; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. 2016, S. 700; Sieker, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 9 MA Rz. 277. 1142 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel VII Tz. 7.31; Greil, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel VII Rz. 89; speziell die Kostenaufschlagsmethode kommt häufig zur Anwendung, vgl. Engler/Reinert, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel N Rz. 282.
318
Die Recharge Methode
net werden können. 1143 Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn Leistungsbündel erbracht werden, für die die anfallenden Kosten nicht ohne großen Aufwand auf die einzelnen Leistungen aufgeteilt werden können. 1144 Ebenso kann es vorkommen, dass eine Dienstleistung mehreren Konzerngesellschaften beziehungsweise Betriebsstätten nützt, die Kosten dafür aber nur einheitlich entstanden sind. 1145 Ähnlich den Kostenaufteilungsschlüsseln in den International VAT/GST Guidelines 1146 akzeptieren die OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 somit die näherungsweise Kostenzuordnung unter Anwendung von Kostenaufteilungsschlüsseln. 1147 Die zu verwendenden Schlüssel müssen dabei ähnlichen Voraussetzungen wie in den International VAT/GST Guidelines beschriebenen genügen. Das heißt, sie müssen die „kaufmännischen Aspekte des Einzelfalls berücksichtigen […], Schutzmechanismen gegen Manipulationen enthalten und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung folgen, sowie imstande sein, Vergütungen oder Kostenverrechnungen zu ergeben, die den tatsächlichen oder vernünftigerweise zu erwartenden Vorteilen für den Empfänger der Dienstleistung entsprechen“ 1148. Als mögliche Aufteilungsschlüssel werden der Umsatz und das eingesetzte Personal genannt. 1149 Im Vergleich dazu fehlt es bei Kostenumlagen an einem Leistungsaustausch. 1150 Vielmehr schließen sich mehrere Konzerngesellschaften beziehungsweise Betriebsstätten zusammen, um gemeinsam eine Leistung zu erbringen und daraus Vorteile zu ziehen. 1151 Letztlich teilen sich die 1143
Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel VII Tz. 7.24. Vgl. Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 6 Rz. 6.336; Engler/Reinert, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel N Rz. 293. 1145 Siehe Greil, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel VII Rz. 112. Siehe auch Wittendorff, Transfer Pricing and the Arm’s Length Principle in International Taxation, 2010, S. 516 f. 1146 Vgl. OECD, International VAT/GST Guidelines, April 2014, Chapter 3 Tz. 3.88. 1147 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel VII Tz. 7.23. 1148 OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel VII Tz. 7.23. 1149 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel VII Tz. 7.25. Siehe zur Auswahl geeigneter Schlüssel ausführlich Engler/Reinert, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel N Rz. 325 ff.; für weitere Beispiele siehe Greil, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECDKapitel VII Rz. 114. 1150 Vgl. Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 6 Rz. 6.329; Greil, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel VIII Rz. 23; Engler/Wellmann, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel N Rz. 118; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. 2016, S. 599. 1151 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel VIII Tz. 8.3; Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 1144
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Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
beteiligten Gesellschaften / Niederlassungen die Kosten für eine Leistung beziehungsweise müssen je einen angemessenen Leistungsbeitrag erbringen. 1152 Kostenumlagevereinbarungen dienen folglich der Zusammenlegung von Ressourcen und Fähigkeiten mit dem Ziel, einen anteiligen Vorteil aus der Gegenleistung zur gemeinsamen Leistungserbringung zu erzielen. 1153 Auf den jeweiligen Leistungsbeitrag muss dabei kein fremdvergleichskonformer Gewinn aufgeschlagen werden. 1154 Zugleich muss der jeweilige Leistungsbeitrag im Verhältnis zu dem anteiligen Nutzen aus der gemeinsamen Leistungserbringung stehen. 1155 Insofern muss der Fremdvergleichsgrundsatz gewahrt sein. 1156 Die Aufteilung der Leistungsbeiträge folgt keinen festen Regeln, jedoch wird in der Praxis häufig auf Aufteilungsschlüssel zurückgegriffen.1157 Dabei ist ein Aufteilungsschlüssel angemessen, wenn er im Verhältnis zu der Leistungserbringung und dem erwarteten Vorteil steht. Der gewählte Schlüssel muss demnach den Nutzen für die beteiligten Niederlassungen widerspiegeln. 1158 Vorgeschlagen werden insofern wiederum Umsatz-, Personal- und Kapitalschlüssel. 1159 Die Besonderheit von Kostenumlagevereinbarungen liegt jedoch nicht in der möglichen Verwendung von 2014, Kapitel 6 Rz. 6.329; Greil, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel VIII Rz. 18 f.; Engler/Freytag, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel O Rz. 2533; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. 2016, S. 599. 1152 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel VIII Tz. 8.3; Greil, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel VIII Rz. 18; Engler/Freytag, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel O Rz. 253; Sieker, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 9 MA Rz. 282. 1153 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel VIII Tz. 8.5; Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 6 Rz. 6.329, 6.342; Engler/Wellmann, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel N Rz. 118. 1154 Vgl. Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 6 Rz. 6.364; Greil, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel VIII Rz. 26; Engler/Freytag, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel O Rz. 297 f. 1155 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel VIII Tz. 8.3; Greil, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel VIII Rz. 30. 1156 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel VIII Tz. 8.8. 1157 Vgl. OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel VIII Tz. 8.19; Engler/Wellmann, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel N Rz. 118. 1158 Vgl. Baumhoff, in: Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Kapitel 6 Rz. 6.368 f.; Engler/Elbert, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel N Rz. 422. 1159 Vgl. insgesamt OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010, Kapitel VIII Tz. 8.19.
