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German Pages 382 [383] Year 2014
JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 187
Martin Zimmermann
Das Aktiendarlehen Die Zuordnung von Aktionärsrechten im Spannungsfeld von Zivil-, Gesellschaftsund Kapitalmarktrecht
Mohr Siebeck
Martin Zimmermann, geboren 1974; Studium der Rechtswissenschaften in Bonn; 2000 LL.M. (University of Michigan) und Promotion (Bonn); 2002–2006 Tätigkeit als Rechtsanwalt und Syndikus; 2007–2013 Akademischer Rat a. Z. (Osnabrück); 2013 Habilitation; seitdem Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Mainz und Bochum.
e-ISBN PDF 978-3-16-153152-1 ISBN 978-3-16-153100-2 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2014 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Kirchheim/Teck aus der Garamond Antiqua gesetzt, von GuldeDruck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort Die vorliegende Abhandlung wurde im Sommersemester 2013 von der Juristischen Fakultät der Universität Osnabrück als Habilitationsschrift angenommen. Das im Frühjahr 2013 abgeschlossene Manuskript wurde für die Veröffentlichung aktualisiert und ergänzt, wobei neuere Literatur teilweise bis Anfang 2014 berücksichtigt werden konnte. Die Habilitationsschrift entstand während meiner Zeit als Assistent am Lehrstuhl von Herrn Professor Dr. Andreas Fuchs, dem mein besonderer Dank gilt. Er hat mich nach einigen Jahren in der anwaltlichen Praxis dazu ermutigt, die wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. Hervorheben möchte ich nicht nur die Förderung dieser Arbeit durch seinen hilfreichen fachlichen Rat und seine stetige Gesprächsbereitschaft, sondern auch seine wohlwollende und uneingeschränkte Unterstützung weit über den Rahmen dieser Abhandlung hinaus. Ich werde die Zeit an seinem Osnabrücker Lehrstuhl in bester Erinnerung behalten. Herrn Professor Dr. Lars Leuschner bin ich für das rasch erstellte Zweitgutachten sehr verbunden. Dank schulde ich auch den Kolleginnen und Kollegen an der Osnabrücker Fakultät und am Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht für die gute Zusammenarbeit. Meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Rolf Knütel, gebührt mein Dank für seine vielfältige, fachliche und persönliche Förderung, die er mir auch nach meiner Tätigkeit am Institut für Römisches Recht der Universität Bonn gewährt hat. Er war für mich auch in den letzten Jahren in zahlreichen Fragen ein geschätzter Gesprächspartner. Meinen Eltern und meinem Bruder gilt mein Dank für ihre fortwährende Unterstützung. Janna Friedrichs möchte ich herzlich danken für ihr Verständnis, ihren steten Rückhalt und ihre große Hilfe in allen Phasen der Habilitation. Osnabrück, im September 2014
Martin Zimmermann
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1: Einleitung und begriffliche Abgrenzung § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Gegenstand der Arbeit und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . B. Das Aktiendarlehen als Form der mittelbaren Beteiligung . . . . . . . . . . .
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§ 2 Begriffliche Abgrenzung und alternative Gestaltungen . . . . . . . . . . . . .
4
A. Wertpapierdarlehen, Wertpapierpensionsgeschäfte und verwandte Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung zu Pensionsgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verwandte Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Unregelmäßige Verwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Nießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. 4 . 4 . 6 . 8 . . 9 . 10 . 11
Kapitel 2: Grundlagen § 3 Erscheinungsformen des Wertpapierdarlehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 A. Das Zustandekommen von Darlehensverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Geschäftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Differenzierung zwischen Direkt- und Kommissionsgeschäft b) Anknüpfung an die aufsichtsrechtliche Einordnung . . . . . . . 2. Handeln in eigenem Namen und für eigene Rechnung . . . . . . . a) Unmittelbarer Vertragsschluss zwischen Darlehensgeber und -nehmer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Direktgeschäfte als Dienstleistung für einen Kunden . . . . . . 3. Handeln in fremdem Namen für fremde Rechnung . . . . . . . . . 4. Handeln in eigenem Namen für fremde Rechnung . . . . . . . . . .
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B.
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III. Organisierte Wertpapierdarlehenssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Wertpapierdarlehenssystem der Clearstream Banking AG IV. Gelegentliche und automatisierte Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . Typische Vertragsgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Standardisierung durch Musterverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen des BdB . . . . . . . 2. Das European Master Agreement for Financial Transactions . . 3. Das Global Master Securities Lending Agreement . . . . . . . . . 4. Das Master Securities Loan Agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Verwendung von Rahmenverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen und dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . 2. Mit der Verwendung von Rahmenverträgen verfolgte Zwecke . a) Die verschiedenen Formen des Netting . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zahlungsnetting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Novationsnetting. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Liquidationsnetting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der insolvenz- und bankaufsichtsrechtliche Hintergrund . . aa) Insolvenzrechtliche Behandlung des Liquidationsnettings . . . bb) Bankaufsichtsrechtliche Behandlung des Liquidationsnettings c) Nettingklauseln in den Musterverträgen . . . . . . . . . . . . . . aa) Rahmenvertrag des BdB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) EMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Weitere Rahmenverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterscheidung nach der Art der bestellten Sicherheit . . . . . . . .
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§ 4 Einsatzzwecke und Interessen der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 A. Vom Darlehensnehmer verfolgte Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Darlehensaufnahme zur Erfüllung von Lieferverpflichtungen aus dem Verkauf von Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überbrückung von Verzögerungen bei der Erfüllung . . . . . . . 2. Finanzierung von Leerverkäufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Funktionsweise und Einsatzzwecke von Derivaten im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Funktionsweise und Charakteristika. . . . . . . . . . . . . . . . bb) Von den Teilnehmern an derivativen Märkten verfolgte Ziele b) Einsatzmöglichkeiten von Leerverkäufen . . . . . . . . . . . . 3. Market Making. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B.
. . . . II. Strategische Darlehensaufnahme zur Erlangung des Stimmrechts . III. Sonstige mit der Darlehensaufnahme verfolgte Zwecke . . . . . . . . 1. Kurspflegemaßnahmen nach der Emission von Wertpapieren . 2. Liquiditätsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Darlehensgeber verfolgte Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Renditesteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 36 . . 37 . . 37 . . 38 . . . . . . . . . . .
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II. Darlehen mit Finanzierungsfunktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 III. Umgehung von Meldepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 C. Gestaltungen zum Nutzen von Darlehensgeber und -nehmer . . . . . . . . 47 § 5 Wirtschaftlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 A. Die historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 B. Darlehenskonditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 C. Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 § 6 Ökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 A. Die Bedeutung von Wertpapierdarlehen für die Marktliquidität . . . . . . I. Definition und Bedeutung von Marktliquidität . . . . . . . . . . . . . . 1. Der volkswirtschaftliche Nutzen von liquiden Märkten . . . . . . . . 2. Die Bedeutung der Mikrostruktur eines Marktes für dessen Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dimensionen der Marktliquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Finanzierungsfunktion von Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . B. Volkswirtschaftliche Bewertung von Leerverkäufen . . . . . . . . . . . . . . I. Unterscheidung zwischen gedeckten und ungedeckten Leerverkäufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswirkungen von Leerverkäufen auf die Marktliquidität . . . . . . . 1. Steigerung der Liquidität auf den Kassamärkten . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung von Leerverkäufen für die Liquidität von Terminmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Auswirkung von Leerverkäufen auf die Markteffizienz . . . . . . 1. Die Bedeutung der Informationseffizienz für die Markteffizienz 2. Die Modelle von Miller und Diamond/Verrecchia . . . . . . . . . . 3. Empirische Studien zum Einfluss von Leerverkäufen auf die Markteffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Empirische Daten aus der Zeit der Finanzkrise . . . . . . . . . . . . a) Die Studie von Beber/Pagano: Untersuchung der Leerverkaufbeschränkungen in 30 Staaten weltweit . . . . . . . b) Die Studie von Boehmer/Jones/Zhang: Beurteilung der Maßnahmen der SEC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Studie von Herinckx/Szafarz: Die Lage in Europa . . . . . 5. Nachteilige Effekte von Leerverkäufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Missbrauchsgefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Empty Voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Entkopplung von Stimmrecht und wirtschaftlichem Interesse . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 53 . 53 . 54 . . . .
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. 59 . 60 . 60 . . . .
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a) Von Hu und Black verwendete Definitionen . . . . . . . . . . . . b) Vom positiven zum negativen wirtschaftlichen Interesse . . . . 2. Der Einsatz von Aktiendarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Entkopplungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Ausnutzen des risikoentleerten Stimmrechts . . . . . . . . . . . a) Empty Voting bei positivem wirtschaftlichen Interesse . . . . . b) Empty Voting bei negativem wirtschaftlichen Interesse . . . . . II. Die ökonomische Rechtfertigung des one-share-one-vote-Prinzips 1. Der klassische Begründungsansatz: Aktionäre als Inhaber des Residualanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtfertigung des Aktionärstimmrechts. . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigung des Proportionalitätsprinzips . . . . . . . . . . . . c) Die Homogenität der Aktionärsinteressen . . . . . . . . . . . . . .
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aa) Heterogenität durch risikoentleerte Stimmrechte . . . . . . . . . . bb) Weitere Fallgruppen der Heterogenität . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Einwände gegen die Betrachtung von Aktionären als Restbetragsbeteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Begründungsansatz von Thompson und Edelman: Fehlerkorrektur durch die Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . III. Parallelen zu politischen Wahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die volkswirtschaftliche Beurteilung von Empty Voting und New Vote Buying . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nachteilige Wirkungen eines Handels mit entkoppelten Stimmrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beeinträchtigung der ökonomischen Funktion des Stimmrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hindernisse für einen funktionierenden Wettbewerb auf einem Markt für Stimmrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gefahr der adversen Selektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mögliche Effizienzvorteile eines Handels mit entkoppelten Stimmrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insider Decoupling: Ausgleich unterschiedlicher Risikopräferenzen von Insidern und diversifizierten Aktionären. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Effizienzsteigernde Wirkung des Stimmenhandels in Übernahmesituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stimmenkauf durch besser informierte Aktionäre bei asymmetrischen Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Folgerungen für die Regulierung von Aktiendarlehen . . . . . . . . . . I. Bewertung von Leerverkäufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung des Empty Voting. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 3: Zivilrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung von Aktien § 7 Aktiendarlehen als Sachdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 A. Die dogmatische Einordnung des Sachdarlehens . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Sachdarlehen als Gebrauchsüberlassungsvertrag im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Überlassung eines Wertquantums auf Zeit als Geschäftszweck des Gelddarlehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umdeutung des Darlehens in ein kaufähnliches Geschäft? . . . 3. Das Gelddarlehen als Gebrauchsüberlassungsvertrag im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einordnung des Sachdarlehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Geltung gemeinsamer Grundsätze des Darlehensrechts . . . . . B. Typusmerkmale des Sachdarlehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überlassung des Darlehensgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflicht zur Eigentumsverschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflicht zur Belassung des Darlehensgegenstands . . . . . . . . . . . a) Die Belassungspflicht des Gelddarlehensgebers . . . . . . . . . aa) Schutzbedürfnis des Darlehensnehmers beim »entmaterialisierten« Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Belassungspflicht als Folge der dogmatischen Einordnung des Darlehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gesetzliche Anerkennung der Belassungspflicht durch § 108 Abs. 2 InsO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Folgerungen für das Gelddarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Belassungspflicht des Sachdarlehensgebers. . . . . . . . . . II. Vertretbare Sachen als Darlehensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . III. Rückerstattung von Sachen gleicher Art, Güte und Menge . . . . . 1. Die Pflicht zur Rückerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Identität von Art, Güte und Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zahlung eines Darlehensentgelts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Darlehensentgelt als Zins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zinsen als Entgelt für die Kapitalnutzungsmöglichkeit . . . . b) Keine Gattungsgleichheit von Zinsen und Kapital . . . . . . . c) Folgerung für das Sachdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das zinsrechtliche Akzessorietätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Sicht der Verfasser des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 98 . . 98 . . 98 . . 99 . . . . . . . .
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. 106 . 107 . . . . . . . . . . . . . .
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b) Vereinbarkeit von Akzessorietätsprinzip und Konsensualvertragstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 c) Vereinbarkeit von Akzessorietätsprinzip und Rechtsnatur des Darlehensvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
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d) Vereinbarkeit von Akzessorietätsprinzip und darlehensvertraglichem Synallagma . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltung des Akzessorietätsprinzips für das Sachdarlehen . . . . C. Synallagmatische Pflichten der Parteien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das entgeltliche Darlehen als gegenseitiger Vertrag . . . . . . . . . . II. Die mit der Zinszahlungspflicht des Darlehensnehmers im Synallagma stehenden Pflichten des Darlehensgebers . . . . . . . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Auswirkungen des zinsrechtlichen Akzessorietätsprinzips 3. Vereinbarkeit mit dem Darlehensrecht der Schuldrechtsreform D. Der Dauerschuldcharakter des Sachdarlehens . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Abgrenzung zu den Gebrauchsüberlassungsverträgen i. e. S. . . . . . . . F. Das Sachdarlehen als Verbraucherdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 8 Gegenstand des Aktiendarlehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 A. Die Sachqualität der verbrieften Mitgliedschaft . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Wertpapierbegriff des Wertpapierrechts . . . . . . . 2. Der Wertpapierbegriff des Kapitalmarktrechts . . . . . . 3. Der Funktionsverlust von Wertpapierurkunden . . . . . II. Die Sachqualität von girosammelverwahrten Aktien . . . . 1. Die Bedeutung der rechtspolitischen Diskussion . . . . 2. Miteigentum als vollwertiges Sacheigentum . . . . . . . . 3. Die Besitzposition des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . a) Relevanz für die Einordnung des Aktiendarlehens . b) Die Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes . . . .
B.
C.
aa) Besitzmittlungsverhältnis. . . bb) Besitzmittlungswille . . . . . . cc) Folgerung . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Vertretbarkeit von Aktien . . . . . . . I. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . II. Die Vertretbarkeit von Inhaber- und Namensaktien . III. Die Vertretbarkeit von vinkulierten Namensaktien . . Wertrechte als Sonderfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 9 Formerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 A. § 15 Abs. 3 i. V. m. § 15 Abs. 2 DepotG . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausnahme für weniger schutzbedürftige Darlehensgeber III. Anwendung der §§ 13, 15 DepotG auf Verleihaufträge . .
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XIII
Inhaltsverzeichnis
B.
§ 34a Abs. 4 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
§ 10 Die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen aus Aktiendarlehen mit Spekulationscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die zivilrechtliche Sichtweise: Der Spiel- und Differenzeinwand 2. Die kapitalmarktrechtliche Sichtweise: Schaffung und Erweiterung von Ausnahmetatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungszwecke des geltenden kapitalmarktrechtlichen Regimes . 1. Effiziente Risikoallokation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbesserung der Preisqualität durch Informationsarbitrage . . . 3. Fokussierung auf den Anlegerschutz durch Information . . . . . . III. Termingeschäfte als Spiel i. S. d. § 762 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Regelungszweck des Spieleinwands . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Tatbestand des § 762 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subjektiver Tatbestand: Beidseitige Spielabsicht . . . . . . . . . . c) Das Abgrenzungsmerkmal des wirtschaftlichen oder sonst anerkennenswerten Zwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Rechtsfolge des § 762 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Ausschluss des Termineinwands nach § 37e WpHG . . . . . . . . B. Die Anwendbarkeit des § 762 BGB auf synthetische Termingeschäfte . . I. Rechtslage vor Inkrafttreten des 4. FMFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Geltendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fortdauernde Relevanz der Einordnung synthetischer Termingeschäfte als Differenzgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Objektive Voraussetzungen des § 762 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 3. Subjektive Voraussetzungen des § 762 BGB . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Bedeutung des § 37e WpHG für synthetische Termingeschäfte . . . D. Verbotene Finanztermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
150 150 151 152 153 154 154 155 155 155 156 156 158 160 161 161 161 162 162 164 164 164 165 166 167
§ 11 Pflichten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 A. Pflichten des Darlehensnehmers . . . . . . . . . . . I. Die Vertragspraxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflicht zur Zinszahlung . . . . . . . . . . . . 2. Pflicht zur Bestellung von Sicherheiten . 3. Rückerstattungspflicht. . . . . . . . . . . . . II. Zahlung des Darlehenszinses . . . . . . . . . .
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167 167 167 168 169 170
XIV
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1. Das Darlehensentgelt als Zins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fälligkeit des Zinsanspruches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 609 BGB als dispositive Regelung. . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verhältnis von § 609 BGB und § 271 BGB . . . . . . . . . III. Bestellung von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rückerstattung der Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Pflichten des Darlehensgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Vertragspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Übereignung der Aktien durch den Darlehensgeber . . . . . . . . . 1. Der Aktionär als unmittelbarer Besitzer der Aktienurkunden 2. Aktien in Sonderverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aktien in Sammelverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Vertragspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rahmenvertrag BdB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. European Master Agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschluss des dispositiven Gesetzesrechts . . . . . . . . . . . . . II. Die Haftung für Mängel der Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendbarkeit der §§ 434 ff. BGB auf Sachdarlehen . . . . . . . 2. Bedeutung für das Aktiendarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Urkunde betreffende Sachmängel . . . . bb) Das Unternehmen betreffende Sachmängel III. Sonstige Ansprüche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . 2. Die Auswirkung von gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen .
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170 170 170 171 171 173 173 173 174 174 175 176 177 177 178 178 179 180 180 181 182 183 183 183 186 186 186
§ 12 Die zivilrechtliche Zuordnung der Aktionärsrechte . . . . . . . . . . . . . . 187 A. Die Vertragspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Zuordnung der Vermögensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Zuordnung der Verwaltungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Abspaltungsverbot als gesellschaftsrechtliche Vorgabe . . . 2. Die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer als zivilrechtliches Regelungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die mögliche Beeinträchtigung der Position des Darlehensgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beispiele für eine Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Verhältnis von möglichen gesellschaftsrechtlichen und zivilrechtlichen Schranken der Stimmrechtsausübung . . . . . d) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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187 188 189 189 189
. 189 . 189 . 189 . 190 . 191
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XV
II. Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ermächtigung durch den Darlehensgeber . . . . . . . . . . . . . . b) Freie Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer . . . 2. Folgerungen aus dem Vertragszweck des Aktiendarlehens . . . . . 3. Die Leistungstreuepflicht des Darlehensnehmers . . . . . . . . . . . a) Inhalt der Leistungstreuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begründung einer Leistungstreuepflicht aus der Zuordnung der Vermögensrechte zum Darlehensgeber . . . . . . . . . . . . . c) Begründung einer Leistungstreuepflicht aus der Rechtsnatur des Aktiendarlehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
191 191 191 192 193 194 195
aa) Ausgangspunkt: Das Aktiendarlehen als Gebrauchsüberlassungsvertrag i. w. S. . . . . . . . . . . . . . . bb) Pflichten des Darlehensnehmers hinsichtlich der gesamten Gattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vergleich von Aktiendarlehen und Aktiennießbrauch . . . . d) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterlassungspflicht des Darlehensnehmers . . . . . . . . . . cc) Abgrenzung zur Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtsfolgen eines Verstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
195 196
. . . 196 . . . . . . .
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197 197 199 199 200 201 202 4. Die Weiterveräußerung der Aktien durch den Darlehensnehmer 202 III. Privatautonome Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
§ 13 Vertragsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 A. Die Vertragspraxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 B. Die gesetzliche Regelung des Kündigungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung von Aktien § 14 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 A. Der aufsichtsrechtliche Rahmen für Aktiendarlehen . . . . . . . . . . . . . I. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktionen des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschluss und Vermittlung von Aktiendarlehen als Wertpapierdienstleistung im Sinne des WpHG . . . . . . . . . . . . 3. Das Pflichtenprogramm von Marktintermediären . . . . . . . . . . 4. Kapitalmarktrechtliche Vorschriften über die Zuordnung von Aktionärsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bankaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 208 . 209 . 209 . 210 . 211 . 213 . 214
XVI
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1. Abschluss und Vermittlung von Aktiendarlehen als Bankgeschäft oder Finanzdienstleistung im Sinne des KWG a) Einlagen-, Kredit- und Depotgeschäft . . . . . . . . . . . . . . b) Finanzkommissionsgeschäft, Anlagevermittlung, Abschlussvermittlung und Eigenhandel . . . . . . . . . . . . . 2. Bankaufsichtrechtliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wertpapierdarlehen als Kredite im Sinne des § 19 KWG . b) Anzeigepflicht nach § 24 Abs. 1 Nr. 11 KWG . . . . . . . . . c) Mindestanforderungen an das Risikomanagement . . . . . 3. Verbot der Kreditgewährung zum Kauf von Wertpapieren . III. Investmentrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geltung der für Wertpapierdienstleistungsunternehmen bestehenden Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erbringung von Wertpapierdienstleistungen . . . . . . . . . b) Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 WpHG . . . . . . . . . . . . . c) Entsprechende Geltung der Wohlverhaltenspflichten der §§ 31 ff. WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen an Darlehensgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . a) Beschränkungen für die Darlehensvergabe. . . . . . . . . . . b) Vorgaben zur Vertragsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorgaben zur Sicherheitenbestellung . . . . . . . . . . . . . . .
B.
aa) Zulässige Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umfang der Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere Vorgaben zum Inhalt von Darlehensverträgen . e) Organisierte Wertpapier-Darlehenssysteme . . . . . . . . . Die Regulierung von Leerverkäufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeinverfügungen der BaFin in den Jahren 2008–2010 . . 1. Leerverkaufsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Offenlegung von Netto-Leerverkaufspositionen . . . . . . . II. §§ 30h, 30i WpHG a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Leerverkaufsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bedeutung für Aktiendarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . 214 . . . 214 . . . . . . .
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215 216 216 217 217 218 219
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§ 15 Die kapitalmarktrechtliche Zuordnung der Aktionärsrechte . . . . . . . . 229 A. Die Beteiligungspublizität nach den §§ 21 ff. WpHG . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfasste Aktionärsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herkunftsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung auf Aktienemittenten . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zulassung der Aktien zum Handel an einem organisierten Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Stimmrechtsanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abstrakte Berechnung der Stimmrechte . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Zurechnung von Stimmrechten nach § 22 WpHG. . . . . . . . II. Gemeinschaftsrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Meldepflichten des Darlehensnehmers gemäß §§ 21, 22 WpHG . . . C. Die Meldepflichten des Darlehensgebers gemäß §§ 21, 22 WpHG . . . . I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Zurechnung der Stimmrechte des Darlehensnehmers . . . . . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwaltungspraxis der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG . . . . . . . . . a) Wirtschaftliche Zuordnung der Aktien zum Meldepflichtigen b) Stimmrechtseinfluss des Meldepflichtigen . . . . . . . . . . . . . . c) Weiterübertragung der Aktien durch den Darlehensnehmer .
231 232 233 234 235 235 237 237 239 239 239 239 240 241 241 243 244 aa) Zurechnung bei Kettendarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 bb) Auf die Beteiligungstransparenz bezogene Informationspflichten des Darlehensnehmers . . . . . . . . . . . . 245 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 3. Die Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG . . . . . . . . . 247 4. Der Grundsatz der doppelten Meldepflicht . . . . . . . . . . . . . . . 247 D. Die Meldepflichten des Darlehensgebers gemäß § 25 WpHG . . . . . . . . 248 I. Überblick und Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 II. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 1. Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 a) Erfassung außerbörslicher Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 b) Kein Verbriefungs- oder Fungibilitätserfordernis . . . . . . . . . 250 c) Termingeschäftseigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Sonstige Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 3. Einseitige Erwerbsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 4. Hypothetische Schwellenberührung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
E. F.
III. Zusammenrechnung mit nach §§ 21, 22 WpHG zu meldenden Stimmrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Inhalt der Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Meldepflicht des Darlehensgebers gemäß § 25a WpHG . . . . . Die Verpflichtung zur Abgabe eines Übernahmeangebots nach § 35 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Zurechnung der Stimmrechte des Darlehensnehmers . . . . . 1. Einheitliche Auslegung von § 22 WpHG und § 30 WpÜG . . . 2. Die Zurechnung nach § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Nr. 5 WpÜG
. . 254 . . 254 . . 256 . . . . .
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257 257 258 258 259
XVIII
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III. Befreiungsmöglichkeit nach § 37 Abs. 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Befreiung des Darlehensnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 2. Befreiung des Darlehensgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 § 16 Weitere kapitalmarktrechtliche Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . 262 A. Das Insiderhandelsverbot und das Verbot der Marktmanipulation . . I. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Nutzung der für Kunden gehaltenen Aktien für Darlehensgeschäfte C. Meldepflichten nach § 9 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Aufzeichnungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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262 263 263 264 265 266
Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung von Aktien § 17 Die gesellschaftsrechtliche Zuordnung der Aktionärsrechte . . . . . . . . . 267 A. Die gesellschaftsrechtliche Zuordnung der Vermögensrechte . . . . . . . . B. Die gesellschaftsrechtliche Zuordnung der Verwaltungsrechte . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Darlehensnehmer als Aktionär. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Empty Voting als gesellschaftsrechtliches Regelungsproblem . . . a) Die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer als Empty Voting. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ergebnisse der ökonomischen Analyse . . . . . . . . . . . . . 3. Regelungen, die heterogene Aktionärsinteressen erfassen sollen . a) Schranken für die Stimmrechtsausübung bei Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Stimmenkauf als Ordnungswidrigkeit nach § 405 AktG . c) Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Regelungen, die ein Auseinanderfallen von wirtschaftlichem Interesse und Stimmrecht erfassen sollen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das aktienrechtliche Proportionalitätsprinzip . . . . . . . . . . . b) Die Regulierung des Depotstimmrechts . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Bedeutung des Abspaltungsverbots für die Behandlung des Empty Voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schranken für die Stimmrechtsausübung im Innenverhältnis . . . . . 1. Die Bedeutung einer Bindung im Innenverhältnis für das gesellschaftsrechtliche Regelungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergleich mit der Stimmrechtsausübung durch einen Treuhänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
267 268 268 268 269 269 270 272 272 274 276 277 278 278 280 282 282 283
XIX
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3. Folgerungen für das Aktiendarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Behandlung atypischer Darlehensverträge . . . . . . . . . . . . . . 1. § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG als Ergänzung des Verbots des Stimmenkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Tatbestandsmerkmal des »Verschaffens« . . . . . . . . . . . . . 3. Das Tatbestandsmerkmal »Aktien eines anderen« . . . . . . . . . . a) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) bb) cc) dd)
Art. 249f S. 2 ADHGB (1884) . . . . . § 318 S. 2 HGB (1897) . . . . . . . . . . § 300 Nr. 2 AktG (1937). . . . . . . . . § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG (1965)
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. . . . b) Der Regelungszweck von § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG . aa) Der Schutz der Willensbildung in der Hauptversammlung . . bb) Die Folgen des Funktionsverlusts von Wertpapierurkunden für den Anwendungsbereich der Norm . . . . . . . . . . . . . . c) Die Wortlautgrenze der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schranken für die Stimmrechtsausübung im Außenverhältnis . .
. 284 . 285
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285 286 287 287 287 288 288 289 289 289
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291 291 293 293
1. Unwirksamkeit der Stimmrechtsausübung wegen Pflichtverletzung gegenüber dem Darlehensgeber? . . . . . . . . . . 2. Aus der Mitgliedschaft abzuleitende Stimmrechtsschranken . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schranken für die Stimmrechtsausübung beim Aktiendarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen pflichtwidriger Stimmabgabe . . . . . . . . . . . . . 3. Die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer als Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung von individuellem und institutionellem Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Zweck des Aktionärsstimmrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Einsatz von Aktiendarlehen zur Erreichung eines Quorums a) Das Lindner-Urteil des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grundsatz: Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer als Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . d) Sonderfall: Das treuhänderische Aktiendarlehen . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Emittentin als Partei eines Aktiendarlehens . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Emittentin als Darlehensgeberin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Emittentin als Darlehensnehmerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
293 295 295 299 300 302 302 303 305 306 306 308 309 310 311 311 311 312
XX
Inhaltsverzeichnis
§ 18 Aktienrechtliche Zurechnungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 A. Die Mitteilungspflichten nach §§ 20, 21 AktG I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . II. Mitteilungspflichten nach §§ 20, 21 AktG III. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Zurechnung nach § 16 Abs. 4 AktG . . . . C. Die Zurechnung nach § 20 Abs. 2 AktG . . . .
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313 313 313 314 315 316
Kapitel 6: Das Aktiendarlehen de lege ferenda § 19 Rechtspolitische Vorschläge und Gesetzgebungsvorhaben . . . . . . . . . . 317 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Optionen für die Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorschläge zur Regulierung von Hidden Ownership II. Vorschläge zur Regulierung von Empty Voting . . . . C. Gesetzesvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 20 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 A. Der strategische Einsatz von Aktiendarlehen als alleiniges Regelungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Erkenntniswert einer auf Aktiendarlehen beschränkten Bewertung C. Die praktische Bedeutung eines strategischen Einsatzes von Aktiendarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verhalten des Darlehensgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Aktiendarlehen und kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Aktiendarlehen und Stimmrechtsausübung de lege ferenda . . . . . . . . .
322 323 324 324 326 329 329 331
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
Kapitel 1
Einleitung und begriffliche Abgrenzung § 1 Einleitung A. Gegenstand der Arbeit und Gang der Untersuchung Wertpapierdarlehen sind Sachdarlehen im Sinne des § 607 BGB. Der Darlehensgeber verpflichtet sich, dem Darlehensnehmer gattungsmäßig bestimmte Wertpapiere für die Laufzeit des Vertrages zu überlassen. Der Darlehensnehmer unterliegt der Pflicht zur Zahlung des Darlehensentgelts und zur Rückübereignung einer entsprechenden Anzahl gleichartiger Wertpapiere bei Fälligkeit. Die Möglichkeit, derartige Darlehensgeschäfte abzuschließen, ist für das Funktionieren von hochentwickelten Kapitalmärkten elementar. Denn Wertpapierdarlehen führen nicht nur zu einer potentiellen Steigerung der Liquidität auf den Kassamärkten, sondern werden insbesondere auch zur Finanzierung von Leerverkäufen abgeschlossen, die wiederum entscheidend zur Liquidität von Terminmärkten beitragen. Dabei dienen Wertpapierdarlehen nicht nur, wie etwa bei der Finanzierung von Leerverkäufen, der Erfüllung von Lieferverpflichtungen. Aus Sicht des Darlehensnehmers können sie insbesondere auch strategisch, d. h. zur Beschaffung von Stimmrechten eingesetzt werden, die aufgrund des schuldrechtlichen Rückerstattungsanspruchs des Darlehensgebers von dem mit dem Halten der Wertpapiere sonst verbundenen wirtschaftlichen Risiko entkoppelt sind. Das Motiv des Darlehensgebers für den Vertragsschluss ist regelmäßig die Steigerung der Rendite seines Wertpapierportfolios, was insbesondere auf Kapitalanlagegesellschaften und andere institutionelle Investoren zutrifft. Aber auch für den Darlehensgeber kann sich ein strategischer Einsatz des Darlehens anbieten, wenn es darum geht, kapitalmarktrechtliche Meldepflichten zu umgehen, die an den jeweils gehaltenen Stimmrechtsanteil anknüpfen. Schon dieser kurze Hinweis auf die unterschiedlichen Zwecke, die mit Wertpapierdarlehen verfolgt werden können, zeigt, dass aus rechtlicher Sicht Aktiendarlehen von besonders großem Interesse sind. Denn insoweit spielt nicht lediglich die vertragliche Beziehung zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer eine Rolle. Darüber hinaus sind auch die Interessen der Gesellschaft selbst und der anderen Aktionäre in ihrer Rolle als Gesellschafter und Kapitalanleger sowie die Interessen der potentiellen Anleger zu berücksichtigen. Daher ist nicht nur eine zivilrechtliche Betrachtung geboten,
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Kapitel 1: Einleitung und begriffliche Abgrenzung
sondern auf zwei weiteren Ebenen auch die gesellschaftsrechtliche und die kapitalmarktrechtliche Rechtslage zu analysieren. Die zivilrechtliche Behandlung des Aktiendarlehens hat in einem ersten Schritt zu erfolgen, da sich die im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht stellenden Fragen sinnvoll nur dann beantworten lassen, wenn geklärt ist, wie die gesetzliche Struktur des Sachdarlehensvertrags beschaffen ist und welche privatautonomen Gestaltungsmöglichkeiten den Parteien überhaupt offenstehen.1 Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Regelungszwecke dieser Rechtsgebiete ist damit zu erörtern, wie und in welchem Umfang die in den Aktien verkörperten Vermögens- und Verwaltungsrechte (insbesondere das Stimmrecht) Darlehensgeber oder -nehmer zugeordnet sind. Im Mittelpunkt steht insoweit das in den letzten Jahren intensiv diskutierte Empty Voting, d. h. die Ausübung von Stimmrechten, die durch schuldrechtliche Gestaltung von dem wirtschaftlichen Interesse, das normalerweise mit dem Halten einer Beteiligung verbunden ist, entkoppelt und auf diese Weise „risikoentleert“ werden. Das Aktiendarlehen stellt keineswegs die einzige Möglichkeit dar, derart risikoentleerte Stimmrechte zu schaffen. Es unterscheidet sich aber dadurch von anderen Entkopplungstechniken, die jeweils zwei Transaktionen mit in der Regel unterschiedlichen Vertragspartnern voraussetzen, dass nur eine einzige vertragliche Vereinbarung erforderlich ist. Daraus ergibt sich weiter, dass der zivilrechtlichen Beurteilung dieses Vertragsverhältnisses entscheidende Bedeutung zukommt, und zwar, wie bereits erwähnt, auch als Vorfrage der gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Erörterung. Die Zuordnung von Aktionärsrechten steht im Zentrum dieser Arbeit. Dennoch betrifft die Darstellung über weite Strecken auch Fragen, die für alle Wertpapierdarlehen unabhängig von ihrem konkreten Gegenstand Bedeutung haben. Dies gilt vor allem für die in Kapitel 2 behandelten Grundlagen, namentlich das Zustandekommen von Darlehensverträgen, die Standardisierung durch Musterverträge, die Einsatzzwecke von Wertpapierdarlehen und den wirtschaftlichen Hintergrund des Darlehensgeschäfts. Dagegen betrifft ein der ökonomischen Analyse gewidmeter Abschnitt nicht nur die Bedeutung von Wertpapierdarlehen für die Marktliquidität und die Bewertung von Leerverkäufen, sondern schwerpunktmäßig die Entkopplung von Stimmrecht und wirtschaftlicher Beteiligung und damit ein ausschließlich bei Aktiendarlehen relevantes Thema. Die das Zivilrecht behandelnde Untersuchung in Kapitel 3 ist ebenfalls in Teilen für alle Arten von Wertpapierdarlehen relevant, insbesondere hinsichtlich der dogmatischen Einordnung als Sachdarlehen, des vertraglichen Pflichtenprogramms und der Vertragsbeendigung. Die Kapitel 4 und 5 sind kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtlichen Zuordnungsfragen und damit ausschließlich Aktiendarlehen gewidmet. Kapitel 6 ist schließlich der rechtspolitischen Bewertung vorbehalten. 1
So auch Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1370.
§ 1 Einleitung
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B. Das Aktiendarlehen als Form der mittelbaren Beteiligung Die darlehensweise Übertragung von Aktien lässt sich auf einer übergeordneten Ebene als die zwischen dem Eigentümer und einer weiteren Partei privatautonom vereinbarte Verteilung der Befugnisse und Lasten im Hinblick auf eine Sache beschreiben.2 Eine solche Aufteilung entspricht etwa dann den Interessen der Parteien, wenn der Eigentümer Vorteile, die ihm das Eigentum an einer Sache verschafft, möglicherweise dauerhaft (oder zumindest für bestimmte Dauer) nicht oder nicht in vollem Umfang nutzen kann oder will. Umgekehrt kann auch die andere Partei daran interessiert sein, nicht das volle Eigentum (oder jedenfalls dieses nicht auf Dauer) zu erhalten, etwa, weil sie nicht die volle Gegenleistung dafür erbringen möchte oder nur an einzelnen Befugnissen interessiert ist.3 Die Rechtsordnung stellt dafür eine Reihe von Gestaltungsformen zur Verfügung. Neben schuldrechtlichen Rechtsverhältnissen wie Miete, Pacht, Leihe, Treuhand oder Darlehen ist insbesondere auch der Nießbrauch als beschränktes dingliches Recht zu nennen. Sind Aktien Gegenstand des Geschäfts, sind die Interessen der Beteiligten im Regelfall nicht auf die konkreten Wertpapiere bezogen, die als vertretbare Sachen im Sinne des § 91 BGB4 letztlich austauschbar sind, sondern lediglich auf einen abstrakten Vermögenswert, der durch eine bestimmte Anzahl von Wertpapieren bestimmt wird, die der vereinbarten Gattung zugehören. Schon aus diesem Grund sind Gebrauchsüberlassungsverträge im engeren Sinn wie Miet-, Pacht- und Leihverträge über Aktien unüblich, anders als Sachdarlehens- und Treuhandverträge sowie der Nießbrauch an Aktien. Daneben können auch kombinierte Kauf- und Rückkaufverträge im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses eigener Art ähnlichen Zwecken dienen.5 Beziehen sich Treuhandvertrag oder Nießbrauch auf Gesellschaftsanteile, spricht man auch von einer mittelbaren Beteiligung des Treugebers oder des Nießbrauchers, die zwar nicht bei formaler, aber doch bei wirtschaftlicher Betrachtung Inhaber der Gesellschafterstellung sind.6 Bei der in der Praxis typischerweise anzutreffenden Ausgestaltung von Aktiendarlehensverträgen, die dem Darlehensgeber die in den Aktien verkörperten Vermögensrechte schuldrechtlich zuordnet,7 ist dieser bei wirtschaftlicher Betrachtung ebenfalls als Inhaber der Beteiligung anzusehen. In diesen Fällen stellt das Aktiendarlehen also eine Form der mittelbaren Unternehmensbeteiligung dar. Dies gilt jedenfalls solange, wie der 2
Grundlegend dazu auch Schön, Der Nießbrauch an Sachen, 1992, S. 1 f. Schön, Der Nießbrauch an Sachen, 1992, S. 1 f., der dies in Anlehnung an Heck, Grundriß des Sachenrechts, 1930, § 19, 4 (S. 74), auch als „Teilungsgedanke“ bezeichnet. 4 Siehe noch unten S. 142 ff. 5 Zur Abgrenzung zwischen solchen Pensionsgeschäften und Darlehen siehe sogleich S. 4 ff. 6 Siehe dazu statt aller MünchKommHGB/K. Schmidt, 3. Aufl. 2012, vor § 230 Rn. 1. 7 Zur Vertragsgestaltung siehe S. 187 f. 3
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Kapitel 1: Einleitung und begriffliche Abgrenzung
Darlehensnehmer die Aktien hält. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen dieser Arbeit auch der Vergleich des Aktiendarlehens mit Treuhand und Nießbrauch aufschlussreich.
§ 2 Begriffliche Abgrenzung und alternative Gestaltungen A. Wertpapierdarlehen, Wertpapierpensionsgeschäfte und verwandte Transaktionen I. Grundlagen Wertpapierdarlehen sind vor allem von Wertpapierpensionsgeschäften, aber auch von anderen verwandten Transaktionen abzugrenzen. Stellt man auf die rechtstechnische Ausgestaltung ab, handelt es sich dabei vor allem um die Unterscheidung zwischen Darlehensverträgen auf der einen und zwei kombinierten Kaufverträgen auf der anderen Seite. Von dem durch eine wirtschaftliche Sichtweise bestimmten Standpunkt der Praxis aus ist jedoch nicht so sehr die juristische Einordnung maßgeblich, da die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten trotz voneinander abweichender rechtlicher Einkleidung zu einem identischen wirtschaftlichen Ergebnis führen können. Bei dieser Betrachtungsweise kommt vor allem den von den Parteien verfolgten Zwecken für die Abgrenzung Bedeutung zu.8 In der vor allem in der Praxis verbreiteten, angloamerikanisch geprägten Terminologie wird unter dem Oberbegriff der Securities Finance9 unabhängig von der gewählten Transaktionsstruktur zwischen zwei Märkten unterschieden, die als cash driven und securities driven bezeichnet werden. Gemeint ist damit der im Vordergrund stehende wirtschaftliche Zweck, der entweder in der Refinanzierung einer Wertpapierposition (cash driven oder liquiditätsgetrieben) oder in der Erlangung von bestimmten Wertpapieren besteht (securities driven oder wertpapiergetrieben).10 In beiden Fällen erfolgt bei wirtschaftlicher Betrachtung eine zeitweilige Übertragung von Wertpapieren an die andere Partei.11 Im ersten Fall prägt der Zufluss von 8
Dazu auch Cahn/Ostler AG 2008, 221, 224. Gebräuchlich ist auch die Verwendung des Terminus Securities Lending (oder, in wörtlicher Übersetzung, der Begriff der Wertpapierleihe, dazu z. B. MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 8; Edelmann/Eller, Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäfte, 1996, S. 1 f.; Heinrich ZfgKw 1999, 1396, 1396; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 1; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.3; Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1414) als Oberbegriff für Wertpapierdarlehen, Wertpapierpensionsgeschäfte und verwandte Transaktionen. 10 Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 10 f., S. 13 f.; IOSCO Report, July 1999, S. 4 f.; Schäfer ÖBA 2000, 461, 461. 11 IOSCO Report, July 1999, S. 4. 9
§ 2 Begriffliche Abgrenzung und alternative Gestaltungen
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kurzfristiger, zu besseren Konditionen als sonst am Geldmarkt erhältlicher Liquidität12 das Geschäft, was insbesondere daran sichtbar wird, dass die gleichsam als Sicherheit eingesetzten Wertpapiere lediglich einer allgemein definierten, vor allem durch das Sicherungsbedürfnis des Liquiditätsgebers bestimmten Kategorie zugehören müssen (als general collateral bezeichnet).13 Im zweiten Fall ist die Transaktion durch das Interesse einer Partei charakterisiert, spezifische Wertpapiere zu erhalten, typischerweise, um damit eigene Lieferverpflichtungen gegenüber Dritten zu erfüllen, wie etwa bei der Finanzierung eines Leerverkaufs.14 Hier hat die Partei, welche die nachgefragten Wertpapiere zur Verfügung stellt, in der Regel kein Liquiditätsbedürfnis, sondern möchte mit ihrem Wertpapierportfolio lediglich eine Zusatzrendite erwirtschaften.15 Auch solche Geschäfte werden üblicherweise besichert, und zwar entweder durch die Übertragung von Geldguthaben oder von anderen, wiederum nur allgemein bestimmten Wertpapieren. Für jeden der beiden Märkte gibt es in vielen Ländern eine typische, traditionell eingesetzte Transaktionsstruktur, nämlich das Darlehen, wenn der Zugriff auf spezifische Wertpapiere im Vordergrund steht, und das Pensionsgeschäft, wenn der Refinanzierungszweck prägend ist.16 Zwingend ist diese Zuordnung jedoch nicht.17 So kann auch ein Pensionsgeschäft, also der Verkauf und Terminrückkauf eines Wertpapiers,18 dem Pensionsnehmer dazu dienen, die Wertpapiere zu erhalten, um eigene Lieferverpflichtungen zu erfüllen.19 Umgekehrt kann ein mit Geldguthaben besichertes Wertpapierdarlehen für den Darlehensgeber auch Finanzierungsfunktion haben.20 Letzteres gilt jedenfalls dann, wenn die Sicherheit im Wege der uneingeschränkten Vollrechtsübertragung bestellt wird, d. h., wenn der durch keine Sicherungs12
Schäfer ÖBA 2000, 461, 461. Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 13 f.; IOSCO Report, July 1999, S. 4. 14 Zu diesen Einsatzzwecken ausführlich S. 36 ff. 15 Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1163. 16 IOSCO Report, July 1999, S. 5; auf diese traditionelle Unterscheidung wird verbreitet auch in der deutschen rechtswissenschaftlichen Literatur abgestellt, so z. B. MünchKommHGB/Böcking/Becker/Helke, 3. Aufl. 2013, § 340b Rn. 1 (Einsatz von Pensionsgeschäften zur Liquiditätssteuerung); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.5. 17 Instruktiv die Tabelle bei Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 13 f. 18 Dazu sogleich S. 6 ff. 19 Cahn/Ostler AG 2008, 221, 222; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, BankrechtsHandbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 22; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 7.10; Schäfer ÖBA 2000, 461, 463. In diesem Fall wird typischerweise eine niedrigere Pensionsgebühr (oder repo rate) vereinbart als die bei regulären Pensionsgeschäften übliche, Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 11; Fabozzi/Mann, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 232 f. 20 Edelmann/Eller, Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäfte, 1996, S. 4 ff., rechnen derart besicherte Wertpapierdarlehen genauso wie Pensionsgeschäfte dem Geldmarkt zu. Siehe auch Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 22 Rn. 15. 13
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Kapitel 1: Einleitung und begriffliche Abgrenzung
abrede gebundene Sicherungsnehmer frei über die Sicherheit verfügen kann.21 Eine trennschärfere Abgrenzung ist dagegen möglich, wenn ein Wertpapierdarlehen mit anderen Vermögenswerten besichert wird, weil dann keine (unmittelbare) Zuführung von Liquidität erfolgt.22
II. Abgrenzung zu Pensionsgeschäften Pensionsgeschäfte sind in § 340b Abs. 1 HGB legaldefiniert als Verträge, durch die ein Kreditinstitut oder der Kunde eines Kreditinstituts (Pensionsgeber) ihm gehörende Vermögensgegenstände einem anderen Kreditinstitut oder einem seiner Kunden (Pensionsnehmer) gegen Zahlung eines Betrags überträgt und in denen gleichzeitig vereinbart wird, dass die Vermögensgegenstände später gegen Entrichtung des empfangenen oder eines im voraus vereinbarten anderen Betrags an den Pensionsgeber zurückübertragen werden müssen oder können. Nach § 340b Abs. 2 HGB liegt ein echtes Pensionsgeschäft dann vor, wenn der Pensionsnehmer verpflichtet ist, die Vermögensgegenstände zu einem bestimmten oder vom Pensionsgeber zu bestimmenden Zeitpunkt zurückzuübertragen. Ist er lediglich berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Vermögensgegenstände zu einem vorher bestimmten oder von ihm noch zu bestimmenden Zeitpunkt zurückzuübertragen, handelt es sich gemäß § 340b Abs. 3 HGB um ein unechtes Pensionsgeschäft. Auch wenn diese Definitionen einen auf die Bilanzierung23 beschränkten Anwendungsbereich haben, stimmen sie mit dem Begriffsverständnis überein, dass sich für die allgemeine Einordnung von Wertpapierpensionsgeschäften, und zwar auch von solchen, die zwischen anderen Parteien abgeschlossen werden, herausgebildet hat.24 Nach herrschender Meinung besteht das Pensionsgeschäft bei zivilrechtlicher Betrachtung aus einer Kombination von zwei Kaufverträgen, nämlich aus Sicht des Pensionsgebers aus einem Kassaverkauf und einem Terminrückkauf und aus Sicht des Pensionsnehmers aus einem Kassakauf und einem Terminrückverkauf.25 Dementsprechend werden die zu zahlenden Beträge 21 Diese Art der Besicherung ist nicht nur bei Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäften, sondern insbesondere auch bei Derivaten üblich, siehe dazu S. 171 f. – Zu diesem Aspekt auch Cahn/Ostler AG 2008, 221, 223, und Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 42 ff., der allerdings in Abweichung von der üblichen Terminologie von einer „integrierten Wertpapier- und Geldleihe“ spricht. 22 Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1163, weisen zurecht darauf hin, dass sich Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäft bei einer Barbesicherung stark annähern. 23 Dazu siehe z. B. MünchKommHGB/Böcking/Becker/Helke, 3. Aufl. 2013, § 340b Rn. 19 ff.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Wiedmann, 2. Aufl. 2008, § 340b Rn. 7 ff. 24 Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 33 f.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 12; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1211. 25 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, Vor § 488 Rn. 16; Cahn/Ostler AG 2008,
§ 2 Begriffliche Abgrenzung und alternative Gestaltungen
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als Kaufpreis und Rückkaufpreis (der sich aus dem Kaufpreis und der Pensionsgebühr zusammensetzt) bezeichnet.26 Wegen des von dem Pensionsgeber typischerweise verfolgten Zwecks, sich Liquidität zu verschaffen, wird jedoch auch die Ansicht vertreten, es handle sich um einen (Geld-)Darlehensvertrag; die Wertpapiere würden sicherungshalber übereignet.27 Die Zuordnung eines Pensionsgeschäfts zu einem bestimmten Vertragstypus kann freilich nicht losgelöst von der im konkreten Fall getroffenen Vereinbarung erfolgen.28 Wie soeben ausgeführt, lassen die von den Parteien verfolgten Zwecke keinen zwingenden Schluss auf die zivilrechtliche Qualifizierung des Geschäfts zu, da die unterschiedlichen Transaktionsstrukturen aus Praxissicht oft austauschbar sind. Die in Deutschland verwendeten Standardverträge gestalten Wertpapierpensionsgeschäfte ausdrücklich als verbundene Kaufverträge aus,29 so dass im Regelfall eine entsprechende Einordnung gerechtfertigt ist. Eine Besonderheit besteht allerdings in der typischerweise von den Parteien gewollten Verbindung der beiden Kaufverträge, die für eine Einordnung der Vereinbarung als Dauerschuldverhältnis und eine Anwendung der für diese geltenden Vorschriften in Ergänzung zu den §§ 433 ff. BGB spricht.30 Ob sich der Pensionsnehmer verpflichtet, diejenigen Wertpapiere zurückzuerstatten, die ihm vom Pensionsgeber übertragen worden waren, oder ob sich die Rückerstattungspflicht nur auf Wertpapiere gleicher Zahl und Art bezieht, ist durch Auslegung zu bestimmen; im Regelfall ist letzteres gewollt.31 Hat ein derartiges Pensionsgeschäft Aktien zum Gegen221, 222; Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 22; Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 772; Baumbach/Hopt/Hopt, 36. Aufl. 2014, Bankgeschäfte Rn. J/5; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.14; Hellner/ Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1212. Für die grundsätzliche Anwendbarkeit kaufrechtlicher Vorschriften auch Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 41 (gemischter Vertrag). 26 Dazu etwa Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.17. 27 Dies gilt vor allem für das Wechselpensionsgeschäft, dazu Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.15 Fn. 5; Schimansky/Bunte/Lwowski/Peters, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 65 Rn. 31. – Für eine generelle Einordnung des Pensionsgeschäfts als Darlehen Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 74. 28 So auch Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 27. 29 Dazu im Einzelnen Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 40 f.; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/ 1222 ff.; siehe auch Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 27. 30 Zutreffend Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 41 mit Hinweis auf § 314 BGB; zustimmend Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 27; im Ergebnis ähnlich Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 165 (Kaufrecht anwendbar auf Begründung und Abwicklung, Darlehensrecht hinsichtlich der Dauer des Geschäfts). 31 Dazu nur Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 18; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1212.
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Kapitel 1: Einleitung und begriffliche Abgrenzung
stand, lassen sich die Ergebnisse dieser Arbeit zur Zuordnung der Aktionärsrechte weitgehend übertragen.
III. Verwandte Transaktionen In gleicher Weise ist die zivilrechtliche Einordnung von verwandten Geschäften eine Auslegungsfrage. Zu nennen sind insoweit vor allem die sogenannten Repurchase Agreements (Repos) und Buy-/Sell-back-Geschäfte. Der Begriff Repurchase Agreement wird häufig deckungsgleich mit dem des Pensionsgeschäfts verwendet.32 In der Regel wird auch hier eine Kombination von Kassaverkauf und Terminrückkauf anzunehmen sein.33 Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass bei Repurchase Agreements stets nur Wertpapiere gleicher Zahl und Art zurückzuerstatten seien, während Pensionsgeschäfte auch anders ausgestaltet sein könnten.34 Auch Buy-/Sell-back-Geschäfte werden regelmäßig als verbundene Kaufverträge einzuordnen sein, die sich nach dem heute vorherrschenden Verständnis vor allem in der Berechnung von Kauf- und Rückkaufpreis von Pensionsgeschäften unterscheiden.35 Ein Kauf mit Wiederkaufsrecht des Käufers im Sinne des § 456 BGB unterscheidet sich schließlich vor allem dadurch von einem Darlehensvertrag, dass er sich nicht auf Sachen gleicher Art, Güte und Menge, sondern auf die ursprünglich verkaufte Sache bezieht.36
32 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, Vor § 488 Rn. 16; Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 144; Cahn/Ostler AG 2008, 221, 222; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 149 ff.; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 35; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 18; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.19; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1214; Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 80, 90; Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1415. 33 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 8; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.20; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1214; Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1415. 34 So insbesondere Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 18; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.21. 35 Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 147 f.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 17; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.23. Siehe im Übrigen Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 36 m. w. N. 36 Zur Abgrenzung siehe nur Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 601; MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 4.
§ 2 Begriffliche Abgrenzung und alternative Gestaltungen
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B. Unregelmäßige Verwahrung Nach § 700 Abs. 1 S. 1 BGB finden die §§ 488 ff. BGB und die §§ 607 ff. BGB auch dann Anwendung, wenn vertretbare Sachen in der Art hinterlegt werden, dass das Eigentum auf den Verwahrer übergehen und dieser verpflichtet sein soll, Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzugewähren. Nichts anderes gilt, wenn der Hinterleger dem Verwahrer gestattet, hinterlegte vertretbare Sachen zu verbrauchen (§ 700 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Auslegungsregel des § 700 Abs. 1 S. 3 BGB sieht ergänzend vor, dass sich Zeit und Ort der Rückgabe im Zweifel nach den Vorschriften über den Verwahrungsvertrag, d. h. nach den §§ 695, 697 BGB richten. Dies bedeutet insbesondere, dass dem Hinterleger mangels anderweitiger Vereinbarung gemäß § 695 S. 1 BGB ein Recht zur jederzeitigen Rückforderung zusteht. Den Hauptanwendungsfall der unregelmäßigen Verwahrung in der Praxis stellen aus Sicht der ganz h. M. Sichteinlagen dar, also insbesondere die auf einem Zahlungskonto i. S. d. § 675f Abs. 2 S. 1 BGB befindlichen Gelder.37 Der unregelmäßige Verwahrungsvertrag wird üblicherweise als Typenverschmelzungsvertrag eingeordnet, der Elemente von Darlehens- und Verwahrungsvertrag in sich vereint.38 Insbesondere erwirbt der Verwahrer wie ein (Sach-)Darlehensnehmer Eigentum an den hinterlegten Sachen; der Rückerstattungsanspruch des Hinterlegers hat dementsprechend den gleichen Inhalt wie der des Darlehensgebers. Für die hier interessierende Abgrenzung zum Darlehen wird traditionell darauf verwiesen, dass die unregelmäßige Verwahrung dem Interesse des Hinterlegers diene, während beim Darlehensvertrag die Hingabe der Darlehensvaluta zumindest auch im Interesse des Darlehensnehmers erfolge, was auch darin zum Ausdruck komme, von wem die Initiative zum Vertragsschluss ausgehe.39 Demgegenüber wird heute vermehrt die Auffassung vertreten, die unregelmäßige Verwahrung zeichne sich dadurch aus, dass sie aus Sicht des Hinterlegers primär der sicheren Verwahrung der hinterlegten Sachen bei jederzeitiger Verfügbarkeit diene, während für den Darlehensgeber die Renditeerzielung im Vordergrund stehe.40 Diese Abgrenzung ist schon wegen ihres Abstellens auf die gesetzliche Regelung in § 700 Abs. 1 S. 3 BGB überzeugender als die traditionelle Auffassung. Zudem 37 So z. B. BGH NJW-RR 2009, 979, 980; Derleder/Knops/Bamberger/Batereau, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 40 Rn. 9; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 3.36 ff.; MünchKommBGB/Henssler, 6. Aufl. 2012, § 700 Rn. 17; Staudinger/Reuter, Neubearbeitung 2006, § 700 Rn. 3; Schimansky/Bunte/Lwowski/Schürmann, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 70 Rn. 3, 26 f. 38 Siehe nur MünchKommBGB/Henssler, 6. Aufl. 2012, § 700 Rn. 2. 39 RGZ 1, 204, 207 f.; Bamberger/Roth/Gehrlein, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 700 Rn. 1; Erman/Herrmann, 13. Aufl. 2011, § 700 Rn. 1; Larenz, Schuldrecht II/1, 13. Aufl. 1986, § 58 (S. 460). 40 So insbesondere MünchKommBGB/Henssler, 6. Aufl. 2012, § 700 Rn. 3; Staudinger/ Reuter, Neubearbeitung 2006, § 700 Rn. 3.
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Kapitel 1: Einleitung und begriffliche Abgrenzung
vermeidet sie die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, die von den Parteien jeweils verfolgten Interessen bewerten und vom Einzelfall losgelöst einander gegenüberstellen zu wollen. Zur Erreichung der beim Aktiendarlehen vom Darlehensnehmer verfolgten Zwecke, insbesondere der Erfüllung eigener Lieferverpflichtungen,41 eignet sich die unregelmäßige Verwahrung wegen der nach den §§ 700 Abs. 1 S. 3, 695 S. 1 BGB bestehenden Möglichkeit der jederzeitigen Rückforderung durch den Hinterleger eher weniger. Sind Aktien oder andere Wertpapiere Gegenstand eines unregelmäßigen Verwahrungsvertrags, sind in Abgrenzung zu den verwahrungsrechtlichen Vorschriften des Depotgesetzes im Übrigen § 15 Abs. 1 DepotG (für den Fall des § 700 Abs. 1 S. 1 BGB) und § 13 Abs. 2 DepotG (für den Fall des § 700 Abs. 1 S. 2 BGB) zu beachten, nach denen die §§ 2 ff. DepotG keine Anwendung finden. Gemäß § 700 Abs. 2 BGB ist bei der Hinterlegung von Wertpapieren Voraussetzung für die Wirksamkeit des Vertrages, dass die Vereinbarung mit dem Inhalt nach § 700 Abs.1 BGB ausdrücklich getroffen wird.42 Mit den §§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 2 DepotG gelten für die unregelmäßige Verwahrung von Wertpapieren im Sinne des § 1 Abs. 1 DepotG allerdings Formvorschriften, neben denen § 700 Abs. 2 BGB kaum noch praktische Bedeutung entfaltet.43 Da nach § 15 Abs. 3 DepotG die Formvorschrift des § 15 Abs. 2 DepotG entsprechend gilt, wenn jemandem Wertpapiere im Betrieb seines Gewerbes als Darlehen gewährt werden, soll darauf bei der Erörterung der für das Aktiendarlehen geltenden Formvorschriften eingegangen werden.44
C. Treuhand Auch die auf Aktien bezogene fiduziarische Vollrechtstreuhand führt zu einer mittelbaren Beteiligung an der Gesellschaft. Bei einer solchen Treuhand ist der Treuhänder im Außenverhältnis zur Gesellschaft und den Mitgesellschaftern Aktionär, während er im Innenverhältnis einer Treubindung unterliegt; bei wirtschaftlicher Betrachtung ist der Treugeber als Gesellschafter anzusehen.45 Von allen Arten der fiduziarischen Treuhand unterscheidet sich das Sachdarlehen unter anderem dadurch, dass der Darlehensnehmer in dem Gebrauch der darlehensweise erhaltenen Sachen grundsätzlich frei46 und ge41
Siehe S. 36 ff. Nach zutreffender Ansicht ist diese Anforderung teleologisch auf die von dem Hinterleger abgegebene Erklärung zu beschränken, siehe nur MünchKommBGB/Henssler, 6. Aufl. 2012, § 700 Rn. 19; Staudinger/Hopt/Mülbert, 12. Aufl. 1989, § 607 Rn. 90; Staudinger/Reuter, Neubearbeitung 2006, § 700 Rn. 17. 43 Dazu MünchKommBGB/Henssler, 6. Aufl. 2012, § 700 Rn. 18 („Ihre Bedeutung reduziert sich weitgehend (…) auf die unregelmäßige Verwahrung durch Nichtbanken.“). 44 Zu den bei Aktiendarlehen zu beachtenden Formerfordernissen siehe S. 146 ff. 45 MünchKommHGB/K. Schmidt, 3. Aufl. 2012, vor § 230 Rn. 36. 46 Zu den Besonderheiten, die insoweit für das Aktiendarlehen gelten, siehe S. 194 ff. 42
§ 2 Begriffliche Abgrenzung und alternative Gestaltungen
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mäß § 607 Abs. 2 S. 1 BGB lediglich zur Rückerstattung von Sachen gleicher Art und Güte verpflichtet ist. Dem Darlehensnehmer stehen also hinsichtlich des Vertragsgegenstandes weitergehende Befugnisse zu als dem fremdnützigen und auch dem eigennützigen Treuhänder. Zudem hat die bei einem gesetzestypischen Sachdarlehen bestehende Pflicht des Darlehensnehmers gemäß § 607 Abs. 1 S. 2 BGB, als Gegenleistung für die Möglichkeit des Gebrauchs eine laufzeitabhängige Vergütung zu entrichten, bei der Treuhand keine Entsprechung. Unabhängig davon kann ein Aktiendarlehen durch entsprechende vertragliche Gestaltung einem Treuhandverhältnis angenähert werden. Zu denken ist insbesondere an eine Vereinbarung, die den Darlehensnehmer im Hinblick auf die Ausübung der in den Aktien verkörperten Rechte in bestimmter Weise an die Interessen des Darlehensgebers bindet. Ist diese Bindung eine umfassende, ein vollumfängliches Weisungsrecht des Darlehensgebers einschließende, handelt es sich nur der Bezeichnung nach um einen reinen Darlehensvertrag; die treuhandvertraglichen Elemente überwiegen in einem solchen Fall völlig.47
D. Nießbrauch Der Aktiennießbraucher ist nach den §§ 1068, 1030 Abs. 1 BGB dazu berechtigt, die Nutzungen der mit dem Nießbrauch belasteten Aktien zu ziehen, was insbesondere bedeutet, dass eine ggf. auf die Aktien entfallende Dividende dem Nießbraucher zusteht.48 Insoweit gleicht die Stellung des Aktiendarlehensgebers bei wirtschaftlicher Betrachtung der eines Nießbrauchers, da die in den Aktien verkörperten Vermögensrechte typischerweise schuldrechtlich dem Darlehensgeber zugeordnet werden.49 Ein wesentlicher Unterschied besteht freilich nicht nur darin, dass der Nießbrauch ein beschränktes dingliches Recht darstellt, sondern auch darin, dass bei einem derart ausgestalteten Darlehen der wirtschaftlich Berechtigte, also der Darlehensgeber, nach Beendigung des Vertrages auch formal das Aktieneigentum erlangt.
47 48 49
Zu einem derartigen Fall siehe noch S. 310 f. Siehe nur Staudinger/Frank, Neubearbeitung 2009, Anhang zu §§ 1068, 1069 Rn. 110. Dazu S. 187 ff.
Kapitel 2
Grundlagen § 3 Erscheinungsformen des Wertpapierdarlehens A. Das Zustandekommen von Darlehensverträgen I. Beteiligte Als Wertpapierdarlehensgeber treten in Deutschland wie auch international vor allem institutionelle Anleger wie Investment- und Pensionsfonds und Versicherungsunternehmen sowie Kreditinstitute und andere Finanzdienstleister, aber auch Privatanleger auf.1 In den meisten Fällen handelt es sich um langfristig orientierte Marktteilnehmer, die das Darlehensgeschäft vor allem zur Renditeverbesserung nutzen.2 Darlehensnehmer lassen sich ebenfalls nach den mit dem Darlehen verfolgten Zwecken kategorisieren.3 Damit gehören zum Kreis der typischen Darlehensnehmer Finanzdienstleister und gerade auch Hedge Fonds, die zur Verfolgung ihrer unterschiedlichen Anlagestrategien auf Wertpapierdarlehen angewiesen sind, insbesondere, um Leerverkäufe zu finanzieren.4 In vielen Fällen werden Darlehensverträge unmittelbar zwischen dem Eigentümer der Wertpapiere und den jeweiligen Darlehensnehmern abgeschlossen (im angloamerikanischen Raum als direct lending bezeichnet5). Da jedoch kein organisierter Markt für darlehensweise zur Verfügung gestellte 1 Dazu und zum Folgenden siehe v. a. Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 12 ff.; zu den Vertragsparteien auch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 601; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 46; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 7 ff.; Pulver, in: Reutter/Werlen, Kapitalmarkttransaktionen VI, 2011, S. 225, 232 f.; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 22 Rn. 9. – Zur Beginn der Entwicklung des Wertpapierdarlehensmarktes in Deutschland traten vor allem Geschäftsbanken als Darlehensgeber auf, Weissmann, Die Wertpapierleihe in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 26. 2 Duffie/Gârleanu/Pedersen 66 J. Fin Econ. 307, 310 (2002); Schäfer ÖBA 2000, 461, 468. Zu diesem Motiv und anderen möglichen Zwecken aus Sicht des Darlehensgebers siehe noch S. 46 ff. 3 Siehe unten S. 36 ff.. 4 Zu diesem Gesichtspunkt etwa Nazzaro, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 79. 5 Kiefer/Mabry, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 89.
§ 3 Erscheinungsformen des Wertpapierdarlehens
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Wertpapiere existiert, treten zwischen beide Parteien zumeist6 Intermediäre (v. a. Kreditinstitute), die durch die Bündelung der Wertpapierportfolios ihrer Kunden potentiellen Darlehensnehmern ein breiteres Angebot an Wertpapieren zu größeren Volumina machen können und umgekehrt auch Darlehensgebern mit kleineren Portfolios die Marktteilnahme ermöglichen.7 Der zuletzt genannte Gesichtspunkt erlangt dadurch besondere Relevanz, dass Darlehensnehmer Vertragspartner mit entsprechend großen Portfolios bevorzugen.8 Für Wertpapierinhaber mit weniger umfangreichen Beständen bietet sich daher vor allem die Inanspruchnahme der Dienstleistungen von Intermediären an, um Zugang zum Darlehensmarkt zu erlangen. Marktintermediäre unterscheiden sich unter anderem dadurch, ob sie in eigenem oder fremdem Namen und für eigene oder fremde Rechnung handeln.9 Gerade die in eigenem Namen und für eigene Rechnung handelnden Intermediäre übernehmen neben der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage weitere, für das Funktionieren des Darlehensmarktes wichtige Aufgaben, indem sie das Kredit- und Refinanzierungsrisiko tragen. Die Übernahme des Kreditrisikos (verstanden als Bonitäts- und Besicherungsrisiko) erlangt vor allem dann Bedeutung, wenn Darlehensgeber wie etwa Investmentfonds nur bereit sind, mit Darlehensnehmern zu kontrahieren, die einer staatlichen Regulierung unterliegen und ein (gutes) Rating aufweisen, was beispielsweise viele Hedgefonds ausschließen würde.10 Mit der Übernahme des Refinanzierungsrisikos durch einen Intermediär sind Fälle gemeint, in denen dieser mit der Anbieterseite unbefristete, jederzeit kündbare Darlehensverträge (at call) abschließt,11 während er auf der Nachfrageseite 6 Ambrosius/Franz, ZfgKw 2008, 196, 198 sprechen davon, dass sich international und in Deutschland das Agency-Modell, also der Vertragsschluss unter Beteiligung eines Intermediärs (zu der möglichen rechtlichen Ausgestaltung siehe noch S. 14 ff.), durchgesetzt habe. 7 Diese Funktion wird insbesondere von Kreditinstituten übernommen, die bereits als Depotbanken für ihre Kunden agieren; entsprechende Dienstleistungen werden aber auch von Kreditinstituten und sonstigen Intermediären angeboten, die ansonsten in keiner vertraglichen Beziehung zu den potentiellen Darlehensgebern stehen (third party agents), vgl. Nazzaro, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 79 ff.; siehe auch Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 12. 8 Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 19, zieht hinsichtlich der Größe der einzelnen Wertpapierpositionen eines Portfolios eine Grenze bei US$ 250.000. 9 Zu den international in Erscheinung tretenden Intermediären siehe Kiefer/Mabry, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 89 und die Übersicht bei Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 12 ff., der zwischen Agent Intermediaries und Principal Intermediaries unterscheidet. Einen Überblick über die verschiedenen Wege, die potentiellen Darlehensgebern zur Verfügung stehen, bietet Nazzaro, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 80 ff. 10 So ausdrücklich Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 16. 11 Darlehensgeber bevorzugen in der Regel jederzeit kündbare Verträge, um Verkaufsentscheidungen flexibel treffen zu können, Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 27.
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Kapitel 2: Grundlagen
Wertpapiere befristet, d. h. unter Ausschluss der Möglichkeit ordentlicher Kündigung, zur Verfügung stellt.12
II. Geschäftsarten 1. Grundlagen a) Differenzierung zwischen Direkt- und Kommissionsgeschäft Im Hinblick auf das Zustandekommen von Wertpapierdarlehensverträgen wird in der deutschen Literatur in Anlehnung an die angloamerikanische Terminologie üblicherweise zwischen dem sogenannten „Principal-Modell“ (auch als Direktgeschäft bezeichnet) und dem „Agent-Modell“ (oder Kommissionsgeschäft) unterschieden. Das Principal-Modell soll sich dadurch auszeichnen, dass die Beteiligten in eigenem Namen und für eigene Rechnung handeln,13 während im Rahmen des Agent-Modells ein Kommissionär als mittelbarer Stellvertreter14 auftritt. Eine derartige Einteilung sagt allerdings wenig darüber aus, ob neben den eigentlichen Parteien ein Dritter beteiligt ist und welche Funktion dieser erfüllt. So kann etwa auch an einem direkten Vertragsschluss zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer ein Vermittler beteiligt sein. Auch kann ein Handeln in eigenem Namen und für eigene Rechnung seine Grundlage durchaus in einem Kundenauftrag haben, d. h. als Dienstleistung für andere erbracht werden. Schließlich ist bei einem in eigenem Namen und für fremde Rechnung handelnden Intermediär maßgeblich, in welchem Umfang dieser das aus dem Geschäft resultierende wirtschaftliche Risiko übernimmt.
12 Darlehensnehmer sind, wenn sie mit dem Darlehen den Zweck verfolgen, Leerverkäufe zu decken (dazu S. 38 ff.), auf nicht ordentlich kündbare Darlehensverträge angewiesen, Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 16. 13 Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 33; Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 273 ff.; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 100; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 82; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 25; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 6 (etwas anders aber in Rn. 4: Principal-Modell, wenn nur zwei Parteien beteiligt sind); Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/ 1153 (Vertragsschluss „unmittelbar durch die beiden Marktteilnehmer“). 14 Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 33; Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 601; Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 153 ff.; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 85; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 82 f.; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 25; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 6 (der aber auch Geschäfte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung als „Agent-Geschäfte“ bezeichnet); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.27; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1154.
§ 3 Erscheinungsformen des Wertpapierdarlehens
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b) Anknüpfung an die aufsichtsrechtliche Einordnung Schon aus den soeben genannten Gründen erscheint es sachgerecht, in der nachfolgenden Darstellung danach zu unterscheiden, ob in eigenem Namen für eigene Rechnung, in fremdem Namen für fremde Rechnung oder in eigenem Namen für fremde Rechnung gehandelt wird, wobei das Handeln in eigenem Namen für eigene Rechnung noch danach eingeteilt werden kann, ob ein entsprechender Kundenauftrag zugrunde liegt. Aus dieser Einteilung wird die Parallele zum Effektengeschäft, verstanden als der Kauf und Verkauf von Wertpapieren für andere,15 ersichtlich. Wie auch bei diesem erfüllen beim Wertpapierdarlehensgeschäft in der Regel Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Funktion, Angebot und Nachfrage zusammenzuführen.16 Die dafür von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Möglichkeiten sind für beide Bereiche deckungsgleich. Eine entsprechende Untergliederung ist aber auch deshalb zu bevorzugen, weil die für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsunternehmen geltenden aufsichtsrechtlichen Vorschriften des WpHG und des KWG nach vorzugswürdiger Ansicht nicht nur den Kauf und Verkauf von Wertpapieren für andere erfassen, sondern gleichermaßen den Abschluss von Wertpapierdarlehensverträgen für andere.17 Dies gilt für die Definitionen des Finanzkommissionsgeschäfts (§ 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 WpHG und § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG), des Eigenhandels (§ 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WpHG und § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 4 KWG), der Abschussvermittlung (§ 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WpHG und § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 2 KWG), der Anlagevermittlung (§ 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 WpHG und § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1 KWG) und des Eigengeschäfts (§ 2 Abs. 3 S. 2 WpHG). Es liegt deshalb nahe, bei der Beschreibung der verschiedenen Geschäftsarten an die aufsichtsrechtliche Einordnung anzuknüpfen.
2. Handeln in eigenem Namen und für eigene Rechnung a) Unmittelbarer Vertragsschluss zwischen Darlehensgeber und -nehmer Mit dem Begriff „Direktgeschäft“ wird der unmittelbare Vertragsschluss zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer bezeichnet, die beide in eigenem Namen und für eigene Rechnung handeln. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn Kreditinstitute oder andere Wertpapierdienstleister Wertpapiere aus eigenen Beständen darlehensweise übertragen.18 Aufsichtsrechtlich ist 15 Dazu etwa MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 81 ff.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 4.1 ff.; Kümpel/Wittig/ Starke, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 17.1 ff. 16 Zu diesem Aspekt, bezogen auf das Effektengeschäft, siehe nur MünchKommHGB/ Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 3, 81. 17 Dazu unten S. 210 f. und S. 215 f. 18 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.28.
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Kapitel 2: Grundlagen
dies als Eigengeschäft (Nostrogeschäft) ohne Bezug zu einem Kundenauftrag im Sinne von § 2 Abs. 3 S. 2 WpHG zu qualifizieren.19 In der Praxis sind daneben auch unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen Parteien anzutreffen, die keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind. So veranstalten etwa einzelne Darlehensgeber, wie beispielsweise institutionelle Anleger mit großen Wertpapierbeständen, auf elektronischen Plattformen Auktionen, um angesichts der geringen (Preis-)Transparenz des Marktes für Wertpapierdarlehen den besten Preis für einzelne Wertpapiere oder den (exklusiven) Zugriff auf ganze Portfolios zu erzielen.20 Ein „direkter“ Vertragsschluss kann aber auch auf Vermittlung von (nicht als unmittelbare Stellvertreter21 handelnden) Dritten zustande kommen, die damit keine eigene Haftung für die Erfüllung des Wertpapierdarlehens übernehmen. Die Parallele im Effektengeschäft ist in der Anlagevermittlung zu sehen. Auf diese finden § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 WpHG und § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1 KWG Anwendung. Eine Vermittlung in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen – über eine reine Botentätigkeit hinausgehend – zur Zusammenführung der Parteien mit dem Ergebnis eines Vertragsschlusses beiträgt.22 Auf diese Weise wäre wohl auch das Schaffen eines Marktzugangs über elektronische Plattformen einzuordnen, der insbesondere im angloamerikanischen Raum von spezialisierten Dienstleistern angeboten wird.23 Ein weiteres Beispiel für eine Beteiligung Dritter ohne eigene darlehensvertragliche Verpflichtung ist die Einschaltung als Verwalter der von Darlehensnehmern bestellten Sicherheiten (Collateral Management Service).24 b) Direktgeschäfte als Dienstleistung für einen Kunden Daneben werden Wertpapierdarlehensverträge auch von Marktintermediären abgeschlossen, die in eigenem Namen und für eigene Rechnung handeln, die damit jedoch eine Dienstleistung für einen Kunden erbringen.25 Bei einem solchen Eigenhandel mit Finanzinstrumenten im Sinne von § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WpHG und § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 4 KWG übernimmt der Eigenhändler das Preis- und Kreditrisiko.26 Das in eigenem Namen und für eigene Rech19 Dazu etwa MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 116; Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 84 und 115. 20 Ausführlich Kiefer/Mabry, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 90 ff. 21 Dazu sogleich unter S. 17 f. 22 Statt aller Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 90 f. 23 Dazu noch S. 19. 24 Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 105 Rn. 3. 25 Dazu insbesondere Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 273 ff. 26 Zu § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WpHG statt aller Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 83 ff.
§ 3 Erscheinungsformen des Wertpapierdarlehens
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nung handelnde Wertpapierdienstleistungsunternehmen beabsichtigt dabei, seinerseits mit einem Dritten (wiederum in eigenem Namen und für eigene Rechnung) einen Darlehensvertrag über dieselben Wertpapiere abzuschließen.27 Der Kunde des Intermediärs und der Dritte sind bei wirtschaftlicher Betrachtung als die eigentlichen Darlehensgeber und Darlehensnehmer anzusehen; für diese besteht der Geschäftszweck im darlehensweisen Erwerb der Wertpapiere und im Erhalt des dafür geschuldeten Entgelts. Demgegenüber verfolgt der Intermediär selbst keine weitergehenden Zwecke als denjenigen, aus der Differenz zwischen den von ihm zu erbringenden und den an ihn fließenden Zahlungsströmen (Spread oder Geld-Brief-Spanne) Gewinn zu erzielen.28 Die Kundenbeziehung kann sowohl auf der Angebotsals auch auf der Nachfrageseite bestehen. So gehört das darlehensweise Zurverfügungstellen von Wertpapieren in diesem Sinne zu einer Gruppe von Dienstleistungen, die von Banken und anderen Finanzdienstleistern für Hedgefonds erbracht und als Prime Brokerage bezeichnet werden.29 Immer dann, wenn Marktintermediäre in eigenem Namen und für eigene Rechnung handeln, bedeutet dies, dass die Beteiligten, die bei wirtschaftlicher Betrachtung als die eigentlichen Darlehensgeber und Darlehensnehmer anzusehen sind, nicht in vertraglicher Beziehung zueinander stehen. Daher sind Kettendarlehensverträge, d. h. mehrfach hintereinander geschaltete Darlehensverträge, in der Praxis durchaus häufig anzutreffen. Kettendarlehensverträge weisen vor allem bei der zivil- und kapitalmarktrechtlichen Zuordnung von Stimmrechten Besonderheiten auf.30
3. Handeln in fremdem Namen für fremde Rechnung Ein Abschluss im Wege der unmittelbaren Stellvertretung, also ein Handeln in fremdem Namen für fremde Rechnung (Abschussvermittlung im Sinne von § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WpHG und § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 2 KWG) ist dagegen grundsätzlich unüblich.31 Auch insoweit kann eine Parallele zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren für andere gezogen werden, bei denen die unmittelbare Stellvertretung ebenfalls keine bedeutende Rolle spielt.32 Der wesent27 Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 275. 28 Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 10. 29 Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 17 f. – Befinden sich die von einem Kunden nachgefragten Wertpapiere im Bestand des Dienstleisters, erübrigt sich der Abschluss eines Darlehensvertrags mit einem anderen Anbieter. In diesem Fall handelt es sich um ein Nostrogeschäft. 30 Dazu insbesondere S. 202 f. und S. 244 f. 31 Dazu (für die Schweiz) Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 268. 32 Vgl. etwa Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 88; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 4.12.
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liche Grund dafür dürfte darin zu sehen sein, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen einen rechtsgeschäftlichen Kontakt ihrer Kunden zu Wettbewerbern nach Möglichkeit vermeiden möchten.33 Einen Sonderfall bilden insoweit allerdings Wertpapierdarlehenssysteme wie etwa das von der Clearstream Banking AG als Wertpapiersammelbank betriebene.34 Im Rahmen dieses Systems handelt die Bank im Namen und für Rechnung ihrer Kunden, vertritt also – unter Befreiung von dem Verbot des § 181 BGB – sowohl Darlehensgeber- als auch Darlehensnehmerseite im Wege der unmittelbaren Stellvertretung.35
4. Handeln in eigenem Namen für fremde Rechnung Aus Sicht von Wertpapierdienstleistungsunternehmen stellt das Tätigwerden in eigenem Namen und für fremde Rechnung, d. h. in mittelbarer Stellvertretung, die Alternative zum Eigenhandel im Kundenauftrag dar. Aufsichtsrechtlich ist dies als Finanzkommissionsgeschäft im Sinne von § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 WpHG und § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG einzustufen.36 Der Intermediär wird also als Kommissionär für seinen Kunden tätig. Das Vertragsverhältnis zwischen diesen Parteien ist als Kommissionsvertrag im Sinne der §§ 383 ff. HGB einzuordnen, die gemäß § 406 Abs. 1 S. 1 HGB auch dann Anwendung finden, wenn das für Rechnung des Kunden übernommene Geschäft nicht im Kauf oder Verkauf von Waren oder Wertpapieren besteht (uneigentliche Kommission).37 Der Kommissionär haftet grundsätzlich nicht für die Erfüllung des von ihm für Rechnung des Kommittenten abgeschlossenen Darlehensvertrags. Stattdessen schuldet er gemäß § 384 Abs. 1 HGB nur die Ausführung des Geschäfts mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns und nach § 384 Abs. 2 HGB die Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten. Der Kommittent trägt also insbesondere das Bonitätsrisiko; zudem kann der Kommissionär nach §§ 396 Abs. 2 HGB, 670 BGB Ersatz für seine Aufwendungen verlangen.38 In der Praxis wird häufig von der gesetzlich vorgesehenen Risikoverteilung abgewichen, indem etwa bei einem „Verleihauftrag“ der Kommissionär vertraglich das Bonitätsrisiko des Darlehensnehmers übernimmt und nach § 394 Abs. 1 Alt. 1 HGB (Delkrederehaftung) die Erfüllung von
33 Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 268; Kümpel/Wittig/Starke, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 17.12. 34 Zu diesem System unten S. 20 f. 35 Siehe S. 20 f. 36 Siehe auch Kümpel/Peters AG 1994, 525, 525. 37 Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 37; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 85; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/ 1154. 38 Kümpel/Peters AG 1994, 525, 525.
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dessen Rückübertragungspflicht garantiert.39 Davon unabhängig sieht § 384 Abs. 3 HGB eine Eigenhaftung des Kommissionärs vor, wenn er dem Kommittenten die Identität des Vertragspartners nicht offenlegt,40 was aus den gleichen Gründen der Regelfall sein dürfte, wegen derer ein Vertragsschluss im Wege der direkten Stellvertretung unüblich ist.41 Trägt der Kommissionär das Bonitätsrisiko, wird er sich seinerseits entsprechende Sicherheiten einräumen lassen.42
III. Organisierte Wertpapierdarlehenssysteme 1. Allgemeines Unter dem Oberbegriff der Darlehenssysteme, der auch von § 56 InvG (seit dem 22. Juli 2013: § 202 KAGB) verwendet wird,43 lassen sich verschiedene (elektronische) Plattformen zusammenfassen, die der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage dienen und insbesondere von Wertpapiersammelbanken und Clearinghäusern betrieben werden. Die rechtliche Ausgestaltung ist sehr unterschiedlich; die Spannbreite reicht von einer bloßen Vermittlerrolle des Systembetreibers bis hin zu einem Auftreten als Partei der dort abgeschlossenen Darlehensverträge.44 Als Beispiele für elektronische Handelsplattformen, die in den USA und Großbritannien betrieben werden, sind insbesondere EquiLend, ESecLending und die Ende 2011 eingestellte SecFinex zu nennen.45 Der Vertragsschluss erfolgt in diesen Systemen zwischen Darlehensgeber und -nehmer; der Systembetreiber beschränkt sich also auf die Vermittlung der Geschäfte.46 Davon zu unterscheiden ist das in der Praxis im Rahmen der Wertpapierdarlehensprogramme von Kreditinstituten anzutreffende sogenannte Poolmodell.47 Bei diesem sorgt das Kreditinstitut für die Bündelung des Wertpa39 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.36; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1154. 40 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.36; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 105 Rn. 6; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1154. – Zu den Sonderbedingungen des Wertpapierleihsystems des Deutschen Kassenvereins, die einen Ausschluss dieser Haftung vorsahen, siehe nur Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 87 ff. 41 Dazu oben Fn. 33. 42 Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 37; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/ 1155. 43 Dazu S. 224 f. 44 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 602; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.125. 45 Beck/Kestler ZfgKw 2005, 200, 201 f.; Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 26. 46 Beck/Kestler ZfgKw 2005, 200, 202. 47 Edelmann/Eller, Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäfte, 1996, S. 35; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 100; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 82; Schimansky/Bunte/Lwow-
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pierbestands mehrerer potentieller Darlehensgeber durch (darlehensweise) Einbringung in ein Sammeldepot. Die betreibende Bank stellt die Wertpapiere (entweder als Eigenhändlerin oder als bloße Vermittlerin) Dritten darlehensweise zur Verfügung.48
2. Das Wertpapierdarlehenssystem der Clearstream Banking AG Hervorzuheben ist vor allem das Wertpapierdarlehenssystem der Clearstream Banking AG mit Sitz in Frankfurt a. M. (CBF), die als einzige in Deutschland nach § 1 Abs. 3 DepotG anerkannte Wertpapiersammelbank fungiert49 und zu deren angebotenen Leistungen vor allem die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren sowie die Ausführung von Aufträgen zu deren Übertragung zählen. Die zum Konzern der Deutsche Börse AG gehörende CBF ging im Jahr 1996 aus einer Verschmelzung des Deutschen Auslandskassenvereins und des Deutschen Kassenvereins zur Deutscher Kassenverein AG hervor, die im Jahr 1997 in Deutsche Börse Clearing AG umfirmiert wurde.50 Die CBF wird im Rahmen ihres Wertpapierdarlehenssystems als Vermittlerin für ihre Kunden, d. h. insbesondere für Geschäftsbanken, die bei der CBF Konten unterhalten, tätig.51 Die vertragliche Beziehung zwischen der CBF und ihren Kunden wird von den Allgemeine Geschäftsbedingungen der Clearstream Banking AG52 und ergänzenden Sonderbedingungen wie denjenigen für Wertpapierdarlehen53 geregelt. Hinsichtlich der Vermittlung von Wertpapierdarlehen lässt sich das Vertragsverhältnis zwischen CBF und ihren Kunden als Geschäftsbesorgung einordnen.54 Wie sich aus Nr. 1 und Nr. 12.1 der Sonderbedingungen für Wertpapierdarlehen ergibt, werden die ski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 10; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.123; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1156; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 22 Rn. 37. 48 Zum Poolmodell der Deutschen Bank siehe Eller/Krannich, Handbuch Derivativer Instrumente, 1996, S. 498 ff. 49 Siehe nur Baumbach/Hopt/Hopt, 36. Aufl. 2014, § 1 DepotG Rn. 6. 50 Siehe dazu und zur weiteren Umstrukturierung Nr. 1 des „Kundenhandbuch für Kunden der Clearstream Banking Frankfurt“, abrufbar unter http://www.clearstream.com. – Zum seit 1990 betriebenen Wertpapierdarlehenssystem des Deutschen Kassenvereins siehe etwa Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 38 ff.; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 48 ff.; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 20 f. und S. 42 ff. 51 Zum Folgenden auch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 602; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1159; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 22 Rn. 27 ff. 52 Stand 1. Januar 2012, abrufbar unter http://www.clearstream.com. 53 Abgedruckt bei Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1210a. 54 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 602; Hopt/Vollmuth, Vertrags- und Formularhandbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Aufl. 2013, IV. T. 3; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 75; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 22 Rn. 27.
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Darlehensverträge von der CBF im Namen der teilnehmenden Banken unter Befreiung von dem Verbot des § 181 BGB abgeschlossen; die CBF wird nicht selbst Vertragspartei. Die Erfüllung durch Übereignung der Wertpapiere erfolgt gemäß Nr. 12.3 der Sonderbedingungen ebenfalls im Wege der unmittelbaren Stellvertretung.55 Bei der Bestellung von Sicherheiten handelt die CBF nach Nr. 18 der Sonderbedingungen als Treuhänder des Darlehensgebers, der seine Ansprüche gegen den Darlehensnehmer an die CBF abtritt.
IV. Gelegentliche und automatisierte Wertpapierdarlehen Unter gelegentlichen Wertpapierdarlehen versteht man den Abschluss von Darlehensverträgen „auf Anfrage“ oder im Einzelfall (worunter auch Einzelabschlüsse innerhalb eines Rahmenvertrages fallen können).56 Demgegenüber spricht man von automatisierten Wertpapierdarlehen oder automated lending, wenn ein bestimmter Depotbestand entsprechend einer im Voraus für eine unbestimmte Vielzahl von Transaktionen getroffenen Vereinbarung kurzfristig von einer Depot- oder Wertpapiersammelbank in Anspruch genommen werden kann oder (mit umgekehrten Rollen) kurzfristig Wertpapiere darlehensweise zur Verfügung gestellt werden können.57 Für Darlehensnehmer bietet die Teilnahme an einem solchen System den Vorteil, dass Lieferverpflichtungen gegenüber Dritten gleichsam „automatisch“ erfüllt und Verzugsfolgen vermieden werden.58 Für diese Leistung wird regelmäßig eine Basisgebühr vereinbart, die unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme der Wertpapiere zu entrichten ist.59 Aus der Sicht des Darlehensgebers bietet ein automatisiertes System vor allem den Vorteil einer besseren Nutzung seines Portfolios und damit höherer Erträge. Im Rahmen des Darlehenssystems der Clearstream Banking AG wird sowohl die Vermittlung von gelegentlichen als auch von automatisierten Wertpapierdarlehen angeboten.60 55 Zu den Einzelheiten der Übereignung von girosammelverwahrten Wertpapieren siehe unten S. 174 ff. 56 Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 11; Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 153 f. und S. 273 f.; Edelmann/Eller, Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäfte, 1996, S. 30 f.; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 88; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 7. 57 Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 9 f.; Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 160 ff. und S. 274 ff.; Edelmann/Eller, Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäfte, 1996, S. 31 f.; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 88; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 8 f.; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1156 f. 58 Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1157. 59 Edelmann/Eller, Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäfte, 1996, S. 31 f. 60 Einzelheiten finden sich in den (nur auf Englisch verfügbaren) product guides „Strategic Securities Lending Programme“ und „Automated Securitites Lending Programme“, abrufbar unter http://www.clearstream.com.
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B. Typische Vertragsgestaltungen I. Standardisierung durch Musterverträge Die Gestaltung von Wertpapierdarlehensverträgen ist weltweit durch Muster, die von Banken- und Interessenverbänden erstellt wurden und die in der Praxis Verbreitung gefunden haben, weitgehend standardisiert.61 Auf den Inhalt dieser Musterverträge wird vor allem in § 11 dieser Arbeit eingegangen.62
1. Der Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen des BdB In Deutschland handelt es sich dabei um den unter Federführung des Bundesverbands Deutscher Banken im Rahmen des Zentralen Kreditausschusses (ZKA)63 erarbeiteten Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen, der in seiner aktuellen Fassung erstmalig 1999 veröffentlicht wurde.64 Vor diesem Zeitpunkt war der Rahmenvertrag für Wertpapierleihgeschäfte im Interbankenhandel aus dem Jahr 1994 in weiter Verbreitung.65 Daneben existieren auch bankeigene Musterverträge.66 Eine Klausel, die den Parteien die freie Wahl des Vertragsstatuts ermöglichen würde, enthält der Rahmenvertrag nicht. Stattdessen unterliegt er nach seiner Nr. 11 Abs. 5 dem Recht der Bundesrepublik Deutschland, was bereits deutlich macht, dass er nicht auf grenzüberschreitende Transaktionen zugeschnitten ist.
2. Das European Master Agreement for Financial Transactions Das Ziel, für grenzüberschreitende Geschäfte die national gebräuchlichen Muster abzulösen und auf diese Weise das Zusammenwachsen des europäischen Finanzmarktes zu fördern, wurde dagegen mit dem von der Bankenvereinigung der Europäischen Union (FBE) herausgegebene European Master Agreement (EMA)67 verfolgt.68 Dieses besteht aus allgemeinen, für alle 61 Hopt/Vollmuth, Vertrags- und Formularhandbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Aufl. 2013, S. 1924 f.; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 49 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 5; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.82 ff.; Zerey/Storck, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 12 Rn. 11. 62 Siehe im Einzelnen S. 167 ff., S. 173 f., S. 177 ff. und S. 187 f. 63 Der ZKA ist ein Zusammenschluss der fünf Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft, vgl. www.zentraler-kreditausschuss.de. 64 Abrufbar unter http://www.bankenverband.de/downloads/092010/rv-wpd-430341199-muster.pdf. 65 Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1153. 66 Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 5. 67 Abrufbar unter http://www.ebf-fbe.eu/uploads/documents/EMA. 68 Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 52 und 58.
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Finanzgeschäfte geltenden Bestimmungen (Ausgabe 2004) und produktbezogenen Anhängen.69 Im hier interessierenden Zusammenhang sind der Produktanhang für Wertpapierdarlehen (Ausgabe Januar 2001) und der Sicherheitenanhang (Ausgabe 2004) relevant. In Nr. 11 Abs. 1 der Allgemeinen Bestimmungen des EMA wird den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, durch Individualvereinbarung (als „Besondere Bestimmungen“ bezeichnet, für die das EMA eine von den Parteien zu ergänzendes Formular enthält) das anwendbare Recht zu wählen. Unterbleibt eine Rechtswahl, sieht der Rahmenvertrag die Geltung des Rechts des Landes vor, in dem sich bei Vertragsschluss die Hauptniederlassungen beider Parteien befinden. Der Fall, dass keine Rechtswahl erfolgt und die Hauptniederlassungen in unterschiedlichen Staaten belegen sind, wird dagegen nicht geregelt.70
3. Das Global Master Securities Lending Agreement Die International Securities Lending Association (ISLA), ein Verband mit Sitz in London, der die Interessen der „securities lending industry“ vertritt, hat erstmals im Jahr 2000 das Global Master Securities Lending Agreement (GMSLA) als Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen entwickelt. Die aktuelle Fassung wurde im Jahr 2010 zusammen mit Erläuterungen der beratenden Kanzlei (Guidance Notes) veröffentlicht.71 Bezweckt wurde, ältere im Vereinigten Königreich gebräuchliche Musterverträge, wie insbesondere das Overseas Securities Lender’s Agreement (OSLA) und das Master Gilt Edged Stock Lending Agreement (GESLA), abzulösen und dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das OSLA72 vermehrt von Parteien genutzt wurde, die ihren Sitz nicht im Vereinigten Königreich hatten.73 Überarbeitungen des GMSLA in den Jahren 2009 und 2010 sollten in erster Linie die Erfahrungen berücksichtigen, die während der Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 gemacht wurden.74 Nach Nr. 23.1 GMSLA unterliegt der Vertrag englischem Recht.
69 Zu dieser Regelungstechnik Hopt/Vollmuth, Vertrags- und Formularhandbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Aufl. 2013, IV. T. 2. 70 Dazu auch Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 60 und 64 f. 71 Abrufbar unter http://www.isla.co.uk/. 72 Zu dessen Bedeutung siehe Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 50; Pulver, in: Reutter/Werlen, Kapitalmarkttransaktionen VI, 2011, S. 225, 234. 73 GMSLA 2010 Guidance Notes, Ziff. 1.2 und 1.3. 74 GMSLA 2010 Guidance Notes, Ziff. 1.5 und 1.6; Gericke BKR 2009, 438, 439 f.; zu den Änderungen im Einzelnen Pulver, in: Reutter/Werlen, Kapitalmarkttransaktionen VI, 2011, S. 225, 278 ff.
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4. Das Master Securities Loan Agreement In den Vereinigten Staaten wird verbreitet das Master Securities Loan Agreement (MSLA) genutzt.75 Dieses gibt der US-amerikanische Verband Securities Industry and Financial Markets Association (SIFMA), der aus einem Zusammenschluss von The Bond Market Association (TBMA) und der Securities Industry Association (SIA) hervorgegangen ist, heraus.76 Auch hierzu wurden Guidance Notes veröffentlicht.77 Nr. 19 MSLA sieht die Anwendung des Rechts des Staates New York vor.
II. Die Verwendung von Rahmenverträgen 1. Grundlagen und dogmatische Einordnung Die angeführten Musterverträge sind als Rahmenverträge ausgestaltet, die Regelungen für eine unbestimmte Vielzahl von zwischen den Parteien erst noch abzuschließenden Einzelverträgen enthalten. Die Einzelverträge haben damit im Ergebnis nur die Funktion, die Eckdaten des jeweiligen Geschäfts festzuschreiben, während der Rahmenvertrag die Haupt- und Nebenpflichten der Parteien, mögliche Leistungsstörungen sowie die Vertragsbeendigung umfassend regelt. So schreibt beispielsweise das EMA in Nr. 2 Abs. 2 seiner Allgemeinen Bestimmungen vor, dass Einzelgeschäfte, die nach Nr. 2 Abs. 1 formfrei geschlossen werden können, unverzüglich bestätigt werden müssen.78 Der Produktanhang für Wertpapierdarlehen enthält das Muster einer Bestätigung, in die nur noch die Einzelheiten des Geschäfts wie etwa Lieferund Rücklieferungsdatum, Bezeichnung und Anzahl der Darlehenspapiere oder die Höhe der Darlehensgebühr einzutragen sind. Die Rechtsnatur von Rahmenverträgen kann heute als weitgehend geklärt gelten. Überholt ist die insbesondere vom Reichsgericht in einem Urteil vom 18. Mai 1904 vertretene Auffassung, Rahmenvereinbarungen, die allgemeine Geschäftsbedingungen und damit die lex contractus für künftige Geschäfte enthielten, seien keine selbständigen, als solche wirksamen Verträge.79 In dem vom Reichsgericht entschiedenen Fall berief sich die Beklagte darauf, dass ihre im Voraus vereinbarten „Bedingungen für Geschäfte in Wertpapieren mit festbestimmter Lieferungszeit“ eine Schiedsklausel enthielten. Das Gericht ließ die Frage der Vereinbarkeit der Schiedsklausel mit börsenrecht75 Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 50. 76 Die aktuelle, erstmalig im Jahr 200 veröffentlichte Fassung ist unter http://www.sifma.org abrufbar. 77 Diese sind ebenfalls unter http://www.sifma.org abrufbar. 78 Das Fehlen der Bestätigungen hat allerdings keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Vertrages. 79 RGZ 58, 151, 154 f.; Hinweise zur älteren Literatur bei Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, AGB-Recht, 11. Aufl. 2011, § 305 BGB Rn. 203.