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Die Recharge Methode
Aufteilungsschlüsseln, sondern darin, dass kein Gewinn auf die Leistungsbeiträge aufzuschlagen ist. Daher wird im Folgenden nicht weiter explizit auf die Kostenumlagevereinbarungen eingegangen. Vielmehr wird sich die folgende Erörterung auf Aufteilungsschlüssel im Rahmen von sogenannten Konzernumlageverträgen beschränken. 1160 Sofern bei Vorliegen einer Leistungsumlage auf Aufteilungsschlüssel zurückgegriffen wird, um angefallene Kosten aufzuteilen, stellt sich wiederum die Frage, ob und inwiefern solche Kostenaufteilungsschlüssel auch für Zwecke der Recharge Methode verwendbar sind. Ein Aufteilungsschlüssel im Rahmen einer Leistungsumlage soll die Inanspruchnahme der Dienstleistung widerspiegeln. 1161 Es kommt demnach auf die Verwendung beziehungsweise die Nutzung an. 1162 Dies entspricht dem Verursachungsgedanken, wie er bereits im Rahmen des AOA erörtert wurde. Bedenkt man zudem, dass die hier beschriebenen Besonderheiten der sogenannten Leistungsumlage bei Anwendung des AOA gerade interne Leistungen (die sogenannten dealings) betreffen 1163, ist es denklogisch, dass auch eine Kostenzuordnung mit fremdvergleichskonformer Preisbestimmung ebenfalls dem Verursachungsgedanken folgt. Folglich kann parallel zu den oben getroffenen Feststellungen auch hier darauf geschlossen werden, dass Aufteilungsschlüssel im Sinne der OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 ebenso wie für die Recharge Methode verwendbare Aufteilungsschlüssel geeignet sein müssen, den Nutzen für die jeweilige Betriebsstätte beziehungsweise feste Niederlassung widerzuspiegeln. Aufteilungsschlüssel, wie sie im Rahmen der Leistungsumlage verwendet werden (sofern der AOA zur Anwendung kommt), können daher auch für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode relevant sein. Demgegenüber sind Fragen bezüglich der Kostenbasis, auf die der Aufteilungsschlüssel anzuwenden ist, im Gegensatz insbesondere zur Kostenaufschlagsmethode hier unproblematisch. Für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode würde nämlich nur der jeweilige Schlüssel herangezogen. Dieser wird dann aber nicht zwangsläufig auf die gleichen Kosten 1160
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Aufteilungsschlüssel für Kostenumlagen ebenso wie für Leistungsumlagen grundsätzlich den Nutzen für die beteiligten Gesellschaften widerspiegeln muss. Insofern folgen die Schlüssel gleichen Grundsätzen. 1161 Vgl. Greil, in: Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise Band II, OECD-Kapitel VII Rz. 113. 1162 Vgl. Engler/u.a., in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl. 2015, Kapitel N Rz. 117, 282, 323, 325. 1163 Vgl. OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22.7.2010, Part I Tz. 212.
321
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
wie bei Leistungsumlagen angewendet. Relevant ist insofern vielmehr die Bemessungsgrundlage der extern bezogenen Dienstleistung. Denn diese Kosten sind die für die Recharge Methode maßgeblichen, die in angemessener, dem Verbrauchsgedanken folgender Weise aufgeteilt werden müssen. Im Ergebnis können daher Kostenaufteilungsschlüssel, die im Rahmen einer Leistungsumlage verwendet werden, auch für Zwecke der Recharge Methode herangezogen werden, da der Schlüssel in beiden Fällen geeignet sein muss, den Nutzen für die jeweilige Betriebsstätte beziehungsweise feste Niederlassung widerzuspiegeln. Lediglich die Basis, auf welche der Schlüssel angewendet wird, ist eine andere. Im Rahmen der Recharge Methode kommt es hierzu auf die Bemessungsgrundlage der extern bezogenen Dienstleistung an. Sofern demnach Leistungsumlagevereinbarungen vorhanden sind, erleichtern die dafür verwendeten Aufteilungsschlüssel auch die Anwendbarkeit der Recharge Methode. (4)
Verrechnungspreise im Zollrecht
Auch das Zollrecht sieht Bewertungsmethoden für Leistungen vor.1164 Grundsätzlich könnte daher auch eine Untersuchung dieser Methoden auf ihre Geeignetheit für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode geboten sein. Allerdings soll der durch die OECD angedachte Rückgriff auf bereits vorhandene Dokumentationen und Informationen der Erleichterung dienen. Nicht jeder Steuerpflichtige, der die Recharge Methode anwenden müsste, fällt unter die Zollvorschriften. Diese kommen grundsätzlich nur bei Handel mit Drittstaaten zur Anwendung. Aus Sicht der MwStSyst-RL ist daher die Zahl der Steuerpflichtigen, die zugleich die Verrechnungspreisregeln aus dem Bereich der Ertragsbesteuerung anwenden, breiter. Eine Erleichterung kann daher nur für die Steuerpflichtigen eintreten, die feste Niederlassungen in Drittstaaten haben. Die praktische Rele-
1164
Vgl. beispielsweise in der Europäischen Union die Art. 29 ff. Zollkodex (Verordnung Nr. 2913/92 v. 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften) und Art. 150 ff. Zollkodex-DVO (Verordnung Nr. 2454/93 v. 2.7.1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften), die ebenfalls unter bestimmten Voraussetzungen Korrekturen der Bemessungsgrundlage vorsehen. Daneben seien die Regeln der WTO in dem Agreement on Implementation of Article VII of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994 zu nennen, die den Regelungen in dem Zollkodex und der DVO vergleichbar sind. Eine überblickartige Beschreibung der Verrechnungspreismethoden im Zollrecht findet sich bei Idsinga/Kalshoven/van Herksen, ITPJ 2005, 199 (204 ff.).
322
Die Recharge Methode
vanz der Bewertungsmethoden aus dem Zollrecht für die Recharge Methode ist daher sehr eingeschränkt. 1165 Des Weiteren weisen die Bewertungsmethoden große Ähnlichkeiten zu den eben beschriebenen Methoden aus den OECD Verrechnungspreisrichtlinien auf. 1166 Die eben getroffenen Feststellungen dürften sich daher weitestgehend hier wiederholen. Aus diesen Gründen sollen die Regeln über Verrechnungspreise im Zollrecht nicht weiter dahingehend untersucht werden, ob ihre Anwendung Informationen für Zwecke der Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode liefern könnte. (5)
Vereinbarkeit der Verrechnungspreisregelungen in der MwStSyst-RL, im Zollrecht und in den Ertragsteuern mit der Recharge Methode
Die vorangegangene Untersuchung hat gezeigt, dass Unternehmen aus verschiedenen Gründen Informationen zusammentragen und Dokumentationen erstellen, die teils auch bei der Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode hilfreich sein können. Zunächst kommen insofern freiwillige Kostenrechnungen in Betracht, die häufig in Unternehmen erstellt werden, um einen Überblick über die Abläufe im Unternehmen zu erlangen und Kontrolle ausüben zu können. Grundsätzlich sind entsprechende Kostenrechnungen geeignet, Anhaltspunkte für eine verursachungsgerechte Kostenaufteilung bei Anwendung der Recharge Methode zu liefern. Allerdings folgen solche Kostenrechnungen in der Regel keinen gesetzlichen Vorgaben. Daher muss in jedem Einzelfall untersucht werden, ob die jeweilige Kostenrechnung alle relevanten Kosten erfasst und zudem ausreichend durch die Finanzverwaltung verifiziert ist. Daneben sind solche Kostenrechnungen sowie andere Unterlagen in Unternehmen erforderlich, um die zur Verwendung von Kostenaufteilungsschlüsseln relevanten Daten zu ermitteln. Das Vorhandensein solcher Daten allein ist jedoch noch nicht ausreichend. Um geeignete Kostenaufteilungsschlüssel zu ermitteln, müssen diese Daten ausgewertet werden und zudem eine Auswahl der Schlüssel vorgenommen werden, die für die jeweilige extern bezogene Dienstleistung am besten den Verbrauch durch die festen Niederlassungen und den Sitz widerspiegeln.