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lichen Vorschriften offen, da es bereits deren zivilrechtliche Wirksamkeit verneinte. Eine rechtliche Bindung der Rahmenvereinbarung trete erst bei Abschluss eines konkreten Geschäfts und auch dann nur dergestalt ein, dass die Geschäftsbedingungen „Bestandteile der demnächst abzuschließenden Verträge“ würden. Nach heute nicht mehr bestrittener Auffassung stellen Rahmenverträge dagegen selbständige Dauerschuldverhältnisse dar, die Rechtswirkungen auch ohne entsprechende Einzelabschlüsse entfalten.80 Dies folgt bereits aus der gesetzlichen Anerkennung von Rahmenverträgen, etwa in § 104 Abs. 2 S. 3 InsO81 und § 675f Abs. 2 BGB. Zudem bestimmt § 305 Abs. 3 BGB, dass gegenüber Verbrauchern für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung von allgemeinen Geschäftsbedingungen unter den Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB im Voraus vereinbart werden kann; im unternehmerischen Geschäftsverkehr gelten insoweit gemäß § 310 Abs. 1 BGB die allgemeinen Vorschriften. Aus den genannten Normen wird auch ersichtlich, dass Rahmenverträge eine durchaus unterschiedliche Reichweite haben können. Die möglichen Gestaltungen reichen von der bloßen Vorgabe allgemeiner Geschäftsbedingungen über die eigenständige Begründung von Rechten und Pflichten (wie etwa im Fall des Zahlungsdiensterahmenvertrags nach § 675f Abs. 2 S. 1 BGB) bis hin zu einer rahmenvertraglichen Pflicht, Einzelverträge abzuschließen.82 Keine Bedeutung für die dogmatische Einordnung von (ausdrücklich vereinbarten) Rahmenverträgen hat im Übrigen die umstrittene Frage, ob bei einer längeren Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunden ein allgemeiner Bankvertrag anzuerkennen ist, der – über die bloße Vereinbarung von AGB hinaus – rechtsgeschäftliche Pflichten der Bank begründet.83
80 BGH NJW-RR 1992, 977, 978; WM 1986, 1194, 1195. Aus der Literatur siehe nur Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 74 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Hopt, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 1 Rn. 14; Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, § 7 I. 81 Dazu noch unten S. 29 f. 82 Schimansky/Bunte/Lwowski/Hopt, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 1 Rn. 13. Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 77 f., übersieht mit der Aussage, es bestehe „Uneinigkeit über den konkreten Verpflichtungsinhalt rahmenvertraglicher Vereinbarungen“, dass die Frage nach dem Vertragsinhalt nicht allgemein gestellt werden kann, sondern im Einzelfall durch Auslegung beantwortet werden muss. 83 Der BGH (BGHZ 152, 114 = NJW 2002, 3695) hat diese Frage in einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 2002 verneint. Aus der Literatur siehe etwa Bunte, AGB-Banken, 3. Aufl. 2011, Vorbemerkungen (AGB-Banken) Rn. 1; Schimansky/Bunte/Lwowski/Hopt, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 1 Rn. 17 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack, AGB-Recht, 11. Aufl. 2011, § 305 BGB Rn. 204.
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2. Mit der Verwendung von Rahmenverträgen verfolgte Zwecke Die Verwendung von Rahmenverträgen ist nicht nur bei Wertpapierdarlehen, sondern auch in einer Vielzahl von anderen Geschäften, wie insbesondere außerbörslichen Derivaten üblich.84 In alldiesen Fällen dient der Abschluss des Rahmenvertrags zwar auch der Schaffung von Rechtssicherheit durch die damit notwendig verbundene Standardisierung, sowie der Vereinfachung und Rationalisierung.85 Von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung ist jedoch darüber hinaus die Zusammenfassung der Einzelverträge jeweils untereinander und mit dem Rahmenvertrag zu einer Einheit.86 Aus Sicht der Vertragsparteien soll auf diese Weise das mit der Vertragsbeziehung verbundene Kreditrisiko verringert werden, was sowohl insolvenz- als auch bankaufsichtsrechtliche Wirkung entfaltet.87 Erreicht wird dies durch Klauseln, die eine einheitliche Beendigung der gesamten Vertragsbeziehung vorsehen, sowie durch Regelungen zu einer Gesamtabrechnung (sogenanntes Netting).88 a) Die verschiedenen Formen des Netting Unter dem der angloamerikanischen Rechtssprache89 entlehnten und in seinen Varianten nicht immer einheitlich verwendeten Begriff des Netting90 ver84 Zur Verwendung von Rahmenverträgen in diesem Zusammenhang siehe z. B. Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 114 Rn. 34. 85 Zu diesen Gesichtspunkten Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 56 f.; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 27; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 5; Derleder/Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 55 Rn. 41; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1153; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002, S. 183. 86 Dies bedeutet auch, dass alle Ansprüche der einen Partei in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu allen Ansprüchen der anderen Partei stehen, Bosch WM 1995, 413, 418 f. 87 Bosch WM 1995, 365, 367; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 27 f.; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Jahn, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 114 Rn. 135; Derleder/Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 55 Rn. 41; Hellner/Steuer/Neuhaus, BuB, Rn. 7/1074 und 7/1181; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002, S. 183. – Aus Sicht des schweizerischen Rechts Pulver, in: Reutter/Werlen, Kapitalmarkttransaktionen VI, 2011, S. 225, 243 ff. 88 Speziell zu Wertpapierdarlehen Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 605; Hellner/ Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1153. – Die Verrechnung von Forderungen im Sinne eines Netting ist nicht nur im bilateralen Rahmen, sondern auch multilateral zwischen mehreren Teilnehmern eines Clearingsystems möglich. Gleiches gilt für das Netting innerhalb von Handelssystemen mit einem zentralen Kontrahenten, dazu etwa Schimansky/Bunte/ Lwowski/Jahn, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 114 Rn. 143; Kunz, Ausgewählte Rechtsprobleme des Zentralen Kontrahenten, 2009, S. 65 f. und S. 331 ff. 89 Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 111 weist darauf hin, dass Nettingklauseln in anderen Rechtsordnungen, welche die Möglichkeiten einseitiger Aufrechnung beschränken, eine größere Bedeutung zukommen kann als im deutschen Recht. Dies gilt freilich nicht für das hier vor allem relevante Liquidationsnetting. Dazu sogleich auf S. 28.
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steht man verschiedene Formen der Verrechnung von Forderungen der Vertragsparteien. Man unterscheidet vor allem zwischen Zahlungs-, Novationsund Liquidationsnetting. aa) Zahlungsnetting Das Zahlungsnetting (auch Payment Netting genannt) lässt sich als eine – im Einzelfall durchaus unterschiedlich ausgestaltete91 – antizipierte Aufrechnung von Forderungen verstehen, die am gleichen Tag und in gleicher Währung fällig werden.92 Wegen der uneinheitlichen Terminologie sind derartige Aufrechnungsklauseln allerdings abzugrenzen von einfachen Verrechnungsklauseln, die den Bestand der ursprünglichen Forderungen unangetastet lassen und im Ergebnis nur einen internen, buchungstechnischen Vorgang bedeuten.93 Auch wenn ein Zahlungsnetting im Sinne einer antizipierten Aufrechnung vereinbart ist, wird damit das Ziel einer Senkung des Kreditrisikos allenfalls teilweise erreicht, da nur fällige und gleichartige Forderungen erfasst werden, so dass das Risiko aus schwebenden Geschäften unberücksichtigt bleibt.94 bb) Novationsnetting Das sogenannte Novationsnetting95 bezieht sich im Gegensatz zu den beiden anderen Formen nicht auf die aus der Vertragsbeziehung der Parteien resultierenden Forderungen, sondern auf die zwischen den Parteien bestehenden Einzelverträge insgesamt. Aufgrund von entsprechenden rahmenvertraglichen Klauseln werden mehrere solcher Einzelverträge mit schuldumschaffener Wirkung durch einen neuen Einzelvertrag ersetzt. Auf diesem Weg findet eine Saldierung der jeweils geschuldeten Beträge statt. Voraussetzung 90 Einen Überblick über die unterschiedliche Begriffsverwendung gibt etwa Kunz, Ausgewählte Rechtsprobleme des Zentralen Kontrahenten, 2009, S. 332 ff. 91 Kunz, Ausgewählte Rechtsprobleme des Zentralen Kontrahenten, 2009, S. 337 mit Fn. 1495 weist zutreffend darauf hin, dass verallgemeinernde Aussagen über die Funktionsweise von derartigen Nettingklauseln problematisch sind. 92 Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 114 Rn. 132; Derleder/Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 55 Rn. 42; Hellner/Steuer/Neuhaus, BuB, Rn. 7/1076; ausführlich Ruzik, Finanzmarktintegration durch Insolvenzrechtsharmonisierung, 2010, S. 166 ff. 93 Dazu Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 112; Kunz, Ausgewählte Rechtsprobleme des Zentralen Kontrahenten, 2009, S. 334 f. 94 Bosch WM 1995, 365, 367 und 368; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 113 f.; Hellner/Steuer/Neuhaus, BuB, Rn. 7/1076. 95 Zum Novationsnetting siehe Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 114 Rn. 133; Derleder/Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 55 Rn. 43; Kunz, Ausgewählte Rechtsprobleme des Zentralen Kontrahenten, 2009, S. 337 f.
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sind jedoch auch hier die übereinstimmende Fälligkeit und die Gleichartigkeit der Forderungen.96 cc) Liquidationsnetting Das Liquidationsnetting (oder Close-out Netting) regeln die in der Praxis verwendeten Rahmenverträge üblicherweise in einem Zusammenwirken zweier Klauseln:97 Zum einen wird durch entsprechende Vertragsgestaltung sichergestellt, dass eine (außerordentliche) Vertragsbeendigung, wie sie insbesondere für den Insolvenzfall vorgesehen wird, stets die gesamte vertragliche Beziehung der Parteien, also den Rahmenvertrag und alle Einzelabschlüsse, erfasst. Zum anderen wird für alle Fälle der umfassenden Vertragsbeendigung eine Gesamtabrechnung vorgesehen. In diese werden alle Ansprüche der Parteien einbezogen und verrechnet, und zwar unabhängig von ihrer Fälligkeit und Gleichartigkeit.98 In die Saldierung einbezogen werden unter anderem Ansprüche auf Rückübertragung von Sicherheiten und insbesondere auch Ansprüche auf Lieferung von Wertpapieren. Grundlage der Berechnung sind insoweit Ersatzgeschäfte, die das wirtschaftliche Ergebnis des jeweiligen Einzelvertrages nachbilden und so einen Liquidationswert ergeben. Als Ergebnis der Verrechnung besteht eine einheitliche Ausgleichsforderung einer Partei, die vom Insolvenzverwalter geltend gemacht oder im Insolvenzverfahren angemeldet wird.99 b) Der insolvenz- und bankaufsichtsrechtliche Hintergrund Hintergrund des Liquidationsnettings ist die im Insolvenzfall aufgrund des Wahlrechts des Insolvenzverwalters gemäß § 103 InsO bestehende Gefahr, dass der gesamte insolvenzbedingte Ausfall des Gläubigers dessen Nettoposition gegenüber dem Schuldner übersteigt.100 Denn nach § 103 InsO kann der Insolvenzverwalter, wenn ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom Gläubiger nicht oder nicht vollständig erfüllt ist, wählen, ob er anstelle des Schuldners den Vertrag 96 Bosch WM 1995, 365, 367 f.; Hellner/Steuer/Neuhaus, BuB, Rn. 7/1077; Ruzik, Finanzmarktintegration durch Insolvenzrechtsharmonisierung, 2010, S. 173. 97 Allgemein dazu Bosch WM 1995, 413, 422; Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 114 Rn. 134; Kunz, Ausgewählte Rechtsprobleme des Zentralen Kontrahenten, 2009, S. 338 f.; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002, S. 183 f.; Ruzik, Finanzmarktintegration durch Insolvenzrechtsharmonisierung, 2010, S. 174 ff.; Zimmer, Gutachten G Dt. Juristentag 2010, S. 58. 98 Es kann nicht von einer Aufrechnung im technischen Sinne gesprochen werden, dazu Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 136 f. (zum EMA: Schuldumwandlungs- und Globalverrechnungsvertrag); Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 114 Rn. 134; Ruzik, Finanzmarktintegration durch Insolvenzrechtsharmonisierung, 2010, S. 175 f. 99 Derleder/Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 55 Rn. 44. 100 Dazu (und zur Rechtslage vor der Insolvenzrechtsreform 1994) Bosch WM 1995, 365, 367; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002, S. 184 f.
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erfüllt oder die Erfüllung ablehnt. Entscheidet er sich für die letztgenannte Alternative, kann der Gläubiger gemäß § 103 Abs. 2 S. 1 InsO seinen Anspruch wegen Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Wählt der Insolvenzverwalter im Sinne eines cherry picking die Erfüllung nur der für die Masse vorteilhaften Verträge, führt dies ggf. dazu, dass ein Gläubiger mit einer negativen Nettoposition einen Ausfallverlust erleidet oder dass der Ausfallverlust eines Gläubigers mit positiver Nettoposition diese übersteigt.101 Die Bestellung von Sicherheiten kann dieses Risiko nicht verringern, wenn in Rahmenverträgen aufgrund der zahlreichen, in ihren Marktwerten ständig schwankenden Einzelabschlüsse eine Sicherheitenbestellung nur in Höhe der jeweiligen Nettoposition vereinbart ist; eine solche Besicherung hat gerade zur Voraussetzung, dass ein Liquidationsnetting vorgesehen ist.102 Alldies gilt auch für aufgrund eines Rahmenvertrags gewährte (wechselseitige) Wertpapierdarlehen.103 aa) Insolvenzrechtliche Behandlung des Liquidationsnettings § 104 Abs. 2 S. 1 InsO bestimmt, dass bei Finanzleistungen nicht die Erfüllung verlangt, sondern nur eine Forderung wegen der Nichterfüllung geltend gemacht werden kann, wenn die Finanzleistungen einen Markt- oder Börsenpreis haben, für ihre Erbringung eine bestimmte Zeit oder eine bestimmte Frist vereinbart sind und die Zeit oder der Ablauf der Frist erst nach der Eröffnung des Verfahrens eintritt. Die Norm schließt als lex specialis die Anwendung von § 103 InsO aus. Wertpapierdarlehensverträge werden zwar häufig auch auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, die einschlägigen Rahmenverträge sehen jedoch ein Vertragsende spätestens innerhalb eines Jahres vor.104 Als Finanzdienstleistung gilt nach § 104 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 InsO auch die Lieferung von Wertpapieren, was auch Wertpapierdarlehen erfasst.105 Das Erfordernis eines Markt- oder Börsenpreises ist ebenfalls erfüllt.106 § 104 Abs. 2 S. 3 InsO regelt weiter, dass die Zusammenfassung von Geschäften über Finanzleistungen in einem Rahmenvertrag, für den vereinbart ist, dass er bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes nur einheitlich beendet werden kann, dazu führt, dass die Gesamtheit dieser Geschäfte als ein gegensei101
Ausführlich Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002, S. 184 f. Bosch WM 1995, 365, 368. 103 Siehe dazu nur Bosch WM 1995, 413, 421. 104 Nr. 7 Abs. 3 BdB-Rahmenvertrag (abrufbar unter http://www.bankenverband.de/ downloads/092010/rv-wpd-43034–1199-muster.pdf); Nr. 2 Abs. 4 EMA Produktanhang für Wertpapierdarlehen (abrufbar unter http://www.ebf-fbe.eu/uploads/documents/EMA), dazu Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 156. 105 Bosch WM 1995, 413, 421 (zu Art. 105 EGInsO); Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 154; Schimansky/ Bunte/Lwowski/Jahn, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 114 Rn. 138a. 106 Siehe nur Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 154. 102
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tiger Vertrag im Sinne der §§ 103, 104 InsO gilt. Schließlich normiert § 104 Abs. 3 InsO die Berechnung der Forderung wegen Nichterfüllung. Die von § 104 Abs. 2 und 3 InsO getroffene Regelung verfolgt gerade den Zweck, im Insolvenzfall ein Netting zu gestatten und das Wahlrecht des Verwalters auszuschließen und auf diese Weise das deutsche Recht den (insolvenzrechtlichen) Rahmenbedingungen anzupassen, die an den als bedeutend angesehenen Finanzplätzen im Ausland gelten.107 Die in der Praxis verwendeten Rahmenverträge weichen allerdings von den Vorgaben des § 104 InsO in zweierlei Hinsicht ab. Zum einen sehen sie eine automatische Beendigung der Vertragsbeziehung im – vertraglich unterschiedlich definierten – Insolvenzfall vor und verlegen diese damit auf einen Zeitpunkt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, was nach geltendem Recht im Grundsatz nicht zu beanstanden ist.108 Zum anderen weicht die vertraglich vorgesehene Berechnung der Ausgleichsforderung von § 104 Abs. 3 InsO ab.109 Die Zulässigkeit einer derartige Regelung ist angesichts der in § 119 InsO vorgeschriebenen zwingenden Geltung der §§ 103 ff. InsO umstritten.110 Für die von der wohl herrschenden Meinung angenommene Wirksamkeit der genannten Klauseln werden vor allem die ratio des § 104 InsO und dessen Entstehungsgeschichte angeführt.111 Auf diese insolvenzrechtliche Frage, die sich nicht nur auf Wertpapierdarlehen, sondern auch auf die anderen in § 104 Abs. 2 S. 2 InsO genannten Finanzleistungen wie insbesondere außerbörsliche Derivate bezieht, soll im Rahmen dieser Arbeit nicht vertieft eingegangen werden. bb) Bankaufsichtsrechtliche Behandlung des Liquidationsnettings Da die Vereinbarung eines Liquidationsnettings die Funktion hat, das Kreditrisiko der Parteien zu senken, wirkt sich diese auch auf die bankaufsichtsrechtliche Behandlung, insbesondere im Hinblick auf die Eigenkapitalanfor-
107 Dazu statt aller Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002, S. 185 f. und Ruzik, Finanzmarktintegration durch Insolvenzrechtsharmonisierung, 2010, S. 554 f., jeweils m. w. N. 108 Statt aller MünchKommInsO/Jahn, 3. Aufl. 2013, § 104 Rn. 165 ff. – Aus rechtspolitischer Sicht kritisch Zimmer, Gutachten G Dt. Juristentag 2010, S. 60 ff. 109 Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 158. 110 Eine Zusammenfassung der vertretenen Ansichten mit weiteren Nachweisen findet sich bei Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 162 ff. 111 Siehe etwa Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 166 f.; MünchKommInsO/Jahn, 3. Aufl. 2013, § 104 Rn. 171 ff.; Derleder/Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 55 Rn. 65; Hellner/Steuer/Neuhaus, BuB, Rn. 7/1096; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002, S. 190 f.; Ruzik, Finanzmarktintegration durch Insolvenzrechtsharmonisierung, 2010, S. 565 ff.
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derungen, aus.112 § 2 Abs. 5 Großkredit- und Millionenkreditverordnung (GroMiKV), der die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Kreditbeträge nach den §§ 13–13b, 15 KWG regelt, verweist für die Berücksichtigung von Aufrechnungsvereinbarungen auf die §§ 11 Abs. 2, 12, 206–224 Solvabilitätsverordnung (SolvV).113 Während § 11 Abs. 2 SolvV das Novationsnetting erfasst, lässt § 12 SolvV Aufrechnungspositionen aus Derivaten (Abs. 1), aus Geldforderungen und -schulden (Abs. 2) und aus nichtderivativen Geschäften mit Sicherheitennachschüssen (einschließlich Wertpapierdarlehen, Abs. 3), sowie produktübergreifende Aufrechnungspositionen (Abs. 4) zu, was für das Institut entsprechende Eigenkapitalerleichterungen bedeutet.114 Die §§ 206 ff. SolvV konkretisieren die Anforderungen an aufsichtsrechtlich berücksichtigungsfähige Aufrechnungsvereinbarungen. Die von allen Nettingvereinbarungen zu erfüllenden Voraussetzungen sind in § 206 Abs. 2 SolvV normiert. Insbesondere ist nach § 206 Abs. 2 Nr. 3 SolvV sicherzustellen, dass im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus sämtlichen erfassten Ansprüchen nur ein einziger Saldobetrag von der einen an die anderen Vertragspartei geschuldet wird. Zudem muss dem jeweiligen Institut gemäß § 206 Abs. 2 Nr. 4 SolvV das Recht eingeräumt sein, alle einbezogenen Geschäfte durch einseitige Erklärung einheitlich mit der in Nr. 3 beschriebenen Wirkung zu beenden, wenn der Vertragspartner die ihm aus einem einzelnen Geschäft obliegende Leistung nicht erbringt. Diese Anforderungen werden von den Klauseln zum Liquidationsnetting in den gängigen Rahmenverträgen erfüllt. § 206 Abs. 3 S. 1 SolvV schreibt schließlich vor, dass sich das Institut von der Rechtswirksamkeit der Nettingvereinbarung und der Einbeziehung der davon erfassten Geschäfte auf der Grundlage eines Rechtsgutachtens überzeugen muss.115
112 Zur Entwicklung des Aufsichtsrechts und zum europarechtlichen Hintergrund siehe Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 114 Rn. 144 ff.; zu Wertpapierdarlehen auch Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 199 ff. 113 Diese, durch die Verordnung zur weiteren Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie vom 5. Oktober 2010 (BGBl. I S. 1330) eingeführte Regelungstechnik stellt die einheitliche Anwendung der Nettingregeln im Rahmen von GoMiKV und SolVV sicher. Zu § 15 GroMiKV a. F. siehe z. B. Derleder/Knops/ Bamberger/Klingner-Schmidt, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 55 Rn. 69. 114 Derleder/Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 55 Rn. 70. 115 Nach § 206 Abs. 3 S. 2 SolvV besteht eine laufende Überprüfungspflicht hinsichtlich möglicher Änderungen der einschlägigen Rechtsnormen. Näher zu den praktischen Anforderungen Derleder/Knops/Bamberger/Klingner-Schmidt, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 55 Rn. 66; Zerey/Fried, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 23 Rn. 5 ff.
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c) Nettingklauseln in den Musterverträgen aa) Rahmenvertrag des BdB Der Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen des Bundesverbands Deutscher Banken116 regelt nach seiner Nr. 1 Abs. 2 S. 1 den Inhalt aller Einzelverträge, die auf seiner Grundlage abgeschlossen werden.117 Nr. 1 Abs. 2 S. 2 sieht vor, dass die Einzelabschlüsse untereinander und zusammen mit dem Rahmenvertrag einen einheitlichen Vertrag bilden. Bedeutung hat diese Zusammenfassung in erster Linie für die Vertragsbeendigung. Einzelne Darlehensverträge können nach Nr. 7 i. V. m. Nr. 9 Abs. 1 S. 4 des Rahmenvertrages nur ordentlich gekündigt werden. Eine außerordentliche Kündigung muss demgegenüber, wie Nr. 9 Abs. 1 S. 4 bestimmt, stets das gesamte Vertragsverhältnis erfassen. Zudem folgt aus Nr. 9 Abs. 2 S. 1, dass im Insolvenzfall der Vertrag ohne Kündigung endet, d. h., dass das gesamte Vertragsverhältnis einheitlich beendet wird. Der Insolvenzfall ist gemäß Nr. 9 Abs. 2 S. 2 gegeben, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Partei beantragt wird und diese Partei entweder den Antrag selbst gestellt hat oder zahlungsunfähig oder sonst in einer Lage ist, die die Eröffnung eines solchen Verfahrens rechtfertigt. Für alle Fälle der Beendigung der gesamten Vertragsbeziehung sieht Nr. 9 Abs. 3 des Rahmenvertrags eine Gesamtabrechnung vor. Danach tritt eine einheitliche Ausgleichsforderung an die Stelle von Ansprüchen auf Lieferung oder Rücklieferung von Wertpapieren und auf sonstige Leistungen. Die Ausgleichsforderung ergibt sich aus der Verrechnung sämtlicher Ansprüche der Parteien aus dem Vertragsverhältnis.118 Die Berechnung der Ausgleichsforderung ist in Nr. 9 Abs. 4 geregelt und erfolgt danach durch die ersatzberechtigte Partei, also diejenige, die den Vertrag gekündigt hat bzw. nicht insolvent ist. Grundlage der Kalkulation bilden Ersatzgeschäfte, welche die ersatzberechtigte Partei wirtschaftlich so stellen, wie sie bei ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung gestanden hätte. Dabei kann sie nach ihrer Wahl derartige Ersatzgeschäfte tatsächlich (unverzüglich) abschließen oder eine fiktive Berechnung nach der jeweiligen Marktlage, bezogen auf den Zeitpunkt der Kündigung oder der Kenntniserlangung von dem Insolvenzfall anstellen. Schließlich wird nach Nr. 9 Abs. 5 S. 1 eine Ausgleichsforderung gegen die ersatzberechtigte Partei nur fällig, soweit dieser keine Ansprüche aus irgendeinem rechtlichen Grund gegen die andere Partei zustehen. Bestehen solche Gegenansprüche, so ist gemäß Nr. 9 Abs. 5 S. 2 deren Wert zur Ermittlung des fälligen Teils der Ausgleichsforderung vom Gesamtbetrag abzuziehen. 116 Abrufbar unter http://www.bankenverband.de/downloads/092010/rv-wpd-430341199-muster.pdf. 117 Nach Nr. 2 Abs. 3 des Rahmenvertrags gehen die Bestimmungen des Einzelabschlusses denen des Rahmenvertrages vor. 118 Gemäß Nr. 9 Abs. 3 S. 5 ist die Geltendmachung eines weitergehenden Schadens durch die ersatzberechtigte Partei nicht ausgeschlossen.
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Nr. 9 Abs. 5 S. 3 regelt die Umrechnung der Gegenansprüche in fällige, auf Euro lautende Geldforderungen. Mit diesen kann die ersatzberechtigte Partei gegen die Ausgleichsforderung der anderen Partei aufrechnen (Nr. 9 Abs. 5 S. 4).119 bb) EMA Das von der Bankenvereinigung der Europäischen Union (FBE) herausgegebene European Master Agreement (EMA)120 legt in Nr. 1 Abs. 4 seiner Allgemeinen Bestimmungen fest, dass zwischen den Parteien ein einheitliches Vertragsverhältnis besteht. Nr. 6 regelt die Beendigung wegen Vertragsverletzung. Die für das Liquidationsnetting entscheidende Voraussetzung der einheitlichen Beendigung der gesamten Vertragsbeziehung ergibt sich aus Nr. 6 Abs. 1 Unterabs. (b).121 Danach kann die vertragstreue Partei sämtliche noch laufenden Geschäfte, jedoch nicht nur einen Teil von ihnen, durch Kündigungserklärung, die die betreffende Vertragsverletzung bezeichnet, mit Wirkung auf einen höchstens zwanzig Tage nach der Erklärung liegenden und in dieser zu nennenden Tag beenden. Im Insolvenzfall (der ebenfalls als Vertragsverletzung definiert wird) enden sämtliche Geschäfte ohne Kündigung zu dem Zeitpunkt, der dem betreffenden, in Nr. 6 Abs. 1 Unterabs. (a) (viii) (1), (2), (3) oder (5)(A) als Insolvenzfall definierten Vorgang oder der betreffenden Maßnahme unmittelbar vorausgeht. Gemäß Nr. 6 Abs. 4 ist im Fall einer Beendigung des Vertragsverhältnisses keine Partei mehr zu Zahlungen oder Lieferungen auf Grund eines beendeten Geschäfts, die am oder nach dem Beendigungstag fällig geworden wären, oder zu einer andernfalls nach dem Vertrag geschuldeten Sicherheitsleistung oder Sicherheitenrückgewähr verpflichtet. An die Stelle dieser Verpflichtungen tritt die Pflicht einer der Parteien, den Abschlussbetrag nach Nr. 7 zu zahlen. Die Berechnung des Abschlussbetrages erfolgt nach Nr. 7 Abs. 1 Unterabs. (a) bei einer Vertragsverletzung (was den Insolvenzfall einschließt) durch die vertragstreue Partei. Der Abschlussbetrag ist definiert als der von der Berechnungspartei ermittelte Betrag in Höhe der Summe aus sämtlichen für sie positiven Geschäftswerten, den ihr von der anderen Partei geschuldeten fälligen Beträgen122 und ihren Sicherheitenansprüchen,123 abzüglich der 119 120 121
den.
Zu der vergleichbaren Regelung des EMA siehe sogleich. Abrufbar unter http://www.ebf-fbe.eu/uploads/documents/EMA. Nr. 6 Abs. 2 Unterabs. (b) regelt die Beendigung wegen der Änderung von Umstän-
122 Fällige Beträge sind in Nr. 7 Abs. 1 Unterabs. (a) definiert als die Summe aus den von der jeweiligen Partei auf Grund eines Geschäfts zahlbaren, jedoch nicht gezahlten Beträgen, und den zum vereinbarten Lieferdatum ermittelten Liquidationswerten aller von dieser Partei auf Grund eines Geschäfts zu liefernden, jedoch nicht gelieferten Vermögensgegenstände, jeweils zuzüglich Zinsen. 123 Sicherheitenansprüche sind in Nr. 7 Abs. 1 Unterabs. (a) definiert als die Gesamtheit der von einer Partei als Sicherheit gezahlten und nicht an sie zurückgezahlten Geldbeträge
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Kapitel 2: Grundlagen
Summe aus den absoluten Beträgen aller für sie negativen Geschäftswerte, den von ihr geschuldeten fälligen Beträgen und den Sicherheitenansprüchen der anderen Partei. Geschäftswert ist dabei nach Wahl der Berechnungspartei ein Betrag in Höhe des Verlusts oder des Gewinns, den diese durch die Beendigung des jeweiligen Geschäfts erzielt hat, oder des arithmetischen Mittels der Preise, die der Berechnungspartei von mindestens zwei führenden Marktteilnehmern für Ersatz- oder Absicherungsgeschäfte am Preisfeststellungstag genannt werden. Nr. 7 Abs. 4 begründet ein Recht der vertragstreuen Partei, gegen eine ggf. bestehende Forderung der anderen Partei auf Zahlung eines Abschlussbetrags mit Gegenansprüchen aus beliebigem Rechtsgrund aufzurechnen. Dabei handelt es sich um eine – über das Liquidationsnetting hinausgehende – Aufrechnung im Sinne der §§ 387 ff. BGB.124 cc) Weitere Rahmenverträge Auch Nr. 10, 11 GMSLA125 und Nr. 18 MSLA enthalten Nettingregelungen. Da diese Rahmenverträge weder zwingend deutschem Recht unterliegen, noch eine entsprechende Rechtswahlklausel vorgesehen ist, soll im Rahmen dieser Arbeit nicht näher auf die Einzelbestimmungen von GMSLA und MSLA eingegangen werden.
III. Unterscheidung nach der Art der bestellten Sicherheit Bei der überwiegenden Mehrzahl von Wertpapierdarlehen fordert der Darlehensgeber die Bestellung einer Sicherheit durch den Darlehensnehmer.126 Eine gerade in der internationalen Praxis für die vertragliche Ausgestaltung von Wertpapierdarlehen wesentliche Unterscheidung ist diejenige zwischen Wertpapierdarlehen, die mit einer Barsicherheit (in Form von Buchgeld), und solchen, die mit anderen Wirtschaftsgütern besichert sind. Bei Vereinbarung eines derartigen cash collateral wird typischerweise ein Recht des Darlehensgebers/Sicherungsnehmers zur Reinvestition der Sicherheit nach bestimmten Richtlinien vereinbart.127 Im Regelfall wird die mit der Reinvestition der Barsicherheit erzielte Rendite (der Geldmarktzins) über dem für das
und der Liquidationswerte der von ihr als Sicherheit übertragenen und nicht zurückübertragenen Wertpapiere, zuzüglich der auf die betreffenden Geldbeträge aufgelaufenen Zinsen zu dem dafür vereinbarten Satz. 124 Dazu Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 137 f. 125 Dazu Gericke BKR 2009, 438, 439 f. 126 Siehe etwa Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 58; Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 4; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1174. 127 Dazu auch Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 42 ff., 46 f.
§ 3 Erscheinungsformen des Wertpapierdarlehens
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Wertpapierdarlehen zu zahlenden Zinssatz128 liegen. Die Parteien handeln in diesem Fall nicht die vom Darlehensnehmer zu erbringende Gegenleistung aus, sondern stattdessen den sogenannten rebate, d. h. den vom Darlehensgeber an den Darlehensnehmer zu leistenden (anteiligen) Ertrag der reinvestierten Barsicherheit.129 Der rebate wird genauso wie der Darlehenszins als prozentualer Wert ausgedrückt, bezogen auf die zu leistenden Barsicherheit.130 Ist der Geldmarktzins niedriger als der Darlehenszins, wird eine negative rebate rate vereinbart, d. h. eine Zahlung des Darlehensnehmers an den Darlehensgeber.131 Eine solche Gestaltung weist für den Darlehensgeber ein gänzlich anderes Risikoprofil auf, als dies bei einem mit anderen Sicherheiten besicherten Wertpapierdarlehen der Fall wäre. Denn bei Vereinbarung eines rebate trägt der Darlehensgeber das Risiko, dass die Anlage der Barsicherheit eine ausreichend hohe Rendite abwirft.132 Bei wirtschaftlicher Betrachtung hat diese Ausgestaltung des Wertpapierdarlehens Ähnlichkeiten mit Wertpapierpensionsgeschäften und Repurchase Agreements.133 In den USA hat die Bestellung von Barsicherheiten seit den 1980er Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und dürfte heute das in den meisten Fällen verwendete Sicherungsmittel für Wertpapierdarlehen sein.134 Als sonstige Sicherheiten kommen vor allem Schuldverschreibungen, Aktien, Geldmarktinstrumente und Bürgschaften bzw. Garantien in Betracht. In alldiesen Fällen vereinbaren die Parteien nur den vom Darlehens-
128 Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 13 gibt an, dass Zinsen für Aktien aus dem FTSE 100 bei etwa 6 bis 8 Basispunkten, also bei 0,06 % bis 0,08 % p. a., liegen. Zu den für den Marktzins maßgeblichen Faktoren siehe noch S. 50 ff. 129 Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 41; D’Avolio 66 J. Fin. Econ. 271, 276 (2002); Duffie/Gârleanu/Pedersen 66 J. Fin Econ. 307, 311 f. (2002); Rich/Moore 29 The Journal of Portfolio Management 61, 63 (2002); instruktiv das Beispiel bei Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 9. 130 Üblich sind auch Gestaltungen, bei denen zwei Zahlungsströme zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer vereinbart werden, nämlich die Zahlung des Darlehenszinses an den Darlehensgeber und die Zahlung eines (entsprechend angepassten) rebate an den Darlehensnehmer, dazu Peters, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 207. 131 D’Avolio 66 J. Fin. Econ. 271, 276 (2002). 132 Zusätzlich bestehen für Darlehensgeber Liquiditätsrisiken, die sich bei einer unerwarteten Beendigung einer Vielzahl von Darlehensverträgen mit großem Volumen verwirklichen können. Solche Ereignisse können in Abhängigkeit von der Marktentwicklung und den von den Darlehensnehmern verfolgten Strategien eintreten. Dazu im Einzelnen (mit Fokus auf verzinslichen Wertpapieren) Blount/Gerdeman, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 127 ff. 133 Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 43 f.; Faulkner, in: Fabozzi/ Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 11. – Zur Abgrenzung siehe bereits S. 4 ff. 134 Blount/Gerdeman, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 127; D’Avolio 66 J. Fin. Econ. 271, 275 (2002); Duffie/Gârleanu/Pedersen 66 J. Fin Econ. 307, 311 f. (2002); Rich/Moore 29 The Journal of Portfolio Management 61, 64 (2002).
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Kapitel 2: Grundlagen
nehmer zu zahlenden Zins;135 der Darlehensgeber hat kein Reinvestitionsrisiko zu tragen.136
§ 4 Einsatzzwecke und Interessen der Beteiligten Wenn im Folgenden die von den Vertragparteien verfolgten Zwecke erörtert werden, werden die Geschäftsinteressen von Intermediären137 ausgeblendet. Handeln diese im eigenen Namen, was den Regelfall darstellt, werden sie zwar selbst als Darlehensgeber oder -nehmer Vertragsparteien. Sie verfolgen jedoch stets ausschließlich den Zweck, über die von ihren Kunden geschuldeten Gebühren oder – im Fall des Eigenhandels – aus der Differenz zwischen den von ihnen zu erbringenden und den an sie fließenden Zahlungsströmen (Spread oder Geld-Brief-Spanne) Gewinn zu erzielen.138
A. Vom Darlehensnehmer verfolgte Zwecke In der rechtspolitischen Diskussion spielen Wertpapierdarlehen vor allem dann eine Rolle, wenn es um ihre Funktion geht, Leerverkäufe zu finanzieren.139 In der Tat können Daten über Wertpapierdarlehen herangezogen werden, um zumindest näherungsweise einen Anhaltspunkt für das Volumen von Leerverkäufen zu erhalten.140 Die Bedeutung, die Wertpapierdarlehen für die Finanzierung von Leerverkäufen unbestreitbar haben, darf jedoch nicht den Blick dafür verstellen, dass Darlehensnehmer durchaus auch andere Interessen verfolgen als die Erfüllung von bestehenden oder zukünftigen Lieferverpflichtungen gegenüber Dritten. Auch wenn verlässliche Zahlen insoweit nicht zur Verfügung stehen, ist zu vermuten, dass es durchaus auch Fälle gibt, in denen Darlehensnehmer nicht die Absicht haben, die erhaltenen Wertpapiere weiterzuübertragen, sondern stattdessen die darin verkörperten (Stimm-)Rechte ausüben wollen.141 Sowohl aus ökonomischer als auch aus rechtlicher Sicht sind gerade diese Konstellationen, die mit dem Begriff des Empty Voting bezeichnet werden, von besonderem Interesse.142 135
Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994,
S. 41.
136
Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 6 f. Zu diesen siehe S. 12 ff. 138 Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 10; Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 20; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 10. 139 Zu dieser Funktion beispielsweise Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 598; Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1411. 140 Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 21. 141 Zur Bedeutung dieser Fälle siehe noch S. 322 ff. 142 Siehe im Einzelnen S. 69 ff. (zur Bewertung aus rechtsökonomischer Sicht), S. 302 ff. 137
§ 4 Einsatzzwecke und Interessen der Beteiligten
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I. Darlehensaufnahme zur Erfüllung von Lieferverpflichtungen aus dem Verkauf von Wertpapieren Der Einsatz von Wertpapierdarlehen zur Erfüllung der Lieferpflicht aus dem Verkauf von Wertpapieren kann in zwei Fallgruppen eingeteilt werden, je nachdem, ob er dem Zweck dient, unvorhergesehene Lieferprobleme zu überbrücken, oder ob der Verkäufer diesen von Anfang an geplant hatte.
1. Überbrückung von Verzögerungen bei der Erfüllung Ein Wertpapierdarlehen kann von einem Wertpapierverkäufer genutzt werden, um (vorübergehende) Schwierigkeiten bei der rechtzeitigen Erfüllung des Kaufvertrages und damit Verzugszinsen sowie einen eventuellen Reputationsverlust zu vermeiden.143 Zu derartigen Lieferverzögerungen kann es gerade bei zeitlich kurz aufeinander folgenden (back-to-back tradings), grenzüberschreitenden Transaktionen kommen, wenn in den beteiligten Märkten unterschiedliche Lieferfristen für die Wertpapiere gelten.144 Werden beispielsweise Wertpapiere an einem Markt gekauft, an dem eine Lieferfrist von drei Tagen (T+3) gilt, und unmittelbar anschließend an einem Markt mit zweitägiger Lieferfrist (T+2) verkauft, kann diese Differenz mit einem Darlehen überbrückt werden. Gleiches gilt, wenn es bei aufeinander folgenden Transaktionen zu anderweitigen Verzögerungen in der Lieferkette kommt,145 beispielsweise wegen technischer Probleme bei der Abwicklung. Für den seinerseits noch nicht belieferten Verkäufer sind in derartigen Fällen die an den Darlehensgeber zu entrichtenden Zinsen regelmäßig niedriger als die dem (zur zivilrechtlichen Zuordnung der Stimmrechte) und S. 268 ff. (zur gesellschaftsrechtlichen Zuordnung der Stimmrechte). 143 Dazu etwa Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 15 f.; Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 598; Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 22; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 6; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 30 f.; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 8 f.; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 8; Kümpel WM 1990, 909, 909; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.30; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1160; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 80; Pulver, in: Reutter/Werlen, Kapitalmarkttransaktionen VI, 2011, S. 225, 230 f.; Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1370; Zerey/Storck, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 12 Rn. 10; Weissmann, Die Wertpapierleihe in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 16 f. 144 Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 5 f.; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 6 f.; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 30 f.; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 8; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 7.8; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 22 Rn. 6. 145 Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 21; Pulver, in: Reutter/Werlen, Kapitalmarkttransaktionen VI, 2011, S. 225, 230 f.
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Kapitel 2: Grundlagen
Käufer zu zahlenden Verzugszinsen. Die vor allem im Rahmen von organisierten Wertpapierdarlehenssystemen angebotenen automatisierten Wertpapierdarlehen dienen aus Sicht des Darlehensnehmers gerade dem Zweck, die Nichterfüllung seiner Lieferverpflichtungen zu verhindern.146 Die Angleichung von Lieferfristen147 sowie fortschreitende Verbesserungen bei den Abwicklungssystemen haben freilich dazu geführt, dass die Bedeutung von Wertpapierdarlehen zur Überbrückung von Lieferschwierigkeiten im Abnehmen begriffen ist.148
2. Finanzierung von Leerverkäufen Die wohl bedeutendste Rolle spielen Wertpapierdarlehen heute bei der Finanzierung von Leerverkäufen, also bei einem Verkauf von Wertpapieren, bei dem der Verkäufer von Anfang an beabsichtigt, seine Lieferpflicht mit darlehensweise erworbenen Wertpapieren zu erfüllen. Ist das Darlehen fällig, muss er sich zur Erfüllung des Rückgewähranspruchs des Darlehensgebers am Kassamarkt mit Wertpapieren gleicher Art eindecken. Bei wirtschaftlicher Betrachtung kann mit einer derartigen Gestaltung das gleiche Ergebnis erzielt werden wie mit einem Terminverkauf. Diese Feststellung ist eine Folge des allgemeinen Grundsatzes, dass sich die Zahlungsströme und Risiken aus Derivaten mit Kassageschäften nachbilden oder sich in solche Geschäfte „zerlegen“ lassen.149 Als synthetischen Terminkauf kann man demzufolge den mit einem Gelddarlehen finanzierten Kassakauf bezeichnen, während der mit einem Sachdarlehen finanzierte Kassaverkauf als synthetischer Terminverkauf einzuordnen ist.150 Da der mit einem Wertpapierdarlehen finanzierte Leerverkauf somit die gleiche wirtschaftliche Funktion erfüllt wie ein Terminverkauf, soll nachfolgend zunächst ein Überblick über die Funktions146
Zu automatisierten Wertpapierdarlehen oben S. 21. Siehe dazu auch den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung des europäischen Parlaments und Rates zur Verbesserung der Wertpapierabrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinie 98/ 26/EG vom 7. März 2012, COM(2012) 73/2, der eine Harmonisierung der Abrechnungszyklen auf T+2 vorsieht. 148 So bereits zur Situation in den 90er Jahren Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 7 f. Auch Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 22, weist darauf hin, dass settlement coverage in der Vergangenheit eine wichtige Rolle für die Entstehung des Wertpapierdarlehensmarktes spielte. 149 Ausführlich dazu Pross, Swap, Zins und Derivat, 1998, S. 27 ff.; Rudolph/Schäfer, Derivative Finanzmarktinstrumente, 2005, S. 43 ff. Aus dem rechtswissenschaftlichen Schrifttum siehe vor allem Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002, S. 39 ff., der auf S. 52 ff. auch darauf hinweist, dass sich Termingeschäfte statisch durch Kassageschäfte nachbilden lassen, während Optionsgeschäfte nur einer dynamischen Nachbildung zugänglich sind, was bedeutet, dass das zu diesem Zweck eingesetzte Portfolio ständig angepasst werden muss. Siehe auch Kümpel/Wittig/Rudolf, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 19.20. 150 Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002, S. 39 ff. 147
§ 4 Einsatzzwecke und Interessen der Beteiligten
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weise und die Einsatzzwecke von derivativen Finanzinstrumenten gegeben werden. a) Funktionsweise und Einsatzzwecke von Derivaten im Überblick Derivative Finanzinstrumente sind durch vielfältig Erscheinungsformen und Möglichkeiten der inhaltlichen Ausgestaltung gekennzeichnet. Aufsichtsrechtlich definiert § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG Termingeschäfte als die praktisch wichtigste Kategorie von Derivaten. Nach der Legaldefinition sind dies als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswertes ableitet. Diese Definition macht deutlich, dass derivativen Finanzinstrumenten aus zivilrechtlicher Sicht in aller Regel Kauf- oder Tauschverträge zugrunde liegen.151 Sie werden regelmäßig nicht in natura durch Lieferung des Basiswertes, sondern durch Barausgleich erfüllt oder durch Abschluss eines gegenläufigen Geschäfts glattgestellt.152 Aus § 2 Abs. 2 WpHG ergibt sich auch die große Bandbreite der in der Praxis vorzufindenden Basiswerte, zu denen nicht nur Wertpapiere und Waren, sondern beispielsweise auch Devisen, Zinssätze, Kreditrisiken, Indices oder volkswirtschaftliche Variablen wie Inflationsraten zählen.153 aa) Funktionsweise und Charakteristika Termingeschäfte unterscheiden sich von den am Kassamarkt geschlossenen, sofort zu erfüllenden Geschäften durch einen hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt.154 Das Hinausschieben des Erfüllungszeitpunkts kann rechtstechnisch auf zwei verschiedene Arten erreicht werden, die als Festund Optionsgeschäft bezeichnet werden.155 Festgeschäfte, die auch Futures oder – im außerbörslichen Handel – Forwards genannt werden, zeichnen sich dadurch aus, dass beide Parteien unbedingt verpflichtet sind, das Geschäft zum festgelegten, zukünftigen Zeitpunkt durchzuführen. Beim Optionsgeschäft wird dagegen einer Partei, dem Optionskäufer, eine Gestaltungsmacht eingeräumt. Dieser erwirbt das Recht, den Basiswert innerhalb eines vereinbarten Zeitraums und zu einem festgelegten Preis von der ande151
Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 46. Kümpel/Wittig/Rudolf, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 19.21. 153 Siehe auch den Anhang I Abschnitt C Nr. 4 bis 10 der Finanzmarktrichtlinie (Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004, Amtsblatt Nr. L 145 vom 30. April 2004, S. 1 ff.). 154 Dazu und zum Folgenden auch Zimmermann, in: Domej/Dörr/Hoffmann-Nowotny/Vasella/Zelger (Hrsg.), Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S. 113, 114 f. 155 Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 43 ff.; Kümpel/Wittig/Rudolf, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 19.17; Zerey/Schüwer/Steffen, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 1 Rn. 4 ff. 152
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ren Partei, dem Stillhalter, zu kaufen (Call-Option) oder ihr diesen zu verkaufen (Put-Option). Der Wert eines derivativen Finanzinstruments ist von der Preis- oder Kursentwicklung des Basiswerts abhängig, da sich der Preis (oder, bei Basiswerten, die keinen Preis haben, die entsprechende Einheit) des Basiswertes bis zum Erfüllungszeitpunkt ändern kann. Dies bedeutet weiter, dass der Betrag, den eine Partei eines Derivatkontrakts in der Zukunft schuldet, zufallsabhängig ist, da auch der Basiswert – jedenfalls in effizienten Märkten – stets eine variable und zufallsabhängige Größe ist.156 Ein weiteres Merkmal von Derivaten ist typischerweise deren Hebelwirkung. Als Hebel bezeichnet man das Verhältnis zwischen dem zum hypothetischen Erwerb des Basiswertes erforderlichen und dem tatsächlich bei Abschluss des Geschäfts geleisteten Betrag (der Sicherheitsleistung oder Optionsprämie); der Kehrwert des Hebels entspricht damit dem prozentualen Eigenkapitaleinsatz.157 bb) Von den Teilnehmern an derivativen Märkten verfolgte Ziele Die Teilnehmer an derivativen Märkten verfolgen durchaus unterschiedliche Ziele.158 Zu nennen sind insoweit vor allem der Einsatz von Derivaten für das sogenannte Hedging, für die Nutzung von Arbitragemöglichkeiten und zum Zwecke der Spekulation.159 Hedging bezeichnet die Absicherung gegen Kursschwankungen des Basiswerts. So kann sich beispielsweise an den Warenterminmärkten ein Hersteller von landwirtschaftlichen Produkten durch einen Terminkontrakt den Preis sichern, zu dem er das Produkt in der Zukunft liefern wird oder umgekehrt ein Unternehmen, das für die laufende Produktion bestimmte Rohstoffe benötigt, den Preis, zu dem es diese Rohstoffe zukünftig beziehen kann.160 Unter Arbitrage wird das Ausnutzen von Preisdifferenzen von bestimmten Wirtschaftsgütern in verschiedenen Märk156 Siehe Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002, S. 18 f. („stochastische Bedingtheit“); Kümpel/Wittig/Rudolf, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 19.19; Zimmermann, in: Domej/Dörr/Hoffmann-Nowotny/Vasella/Zelger (Hrsg.), Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S. 113, 114 und unten S. 156 f. 157 Siehe nur Fuchs/Jung, WpHG, 2009, Vor §§ 37e und 37 g Rn. 28 m. w. N. 158 Zur volkswirtschaftlichen Bewertung derivativer Märkte siehe unten S. 153 ff. 159 Fuchs/Jung, WpHG, 2009, Vor §§ 37e und 37 g Rn. 5 ff.; Kümpel/Wittig/Rudolf, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 19.33 ff.; Zerey/Schüwer/Steffen, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 1 Rn. 12 ff. 160 Der börsenmäßige Terminhandel, dessen Anfänge sich bis in das 17. Jahrhundert zurückverfolgen lassen, betraf zunächst vor allem Warenterminmärkte; ein Terminhandel für Aktien und Schuldverschreibungen bildete sich im 19. Jahrhundert. Siehe dazu Samtleben in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1997, S. 470 f. Mit Beendigung des Bretton-Woods-Abkommens im Jahr 1973 und der Einführung frei schwankender Wechselkurse, die für entsprechenden Bedarf nach Absicherungsgeschäften sorgte, nahm auch der Handel mit (sonstigen) Finanzderivaten genauso rapide zu wie die Zahl der neu eingerichteten Terminbörsen. – Zu den Einsatzzwecken von Derivaten und der Entwicklung derivativer Märkte siehe auch Zimmermann, in: Domej/Dörr/Hoffmann-Nowotny/Vasella/Zelger (Hrsg.), Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S. 113, 115 f.
§ 4 Einsatzzwecke und Interessen der Beteiligten
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ten zum Zwecke der Gewinnerzielung verstanden.161 Daneben können Derivate auch zur Spekulation eingesetzt werden, d. h. zur Erzielung von Gewinnen durch das kurzfristige Ausnutzen von intertemporären Preisunterschieden.162 b) Einsatzmöglichkeiten von Leerverkäufen Der mit einem Wertpapierdarlehen finanzierte Leerverkauf bietet als synthetischer Terminverkauf die gleichen Einsatzmöglichkeiten wie ein „echter“ Terminverkauf.163 Insbesondere ermöglicht er neben einer Absicherung gegen nachteilige Kursschwankungen164 auch die Spekulation auf fallende Kurse des leer verkauften Wertpapiers.165 Auch Arbitrageure, also Marktteilnehmer, die Preisdifferenzen von bestimmten Wirtschaftsgütern in verschiedenen Märkten zum Zwecke der Gewinnerzielung ausnutzen, bedienen sich des Wertpapierdarlehens, um Leerverkäufe zu finanzieren.166 Bei derartigen, gerade auch von Hedgefonds verfolgten, Strategien werden insbesondere solche Bewertungsunterschiede ausgenutzt, die sich auf dem Kassamarkt und 161 Siehe etwa Fuchs/Jung, WpHG, 2009, Vor §§ 37e und 37g Rn. 7; Zerey/Schüwer/ Steffen, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 1 Rn. 14; Stout 21 J. Corp. L. 53, 55 (1995). 162 Kaldor 7 Rev. Econ. Stud. 1, 1 (1939); Posner, Economic Analysis of Law, 8. Aufl. 2011, § 3.5; Schwark/Zimmer/Schwark, 4. Aufl. 2010, § 23 BörsG Rn. 2; Stout, 48 Duke L. J. 701, 735 (1999). Von Spekulationsgeschäften abzugrenzen sind Geschäfte, die der längerfristigen Anlage (Investition) oder dem Verkauf von Liquidität (Market Making) dienen, dazu etwa Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 23 f. 163 Zu den möglichen Strategien von Leerverkäufern siehe auch Diether/Lee/Werner 22 Rev. Financ. Stud. 575, 576 f. (2009). 164 Dazu etwa Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 8 f. und S. 10: Eine Longposition in bestimmten Wertpapieren kann durch einen Leerverkauf abgesichert werden; das abzusichernde Wertpapierportfolio kann dann als Sicherheit für das Wertpapierdarlehen dienen. Weitere Beispiele für Absicherungsgeschäfte mit Leerverkäufen bei Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 31; Kümpel WM 1990, 909, 909; Kümpel, Bankund Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.31; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 22 Rn. 3. 165 Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 25 f.; Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 22; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 8; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 31 f.; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 9; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 9; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/ 1160; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 22 Rn. 3, 5; Zerey/Storck, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 12 Rn. 8; Weissmann, Die Wertpapierleihe in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 17. 166 Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 17 ff.; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 31; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 9 f.; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 9 f.; Hellner/ Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1160; Pulver, in: Reutter/Werlen, Kapitalmarkttransaktionen VI, 2011, S. 225, 231; Weissmann, Die Wertpapierleihe in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 17.
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dem zugehörigen derivativen Markt zeigen.167 Ist ein Marktteilnehmer beispielsweise der Meinung, dass ein bestimmtes Wertpapier auf dem Kassamarkt überbewertet und auf dem Terminmarkt unterbewertet ist, bietet es sich an, dieses Wertpapier zur Ausnutzung des Bewertungsunterschieds auf dem Kassamarkt leer zu verkaufen und es am Terminmarkt zu kaufen.168 Bei einer solchen Gestaltung dient das Wertpapierdarlehen im Ergebnis der Überbrückung der unterschiedlichen Lieferfristen an Kassa- und Terminmarkt.169 Ein weiteres Beispiel für einen derartigen Einsatz von Wertpapierdarlehen bildet die sogenannte Convertible Bond Arbitrage, bei der Unterschiede in der Marktbewertung von hybriden Finanzinstrumenten wie Wandel- und Optionsanleihen und den Aktien des Emittenten ausgenutzt werden, indem das hybride Finanzinstrument gekauft und die Aktien leer verkauft werden.170
3. Market Making Einen Sonderfall stellt der Einsatz von Wertpapierdarlehen zur Erfüllung von Lieferverpflichtungen im Rahmen des Market Making dar. Insoweit bestehen gewisse Überschneidungen mit dem vorgehenden Abschnitt, da auch der von einem Market Maker vorgenommene, mit einem Darlehen finanzierte Verkauf eines Wertpapiers einen Leerverkauf darstellt. Market Maker sind nach der Legaldefinition in § 23 Abs. 4 S. 1 WpHG Personen, die an einem Markt dauerhaft anbieten, Finanzinstrumente im Wege des Eigenhandels zu selbst gestellten Preisen zu kaufen oder zu verkaufen.171 Sie stellen damit anderen Marktteilnehmern Liquidität zur Verfügung, indem sie verbindliche Kauf- und Verkaufangebote (Quotes) abgeben.172 Grundsätzlich greifen Market Maker zur Erfüllung der von ihnen abgeschlossenen Geschäfte auf ihren eigenen Wertpapierbestand zurück.173 Stellen Market Maker verbind167 Siehe auch Edelmann/Eller, Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäfte, 1996, S. 16 ff.; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1160. 168 Dazu Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 17 ff. (mit einem Rechenbeispiel); Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 598; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 8 f.; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 22 Rn. 4; Zerey/Storck, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 12 Rn. 9; Weissmann, Die Wertpapierleihe in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 17. 169 Siehe nur Kümpel WM 1990, 909, 909; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.32 170 Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 23; Madjlessi/Leopold, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl. 2013, § 11 Rn. 28 f.; Schlitt/Schäfer AG 2007, 227, 235. 171 Dazu noch S. 55 ff. 172 Siehe dazu etwa MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 117; Schwark/Zimmer/Schwark, 4. Aufl. 2010, § 23 Rn. 17; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 23 Rn. 19. 173 Schwark/Zimmer/Schwark, 4. Aufl. 2010, § 23 Rn. 17.
§ 4 Einsatzzwecke und Interessen der Beteiligten
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liche Verkaufskurse, kann aber auch ein Darlehen dazu eingesetzt werden, einen anderweitig nicht (sofort) zu befriedigenden Bedarf an bestimmten Wertpapieren zu decken.174
II. Strategische Darlehensaufnahme zur Erlangung des Stimmrechts Aktiendarlehen bieten dem Darlehensnehmer auf den ersten Blick, d. h. vorbehaltlich der gesellschaftsrechtlichen Beurteilung dieses Vorgehens,175 auch die Möglichkeit, sich im Wege eines indirekten Stimmrechtshandels die mit den Aktien verbundenen Stimmrechte für eine begrenzte Zeit zu verschaffen, ohne die normalerweise mit einem Halten der Aktien verbundenen Risiken zu tragen (risikoentleerte Stimmrechte).176 Diese auch als Empty Voting177 bezeichnete Ausnutzung der durch ein Aktiendarlehen verschafften rechtlichen Stellung unterscheidet sich von den soeben beschriebenen Einsatzzwecken vor allem dadurch, dass der Darlehensnehmer nicht beabsichtigt, die darlehensweise gehaltenen Aktien an einen Dritten zu übereignen und dem Darlehensgeber bei Vertragsbeendigung gattungsgleiche, am Markt beschaffte Aktien zurückzuerstatten, sondern stattdessen diejenigen Aktien zurückerstattet, die er vom Darlehensgeber erhalten hatte, nachdem er sie zur Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung benutzt hat.178
III. Sonstige mit der Darlehensaufnahme verfolgte Zwecke 1. Kurspflegemaßnahmen nach der Emission von Wertpapieren Werden Wertpapiere emittiert, bieten die emissionsbegleitenden Banken als Dienstleistung in der Regel auch Kurspflegemaßnahmen an, mit denen innerhalb eines gewissen Zeitraums nach der Emission (etwa 4 bis 6 Wochen) insbesondere auch zufallsbedingte, nicht mit der allgemeinen Marktentwicklung oder der wirtschaftlichen Lage des Emittenten zu begründende Kurs174 Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 29; Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 8; Crisp 8 J. Bus. & Sec. L. 135, 142 (2007–2008); Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 22; IOSCO Report, June 2003, S. 5 f.; McCaffrey 73 Alb. L. Rev. 483, 483 (2009–2010); Weissmann, Die Wertpapierleihe in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 16. 175 Dazu unten S. 268 ff. 176 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 599 f.; Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band II, 1995, S. 23 ff.; Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 32 Fn. 56; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 128 f.; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 11; Baumbach/Hopt/Hopt, 36. Aufl. 2014, Bankgeschäfte Rn. T/3; Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, 2. Aufl. 2007, Rn. 474; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 89; Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 38 f. 177 Dazu im Einzelnen S. 69 ff. 178 Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 129.
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Kapitel 2: Grundlagen
rückgänge verhindert werden sollen, um zur Vertrauensbildung der Anleger beizutragen.179 Denn auch bei Verwendung des in der Praxis vorherrschenden Bookbuildingverfahrens, das dem Emittenten in Zusammenarbeit mit dem Emissionskonsortium eine bevorzugte Zuteilung der neuen Aktien an langfristig orientierte Anleger ermöglicht,180 ist nicht auszuschließen, dass bereits kurz nach der Emission eine nicht unerhebliche Anzahl der gezeichneten Aktien wieder verkauft wird.181 Eine derartige Kursstabilisierung wird mit dem in Deutschland seit 1996 eingesetzten und schon seit über 10 Jahren als Marktstandard zu bezeichnenden182 Greenshoeverfahren183 erreicht. Dieses Verfahren ist dadurch gekennzeichnet,184 dass das Emissionskonsortium den Anlegern über das festgelegte Emissionsvolumen hinaus Aktien zuteilt, in der Regel in der Größenordnung von 10 bis 15 %. Der konsortialführenden Bank wird im Übernahmevertrag von dem Emittenten oder von Altaktionären eine Mehrzuteilungsoption auf Bezug dieses zusätzlich zugeteilten Volumens zum Emissionspreis eingeräumt. Zur (kurzfristigen) Finanzierung der Mehrzuteilung werden sowohl Stundungsvereinbarungen mit einzelnen Anlegern als auch von Altaktionären gewährte Aktiendarlehen185 eingesetzt. Wie die zur Erfüllung des gestundeten Lieferanspruchs oder des Rückerstattungsanspruchs aus dem Darlehensvertrag erforderlichen Aktien beschafft werden, ist von der Kursentwicklung nach dem Emissionszeitpunkt abhängig. Ist der Aktienkurs in der Zwischenzeit gefallen, können die Konsortialbanken am Markt Aktien zu Preisen kaufen, die unter dem Emissionspreis liegen und tragen mit dieser zusätzlichen Nachfrage zur Stabilisierung der Kurse bei; die Mehrzuteilungsoption muss dann nicht in Anspruch genommen werden. Für den Fall, dass der Kurs in der Zwischenzeit gestiegen und damit dessen Stützung nicht erforderlich ist, wird der Stillhalter der 179 Dazu nur Schanz, Börseneinführung, 3. Aufl., 2007, § 10 Rn. 126. – Zur kapitalmarktrechtlichen Zulässigkeit siehe etwa Fuchs/Fleischer, WpHG, 2009, § 20a Rn. 131 ff. 180 Zum Bookbuildingverfahren z. B. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 10.188 ff.; Kümpel/Wittig/Müller, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 15.87; Schanz, Börseneinführung, 3. Aufl., 2007, § 10 Rn. 80 ff. 181 MünchKommAktG/Oechsler, 3. Aufl. 2008, § 71 Rn. 353; Schanz BKR 2002, 439, 442. 182 Schanz BKR 2002, 439, 441. 183 Die Bezeichnung geht zurück auf die Green Shoe Manufacturing Co., die das Verfahren zum ersten Mal einsetzte, Fuchs/Fleischer, WpHG, 2009, § 20a Rn. 130 Fn. 464. 184 Zum Folgenden etwa Findeisen/Tönningsen WM 2011, 1405, 1408; Fuchs/Fleischer, WpHG, 2009, § 20a Rn. 129 f.; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 32; Gravenhorst, Platzierungsverfahren bei Aktienemissionen und der Anspruch auf Zuteilung, 2003, S. 90 ff.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 10.224 ff.; Schanz BKR 2002, 439, 441 ff.; Schanz, Börseneinführung, 3. Aufl., 2007, § 10 Rn. 156 ff. 185 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 599 spricht von dem Aktiendarlehen als „Transaktionshilfe“; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.33; Hellner/ Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1160a.
§ 4 Einsatzzwecke und Interessen der Beteiligten
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Mehrzuteilungsoption in Anspruch genommen, um auf diese Weise die benötigten Aktien zum Emissionspreis beziehen zu können.186 Der alternative Kauf der Aktien am Markt würde für die emissionsbegleitenden Banken dagegen zu einem Verlust führen.
2. Liquiditätsbeschaffung Die darlehensweise erlangten Wertpapiere können auch zur Liquiditätsbeschaffung genutzt werden.187 In Betracht kommt dafür insbesondere der Abschluss eines echten Wertpapierpensionsgeschäfts, d. h. der Verkauf der darlehensweise gehaltenen Wertpapiere und deren Rückkauf auf Termin, um die Rückerstattungspflicht aus dem Darlehensvertrag erfüllen zu können. Eine solche Gestaltung eröffnet Gewinnmöglichkeiten, wenn die derart erlangte Liquidität (kurzfristig) am Geldmarkt zu einem Zinssatz investiert werden kann, der die Summe aus Darlehenszins und Reposatz übersteigt.188 Die durch das Darlehen erlangten Wertpapiere können daneben auch als Sicherheiten eingesetzt werden.189 Ein Beispiel ist die Besicherung eines Lombardkredits, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken.190 Aber auch für andere Geschäfte werden darlehensweise beschaffte Wertpapiere als Sicherheiten verwendet. So ist beispielsweise in jüngerer Zeit die Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen auf dem Darlehensmarkt hoch; zum Ende des dritten Quartals des Jahres 2012 wurden 40,56 % der Lendable Assets, d. h. der potentiell verfügbaren Staatsanleihen, in Höhe von ca. US$ 256 Mrd. für Darlehensgeschäfte genutzt.191 Der Grund dafür ist in dem Umstand zu sehen, dass deutsche Staatsanleihen beliebte Sicherheiten für Derivategeschäfte sind.192 186 Ist der Stillhalter zugleich Darlehensgeber, erfolgt in diesem Fall eine Aufrechnung der gegenseitigen Lieferpflichten, Schanz BKR 2002, 439, 442. Zur den gesellschaftsrechtlichen Fragen einer Unterlegung der von dem Emittenten selbst gewährten Mehrzuteilungsoption siehe etwa BGH NZG 2009, 589. 187 Zum Folgenden siehe vor allem Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 20 ff.; Gossen/ Acker ZfgKw 1999, 1392, 1394; Edelmann/Eller, Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäfte, 1996, S. 21 ff.; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 10. – Zur Finanzierungsfunktion von Wertpapierdarlehen in diesem Sinne siehe noch S. 58 f. 188 Rechenbeispiele finden sich bei Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 21 ff.; Edelmann/Eller, Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäfte, 1996, S. 23 f. 189 Edelmann/Eller, Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäfte, 1996, S. 28 ff. 190 Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 24 f. 191 Securities Finance Review, Q3 2012, veröffentlicht am 15. November 2012, abrufbar unter http://www.markit.com/assets/en/docs/quarterley-review/20121112_MSF_quarterly.pdf, S. 39. 192 Securities Finance Review, Q3 2012, veröffentlicht am 15. November 2012, abrufbar unter http://www.markit.com/assets/en/docs/quarterley-review/20121112_MSF_quarterly.pdf, S. 38.
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Kapitel 2: Grundlagen
B. Vom Darlehensgeber verfolgte Zwecke I. Renditesteigerung In den meisten Fällen dürfte die Motivation des Darlehensgebers darin bestehen, einen Gewinn zu erwirtschaften und auf diese Weise die Rendite seines Wertpapierportfolios zu steigern.193 Dies gilt gerade auch für im Wettbewerb um Anlegergelder stehende Kapitalanlagegesellschaften,194 die im Rahmen eines sogenannten efficient portfolio management auch Wertpapierdarlehen und Pensionsgeschäfte einsetzen. Der Ertrag des Darlehensgebers besteht primär195 in den vom Darlehensnehmer zu zahlenden Zinsen,196 die das Gesetz seit der Schuldrechtsreform in § 607 Abs. 1 S. 2 BGB als Darlehensentgelt bezeichnet.197 Dieser stellt bei der üblichen Vertragsgestaltung, die einen Anspruch des Darlehensgebers auf die Erträge der Wertpapiere (insbesondere Zinsen und Dividenden) vorsieht,198 eine Zusatzrendite dar. Zudem entfallen für den Darlehensgeber während der Laufzeit des Darlehens etwaige Depotgebühren.199 193 Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 9 ff.; Ambrosius/Franz, ZfgKw 2008, 196, 196; Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 598; Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 18; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 11; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 33; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 7; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 7; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 2; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 7.8; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1161; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 81; Pulver, in: Reutter/Werlen, Kapitalmarkttransaktionen VI, 2011, S. 225, 231; Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1370; Weissmann, Die Wertpapierleihe in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 17 f. 194 Zu diesem Aspekt Ambrosius/Franz, ZfgKw 2008, 196, 197; D’Avolio 66 J. Fin. Econ. 271, 277 Fn. 5 (2002); Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 122. 195 Daneben wird ggf. ein Entgelt (base fee) für die grundsätzliche Bereitstellung eines Portfolios für Wertpapierdarlehen vereinbart, dazu nur Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 11. 196 Allgemein dazu Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 12 f.; Kümpel WM 1990, 909, 909; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.34. 197 Zur Qualifikation des „Darlehensentgelts“ als Zins siehe S. 113 ff. 198 Dazu S. 187 f. 199 Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 15; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 11; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 33; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 7; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 7; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 2; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 7.8; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1161; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 22 Rn. 8; Weissmann, Die Wertpapierleihe in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 18.
§ 4 Einsatzzwecke und Interessen der Beteiligten
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II. Darlehen mit Finanzierungsfunktion Besteht die von dem Darlehensnehmer geleistete Sicherheit aus Bargeld,200 kann das Darlehen für den Darlehensgeber im Einzelfall auch Finanzierungsfunktion haben.201 Bei wirtschaftlicher Betrachtung steht dann, unabhängig von der von den Parteien gewählten Bezeichnung der Transaktion als „Wertpapierdarlehen“, die Refinanzierung einer Wertpapierposition des Darlehensgebers im Vordergrund. Insoweit ist die gleiche Abgrenzung vorzunehmen wie zwischen Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäften.202
III. Umgehung von Meldepflichten Zu den von Wertpapierdarlehensgebern verfolgten Motiven kann schließlich auch die Umgehung von kapitalmarktrechtlichen Meldepflichten gehören.203 Ein Anreiz für eine derartigen Strategie besteht vor allem im Vorfeld von Unternehmensübernahmen, um die potentiell kurssteigernde Offenlegung eines Beteiligungsaufbaus möglichst weit hinauszuzögern. Sie ist dann erfolgversprechend, wenn den Darlehensgeber nach dem anwendbaren Recht trotz seines schuldrechtlichen Rückerstattungsanspruchs keine Meldepflichten treffen, sondern lediglich der Darlehensnehmer als Eigentümer der Aktien meldepflichtig ist. Ob ein solches meldepflichtvermeidendes „Parken“ von Aktien nach deutschem Kapitalmarktrecht zulässig ist, soll in Kapitel 4 behandelt werden.204
C. Gestaltungen zum Nutzen von Darlehensgeber und -nehmer In bestimmten Fällen kann ein Darlehensvertrag einem gemeinsamen Interesse beider Parteien dienen. So kann die vorübergehende darlehensweise Übertragung von Wertpapieren dazu vereinbart werden, um Steuervorteile zu nutzen, die nur einer Partei (dem Darlehensnehmer) zukommen; die Konditionen werden typischerweise so festgelegt, dass beide Parteien an dem entstehenden Vorteil partizipieren.205 Ein Beispiel für eine derartige
200
Dazu bereits oben S. 34 f. Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 14; Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 24; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 8; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/ 1161. 202 Siehe S. 4 ff. 203 Dazu auch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 599 f.; Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1370. 204 S. 237 ff. 205 Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 24 f. 201
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Kapitel 2: Grundlagen
Steuerarbitrage ist die darlehensweise Übertragung von Aktien vor dem Dividendentermin in eine Steuerjurisdiktion, die eine vorteilhafte Besteuerung von Dividenden bietet.206 Aktienfonds, insbesondere Indexfonds, die an eine vorgegebene Gewichtung der Aktien in ihrem Portfolio gebunden sind, können an Programmen zur Reinvestition von Dividenden, die viele US-amerikanische Aktiengesellschaften aufgelegt haben (Dividend Reinvestment Plan), nicht teilnehmen.207 Im Rahmen solcher Programme haben die Aktionäre die Wahl zwischen der Auszahlung einer Bardividende und der Reinvestition der Dividende in zusätzliche, vergünstige Aktien. Eine (teilweise) Ausnutzung dieser Vergünstigung wird durch Aktiendarlehen ermöglicht. Der Darlehensnehmer nimmt in diesem Fall an dem Dividend Reinvestment Plan teil und beteiligt den Darlehensgeber durch entsprechende Gestaltung der Darlehenskonditionen wirtschaftlich an dem Gewinn, der durch einen Verkauf der bezogenen neuen Aktien entsteht.
§ 5 Wirtschaftlicher Hintergrund A. Die historische Entwicklung Die Entwicklung von Wertpapierdarlehensmärkten geht mit der Entwicklung der Wertpapiermärkte,208 insbesondere der Terminmärkte für Wertpapiere,209 einher.210 Diese Verknüpfung ergibt sich aus den soeben behandelten Einsatzzwecken von Wertpapierdarlehen. Insoweit ist insbesondere die Finanzierung von Leerverkäufen zu nennen. Denn die Entwicklung von derivativen Märkte erzeugt auch ein steigendes Bedürfnis nach derartigen synthetischen Terminverkäufen.211 Im Übrigen führt die Expansion der Wertpapiermärkte allgemein und die Zunahme gerade des grenzüberschreitenden Handels zu einem verstärkten Einsatz von Wertpapierdarlehen zur Überbrückung von Lieferschwierigkeiten.212 Angesichts dieser Zusammenhänge überrascht es nicht, dass sich die Anfänge des Einsatzes von Wertpapierdarlehen nur bis in das 19. Jahrhundert 206 Allgemein zur Steuerarbitrage auch Ambrosius/Franz, ZfgKw 2008, 196, 196; Wagner Der Konzern 2009, 601, 602 ff. 207 Dazu Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 25. 208 Dazu etwa Faulkner, An Introduction to Securities Lending, 4. Aufl. 2007, abrufbar unter www.eseclending.com, S. 63. 209 Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 5 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.1; Rich/Moore 29 The Journal of Portfolio Management 61, 62 (2002). 210 Siehe auch die Schilderung in IOSCO Report, July 1999, S. 9 ff. 211 Zur Bedeutung von Leerverkäufen für das Entstehen und die Funktionsfähigkeit von Terminmärkten siehe noch S. 60 ff. 212 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.1.
§ 5 Wirtschaftlicher Hintergrund
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zurückverfolgen lassen.213 Damit stimmt auch überein, dass sich etwa in Deutschland erst im 19. Jahrhundert ein nennenswerter Terminhandel mit Wertpapieren entwickelte.214 Die Entwicklung zu leistungsfähigen, tiefen und breiten Wertpapierdarlehensmärkten verlief in den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich mit größerer Geschwindigkeit als in Kontinentaleuropa.215 So fand bereits in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts an der New York Stock Exchange (NYSE) ein zentralisierter Präsenzhandel216 zwischen den Börsenmitgliedern (sog. loan post) statt, der neben der Vermittlung von Vertragsschlüssen durch Broker trat.217 Auf diesem Markt bildete sich börsentäglich ein Schlusskurs, der in der am nächsten Tag erscheinenden Ausgabe des Wall Street Journal veröffentlicht wurde.218 Der Markt in den Vereinigten Staaten nahm bereits in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts weitgehend seine heutige Gestalt an;219 Marktstandards und eine standardisierte Vertragsdokumentation bildeten sich dort in den achtziger Jahren heraus.220 Eine ähnliche Entwicklung war im Vereinigten Königreich nur mit geringer Verzögerung zu beobachten, insbesondere nach den unter der Bezeichnung „Big Bang“ zusammengefassten Deregulierungsmaßnahmen.221 Demgegenüber erreichten die kontinentaleuropäischen Märkte222 erst in den neunziger Jahren einen vergleichbaren 213 Allgemein IOSCO Report, July 1999, S. 9; für das Vereinigte Königreich und die USA Faulkner, An Introduction to Securities Lending, 4. Aufl. 2007, abrufbar unter www.eseclending.com, S. 63; für Deutschland Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/ 1151; Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1413. – Der Wertpapierleihe verwandte Geschäfte lassen sich bis ins 18. Jahrhundert und teilweise bis in das 17. Jahrhundert zurückverfolgen, dazu Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 52 f. 214 Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 54; Merkt in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1997, S. 48 ff.; Samtleben in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1997, S. 471 f. 215 Dazu auch Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 24 ff. 216 Wie Jones/Lamont, Short-sale constraints and stock returns, 66 J. Fin Econ. 207, 214 (2002) feststellen, steht den Teilnehmern des Wertpapierdarlehensmarktes heute kein zentralisierter Markt zur Verfügung. 217 Jones/Lamont, Short-sale constraints and stock returns, 66 J. Fin Econ. 207, 213 f. (2002); Jones, Shorting Restrictions: Revisiting the 1930’s, Oktober 2008, abrufbar unter http://www1.gsb.columbia.edu/mygsb/faculty/research/pubfiles/3233/JonesShortingRestrictions4a%2Epdf, S. 4. 218 Jones/Lamont, Short-sale constraints and stock returns, 66 J. Fin Econ. 207, 213 (2002). 219 Faulkner, An Introduction to Securities Lending, 4. Aufl. 2007, abrufbar unter www.eseclending.com, S. 63 f.; siehe auch Weissmann, Die Wertpapierleihe in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 47. 220 IOSCO Report, July 1999, S. 9. 221 Faulkner, An Introduction to Securities Lending, 4. Aufl. 2007, abrufbar unter www.eseclending.com, S. 64; Weissmann, Die Wertpapierleihe in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 47 f. – Zu den am 27. Oktober 1986 in Kraft getretenen Deregulierungsmaßnahmen des „Big Bang“ ausführlich Ellger/Kalss in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1997, S. 606 ff. 222 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.1 (der allerdings allge-
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Kapitel 2: Grundlagen
Stand. Seit den neunziger Jahren ist im Übrigen auch eine immer weiter voranschreitende Globalisierung der Darlehensmärkte festzustellen.223 Wertpapierdarlehen wurden auf dem deutschen Markt zum ersten Mal im Jahr 1988 durch eine Investmentbank angeboten.224 Ein organisiertes Wertpapierdarlehenssystem besteht in Deutschland seit 1990,225 während Clearinghäuser im europäischen Ausland Wertpapierdarlehen – zunächst zur Behebung von Lieferschwierigkeiten im internationalen Wertpapierhandel226 – seit 1976 bzw. 1980 anbieten.227
B. Darlehenskonditionen Die Zinsen für Wertpapierdarlehen, in der Praxis meist als Darlehensgebühren oder Lending Fees bezeichnet,228 unterliegen abhängig von Angebot und Nachfrage erheblichen Schwankungen. Die Zinsen für einfach zu beschaffende Wertpapiere liegen oft im Bereich von wenigen Basispunkten.229 Schwer zu beschaffende Wertpapiere, die nur in geringer Zahl oder nur bei wenigen Darlehensgebern erhältlich sind, sogenannte specials, können dagegen mehr als 5 % oder sogar 10 % erzielen.230 Sowohl in den USA als auch in Deutschland waren beispielsweise im dritten Quartal des Jahres 2012 über die Hälfte der für Darlehensgeschäfte zur Verfügung gestellten Wertpapiere für einen lending fee von maximal 50 Basispunkten erhältlich, während Gebühren von mehr als 500 Basispunkten nur für 16 % (USA) und 14 % (Deutschland) der Wertpapiere zu erzielen mein von Europa spricht); siehe auch Faulkner, An Introduction to Securities Lending, 4. Aufl. 2007, abrufbar unter www.eseclending.com, S. 65. 223 IOSCO Report, July 1999, S. 10, 13. 224 Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 1 m. w.N.; siehe auch Gossen/Acker ZfgKw 1999, 1392, 1392. 225 Es handelte sich um das Wertpapierdarlehenssystem des Deutschen Kassenvereins, dazu etwa Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 38 ff.; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 48 ff.; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 20 f. und S. 42 ff. – Zum heutigen Wertpapierdarlehenssystem der Clearstream Banking AG siehe oben S. 20 f. 226 Zu diesem Einsatzzweck von Wertpapierdarlehen oben S. 37 f. 227 Dabei handelte es sich um Euro-Clear (Brüssel) und Cedel (Luxemburg), dazu im Einzelnen etwa Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 41 ff.; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 98 ff.; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 23 f. 228 Zur Qualifikation als Zinsen im technischen Sinne siehe S. 113 ff. 229 Ambrosius/Franz, ZfgKw 2008, 196, 196; D’Avolio 66 J. Fin. Econ. 271, 273 (2002); Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 13 gibt an, dass Zinsen für Aktien aus dem FTSE 100 bei etwa 6 bis 8 Basispunkten, also bei 0,06 % bis 0,08 % p. a., liegen. 230 Branson 5 Va. L. & Bus. Rev. 1, 4 f. (2010); D’Avolio 66 J. Fin. Econ. 271, 273 (2002); Diether/Lee/Werner 22 Rev. Financ. Stud. 575, 581 (2009); Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1194.
§ 5 Wirtschaftlicher Hintergrund
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waren.231 In Sonderfällen können die Darlehensgebühren auch wesentlich über diesen Werten liegen.232 Beispielsweise wurden im Jahr 2009 vor dem Hintergrund eines von der Citigroup beschlossenen Aktientauschs Arbitragemöglichkeiten durch Leerverkäufe ausgenutzt; die für die Finanzierung der Leerverkäufe233 nachgefragten Aktiendarlehen führten zu einem Anstieg der durchschnittlichen jährlichen Zinsen für die Aktie auf über 26 %.234 Nach der empirischen Beschreibung des US-amerikanischen Aktiendarlehensmarktes durch D’Avolio, die auf Daten eines Intermediärs gestützt ist und den Zeitraum von April 2000 bis September 2001 umfasst, sind Zinssätze bei denjenigen Aktien besonders hoch, bei denen sich ein geringer Anteil in den Händen institutioneller Investoren befindet und bei denen das investor disagreement (gemessen an hohem Umsatz, weit auseinandergehenden Analysteneinschätzungen und geringem cash flow) besonders ausgeprägt ist.235 Zu den Umständen, welche die Nachfrage nach einzelnen Wertpapieren bestimmen, zählen nicht nur unternehmensspezifische Besonderheiten, sondern auch die Kosten, die für Kompensationszahlungen beim Darlehensnehmer entstehen.236 Nach der typischen vertraglichen Vereinbarung ist dieser verpflichtet, den Darlehensgeber auch im Hinblick auf Steuern, Abgaben und Steuergutschriften wirtschaftlich so stellen, wie er stehen würde, wenn er Eigentümer der Wertpapiere geblieben wäre. Die steuerliche Position eines Darlehensgebers im Vergleich zu anderen potentiellen Darlehensgebern ist damit ebenfalls ein Faktor für die Nachfrage nach dessen Wertpapieren.237 Das Angebot unterscheidet sich auch nach der Marktkapitalisierung des jeweiligen Wertpapiers. So ist es nicht ungewöhnlich, dass bei Wertpapieren mit hoher Marktkapitalisierung (größer als US$ 10 Mrd.) ein Volumen von mehr als 20 % der Marktkapitalisierung für Darlehensgeschäfte zur Verfügung steht und damit als Lendable Asset zu bezeichnen ist.238 Bei Wertpapieren mit sehr geringer Marktkapitalisierung (kleiner als US$ 300 Mio.) ist das 231 Securities Finance Review, Q3 2012, veröffentlicht am 15. November 2012, abrufbar unter http://www.markit.com/assets/en/docs/quarterley-review/20121112_MSF_quarterly.pdf, S. 26 und S. 38. 232 Zu den die Darlehenskonditionen beeinflussenden Faktoren auch Geczy/Musto/ Reed 66 J. Fin. Econ. 241 (2002), die zu dem Ergebnis gelangen, dass vor allem unternehmensspezifische Besonderheiten die Darlehensgebühren beeinflussen. 233 Zu diesem Einsatzzweck von Wertpapierdarlehen oben S. 38 ff. 234 Data Explorers, Securities Lending Yearbook, 2009–10, abrufbar unter http:// www.eseclending.com/pdfs/Data_Explorers_Yearbook_2009_2010.pdf, S. 12. 235 D’Avolio 66 J. Fin. Econ. 271, 273, 294 und 302 f. (2002). 236 Dazu auch S. 187 f. 237 Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 19. 238 So die Werte für die USA und Deutschland, Stand 30. September 2012, Securities Finance Review, Q3 2012, veröffentlicht am 15. November 2012, abrufbar unter http:// www.markit.com/assets/en/docs/quarterley-review/20121112_MSF_quarterly.pdf, S. 26 und S. 38.
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Kapitel 2: Grundlagen
Angebot, wiederum relativ zur Marktkapitalisierung, typischerweise wesentlich geringer.239
C. Wirtschaftliche Bedeutung Die unbestreitbar große (volks)wirtschaftliche Bedeutung des Wertpapierdarlehensgeschäfts240 lässt sich nur schwer mit Zahlen belegen. Präzises Datenmaterial zur jeweiligen Marktgröße ist nicht verfügbar, da Vertragsschlüsse nicht an zentralisierten Märkten, sondern over the counter stattfinden, d. h. individuell zwischen den Parteien ausgehandelt werden.241 Immerhin kann auf Datenmaterial von Dienstleistern zurückgegriffen werden, die entsprechende Informationen von Intermediären, Banken und anderen Marktteilnehmern wie Hedgefonds sammeln. So betrug Ende September 2012 das Volumen der für Darlehensgeschäfte zur Verfügung stehenden deutschen Aktien gut US$ 271 Mrd., wovon ca. US$ 215 Mrd. auf im Index DAX gelistete Aktien entfielen.242 Von diesen Lendable Assets wurden insgesamt durchschnittlich 8,37 % tatsächlich für Darlehensgeschäfte genutzt, die durchschnittlichen Darlehensgebühren betrugen 47,33 Basispunkte.243 Für den US-amerikanischen Aktienmarkt wurde demgegenüber der Wert der Lendable Assets auf über US$ 4 Bio. veranschlagt, wovon 6,23 % genutzt wurden; die durchschnittlichen Gebühren betrugen 81,68 Basispunkte.244
§ 6 Ökonomische Analyse In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wird die darlehensweise Überlassung von Aktien unter mehreren Gesichtspunkten betrachtet. In der jüngsten Vergangenheit wurde insbesondere das sogenannte Empty Voting, also der Einsatz von Aktiendarlehen und anderer Instrumente, um das in 239 Securities Finance Review, Q3 2012, veröffentlicht am 15. November 2012, abrufbar unter http://www.markit.com/assets/en/docs/quarterley-review/20121112_MSF_quarterly.pdf, S. 26 und S. 38. 240 Zur Bedeutung des Wertpapierdarlehensmarktes für die Liquidität der Kapitalmärkte im allgemeinen und der Terminmärkte im besonderen siehe unten S. 53 ff. 241 IOSCO Report, July 1999, S. 11. 242 Securities Finance Review, Q3 2012, veröffentlicht am 15. November 2012, abrufbar unter http://www.markit.com/assets/en/docs/quarterley-review/20121112_MSF_quarterly.pdf, S. 39. 243 Securities Finance Review, Q3 2012, veröffentlicht am 15. November 2012, abrufbar unter http://www.markit.com/assets/en/docs/quarterley-review/20121112_MSF_quarterly.pdf, S. 39. 244 Securities Finance Review, Q3 2012, veröffentlicht am 15. November 2012, abrufbar unter http://www.markit.com/assets/en/docs/quarterley-review/20121112_MSF_quarterly.pdf, S. 27.
§ 6 Ökonomische Analyse
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der Aktie verkörperte Stimmrecht von der wirtschaftlichen Beteiligung zu entkoppeln, kontrovers erörtert. Daneben ist vor allem der teilweise kritisch betrachtete Einsatz von Wertpapierdarlehen zur Finanzierung von Leerverkäufen Gegenstand der Diskussion. In beiden Fällen ist zu beachten, dass der Abschluss von Darlehensverträgen nur eines von mehreren Instrumenten ist, um das von den Beteiligten gewünschte Ergebnis zu erreichen. So lässt sich das Stimmrecht aus Aktien auch mit einer Vielzahl von anderen möglichen Gestaltungen, namentlich durch den Einsatz von Derivaten, von der wirtschaftlichen Beteiligung (und dem damit verbundenen Risiko) entkoppeln. Das wirtschaftliche Ergebnis von Leerverkäufen, die als synthetische Terminverkäufe einzuordnen sind,245 lässt sich ebenso mit einer Reihe von Alternativen nachbilden, die den derivativen Finanzinstrumenten zuzurechnen sind. Eine umfassende Erörterung dieser Alternativgestaltungen (etwa eine Beurteilung des volkswirtschaftlichen Nutzens oder des volkswirtschaftlichen Schadens der Spekulation mit Derivaten246) würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Stattdessen soll nachfolgend eine spezifisch auf die ökonomische Analyse von Aktiendarlehen bezogene, Alternativgestaltungen weitgehend ausklammernde Untersuchung erfolgen. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass der darlehensweisen Übertragung von Wertpapieren eine wichtige Funktion für die Effizienz der Kapitalmärkte zugeschrieben wird und damit auch die möglichen positiven Wirkungen einzubeziehen sind, die ein Spezifikum von Wertpapierdarlehensgeschäften sind.
A. Die Bedeutung von Wertpapierdarlehen für die Marktliquidität I. Definition und Bedeutung von Marktliquidität Dem Wertpapierdarlehensmarkt wird verbreitet die Bedeutung zugeschrieben, für eine Steigerung der Liquidität der Wertpapiermärkte insgesamt zu sorgen.247 Der Begriff der Liquidität wird in verschiedenen Zusammenhängen mit jeweils unterschiedlicher Bedeutung verwendet.248 Nicht näher eingegangen werden soll an dieser Stelle auf die Liquidität von Personen 245
Siehe bereits oben S. 38 f. Ansätze dazu bei Zimmermann, in: Domej/Dörr/Hoffmann-Nowotny/Vasella/Zelger (Hrsg.), Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S. 113, 122 ff. m. w. N. 247 So etwa Dreff, Bank of Canada Financial System Review 2010, 41 ff.; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 12; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 11; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 10 f.; State Street, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 47 ff.; Weissmann, Die Wertpapierleihe in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 16. 248 Dazu z. B. Stange/Kaserer, Market Liquidity Risk – An Overview, 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1362537, S. 2. 246
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(gleichbedeutend mit ihrer Zahlungsfähigkeit)249 oder der gesamten Wirtschaft. Relevant für das hier behandelte Thema ist dagegen die Beschreibung der Eigenschaft eines Wirtschaftsguts oder des entsprechenden Marktes als „Liquidität“. So gibt die Liquidität eines Wirtschaftsguts an, ob dieses ohne Wertverlust in ein anderes Wirtschaftsgut transformiert bzw. zu Geld gemacht werden kann.250 Wird Liquidität marktorientiert definiert, bezeichnet sie die Eigenschaft eines Marktes, den Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten ohne (wesentlichen) Einfluss auf den Marktpreis zu ermöglichen.251 Von vollkommener Liquidität ist die Rede, wenn ein Wirtschaftsgut unverzüglich und ohne Kosten, d.h vor allem ohne nachteilige Preisreaktion,252 gehandelt werden kann, was bei Geld der Fall ist.253
1. Der volkswirtschaftliche Nutzen von liquiden Märkten Aus volkswirtschaftlicher Sicht wird hohe Liquidität als Qualitätsmerkmal eines Marktes betrachtet.254 Sie führt insbesondere dazu, dass neue Informationen schnell eingepreist werden, was wiederum Voraussetzung für die allokative Effizienz des jeweiligen Marktes ist.255 Damit steht in Zusammenhang, dass Marktteilnehmer von niedrigen Transaktionskosten und der Möglichkeit, ihre Investitions- oder Desinvestitionsentscheidungen schnell umsetzen zu können, profitieren.256 Denn wenn die Marktliquidität niedrig ist, entstehen für diese zusätzliche Kosten, die sich in Liquiditätsaufschlägen oder -abschlägen ausdrücken; der Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumen249 Zur Unterscheidung zwischen borrower liquidity und market liquidity siehe etwa Gabilondo 34 J. Corp. L. 447, 450 (2009). – Zum Zusammenhang zwischen der Marktliquidität und der Liquidität der auf diesem Markt Handelnden (funding liquidity) siehe noch unten S. 58. 250 Zu diesem Gesichtspunkt siehe etwa Bisnar 66 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 299, 307 (2010); Lippman/McCall 76 Am. Econ. Rev. 43, 43 ff. (1986); Longstaff 99 Am. Econ. Rev. 1119 (2009); Nesvetailova 11 Theoretical Inq. L. 125, 129 f. (2010). 251 Gabilondo 34 J. Corp. L. 447, 450 (2009); Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 394; O’Hara, Market Microstructure Theory, 1995, S. 216. 252 Sauerbier, Liquiditätsspreads im Gleichgewicht auf illiquiden Anleihemärkten, 2006, S. 1. 253 Lippman/McCall 76 Am. Econ. Rev. 43, 43 (1986); Stange/Kaserer, Market Liquidity Risk – An Overview, 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1362537, S. 4 f. 254 Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 394: „It is the most important characteristic of a well-functioning market.“ Siehe außerdem Verrier, Selected Essays in Stock Market Liquidity, 2010, S. 1, 8 und Roll/Schwartz/Subrahmanyam 62 J. Fin. 2201, 2230 (2007), die den Zusammenhang zwischen Liquidität und der Future-Cash-Basis, d. h. dem Preisunterschied für ein bestimmtes Wirtschaftsgut auf Kassa- und Terminmarkt, untersuchen und zu dem Ergebnis gelangen, dass die Liquidität eine wichtige Rolle für die Markteffizienz spielt. – Kritisch zur Einordnung der Liquidität als (primärem) Qualitätsmerkmal von Märkten Nesvetailova 11 Theoretical Inq. L. 125, 130 ff. (2010). 255 Verrier, Selected Essays in Stock Market Liquidity, 2010, S. 1. Allgemein zur Markteffizienz noch unten S. 61 ff. 256 Verrier, Selected Essays in Stock Market Liquidity, 2010, S. 8.
§ 6 Ökonomische Analyse
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ten führt für den die Transaktion initiierenden Markteilnehmer zu einer nachteiligen Preisveränderung.257 Für Emittenten führen liquide Märkte außerdem zu niedrigeren Kapitalkosten.258
2. Die Bedeutung der Mikrostruktur eines Marktes für dessen Liquidität Die wirtschaftswissenschaftliche Marktmikrostrukturforschung, die sich insbesondere mit der Preisbildung und der Informationseinpreisung an den Kapitalmärkten befasst, versucht, den Einfluss von Marktorganisation und Handelsregeln auf das Verhalten der Marktteilnehmer aufzudecken. Zu den Gegenständen dieser Forschungsrichtung gehört auch die Frage, auf welche Weise die Struktur eines Marktes dessen Liquidität beeinflusst. Hinsichtlich ihrer Struktur werden Märkte für Finanzinstrumente in die beiden Grundtypen der auftragsgetriebenen Ordermärkte (order-driven markets) und der preisgetriebenen Händlermärkte (quote-driven markets) eingeteilt.259 In reinen Händlermärkten sind Vertragsschlüsse nur mit Händlern möglich, die den anderen Marktteilnehmern Liquidität zur Verfügung stellen, indem sie verbindliche Kauf- und Verkaufangebote (Quotes) abgeben. Als Market Maker (auch Spezialisten oder Designated Sponsors genannt260) werden diejenigen Händler bezeichnet, die sich dazu verpflichtet haben, auf diese Weise Liquidität zur Verfügung zu stellen. Im Gegensatz zu Händlermärkten ist auf Ordermärkten ein direkter Vertragsschluss zwischen sonstigen Marktteilnehmern möglich. In (elektronischen) Handelssystemen mit offenem Orderbuch wird Liquidität von denjenigen Marktteilnehmern angeboten, die limitierte Aufträge abgeben.261 Auch wenn es in Ordermärkten keine institutionalisierten Market Maker gibt, kann also jeder Marktteilnehmer eine vergleichbare Funktion übernehmen und Liquidität zur Verfügung stellen.262 Liquidität wird durch unlimitierte Order (Bestensaufträge) nachgefragt,263 die von dem Handelssystem mit den jeweiligen limitierten Aufträgen der Marktgegenseite 257 Sauerbier, Liquiditätsspreads im Gleichgewicht auf illiquiden Anleihemärkten, 2006, S. 1 f. und 8. 258 Verrier, Selected Essays in Stock Market Liquidity, 2010, S. 8. 259 Zum folgenden siehe etwa Hengelbrock, Essays on Liquidity in Financial Markets, 2009, S. 1 f. – In der rechtswissenschaftlichen Literatur findet sich eine zusammenfassende Darstellung z. B. bei Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 41 ff. und Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 3.144. 260 Mit den unterschiedlichen Begriffen werden häufig auch unterschiedliche Funktionen beschrieben, siehe etwa die §§ 76 f. BörsenO FWB (Designated Sponsors) und die §§ 80 ff. BörsenO FWB (Spezialisten). 261 Irvine/Benston/Kandel, Liquidity Beyond the Inside Spread: Measuring and Using Information in the Limit Order Book, 2000, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=229959, S. 3. 262 Bouchaud/Farmer/Lillo, in: Heus/Schenk-Hoppe, Handbook of Financial Markets: Dynamics and Evolution, 2009, S. 74. 263 An Ordermärkten ist die Liquidität daher selbstorganisiert in dem Sinne, dass jeder Marktteilnehmer selbst darüber entscheiden kann, ob er Liquidität anbietet oder nachfragt,
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zusammengeführt werden. In der Praxis sind sehr häufig auch hybride Strukturen anzutreffen. Dies gilt etwa für das von der Deutschen Börse AG entwickelte und an verschiedenen Börsen eingesetzte elektronische Handelssystem XETRA, in dessen Rahmen kein ausschließlich preisgetriebener Handel stattfindet, sondern, etwa beim Handel in fortlaufenden Auktionen, Elemente der beiden hier beschriebenen Grundtypen kombiniert werden.264 Schließlich wird zwischen offener (displayed liquidity oder committed liquidity) und verdeckter Liquidität (latent liquidity oder hidden liquidity) unterschieden.265 Offene Liquidität entsteht durch quotes von Händlern und durch im Orderbuch einzusehende limitierte Aufträge von sonstigen Marktteilnehmern. Verdeckte Liquidität wird dagegen durch nicht im Orderbuch einzusehende Aufträge (hidden limit orders) und durch auf Nachfrage von Händlern gewährte Preisverbesserungen gebildet. In reinen Händlermärkten kann der Spread, also die Geld-Brief-Spanne, als eine Maßgröße für die Liquidität betrachtet werden; in elektronischen Ordermärkten ist die Liquidität dagegen, wie bereits angedeutet, von den im Orderbuch enthaltenen, noch nicht ausgeführten, limitierten Kauf- und Verkaufaufträgen abhängig.266 Es sind deshalb weitere Kriterien als die GeldBrief-Spanne nötig, um die in einem derartigen Markt vorhandene Liquidität zu beschreiben.267
Bouchaud/Farmer/Lillo, in: Heus/Schenk-Hoppe, Handbook of Financial Markets: Dynamics and Evolution, 2009, S. 111. 264 Dazu Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 3.142 ff. 265 Dazu und zum Folgenden Irvine/Benston/Kandel, Liquidity Beyond the Inside Spread: Measuring and Using Information in the Limit Order Book, 2000, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=229959, S. 4 und Stange/Kaserer, Market Liquidity Risk – An Overview, 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1362537, S. 6. Siehe auch Bouchaud/Farmer/Lillo, in: Heus/Schenk-Hoppe, Handbook of Financial Markets: Dynamics and Evolution, 2009, S. 73, die zwischen revealed liquiditiy und latent liquidity differenzieren. 266 Verrier, Selected Essays in Stock Market Liquidity, 2010, S. 9. – Siehe aber auch Hasbrouck/Saar 12 J. Financial Markets 143 ff. (2009) mit einer Untersuchung zu sogenannten fleeting orders, d. h. limitierten Aufträgen, die innerhalb von Sekunden storniert werden. Diese spielen im Rahmen von dynamischen Handelsstrategien (insbesondere unter Einsatz von Computerprogrammen, algorithmic trading) eine Rolle, mit denen Marktteilnehmer versuchen, verdeckte Liquidität (latent liquidity) aufzuspüren, also Liquidität, die nicht durch im Orderbuch enthaltene Aufträge (committed liquidity) offengelegt ist. Dazu auch Groth, Further Evidence on Technology and Liquidity Provision: The Blurring of Traditional Definitions, 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1539990, mit einer Untersuchung zum DAX30. 267 Verrier, Selected Essays in Stock Market Liquidity, 2010, S. 9. Siehe auch Bouchaud/ Farmer/Lillo, in: Heus/Schenk-Hoppe, Handbook of Financial Markets: Dynamics and Evolution, 2009, S. 111 (Liquidität „partially characterized by the bid–ask spread (…)“).