1165
Vgl. mit einer ähnlichen Argumentation zur Mindestbemessungsgrundlage Lucas Mas, IVM 2008, 37 (45). 1166 Eine ausführliche Untersuchung zu der Vergleichbarkeit findet sich bei Ainsworth, in: Lang/Melz/Kristoffersson (Hrsg.), Value Added Tax and Direct Taxation, 2009, S. 821 (839 ff.).
323
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
Neben diesen freiwilligen und aus betriebswirtschaftlichen Gründen erstellten Unterlagen müssen Unternehmen, sofern sie grenzüberschreitend tätig werden, die Regeln zur Einkünfteabgrenzung im Bereich der Ertragsbesteuerung berücksichtigen. Insofern sei insbesondere auf die Einkünfteabgrenzung zwischen Stammsitz und Betriebsstätten nach Art. 7 OECD-MA verwiesen. Hierbei ist zwischen der eingeschränkten Selbstständigkeitsfiktion nach Art. 7 OECD-MA a.F. und dem AOA nach Art. 7 OECD-MA 2010 zu unterscheiden. Da die Regelungen in den OECD-MA stets einer Umsetzung in innerstaatliches Recht beziehungsweise des Abschlusses bilateraler Abkommen bedürfen, können zum jetzigen Zeitpunkt beide Ansätze in den nationalen Regelungen und Doppelbesteuerungsabkommen vorkommen. Die Geeignetheit der jeweiligen Ansätze lässt sich daher nicht umfassend für alle Sachverhalte ermitteln. Vielmehr kommt es stets darauf an, welcher Ansatz je zur Anwendung kommt. Bei der eingeschränkten Selbstständigkeitsfiktion nach Art. 7 OECD-MA a.F. wird der anteilige Gewinn des Stammsitzes und der Betriebsstätte in der Regel anhand der direkten Methode ermittelt. Dafür erfolgt eine getrennte Buchführung und Bilanzierung für die einzelnen Betriebsstätten. Diese Methode ermöglicht eine verursachungsgerechte Zuordnung von Aufwand, welcher entsprechende Rückschlüsse für Zwecke der Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode ermöglicht. Vollumfängliche Eignung als Informationsquelle für die Recharge Methode können getrennte Bilanzen jedoch nur liefern, sofern die für die Ermittlung fremdvergleichskonformer Preise herangezogenen Bewertungsmethoden ihrerseits ausreichend Informationen bereithalten, um eine Abgrenzung zwischen Aufwand und Gewinn zu ermöglichen. Daneben ist die Gewinnermittlung anhand der indirekten Methode möglich, wobei auf Aufteilungsschlüssel zurückgegriffen wird, um den Gewinn aufzuteilen. Die indirekte Methode in ihrer Reinform ist kaum relevant, da ein Schlüssel, der den Wertschöpfungsbeitrag einer Betriebsstätte widerspiegelt, nicht zwangsläufig auch den Verursachungsbeitrag externer Kosten berücksichtigt. Es bedarf daher zur Verwendung eines bestimmten Schlüssels stets einer entsprechenden Untersuchung. Jedoch wird in der Praxis häufig auf die sogenannte gemischte Methode Rückgriff genommen. Danach wird der anteilige Gewinn entsprechend der direkten Methode durch getrennte Buchführung und Bilanzierung ermittelt. Einzelne Erträge, Aufwendungen und Wirtschaftsgüter werden jedoch unter Verwendung von Aufteilungsschlüsseln zugeordnet. Diese Aufteilungsschlüssel, die bezogen auf Aufwendungen ebenfalls eine verursachungsbezogene Zuordnung bezwecken, können 324
Die Recharge Methode
auch als Kostenaufteilungsschlüssel für einschlägige Dienstleistungen im Rahmen der Recharge Methode verwendet werden. Der AOA nach Art. 7 OECD-MA 2010 ermittelt den anteiligen Gewinn ebenfalls auf Basis getrennter Buchführungen und Bilanzen. Insofern decken sich die Feststellungen, die bereits im Rahmen der eingeschränkten Selbstständigkeitsfiktion getroffen wurden. Die Besonderheit besteht hier darin, dass Leistungen zwischen Stammsitz und Betriebsstätten (sogenannte dealings) durch analoge Anwendung der OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 mit einem fremdvergleichskonformen Preis bewertet werden müssen. Dies führt zunächst dazu, dass die internen Leistungen wesentlich umfassender dokumentiert werden. Die Ermittlung der weiterverrechneten Leistungen für Zwecke der Recharge Methode wird dadurch erheblich erleichtert. Des Weiteren sind zur Bewertung der internen Leistungen die Verrechnungspreismethoden der OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 anwendbar. Einige dieser Verechnungspreismethoden benötigen Informationen, die auch für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode relevant sind. Sofern die jeweiligen Methoden angewendet werden, lassen sich daher ergänzende Rückschlüsse auch für die Recharge Methode ermitteln. Allerdings sind die für die Verrechnungspreismethoden relevanten Informationen insbesondere bezüglich der Kosten für den externen Dienstleistungsbezug häufig nicht vollständig. Da zudem nicht immer alle Methoden angewendet werden, kommt den Verrechnungspreismethoden daher nur eine ergänzende Informationsfunktion zu. Weitere Informationen können zudem vorliegen, wenn die extern bezogenen Dienstleistungen durch Leistungsumlage unter Verwendung von Aufteilungsschlüsseln verschiedenen Betriebsstätten zugeordnet werden. Die hier verwendeten Aufteilungsschlüssel sind auf einschlägige Dienstleistungen anwendbar. Demgegenüber lässt die Ermittlung objektiver Werte nach Art. 72 ff. MwStSyst-RL keine Rückschlüsse auch für die Kostenaufteilung bei Anwendung der Recharge Methode zu. Auch den Verrechnungspreisregeln im Zollrecht kommt aufgrund der eingeschränkten Anwendbarkeit nur eine entsprechend begrenzte Relevanz zu. Die hierbei gegebenenfalls relevanten Informationen dürften zudem kaum über das hinausgehen, was bereits bezüglich der Verrechnungspreise im Rahmen der Ertragsbesteuerung ermittelt wurde. Diese beiden Verrechnungspreisregime haben daher bezogen auf die vorliegende Untersuchung keine weitere Bedeutung. Abschließend lässt sich damit feststellen, dass ein Rückgriff auf bereits vorhandene Informationen möglich ist. Aufgrund des Zusammenspiels ver325
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
schiedener Informationsquellen sind diese auch geeignet, ein möglichst breites Bild von der Nutzung verschiedener extern bezogener Dienstleistungen zu geben. Dabei sind sowohl Informationen im Sinne einer Kostenträgeranalyse als auch Aufteilungsschlüssel vorhanden. f)
Zusammenfassung
Mit Blick auf eine mögliche Eingliederung der Recharge Methode in die MwStSyst-RL lässt sich zunächst feststellen, dass hinsichtlich allgemeiner Begrifflichkeiten auf das Begriffsverständnis der MwStSyst-RL Rückgriff genommen werden kann. Insbesondere der Begriff der festen Niederlassung ist insofern im Sinne der Auslegung des EuGH und der MwSt-DVO anzuwenden. Daneben müssen neue Regelungen geschaffen werden, die die (eingeschränkte) Steuerbarkeit der weitergeleisteten Dienstleistungen ermöglichen und die allgemeinen Regeln zu etwaigen Steuerbefreiungen und zum Vorsteuerabzug für anwendbar erklären. Demgegenüber können die bereits existierenden Regelungen in den Art. 26, 27 und 80 MwStSyst-RL nicht sinnvollerweise ausgeweitet werden, um zu ähnlichen Ergebnissen wie die Recharge Methode zu gelangen. Die genannten Regeln sind entweder auf Grund ihres Tatbestands oder ihrer Systematik nicht mit den besonderen Voraussetzungen, wie sie die Recharge Methode vorsieht, in Einklang zu bringen. Dies erstreckt sich jedoch nicht auf Informationen, die für Zwecke der Ertragsbesteuerung oder aus betriebswirtschaftlichen Gründen zusammengestellt werden. Mit gewissen Einschränkungen sind entsprechende Informationen geeignet, auch für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode Rückschlüsse zu erlauben. Es muss insofern kein neues Dokumentations- und Bewertungsregime geschaffen werden, das eine Überprüfung der gewählten Weiterverrechnung ermöglichen würde und den Anforderungen an eine angemessene Aufteilung genügt.
5.
Abschließende Beurteilung der Recharge Methode
Nachdem nunmehr untersucht wurde, inwiefern die Recharge Methode mit dem bestehenden System in Einklang zu bringen wäre, können an dieser Stelle einige abschließende Bemerkungen zur Recharge Methode im Allgemeinen und mit Blick auf die zuvor erarbeiteten Maßstäbe gemacht werden. Bereits zuvor wurde festgestellt, dass das Verbrauchsortprinzip sowie das Neutralitätsprinzip weitgehend durch die Recharge Methode verwirklicht werden. Verbleibende Beeinträchtigungen des Neutralitätsprinzips aufgrund unterschiedlicher Behandlung zwischen interner Wertschöpfung und exter326
Die Recharge Methode
nem Leistungsbezug können aufgrund der Natur der Recharge Methode als Ortsbestimmungsregel nicht beseitigt werden. Bisher offengelassen wurde, inwiefern Praktikabilitätsaspekte in diese Abwägung einfließen. Dies wurde insbesondere von der etwaigen Möglichkeit, auf bereits vorhandene Informationen zurückzugreifen, um eine Kostenaufteilung vornehmen zu können, abhängig gemacht. Nachdem dies im vorangegangenen Kapitel ausführlich untersucht wurde, kann nunmehr eine entsprechende Abwägung vorgenommen werden. Die vorangegangene Untersuchung hat gezeigt, dass es in der Regel aus verschiedenen Bereichen Informationen und Dokumentationen gibt, die auch zur Kostenaufteilung, sowohl anhand einer Kostenträgeranalyse als auch durch Verwendung von Kostenaufteilungsschlüsseln, verwendet werden können. Jedoch ist es sehr einzelfallabhängig, ob und in wie weit die jeweils vorhandenen Informationen tatsächlich verwendbar sind. Da aber aus verschiedenen Bereichen Informationen vorhanden sind, können diese sich häufig ergänzen und so ein umfassenderes Bild erlauben. Dies erhöht die Praktikabilität dieser Informationen dahingehend, dass sie umfangreiche Informationen für die Recharge Methode bereithalten. Zudem gehen die untersuchten Informationsquellen regelmäßig mit umfangreichen Dokumentationen einher, welche häufig einer Überprüfung durch die Finanzverwaltung unterliegen. Dadurch wird die Vertrauenswürdigkeit dieser Informationen weitgehend sichergestellt. Dies alles lässt hier den Schluss zu, dass in der Tat auf bereits vorhandene Informationen zurückgegriffen werden kann, um die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode zu erleichtern. Mit Blick auf Praktikabilitätsaspekte lässt sich somit eine Einschränkung des zusätzlichen Verwaltungsaufwandes insbesondere für die Steuerpflichtigen erkennen. Problematisch ist allerdings, dass auch die Zusammenstellung der untersuchten Informationsquellen, insbesondere die beschriebenen Verrechnungspreisdokumentationen, mit einem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand verbunden ist. Dieser wird durch Anwendung der Recharge Methode zwar nur geringfügig erhöht, indem nunmehr anhand der benannten Informationen die eigentliche Kostenaufteilung vorgenommen werden muss. Allerdings ist der bereits bestehende Verwaltungsaufwand nicht unerheblich. Hierbei handelt es sich jedoch um eine vorgelagerte Frage, die insbesondere die Verrechnungspreisdokumentation als solche betrifft und nicht die Recharge Methode. Soweit den Unternehmen gesetzlich vorgeschrieben wird, für Zwecke der Ertragsbesteuerung entsprechende Dokumentationen zu erstellen, entsteht der benannte Aufwand mit und ohne die Recharge Methode. Sofern die Informationen freiwillig zusammengetragen werden, kann ohnehin keine Unangemessenheit festgestellt werden. 327
Alternativvorschlag der OECD zur Ortsbestimmung – Die Recharge Methode
Darüber hinaus ist anzumerken, dass sowohl die Verrechnungspreisdokumentationen als auch die Anwendung der Recharge Methode für den Steuerpflichtigen nicht zu einem unangemessen hohen Aufwand gemessen am Zweck führen dürfen. Ziel sowohl der Recharge Methode als auch der Gewinnaufteilung für Zwecke der Ertragsbesteuerung ist eine angemessene Aufteilung der Besteuerungsrechte. Sowohl die Mehrwertsteuer als auch die Ertragssteuern wollen im Grundsätzlichen das Territorialitätsprinzip wahren und den jeweiligen Steueranspruch der Nationalstaaten gerecht verteilen. Die Verteilung muss dabei objektiven Kriterien, nämlich dem Verbrauch beziehungsweise dem Gewinnerwirtschaftungsbeitrag folgen, und kann nicht den Steuerpflichtigen zur Wahl freigestellt werden. Daher ist es grundsätzlich gerechtfertigt, die durch die Unternehmen durchgeführte Gewinnverteilung zu überprüfen und gewissen Voraussetzungen zu unterwerfen. Indem nunmehr Informationen, die zusammengestellt werden (müssen), sowohl im Bereich der Ertragsbesteuerung als auch der Mehrwertsteuer verwendet werden können, haben die Steuerpflichtigen die Möglichkeit, Synergien zu schöpfen und so effizienter zu arbeiten. 1167 Dabei steht es den Steuerpflichtigen frei, die erkannten Überschneidungen noch zu erweitern und die Informationserstellung aufeinander abzustimmen. Der Verwaltungsmehraufwand, der durch Einführung der Recharge Methode entstehen würde, ist daher bezogen auf Praktikabilitätsaspekte und gemessen am Zweck nicht übermäßig belastend für die Steuerpflichtigen. Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass der Rückgriff auf bereits vorhandene Informationen, die bei der Zuordnung der extern bezogenen Dienstleistungen auf die verschiedenen festen Niederlassungen hilfreich sein können, möglich ist. Dadurch wird der Aufwand insbesondere für Steuerpflichtige, aber auch für die Finanzverwaltung eingeschränkt. Der verbleibende Mehraufwand führt zu einer überschaubaren Mehrbelastung. Praktikabilitätsaspekte sprechen daher nicht ohne Weiteres gegen die Recharge Methode. Nach den bisherigen Feststellungen sprechen sowohl das Verbrauchsortprinzip als auch das Neutralitätsprinzip für die Anwendung Recharge Methode anstelle des Single-Entity-Ansatzes. Nunmehr kann darüber hinaus festgestellt werden, dass unter Praktikabilitätsaspekten der mit der Recharge Methode einhergehende Mehraufwand überschaubar bleibt, da in vielen Fäl1167
Ähnlich auch die Stellungnahme von Tax Executives Institute, Inc. (S. 5) im Rahmen der Konsultation der OECD v. 4.2.2013, veröffentlicht auf der Homepage der OECD am 5.8.2013, http://www.oecd.org/ctp/consumption/public-comments-internationalvat-gst-guidelines.htm (aufgerufen am 11.8.2014).