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3. Dimensionen der Marktliquidität Wie bereits angesprochen kennzeichnet Liquidität, als die Eigenschaft eines Marktes, den Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten ohne wesentlichen Einfluss auf den Marktpreis zu ermöglichen, das Ausmaß der Preisreaktion auf eine Transaktion; sie ist umgekehrt proportional zum Ausmaß der Preisreaktion.268 Neben dieser Preisdimension ist Liquidität jedenfalls durch zwei weitere Aspekte gekennzeichnet.269 Liquidität beschreibt auch die Zeitspanne, die zwischen der Ordererteilung und der Ausführung (aus rechtlicher Sicht dem Zustandekommen des Kaufvertrages) liegt.270 Für diese zeitliche Dimension der Liquidität wird auch der Begriff der „Sofortigkeit“ (Immediacy) verwendet.271 Diese beiden Dimensionen stehen ihrerseits in Zusammenhang mit dem Transaktionsvolumen;272 von diesem werden sowohl die Preisreaktion als auch die Ausführungsdauer beeinflusst.273 Gerade im Schrifttum zur Marktmikrostruktur ist daneben – mit uneinheitlicher Begriffsverwendung hinsichtlich Tiefe und Breite – auch die Unterscheidung zwischen Markttiefe, -breite und -erneuerungskraft gebräuchlich.274 Ein Markt wird als „tief“ bezeichnet, wenn in der Nähe des letzten Transaktionskurses viele limitierte Aufträge vorhanden sind und folglich bei Ausführung der nächsten unlimitierten Order Preiskontinuität herrscht, d. h. nur eine kleine Preisänderung eintritt; die Markttiefe beschreibt also die Fähigkeit eines Marktes, Aufträge ohne wesentliche Preiseffekte verarbeiten zu können.275 Die Marktbreite kennzeichnet die Volumina, zu denen limitierte Kauf- und Verkaufaufträge um den Gleichgewichtspreis herum vorliegen; je 268 Bouchaud/Farmer/Lillo, in: Heus/Schenk-Hoppe, Handbook of Financial Markets: Dynamics and Evolution, 2009, S. 72. 269 Sauerbier, Liquiditätsspreads im Gleichgewicht auf illiquiden Anleihemärkten, 2006, S. 2. 270 Sauerbier, Liquiditätsspreads im Gleichgewicht auf illiquiden Anleihemärkten, 2006, S. 8. 271 Gärtner, Liquidität am deutschen Kapitalmarkt, 2007, S. 1; Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 398 ff.; O’Hara, Market Microstructure Theory, 1995, S. 217; Verrier, Selected Essays in Stock Market Liquidity, 2010, S. 10. – Die Nachfrage nach Sofortigkeit ist dort besonders groß, wo hohe Volatilität herrscht und das mit einem verzögerten Geschäftsabschlusses verbundene Risiko entsprechend hoch ist, dazu Grossman/Miller 43 J. Fin. 617, 619 (1988). 272 Siehe etwa die empirische Studie von Stange/Kaserer, The Impact of Order Size on Stock Liquidity – A Representative Study, 2008, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1292304, zum Einfluss der Ordergröße für die Indizes DAX, MDAX, SDAX und TecDAX. 273 Zur wechselseitigen Abhängigkeit aller Aspekte der Liquidität siehe etwa Verrier, Selected Essays in Stock Market Liquidity, 2010, S. 11. 274 Dazu Garbade, Securities Markets, 1982, S. 420 ff.; Gärtner, Liquidität am deutschen Kapitalmarkt, 2007, S. 7 ff.; Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 398 ff.; Sauerbier, Liquiditätsspreads im Gleichgewicht auf illiquiden Anleihemärkten, 2006, S. 8. 275 Garbade, Securities Markets, 1982, S. 420; Gärtner, Liquidität am deutschen Kapitalmarkt, 2007, S. 7 f.; Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 398 ff.; Verrier, Selected Essays in Stock Market Liquidity, 2010, S. 10.
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breiter ein Markt ist, desto größer ist sein Preisstabilisierungspotential.276 Von Erneuerungskraft oder Erholungsfähigkeit (Resiliency) spricht man, wenn handelsinduzierte, nicht informationsbedingte Preisschwankungen, die zu Abweichungen vom fundamentalen Wert führen, neue Aufträge nach sich ziehen, die ein schnelles Abklingen dieser Schwankungen bewirken, d. h. ein neues Marktgleichgewicht mit ausreichender Markttiefe und -breite herstellen.277
II. Finanzierungsfunktion von Wertpapierdarlehen Wie bereits erwähnt, wird dem Wertpapierdarlehensmarkt die Bedeutung zugeschrieben, eine Steigerung der Liquidität der Wertpapiermärkte zu bewirken.278 Daran ist zutreffend, dass Wertpapiere, die ansonsten von ihren Inhabern nur gehalten, aber nicht auf dem Markt angeboten werden würden, durch ihre darlehensweise Übertragung gleichsam in einen zusätzlichen „Vorrat“ umgewandelt werden, der das Angebot erhöhen kann.279 Auch kann die durch den Wertpapierdarlehensmarkt bewirkte Reduktion von Erfüllungsrisiken280 einen möglichen Dominoeffekt von Lieferschwierigkeiten eines Marktteilnehmers verhindern.281 Allgemein besteht ein Zusammenhang zwischen der Marktliquidität und der Liquidität der auf diesem Markt Handelnden (funding liquidity).282 Letztere kann durch den Einsatz von Darlehen erhöht werden, wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich um Geld- oder Sachdarlehen handelt. So kann etwa ein Händler, der Wertpapiere erwirbt, diese als Sicherheit einsetzen, um auf dem Repomarkt Fremdkapital aufzunehmen, das er für weitere Wertpapiergeschäfte verwenden kann. Ähnliches gilt für Wertpapierdarlehen: Diese ermöglichen es dem Darlehensnehmer, den Verkauf „zusätzlicher“ Wertpapiere zu finanzieren und wirken sich damit nicht nur auf die funding liquidity dieses Marktteilnehmers, sondern auch auf die Marktliquidität aus.283 Die Finanzierungsfunktion von Wertpapierdarlehen hat also poten276 Garbade, Securities Markets, 1982, S. 420 f.; Gärtner, Liquidität am deutschen Kapitalmarkt, 2007, S. 8 f.; Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 398 ff.; Verrier, Selected Essays in Stock Market Liquidity, 2010, S. 10. 277 Gärtner, Liquidität am deutschen Kapitalmarkt, 2007, S. 2 und S. 9 f.; Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 399 f.; Verrier, Selected Essays in Stock Market Liquidity, 2010, S. 10. 278 Oben Fn. 247. 279 So etwa Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 11; State Street, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 47 und 50. 280 Zum Einsatz von Wertpapierdarlehen zur Überbrückung von Lieferverzögerungen siehe bereits oben S. 37. 281 Pulver, in: Reutter/Werlen, Kapitalmarkttransaktionen VI, 2011, S. 225, 231. 282 Siehe nur Brunnermeier/Pedersen 22 Rev. Fin. Stud. 2201 (2009). 283 Nach dem IOSCO Report, July 1999, S. 58, können Wertpapierdarlehen auch eine Erhöhung der Liquidität des Repomarkts bewirken, da die den Darlehensgebern bestellten
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tiell einen positiven Einfluss auf die Marktliquidität. Zu beachten ist allerdings, dass mit Wertpapierdarlehen auch andere Zwecke als die Finanzierung von Leerverkäufen verfolgt werden können,284 jedoch nur das tatsächliche Angebot von darlehensweise gehaltenen Wertpapieren am jeweiligen Markt dessen Liquidität steigern kann. Daher ist es erforderlich, auch die Auswirkungen von Leerverkäufen auf die Marktliquidität anzusprechen. Eine Erörterung der ökonomischen Aspekte von Leerverkäufen wäre freilich unvollständig, wenn sie auf die liquiditätssteigernde Wirkung verengt würde. Im nachfolgenden Abschnitt ist daher umfassend auf die volkswirtschaftliche Bewertung von Leerverkäufen einzugehen.
B. Volkswirtschaftliche Bewertung von Leerverkäufen I. Unterscheidung zwischen gedeckten und ungedeckten Leerverkäufen Für die Bewertung von Leerverkäufen aus ökonomischer Perspektive ist die Unterscheidung zwischen gedeckten und ungedeckten Leerverkäufen von entscheidender Bedeutung. Ein gedeckter Leerverkauf (covered short sale) ist gegeben, wenn der Verkäufer bereits aufgrund eines Darlehensvertrags Eigentümer der verkauften Wertpapiere ist oder zumindest einen Anspruch auf Übereignung der Wertpapiere aus einem Darlehensvertrag (oder aus einem anderen Vertrag wie z. B. einem Optionsvertrag) hat, der vor Erfüllung des Leerverkaufs fällig wird.285 Von einem ungedeckten Leerverkauf (naked short sale) spricht man, wenn der Verkäufer keine Vorkehrungen zur Erfüllung getroffen hat und stattdessen die eingegangene Position offen lässt, bis sie (im Regelfall) nach den Vorschriften des jeweiligen Marktes zwangsweise geschlossen wird.286 Typischerweise sehen diese Regeln (buy-in rules) vor, dass die für eine Belieferung des Käufers und einen entsprechenden Deckungskauf entstehenden Kosten dem im Lieferverzug befindlichen Verkäufer auferlegt werden.287
Barsicherheiten häufig auf dem Repomarkt reinvestiert (d. h. bei wirtschaftlicher Betrachtung: als Gelddarlehen vergeben) werden. – Siehe auch Brunnermeier/Pedersen 22 Rev. Fin. Stud. 2201, 2228 ff. (2009) mit einer Darstellung der Finanzierung von wichtigen Gruppen von Marktteilnehmern wie Hedge Fonds, Banken und Market Maker. 284 Dazu bereits S. 43 ff. 285 IOSCO Report, June 2009, S. 23. 286 IOSCO Report, June 2003, S. 4. 287 IOSCO Report, June 2003, S. 4. Siehe auch die Vorschriften zur Zwangsregulierung in den §§ 6 ff. der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse, Stand 2. Juli 2012, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com.
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Kapitel 2: Grundlagen
II. Auswirkungen von Leerverkäufen auf die Marktliquidität 1. Steigerung der Liquidität auf den Kassamärkten Wie bereits im Zusammenhang mit der Finanzierungsfunktion von Wertpapierdarlehen ausgeführt, erhöhen Leerverkäufe dadurch die Liquidität von Kassamärkten, dass dem Markt zusätzliche Wertpapiere zugeführt werden.288 Insbesondere sind Leerverkäufe ein von Anbietern von Liquidität (Market Maker) eingesetztes Mittel, um Kauforder zu erfüllen, auch wenn sich das nachgefragte Wertpapier zur Zeit nicht im Bestand des Market Maker befindet.289 Daneben ist jedoch vor allem die Auswirkung von Leerverkäufen auf die zugehörigen Terminmärkte hervorzuheben.
2. Bedeutung von Leerverkäufen für die Liquidität von Terminmärkten Neben der Steigerung der Liquidität auf den Kassamärkten wird vor allem der Einfluss von Leerverkäufen auf die Liquidität von Terminmärkten betont.290 Dieser Einfluss hat seine Ursache in dem Bedürfnis, derivative Positionen abzusichern.291 Insbesondere Marktintermediäre wie Investmentbanken, die ihren Kunden den Abschluss von Termingeschäften anbieten und damit für die Liquidität von Terminmärkten sorgen, sind darauf angewiesen, die dadurch eingegangenen (Short- oder Long-)Positionen durch den Aufbau einer spiegelbildlichen Position unter Risikogesichtspunkten gleichsam zu neutralisieren.292 Dies kann zwar auch durch Abschluss eines inhaltsgleichen Gegengeschäfts, also ebenfalls eines Termingeschäfts, mit einem Dritten erfolgen. Voraussetzung dafür ist jedoch die Existenz eines hinreichend liquiden Marktes für derartige, entsprechend standardisierte Termingeschäfte.293 288 Allgemein zur Steigerung der Marktliquidität durch Leerverkäufe etwa Crisp 8 J. Bus. & Sec. L. 135, 142 (2007–2008); Findeisen/Tönningsen WM 2011, 1405, 1405 f.; Mittermeier ZBB 2010, 139, 140 f.; Palombo 75 Brook. L. Rev. 1447, 1458 f. (2009–2010); Stanley 4 Entrepreneurial Bus. L. J. 267, 269 (2009–2010); Suttner/Kielholz ORDO 62 (2011), 101, 104; Zimmer/Beisken WM 2010, 485, 486; Zlotnikova 35 Brook. J. Int’l L. 965, 968 f. (2010). 289 Dazu bereits S. 42 f. 290 Zum Folgenden etwa Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 29; Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 10 („für die Funktionsfähigkeit der Terminmärkte von größter Bedeutung“); Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 58 (Leerverkäufe seien unersetzliche Voraussetzung dafür, sich gegen Risiken aus Termingeschäften absichern zu können; ohne (verbindliche) Kassaleerverkäufe sei kein funktionsfähiger Terminmarkt denkbar); IOSCO Report, July 1999, S. 58; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 13; State Street, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 48. 291 Powers/Schizer/Shubik 57 Tax L. Rev. 233, 238 (2003–2004). 292 Aufschlussreich zur Marktmikrostruktur von Optionsmärkten und dem daraus resultierenden (gegenüber Händlern an den entsprechenden Kassamärkten gesteigerten) Bedürfnis von Händlern, sich mit Leerverkäufen abzusichern Battalio/Schultz J. Fin. 66, 2013, 2020 ff. (2011). 293 Siehe dazu auch Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002, S. 58.
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Dies setzt wiederum voraus, dass es eine ausreichende Zahl von Marktteilnehmern gibt, die entweder eine gegenläufige Risikopräferenz aufweisen oder mit Spekulationsabsicht handeln.294 Das Erfordernis, zum Vertragsschluss bereite Teilnehmer des Terminmarkts zu finden, entfällt jedoch, wenn die Nachbildung einer gegenläufigen Position am Kassamarkt in Form eines synthetischen Termingeschäfts295 möglich ist.296 Der Kassaleerverkauf als synthetischer Terminverkauf ermöglicht damit die Eingehung einer Short-Position und somit die Absicherung einer entsprechenden Long-Position im gleichen Basiswert. Der Leerverkäufer kontrahiert dabei im Regelfall mit zwei personenverschiedenen Parteien, nämlich dem Käufer des Wertpapiers und dem Darlehensgeber, die eine andere Motivation verfolgen, als sich gegen ein bestimmtes Risiko absichern oder gegen den Vertragspartner spekulieren zu wollen. Die Möglichkeit, auf dem Kassamarkt synthetische Terminpositionen nachzubilden, ist somit für Intermediäre, die ihrerseits für Liquidität auf derivativen Märkten sorgen, ein wichtiges Instrument, um sich abzusichern.297 Die Bedeutung von Leerverkäufen für die Liquidität und damit auch für die Effizienz von Terminmärkten hat jüngst eine von Battalio und Schultz durchgeführte empirische Studie bestätigt.298 Sie untersuchten die Auswirkungen der in den Vereinigten Staaten im September 2008 eingeführten Leerverkaufsbeschränkungen299 auf den Markt für Aktienoptionen und gelangten zu dem Ergebnis, dass diese zu deutlich erhöhten bid-ask-spreads für Optionen auf die betroffenen Aktien geführt hätten. Zur Erklärung verweisen sie insbesondere auf zwei Faktoren:300 Zum einen sei es für Market Maker unter der Geltung von Leerverkaufsbeschränkungen schwieriger, ihre Positionen abzusichern. Zum anderen wirke sich eine gestörte Preisfindung auf dem Kassamarkt wegen der Hebelwirkung von derivativen Instrumenten entsprechend stärker auf die Market Maker an Optionsmärkten aus.
III. Die Auswirkung von Leerverkäufen auf die Markteffizienz Leerverkäufen wird verbreitet die Eigenschaft zugeschrieben, die Markteffizienz zu verbessern, da sie Überbewertungen von Wertpapieren verhinderten oder begrenzten, indem sie für eine schnellere Rückführung der Preise von überbewerteten Finanzinstrumenten sorgten.301 Dem liegt die Überlegung 294
Zur Motivation der Teilnehmer an derivativen Märkten siehe S. 40 f. Dazu oben S. 38 f. 296 Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002, S. 58. 297 Powers/Schizer/Shubik 57 Tax L. Rev. 233, 238 (2003–2004). 298 Battalio/Schultz 66 J. Fin. 2013, 2031 ff. (2011). 299 Dazu noch unten S. 65 ff. 300 Siehe Battalio/Schultz 66 J. Fin. 2013, 2014 (2011). 301 Zu den positiven Auswirkungen auf Markteffizienz und Preisfindung etwa Bolder EuZW 2011, 769, 769; Crisp 8 J. Bus. & Sec. L. 135, 141 (2007–2008); Fleischer ZGR 2008, 295
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zugrunde, dass der Kauf einer Aktie aus Sicht des Marktes die Information enthält, dass der Käufer das Unternehmen als unterbewertet ansieht und hinsichtlich der weiteren Kursentwicklung optimistisch ist. Der Leerverkauf kommuniziert dagegen eine pessimistische Erwartung.302
1. Die Bedeutung der Informationseffizienz für die Markteffizienz Ein Markt wird als effizient bezeichnet, wenn die Marktpreise stets alle verfügbaren Informationen vollständig widerspiegeln.303 Von den verschiedenen Dimensionen der Markteffizienz304 ist im hier interessierenden Zusammenhang vor allem die informationelle Effizienz von Bedeutung. Sie bezieht sich auf die Geschwindigkeit, mit der sich eine Information im Marktpreis „vollständig widerspiegeln“ kann,305 d. h. auf die Geschwindigkeit, mit der Informationen in den Preis einfließen. Ist ein Markt in dieser Weise hinsichtlich der als „verfügbar“ definierten Informationen306 effizient, bedeutet dies, dass kein Marktteilnehmer unter Ausnutzung dieser Informationen Gewinne erzielen kann, weil sie bereits eingepreist sind.307 Die informationelle Effizienz eines Marktes ist freilich nicht zwingend damit gleichzusetzen, dass der Aktienkurs eines Unternehmens auch dessen fundamentalen Wert widerspiegelt, der auf einer bestmöglichen Prognose der zukünftigen Erträge des 185, 221; IOSCO Report, June 2003, S. 5; IOSCO Report, June 2009, S. 21; Mittermeier ZBB 2010, 139, 141; Möllers/Christ/Harrer NZG 2010, 1167, 1167 f.; Powers/Schizer/Shubik 57 Tax L. Rev. 233, 239 ff. (2003–2004); Stanley 4 Entrepreneurial Bus. L. J. 267, 270 (2009–2010); Tyrolt/Bingel BB 2010, 1419, 1420; Zimmer/Beisken WM 2010, 485, 486; Zlotnikova 35 Brook. J. Int’l L. 965, 968 f. (2010). – Daneben wird auch betont, dass Leerverkäufe Aufsichtsbehörden als Problemindikator dienen können, da sich verstärkte Leerverkäufe von Aktien eines Emittenten insbesondere als Warnsignal für deliktisches und/oder strafbares Verhalten innerhalb dieses Unternehmens interpretieren lassen. Dazu etwa Bolder EuZW 2011, 769, 769; Crisp 8 J. Bus. & Sec. L. 135, 142 (2007–2008); Palombo 75 Brook. L. Rev. 1447, 1458 f. (2009–2010). 302 Dazu etwa Bisnar 66 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 299, 305 f. (2010–2011); Ofek/Richardson/Whitelaw 74 J. Fin. Econ. 305, 328 (2004). 303 Siehe nur den grundlegenden Aufsatz von Fama 25 J. Fin 383, 383 (1970): „A market in which prices always ‚fully reflect‘ available information is called ‚efficient.‘“ 304 Ein Überblick dazu findet sich in der deutschen rechtswissenschaftlichen Literatur z. B. bei Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 59 ff. 305 Dazu etwa Stout 28 J. Corp. L. 635, 639 ff. (2003). 306 Je nachdem, welche Informationen als „verfügbar“ angesehen werden, unterscheidet man zwischen der schwachen, halbstrengen und strengen Variante der Hypothese der Kapitalmarkteffizienz. Danach enthalten die Preise an den derart als effizient klassifizierten Kapitalmärkten alle Informationen über die Kursentwicklung der Vergangenheit (schwache Form), alle öffentlich verfügbaren Informationen (halbstrenge) Form) oder zusätzlich auch alle privaten Informationen, d. h. Insiderinformationen (strenge Form). Die Begriffe wurden zuerst von Fama 25 J. Fin 383, 389 ff. (1970) in die Diskussion eingeführt. Aus der deutschsprachigen Literatur siehe etwa Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 360 Fn. 45. 307 Gilson/Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 554 f. (1984); Stout 81 Va. L. Rev. 611, 646 f. (1995); Stout 28 J. Corp. L. 635, 639 f. (2003).
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Unternehmens und des mit dem Investment verbundenen Risikos beruht.308 Anders formuliert folgt aus informationeller Effizienz nicht ohne weiteres, dass auch allokative (oder fundamentale) Effizienz herrscht, d. h., dass das knappe Gut „Kapital“ dorthin gelenkt wird, wo es unter Berücksichtigung der Risiken die höchste Rendite abwirft.309 Berechtigte Kritik an der sogenannten Hypothese der Kapitalmarkteffizienz (Efficient Capital Market Hypothesis, ECMH) wurde insbesondere aufgrund der Forschungsergebnisse der Behavorial Finance geäußert.310 Dennoch dürfte Einigkeit darüber bestehen, dass die volkswirtschaftlich wünschenswerte Effizienz der Kapitalmärkte,311 und zwar gerade auch unter dem Aspekt der allokativen Effizienz, notwendig voraussetzt, dass möglichst viele Informationen möglichst zeitnah in den Marktpreis einfließen.312 Geht man von dieser Prämisse aus, ist nach Möglichkeit sicherzustellen, dass auch die durch einen Leerverkauf von Aktien zum Ausdruck kommende Einschätzung eines Unternehmens als überbewertet ungehindert in den Preis einfließen kann.
2. Die Modelle von Miller und Diamond/Verrecchia Die Annahme, dass Leerverkäufe die Markteffizienz verbessern, ist in einer Vielzahl von Studien zum Einfluss von Leerverkaufsverboten und -beschränkungen auf den Prüfstand gestellt worden. Zu den grundlegenden Beiträgen sind diejenigen von Miller sowie Diamond und Verrecchia zu zählen. In dem von Miller beschriebenen Modell kann es in einem Markt, auf dem Leerverkäufe nur eingeschränkt möglich sind, zu einer Überbewertung von Wertpapieren aufgrund der von einer, nicht oder nur unzureichend über den fundamentalen Wert informierten Minderheit abgeschlossenen Geschäfte kommen.313 Die besser informierten, Marktteilnehmer haben – von Leerverkäufen abgesehen – nur die Möglichkeit, von der Überbewertung durch einen Verkauf der betreffenden Wertpapiere zu profitieren, wenn sie diese bereits halten. Im Unterschied dazu haben uninformierte Marktteilnehmer immer die Möglichkeit, Wertpapiere zu kaufen. Diamond und Verrecchia modellieren einen Markt mit zwei Gruppen von Händlern.314 Dies sind zum einen die gut informierten Händler (informed traders), denen nicht-öffentliche Informationen über den fundamentalen 308
Statt aller Stout 28 J. Corp. L. 635, 640 ff. (2003). Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 369. 310 Dazu noch unten S. 159 Fn. 380. 311 Siehe nur Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 64 ff. m. w. N. auch zum US-amerikanischen Schrifttum. 312 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 371: Informationseffizienz als „wichtige, nicht jedoch hinreichende Voraussetzung für die allokative Effizienz von Märkten“. 313 Miller 32 J. Fin. 1151 (1977). 314 Diamond/Verrecchia 18 J. Fin. Econ. 277 (1987). 309
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Wert zur Verfügung stehen, und zum anderen die uninformierten Händler (uniformed traders), die nur öffentliche Informationen in ihre Entscheidungen einbeziehen können. Des weiteren differenziert das Modell zwischen Leerverkaufsverboten und Leerverkaufsbeschränkungen.315 Leerverkaufsverbote führen dazu, dass Leerverkäufe vollständig unterbleiben. Sie können sowohl auf rechtlicher Regulierung als auch auf tatsächlichen Umständen wie der Nichtexistenz eines Darlehensmarktes für bestimmte Wertpapiere beruhen und wirken sich notwendig auf beide Händlergruppen aus (shortprohibition effect). Leerverkaufsbeschränkungen entstehen durch zusätzliche Kosten, die Leerverkäufer zu tragen haben. Derartige Beschränkungen wirken sich stärker auf die uninformierten Händler aus, so dass sich die Zusammensetzung des „Pools“ von Leerverkäufern ändert (short-restriction effect). Da sich Leerverkaufsverbote auch auf gut informierte Marktteilnehmern auswirken, führt dies im Modell zu einer Verschlechterung der Informationseffizienz, insbesondere im Hinblick auf nicht öffentliche, nachteilige Informationen. Da die sonst durch Leerverkäufe gut informierter Händler in den Preis einfließenden Informationen nicht zur Verfügung stehen, kommt es zu langsameren Preisanpassungen. Die dadurch geschaffene Unsicherheit über den fundamentalen Wert führt zudem zu höheren Geld-Brief-Spannen. Dies ist darin begründet, dass zu den Komponenten des Spread nicht nur die Kosten der Marktteilnehmer, die Liquidität zur Verfügung stellen (insbesondere Market Maker), für diese Bereitstellung von Liquidität gehören. Einen weiteren Bestandteil der Geld-Brief-Spanne bildet ein für die Übernahme der damit verbundenen Risiken verlangter Aufschlag.316 Eine systematische Überbewertung von Wertpapieren, wie von Miller angenommen, findet in dem Modell von Diamond und Verrecchia jedoch nicht statt; die Marktteilnehmer berücksichtigen stattdessen die Leerverkaufsverbote bei ihrer Bewertung.317 Leerverkaufsbeschränkungen bewirken dagegen eine Steigerung des Informationsgehalts der getätigten Leerverkäufe, da sich zwar die uninformierten Marktteilnehmer von den höheren Kosten vom Handeln abhalten lassen, die gut informierten Marktteilnehmer dagegen nicht.
315
Dazu insbesondere Diamond/Verrecchia 18 J. Fin. Econ. 277, 279 f. (1987). Zu den Komponenten der Geld-Brief-Spanne siehe im Einzelnen O’Hara, Market Microstructure Theory, 1995, S. 13 ff.; Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 298 ff. – Leerverkaufsverbote führen nicht nur wegen der gesteigerten Unsicherheit, sondern auch wegen höherer inventory holding costs zu steigenden Geld-Brief-Spannen, siehe dazu Beber/Pagano, Short-Selling Bans Around the World: Evidence from the 2007–09 Crisis, abrufbar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1502184, S. 5. 317 Siehe dazu auch Akbas/Boehmer/Erturk/Sorescu, Why Do Short Interest Levels Predict Stock Returns?, 31. Januar 2008, abrufbar unter http://comp.uark.edu/~tjandik/seminar/ShortSales_JAN_31_2008_TFF.pdf. 316
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3. Empirische Studien zum Einfluss von Leerverkäufen auf die Markteffizienz Eine Vielzahl von empirischen Studien hat diese Modellannahmen bestätigt und den Wert von Leerverkäufen für die Preisfindung und die Markteffizienz betont. So ist mehrfach eine Überbewertung von Aktien als Folge von Leerverkaufsbeschränkungen belegt worden, auch wenn ein Preiseffekt nicht einhellig bejaht wird.318 Ein Einfluss auf den Preisfindungsprozess und die Marktliquidität wurde ebenfalls von mehreren Studien nachgewiesen.319 Hinzuweisen ist auch auf die Arbeit von Boehmer, Jones und Zhang aus dem Jahr 2008, die Orderdaten der New York Stock Exchange (NYS) aus den Jahren 2000 bis 2004 darauf untersuchten, ob und ggf. in welchem Ausmaß Leerverkäufer in der Lage waren, eine Überbewertung von Aktien zu erkennen und von einem erwarteten Kursrückgang zu profitieren.320 Sie gelangen zu dem Ergebnis, dass Leerverkäufer Überrenditen erzielen und dass dieser Effekt dauerhaft ist, d. h. nicht auf Kursmanipulation oder einen sonstigen vorübergehenden Druck auf die Kurse zurückgeht. Daraus lässt sich ableiten, dass Leerverkäufer überwiegend Informationen über den fundamentalen Wert der betroffenen Aktien verfügen, die bislang noch nicht in den Kurs eingeflossen sind.321
4. Empirische Daten aus der Zeit der Finanzkrise Von besonderem Interesse sind daneben die gerade in den letzten Jahren in großer Zahl veröffentlichten empirischen Untersuchungen, die vor allem die als Reaktion auf die im Jahr 2007 beginnende Finanzkrise verabschiedeten regulatorischen Maßnahmen betreffen und sich damit auf besonders umfangreiches Datenmaterial stützen können. Diese Maßnahmen deckten ein breites Spektrum von einem Verbot aller Leerverkäufe bestimmter Finanzinstru318 Siehe die Nachweise bei Beber/Pagano, Short-Selling Bans Around the World: Evidence from the 2007–09 Crisis, abrufbar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1502184, S. 8 f.; Jones, Shorting Restrictions: Revisiting the 1930’s, abrufbar unter http://www1.gsb.columbia.edu/mygsb/faculty/research/pubfiles/3233/JonesShortingRestrictions4a%2Epdf, S. 2 f. 319 Siehe z. B. Bris/Goetzmann/Zhu 62 J. Fin. 1029 (2007); Boehme/Danielsen/Sorescu 41 J. Fin. & Quant. Analysis 455 (2006); Chang/Cheng/Yu 62 J. Fin. 2097 (2007) sowie Beber/Pagano, Short-Selling Bans Around the World: Evidence from the 2007–09 Crisis, abrufbar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1502184, S. 5 ff.; Jones, Shorting Restrictions: Revisiting the 1930’s, abrufbar unter http://www1.gsb.columbia.edu/mygsb/faculty/research/pubfiles/3233/JonesShortingRestrictions4a%2Epdf, S. 3. 320 Boehmer/Jones/Zhang 63 J. Fin. 491 (2008). 321 Auch in der Studie von Diether/Lee/Werner 22 Rev. Financ. Stud. 575, 598 ff. (2009) lassen die empirischen Daten darauf schließen, dass Leerverkäufer neben der Bereitstellung von Liquidität (voluntary liquidity provision) vor allem auch die Strategie verfolgen, durch das Ausnutzen kurzfristiger Überbewertungen Gewinn zu erzielen (trading on short-term overreaction).
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mente über ein Verbot ungedeckter Leerverkäufe bis hin zu Transparenzregelungen ab.322 Im Ergebnis bestätigen diese Studien insbesondere die von Diamond und Verrecchia gemachten Annahmen weitgehend.323 Nachfolgend soll auf drei dieser Arbeiten exemplarisch eingegangen werden. a) Die Studie von Beber/Pagano: Untersuchung der Leerverkaufsbeschränkungen in 30 Staaten weltweit So untersuchten Beber und Pagano für den Zeitraum von Januar 2008 bis Juni 2009 die Auswirkungen von regulatorischen Maßnahmen, die in 30 Staaten umgesetzt worden waren.324 Zu ihren wesentlichen Ergebnissen zählt, dass bei der Einführung von Leerverkaufsverboten ein signifikanter Anstieg und bei ihrer Aufhebung ein signifikanter Rückgang der GeldBrief-Spannen (verstanden als Maßgröße für die Marktliquidität) zu beobachten ist. Daneben wurde ein Verlangsamung des Preisfindungsprozesses festgestellt. b) Die Studie von Boehmer/Jones/Zhang: Beurteilung der Maßnahmen der SEC Die von Boehmer, Jones und Zhang veröffentlichte Studie betraf die im September 2008 von der US-amerikanischen Securities and Exchange Commission (SEC) angeordneten Leerverkaufsverbote, die vorübergehend fast 1000 Finanzaktien betrafen.325 Die Studie gelangt insbesondere zu dem Ergebnis, dass sich die Leerverkaufsverbote jedenfalls bei Aktien mit großer Marktkapitalisierung negativ auf die Marktliquidität auswirkten. Boehmer, Jones und Zhang erklären dies damit, dass die neu geschaffenen Regelungen zwar Market Maker im technischen Sinne nicht erfassten, wohl aber andere Marktteilnehmer, die ansonsten ebenfalls Liquidität zur Verfügung stellen und sich dabei vor allem auf Aktien mit großer Marktkapitalisierung konzentrieren.326 Der ebenfalls beobachtete Kursanstieg wurde dem bereits angekün322 Übersichten zu diesen Maßnahmen findet sich etwa bei Beber/Pagano, Short-Selling Bans Around the World: Evidence from the 2007–09 Crisis, abrufbar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1502184, Table I, und Herinckx/Szafarz, Which Short-Selling Regulation is the Least Damaging to Market Efficiency? Evidence from Europe, abrufbar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2011435, S. 5 ff. 323 Dazu überblicksartig Beber/Pagano, Short-Selling Bans Around the World: Evidence from the 2007–09 Crisis, abrufbar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1502184, S. 4 ff., m. w. N. Siehe auch Payne EBOR 2012, 413, 420 f. 324 Beber/Pagano, Short-Selling Bans Around the World: Evidence from the 2007–09 Crisis, abrufbar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1502184. 325 Boehmer/Jones/Zhang, Shackling Short Sellers: The 2008 Shorting Ban, abrufbar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1412844. – Einen Überblick über die Leerverkaufsverbote geben McCaffrey 73 Alb. L. Rev. 483, 491 ff. (2009–2010); Branson 5 Va. L. & Bus. Rev. 1, 6 und 12 ff. (2010). 326 Boehmer/Jones/Zhang, Shackling Short Sellers: The 2008 Shorting Ban, abrufbar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1412844, S. 17.
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digten „bailout“-Programm für US-amerikanische Banken (Troubled Asset Relief Program, TARP) zugeschrieben, so dass sich aus dieser Beobachtung keine Bestätigung für die von Miller aufgestellte Überbewertungsthese ableiten lässt. c) Die Studie von Herinckx/Szafarz: Die Lage in Europa Zu nennen ist schließlich auch die von Herinckx und Szafarz durchgeführte Untersuchung der Auswirkungen verschiedener, auf 14 europäischen Märkten im Zeitraum zwischen Juli 2008 und Juni 2009 umgesetzter regulatorischer Maßnahmen.327 Sie unterscheiden dabei zwischen drei Arten von Leerverkaufsbeschränkungen, nämlich dem Verbot gedeckter Leerverkäufe, dem Verbot ungedeckter Leerverkäufe und der Einführung von Transparenzpflichten für Leerverkäufe. Verbote gedeckter Leerverkäufe führen danach zu signifikant höheren Geld-Brief-Spannen (bid-ask-spreads) und niedrigeren Handelsvolumina, während Verbote ungedeckter Leerverkäufe ebenfalls signifikant höhere bid-ask-spreads und größere Volatilität bewirken, aber keinen Einfluss auf die Handelsvolumina haben. Transparenzpflichten verursachten demgegenüber größere Volatilität und niedrigere Handelsvolumina. Zudem war eine vorübergehende, auf einen Zeitraum von weniger als einen Monat nach der Einführung beschränkte Erhöhung der wöchentlichen Aktienrenditen zu beobachten, die allerdings nur bei einem Verbot gedeckter Leerverkäufe und unter der Geltung von Transparenzpflichten auftrat.328 Herinckx und Szafarz erklären die Erhöhung der bid-ask-spreads, die bei beiden Arten der Leerverkaufsverbote festgestellt wurden, mit dem von Diamond und Verrecchia beschriebenen prohibition effect:329 Da gerade auch die gut informierten Marktteilnehmer von Leerverkäufen abgehalten werden, kommt es zu einer Verschlechterung der Informationseffizienz und damit zu größerer Unsicherheit über den Wert des jeweiligen Wertpapiers, die sich in höheren Geld-Brief-Spannen niederschlägt. Mit dieser Erklärung übereinstimmend sind die bei einem Verbot gedeckter Leerverkäufe zu beobachtenden rückläufigen Handelsvolumina.330 Damit ist auch vereinbar, dass bei der 327 Herinckx/Szafarz, Which Short-Selling Regulation is the Least Damaging to Market Efficiency? Evidence from Europe, abrufbar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2011435. 328 Die von Miller aufgestellte These, dass Leerverkaufsbeschränkungen zu Überbewertungen führen, konnte damit nur für einen kurzen Zeitraum bestätigt werden. 329 Dazu und zum Folgenden Herinckx/Szafarz, Which Short-Selling Regulation is the Least Damaging to Market Efficiency? Evidence from Europe, abrufbar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2011435, S. 32 ff. 330 Dass bei einem Verbot ungedeckter Leerverkäufe kein entsprechender Rückgang der Volumina festgestellt werden konnte, lässt sich möglicherweise damit erklären, dass die Marktteilnehmer auf gedeckte Leerverkäufe oder andere Handelsstrategien ausgewichen sind, dazu Herinckx/Szafarz, Which Short-Selling Regulation is the Least Damaging to Market Efficiency? Evidence from Europe, abrufbar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2011435, S. 34.
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Einführung von Transparenzpflichten keine entsprechende Auswirkung auf die bid-ask-spreads festgestellt werden konnte. Herinckx und Szafarz bewerten dies als restriction effect, d. h., dass sich zwar uninformierte Leerverkäufer von den mit diesen Pflichten verbundenen Kosten vom Handeln abhalten lassen, gut informierte Leerverkäufer dagegen nicht.
5. Nachteilige Effekte von Leerverkäufen Als Kehrseite dieses positiven Effekts wird jedoch auch auf die Gefahr von Marktstörungen hingewiesen.331 Eine durch Leerverkäufe verursachte Rückführung der Kurse auf fundamentale Werte könne zu einem zu starken Preisverfall (overshooting) führen, der weiteren, den ursprünglichen Effekt verstärkenden Verkaufsdruck auslöse, der insbesondere auch Investoren betreffe, die die entsprechenden Finanzinstrumente tatsächlich (und nicht nur darlehensweise) halten.332 Ein derartiger Preisverfall habe auch für den jeweiligen Emittenten selbst nachteilige Folgen, etwa deshalb, weil dessen Kunden oder Gläubiger wegen des Kurssturzes (zu Unrecht) von fundamentalen Problemen ausgehen.333 Daneben werden unter dem Stichwort settlement disruption Bedenken im Hinblick auf die Situation der Vertragspartner von Leerverkäufern geäußert.334 Gerade bei ungedeckten Leerverkäufen kann es zu einer Nichterfüllung des Lieferanspruchs des Käufers kommen. Eine Vertragsverletzung kann auch eintreten, wenn sich die Erwartung fallender Kurse nicht erfüllt und Leerverkäufer wegen zu stark gestiegener Kurse nicht mehr in der Lage sind, sich zur Erfüllung des Rückerstattungsanspruchs des Darlehensgebers am Markt einzudecken. Sei als Folge davon der Vertragspartner selbst nicht mehr in der Lage, eigene Verpflichtungen gegenüber Dritten zu erfüllen, könne es zu einer Kettenreaktion kommen (cascading defaults).335
IV. Missbrauchsgefahren Hingewiesen wird schließlich auch auf die Gefahr, dass Leeverkäufe als Werkzeug für Marktmissbrauch eingesetzt werden.336 Vor allem ungedeckte Leerverkäufe, welche die Zahl der ausstehenden Aktien gleichsam künstlich 331 IOSCO Report, June 2003, S. 7; Mittermeier ZBB 2010, 139, 141; Payne EBOR 2012, 413, 415 f.; Powers/Schizer/Shubik 57 Tax L. Rev. 233, 246 (2003–2004); Zlotnikova 35 Brook. J. Int’l L. 965, 970 ff. (2010). 332 Findeisen/Tönningsen WM 2011, 1405, 1406; IOSCO Report, June 2009, S. 21; Suttner/Kielholz ORDO 62 (2011), 101, 104; Zimmer/Beisken WM 2010, 485, 486 f. 333 Findeisen/Tönningsen WM 2011, 1405, 1406; IOSCO Report, June 2009, S. 21; Mittermeier ZBB 2010, 139, 141; Tyrolt/Bingel BB 2010, 1419, 1420. 334 IOSCO Report, June 2003, S. 9; Zlotnikova 35 Brook. J. Int’l L. 965, 970 ff. (2010). 335 Dazu Crisp 8 J. Bus. & Sec. L. 135, 142 (2007–2008); Powers/Schizer/Shubik 57 Tax L. Rev. 233, 246 f. (2003–2004). 336 IOSCO Report, June 2003, S. 7 f.; IOSCO Report, June 2009, S. 22; Mittermeier
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erhöhten und so zu einer Entwertung der Aktien führten, würden genutzt, um Preise zu manipulieren und unter den fundamentalen Wert zu drücken.337 Dies könne mit sogenannten distort and short-Kampagnen geschehen, d. h. durch das Verbreiten von negativen Gerüchten über ein Unternehmen und die Verstärkung des damit ausgelösten Preisverfalls durch den Einsatz ungedeckter Leerverkäufe.338
C. Empty Voting I. Die Entkopplung von Stimmrecht und wirtschaftlichem Interesse 1. Grundlagen Der Begriff Empty Voting wurde durch eine von Hu und Black in den vergangenen Jahren veröffentlichte Aufsatzserie in die Diskussion eingeführt.339 Damit wird – beschränkt auf börsennotierte Aktiengesellschaften340 – die Entkopplung (decoupling) von Stimmrecht und wirtschaftlichem Interesse (Hu und Black nennen dieses economic ownership) bezeichnet. Die Erkenntnis, dass eine derartige Entkopplung erreicht werden kann, ist freilich nicht neu. So wiesen etwa Blair, Golbe und Gerard schon im Jahr 1989 darauf hin, dass es möglich sei, die geltenden Beschränkungen des Stimmrechtshandels durch den Einsatz von Derivaten zu überwinden.341 Auch Martin und Partnoy beschrieben diese Entkopplungsmöglichkeiten unter der Bezeichnung encumbered shares in einem im Jahr 2005 erschienen Aufsatz.342 Die aktuelle Bedeutung des Empty Voting wird von Hu und Black mit einer Vielzahl von bekannten oder zumindest vermuteten Fällen von Empty Voting belegt, die sich weltweit in den Jahren 1988 bis 2007 abgespielt haben.343 Sie erklärt sich vor allem mit dem immer stärkeren Wachstum derivativer Märkte und des Marktes für Aktiendarlehen.344 ZBB 2010, 139, 141 f.; Payne EBOR 2012, 413, 416 f.; Suttner/Kielholz ORDO 62 (2011), 101, 104 f. 337 Branson 5 Va. L. & Bus. Rev. 1, 5 f. (2010); Möllers/Christ/Harrer NZG 2010, 1167, 1168; Powers/Schizer/Shubik 57 Tax L. Rev. 233, 246 (2003–2004); Zlotnikova 35 Brook. J. Int’l L. 965, 970 ff. (2010). – Einschränkend Payne EBOR 2012, 413, 417 f. 338 Branson 5 Va. L. & Bus. Rev. 1, 12 (2010). 339 Hu/Black 61 Bus. Law 1011 (2006); Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811 (2006); Hu/ Black 156 U. Pa. L. Rev. 625 (2008); Hu/Black 14 Eur. Fin. Mgmt. 663 (2008); Hu/Black 13 J. Corp. Fin. 343 (2007). 340 So der ausdrückliche Hinweis von Hu/Black 61 Bus. Law 1011, 1021 (2006). – Das Decoupling bei Schuldtiteln wird von Hu/Black 14 Eur. Fin. Mgmt. 663 (2008) behandelt. 341 Blair/Golbe/Gerard 97 J. Pol. Econ. 420, 442 (1989). 342 Martin/Partnoy 2005 U. Ill. L. Rev. 775 (2005). 343 Tabellarische Übersichten dazu findet sich bei Hu/Black 61 Bus. Law 1011, 1035 ff. (2006); Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 848 f. (2006); Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 661 ff. (2008). – Zu der praktischen Bedeutung des Empty Voting durch Aktiendarlehen siehe S. 324 ff. 344 Zur Bedeutung moderner „Finanzinnovationen“ auch Gilson/Whitehead 108 Co-
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Im Normalfall hat ein Aktionär ein positives wirtschaftliches Interesse; alle Maßnahmen und Entscheidungen, die zu einem Zunehmen oder Abnehmen des Unternehmenswertes führen, wirken sich, vermittelt durch das Aktieneigentum, entsprechend auf sein Vermögen aus. Durch den Abschluss von schuldrechtlichen Verträgen mit Dritten ist es jedoch möglich, das wirtschaftliche Interesse zu reduzieren, obwohl der Aktionär formal Eigentümer der Aktien und damit Inhaber des in diesen verkörperten Stimmrechts ist. Darin liegt der Unterschied zu einem echten Stimmenkauf, bei dem das Stimmrecht auch formal von der restlichen Beteiligung getrennt würde. Dementsprechend werden die nachfolgend beschriebenen Entkopplungstechniken auch als New Vote Buying bezeichnet.345 a) Von Hu und Black verwendete Definitionen Ihrer Erörterung legen Hu und Black in der schon angesprochenen Aufsatzserie eine Reihe von einheitliche Definitionen zugrunde.346 Economic ownership, hier als wirtschaftliches Interesse bezeichnet, soll alle Erträge umfassen, die von den betroffenen Aktien abgeworfen werden. Damit sind sowohl die sich unmittelbar aus dem Aktieneigentum ergebenden Folgen für das Vermögen des Aktionärs (d. h. infolge von Kursveränderungen) gemeint, als auch mittelbare Folgen durch das Halten sogenannter coupled assets.347 Dies sind vor allem Derivate und (sonstige) vertragliche Ansprüche, welche die Folgen des Aktieneigentums für das Vermögen des Aktionärs verändern. Net economic ownership umschreibt das sich aus der Kombination von Aktien und coupled assets ergebende wirtschaftliche Interesse; es kann positiv, gleich Null oder negativ sein. Als empty voter wird schließlich ein Aktionär bezeichnet, dessen Stimmrechte seine net economic ownership wesentlich übersteigen. Die Kehrseite von auf diese Weise risikoentleerten Stimmrechten wird von Hu und Black als hidden (morphable) ownership gekennzeichnet.348 Gemeint ist damit ein (positives) wirtschaftliches Interesse, das von den herkömmlichen kapitalmarktrechtlichen Vorschriften über die Stimmrechtspublum. L. Rev. 231, 236 f. (2008); Kahan/Rock 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1076 (2007); Partnoy 31 J. Corp. L. 799, 809 ff. (2006). Dazu und den verschiedenen Entkopplungstechniken noch unten S. 72 f. 345 So auch der Titel des Aufsatzes von Hu/Black, 79 S. Cal. L. Rev. 811 (2006). 346 Zum Folgenden siehe Hu/Black 61 Bus. Law 1011, 1020 ff. (2006); Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 823 ff. (2006); Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 636 ff. (2008). 347 Hu und Black verwenden daneben auch den Begriff der related non-host assets und meinen damit Wirtschaftsgüter, deren Wert in einer bestimmten Weise mit dem Wert der Aktien der betroffenen Gesellschaft (host) korreliert. Damit wird insbesondere das Phänomen angesprochen, dass sich in einem Übernahmekontext die Aktienkurse von Bietergesellschaft und Zielgesellschaft in unterschiedliche Richtungen entwickeln können. Hält ein Investor beispielsweise Aktien der Zielgesellschaft, würden von ihm zusätzlich erworbene Aktien der Bietergesellschaft related non-host assets darstellen, dazu noch unten S. 73 f. 348 Dazu insbesondere Hu/Black 61 Bus. Law 1011, 1023 (2006).
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lizität nicht erfasst wird. 349 Typisch für hidden ownership ist das Bestehen von informellen Stimmrechten, die sich aus den Marktgebräuchen und den wirtschaftlichen Anreizen der Beteiligten ergeben, die also normalerweise nicht durchsetzbar oder von außen feststellbar sind. In einem Aufsatz aus dem Jahr 2008 sprechen Hu und Black schließlich das von ihnen so bezeichnete soft parking an.350 Bei derartigen Konstellationen ist eine Partei (parkee) formal Aktionär, hat jedoch kein oder nur beschränktes wirtschaftliches Interesse. Die andere Partei (parker) ist im Regelfall der wirtschaftliche Eigentümer der Aktien. Nach einer informellen Absprache übt der parkee sein Stimmrecht nach den Vorgaben des parker ab und überträgt die Aktien auf Anforderung an diesen zurück. Es handelt sich also um eine der hidden ownership verwandte Gestaltung. Mögliche Zwecke sind ebenfalls die Umgehung der kapitalmarktrechtlichen Stimmrechtspublizität oder sonstiger Pflichten wie etwa der Pflicht, bei Überschreiten der Kontrollschwelle ein Übernahmeangebot abzugeben. Einen Sonderfall stellt das soft parking durch die Gesellschaft selbst dar, um die gesellschaftsrechtlich untersagte Stimmrechtsausübung aus eigenen Aktien zu ermöglich und so Übernahmeversuche abzuwehren.351 b) Vom positiven zum negativen wirtschaftlichen Interesse Der Normalfall des positiven wirtschaftlichen Interesses zeichnet sich dadurch aus, dass der Aktionär Eigentümer der Aktien ist und keine coupled assets hält. Jede Kursteigerung bewirkt dann einen anteiligen Zuwachs seines Vermögens; jedes Fallen des Kurses bedeutet für ihn eine entsprechende Vermögensminderung. Setzt der Aktionär nun beispielweise ein Derivat ein, dessen Wertentwicklung exakt spiegelbildlich zum Aktienkurs verläuft, besteht im Ergebnis kein wirtschaftliches Interesse mehr: Das coupled asset führt dazu, dass Kursschwankungen sich nicht auf das Vermögen des Aktionärs auswirken.352 Über eine bloße Neutralisierung der wirtschaftlichen Chancen und Risiken des Aktieneigentums hinaus kann eine derivative Position auch so ausgestaltet werden, dass im Ergebnis ein negatives wirtschaftliches Interesse entsteht. Der Aktionär profitiert dann von einem Abnehmen des Unternehmenswertes, während eine Zunahme des Unternehmenswertes sein Vermögen schmälert.