328
Die Recharge Methode
len ein Rückgriff auf bereits vorhandene Informationen möglich ist. Gemessen an dem Zweck der Recharge Methode, das Verbrauchsortprinzip und auch das Neutralitätsprinzip weitgehend zu verwirklichen, können noch bestehende Bedenken bezüglich des Mehraufwandes dem nicht entgegengehalten werden. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass Praktikabilitätsaspekte aus Sicht des Erbringers der externen Dienstleistung ebenfalls für die Recharge Methode sprechen. Insgesamt wird für die beteiligten Parteien das Risiko nachteiliger Folgen bei „falscher“ Zuordnung ebenso minimiert wie das Risiko doppelter (Nicht-)Besteuerung. Im Ergebnis ist die Recharge Methode, gemessen an den zuvor erarbeiteten Maßstäben, zu befürworten.
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5. Teil: Zusammenfassung und Fazit I.
Abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Zuordnung von Besteuerungsrechten ist von maßgeblicher Bedeutung für die nationalen Staaten, da so die staatliche Hoheit, Mehrwertsteuer auf eine Dienstleistung zu erheben, zugewiesen wird. Grundsätzlich soll dabei nur ein Staat das Besteuerungsrecht haben. Andernfalls würde eine Dienstleistung mehrfach mit Mehrwertsteuer belastet werden. Bei der Zuordnung von Besteuerungsrechten spielen die Ortsbestimmungsregeln eine wichtige Rolle, da die Besteuerung entsprechend der Mehrwertsteuersystematik dort erhoben wird, wo der Verbrauch der Dienstleistung stattfindet. Den geltenden Ortsbestimmungsregeln für Dienstleistungen in der MwStSyst-RL gelingt es dabei weitgehend, das Verbrauchsortprinzip zu berücksichtigen. Damit wird dem internationalen Konsens, wonach das Besteuerungsrecht dem Staat zuzuweisen ist, in dem der Verbrauch stattfindet, Rechnung getragen. Zugleich wird damit das Neutralitätsprinzip insbesondere in seiner Ausgestaltung als Wettbewerbsneutralität berücksichtigt. Die Belastung einer Dienstleistung mit Mehrwertsteuer erfolgt bei umfangreicher Beachtung des Verbrauchsortprinzips nämlich unabhängig von der Herkunft der Dienstleistung und des Dienstleistungserbringers. Des Weiteren wird dadurch das Gebot der Belastungsneutralität für den Endverbraucher beachtet. Daneben müssen die Ortsbestimmungsregeln aber auch dem Anspruch gerecht werden, einfach und rechtssicher anwendbar zu sein. Daher muss regelmäßig ein Ausgleich zwischen dem Verbrauchsortprinzip und dem Neutralitätsprinzip auf der einen Seite und Praktikabilitätsaspekten auf der anderen Seite gefunden werden. Die Ortsbestimmungsregeln in den Art. 43 ff. MwStSyst-RL werden diesem Anspruch weitgehend gerecht. Die vorangegangene Untersuchung hat aber gezeigt, dass die Zuordnung von Besteuerungsrechten auch in der Mehrwertsteuer zahlreiche Probleme aufwirft. Diese zeigen sich im geltenden Mehrwertsteuersystem nach der MwStSyst-RL insbesondere bei mehrfachansässigen Steuerpflichtigen auf Empfängerseite. Hier kann dem Ziel, das Besteuerungsrecht dem Staat zuzuordnen, in dem der Verbrauch stattfindet, nur eingeschränkt Folge geleistet werden. Dies folgt insbesondere daraus, dass häufig Wissen zur korrekten Zuordnung entsprechend des Verbrauchs fehlt. Zudem werden Dienstleistungen häufig durch den mehrfachansässigen Steuerpflichtigen an verschiedenen Niederlassungen genutzt. Da für eine Dienstleistung nur ein Ort der Dienstleistung bestimmt wird, fallen Besteuerung und Verbrauchsort 331
Zusammenfassung und Fazit
zwangsläufig auseinander. Zudem sieht das geltende System vor, unternehmensinterne Dienstleistungen innerhalb des mehrfachansässigen Steuerpflichtigen nicht zu besteuern. Die Nicht-Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen lässt das Verbrauchsortprinzip daher ebenfalls in Teilen unberücksichtigt. Sofern demnach im bestehenden Mehrwertsteuersystem der Verbrauchsort unberücksichtigt bleibt, ist zugleich das Neutralitätsprinzip betroffen, da der Dienstleistungsbezug und dessen Belastung mit Mehrwertsteuer nunmehr abhängig von der Herkunft des Dienstleistungserbringers sowie der Dienstleistung erfolgt. Allerdings hat eine umfassende Auslegung der einschlägigen Vorschriften in der MwStSyst-RL gezeigt, dass dieses Vorgehen grundsätzlich systemgerecht ist. Insbesondere eine wirtschaftliche Betrachtung gebietet, dass unternehmensinterne Dienstleistungen im gegenwärtigen System der MwStSystRL nicht steuerbar sind. Im Übrigen lassen sich bei einer entsprechenden Auslegung keine Konflikte zu anderen Regelungen der MwStSyst-RL feststellen. Vielmehr bestätigen diese das Ergebnis weitgehend. Mit Blick auf das Neutralitätsprinzip ist darüber hinaus anzumerken, dass eine Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen zumindest bei Steuerpflichtigen mit eingeschränktem Vorsteuerabzugsrecht zu einer Kumulation von Mehrwertsteuer führen würde. Dies widerspricht wiederum dem Neutralitätsprinzip, wonach der Endverbrauch proportional zum Preis und unabhängig von der Zahl der Zwischenstufen mit Mehrwertsteuer belastet werden soll. Die Nicht-Steuerbarkeit unternehmensinterner Dienstleistungen ist daher auch aus diesem Aspekt heraus zu befürworten. Zudem gebietet insbesondere das Interesse an einer effizienten, rechtssicheren und einfach anwendbaren Ortsbestimmungsregel, die geltenden Regeln in der MwStSyst-RL in entsprechend beschriebener Weise anzuwenden. Insbesondere lässt das geltende System kaum eine Aufteilung der Dienstleistungen auf verschiedene Dienstleistungsorte durch den Dienstleistungserbringer zu. Dies würde den Dienstleistungserbringer vor kaum überwindbare Schwierigkeiten stellen und dennoch in den seltensten Fällen dem Verbrauchsortprinzip Rechnung tragen. Daher wurde anschließend ein Vorschlag der OECD in den International VAT/GST Guidelines, nämlich die Recharge Methode, einer genaueren Prüfung unterzogen. Diese sieht die Besteuerung unternehmensinterner Dienstleistungen vor, sofern sie aus externem Leistungsbezug und nicht interner Wertschöpfung entstammen. Dabei wird dem mehrfachansässigen Steuerpflichtigen die Pflicht auferlegt, die extern bezogene Dienstleistung entsprechend dem Verbrauch durch seine Niederlassungen auf diese aufzuteilen. Die Weiterleistung wird sodann besteuert, wodurch eine Besteuerung am 332
Abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse
Ort des Verbrauchs erreicht und so das Verbrauchsortprinzip weitgehend beachtet wird. Zugleich wird die Gefahr der doppelten Belastung mit Mehrwertsteuer bei Steuerpflichtigen mit eingeschränktem Vorsteuerabzugsrecht beseitigt, indem der weiterleistenden Niederlassung bezüglich der Dienstleistungen, welche extern bezogen und dann weitergeleistet werden, ein umfassendes Vorsteuerabzugsrecht gewährt wird. Dadurch wird die Beeinträchtigung des Neutralitätsprinzips bei Steuerpflichtigen mit eingeschränktem Vorsteuerabzugsrecht beseitigt. Insgesamt trägt die Recharge Methode daher dem Neutralitätsprinzip umfassend Rechnung Des Weiteren hat eine umfassende Auswertung der Regelungen zur Abgrenzung von Besteuerungsrechten (insbesondere Art. 7 OECD-MA) in der Ertragsbesteuerung sowie der Verrechnungspreismethoden in den OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2010 gezeigt, dass die hierfür gesammelten Informationen grundsätzlich geeignet sind, auch für die Kostenaufteilung im Rahmen der Recharge Methode verwendet zu werden. Diese Informationen sind dabei teils geeignet, Rückschlüsse für eine Kostenträgeranalyse zu geben. Andere wiederum geben Hinweise für die Aufteilung zwischen externem Leistungsbezug und interner Wertschöpfung. Wieder andere Informationen können für die Verwendung von Kostenaufteilungsschlüsseln herangezogen werden. Zwar können insofern nicht alle Gewinnaufteilungsund Verrechnungspreismethoden gleichermaßen verwendet werden. Welche inwiefern geeignet sind, hängt dabei maßgeblich von den Umständen im Einzelfall und dem Vorgehen des jeweiligen Steuerpflichtigen ab. Dennoch hat die Untersuchung gezeigt, dass die Anwendung der Recharge Methode für den mehrfachansässigen Steuerpflichtigen nicht zu übermäßigem Verwaltungsmehraufwand führen würde. Da neben diesen Praktikabilitätsaspekten zudem dem Verbrauchsortprinzip und dem Neutralitätsprinzip weitgehend Rechnung getragen wird, ist die Recharge Methode bei mehrfachansässigen Steuerpflichtigen im Vergleich zum bestehenden System in der MwStSyst-RL zu befürworten. Allerdings werden die geltenden Ortsbestimmungsregeln dadurch nicht überflüssig. Sofern eine exakte Zuordnung einer Dienstleistung zu einer Niederlassung des Steuerpflichtigen möglich ist, soll diese auch weiterhin vorrangig zur Anwendung kommen. Die Recharge Methode muss insofern als korrigierende Auffangregel für die Fälle verstanden werden, bei denen eine das Verbrauchsort- sowie das Neutralitätsprinzip und Praktikabilitätsaspekte berücksichtigende Zuordnung im ersten Schritt nicht möglich ist. Insgesamt ist daher eine die bereits vorhandenen Ortsbestimmungsregeln ergänzende Regel im Sinne der Recharge Methode zu befürworten. 333
Zusammenfassung und Fazit
II.
Mögliche Einarbeitung der Recharge Methode in der MwStSyst-RL
Als Folge dessen stellt sich die Frage, wie die Recharge Methode in die MwStSyst-RL eingearbeitet werden kann. Diesbezüglich sei zunächst darauf hingewiesen, dass bereits bestehende Regelungen in der MwStSyst-RL nicht geeignet sind, in erweiterter Form die Recharge Methode umzusetzen. Dies betrifft insbesondere die Art. 26 und 80 MwStSyst-RL. Zwar kann demgegenüber Art. 27 MwStSyst-RL weitgehend zu ähnlichen Ergebnissen wie die Recharge Methode führen. Allerdings verfolgen Art. 27 MwStSyst-RL und die Recharge Methode im Ergebnis dennoch verschiedene Zwecke. Eine umfassende Anwendung des Art. 27 MwStSyst-RL könnte daher die Einführung der Recharge Methode nicht ersetzen. Im Übrigen müssten in die MwStSyst-RL mehrere Regelungen eingefügt werden, um die Recharge Methode umzusetzen. Zum einen umfasst dies eine Regelung, wonach bestimmte unternehmensinterne Dienstleistungen für steuerbar erklärt werden. Zum anderen muss eine Ortsbestimmungsregel eingefügt werden, die dem mehrfachansässigen Steuerpflichtigen die Aufteilung der extern bezogenen Dienstleistung auf seine Niederlassungen, sofern sie die Dienstleistung verwenden, gebietet. Darüber hinaus bleibt es den Steuerpflichtigen überlassen, Informationen, die bereits zwingend für Zwecke der Gewinnaufteilung bei den Ertragssteuern erstellt wurden, heranzuziehen, um die Aufteilung zu ermöglichen und zu verifizieren. Wie bereits erläutert, erfordert das Neutralitätsprinzip und der Charakter der Recharge Methode als korrigierende Ortsbestimmungsregel zudem eine ergänzende Vorsteuerabzugsregel, wonach dem mehrfachansässigen Steuerpflichtigen für Eingangsleistungen, die im zweiten Schritt der Recharge Methode unterfallen, ein umfassendes Vorsteuerabzugsrecht gewährt wird. Letztlich handelt es sich hierbei um eine Rückausnahme von der Einschränkung des Vorsteuerabzugsrechts bei Steuerpflichtigen mit nicht-steuerbaren oder nicht-steuerpflichtigen Ausgangsleistungen. Eine solche Regel verhindert die Kumulation mit Mehrwertsteuer, wodurch dem Neutralitätsprinzip Rechnung getragen wird. Zudem sollte die Methode auf internationale Sachverhalte beschränkt bleiben. Dies wird dem Charakter der Recharge Methode als korrigierende Ortsbestimmungsregel gerecht und vermeidet zusätzlichen Verwaltungsaufwand.