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Zur kapitalmarktrechtlichen Einordnung siehe S. 229 ff. Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 638 f. (2008); dazu auch Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 21 f. 351 Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 642 ff. (2008). 352 Zu den Einzelheiten der verschiedenen Entkopplungstechniken siehe sogleich unter S. 71 ff. 350
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2. Der Einsatz von Aktiendarlehen Aktiendarlehen spielen für die Entkopplung von Stimmrecht und wirtschaftlichem Interesse eine zentrale Rolle: Zum einen ermöglichen sie unmittelbar eine Entkopplung, zum anderen würden die ebenfalls als Entkopplungstechnik eingesetzten Derivate ohne einen breiten und tiefen Darlehensmarkt nicht zur Verfügung stehen.353 Ein Darlehensvertrag über Aktien verpflichtet den Darlehensnehmer, im Fälligkeitszeitpunkt Aktien gleicher Art an den Darlehensgeber zurückzuerstatten.354 Zudem weist die vertragliche Vereinbarung typischerweise die in den Aktien verkörperten Vermögensrechte dem Darlehensgebers zu, indem sich der Darlehensnehmer insbesondere verpflichtet, für ausgeschüttete Dividenden eine Kompensationszahlung zu leisten.355 Wird also der Darlehensgeber schuldrechtlich so gestellt, als sei er weiterhin Eigentümer der Aktien, bedeutet der Abschuss des Darlehensvertrages für den Darlehensnehmer, dass er die wirtschaftlichen Chancen und Risiken des Aktieneigentums nicht trägt, also kein wirtschaftliches Interesse im oben beschriebenen Sinn hat. Damit ermöglicht das Aktiendarlehen die von Hu und Black erörterte Risikoentleerung des Stimmrechts. Verfolgt ein Darlehensnehmer diesen Zweck, wird er den Darlehensvertrag so weit vor der jeweiligen Hauptversammlung abschließen, dass die ggf. erforderliche Anmeldung oder Legitimation noch möglich ist, und dafür sorgen, dass die Laufzeit des Darlehens nach der Hauptversammlung endet. Bei diesem Vorgehen dient also der Darlehensvertrag als coupled asset.356
3. Weitere Entkopplungstechniken Eine Besonderheit des Einsatzes von Aktiendarlehen besteht darin, dass für den „Stimmenkäufer“ nur eine Transaktion erforderlich ist, um das gewünschte Ziel zu erreichen.357 Statt des Abschlusses eines Aktiendarlehens können aber auch alternative Entkopplungstechniken eingesetzt werden. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass zwei Transaktionen und damit zwei Gegenparteien erforderlich sind, um die Entkopplung zu erreichen.358 Bei der ersten Transaktion handelt es sich typischerweise um den Erwerb der 353 Darauf weisen Hu/Black 61 Bus. Law 1011, 1021 (2006) zu Recht hin. – Zur Bedeutung des Darlehensmarkts für die Terminmärkte siehe bereits oben S. 60 ff. 354 Zum deutschen Recht siehe unten S. 112 ff. 355 Zur üblichen Vertragsgestaltung siehe S. 187 f. 356 Hu/Black 61 Bus. Law 1011, 1027 f. (2006). 357 Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 2, S. 11, spricht deshalb von reciprocal vote buying. 358 Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 2, S. 11, nennt dies non-reciprocal vote buying.
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Aktie am Kassamarkt, bei der zweiten um ein am Terminmarkt abgeschlossenes Geschäft, das als coupled asset dem Hedging des mit den Aktien verbundenen wirtschaftlichen Risikos dient. So führt der Kauf der Aktien und ihr anschließender Verkauf auf Termin dazu, dass der Terminverkäufer bis zum Erfüllungszeitpunkt (der wiederum nach der jeweiligen Hauptversammlung liegen wird) die aus den Kursschwankungen der Aktie folgenden Risiken nicht trägt. Durch den Terminverkauf sichert sich der Verkäufer gleichsam den gegenwärtigen Wert der Aktien. Der Terminverkauf kann auch synthetisch durch einen mit einem Aktiendarlehen finanzierten Leerverkauf am Kassamarkt nachgebildet werden.359 Für die Strategie des Haltens einer Beteiligung, die einen ausreichend großen Stimmrechtseinfluss vermittelt, und des zusätzlichen Leerverkaufs von Aktien in gleicher Zahl ist der Begriff des shorting against the box gebräuchlich.360 Zudem können statt eines Terminverkaufs auch in ihrer Wirkung gleichwertige Derivate eingesetzt werden, mit denen der Aktionär eine Shortposition eingeht. Ein Beispiel dafür sind sogenannte low exercise price options (LEPO), deren innerer Wert sehr nahe am Wert des Basiswertes liegt, so dass – bei einem Hebel von annähernd 1 – die Kursbewegung des Basiswerts fast parallel abgebildet wird.361 Schließlich ist auf die record date capture durch den Kauf von Aktien vor dem jeweiligen record date und deren Verkauf nach diesem Zeitpunkt, aber noch vor der Hauptversammlung hinzuweisen.362 Auch diese Vorgehensweise erfordert zwei Transaktionen, um eine Entkopplung des Stimmrechts erreichen zu können.
4. Das Ausnutzen des risikoentleerten Stimmrechts Die Anwendung einer der geschilderten Entkopplungstechniken ist aus Sicht des jeweiligen Aktionärs nur sinnvoll, wenn er in irgendeiner Form von der Ausübung der risikoentleerten Stimmrechte profitieren kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn sein wirtschaftliches Interesse (errechnet aus den gehaltenen Aktien, den eingesetzten coupled assets und ggf. weiteren Wirtschaftsgütern) insgesamt entweder positiv oder negativ ist.
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Dazu bereits oben S. 38 f. Dazu Katz 28 Cardozo L. Rev. 1483, 1498 ff. (2006). 361 Siehe nur Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 12. 362 Dazu insbesondere Clottens ECFR 2012, 446, 450 f. Zur umstrittenen Zulässigkeit eines solchen Vorgehens nach deutschem Recht siehe Merkner/Sustmann NZG 2010, 1170, 1170; Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 39; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 87 f. m. w. N. 360
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a) Empty Voting bei positivem wirtschaftlichen Interesse Im ersten Fall werden die entkoppelten Stimmrechte eingesetzt, um (vorübergehend) den eigenen Stimmrechtsanteil zu verstärken, so dass beispielsweise über ein weiteres, dauerhaft gehaltenes Aktienpaket von Hauptversammlungsentscheidungen profitiert werden kann, die eine Wertsteigerung des Unternehmens versprechen. Im Übernahmekontext können risikoentleerte Stimmrechte im erwerbenden Unternehmen auch eingesetzt werden, um eine Entscheidung für den Erwerb des Zielunternehmens herbeizuführen und von einem Kursanstieg der Aktien dieses Zielunternehmens, die der Empty Voter ebenfalls hält, zu profitieren. Diese Strategie versuchte der Hedgefonds Perry Capital in einem in den USA viel diskutierten Fall umzusetzen.363 Im Jahr 2004 wurde zwischen den Unternehmen Mylan Laboratories und King Pharmaceuticals eine Vereinbarung getroffen, die einen Erwerb von King Pharmaceuticals gegen Aktien von Mylan Laboratories vorsah, und der die Aktionäre der Unternehmen zustimmen mussten. Wegen einer negativen Marktreaktion war nicht sicher, ob die Aktionäre von Mylan Laboratories dem Zusammenschluss zustimmen würden. Perry Capital hielt eine Beteiligung an King Pharmaceuticals und erwarb, vermutlich, um die Entscheidung zugunsten des Zusammenschlusses zu beeinflussen, einen Anteil von 9,9 % an Mylan Laboratories. Durch den Einsatz von Derivaten364 gelang es Perry Capital, das wirtschaftliche Interesse aus dieser Beteiligung zu neutralisieren und die damit verbundenen Stimmrechte zu entkoppeln.365 Eine vorübergehende Verstärkung des eigenen Stimmrechtsanteils kann auch dazu genutzt werden, um bestimmte Quoren zu erreichen, wie z. B. nach einer erfolgreichen Übernahme die Squeeze-Out-Schwelle.366
363 Eine detaillierte Beschreibung findet sich in der Order Instituting Administrative and Cease-and-Desist Proceedings Pursuant to Section 21C of the Securities Exchange Act of 1934 and Section 203(e) of the Investment Advisers Act of 1940, Making Findings, and Imposing Remedial Sanctions and a Cease-and-Desist Order der Securities Exchange Commission vom 21. Juli 2009, abrufbar unter http://www.sec.gov/litigation/admin/2009/34– 60351.pdf. Aus der US-amerikanischen Literatur siehe im Übrigen nur Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 828 f. (2006); Kahan/Rock 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1075 f. (2007). 364 Es handelte sich offenbar (unter anderem) um eine durch Equity Swaps begründete Shortposition, Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 828 (2006). 365 Der Zusammenschluss wurde aus anderen Gründen nicht durchgeführt, es kam also nicht zu einer Ausübung der risikoentleerten Stimmrechte. Die Securities Exchange Commission ermittelte gegen Perry Capital wegen Verstoßes gegen die Beteiligungstransparenzvorschrift der Sec. 13(d) des Securities Exchange Act und nahm die von Perry Capital abgegebene „Offer of Settlement“ an, die unter anderem eine Zahlung von US$ 150.000 vorsah. Zu den Einzelheiten siehe Order Instituting Administrative and Cease-and-Desist Proceedings Pursuant to Section 21C of the Securities Exchange Act of 1934 and Section 203(e) of the Investment Advisers Act of 1940, Making Findings, and Imposing Remedial Sanctions and a Cease-and-Desist Order vom 21. Juli 2009, abrufbar unter http://www.sec.gov/litigation/admin/2009/34–60351.pdf. 366 Zur gesellschaftsrechtlichen Bewertung eines solchen Vorgehens siehe S. 306 ff.
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b) Empty Voting bei negativem wirtschaftlichen Interesse Im zweiten Fall können die entkoppelten Stimmrechte dazu genutzt werden, um über eine Shortposition bei einem Absinken des Aktienkurses Gewinn zu erzielen. Diese Strategie setzt voraus, dass eine ggf. zur Entkopplung eingesetzte Shortposition soweit ausgebaut wird, dass ein negatives wirtschaftliches Interesse entsteht. Wird ein Aktiendarlehen eingesetzt, ist daneben etwa eine durch Leerverkauf oder Derivate erzeugte Shortposition erforderlich. In jedem Fall ist für den Erfolg eines solchen Vorgehens entscheidend, dass der Stimmrechtseinfluss so ausgeübt werden kann, dass Kursverluste verursacht werden. Das Verhalten des Empty Voters ist in dieser Fallgruppe also bewusst wertvernichtend.367
II. Die ökonomische Rechtfertigung des one-share-one-vote-Prinzips Empty Voting bedeutet Entkopplung des Stimmrechtseinflusses von dem mit dem Aktieneigentum eigentlich verbundenen wirtschaftlichen Interesse. Ausgangspunkt für die ökonomische Analyse muss daher das – jedenfalls als Grundregel weltweit verbreitete368 – gesellschaftsrechtliche Proportionalitätsprinzip sein. Danach muss der Stimmrechtseinfluss dem wirtschaftlichen Interesse des Aktionärs entsprechen (one share one vote). Als Vorfrage dazu ist auch darauf einzugehen, warum ausschließlich den Aktionären und nicht etwa auch anderen stakeholders wie Anleihegläubigern, Kunden, Lieferanten oder Arbeitnehmern das Stimmrecht zusteht.
1. Der klassische Begründungsansatz: Aktionäre als Inhaber des Residualanspruchs a) Rechtfertigung des Aktionärstimmrechts Die Tatsache, dass in der Aktiengesellschaft das Stimmrecht grundsätzlich nur den Aktionären und nicht auch anderen stakeholders wie Management, Fremdkapitalgebern oder Arbeitnehmern zusteht, wird herkömmlich damit begründet, dass allein die Aktionäre Inhaber des Residualanspruchs (und damit Restbetragsbeteiligte) sind, also als Eigenkapitalgeber bei Beendigung der Gesellschaft Anspruch auf den nach Befriedigung aller anderen Anspruchsberechtigten verbleibenden Gewinn haben. Grundlegend wurde dies von Easterbrook und Fischel herausgearbeitet.369 Ihr Ausgangspunkt ist die 367 Siehe dazu auch Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 19 f. 368 Siehe nur Black/Kraakman 109 Harv. L. Rev. 1911, 1945 f. (1996) m. w. N. 369 Easterbrook/Fischel 26 J. L. & Econ. 395 (1983); Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991, S. 63 ff. Die im Folgenden zitierten Ausführungen beziehen sich ausdrücklich nur auf Publikumsgesellschaften, dazu Easterbrook/Fischel 26 J. L. & Econ. 395, 399 Fn. 8 (1983). – Zur Rechtfertigung des Aktionärsstimmrechts siehe im Übrigen auch Black/Kraakman 109 Harv. L. Rev. 1911, 1945 f. (1996); Cunningham 64
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Gesellschaft als nexus of contracts zwischen den verschiedenen stakeholders; die so gedachten vertraglichen Vereinbarungen, zu denen auch das Gesellschaftsrecht als eine Art Mustervertrag zähle, wiesen notwendigerweise Lücken auf, die durch Mehrheitsentscheidungen gefüllt werden müssten.370 Das Entscheidungsrecht komme den Aktionären zu, da diesen als einzigen der Residualanspruch zustehe, so dass sie auch als einzige alle Chancen und Risiken trügen und damit die richtigen Anreize für die Entscheidungsfindung bestünden.371 Im Unterschied dazu hätten allen anderen Gruppen von Anspruchsberechtigten fest ausgehandelte Ansprüche (Festbetragsbeteiligte). Auch die wichtigste Ausnahme vom Grundsatz des Aktionärsstimmrechts wird von Easterbrook und Fischel für ihre Sichtweise angeführt: In der Insolvenz des Unternehmens verschiebe sich die Entscheidungszuständigkeit von den Aktionären auf die Gläubiger, da diese bis zur vollständigen Erfüllung ihrer Ansprüche von den Folgen einer bestimmten Entscheidung profitierten und die daraus resultierenden Risiken trügen.372 b) Rechtfertigung des Proportionalitätsprinzips Die geschilderte Anreizfunktion kann nach Easterbrook und Fischel nur bestehen, wenn alle Aktien, die den gleichen Anteil am Residualgewinn vermitteln, auch in gleicher Weise stimmberechtigt sind.373 Eine disproportionale Verteilung des Stimmrechts setze in gleicher Weise falsche Anreize wie jede Trennung von Stimmrecht und wirtschaftlicher Beteiligung. Folge davon seien unnötige Agenturkosten (agency costs), die zu Lasten der anderen Aktionäre gingen; ein Aktionär, der beispielsweise nur einen Anspruch auf 20 % des Residualgewinns habe, jedoch alle Stimmrechte halte, würde sich nicht ausreichend gewinnmaximierend verhalten, da der größte Teil der durch seine Entscheidungen verursachten Kosten von anderen zu tragen wären.374 Das Proportionalitätsprinzip ist danach also zwingende Folge des mit der Inhaberschaft des Residualanspruchs begründeten Aktionärsstimmrechts.375
N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 303 (2008); GroßKommAktG/Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 133 Rn. 87; Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 850 (2006); Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 71; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 174; Sitkoff 69 U. Chi. L. Rev. 1103, 1121 (2002); Theusinger/ Möritz NZG 2010, 607, 609. 370 Easterbrook/Fischel 26 J. L. & Econ. 395, 401 (1983). 371 Easterbrook/Fischel 26 J. L. & Econ. 395, 403 (1983). 372 Easterbrook/Fischel 26 J. L. & Econ. 395, 404 (1983); siehe auch Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 174. 373 Easterbrook/Fischel 26 J. L. & Econ. 395, 408 (1983); siehe auch Hayden/Bodie 30 Cardozo L. Rev. 445, 473 f. (2008). 374 Easterbrook/Fischel 26 J. L. & Econ. 395, 410 (1983); dazu auch Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 850 (2006); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 174 ff.; Sitkoff 69 U. Chi. L. Rev. 1103, 1121 (2002). 375 So auch Cunningham 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 304 (2008).
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Schließlich weisen Easterbrook und Fischel auch auf das mit dem Aktionärsstimmrecht verbundene Kollektivhandlungsproblem (collective action problem) hin.376 Wenn ein einzelner Aktionär den Ausgang einer Abstimmung nicht entscheidend beeinflussen kann, besteht kein Anreiz, sich mit dem Abstimmungsgegenstand zu befassen und eine informierte Entscheidung zu treffen. Für Aktionäre, die eine größere Beteiligung halten, stellt sich dieses Problem in abgeschwächter Form, aber es besteht auch dort.377 Die Antwort auf dieses Kollektivhandlungsproblem wird traditionell im Markt für Unternehmenskontrolle gesehen.378 Somit ist es naheliegend, die Auswirkungen der Stimmrechtsverteilung gerade dort zu untersuchen, wo sie am deutlichsten sichtbar werden, nämlich auf dem Markt für Unternehmenskontrolle.379 Grundlegend ist insoweit die Studie, die Grossman und Hart im Jahr 1988 vorgelegt haben.380 Ihr Modell unterscheidet zwei Arten von Kontrollvorteilen, private benefits, die den gegenwärtigen Managern oder dem Übernehmer selbst zugute kommen, und security benefits, die den Aktionären insgesamt zugute kommen.381 Die konkrete Verteilung der Stimmrechte – nach dem Proportionalitätsprinzip oder davon abweichend – beeinflusst in dem Modell das Ausmaß, in dem ein Bieter mit potentiell hohen private benefits mit Konkurrenz von anderen Bietern, die das Zielunternehmen nur auf Grundlage der security benefits bewerten, rechnen muss. In dem Extremfall, dass Stimmrechte ohne eine wirtschaftliche Beteiligung bestehen, kommen als Bieter nur diejenigen in Betracht, die Kontrollvorteile der ersten Art anstreben (high-private-benefit party). Nur dann, wenn Stimmrechte und wirtschaftliche Beteiligung gekoppelt sind, kann Wettbewerb durch Bieter der zweiten Art entstehen (highsecurity-benefit party). Die Modellrechnung von Grossman und Hart gelangt zu dem Ergebnis, dass ein one-share-one-vote-Prinzip gegenüber einer abweichenden Verteilung der Stimmrechte zwar nicht in allen, aber doch in vielen Fällen Effizienzvorteile bietet. Auch die von Harris und Raviv ebenfalls im Jahr 1988 veröffentlichte Studie, die ein vergleichbares Modell untersuchte, stützt dieses Ergebnis.382 376
Easterbrook/Fischel 26 J. L. & Econ. 395, 402 f. (1983). Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 175. 378 Dazu etwa Black/Kraakman 109 Harv. L. Rev. 1911, 1945 f. (1996); Cunningham 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 304 (2008); Easterbrook/Fischel 26 J. L. & Econ. 395, 402 (1983); Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 850 (2006). 379 Dazu Grossman/Hart 20 J. Fin. Econ. 175, 176 (1988) und Hart, Firms, Contracts and Financial Structure, 1995, S. 186 ff. 380 Grossman/Hart 20 J. Fin. Econ. 175 (1988). 381 Dazu und zum folgenden insbesondere Grossman/Hart 20 J. Fin. Econ. 175, 177 f. (1988). Siehe im Übrigen auch Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 4. 382 Harris/Raviv 20 J. Fin. Econ. 203 (1988). Hinzuweisen ist auch auf die von Burkart 377
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Daneben wurde gerade in der neueren Literatur die Frage untersucht, welche Auswirkungen disproportional verteilte Stimmrechte in einer sogenannten controlling-minority structure haben können.383 Im Unterschied zu den Fällen des Empty Voting handelt es sich dabei um ein dauerhaftes und transparentes Auseinanderfallen von wirtschaftlichem Interesse und Stimmrechtseinfluss. Gemeint sind vor allem Konstellationen, in denen Minderheitsaktionäre die Mehrheit der Stimmrechte halten, etwa weil die betreffende Gesellschaft zwei Aktiengattungen mit unterschiedlich ausgestalteten Stimmrechten ausgegeben hat (dual class stock). So weisen etwa Bebchuk, Kraakman und Triantis darauf hin, dass derartige Abweichungen vom Proportionalitätsprinzip zu einer Verzerrung der beschriebenen Anreizfunktion führe; die dadurch verursachten Agenturkosten nähmen in dem Maße zu, in dem sich die wirtschaftliche Beteiligung der kontrollierenden Aktionäre verringere.384 c) Die Homogenität der Aktionärsinteressen Nach dem klassischen Begründungsansatz ist das Stimmrecht auch deshalb nur einer Gruppe von Anspruchsberechtigten zugeordnet, weil sich nur so eine hinreichende Homogenität der Interessen erreichen lasse.385 Die Aktionäre bilden danach die homogenste Gruppe, da sie alle das Ziel der Maximierung des shareholder value verfolgten. Die Vorteile der Homogenität bestehen nach einer weit verbreiteten Ansicht in der leichteren Entscheidungsfindung, der Vermeidung von intransitiven Präferenzordnungen386 und in der vereinfachten Gewichtung der Stimmrechte (nämlich proportional zum Anteil am Eigenkapital).387 Gerade in jüngster Zeit wurde jedoch darauf hingeund Lee durchgeführte Untersuchung, die jedenfalls für den Übernahmekontext ebenfalls im Proportionalitätsprinzip die volkswirtschaftlich optimale Stimmrechtsverteilung sieht. Burkart/Lee, The One Share – One Vote Debate: A Theoretical Perspective, Finance Working Paper N°. 176/2007, Mai 2007, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract_id=987486. Außerhalb des Übernahmekontexts differenzieren Burkart und Lee allerdings danach, ob ein kontrollierender Aktionär vorhanden ist. Nur in diesem Fall verspreche das Proportionalitätsprinzip Effizienzgewinne. 383 Eine Übersicht über die empirischen Studien zu diesem Fragenkreis geben Adams/ Ferreira 12 Rev. Fin. 51 (2008) und Ferrarini ECFR 2006, 147, 153 ff. 384 Bebchuk/Kraakman/Triantis, Stock Pyramids, Crossownership, and Dual Class Equity: The Mechanisms and Agency Costs of Separating Control from Cash-flow Rights, in: Morck, Concentrated Corporate Ownership, 2000, S. 295 ff. 385 Cunningham 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 307 (2008); Easterbrook/Fischel 26 J. L. & Econ. 395, 405 (1983); GroßKommAktG/Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 133 Rn. 87; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 72; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 174. 386 Ausführlich und kritisch zu diesem Argument Hayden/Bodie 62 Vand. L. Rev. 1217 (2009). 387 Dazu statt aller Hayden/Bodie 51 Wm. & Mary L. Rev. 2071, 2085 ff. (2010) m. w. N. – Die Homogenität der Aktionärsinteressen als Voraussetzung für die Rechtfertigung des Aktionärsstimmrechts betonen auch Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 127, 131 f. und 149 (2009).
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wiesen, dass diese vermeintliche Homogenität nicht der Realität einer Aktiengesellschaft entspreche.388 aa) Heterogenität durch risikoentleerte Stimmrechte Dies wird zum einen mit den inzwischen bestehenden Möglichkeiten der Herstellung von risikoentleerten Stimmrechten durch den Einsatz von Derivaten und Aktiendarlehen begründet. Damit ist in erster Linie die sogenannte derivatives revolution angesprochen,389 also das spätestens seit den 1990er Jahren zu beobachtende Entstehen von leistungsfähigen derivativen Märkten mit einem vielfältigen Angebot von insbesondere auch außerbörslich gehandelten Finanzinnovationen, die neben dem Einsatz von Aktiendarlehen die beschriebenen Entkopplungstechniken überhaupt erst ermöglichen.390 Die Bedeutung dieser Entwicklung zeigt sich auch in dem oben erwähnten Hinweis von Blair, Golbe und Gerard in einem Aufsatz aus dem Jahr 1989, durch den Einsatz von Optionen sei eine Entkopplung von Stimmrecht und wirtschaftlichem Interesse möglich, eine solche Strategie werde aber wohl wegen der hohen Transaktionskosten und dem beschränkten Angebot von börsennotierten Optionen nicht umgesetzt.391 Diese Einschätzung lässt sich heute angesichts der zahlreichen Möglichkeiten der Entkopplung in der Tat nicht mehr aufrechterhalten.392 Für einen Aktionär, der kein (positives) wirtschaftliches Interesse hat, spielt die Maximierung des shareholder value keine Rolle. Im Gegenteil verhält es sich bei negativem wirtschaftlichen Interesse sogar so, dass er von einer Minderung des Wertes des Eigenkapitals profitiert. bb) Weitere Fallgruppen der Heterogenität Daneben wird auf weitere Fallgruppen hingewiesen, in denen die Aktionärsinteressen nicht gleichgerichtet sind.393 Dazu seien das Vorhandensein eines kontrollierenden Aktionärs und ganz allgemein die Existenz von Aktionären zu zählen, die gleichzeitig einer anderen Gruppe von stakeholders zugehör388 Anabtawi 53 UCLA L. Rev. 561, 577 ff. (2006); Dombalagian 42 U. C. Davis L. Rev. 1231, 1260 f. (2009); Ford/Liao 33 Seattle U. L. Rev. 889, 898 (2010); Hayden/Bodie 51 Wm. & Mary L. Rev. 2071, 2095 ff. (2010); Hayden/Bodie 62 Vand. L. Rev. 1217, 1229 (2009); Hayden/Bodie 30 Cardozo L. Rev. 445, 477 (2008); Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 632 (2008); Martin/Partnoy 2005 U. Ill. L. Rev. 775, 778 ff. und 788 ff. (2005); Partnoy 31 J. Corp. L. 799, 809 ff. (2006). 389 Siehe dazu etwa Partnoy 34 Ga. L. Rev. 599, 599 f. (2000). 390 Dazu oben S. 72 ff. 391 Blair/Golbe/Gerard 97 J. Pol. Econ. 420, 442 (1989): „We speculate that transactions costs and the somewhat restricted range of terms on exchange-listed options may inhibit the use of such strategies in hostile takeovers.“ 392 Anabtawi 53 UCLA L. Rev. 561, 590 ff. (2006); Hayden/Bodie 30 Cardozo L. Rev. 445, 484 f. (2008); Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 632 (2008). 393 Allgemein dazu auch Schouten 2010 Colum. Bus. L. Rev. 763, 802 ff. (2010).
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ten, also beispielsweise Arbeitnehmer oder Organmitglieder seien.394 Weitere Interessen als die reine Maximierung des shareholder value verfolgten u. U. auch institutionelle Investoren wie Pensionsfonds und Sovereign Wealth Funds.395 Selbst wenn Wertsteigerung des Eigenkapitals ein von allen Aktionären verfolgtes Ziel sein sollte, könne im Übrigen über die Erreichung dieses Ziels Uneinigkeit herrschen.396 Grund dafür sei, dass Aktionäre unterschiedliche Risikopräferenzen397 aufweisen und auch in zeitlicher Hinsicht abweichende Anlagehorizonte398 haben könnten.
2. Einwände gegen die Betrachtung von Aktionären als Restbetragsbeteiligte Gegen das Argument, Aktionäre seien die Inhaber des Residualanspruchs, wird teilweise vorgebracht, es entspreche nicht der Realität. So hat insbesondere Stout ausgeführt, die Restbetragsbeteiligung werde nur in einem einzigen Fall praktisch relevant, nämlich dann, wenn die Gesellschaft insolvent sei.399 Abgesehen davon erfolge nur eine Auszahlung an die Aktionäre, wenn eine Dividende beschlossen worden sei.400 Darüber hinaus könnten auch andere Anspruchsberechtigte als Inhaber eines Residualanspruchs in dem (weiten) Sinne angesehen werden, dass sie über ihre vertraglich vereinbarte Festbetragsbeteiligung hinaus faktisch vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens profitieren könnten.401 Bei Arbeitnehmern würde sich dies beispielweise in Gehaltserhöhungen und größerer Arbeitsplatzsicherheit niederschlagen, bei Anleihegläubigern in einem besseren Schutz vor einem insolvenzbedingten Zahlungsausfall. Umgekehrt wirkten sich Fehlentscheidungen etwa auch auf Anleihegläubiger aus. Betrachte man das Verhältnis von Aktionären und Anleihegläubigern aus dem Blickwinkel der Options394 Anabtawi 53 UCLA L. Rev. 561, 586 ff. (2006); Hayden/Bodie 30 Cardozo L. Rev. 445, 486 (2008). 395 Zu den nichtökonomischen Interessen von Pensionsfonds siehe Anabtawi 53 UCLA L. Rev. 561, 588 ff. (2006); Hayden/Bodie 30 Cardozo L. Rev. 487 f. (2008). – Zu Sovereign Wealth Funds siehe Hayden/Bodie 30 Cardozo L. Rev. 445, 488 ff. (2008). 396 Bainbridge 119 Harv. L. Rev. 1735, 1745 (2006). 397 Anabtawi 53 UCLA L. Rev. 561, 583 ff. (2006) weist etwa darauf hin, dass Anleger mit einem stark diversifizierten Portfolio (sog. universal owners) wie z. B. große Investment- und Pensionsfonds das unternehmensspezifische Risiko weitgehend ausschließen können; allgemein zu unterschiedlichen Risikopräferenzen von Aktionären auch Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 460 ff. 398 Ausführlich dazu Anabtawi 53 UCLA L. Rev. 561, 579 ff. (2006); Hayden/Bodie 30 Cardozo L. Rev. 445, 492 ff. (2008); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 458 f. 399 Stout 75 S. Cal. L. Rev. 1189, 1193 (2002). 400 Stout 75 S. Cal. L. Rev. 1189, 1193 f. (2002); Stout 93 Va. L. Rev. 789, 804 (2007). 401 Stout 75 S. Cal. L. Rev. 1189, 1194 f. (2002); Stout 93 Va. L. Rev. 789, 804 f. (2007); ähnlich Black, Corporate Law and Residual Claimants, Berkeley Program in Law & Economics Working Paper No. 27, 1999, abrufbar unter http://www.escholarship.org/uc/item/ 5746q7pj, S. 15 ff. – Kritisch dazu Velasco 2010 U. Ill. L. Rev. 897, 912 ff. (2010).
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theorie, könne man Aktionäre als Inhaber einer Kaufoption oder Anleihegläubiger als Stillhalter einer Verkaufsoption ansehen.402 Die Erhöhung des mit der Unternehmensstrategie eingegangenen Risikos komme bei dieser Sichtweise grundsätzlich den Aktionären zugute und gehe zu Lasten der Anleihegläubiger.403
3. Der Begründungsansatz von Thompson und Edelman: Fehlerkorrektur durch die Aktionäre Abweichend von dem klassischen Begründungsansatz haben Thompson und Edelman unlängst darauf hingewiesen, dass die Aktionäre zwar die richtige Gruppe für die Kontrolle des Managements und zur Fehlerkorrektur seien, dies aber nicht wegen ihres Anspruchs auf den Residualgewinn, sondern weil das beste Signal für Fehlentscheidungen des Leitungsorgans der Aktienkurs sei und die Aktionäre die Gruppe mit dem größten Anreiz seien, dieses Signal zu überwachen.404 Jeder Transfer von isolierten Stimmrechten beeinträchtige das Signal und damit die Überwachungsfunktion der Aktionäre. Da Thompson und Edelman die Fehlerkorrektur als Funktion des Aktionärsstimmrechts betonen, ist es nicht überraschend, dass sie auch das Condorcet-Jury-Theorem heranziehen.405 Nach diesem nimmt unter bestimmten, die Realität von binären Gruppenentscheidungen gut abbildenden Annahmen, die Wahrscheinlichkeit, dass die Mehrheit einer Gruppe von Individuen (die durchschnittlich mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 402 Ausführlich zu diesem asymmetrischen Verhältnis von Aktionären und Anleihegläubigern Partnoy 34 Ga. L. Rev. 599, 608 ff. (2000); Blair/Stout 79 Wash. U. L. Q. 403, 411 ff. (2001). – Kritisch dazu Velasco 2010 U. Ill. L. Rev. 897, 916 ff. (2010). 403 Instruktiv dazu das Beispiel bei Blair/Stout 79 Wash. U. L. Q. 403, 413 f. (2001) zum Eingehen ineffizienter Risiken, das den Wert des Anspruchs der Aktionäre erhöht, während es den Wert des Anspruchs der Anleihegläubiger um einen größeren Betrag vermindert: „Consider the example of a firm that has fifteen million dollars in debt and twenty million dollars in assets. The directors of the firm then evaluate a project that has a fifty percent chance of producing six million dollars in profits, and a fifty percent chance of producing a twelve million dollar loss. The project accordingly has a negative expected value of minus three million dollars. Although pursuing the project would reduce the economic value of the firm as a whole, under a rule of strict shareholder primacy, the directors of the company should proceed with the project. After all, viewed strictly from the shareholders’ perspective, the project actually has a positive net expected value of half a million dollars.“ Der positive Erwartungwert aus Sicht der Aktionäre erklärt sich damit, dass der Wert des Eigenkapitals in diesem Beispiel 5 Millionen beträgt und der mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % eintretende Verlust die Aktionäre maximal in dieser Höhe treffen würden, während sie von dem mit der gleichen Wahrscheinlichkeit eintretenden Gewinn in voller Höhe profitieren würden. – Siehe im Übrigen auch Partnoy 34 Ga. L. Rev. 599, 609 (2000). 404 Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 127, 149 ff. (2009). – Diese Theorie kann nur für börsennotierte Unternehmen mit großem Streubesitz gelten; für alle anderen Fälle verweisen Thompson und Edelman auf den klassischen Begründungsansatz, Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 127, 151 (2009). 405 Dazu Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 127, 132 f. bei Fn. 5 und 149 f. (2009) m. w. N. Siehe auch Levmore 53 Stan. L. Rev. 111, 143 ff. (2000).
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0,5 die richtige Entscheidung treffen) die richtige Entscheidung trifft, mit zunehmender Gruppengröße zu (und geht gegen 1). Wenn es also eine richtige Entscheidung gebe, werde diese von einer Mehrheit der Aktionäre mit größerer Wahrscheinlichkeit getroffen als von einem beliebigen einzelnen Entscheider.406 Die „richtige Entscheidung“ sei bei diesem Verständnis diejenige, die den Unternehmenswert erhöhe und für ein Ansteigen des Aktienkurses sorge.407
III. Parallelen zu politischen Wahlen Verschiedentlich wurde versucht, aus den tragenden Gründen für das Verbot des Stimmenkaufs bei politischen Wahlen, das in unterschiedlichen Ausprägungen in allen demokratisch verfassten Staaten gelten dürfte,408 Rückschlüsse auf die Behandlung des herkömmlichen Stimmenkaufs in Kapitalgesellschaften und des new vote buying durch den Einsatz risikoentleerter Stimmrechte zu ziehen. Auch dabei spielen ökonomische Argumente eine Rolle. Zur Begründung des Verbots des Stimmenkaufs (verstanden als finanzielle Zuwendung für die Abgabe der Stimme im Sinne des Zuwenders) wird in erster Linie auf den Grundsatz der Gleichheit der Wahl verwiesen, der verletzt wäre, wenn das Stimmgewicht eines einzelnen Wählers letztlich von seinen finanziellen Möglichkeiten, Stimmen zu erwerben, abhinge und damit wirtschaftliche Ungleichgewichte ebensolche Ungleichgewichte des politischem Einflusses bedeuten würden.409 Wie auch andere unveräußerliche Güter zeichne sich das Stimmrecht dadurch aus, dass es nur ein zahlenmäßig beschränktes „Angebot“ gebe, so dass dessen Regulierung nicht durch einen Markt erfolgen könne; ein solcher würde lediglich zu einer anderen Verteilung der Stimmen führen.410 Im Ergebnis würde die Zulassung eines Handels mit Stimmen zu einer Konzentration politischer Macht bei den Wohlhabenden und insbesondere denjenigen, deren Wohlstand von staatlichen Privilegien abhängt, führen.411
406 Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 127, 149 f. (2009). – Voraussetzung ist allerdings, dass die Aktionäre mit einer Wahrscheinlich von mehr als 0,5 die richtige Entscheidung treffen. 407 Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 127, 150 (2009). 408 Beispielhaft sei der Tatbestand der Wählerbestechung, § 108b StGB, genannt. Zur Rechtslage in den USA siehe etwa Hasen, 88 Cal. L. Rev. 1323, 1324 Fn. 1 (2000). 409 Dazu etwa Clark 29 Case W. Res. L. Rev. 776, 804 (1979); Hasen, 88 Cal. L. Rev. 1323, 1329 f. (2000); Levmore 53 Stan. L. Rev. 111, 118 f. (2000). 410 Levmore 53 Stan. L. Rev. 111, 117 (2000); Tobin 13 J. L. & Econ. 263, 269 (1970). 411 Tobin 13 J. L. & Econ. 263, 269 (1970); zur Gefahr des rent seeking, also einer Finanzierung des Kaufpreises für die Stimmen aus öffentlichen Mitteln durch den Wahlsieger siehe auch Hasen, 88 Cal. L. Rev. 1323, 1332 ff. (2000).
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Ob dieses Gleichheitsargument auf den Stimmenkauf in Kapitalgesellschaften übertragen werden kann, ist jedoch zweifelhaft. Insbesondere kann darauf verwiesen werden, dass dort die Machtverteilung stets auch von den finanziellen Ressourcen der Gesellschafter abhängt, da Stimmrechte jedenfalls als Bestandteil der in der Aktie verkörperten Mitgliedschaft ohne weiteres erworben werden können.412 Begründet wird das Verbot des Stimmenkaufs daneben auch mit den Kollektivhandlungsproblemen, die sich daraus ergeben, dass jeder Beteiligte weiß, dass er den Ausgang der Wahl wahrscheinlich nicht beeinflussen wird.413 Es ist nichts ersichtlich, was gegen eine Übertragung dieses Arguments auf den Handel mit isolierten Stimmrechten von Aktiengesellschaften sprechen würde. Somit ist darauf in der weiteren Erörterung einzugehen.414
IV. Die volkswirtschaftliche Beurteilung von Empty Voting und New Vote Buying Über die Beurteilung des Empty Voting und des New Vote Buying, also des Handels mit entkoppelten Stimmrechten, besteht in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur keine Einigkeit. Den vielfach geäußerten kritischen Stimmen stehen eine Reihe von Autoren gegenüber, die – aufgrund von Modellrechnungen und empirischen Studien – auf Effizienzvorteile hinweisen, die sich unter bestimmten Voraussetzungen ergäben, wenn ein Stimmrechtshandel zulässig wäre.
1. Nachteilige Wirkungen eines Handels mit entkoppelten Stimmrechten a) Beeinträchtigung der ökonomischen Funktion des Stimmrechts Geht man von dem klassischen Begründungsansatz Easterbrooks und Fischels aus, nach dem die Aktionäre die geeignete Gruppe sind, um (in grundlegenden Fragen) das Unternehmensinteresse zu konkretisieren, da nur sie einen Anspruch auf den Residualgewinn haben und der damit verbundene Anreiz zu volkswirtschaftlich wünschenswerten Ergebnissen führt, erscheinen Empty Voting und damit auch der Handel mit entkoppelten Stimmrechten als nicht hinnehmbar. Denn wenn optimale Ergebnisse nur bei Einhaltung des Proportionalitätsprinzips erreicht werden, führt die Schaffung risikoentleerter Stimmrechte zwangsläufig zu einer Verzerrung des Anreizmechanismus und einer Beeinträchtigung der Funktion des Stimmrechts. Dementsprechend verweisen in der aktuellen Diskussion viele Autoren, die eine be412 Hasen, 88 Cal. L. Rev. 1323, 1350 (2000); Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 127, 130 und 136 f. (2009). Siehe auch Clark 29 Case W. Res. L. Rev. 776, 804 (1979); Manne 64 Col. L. Rev. 1427 (1964). 413 Dazu z. B. Levmore 53 Stan. L. Rev. 111, 123 ff. (2000). 414 Siehe S. 85 ff.
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schränkende Regulierung des Empty Voting fordern,415 darauf, dass die Effizienzgewinne, die aus der Kopplung von Stimmrecht und wirtschaftlicher Beteiligung resultierten, in gleicher Weise wie bei einem direkten Stimmrechtskauf zu Lasten der anderen Aktionäre416 zunichte gemacht würden.417 Aktionäre, die ihre Stimmrechte ohne ein damit verbundenes wirtschaftliches Risiko ausübten, würden versuchen, den Wert des Unternehmens mindernde Entscheidungen herbeizuführen, um von einem Wertverlust zu profitieren (voting arbitrage).418 In die gleiche Richtung geht der Hinweis, dass die Entkopplung zur Heterogenität der Aktionärsinteressen führe und damit eine Voraussetzung für die Rechtfertigung des proportionalen Aktionärsstimmrechts entfalle.419 Daneben wird angeführt, dass bei verbreitetem Empty Voting die Anreize für Aktionäre mit geringer Beteiligung, ihre Stimmrechte auszuüben, über die bereits bestehenden Gründe für ihre rationale Apathie hinaus weiter geschwächt würden mit der Folge, dass das Vertrauen in die corporate democracy schwinden und die Hauptversammlungspräsenzen (weiter) sinken würden.420 Dem teilweise geäußerten Einwand, ein Handel mit entkoppelten Stimmrechten könne im Einzelfall volkswirtschaftlich vorteilhaft sein, wenn und weil er zu Gewinnen führe, die mögliche Nachteile für einzelne Aktionäre aufheben würden, wird insbesondere von Thompson und Edelman entgegengehalten, dass die Funktion des Stimmrechts auf die Irrtumskorrektur und damit auf die Wertsteigerung in der betreffenden Gesellschaft selbst gerichtet sei, nicht auf Transaktionen, die Kaldor-Hicks-effizient seien, aber zu Ver415
Zu den Regulierungsvorschlägen im Einzelnen siehe unten S. 318 ff. Dazu etwa Dombalagian 42 U. C. Davis L. Rev. 1231, 1235 (2009); Katz 28 Cardozo L. Rev. 1483, 1515 (2006) (mit dem Hinweis, risikoentleerte Stimmrechte könnten die Kontrollprämien entwerten, die Inhaber kontrollierender Beteiligungen bei deren Veräußerung erzielen können). 417 Hayden/Bodie 30 Cardozo L. Rev. 445, 476 (2008); Kahan/Rock 96 Geo. L. J. 1227, 1267 (2007–2008); Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 127, 153 (2009); aus der deutschen Literatur siehe insbesondere Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 644 f. 418 Martin/Partnoy 2005 U. Ill. L. Rev. 775, 809 ff. (2005). 419 Cunningham 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 308 f. (2008). 420 So insbesondere Katz 28 Cardozo L. Rev. 1483, 1516 (2006) und Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 32 f. (mit Hinweis auf die Motivation Crowding Theory). – Siehe auch International Corporate Governance Network, Securities Lending Code of Best Practice, 2007, abrufbar unter https://www.icgn.org/files/icgn_main/ pdfs/best_practice/sec_lending/2007_securities_lending_code_of_best_practice.pdf, Ziff. 7: „It is bad practice to borrow shares for the purpose of voting. Lenders and their agents, therefore, should make best endeavours to discourage such practice. Borrowers have every right to sell the shares they have acquired. Equally the subsequent purchaser has every right to exercise the vote. However, the exercise of a vote by a borrower who has, by private contract, only a temporary interest in the shares, can distort the result of general meetings, bring the governance process into disrepute and ultimately undermine confidence in the market.“ 416
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mögenseinbußen der Aktionäre führten.421 Andernfalls gäbe es keinen Grund, das Stimmrecht auf Aktionäre zu beschränken; stattdessen müsste man es auf andere stakeholder ausdehnen. Diese Entscheidung habe das Gesellschaftsrecht aber gerade nicht getroffen. b) Hindernisse für einen funktionierenden Wettbewerb auf einem Markt für Stimmrechte Bereits Easterbrook und Fischel haben sich mit dem denkbaren Gegenargument auseinandergesetzt, dass bei Existenz eines Marktes für entkoppelte Stimmrechte der Wettbewerb zwischen den Stimmrechtskäufern nachteilige Folgen verhindern könnte, indem die Stimmrechtsverkäufer auf diese Weise ausreichend kompensiert würden.422 Sie wiesen auf ein aus ihrer Sicht unvermeidliches Kollektivhandlungsproblem hin: Da der Aktionär einer Publikumspersonengesellschaft mit breit gestreutem Aktionärskreis typischerweise nicht erwarten kann, das Ergebnis einer Abstimmung entscheidend beeinflussen zu können, wird er das für ihn wertlose Stimmrecht für jeden Preis über Null verkaufen.423 Denn auch ein minimaler Kaufpreis bringe ihm im Vergleich zum Nichtverkauf dennoch einen Vorteil; entscheidet er sich gegen einen Verkauf, könne er nicht verhindern, dass sich der Kaufinteressent bei anderen Aktionären mit Stimmrechten eindecke.424 Sollte der Wettbewerb zwischen mehreren Käufern tatsächlich zu einem so hohen Marktpreis der Stimmrechte führen, dass die verkaufenden Aktionäre voll kompensiert werden, ist aber kein Vorteil mehr zu erkennen gegenüber einem Kauf von Stimmrechten, die mit der wirtschaftlichen Beteiligung gekoppelt sind.425 Ein vergleichbares Problem stellt sich auf einem unregulierten Markt für Unternehmensübernahmen, das dort jedoch zumindest dadurch abgemildert wird, dass es einen Marktpreis für die Aktien als Anhaltspunkt gibt, während entkoppelte Stimmrechte gerade nicht an einem organisierten Markt gehandelt werden.426 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass – 421
Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 127, 155 (2009). Zu diesem Gegenargument siehe vor allem Levmore 53 Stan. L. Rev. 111, 135 ff. (2000). 423 Easterbrook/Fischel 26 J. L. & Econ. 395, 410 f. (1983); siehe auch Cole 76 Wash. L. Rev. 793, 837 f. (2001); Dombalagian 42 U. C. Davis L. Rev. 1231, 1300 (2009); Grossman/ Hart 20 J. Fin. Econ. 175, 177 (1988); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 179 f. 424 Zu diesem Gefangenendilemma Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 8. 425 Easterbrook/Fischel 26 J. L. & Econ. 395, 410 f. (1983); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 180; Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 8. 426 So Cunningham 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 306 f. (2008). – Zu Vorschlägen de lege ferenda, einen solchen Markt für isolierte Stimmrechte einzuführen, siehe unten S. 87 f. 422
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anders als bei Übernahmeangeboten, die einen großen finanziellen Aufwand erfordern, der zumindest dem Marktpreis der Aktien entspricht – bei einem Erwerb entkoppelter Stimmrechte, deren Wert gegen Null geht, bereits geringe private benefits of control ausreichen, um den Kontrollerwerb lohnend zu machen, was die Gefahr einer Ausplünderung der Gesellschaft (looting) erhöht.427 Umgekehrt werden Investoren, die das Unternehmen auf Grundlage der security benefits bewerten, die also von der Kontrollerlangung profitieren möchten, indem sie den Unternehmenswert steigern, den Erwerb von Aktien gegenüber dem Erwerb von entkoppelten Stimmrechten bevorzugen.428 Aus ähnlichen Gründen ist auch der Hinweis auf die unterschiedliche Bewertung von Stamm- und Vorzugsaktien429 nicht weiterführend. Denn beide Aktiengattungen werden an organisierten Märkten gehandelt. Zudem ist die unterschiedliche Stimmrechtsausstattung transparent, was auf die Verschaffung von risikoentleerten Stimmrechten gerade nicht zutrifft. Empirisch bestätigt wurden die Annahmen von Easterbrook und Fischel durch eine im Jahr 2007 von Christoffersen, Geczy, Musto und Reed veröffentlichte Studie.430 In dieser untersuchten sie für die USA (im Zeitraum von November 1998 bis Dezember 1999) und das Vereinigte Königreich (im Zeitraum von September 2003 bis Dezember 2005) Daten über Aktiendarlehen, die in zeitlicher Nähe zum record date der jeweiligen Aktiengesellschaft abgeschlossen wurden (record date equity loans).431 Zu ihren wesentlichen Ergebnissen gehört, dass die Darlehensvolumina an record dates wesentlich höher waren als davor und danach, woraus die Autoren folgern, dass Aktiendarlehen tatsächlich zum risikoentleerten Kauf des Stimmrechts genutzt werden.432 Zudem unterschieden sich die Zinsen für Darlehen am record date nicht von den Zinsen, die Darlehensnehmer vor oder nach diesem Datum zahlen mussten, was den Schluss zulässt, dass die Möglichkeit der Stimmabgabe offenbar keinen Marktwert hatte.433 c) Gefahr der adversen Selektion Wie bereits erwähnt, können disproportional verteilte Stimmrechte auch in anderen Konstellationen gegeben sein, namentlich in Gesellschaften mit einer die Kontrolle ausübenden Minderheit, wenn z. B. zwei Aktiengattungen
427 Dazu insbesondere Cole 76 Wash. L. Rev. 793, 839 ff. (2001) und Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 852 f. (2006). 428 Cole 76 Wash. L. Rev. 793, 839 (2001). 429 So etwa Lattemann/Klemens/Durica, in: Oberweis u. a. (Hrsg.), eOrganisation: Service-, Prozess-, Market-Engineering, 8. Internationale Tagung Wirtschaftsinformatik, 2007, S. 669, 671 f. m. w. N. 430 Christoffersen/Geczy/Musto/Reed 62 J. Fin. 2897 (2007). 431 Christoffersen/Geczy/Musto/Reed 62 J. Fin. 2897, 2898 (2007). 432 Christoffersen/Geczy/Musto/Reed 62 J. Fin. 2897, 2909 f. (2007). 433 Christoffersen/Geczy/Musto/Reed 62 J. Fin. 2897, 2912 ff. (2007).