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Realisierbarkeit der Einführung der Recharge Methode
III. Realisierbarkeit der Einführung der Recharge Methode Trotz der für die Einführung der Recharge Methode sprechenden Aspekte bleibt fraglich, ob auf europäischer Ebene ein entsprechender Konsens gefunden werden kann. Vor allem die Gefahr der Doppel(nicht-)Besteuerung der Steuerpflichtigen aufgrund uneinheitlicher Handhabung der Aufteilungsregelungen im zweiten Schritt durch die Finanzbehörden dürfte insofern eine Hürde für die Einführung sein. Allerdings muss diesbezüglich vorgebracht werden, dass auch im bestehenden System die Gefahr der doppelten (Nicht-)Besteuerung aufgrund uneinheitlicher Anwendung der Ortsbestimmungsregeln besteht. Im Gegenteil wird dieses Risiko durch die Recharge Methode reduziert. Es verbleiben daher nur noch Bedenken bezüglich der praktischen Anwendbarkeit durch Behörden und Steuerpflichtige. Jedoch bestehen auch im jetzigen System zahlreiche Bedenken mit Blick auf Praktikabilitätsaspekte. Diese würden teils beseitigt und durch andere, der Recharge Methode immanente Probleme ausgetauscht. Letztlich muss eine Abwägung zwischen verschiedenen Problemen und Bedenken vorgenommen werden. Mit Verweis auf die umfangreiche Untersuchung eines möglichen Rückgriffs auf Informationen aus anderen Bereichen sollte nach der hier vertretenen Auffassung der Recharge Methode der Vorzug gegeben werden. Weiterhin zeigen neue Entwicklungen insbesondere auf digitalen Märkten die erhöhte Relevanz von Dienstleistungen. Vermehrt zentralisieren Unternehmen darüber hinaus ihre Einkaufstätigkeiten. Die Relevanz unternehmensinterner Dienstleistungen steigt damit immer mehr. Es besteht demnach erhöhter Anlass für die Mitgliedstaaten zu handeln, um weiterhin eine möglichst gerechte und am Verbrauchsortprinzip orientierte Zuordnung der Besteuerungsrechte zu gewährleisten. Dies gilt umso mehr, als die Recharge Methode Gestaltungen verhindern könnte, die mehrfachansässige Steuerpflichtige vornehmen können, um ihre Mehrwertsteuerbelastung zu verringern. Dies sollte für die Mitgliedstaaten ein nicht unbeachtlicher Anreiz für eine Neuregelung sein. Des Weiteren sei nochmals auf einen Vorschlag der Gruppe „Steuerfragen“ hinzuweisen, der im Rahmen der Änderungen der Sechsten MwSt-RL aufgekommen ist. Danach wurde ebenfalls die Steuerbarkeit extern bezogener und intern weitergeleisteter Dienstleistungen vorgeschlagen. 1168 Die Rech1168
Vgl. Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Steuerfragen“, Interinstitutionelles Dossier 2003/0329 (CNS), FISC 150, Brüssel, 4.8.2004, S. 4.
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Zusammenfassung und Fazit
arge Methode ist diesem Vorschlag gegenüber vergleichbar. Das Konzept der Besteuerung extern bezogener und intern weitergeleisteter Dienstleistungen ist daher den Mitgliedstaaten nicht völlig unbekannt. Auch dies erhöht die Möglichkeit der Umsetzung der Recharge Methode. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass der soeben beschriebene Vorschlag damals nicht umgesetzt wurde, da kein ausreichender Konsens gefunden werden konnte. Als dann zudem der EuGH in FCE Bank zu einem gegenteiligen Ergebnis kam, erachtete man die Frage wohl als erledigt. Es erscheint somit fraglich, ob heute ein entsprechender Konsens gefunden werden könnte. Dafür spricht neben den soeben beschriebenen veränderten faktischen Verhältnissen die Tatsache, dass die Recharge Methode als Vorschlag von der OECD ausgeht. Es wurde daher bereits ein Konsens auf übereuropäischer Ebene unter Beteiligung auch der Mitgliedstaaten gefunden. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieser Konsens auf Unionsebene wiederholen lässt. Bedenken ergeben sich jedoch diesbezüglich mit Blick auf den nichtverbindlichen Charakter der International VAT/GST Guidelines. Eine Einigung lässt sich regelmäßig einfacher erzielen, wenn sie nicht verbindlich ist. Zudem sehen die International VAT/GST Guidelines die Recharge Methode nur als eine von drei Alternativen vor. Hierin verdeutlicht sich wiederum die Schwierigkeit, bezüglich der Recharge Methode eine positive Einigung zu erzielen. Schließlich ist anzumerken, dass nicht alle Länder, in denen eine der Mehrwertsteuer vergleichbare Steuer erhoben wird, dem in der Europäischen Union umgesetzten Single-Entity-Ansatz folgen. Andere Länder, wie zum Beispiel die Schweiz, Australien oder Kanada wenden demgegenüber den Seperate-Entity-Ansatz in unterschiedlicher Ausgestaltung an. Diese Länder verfolgen demnach eine der Recharge Methode zumindest angenäherte Methode. Unabhängig davon, welche der Methoden letztendlich befürwortet wird, muss doch ein Konsens dahingehend gefunden werden, dass möglichst alle Länder einem Ansatz folgen. Nur so kann Doppel(nicht-)besteuerung und damit eine neutrale Mehrwertsteuer sichergestellt werden. Der erneute Verweis auf die International VAT/GST Guidelines verdeutlicht insofern diesbezügliche Bemühungen und die internationale Tendenz hin zu einem Seperate-Entity-Ansatz. Der europäische Richtliniengeber ist daher aufgefordert, entsprechend diesem – wenn auch unsicheren – Konsens Folge zu leisten.