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mit unterschiedlich ausgestalteten Stimmrechten existieren.434 Solche Gestaltungen zeichnen sich jedoch, da sie eines Hauptversammlungsbeschlusses bedürfen, dadurch aus, dass die Disproportionalität des Stimmrechts für die jeweilige Aktiengattung zwingend vorgegeben und transparent ist, so dass etwa Aktien, die kein oder nur ein geringer gewichtetes Stimmrecht aufweisen, gegebenenfalls mit einem Abschlag gehandelt werden.435 Im Unterschied dazu vollzieht sich die Entkopplung des Stimmrechts mit den hier beschriebenen Techniken im Verborgenen. Selbst wenn insoweit Transparenz herrschen würde,436 wäre die Entscheidung über die Entkopplung dem einzelnen Aktionär vorbehalten und jederzeit wieder abänderbar, so dass sich auch aus diesem Grund, anders als bei fest eingeteilten Aktiengattungen, kein Marktpreis bilden könnte. Bei einer weiten Verbreitung von Empty Voting wäre deshalb zu befürchten, dass Investoren einen Preisabschlag für die Aktien aller Emittenten vornehmen, weil eine Unterscheidung danach, ob ein solcher Abschlag gerechtfertigt ist, nicht vorgenommen werden kann.437 Diese adverse Selektion würde für die betroffenen Emittenten zu einer volkswirtschaftlich nicht wünschenswerten Erhöhung der Kapitalkosten führen.438
2. Mögliche Effizienzvorteile eines Handels mit entkoppelten Stimmrechten Auf die möglichen Vorteile des Empty Voting wird teilweise eher in allgemein gehaltener Form hingewiesen.439 So hat insbesondere Dombalagian die Schaffung eines institutionalisierten Darlehensmarktes für Stimmrechte vorgeschlagen, der Aktionären offenstehen solle, die eine langfristige Wertsteigerung des Unternehmens verfolgen.440 Die möglichen Vorteile bestünden, was allerdings nicht im Detail ausgeführt wird, in der Reduzierung von Kollektivhandlungsproblemen und einer Verbesserung der Effizienz des Marktes 434
Siehe oben S. 78 f. Cunningham 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 308 (2008); Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 858 f. (2006). 436 Zu entsprechenden rechtspolitischen Vorschlägen siehe S. 317 ff. 437 Cunningham 64 N. Y. U. Ann. Surv. Am. L. 293, 308 (2008); Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 858 f. (2006). 438 Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 858 f. (2006). 439 So sprechen z. B. Theusinger/Möritz NZG 2010, 607, 609 von einer möglichen Minderung des Prinzipal-Agenten-Konflikts durch Empty Voting. Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 52 f. und 55 weist auf die Möglichkeit hin, das Problem der rationalen Apathie der Kleinaktionäre zu mildern. – Allgemein auf die Effizienzgewinne privater Austauschgeschäfte stellen ab Kobayashi/Ribstein 40 U. C. Davis L. Rev. 21, 38 f. (2006); Manne 64 Col. L. Rev. 1427, 1428 (1964). 440 Dombalagian 42 U. C. Davis L. Rev. 1231 (2009); siehe auch Lattemann/Klemens/ Durica, in: Oberweis u. a. (Hrsg.), eOrganisation: Service-, Prozess-, Market-Engineering, 8. Internationale Tagung Wirtschaftsinformatik, 2007, S. 669, 681 f. 435
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für Unternehmenskontrolle.441 Eine (in der Realität aber wohl kaum gegebene) Voraussetzung dafür sei allerdings, dass ein wesentlicher Anteil der institutionellen Aktionäre eine langfristige Gewinnmaximierung anstrebe und auch bereit sei, die Kosten, die bei einem „Kauf“ der Stimmrechte entstehen, zu übernehmen.442 Auch Hu und Black vertreten die Ansicht, dass Empty Voting Effizienzvorteile bieten könne, ohne diese jedoch im Einzelnen zu belegen. So könne der Erwerb risikoentleerter Stimmrechte dazu beitragen, free-rider-Probleme zu reduzieren, welche die Kontrolle des Managements durch die Aktionäre beeinträchtigten.443 Damit ist der Umstand angesprochen, dass sich in Gesellschaften mit breit gestreutem Anteilsbesitz Aktionäre mit geringer Beteiligung nicht an der (mit Kosten verbundenen) Kontrolle des Managements beteiligen, während sie von einer durch die Kontrolle bewirkten Wertsteigerung des Unternehmens profitieren.444 a) Insider Decoupling: Ausgleich unterschiedlicher Risikopräferenzen von Insidern und diversifizierten Aktionären Die möglichen Vorteile sollen nach Hu und Black auch das so genannte insider decoupling betreffen. Darunter verstehen die Autoren die Entkopplung von Stimmrechten durch Insider, also vor allem Mitglieder der Leitungsorgane, die selbst Aktien halten, und durch kontrollierende Aktionäre.445 Ein Beweggrund dafür könne darin bestehen, dass das Vermögen dieser Insider nicht ausreichend diversifiziert sei, ein Verkauf von Aktien aber nicht in Frage komme, weil er – bei Mitgliedern der Leitungsorgane – unter Umständen zu einer negativen Außenwirkung oder – bei kontrollierenden Aktionären – zu einem Verlust der Kontrolle führen könne. Eine Entkopplung der Stimmrechte durch den Aufbau einer derivativen Position habe im Hinblick auf das wirtschaftliche Risiko die gleiche Wirkung wie ein Verkauf von Aktien. Als Folge davon seien die Insider gegenüber unternehmensspezifischen Risiken weniger risikoavers und würden eher Projekte umsetzen, die zwar risikobe441 Dombalagian 42 U. C. Davis L. Rev. 1231, 1259 (2009); ähnlich argumentiert auch Hasen, 88 Cal. L. Rev. 1323, 1351 ff. (2000). 442 Dombalagian 42 U. C. Davis L. Rev. 1231, 1273 und 1311 (2009). – Wenig überzeugen kann insoweit die Annahme, eine Bestellung von Sicherheiten auf dem hypothetischen Darlehensmarkt für Stimmrechte wäre nicht erforderlich, da eine Darlehensaufnahme zum Zweck der Stimmrechtsausübung weniger risikoreich sei als für andere Zwecke, was (wegen der entsprechend geringeren Kosten) einen Anreiz dafür erzeugen würde, diesen Markt (statt den herkömmlichen Darlehensmarkt) zu nutzen, Dombalagian 42 U. C. Davis L. Rev. 1231, 1304 (2009). Da ein Darlehensgeber in jedem Fall seine Aktien an den Darlehensnehmer überträgt und damit ein Bedürfnis hat, sich abzusichern, ist nicht ersichtlich, weshalb auf die Bestellung von Sicherheiten verzichtet werden sollte. 443 Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 852 (2006). 444 Dazu etwa Cole 76 Wash. L. Rev. 793, 806 f. (2001); Shleifer/Vishny 94 J. Pol. Econ. 461 (1986). 445 Dazu und zum Folgenden Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 831 f. und 852 (2006).
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haftet seien, aber einen positiven Kapitalwert aufweisen würden.446 Die Risikoentleerung von Stimmrechten kann danach also einen Ausgleich der unterschiedlichen Risikobereitschaft von Insidern und diversifizierten Aktionären herbeiführen. Als Kehrseite dieser positiven Wirkung ist aber, was Hu und Black zugestehen, die Gefahr zu nennen, dass Insider mit identischen Entkopplungstechniken ihren Stimmrechtseinfluss ohne entsprechendes wirtschaftliches Risiko erhöhen und damit den Markt für Unternehmenskontrolle aushebeln können.447 b) Effizienzsteigernde Wirkung des Stimmenhandels in Übernahmesituationen Der Handel mit (entkoppelten) Stimmrechten wurde vor allem im Übernahmekontext auf eine mögliche effizienzsteigernde Wirkung untersucht. In dem von Neeman und Orosel beschriebenen Modell konkurrieren Manager mit unterschiedlichen Fähigkeiten und unterschiedlich ausgeprägtem Verhalten (well behaved oder opportunistic) um die Leitung einer Gesellschaft.448 Amtsinhaber und Herausforderer können den Abstimmenden (den Aktionären) gegenüber Gebote für den Kauf ihrer Stimmen abgeben. In diesem Modell ergeben sich Effizienzvorteile gegenüber einem alternativen Szenario, in dem ein Stimmenkauf nicht möglich ist. In dem Modell von Blair, Golbe und Gerard wird durch die Zulassung des Stimmenkaufs die Effizienz dann verbessert, wenn realisierte Veräußerungsgewinne besteuert werden.449 Die Aussagekraft dieser Studien für die hier diskutierten Fälle des Empty Voting ist jedoch zurecht angezweifelt worden. Denn die verwendeten Modelle sind sehr stark von der Wirklichkeit abstrahiert und gehen insbesondere davon aus, dass ein Kauf von Stimmen nur während eines bestimmten Zeitraums möglich ist und dass insoweit Transparenz herrscht.450 Mit ähnlichen Einschränkungen ist auch die von Kalay und Pant veröffentlichte Studie zu bewerten.451 Diese modelliert ein Übernahmeszenario, wobei die Aktionäre des betroffenen Unternehmens die Möglichkeit haben, an derivativen Märkten zu handeln und auf diese Weise Stimmrechte und wirtschaftliches Interesse zu entkoppeln, d. h. eine disproportionale Stimmrechtsverteilung herbeizuführen. Wie in den Arbeiten von Grossman und 446
Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 852 (2006). Siehe Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 832 (2006): „In short, the impact of insider decoupling is mixed. On the one hand, insider hedging may mitigate the risk-taking conflict between managers and diversified shareholders. But the same technology could allow insiders to boost their voting control at little economic risk, thus weakening the market for corporate control as a disciplining mechanism.“ 448 Neeman/Orosel 26 Int’l Rev. of L. and Econ. 536 (2006). 449 Blair/Golbe/Gerard, 97 J. Pol. Econ. 420 (1989). 450 So zurecht Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 853 f. (2006). 451 Kalay/Pant, Time varying voting rights and the private benefits of control, 1. November 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract_id=1556688. 447
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Hart sowie Harris und Raviv452 wird zwischen private benefits und security benefits (verstanden als Gegenwartswert der cash flows, die den Aktionären zugute kommen) differenziert. Zwei um die Kontrolle des Unternehmens konkurrierende Managementteams zeichnen sich durch unterschiedliche Fähigkeiten aus, die gleichbedeutend sind mit private benefits und security benefits unterschiedlicher Höhe. Je nachdem, wie die Kontrollvorteile des obsiegenden Managementteams zwischen diesen beiden Kategorien verteilt sind, bietet eine von dem Proportionalitätsprinzip in die eine oder andere Richtung abweichende Stimmenverteilung (gleichbedeutend mit einer neben den gehaltenen Aktien bestehenden Long- oder Short-Position) Effizienzvorteile.453 Auch dieses Modell ist stark abstrahiert, insbesondere ist ein Handel nur während bestimmter Zeiträume möglich; zudem sind die Eigenschaften der beiden Managementteams den Aktionären bekannt.454 Kalay und Pant halten ausdrücklich fest, dass in den (realitätsnäheren) Situationen, in denen insoweit keine Transparenz herrscht, Abweichungen vom Proportionalitätsprinzip nicht optimal sind.455 c) Stimmenkauf durch besser informierte Aktionäre bei asymmetrischen Informationen Ein weiterer Ansatz, positive Wirkungen von Empty Voting aufzuzeigen, geht davon aus, der Handel mit Stimmrechten könne Ineffizienzen beseitigen, die dadurch entstehen, dass Stimmrechte und die Informationen, die zu ihrer Ausübung benötigt werden, unterschiedlich verteilt sind. Bei dieser Sichtweise entstehen Effizienzgewinne also dadurch, dass bei Informationsasymmetrien die besser informierten Aktionäre disproportional großen Einfluss ausüben können, wovon auch die ihr Stimmrecht übertragenden, schlechter informierten Aktionäre profitieren.456 Um dies zu belegen, haben Christoffersen, Geczy, Musto und Reed ihre bereits angesprochene empirische Studie aufgrund von Daten über Aktiendarlehen in den USA und im Vereinigten Königreich durchgeführt, die in zeitlicher Nähe zum record date der jeweiligen Aktiengesellschaft abgeschlossen wurden.457 452
Dazu oben S. 76 ff. Außerhalb von Übernahmesituationen soll allerdings das one-share-one-vote-Prinzip optimal sein, Kalay/Pant, Time varying voting rights and the private benefits of control, 1. November 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract_id=1556688, S. 5 f. 454 Siehe dazu im Einzelnen Kalay/Pant, Time varying voting rights and the private benefits of control, 1. November 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract_id=1556688, S. 11 ff. 455 Kalay/Pant, Time varying voting rights and the private benefits of control, 1. November 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract_id=1556688, S. 5, 7, 51 f. 456 So auch Kobayashi/Ribstein 40 U. C. Davis L. Rev. 21, 44 (2006); Manne 64 Col. L. Rev. 1427, 1444 (1964); Schouten 2010 Colum. Bus. L. Rev. 763, 820 ff. (2010); kritisch Cohen 45 Harv. J. on Legis. 237, 240 f. (2008). 457 Christoffersen/Geczy/Musto/Reed 62 J. Fin. 2897, 2898 (2007). 453
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Ihre Hypothese, dass asymmetrisch verteilte Informationen zum Stimmenhandel führen, versuchen sie unter Auswertung des Datenmaterials anhand zweier weiterführender Erwägungen zu belegen. Das Volumen des Stimmenhandels solle zum einen mit der asymmetrischen Verteilung von Information und zum anderen mit der Wichtigkeit des konkreten Abstimmungsgegenstandes zunehmen.458 Letzteres folge daraus, dass der aus dem Weiterleiten der Stimmrechte an besser informierte Aktionäre zu ziehende Vorteil mit der Bedeutung des Abstimmungsgegenstandes zunähme; seien Informationen symmetrisch verteilt und differierten nur die Präferenzen der Aktionäre, solle das Volumen dagegen mit zunehmender Wichtigkeit des Abstimmungsgegenstandes abnehmen. Um die Verteilung von Informationen unter den Aktionären zumindest näherungsweise ermitteln zu können, stellen Christoffersen, Geczy, Musto und Reed auf die Geld-Brief-Spanne (spread) der Aktien des Unternehmens ab; die untersuchten Daten zeigen, dass der Stimmenhandel mit dem spread zunimmt.459 Als Messgröße für die Wichtigkeit des konkreten Abstimmungsgegenstandes ziehen sie verschiedene Faktoren wie etwa eine schlechte Kursentwicklung heran und gelangen zu dem Ergebnis, dass auch insoweit eine Korrelation mit dem Ausmaß des Stimmenhandels besteht.460 Brav und Mathews haben sich mit dem soeben geschilderten Ansatz, nach dem Stimmenhandel die Informationseffizienz verbessern kann, im Rahmen einer Modellstudie befasst.461 In dieser werden mögliche Effizienzgewinne, die dadurch entstehen, dass ein Stimmenkäufer besser informiert ist und durch sein Abstimmungsverhalten den Unternehmenswert steigert, der Gefahr gegenübergestellt, dass risikoentleerte Stimmrechte ausgenutzt werden, um den Unternehmenswert manipulativ zu verringern und davon über Short-Positionen zu profitieren. In dem Modell liegt den Aktionären einer Gesellschaft mit breit gestreutem Anteilsbesitz ein Vorschlag des Managements zur Entscheidung vor.462 Die Folgen einer Umsetzung des Vorschlags für den Unternehmenswert sind zunächst nicht bekannt. Ein einzelner Investor kann in diesem Stadium auf einem transparenten Markt Aktien handeln und zusätzlich entkoppelte Stimmrechte erwerben, wobei Kosten entstehen, die mit der Anzahl der erworbenen Stimmrechte zunehmen (konvexer Kostenverlauf). In einem zweiten Stadium zwischen dem record date und der Abstimmung erfährt der Investor, welche Auswirkungen die Umsetzung des zur Abstimmung stehenden Vorschlags auf den Wert des Unternehmens 458
Christoffersen/Geczy/Musto/Reed 62 J. Fin. 2897, 2899 (2007). Christoffersen/Geczy/Musto/Reed 62 J. Fin. 2897, 2899 und 2915 ff. (2007). 460 Christoffersen/Geczy/Musto/Reed 62 J. Fin. 2897, 2899 und 2918 ff. (2007). 461 Brav/Mathews, Empty Voting and the Efficiency of Corporate Governance, 3. Februar 2010, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1108632. 462 Zur Beschreibung des Modells siehe Brav/Mathews, Empty Voting and the Efficiency of Corporate Governance, 3. Februar 2010, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1108632, S. 3 f. 459
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hätte, und kann sein wirtschaftliches Risiko aus dem Halten der Aktien weiter anpassen. Als Ergebnis halten Brav und Mathews fest, dass sich trotz des Manipulationsrisikos Effizienzvorteile dann ergeben, wenn entweder Empty Voting mit hohen Kosten verbunden ist oder die anderen Aktionäre schlecht informiert sind. Dies verkehrt sich in das Gegenteil, wenn Empty Voting zu geringen Kosten möglich ist und die anderen Aktionäre gut informiert sind. Jedoch ist die Aussagekraft auch dieser Studie durch die genannten Modellannahmen sehr beschränkt, etwa dadurch, dass der Handel mit Aktien und entkoppelten Stimmrechten nur innerhalb eines beschränkten Zeitraums möglich ist. Zudem beruht ein in dem Modell möglicher positiver Effekt allein darauf, dass der handelnde Investor über wertrelevante Informationen verfügt. Ist diese Voraussetzung in der Realität nicht gegeben, treten die beschriebenen Effizienzvorteile nicht ein; eine Ausnutzung der risikoentleerten Stimmrechte zum Zweck der Verringerung des Unternehmenswertes ist aber auch in diesem Szenario möglich.463
D. Folgerungen für die Regulierung von Aktiendarlehen I. Bewertung von Leerverkäufen Der Abschluss von Wertpapierdarlehen kann wegen ihrer Finanzierungsfunktion potentiell eine Steigerung der Liquidität der Kassamärkte bewirken. Dies trifft jedoch nur zu, wenn Wertpapierdarlehen tatsächlich zur Finanzierung von Leerverkäufen und nicht für andere Zwecke eingesetzt werden. Neben der Steigerung der Liquidität auf den Kassamärkten haben Leerverkäufe auch einen positiven Einfluss auf die Liquidität von Terminmärkten. Zudem können Leerverkäufe die Markteffizienz verbessern, indem sie den anderen Marktteilnehmern eine pessimistische Erwartung hinsichtlich der weiteren Kursentwicklung kommunizieren und so Überbewertungen von Wertpapieren verhindern oder begrenzen können. Diese Annahme beruht nicht nur auf Modellrechnungen, sondern wurde in einer Vielzahl von empirischen Studien zum Einfluss von Leerverkaufsverboten und -beschränkungen bestätigt. Neben diesen möglichen positiven Effekten wird auch auf die Gefahren von Leerverkäufen hingewiesen. Ein Aspekt ist dabei die Befürchtung, Leer463 Brav/Mathews, Empty Voting and the Efficiency of Corporate Governance, 3. Februar 2010, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1108632, S. 6: „The positive efficiency effect we document for these cases is driven by the fact that the strategic trader has unique value-relevant information that other shareholders do not have. If the strategic trader brought no new information to the model, there would be no possibility of an efficiency improvement, but manipulation could still be possible. As such, our model provides a framework for determining whether and how an informed trader’s unique information is ultimately reflected in the final voting outcome and thus firm value.“ In diese Richtung auch Seibt ZGR 2010, 795, 819.
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verkäufe könnten zu einem overshooting, also zu einem zu starken Kursverfall und zu einer von den fundamentalen Daten nicht gedeckten Unterbewertung führen. Umgekehrt können jedoch auch Marktteilnehmer, die steigende Kurse erwarten und davon durch den Kauf der entsprechenden Wertpapiere profitieren wollen, eine Überbewertung herbeiführen. Im Zusammenhang damit wird als Argument gegen eine weitergehende Regulierung von Leerverkäufen darauf hingewiesen, dass Leerverkäufer bereits faktischen oder wirtschaftlichen Beschränkungen unterliegen, die für Marktteilnehmer, die eine Long-Position aufbauen wollen, nicht oder nicht in gleicher Weise bestehen.464 Dazu gehört neben höheren Transaktionskosten, dass Leerverkäufer das Risiko unbegrenzter Verluste eingehen und sich die theoretischen Gewinnmöglichkeiten auf den Verkaufspreis beschränken. Es ist insoweit zwar fraglich, ob ein Leerverkauf mit dem Kauf des entsprechenden Wertpapiers verglichen, oder ob nicht der mit einem Gelddarlehen finanzierte Kauf zum Vergleich herangezogen werden sollte. Unabhängig davon ist jedoch festzuhalten, dass jedenfalls die Gefahr eines zu starken Kursverfalls für sich genommen kein überzeugendes Argument für spezifisch auf Leerverkäufe zugeschnittene Regulierungsmaßnahmen ist. Erst recht muss dies für das Wertpapierdarlehen selbst als reines Finanzierungsgeschäft gelten. Die weiteren Bedenken beziehen sich auf die mögliche Nichterfüllung des Lieferanspruchs des Vertragspartners des Leerverkäufers und die Gefahr der Marktmanipulation. In beiden Fällen stehen freilich ungedeckte Leerverkäufe in der Kritik.465 Die angesprochenen Gefahren geben also gerade keine Veranlassung, Aktiendarlehen in bestimmter Weise zu beschränken. Vielmehr ist es umgekehrt so, dass ein funktionierender Darlehensmarkt zwingend erforderlich ist, damit Leerverkäufe finanziert werden können.466 Damit ist festzuhalten, dass sich aus den möglichen negativen Auswirkungen von Leerverkäufen weder Argumente für die Behandlung von Aktiendarlehen de lege lata, noch für einen bestimmten Regulierungsansatz de lege ferenda ableiten lassen. Rechtspolitisch wäre vielmehr bei der Regulierung von Leerverkäufen selbst anzusetzen. Im Rahmen dieser Arbeit soll jedoch nur darauf eingegangen werden, ob und inwieweit die bislang für Leerver-
464 Dazu z. B. Crisp 8 J. Bus. & Sec. L. 135, 154 ff. (2007–2008); Powers/Schizer/Shubik 57 Tax L. Rev. 233, 241 (2003–2004). 465 Nach der Studie von Herinckx/Szafarz, Which Short-Selling Regulation is the Least Damaging to Market Efficiency? Evidence from Europe, abrufbar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2011435, S. 37, sind Verbote ungedeckter Leerverkäufe die einzige Art der Regulierung, die die Handelsvolumina nicht verringert und damit die Markteffizienz am wenigsten beeinträchtigt. 466 Branson 5 Va. L. & Bus. Rev. 1, 6 und 21 f. (2010) weist darauf hin, dass der regulatorische Druck auf ungedeckte Leerverkäufe zu einer stärkeren Inanspruchnahme von Wertpapierdarlehenssystemen führt.
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käufe geltenden (aufsichtsrechtlichen) Regeln Auswirkungen auf den Abschluss und die Wirksamkeit von Aktiendarlehen selbst haben.467
II. Bewertung des Empty Voting Soweit es um die Bewertung des Empty Voting aus ökonomischer Sicht geht, ist zunächst von dem klassischen, vor allem Easterbrook und Fischel zuzuschreibenden Begründungsansatz für das one-share-one-vote-Prinzip auszugehen: Aktionäre als alleinige Inhaber des Residualanspruch tragen als einzige der Stakeholders alle Chancen und Risiken und haben damit die richtigen Anreize für die Entscheidungsfindung. Dagegen würde eine disproportionale Verteilung des Stimmrechts in gleicher Weise falsche Anreize setzen wie jede Trennung von Stimmrecht und wirtschaftlicher Beteiligung. Aus der Diskussion um die Rechtfertigung des proportionalen Aktionärsstimmrechts ergeben sich für den Fortgang der Untersuchung und die juristische Bewertung des Empty Voting folgende Leitlinien: An erster Stelle ist aufschlussreich, dass die durch eine Entkopplung von Stimmrecht und wirtschaftlichem Risiko verursachte Heterogenität der Aktionärsinteressen kein Einzelfall und auch keine neue Erscheinung ist.468 Die oben exemplarisch aufgeführten Fallgruppen machen deutlich, dass die Interessen der Aktionäre einer Gesellschaft auch lange vor dem Eintreten der derivatives revolution faktisch durchaus in unterschiedliche, nicht zwangsläufig auf den gemeinsamen Nenner der Maximierung des Eigenkapitalwertes zu bringende Richtungen gehen konnten. Die vor allem in der US-amerikanischen Literatur teilweise wie Argumente gegen den klassischen Begründungsansatz formulierten Hinweise auf die Möglichkeiten des Empty Voting sind deshalb richtigerweise als bloße Zustandsbeschreibungen zu verstehen. Aus der Tatsache, dass ein Inhaber risikoentleerter Stimmrechte andere Ziele verfolgt als die Mehrung des shareholder value, folgt nicht, dass die beschriebene Anreizwirkung das Aktionärsstimmrecht in ökonomischer Hinsicht nicht mehr begründen kann. Aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive wird vielmehr zu fragen sein, wie andere Fälle von heterogenen Interessen behandelt werden, um daraus gegebenenfalls Rückschlüsse auf die sachgerechte Behandlung des Empty Voting zu ziehen.469 An zweiter Stelle ist zu beachten, dass die vor allem von Stout vorgebrachten Einwände gegen den klassischen Begründungsansatz,470 der auf die 467
Siehe dazu S. 225 ff. Kahan/Rock 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1076 (2007), bezeichnen Empty Voting als „an example of an old problem – conflicts of interests created by exploiting the separation of legal and beneficial ownership – aggravated by modern financial innovation“. 469 Dazu unten S. 272 ff. 470 Siehe insbesondere Stout 75 S. Cal. L. Rev. 1189, 1193 ff. (2002); Stout 93 Va. L. Rev. 789, 804 f. (2007). 468
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Restbetragsbeteiligung der Aktionäre abstellt, vor dem Hintergrund der Diskussion um das Konzept der shareholder primacy zu sehen sind. Mit diesem Schlagwort werden üblicherweise zwei Fragenkreise angesprochen.471 Zum einen geht es um die Zielvorgaben für die Leitung der Gesellschaft. Nach dem Konzept der shareholder primacy sind die Aktionärsinteressen im Sinne einer Maximierung des shareholder value, also des Werts des Eigenkapitals, vorrangig zu berücksichtigen.472 Die Gegenpositionen dazu stellen auf den stakeholder value ab und vertreten damit einen interessenpluralistischen Ansatz.473 Zum anderen kreist die Diskussion – stark rechtspolitisch ausgerichtet – vor allem in den Vereinigten Staaten um die Frage der konkreten Machtverteilung zwischen Aktionären und Leitungsorgan. Hier steht das Konzept der director primacy, dessen Anhänger, wie insbesondere auch Stout, die Vorteile der board control betonen,474 dem der shareholder primacy gegenüber, deren Vertreter für eine Stärkung der Aktionärsrechte plädieren.475 Trotz dieser divergierenden Ansichten erkennen aber auch die Vertreter des Konzepts der director primacy an, dass (allein) den Aktionären die Aufgabe zukommt, das Management zu überwachen, wie eingeschränkt diese Überwachungsfunktion aus ihrer Sicht auch sein mag.476 Ist damit also grundsätzlich anerkannt, dass den Aktionären in bestimmten Fällen die Entscheidungsbefugnis zukommt und besteht Streit darüber, welche Fälle dies sein sollen, sind die hier aufgeführten Einwände für die ökonomische Begründung des Stimmrechts als solche allenfalls von be471 Bainbridge 97 Nw. U. L. Rev. 547, 547 ff. (2003) spricht von zwei Achsen, in die sich die theories of the firm einteilen lassen. 472 Zu diesem Verständnis von shareholder primacy siehe etwa – mit unterschiedlicher Ausrichtung – Fisch 31 J. Corp. L. 637 (2006) („The shareholder primacy norm defines the objective of the corporation as maximization of shareholder wealth.“); Hansmann/Kraakman 89 Geo. L. J. 439, 440 f. (2001) („standard shareholder-oriented model“); Lee 31 Del. J. Corp. L. 533, 535 (2006) („the view that managers’ fiduciary duties require them to maximize the shareholders’ wealth and preclude them from giving independent consideration to the interests of other constituencies.“); Stout 75 S. Cal. L. Rev. 1189, 1189 ff. (2002). 473 Zur deutschen Diskussion siehe nur Spindler/Stilz/Fleischer, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 22 ff. und Rn. 29 ff. m. w. N. 474 Aber nicht zwingend die Maximierung des shareholder value als Zielvorgabe ablehnen, deutlich Bainbridge 97 Nw. U. L. Rev. 547, 574 (2003). 475 Für eine Stärkung von Aktionärsrechten ist in den letzten Jahren insbesondere Bebchuk eingetreten, dazu etwa Bebchuk 118 Harv. L. Rev. 833 (2005); Bebchuk 93 Va. L. Rev. 675 (2007), siehe daneben aus der jüngeren Literatur z. B. Sprague/Lyttle 16 Stan. J. L. Bus. & Fin. 1 (2010); Velasco 2010 U. Ill. L. Rev. 897 (2010). Für das Konzept der director primacy argumentieren unter anderem Anabtawi 53 UCLA L. Rev. 561 (2006); Bainbridge 97 Nw. U. L. Rev. 547 (2003); Bainbridge 119 Harv. L. Rev. 1735 (2006); Blair/Stout 79 Wash. U. L. Q. 403 (2001); Stout 93 Va. L. Rev. 789, 792 ff. (2007). – Zur historischen Entwicklung Bruno ECFR 2012, 421, 421 ff. 476 So insbesondere Bainbridge 119 Harv. L. Rev. 1735, 1750 (2006): „Accordingly, shareholder voting is properly understood not as a primary component of the corporate decisionmaking structure, but rather as an accountability device of last resort, to be used sparingly, at most.“
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schränkter Bedeutung. Zudem nimmt Stout im Ergebnis eine Umdefinition des Begriffs der Restbetragsbeteiligung vor, die mit dem Abstellen auch auf die bloß faktische Abhängigkeit vom Wohlergehen der Gesellschaft letztlich alle Anspruchsberechtigten erfasst.477 Damit wird die Sonderstellung der Aktionäre mit ihrem Anspruch auf den Restbetrag im eigentlichen Sinne nicht ausreichend berücksichtigt, der sich im Übrigen nicht nur in der Insolvenz auswirkt. Denn selbst wenn Gewinne thesauriert werden und es nicht zur Ausschüttung einer Dividende kommt, wird sich dies – effiziente Kapitalmärkte vorausgesetzt – dennoch über einen entsprechend steigenden Aktienkurs im Vermögen der Aktionäre niederschlagen.478 Jedenfalls aber dürfte Einigkeit darüber bestehen, dass in den Fällen, in denen Aktionären ein Entscheidungsrecht zukommt, ihr Stimmrecht durch die oben beschriebene Anreizfunktion gerechtfertigt ist. Dies gilt gerade dann, wenn man den klassischen, auf Easterbrook und Fischel zurückgehenden Begründungsansatz um den von Thompson und Edelman in die Diskussion eingeführten Gedanken erweitert und nicht (nur) auf die Restbetragsbeteiligung der Aktionäre abstellt, sondern berücksichtigt, dass diese Gruppe den größten Anreiz hat, den Aktienkurs als Signal für die Qualität der Unternehmensführung zu überwachen.479 So gesteht auch Stout zu, dass sich – selbst wenn die Restbetragsbeteiligung aus ihrer Sicht nur am „Lebensende“ der Gesellschaft relevant wird – eine Steigerung des Unternehmenswertes im Regelfall auf den Aktienkurs auswirken wird, und dass der Aktienkurs ein geeignetes Signal für die Kontrolle des Leitungsorgans ist.480 Auf dieser Grundlage ist der Schluss naheliegend, dass die Ausübung von risikoentleerten Stimmrechten aus ökonomischer Sicht nicht nur deshalb problematisch ist, weil die Entkopplung die Heterogenität der Aktionärsinteressen herbeiführt oder jedenfalls verstärkt und damit eine Voraussetzung für die Rechtfertigung des Aktionärsstimmrechts entfällt. Darüber hinaus kann Empty Voting die aus der Kopplung von Stimmrecht und wirtschaftlicher Beteiligung folgenden Effizienzvorteile schmälern. Dass der Handel mit entkoppelten Stimmrechten anderweitig zu Effizienzgewinnen führt, welche die beschriebenen Nachteile möglicherweise ausgleichen, wird zwar teilweise behauptet. Dies lässt sich aber zumeist nur unter (zu) engen Modellannahmen belegen. Zudem gilt auch dort, wo Effizienzgewinne plausibel erscheinen (nämlich bei Insider Decoupling und Stimmenkauf durch besser informierte Aktionäre), dass stets ein Missbrauchsrisiko verbleibt, das zuverlässige Aussagen über die tatsächlich entstehenden Vorteile wesentlich erschwert. So weisen auch Hu und Black, die positive Wirkungen von Empty Voting für 477 478 479 480
So Velasco 2010 U. Ill. L. Rev. 897, 912 f. (2010). Zutreffend Velasco 2010 U. Ill. L. Rev. 897, 913 f. (2010). Siehe dazu auch Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 72. Stout 75 S. Cal. L. Rev. 1189, 1194 und 1200 (2002).
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möglich halten, darauf hin, dass es aus regulatorischer Sicht problematisch sei, „good vote buying“ von „bad vote buying“ zu trennen.481 Nicht überzeugend ist schließlich der Hinweis auf die rechtsökonomische Bewertung des Proportionalitätsprinzips. Die schon erwähnten empirischen Untersuchungen dazu kommen nicht zu dem Ergebnis, dass eine Abweichung von dem one-share-one-vote-Prinzip generell nachteilig ist.482 Vor diesem Hintergrund vertritt Osterloh-Konrad die Auffassung, dass diese Bewertung ein argumentum a fortiori rechtfertige:483 Seien dauerhafte Abweichungen vom Proportionalitätsprinzip (die Gegenstand dieser empirischen Studien waren) „nicht eindeutig negativ“ zu bewerten, müsse dies erst recht für zeitweilige Durchbrechungen dieses Grundsatzes, wie im Fall des Empty Voting gelten. Selbst wenn dies zuträfe, würde dies freilich nur bedeuten, dass Empty Voting ebenfalls nicht eindeutig negativ einzuschätzen wäre. Wie bereits ausgeführt, ist es in der Tat nicht ausgeschlossen, dass die Ausübung risikoentleerter Stimmrechte möglicherweise zu Effizienzgewinnen führt, die sich aber nicht zuverlässig bestimmen lassen. Das ebenfalls schon angesprochene Missbrauchsrisiko darf im Übrigen nicht vernachlässigt werden. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil die von Osterloh-Konrad im Rahmen des argumentum a fortiori zugrunde gelegte Vergleichbarkeit von dauerhaften Abweichungen vom Proportionalitätsprinzip, wie sie insbesondere bei Mehrstimmrechten vorliegen, mit Empty-Voting-Konstellationen in einem wesentlichen Punkt nicht gegeben ist. Denn während dauerhaft überoder unterproportionale Stimmrechte in der Satzung der Gesellschaft vorgesehen werden müssen und damit transparent sind,484 gilt dies für die bei Empty Voting eingesetzten Entkopplungstechniken gerade nicht oder zumindest nicht uneingeschränkt.485
481
Hu/Black 61 Bus. Law 1011, 1069 f. (2006). Siehe oben S. 76 ff. 483 Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 55. 484 Dazu bereits oben S. 86. 485 Dies hängt vor allem von der kapitalmarktrechtlichen Bewertung der einzelnen Entkopplungstechniken ab. Zum Aktiendarlehen siehe insoweit S. 229 ff. 482
Kapitel 3
Zivilrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung von Aktien § 7 Aktiendarlehen als Sachdarlehen A. Die dogmatische Einordnung des Sachdarlehens Die in der Praxis im Regelfall vorzufindende Vertragsgestaltung1 des Aktiendarlehens zeichnet sich dadurch aus, dass sich der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer gattungsmäßig bestimmte Aktien für die Laufzeit des Vertrages zu überlassen, indem er sie ihm übereignet; der Darlehensnehmer verpflichtet sich zur Zahlung des Darlehensentgelts und zur Rückübereignung einer entsprechenden Anzahl von gleichartigen Aktien bei Fälligkeit. Dieses Pflichtenprogramm entspricht dem Typus des Sachdarlehensvertrages, der in den §§ 607–609 BGB geregelt ist.2
I. Das Sachdarlehen als Gebrauchsüberlassungsvertrag im weiteren Sinne 1. Die Überlassung eines Wertquantums auf Zeit als Geschäftszweck des Gelddarlehens Der Geschäftszweck des Gelddarlehens i. S. d. §§ 488 ff. BGB wird von der herrschenden Ansicht in der Überlassung von Kapital oder eines in Geld ausgedrückten Wertquantums auf Zeit gesehen.3 Bei diesem Verständnis ist das Darlehen im Sinne einer „Kapitalmiete“4 als Gebrauchsüberlassungsvertrag zu qualifizieren.5 Vor der Schuldrechtsreform zeigte sich die Verwandtschaft zu Miete, Pacht und Leihe insbesondere an der systematischen Stellung der §§ 607 ff. BGB nach den in den §§ 535 ff., §§ 581 ff. und 1
Dazu S. 167 ff. und S. 173 f. Davon ging auch der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes aus, BTDrs. 14/6040 S. 259. Zur Abgrenzung von den Gebrauchsüberlassungsverträgen i. e. S. siehe noch unten S. 128 ff. 3 Beispielhaft RGZ 161, 52, 56 („zeitweilige Kapitalnutzung“); MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, Vor § 488 Rn. 6; grundlegend Mülbert AcP 192 (1992) 447, 451 und Mülbert WM 2002, 465, 466, jeweils m. w. N. 4 So Mülbert WM 2002, 465, 466. 5 So etwa MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, Vor § 488 Rn. 6; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 1282 und Rn. 1322; Mülbert AcP 192 (1992) 447, 451. 2
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§§ 598 ff. BGB normierten Gebrauchsüberlassungsverträgen im engeren Sinne.6
2. Umdeutung des Darlehens in ein kaufähnliches Geschäft? Eine davon abweichende Sicht auf die Rechtsnatur des Darlehensvertrages wird von Vogler vertreten.7 Ausgangspunkt seiner Kritik an der Einordnung des Darlehensvertrags als Gebrauchsüberlassungsvertrag ist die Feststellung, dass dieser Einordnung eine in den Wirtschaftswissenschaften bereits durch von Böhm-Bawerk8 widerlegte Zinstheorie, nämlich die Nutzungstheorie, zugrunde liege. Danach sei der Zins – vor dem Hintergrund des kanonischen Zinsverbots – Gegenleistung für den Gebrauch des Kapitals, der neben dem Verbrauch des Kapitals als selbständige Nutzung möglich sei.9 Unter Berufung auf von Böhm-Bawerk versucht Vogler zu zeigen, dass eine andere Nutzung des Kapitals als dessen Verbrauch nicht in Betracht komme, so dass ein Gebrauch des Kapitals keine Gegenleistung für die Zinszahlungen des Darlehensnehmers darstelle und der Darlehensvertrag somit nicht zu den Gebrauchsüberlassungsverträgen zu zählen sei.10 Stattdessen bestünde der Geschäftszweck des Darlehens für den Darlehensnehmer in der Beschaffung von Zahlungsmitteln und für den Darlehensgeber in der Gewinnerzielung durch den Erwerb von Geldforderungen gegen den Darlehensnehmer, deren Gesamtwert die Summe des Darlehensbetrags und der Kosten übersteige.11 Mit diesem Verständnis des Geschäftszwecks wird das Darlehen letztlich in ein kaufähnliches Geschäft umgedeutet; die Zahlungen des Darlehensnehmers stellen danach die – im Regelfall ratenweise zu erbringende – Gegenleistung für die Kapitalüberlassung dar. Um zu belegen, dass die Hauptleistungspflichten der Parteien im Synallagma stehen und somit das Darlehen auch bei seiner dogmatischen Einordnung ein gegenseitiger Vertrag ist, beruft sich Vogler auf eine Parallele zwischen Darlehen und Kauf einer Geldforderung (deren Schuldner dem Darlehensneh-
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Zur Verlagerung des Gelddarlehensrechts in die §§ 488 ff. BGB siehe sogleich S. 100 ff. Vogler, Die Ansprüche der Bank bei Kündigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs, 1992, S. 152 ff. 8 V. Böhm-Bawerk, Kapital und Kapitalzins, Erste Abteilung: Geschichte und Kritik der Kapitalzinstheorien, 4. Aufl. 1921, S. 171 ff. und S. 196 ff. 9 Vogler, Die Ansprüche der Bank bei Kündigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs, 1992, S. 153. 10 Vogler, Die Ansprüche der Bank bei Kündigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs, 1992, S. 155 ff. – Mit dem Verbrauch des Kapitals werden die mittelbaren Wirkungen des Verbrauchs wie der Gebrauch eines anderen Wirtschaftsguts, das mit dem darlehensweise erhaltenen Kapital erworben wurde, gleichgesetzt. 11 Vogler, Die Ansprüche der Bank bei Kündigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs, 1992, S. 169 ff. 7
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mer entspreche) mit Vorleistungspflicht des Käufers (die der Pflicht des Darlehensgebers zur Überlassung des Kapitals entspreche).12
3. Das Gelddarlehen als Gebrauchsüberlassungsvertrag im weiteren Sinne Aus ökonomischer Perspektive lässt sich der Zins in der Tat als Ausdruck des höheren Gegenwartswerts eines Wirtschaftsgutes im Vergleich zu seinem zukünftigen Wert verstehen.13 Wie Mülbert überzeugend dargelegt hat, lassen sich daraus jedoch keine Schlüsse auf die juristische Qualifikation des Darlehens als kaufähnliches Geschäft ziehen.14 Denn der Zins ist nicht als Entgelt für den Gebrauch der konkreten Darlehensvaluta (die möglicherweise bereits durch den Darlehensnehmer verbraucht ist), sondern für die Inanspruchnahme eines abstrakten Vermögenswertes geschuldet. Diese Inanspruchnahme lässt sich – im Vergleich zu Miete, Pacht und Leihe in einem weiteren Sinne – durchaus als „Gebrauch“ bezeichnen.15 Die Verlagerung des Gelddarlehensrechts in die §§ 488 ff. BGB und damit in systematische Nähe zu Kauf und Tausch scheint auf den ersten Blick eher dagegen zu sprechen, dass sich diese Einordnung des Gelddarlehens auch nach der Schuldrechtsreform aufrechterhalten lässt. Die Entwurfsbegründung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes nennt als Grund für den neuen Standort allerdings kein geändertes Verständnis der Rechtsnatur des Gelddarlehens. Stattdessen verweist sie unter anderem darauf, dass die Gebrauchsüberlassungsverträge im engeren Sinne durch die körperliche Übergabe einer Sache gekennzeichnet sind, während es beim Gelddarlehen typischerweise daran fehle.16 Die neue systematische Stellung ist aus Sicht der Gesetzesverfasser also mit der Entmaterialisierung des Gelddarlehens be12 Vogler, Die Ansprüche der Bank bei Kündigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs, 1992, S. 176 ff. und insbesondere S. 180: „Der Darlehensvertrag unterscheide[t] sich hinsichtlich des Erwerbes der Geldforderung von einem solchen Kaufvertrag über den Erwerb einer Geldforderung nicht, der um einen durch die Erfüllung der Kaufpreisschuld aufschiebend bedingten Abtretungsvertrag ergänzt ist.“ 13 V. Böhm-Bawerk, Kapital und Kapitalzins, Zweite Abteilung: Positive Theorie des Kapitales, Erster Halbband, 4. Aufl. 1921, S. 362 ff. 14 Mülbert AcP 192 (1992) 447, 452 f.; zu dieser Abstraktion von den wirtschaftlichen Zusammenhängen siehe auch Derleder/Knops/Bamberger/Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 9 Rn. 2. 15 In diese Richtung dürfte auch Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 1322, zu verstehen sein, nach dem die „Überlassung der Darlehensvaluta zu vollem Recht“ eine „aus der Natur der Sache folgende Modalität der Gebrauchsüberlassung“ sei. 16 BT-Drs. 14/6040 S. 251: „Dieser Standort ist für das Sachdarlehen adäquat, da es beim Sachdarlehen – wie bei der Leihe – um die Überlassung von Sachen geht. Beim Gelddarlehen geht es indessen in der Rechtswirklichkeit in erster Linie um die Verschaffung und Belassung einer Geldsumme in Form der Überweisung oder Einräumung eines Kreditrahmens, so dass insoweit die Nähe zur Leihe, die von der körperlichen Übergabe der Sache ausgeht, überholt ist.“
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gründet. Entmaterialisierung bedeutet nichts anderes, als dass der Gelddarlehensgeber die Darlehensvaluta nicht zwingend körperlich zu übergeben hat; stattdessen genügt die Verschaffung des entsprechenden Wertes in Form von Buchgeld.17 Für die Einordnung des Gelddarlehensvertrags als Gebrauchsüberlassungsvertrag im weiteren Sinne ist aber gerade nicht die konkrete Darlehensvaluta und die Art ihrer Überlassung (Übereignung oder Begründung einer schuldrechtlichen Forderung) maßgeblich. Somit hat sich durch die Verlagerung des Gelddarlehensrechts in die §§ 488 ff. BGB nichts daran geändert, dass der Gelddarlehensvertrag als Gebrauchsüberlassungsvertrag im weiteren Sinne einzuordnen ist.18
4. Einordnung des Sachdarlehens Für das Sachdarlehen verweist die Entwurfsbegründung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ausdrücklich auf die Verwandtschaft zu der unmittelbar vorher geregelten Leihe.19 Der ebenfalls angesprochene Aspekt der Entmaterialisierung, die nur beim Gelddarlehen, nicht aber beim Sachdarlehen vorzufinden ist, hat, wie soeben dargelegt, auf die dogmatische Einordnung des Sachdarlehens keinen Einfluss: § 607 Abs. 1 S. 1 BGB sieht zwar für das Sachdarlehen eine körperliche Überlassung des Darlehensgegenstandes vor.20 Diese Tatsache ändert aber nichts daran, dass dem Darlehensnehmer auch beim Sachdarlehen ein abstrakter Vermögenswert zugewandt wird.21 Auf die konkrete Sache kommt es beim gesetzestypischen Sachdarlehen22 aus Sicht beider Parteien nicht an, der Darlehensnehmer kann diese beispielsweise weiterveräußern oder auf andere Weise verbrauchen, weshalb § 607 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich einen Anspruch auf Rückerstattung von Sachen gleicher Art, Güte und Menge vorsieht. Das nach § 607 Abs. 1 S. 2 BGB geschuldete Darlehensentgelt23 ist somit keine Gegenleistung für den Gebrauch des konkreten Darlehensgegenstandes, sondern für den „Gebrauch“ eines abstrakten Vermögenswerts.24 Parallel zum Gelddarlehen besteht der 17
Dazu noch unten S. 103 ff. So zutreffend Mülbert WM 2002, 465, 466. Kritisch zur neuen Gesetzessystematik Grundmann BKR 2001, 66, 67 Fn. 8; Habersack BKR 2001, 72, 73; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Thessinga, 2. Aufl. 2009, BankR IV Rn. 23. 19 BT-Drs. 14/6040 S. 251. 20 Dazu noch unten S. 103 ff. 21 Anders wohl Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 607 Rn. 3 (ohne Begründung). 22 Zu dem Sonderfall einer Vereinbarung, in der sich Darlehensgeber nur verpflichtet, dem Darlehensnehmer den Besitz an einer vertretbaren Sache zu verschaffen, dieser aber nach seiner Wahl die Möglichkeit hat, diese Sache zu verbrauchen oder dieselbe Sache zurückzugeben, siehe unten S. 105. 23 Die Einführung des Begriffes „Darlehensentgelt“ hat nichts daran geändert, dass es sich um einen Zins im technischen Sinne handelt, dazu S. 113 ff. 24 Das Argument Voglers (Die Ansprüche der Bank bei Kündigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs, 1992, S. 155 ff.), eine andere Nutzung des Kapitals als dessen Verbrauch komme nicht in Betracht, kann auf das Sachdarlehen auch aus einem weiteren 18
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Geschäftszweck des Sachdarlehens also in der Überlassung eines Wertquantums auf Zeit, das nicht durch die Festlegung einer Geldsumme, sondern durch die Einigung der Parteien auf eine vertretbare Sache bestimmt wird. Dementsprechend ist auch das Sachdarlehen den Gebrauchsüberlassungsverträgen im weiteren Sinne zuzuordnen.25
II. Die Geltung gemeinsamer Grundsätze des Darlehensrechts Die Regierungsbegründung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes führt als weiteren Grund für die separate Normierung des Gelddarlehens in den §§ 488 ff. BGB und des Sachdarlehens in den §§ 607 ff. BGB die auch durch das Verbraucherkreditrecht verursachte Entwicklung von zwei voneinander getrennten Regelungsbereichen „in der Rechtswirklichkeit“ an.26 Da die detaillierten Regelungen in den §§ 488 ff. BGB für das Sachdarlehen lediglich in ihren Grundzügen Relevanz hätten, erscheine es nicht adäquat, für dieses auf das Recht des Gelddarlehens zu verweisen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass teilweise mit dem Argument, es handele sich um „völlig getrennte Regelungsbereiche“, eine (analoge) Anwendung von gelddarlehensrechtlichen Regeln auf das Sachdarlehen als problematisch angesehen wird.27 Gegen diese Auffassung spricht jedoch, dass der Gesetzgeber keinesfalls eine vollständige Trennung der beiden Darlehensformen beabsichtigt hat. Im Gegenteil wurde ein pauschaler Verweis auf die §§ 488 ff. BGB nur deshalb nicht in § 607 BGB aufgenommen, weil die detaillierte Normierung des Gelddarlehens für das Sachdarlehen „lediglich in ihren Grundzügen Relevanz“ hätte,28 so dass zumindest eine Übertragung von einzelnen gelddarlehensrechtlichen Vorschriften auf das Sachdarlehensrecht nicht dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde.29 Entscheidend sind daneben die grundlegenden Parallelen, die zwischen beiden Formen des Darlehens besteGrund nicht übertragen werden. Denn beim Sachdarlehen kann es einen vom Verbrauch des Darlehensgegenstandes verschiedenen Gebrauch durchaus geben, nämlich insbesondere dann, wenn der Darlehensgegenstand keine verbrauchbare Sache i. S. d. § 92 BGB ist, dazu noch unten S. 110. 25 Ausdrücklich zum Sachdarlehen MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 3 („Typusprägend ist das Element der Gebrauchsüberlassung auf Zeit (…)“); Mülbert WM 2002, 465, 466. 26 BT-Drs. 14/6040 S. 258. – Zur Kritik an der Aufnahme einer Regelung des Sachdarlehens in das BGB siehe vor allem Köndgen WM 2001, 1637, 1641; kritisch zur separaten Normierung Habersack BKR 2001, 72, 73 („unter ästhetischen und systematischen Gesichtspunkten mehr als unschön“). 27 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 1 und § 608 Rn. 8 a. E.; Bamberger/Roth/Rohe, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 608 Rn. 4. 28 BT-Drs. 14/6040 S. 258. 29 Hinzuweisen ist auch darauf, dass der Gesetzgeber die Beschreibung der Pflichten der Parteien in § 607 Abs. 1 BGB bewusst an „die jetzige Diktion des Gelddarlehens in § 488 Abs. 1“ angelehnt hat, BT-Drs. 14/6040 S. 259.