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Realisierbarkeit der Einführung der Recharge Methode
Rechtspolitisch ist damit die Realisierbarkeit der Recharge Methode auf europäischer Ebene wahrscheinlicher geworden. Bedenken können dabei vielfach beseitigt werden. Zudem sprechen aktuelle Tendenzen dafür, dass sich auch die Europäische Union erneut veranlasst sieht, eine entsprechende Reform zumindest ins Auge zu fassen. Die Reformperspektiven hin zu der Einführung der Recharge Methode sind daher positiver zu bewerten als noch vor zehn Jahren, als erstmals auf Unionsebene ein vergleichbarer Vorschlag gemacht wurde.
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Stichwortregister Anknüpfung (siehe Leistungsort) Aufteilungsschlüssel 198, 217, 258 ff., 264 ff., 271 ff., 280 f., 309, 314 f., 317 Authorized OECD Approach (siehe Functionally Seperate Entity Approach) Belastungsneutralität 24 ff. Bemessungsgrundlage 171, 235 f., 242 ff., 265 ff. Bestimmungslandprinzip 16 ff. Betriebsstätte 224 ff., 268 Dienstleistung 77 f. − Empfang von 56 ff., 82, 110 ff., 131 ff. − Erbringung von 138 ff., 150, 211 ff. − externe 147 ff., 207 ff., 211 ff., 237 f. − grenzüberschreitende 17, 24, 59, 149 f., 209 f., 232 f., 241 − unentgeltliche (siehe Entgelt) − unternehmensinterne 141 ff. Direct Use-Ansatz 193 f. Direct Delivery-Ansatz 193 Dokumentationen 215 ff., 254 f., 257 ff., 286 f., 318 ff. Einnahmeerzielungsabsicht 43 Empfängerortprinzip 16 ff, 107 f., 130 Entgelt / (Un-)Entgeltlichkeit 233 ff., 253 FCE Bank 142 ff. Feste Niederlassung 90 ff. − aktive 104 f. − als Anknüpfungspunkt für Leistungsort 79, 81, 97 ff., 121 ff., 130 ff.
− autonome Leistungserbringung/-empfang 113 ff. − passive 105 ff. − personelle und sachliche Ausstattung 97 ff. − selbstständige Wirtschaftstätigkeit 120 ff. − Selbstständigkeit (siehe dort) Gewinn − Gewinnermittlung (siehe Verrechnungspreise) − Gewinnermittlung in der Ertragsbesteuerung 248 ff., 267 ff., 279 − Gewinnerzielungsabsicht 43 Gleichbehandlung 29 ff., 177 f. Herkunftslandprinzip 2, 17 International VAT/GST Guidelines 191 ff. Konzernumlage 313 ff. Kosten 215 ff., 229 ff., 242 ff., 247, 221 f., 261 ff. Kostenträgeranalyse 274 f., 277 Kostenumlagevereinbarung 313 ff. Leistungsfähigkeit 5, 9, 29 Leistungsort 40, 56 ff., 78 ff., 147 f. − Ansässigkeit 17, 83 − Bestimmungslandprinzip (siehe dort) − Empfängerortprinzip (siehe dort) − Feste Niederlassung (siehe dort) − gewöhnlicher Aufenthalt 128 ff. − Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit 81, 85 ff., 130 ff. 339
Stichwortregister
− Verbrauchsortprinzip (siehe dort) − Wohnsitz 83, 128 f. Mehrwertsteuerdurchführungsverordnung 92 ff. Mehrwertsteuergruppe 48, 153 f., 171 ff., 182 ff., 232 f. MehrwertsteuerIdentifikationsnummer 67 f., 69 ff. Nachhaltigkeit 44 Neutralitätsprinzip 18 ff., 63 ff., 81, 149, 159, 175 ff., 206, 211, 239 ff., 245 ff., 324 Normalwert 242 ff. OECD-Musterabkommen 224 ff. Organschaft (siehe Mehrwertsteuergruppe) Ortsbestimmung (siehe Leistungsort) Praktikabilität 32 ff., 59 ff., 68 f., 82, 109, 133, 139 ff., 180 f., 210, 223, 237, 244 Recharge Methode 194 ff., 322 ff. Rechtspersönlichkeit 116 ff., 156 ff., 184 Selbstständigkeit 44 ff., 115 ff., 121 ff., 179 f., 186 f. Single Entity-Ansatz 206, 219 f., 223, 324 Seperate Entity-Ansatz 144, 181, 204, 209, 330 Sitzortprinzip 17 Steuerbarer Umsatz 73 ff., 142 ff. − Austauschverhältnis 43, 73, 162 ff., 231, 233 − Dienstleistung (siehe dort) − einheitliche Leistung 137 − Entgeltlichkeit (siehe Entgelt) − Fiktion 168 ff., 230, 236 − Leistungsbündel 74 ff. 340
− Lieferung 166 ff., 177 − Rechtsverhältnis 154 ff., 188 − wirtschaftliche Tätigkeit (siehe dort) Steuerpflichtiger 39 ff., 79, 89 − Einnahmenerzielungsabsicht (siehe dort) − Mehrfachansässiger 55, 131 f., 140 ff. − Nachhaltigkeit (siehe dort) − wirtschaftliche Tätigkeit (siehe dort) Territorialität 6, 84 Unternehmenseinheit 54 f., 142, 183 Unternehmer (siehe Steuerpflichtiger) Ursprungslandprinzip 17 Verbrauch 7 ff., 27, 57 ff., 132 ff., 197 f., 277, 284 f. − Endverbrauch 6, 10, 12 f., 66 f. − gemischte Verwendung 57 ff. − mehrfache Verwendung 135 ff. − nicht-wirtschaftlicher 56 ff., 107, 168 ff., − privater 9, 15, 62 ff. − unternehmerischer 13 f. Verbrauchsortprinzip 5 ff., 11 ff., 59 ff., 68 f., 82, 84, 108, 121 138, 149, 174 f., 204 ff., 219 f., 324 Verbrauchsteuerprinzip 5 ff.,8 f., 26 Verhältnismäßigkeit 32 ff. Verrechnungsabrede 196, 218 f., 288 Verrechnungspreise 249 f., 266 f., 290 f. − Direkte Methode 271 f., 274 f.
Stichwortregister
− Functionally Seperate Entity Approach 282 f., 320 − Geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode 307 ff. − Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode 303 ff. − Indirekte Methode 271 f., 280 f., 320 − Kostenaufschlagsmethode 296 ff. − Preisvergleichsmethode 293 f. − Relevant Business Activity Approach 270 ff.
− Wiederverkaufsmethode 294 f. − Zollrecht 318 Vorsteuerabzugsrecht 169, 176, 199 ff., 206, 240 Wertschöpfung 151, 213 f., 238 f., 312 Wettbewerbsneutralität 22 f., 26, 31, 135, 206, 238 Wirtschaftliche Betrachtung 87, 99, 103, 117 ff., 152 ff., 160 ff., 184, 187, 275, 326 Wirtschaftliche Tätigkeit 42 ff., 53 ff., 66 ff. Zuordnung (siehe Leistungsort)
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