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hen:30 Neben der Tatsache, dass sowohl die §§ 488 ff. BGB als auch die §§ 607 ff. BGB Dauerschuldverhältnisse31 normieren, die als Gebrauchsüberlassungsverträge im weiteren Sinne einzuordnen sind, ist insbesondere auch die Verteilung der Risiken zwischen den Parteien gleichartig.32 Als Folge davon lassen sich Regeln und Grundsätze des Gelddarlehensrechts durchaus auf das eher rudimentär normierte Sachdarlehensrecht übertragen. In diesem Sinne ist nach wie vor von gemeinsamen Grundsätzen des Darlehensrechts33 auszugehen. Für die Annahme solcher gemeinsamen Grundsätze spricht schließlich auch, dass sich der Sachdarlehensvertrag hinsichtlich seiner Typusmerkmale von dem Gelddarlehensvertrag allein durch den Darlehensgegenstand unterscheidet, der im Fall des § 488 BGB auf Geld beschränkt ist, während § 607 BGB alle anderen vertretbaren Sachen erfasst. Allenfalls wegen dieses Unterschieds ist es gerechtfertigt, von zwei verschiedenen Vertragstypen zu sprechen.34
B. Typusmerkmale des Sachdarlehens I. Überlassung des Darlehensgegenstands 1. Pflicht zur Eigentumsverschaffung Nach dem Wortlaut des § 607 Abs. 1 S. 1 BGB ist der Sachdarlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer eine vereinbarte vertretbare Sache zu überlassen. Im Gegensatz dazu sieht § 488 Abs. 1 S. 1 BGB für den Gelddarlehensvertrag vor, dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen hat. Diese Formulierung des § 488 Abs. 1 S. 1 BGB bedeutet unstreitig, dass der Darlehensgeber nicht die Übereignung von Bargeld in Form von Geldscheinen oder -münzen schuldet, sondern im Sinne einer Entmaterialisierung35 verpflichtet ist, dem Darlehensnehmer einen entsprechenden Wert zukommen zu lassen. Neben der Übereignung von Bargeld kommt also auch die bargeldlose Auszahlung des Darlehens durch die Zurverfügungstellung von Buchgeld in Betracht.36 Bei Sachdarlehensverträgen besteht, wie bereits an30 Auf diese weisen Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 BGB Rn. 16 und Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 4 hin. 31 Dazu noch unten S. 128. 32 Zur Risikostruktur des Sachdarlehens siehe S. 113. 33 So Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 BGB Rn. 16. 34 Anders wohl MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 1 und 38; Bamberger/Roth/Rohe, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 608 Rn. 4, dazu bereits oben S. 101. 35 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 22; Mülbert WM 2002, 465, 468. 36 BT-Drs. 14/6040 S. 253; MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 488 Rn. 26; Bamberger/Roth/Rohe, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 488 Rn. 14 f.
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gesprochen,37 der Geschäftszweck zwar genauso wie bei Gelddarlehensverträgen in der Verschaffung eines abstrakten Vermögenswertes. Eine Parallele zu Buchgeld existiert bei anderen vertretbaren Sachen allerdings nicht,38 so dass „Überlassung“ im Sinne des § 607 Abs. 1 S. 1 BGB jedenfalls die Besitzverschaffung bedeutet. Dass daneben die Eigentumsverschaffung zu den zwingenden Begriffselementen des Sachdarlehensvertrages gehört, ist heute nahezu unbestritten.39 Dafür wird zu Recht angeführt, dass die Pflicht zur Übereignung des Darlehensgegenstandes den Sachdarlehensvertrag von den Gebrauchsüberlassungsverträgen im engeren Sinne unterscheidet, bei denen der Vermieter, Verpächter oder Verleiher lediglich zur Besitzüberlassung verpflichtet ist und somit Eigentümer bleibt. Ließe man die Vereinbarung einer bloßen Besitzverschaffungspflicht genügen, würden die typologischen Grenzen zwischen Gebrauchsüberlassungsverträgen im engeren und im weiteren Sinne verwischt.40 Zudem spricht der Geschäftszweck des Sachdarlehens41 entscheidend für diese Ansicht. Besteht dieser in der Zuwendung eines abstrakten Vermögenswertes, den sich der Darlehensnehmer beispielsweise auch durch den Verbrauch der Sache nutzbar machen kann, entspricht diesem Zweck die Pflicht des Darlehensgebers, dem Darlehensnehmer das Eigentum zu verschaffen.42 Auch nach der Begründung des Regierungsentwurfs43 bedeutet „überlassen“ im Sinne des § 607 Abs. 1 S. 1 BGB in Abgrenzung zu Miete und Leihe „nicht nur die Überlassung zum Gebrauch, sondern die Überlassung zwecks Eigentumsübertragung“. Die zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform vertretene (und vor der getrennten Normierung von Sach- und Gelddarlehen zutreffende) Ansicht, die Pflicht zur Verschaffung des Eigentums sei dispositiv, so dass es sich dabei um kein zwingendes Begriffselement des Darlehensvertrags handele,44 lässt sich aus diesen Gründen für den Sachdarlehensvertrag 37
Siehe oben S. 101 f. Sammelverwahrte Aktien bilden keine solche Parallele zum Buchgeld, da der Hinterleger stets Miteigentümer des Sammelbestands bleibt. Dazu im Einzelnen unten S. 136. 39 Siehe insbesondere MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 22 f. (der Verweis auf Staudinger/Hopt/Mülbert, 12. Aufl. 1989, § 607 Rn. 3, ist missverständlich, da die dortige Aussage, die Pflicht zur Verschaffung des Eigentums sei dispositiv und damit kein zwingendes Begriffsmerkmal des Darlehens, wohl ausschließlich auf das Gelddarlehen bezogen war, dazu sogleich im Text); Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 607 Rn. 11; Staudinger/ Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 5 und 37; Bamberger/Roth/Rohe, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 607 Rn. 6; Erman/Saenger, 13. Aufl. 2011, Vor § 607 Rn. 4 und § 607 Rn. 2; Palandt/Weidenkaff, 72. Aufl. 2013, § 607 Rn. 6. – A. A. Heermann, Geld und Geldgeschäfte, 2003, § 21 Rn. 7 (für das Sachdarlehen ohne Begründung). 40 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 23. 41 Dazu oben S. 101 f. 42 So insbesondere auch MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 22. 43 BT-Drs. 14/6040 S. 259. 44 Staudinger/Hopt/Mülbert, 12. Aufl. 1989, § 607 Rn. 3 unter Berufung auf eine Entscheidung des BGH (WM 1957, 635, 637), in der es um ein Gelddarlehen ging. 38
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– anders als für den Gelddarlehensvertrag, bei dem wegen dessen Entmaterialisierung die Eigentumsverschaffung in der Tat dispositiv ist – nicht vertreten. Als Sonderfall ist eine Vereinbarung anzusehen, in der sich der Darlehensgeber zwar im Ausgangspunkt nur verpflichtet, dem Darlehensnehmer den Besitz an einer vertretbaren Sache zu verschaffen, dieser aber nach seiner Wahl die Möglichkeit hat, diese Sache, etwa durch Weiterveräußerung, zu verbrauchen (und dann eine Sache gleicher Art und Güte zurückzuübereignen) oder dieselbe Sache zurückzugeben.45 Für die Einordnung eines solchen Vertrages ist dessen Auslegung entscheidend. Insbesondere dann, wenn von einer Verfügungsermächtigung im Sinne des § 185 BGB durch den Darlehensgeber auszugehen ist, liegt eine Anwendung der §§ 607 ff. BGB wegen der zumindest eigentümerähnlichen Stellung des Darlehensnehmers nahe.46 Die in der Praxis verwendeten Vertragsmuster für das Aktiendarlehen sehen allesamt eine Übereignungspflicht des Darlehensgebers vor.47 Dies korrespondiert mit den vom Darlehensnehmer typischerweise verfolgten Zwecken.48 Denn die Eigentumsverschaffung ist für den Darlehensnehmer wesentlich, wenn er die darlehensweise überlassenen Aktien etwa für die Überbrückung von Lieferproblemen bei Kettenveräußerungen oder die Erfüllung von Leerverkäufen einsetzen will.
2. Pflicht zur Belassung des Darlehensgegenstands a) Die Belassungspflicht des Gelddarlehensgebers Bereits vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform entsprach es der ganz herrschenden Ansicht, dass der Darlehensgeber nicht nur zur Überlassung der Darlehensvaluta, sondern auch zu deren Belassung verpflichtet sei.49 Auch nach der Schuldrechtsreform geht die überwiegende Literaturmeinung 45 Als Sachdarlehen ordnen eine solche Vereinbarung ein Bamberger/Roth/Rohe, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 607 Rn. 6; Palandt/Weidenkaff, 72. Aufl. 2013, § 607 Rn. 6. 46 So Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 6, der als alternative Gestaltung auch die Vereinbarung einer aufschiebend bedingten Übereignung anspricht. Da die Herbeiführung des Bedingungseintritts allein in der Hand des Darlehensnehmers liegt, er also ein Anwartschaftsrecht an der Sache hat, sind auch auf eine solche Vereinbarung die §§ 607 ff. BGB anzuwenden. 47 Siehe S. 173 f. und MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 26; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 28; Kort WM 2006, 2149, 2149. 48 Dazu S. 36 ff. 49 So insbesondere RGZ 161, 52, 56; OLG Karlsruhe NJW-RR 1989, 1069, 1069; aus der Literatur grundlegend Mülbert AcP 192 (1992) 447, 457 f. m. w.N.; siehe im Übrigen Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 1282 und 1322; Soergel/Häuser, 12. Aufl. 1998, § 607 Rn. 115; Larenz, Schuldrecht II/1, 13. Aufl. 1986, § 51 I; K. Schmidt JZ 1976, 756, 757 f. (einschränkend); a. A. Hammen DB 1991, 953, 953 Fn. 10; Mack WM 1986, 1337, 1341; Raacke NJW 1978, 2301; Vogler, Die Ansprüche der Bank bei Kündigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs, 1992, S. 160 ff.
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davon aus, dass der Darlehensgeber einer Belassungspflicht unterliegt.50 Von einer Belassungspflicht bei Gelddarlehen spricht auch die Regierungsbegründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz. Danach beschreibt § 488 Abs. 1 S. 1 BGB „die Pflicht des Darlehensgebers zur Verschaffung und Belassung eines Geldbetrags in der vereinbarten Höhe“.51 Die Aussagekraft dieser Ausführungen der Gesetzesverfasser wird zwar bestritten; gegenüber dem Rechtszustand vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform sollten bis auf die Klarstellung, dass der Darlehensvertrag ein Konsensualvertrag sei und dass das Darlehen auch durch Buchgeld valutiert werden könne, keine Modifikationen erfolgen.52 Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Gesetzesmaterialien die Belassungspflicht explizit erwähnen. Im Übrigen werden zur Begründung einer Belassungspflicht drei Argumente vorgebracht: aa) Schutzbedürfnis des Darlehensnehmers beim „entmaterialisierten“ Darlehen Einer der wesentlichen Kritikpunkte an der Anerkennung einer Überlassungspflicht ist ihre behauptete Überflüssigkeit:53 Sie sei nur dann sachgerecht, wenn der Darlehensgeber nach Valutierung des Darlehens die Möglichkeit hätte, dem Darlehensnehmer den Gebrauch des Kapitals zu entziehen oder diesen zumindest zu beeinträchtigen. Diese Möglichkeit bestehe aber gerade nicht, da der Darlehensnehmer Eigentümer der überlassenen Valuta werde und der vertragliche Rückgewähranspruch erst mit Fälligkeit des Darlehens durchgesetzt werden könne. Daran trifft zu, dass der Darlehensnehmer vor einer vorzeitigen Geltendmachung von Rückgewähransprüchen umfänglich geschützt ist, wenn ihm Geldscheine und -münzen übereignet werden.54 50 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, Vor § 488 Rn. 10 und § 488 Rn. 31; CoesterWaltjen JURA 2002, 675, 676; Derleder/Knops/Bamberger/Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 9 Rn. 11; Engert/Schmidl WM 2005, 60, 64 f.; Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 163; Freitag ZIP 2004, 2368, 2370; Heermann, Geld und Geldgeschäfte, 2003, § 21 Rn. 6; Mülbert WM 2002, 465, 467; Erman/Saenger, 13. Aufl. 2011, Vor § 488 Rn. 5 und § 488 Rn. 6a; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Thessinga, 2. Aufl. 2009, BankR IV Rn. 117; Palandt/Weidenkaff, 72. Aufl. 2013, § 488 Rn. 5; Wittig/Wittig WM 2002, 145, 147; a. A. Fleckner ZIP 2004, 585, 595 f.; Laudenklos/Sester ZIP 2005, 1757, 1759 f. 51 BT-Drs. 14/6040 S. 253. 52 Laudenklos/Sester ZIP 2005, 1757, 1759. 53 Laudenklos/Sester ZIP 2005, 1757, 1759 („keinen erkennbaren rechtlichen Zweck“); Vogler, Die Ansprüche der Bank bei Kündigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs, 1992, S. 164 f. (Belassungspflicht sei auf die Unterlassung eines objektiv unmöglichen Tuns gerichtet). – Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 1322 verweist zwar darauf, dass es für eine Belassungspflicht kein Bedürfnis gebe, erkennt sie aber dennoch mit der Überlegung an, dass der Zins die Gegenleistung für die Belassung des Kapitals sei (Rn. 1282). 54 Dies gesteht auch Mülbert AcP 192 (1992) 447, 457 der Gegenansicht zu („Der Darlehensvertrag schließt als Rechtsgrund eine Leistungskondiktion aus, der Rückzahlungsan-
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Nicht zu verkennen ist ein Schutzbedürfnis des Darlehensnehmers jedoch in Fällen, in denen Buchgeld zur Verfügung gestellt wird, insbesondere durch eine Gutschrift der darlehensgebenden Bank auf einem Konto, das von dieser geführt wird. Der Belassungsanspruch hat hier den Zweck, den Darlehensnehmer vor etwaigen Zugriffen des Darlehensgebers auf das Darlehenskonto zu schützen, beispielsweise durch eine Verweigerung der Verfügung über dieses.55 Freilich wird auch eingewandt, ein adäquater Schutz des Darlehensnehmers ergebe sich bereits „aus der erteilten Gutschrift u[nd] den Vereinbarungen über die Kontoverbindung“.56 Zwar ist nicht zu bestreiten, dass der Darlehensnehmer bei einer Einschränkung seiner Dispositionsmöglichkeiten gegen die kreditgebende Bank aus dem mit dieser im Hinblick auf die Auszahlung des Darlehens geschlossenen oder unabhängig davon bestehenden Zahlungsdiensterahmenvertrag i. S. d. § 675f Abs. 2 BGB vorgehen kann. Dennoch ist dies kein zwingendes Argument gegen einen spezifisch darlehensrechtlichen Schutz durch Annahme einer Belassungspflicht als Hauptleistungspflicht des Darlehensgebers. Dazu kommt, dass die Pflichten der Bank aus einem Zahlungsdiensterahmenvertrag nicht ohne weiteres im Synallagma mit den Pflichten des Bankkunden aus dem Darlehensvertrag (v. a. der Pflicht zur Zinszahlung) stehen.57 bb) Die Belassungspflicht als Folge der dogmatischen Einordnung des Darlehens Für die Existenz einer Belassungspflicht spricht zudem die Rechtsnatur des Darlehensvertrages als Gebrauchsüberlassungsvertrag im weiteren Sinne und damit die Verwandtschaft mit den Gebrauchsüberlassungsverträgen im engeren Sinne, insbesondere der Miete.58 Auch bei der Miete erschöpft sich die Hauptleistungspflicht des Vermieters nicht in der bloßen Überlassung der Mietsache; vielmehr schuldet dieser auch die Belassung im Sinne einer Erhaltungspflicht, § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Dies umfasst die Pflicht, dem Mieter den ungestörten Gebrauch der Mietsache zu belassen und die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten.59 Gegen die Annahme einer Belassungspflicht parallel zur Miete lässt sich nicht einwenden, dass eine Pflicht des Darlehensgebers zur fortlaufenden Erhaltung des Darlehensgegenstandes wegen dessen „Verbrauchbarkeit“ nicht sachgespruch aus § 607 I BGB ist ohnehin erst mit Ende des Darlehensverhältnisses fällig und beim Bardarlehen ist ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB aufgrund der Übereignung ausgeschlossen.“); genauso Staudinger/Hopt/Mülbert, 12. Aufl. 1989, § 607 Rn. 350. 55 So vor allem Mülbert AcP 192 (1992) 447, 458. 56 Soergel/Häuser, 12. Aufl. 1998, § 607 Rn. 115, der sich aber dennoch für das Bestehen einer Belassungspflicht ausspricht. 57 Zu den synallagmatischen Pflichten der Parteien des Darlehensvertrags siehe unten S. 125 ff. 58 Grundlegend Mülbert AcP 192 (1992) 447, 457 f. 59 Statt aller Staudinger/Emmerich, Neubearbeitung 2011, § 535 Rn. 21 ff.
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recht sei. Denn wie bereits gezeigt, besteht der Geschäftszweck des als Gebrauchsüberlassungsvertrags verstandenen Darlehens eben nicht in der Überund Belassung des konkreten Darlehensgegenstands, sondern in der Zurverfügungstellung eines abstrakten Vermögenswertes.60 Allein darauf ist die Belassungspflicht bezogen.61 Verneint man dagegen die Existenz einer Belassungspflicht, kann bei einem entgeltlichen Darlehen ein Gegenseitigkeitsverhältnis allenfalls zwischen der Überlassungspflicht des Darlehensgebers und der Zinszahlungspflicht des Darlehensnehmers bestehen.62 Die Überlassungspflicht ist mit Auszahlung des Darlehens erfüllt, so dass die Zinsen nur als gleichsam ratenweise zu erbringende Gegenleistung für den bereits abgeschlossenen Vorgang der Valutierung des Darlehens zu verstehen wären.63 Dies würde nicht nur eine Umdeutung des Darlehens in ein kaufähnliches Geschäft bedeuten. Zurecht wird auch darauf hingewiesen, dass sich bei diesem Verständnis Zinsanpassungsklauseln nur schwer erklären ließen.64 cc) Gesetzliche Anerkennung der Belassungspflicht durch § 108 Abs. 2 InsO? Seit dem Inkrafttreten des § 108 Abs. 2 InsO zum 1. Juli 200765 ist für die Frage nach der Belassungspflicht auch diese Vorschrift zu berücksichtigen. Danach besteht ein vom Schuldner als Darlehensgeber eingegangenes Darlehensverhältnis mit Wirkung für die Masse fort, soweit dem Darlehensnehmer der geschuldete Gegenstand zur Verfügung gestellt wurde. Vor Inkrafttreten dieser Norm war in der Literatur66 umstritten, ob der Insolvenzverwalter bei Insolvenz des Darlehensgebers das Wahlrecht nach § 103 InsO ausüben konnte, wenn das Darlehen bereits valutiert war.67 Dieses Wahlrecht setzt voraus, dass ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt ist. Eine Anwendung des § 103 InsO kommt nach Auszahlung des Darlehens also nur in Betracht, wenn den Darlehensgläubiger auch eine Belassungspflicht trifft, da er den Vertrag andernfalls mit Valutierung vollständig erfüllt hat.68 60
Dazu oben 98 ff. Mülbert AcP 192 (1992) 447, 457 f. und S. 458 Fn. 38; zustimmend Soergel/Häuser, 12. Aufl. 1998, § 607 Rn. 115. 62 Zu den synallagmatischen Pflichten der Parteien siehe unten S. 125 ff. 63 Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 1282. 64 Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 1282. 65 Durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13. April 2007, BGBl. I S. 509. 66 BGH NJW 1990, 1356, 1357 hat die Frage offengelassen. 67 Siehe dazu nur MünchKommInsO/Eckert, 3. Aufl. 2013, § 108 Rn. 202 m. w. N. 68 Vgl. z. B. MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 488 Rn. 31: Wegen fortdauernder Belassungspflicht des Darlehensgebers hat dieser seine Verpflichtungen aus dem Vertrag auch nach Valutierung des Darlehens noch nicht vollständig erfüllt, so dass die Voraussetzungen für das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO gegeben sind. 61
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Die Neuregelung in § 108 Abs. 2 InsO verfolgt den Zweck, die mit der Frage nach den Pflichten des Darlehensgebers verbundene Rechtsunsicherheit zu beseitigen.69 Auch wenn die Entwurfsverfasser selbst offenbar davon ausgingen, dass der Darlehensgeber durch die Auszahlung des Darlehens seine Hauptleistungspflicht mit der Folge der Unanwendbarkeit des § 103 InsO erfüllt hat,70 wird die Ansicht vertreten, § 108 Abs. 2 InsO spräche notwendig für die gesetzliche Anerkennung einer Belassungspflicht, da die Norm andernfalls keinen Anwendungsbereich hätte.71 Zwingend ist dieser Schluss freilich nicht, da sich der Zweck des § 108 Abs. 2 InsO darin erschöpft, die insolvenzrechtlichen Auswirkungen einer umstrittenen zivilrechtlichen Vorfrage in der Weise zu entscheiden, dass eine Anwendung des § 103 InsO ausgeschlossen wird. Damit erfolgte gerade keine Festlegung zum Bestehen oder Nichtbestehen einer Belassungspflicht des Darlehensgebers. Anders formuliert hat es der Gesetzgeber des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens im Interesse der (insolvenzrechtlichen) Rechtssicherheit hingenommen, dass § 108 Abs. 2 InsO möglicherweise keinen Anwendungsbereich hat. dd) Folgerungen für das Gelddarlehen Auch wenn sich somit aus § 108 Abs. 2 InsO weder ein Argument für noch ein Argument gegen eine Belassungspflicht des Darlehensgebers ableiten lässt, ist doch die Annahme überzeugend, dieser schulde als Hauptpflicht während der Laufzeit des Darlehens auch die Belassung der Valuta. Dafür lassen sich vor allem die Schutzbedürftigkeit des Darlehensnehmers und die Rechtsnatur des Darlehensvertrages anführen. b) Die Belassungspflicht des Sachdarlehensgebers Für das Sachdarlehen i. S. d. § 607 BGB in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes wird ebenfalls die Ansicht vertreten, der Darlehensgeber schulde neben der Überlassung des Darlehensgegenstandes auch dessen Belassung.72 Anders als beim Gelddarlehen finden sich dafür jedoch keine Hinweise in den Gesetzesmaterialien. Stattdessen führt die Begründung des Regierungsentwurfs lediglich aus, „überlassen“ im Sinne des § 607 Abs. 1 S. 1 69
BT-Drs. 16/3227 S. 19. So ausdrücklich BT-Drs. 16/3227 S. 19: „Bereits aus § 103 InsO ergibt sich, dass der Insolvenzverwalter das Darlehensverhältnis nicht außerhalb der darlehensrechtlichen Kündigungsmöglichkeiten beenden kann, da der Darlehensgeber mit der Auszahlung der Darlehensvaluta seine Hauptleistungspflicht erfüllt hat.“ 71 Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 163. 72 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 24; Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 37; Mülbert WM 2002, 465, 467. – Laudenklos/Sester ZIP 2005, 1757, 1759 f. sprechen sich gegen eine Belassungspflicht aus, behandeln allerdings nur das Gelddarlehen. 70
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BGB bedeute „die Überlassung zwecks Eigentumsübertragung“.73 Auch aus § 108 Abs. 2 InsO lässt sich eine Belassungspflicht nicht herleiten. Denn neben dem schon zum Gelddarlehen angeführten Grund, dass der Gesetzgeber mit dieser Norm lediglich Rechtssicherheit in einer insolvenzrechtlichen Frage schaffen wollte, ist bereits zweifelhaft, ob § 108 Abs. 2 InsO überhaupt auf das Sachdarlehen anwendbar ist.74 Dennoch lassen sich die Argumente, die für eine Belassungspflicht des Gelddarlehensgebers sprechen, auch auf das Sachdarlehen übertragen: Dies gilt gerade für die Verwandtschaft des (Sach-)Darlehens zu den Gebrauchsüberlassungsverträgen im engeren Sinne. Zum einen lässt sich auch bei einem Sachdarlehen die Belassungspflicht als „von der konkret eingeräumten Rechtsposition (…) abstrahiert“,75 d. h. auf einen bestimmten Vermögenswert bezogen verstehen. Zum anderen überzeugt bei Sachdarlehen der bereits erörterte Einwand nicht, ein von einem Verbrauch des Darlehensgegenstandes unterscheidbarer „Gebrauch“ sei undenkbar. Der Darlehensnehmer eines gesetzestypischen Sachdarlehens wird zwar den Darlehensgegenstand verbrauchen, beispielsweise durch Veräußerung. Zwingend ist dies aber nicht, insbesondere, wenn es sich dabei um keine verbrauchbare Sache i. S. d. § 92 BGB handelt, wie etwa bei einem Aktiendarlehen. In derartigen Fallkonstellationen ist ein die Belassungspflicht rechtfertigendes Schutzbedürfnis des Darlehensnehmers nicht zu leugnen. Denn das Aktiendarlehen zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass durch die Ausübung der in den Aktien verkörperten Stimmrechte auf alle gattungszugehörigen Aktien Einfluss genommen werden kann.76 So ist es zumindest theoretisch denkbar, dass ein Darlehensgeber, der neben den darlehensweise übertragenen Aktien noch weitere Aktien der betreffenden Gesellschaft hält, mit diesem Aktienpaket für Strukturmaßnahmen stimmt, die eine Entziehung oder Minderung des dem Darlehensnehmer zugewandten abstrakten Wertes bedeutet. Es ist damit festzuhalten, dass auch der Sachdarlehensgeber die Belassung des Darlehensgegenstandes schuldet.
II. Vertretbare Sachen als Darlehensgegenstand Gemäß § 607 Abs. 1 S. 1 BGB können nur vertretbare Sachen Gegenstand eines Sachdarlehens sein. Nach der Legaldefinition des § 91 BGB sind dies bewegliche Sachen, die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu 73
BT-Drs. 14/6040 S. 259. Dagegen die wohl h. M., siehe nur Uhlenbruck/Wegener, 13. Aufl. 2010, § 108 InsO Rn. 61 m. w. N. 75 Mit dieser Formulierung Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 3. Aufl. 2007, § 3 Rn. 14. 76 Dazu in einem anderen Zusammenhang (der Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer) unten S. 302 ff. 74
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werden pflegen. Entscheidend ist, ob die jeweiligen Sachen nach der Verkehrsanschauung ohne weiteres untereinander austauschbar sind.77 Darunter fallen jedenfalls Inhaberaktien und blankoindossierte Namensaktien.78 Ausreichend ist es, wenn die Sache jedenfalls im Prinzip hergestellt werden könnte, sie muss also zur Zeit des Vertragsschlusses noch nicht existieren.79 Unter die Definition des § 91 BGB fällt auch Geld, weshalb § 607 Abs. 2 BGB klarstellt, dass auf das Gelddarlehen allein die §§ 488 ff. BGB Anwendung finden. Unter Geld sind alle in- und ausländischen gesetzlichen Zahlungsmittel zu verstehen.80 Umstritten ist, auf welchen Anspruch zur Abgrenzung von Geld- und Sachdarlehen abzustellen ist. Nach einer Ansicht soll es auf den Rückerstattungsanspruch des Darlehensgebers nach § 607 Abs. 1 S. 2 BGB,81 nach der Gegenansicht auf den Überlassungsanspruch des Darlehensnehmers gemäß § 607 Abs. 1 S. 1 BGB82 ankommen. Für die letztgenannte Auffassung wird angeführt, dass der Überlassungsanspruch des Darlehensnehmers die vertragscharakteristische Leistung sei; jedoch soll für den Fall, dass vertretbare Sachen überlassen und Geld zurückzugewähren ist, nicht stets ein Sachdarlehen vorliegen, sondern der Vertragstyp durch Auslegung zu ermitteln sein.83 Das Abstellen auf den Inhalt des Rückerstattungsanspruchs hat demgegenüber nicht nur den Vorteil, eine klarere Abgrenzung zwischen beiden Vertragstypen zu ermöglichen. Für diesen Ansatz spricht zudem, dass damit Vereinbarungsdarlehen, die auch nach Aufhebung von § 607 Abs. 2 BGB a. F. durch die Schulrechtsreform weiterhin zulässig sind,84 berücksichtigt werden.85 Denn bei diesen kann allein auf den Rückerstattungsanspruch abgestellt werden. Eine unterschiedliche Behandlung von regulären Darlehen und Vereinbarungsdarlehen erscheint demgegenüber nicht sachgerecht. Nicht um ein Sachdarlehen, sondern um eine besondere Form des Gelddarlehens handelt es sich, wenn eine Partei ein Aktienpaket veräußert, den Veräußerungserlös der anderen Partei darlehensweise überlässt und sich diese verpflichtet, den Betrag zurückzuerstatten, der im Fälligkeitszeitpunkt für die Wiederbeschaffung einer entsprechenden Zahl von Aktien erforderlich ist.86 77
Staudinger/Jickeli/Stieper, Neubearbeitung 2011, § 91 Rn. 1 m. w. N. Ausführlich dazu unten S. 142 ff. 79 Mülbert WM 2002, 465, 468. 80 Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 607 Rn. 3; Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 11. 81 Mülbert WM 2002, 465, 468. 82 Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 15. 83 Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 15. 84 Siehe nur MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 488 Rn. 18; MünchKommBGB/ Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 31; Palandt/Weidenkaff, 72. Aufl. 2013, § 488 Rn. 20. 85 Mülbert WM 2002, 465, 468. 86 So der Sachverhalt in BGH WM 1963, 315; dazu Staudinger/Hopt/Mülbert, 12. Aufl. 1989, § 607 Rn. 9 (ein Gelddarlehen liegt auch vor, wenn die Erfüllung in Geld oder durch 78
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III. Rückerstattung von Sachen gleicher Art, Güte und Menge Gemäß § 607 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Darlehensnehmer zur Rückerstattung von Sachen gleicher Art, Güte und Menge verpflichtet. Ein Vertrag ist nicht als (Sach-)Darlehensvertrag zu qualifizieren, wenn die Parteien keine Rückerstattungspflicht vorgesehen haben. Der Vertragstypus des Darlehens setzt vielmehr zwingend voraus, dass der Darlehensgegenstand dem Darlehensnehmer nur zeitlich begrenzt überlassen werden soll.87 Folge der gesetzlichen Ausgestaltung des (Sach-)Darlehensvertrages als Konsensualvertrag ist, dass der Rückerstattungsanspruch des Darlehensgebers aus § 607 Abs. 1 S. 2 BGB als (künftiger88) gesetzlicher Abwicklungsanspruch und insoweit den §§ 546, 604 BGB vergleichbar einzuordnen ist.89
1. Die Pflicht zur Rückerstattung Entscheidend für die Qualifikation der Vereinbarung als Darlehensvertrag ist weiter, dass der Darlehensnehmer nicht von vornherein zur Rückerstattung der empfangenen Sache selbst verpflichtet ist.90 Ist diese Voraussetzung erfüllt, ist es unerheblich, ob im Einzelfall die vom Darlehensgeber überlassenen Aktien zurückerstattet werden, etwa weil der Darlehensnehmer diese nicht an einen Dritten übertragen hatte, sondern andere Motive91 verfolgte. Rückerstattung bedeutet, dass der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber die gleiche Position verschaffen muss, die dieser vor Überlassung von Sachen identischer Art, Güte und Menge innehatte. Somit trifft den Darlehensnehmer eine Pflicht zur Übereignung.92
2. Identität von Art, Güte und Menge Hinsichtlich der Art der zurückzuerstattenden Sachen ist bei Wertpapieren vor allem entscheidend, dass sie dieselben Rechte verkörpern wie die vom Darlehensgeber überlassenen Papiere.93 Bei festverzinslichen Papieren ist auf die Gleichheit von Emittent, Emissionsdatum, Nennbetrag, Laufzeit und Verzinsung, bei Aktien dagegen insbesondere auf die Gleichheit von Übereignung von Wertpapieren als Wahlschuld ausgestaltet oder eine Ersetzungsbefugnis vereinbart ist). 87 BGH WM 1971, 864, 865; MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 29 i. V. m. § 488 Rn. 43; Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 12; Staudinger/ Hopt/Mülbert, 12. Aufl. 1989, § 607 Rn. 4. 88 Dazu Mülbert WM 2002, 465, 469. 89 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 29; Mülbert WM 2002, 465, 469. 90 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 5; Derleder/Knops/Bamberger/ Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 10 Rn. 14; Jauernig/Mansel, 14. Aufl. 2011, §§ 607–609 BGB Rn. 2; Staudinger/Hopt/Mülbert, 12. Aufl. 1989, § 607 Rn. 5. 91 Dazu S. 43. 92 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 30. 93 Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 39 Fn. 83.
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Emittent, Nennbetrag (soweit es sich um Nennbetragsaktien handelt) und Aktiengattung im Sinne des § 11 AktG abzustellen.94 Die „Güte“ einer Sache wird nicht durch ihren wirtschaftlichen Wert bestimmt; eventuelle Wertschwankungen zwischen dem Zeitpunkt der Überlassung und dem der Rückerstattung bleiben außer Betracht.95 Damit ergibt sich für das Sachdarlehen folgende Risikoverteilung: Der Darlehensnehmer trägt die Gefahr des Untergangs und der Verschlechterung, also das Beschaffungsrisiko,96 während der Darlehensgeber die Entwertungs- und Kursgefahr97 zu tragen hat. Auch im Übrigen kann bei Wertpapieren nicht von deren „Güte“ gesprochen werden, so dass sich die Rückerstattungspflicht des Darlehensnehmers allein nach Art und Menge richtet.98
IV. Zahlung eines Darlehensentgelts § 607 Abs. 1 S. 2 BGB sieht schließlich auch ein Pflicht des Darlehensnehmers zur Zahlung eines Darlehensentgelts vor.99 Die Entgeltlichkeit des Darlehens ist allerdings kein zwingendes Merkmal.100 § 607 Abs. 1 S. 2 BGB beschreibt somit die Entgeltlichkeit des Sachdarlehens als bloßen Regelfall, von dem die Parteivereinbarung abweichen kann.101
1. Das Darlehensentgelt als Zins Während in § 608 BGB a. F. noch von „Zinsen“ die Rede war, ohne zwischen Geld- und Sachdarlehen zu differenzieren und auch § 488 Abs. 1 S. 2 BGB in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes die Pflicht zur Zahlung des geschuldeten „Zinses“ regelt, sieht § 607 Abs. 1 S. 2 BGB nunmehr ein „Darlehensentgelt“ vor. Die Materialien zu § 607 BGB n. F. lassen nicht erkennen, dass der Gesetzgeber mit der geänderten Terminologie auch eine Änderung in der Sache beabsichtigte.102 Damit ist zu erörtern, ob das vom Sachdarlehensnehmer geschuldete Entgelt als Zins im Sinne des BGB einzuordnen ist mit der Folge, dass die allgemeinen zinsrechtlichen Regelungen, wie insbesondere die §§ 246, 248, 289 S. 1 BGB und das Akzessorietätsprinzip, anwendbar sind. 94
Häuselmann DB 2000, 495, 495. Siehe nur Staudinger/Hopt/Mülbert, 12. Aufl. 1989, § 607 Rn. 375. 96 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 29. 97 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 29; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.11; Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 607 Rn. 15. 98 Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 39 Fn. 83. 99 Kritisch dazu Coester-Waltjen JURA 2002, 675, 676. 100 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 3; Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 607 Rn. 1. 101 Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 7. 102 Vgl. BT-Drs. 14/6040 S. 259. 95
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Das BGB hat sich einer Zinsdefinition enthalten. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts, der zunächst auch der BGH folgte, stellen Zinsen „die vom Schuldner fortlaufend zu entrichtende Vergütung für den Gebrauch eines in Geld oder anderen vertretbaren Sachen bestehenden, auf Zeit überlassenen Kapitals“ dar und sind in einem im Voraus bestimmten Bruchteil der geschuldeten Menge ausgedrückt.103 In einem grundlegenden Aufsatz aus dem Jahr 1978 sprach sich Canaris dafür aus, auf die Merkmale der fortlaufenden Entrichtung und der Bemessung nach einem im Voraus bestimmten Bruchteil des Kapitals zu verzichten.104 Die fortlaufende Entrichtung der Zinsen sei zwar typisch, aber nicht begriffswesentlich.105 Statt des Erfordernisses der Bemessung nach einem im Voraus bestimmten Bruchteil, das etwa auch Vertragsgestaltungen ausschließen würde, in denen die Vergütung von dem jeweiligen Diskontsatz abhinge, seien Gewinn- und Umsatzunabhängigkeit unmittelbar in die Definition des Zinses aufzunehmen.106 Dieser modifizierten Zinsdefinition schloss sich der BGH an.107 Heute ist, mit geringen Unterschieden in der Formulierung, im Grundsatz unstreitig, dass der Zins, unabhängig von der Bezeichnung durch die Parteien, die gewinn- und umsatzunabhängige, aber laufzeitabhängige Vergütung für den Gebrauch eines auf Zeit überlassenen Kapitals darstellt.108 a) Zinsen als Entgelt für die Kapitalnutzungsmöglichkeit Um zu präzisieren, für welche Leistung der Darlehensnehmer diese gewinnund umsatzunabhängige, aber laufzeitabhängige Vergütung zu erbringen hat, weist die herrschende Ansicht darauf hin, dass es nicht auf den tatsächlichen Gebrauch des Kapitals durch den Darlehensnehmer ankomme, sondern auf die Möglichkeit des Gebrauchs.109 Zu keinem anderen Ergebnis führt die abweichende „Akzentsetzung“ K. Schmidts, der darauf abstellt, dass der Zins nicht für den Kapitalgebrauch des Schuldners, sondern für die Kapitalentbehrung des Gläubigers geschuldet werde.110 Denn auch er erkennt an, dass 103
Siehe nur RGZ 86, 399, 400 f.; 168, 284, 285 und BGH WM 1976, 974, 975. Canaris NJW 1978, 1891, 1891 f. 105 Canaris NJW 1978, 1891, 1891. 106 Canaris NJW 1978, 1891, 1891 f. 107 Seit BGH NJW 1979, 805, 806. 108 Siehe nur Derleder/Knops/Bamberger/Knops, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 11 Rn. 1 und Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 26 m. w. N. 109 Der BGH erwähnt in neueren Urteilen neben dem Gebrauch des Kapitals auch die Möglichkeit des Gebrauchs, so z. B. BGH NJW 1998, 2060, 2061; NJW-RR 1992, 591, 592. Aus der Literatur siehe etwa MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 488 Rn. 154; Derleder/Knops/Bamberger/Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 10 Rn. 9; Bamberger/Roth/ Grothe, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 246 Rn. 1; MünchKommBGB/ Grundmann, 6. Aufl. 2012, § 246 Rn. 12; Heermann, Geld und Geldgeschäfte, 2003, § 4 Rn. 17; Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 26; Staudinger/Hopt/ Mülbert, 12. Aufl. 1989, § 608 Rn. 1; Erman/Saenger, 13. Aufl. 2011, § 488 Rn. 49. 110 Staudinger/K. Schmidt, 12. Aufl. 1983, § 246 Rn. 8; auf die Kapitalentbehrung stellte auch BGH NJW-RR 1989, 947, 948 f. ab; genauso Staudinger/Blaschczok, 13. Bearb. 1997, 104
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die Möglichkeit des Kapitalgebrauchs des Schuldners das Spiegelbild der Kapitalentbehrung des Gläubigers ist.111 Das Abstellen auf die Möglichkeit des Gebrauchs ist im Übrigen schon aus dem Grund zutreffend, dass es mit der Gewinn- und Umsatzunabhängigkeit des Zinses schwer zu vereinbaren wäre, wenn auf den tatsächlichen Gebrauch abgestellt würde. b) Keine Gattungsgleichheit von Zinsen und Kapital Auch nach der Schuldrechtsreform ist allgemein anerkannt, dass das Kapital, für dessen Nutzungsmöglichkeit der Schuldner Zinsen zu entrichten hat, nicht in einer Geldsumme ausgedrückt werden muss; entscheidend ist allein, ob sich die verzinsliche Forderung auf vertretbare Sachen bezieht.112 Unterschiedlich wird allerdings beurteilt, ob Zinsen und Kapital jeweils derselben Gattung zugehören müssen, ob also beispielsweise die Zinsen für ein Gelddarlehen ebenfalls zwingend in Geld zu entrichten sind oder ob die Parteien auch die Leistung von anderen vertretbaren Sachen vereinbaren können. Nach einer Auffassung ist die Gattungsgleichheit von Zinsen und Kapital erforderlich.113 Die Gegenansicht verweist zutreffend darauf, dass bei Zugrundelegung der heute anerkannten Zinsdefinition, die darauf verzichtet, den Zins in einem im Voraus bestimmten Bruchteil des Kapitals auszudrücken, keine Gründe für dieses Erfordernis angeführt werden können.114 Zudem kann der Gläubiger durchaus ein anerkennenswertes Interesse an einer gattungsverschiedenen Zinsleistung haben, nämlich dann, wenn er sich bei einem Gelddarlehen zum Zweck der Wertsicherung ein Sachleistung ausbedingt.115 In dem umgekehrten Fall, dass ein Sachdarlehensgeber die Zinszahlungen des Darlehensnehmers vereinbarungsgemäß in Geld erhält, kann nichts anderes gelten. Für diese Sichtweise lässt sich auch die Entstehungsgeschichte des § 246 Rn. 7. Kritisch dazu MünchKommBGB/Grundmann, 6. Aufl. 2012, § 246 Rn. 12: Es bleibe offen, warum die Vertragsparteien – anders als in anderen Austauschbeziehungen – ihre Leistung nicht für den eigenen Nutzen, den sie von der Gegenleistung erhoffen, sondern für den entgangenen Nutzen des Vertragspartners erbringen sollten. 111 Staudinger/K. Schmidt, 12. Aufl. 1983, § 246 Rn. 8; siehe auch Mülbert AcP 192 (1992) 447, 498. 112 Belke BB 1968, 1219, 1222; Staudinger/Blaschczok, 13. Bearb. 1997, § 246 Rn. 9; Bamberger/Roth/Grothe, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 246 Rn. 1; MünchKommBGB/Grundmann, 6. Aufl. 2012, § 246 Rn. 4; Heermann, Geld und Geldgeschäfte, 2003, § 4 Rn. 12; Derleder/Knops/Bamberger/Knops, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 11 Rn. 1; Staudinger/K. Schmidt, 12. Aufl. 1983, § 246 Rn. 13. 113 Belke BB 1968, 1219, 1221; Erman/Saenger, 13. Aufl. 2011, § 488 Rn. 49 (ohne Begründung); zustimmend MünchKommBGB/v. Maydell, 3. Aufl. 1994, § 246 Rn. 5. 114 Gegen das Erfordernis der Gleichartigkeit sprechen sich z. B. aus Bamberger/Roth/ Grothe, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 246 Rn. 1; Heermann, Geld und Geldgeschäfte, 2003, § 4 Rn. 21; Derleder/Knops/Bamberger/Knops, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 11 Rn. 1; Staudinger/Hopt/Mülbert, 12. Aufl. 1989, § 608 Rn. 15. 115 So Staudinger/K. Schmidt, 12. Aufl. 1983, § 246 Rn. 13; Staudinger/Blaschczok, 13. Bearb. 1997, § 246 Rn. 16.
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BGB anführen. So sah § 105 des Teilentwurfs zum Obligationenrecht Nr. 6 vor,116 dass die Zinsen eines Darlehens, welches auf den Inhaber lautende Wertpapiere zum Gegenstand hat, auch dann in Geld zu bezahlen sind, wenn die Rückerstattung in Papieren derselben Art zu erfolgen hat. In den Beratungen der 1. Kommission wurde der Entwurf abgelehnt, da die Frage, ob die Zinsen eines solchen Wertpapierdarlehens in Geld zu bezahlen seien, „dem Gebiete der Auslegung des konkreten Vertrages“ angehörten.117 Damit wurde als selbstverständlich vorausgesetzt, dass die für ein Sachdarlehen geschuldeten Zinsen vereinbarungsgemäß in Geld geleistet werden können. c) Folgerung für das Sachdarlehen Das nach § 607 Abs. 1 S. 2 BGB geschuldete Darlehensentgelt ist bei gesetzestypischer Ausgestaltung als gewinn- und umsatzunabhängige, aber laufzeitabhängige Vergütung für die Möglichkeit des Gebrauchs eines auf Zeit überlassenen Kapitals als Zins im Sinne des BGB anzusehen. Die durch die Schuldrechtsreform geänderte Terminologie hat daran nichts geändert. Dies gilt insbesondere für die typische Vertragsgestaltung des Aktiendarlehens, die eine laufzeitabhängige Vergütung auf Basis des Marktwerts der betreffenden Wertpapiere vorsieht.118 Die allgemeinen zinsrechtlichen Regeln, wie etwa die §§ 246, 248, 289 S. 1 BGB, gelten damit auch für das Sachdarlehen.119
2. Das zinsrechtliche Akzessorietätsprinzip Zu den elementaren zinsrechtlichen Grundsätzen gehört das Akzessorietätsprinzip, nach dem die Pflicht des Schuldners zur Zinszahlung von der Hauptschuld (beim Darlehen die Pflicht zur Rückerstattung des Darlehens) in der Weise abhängig ist, dass vor Entstehen der Hauptschuld und nach deren Erlöschen keine Zinspflicht bestehen kann.120 Nach ganz herrschender Ansicht gilt es auch für vertraglich vereinbarte Darlehenszinsen.121 Dies ist 116 Zu § 105 des Entwurfs siehe Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse II, 1980, § 608 A. I. (S. 732). 117 172. Sitzung der 1. Kommission vom 5. Februar 1883, siehe Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse II, 1980, § 608 A. I. (S. 732), und die Motive, Mugdan, Band 2, 1899, S. 173 f. 118 Dazu S. 167 f. 119 So insbesondere Jauernig/Mansel, 14. Aufl. 2011, §§ 607–609 BGB Rn. 5. 120 Allgemein zum Akzessorietätsprinzip etwa Staudinger/Blaschczok, 13. Bearb. 1997, § 246 Rn. 10, 13; Bamberger/Roth/Grothe, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 246 Rn. 1; MünchKommBGB/Grundmann, 6. Aufl. 2012, § 246 Rn. 10; Heermann, Geld und Geldgeschäfte, 2003, § 4 Rn. 40. 121 Für die Geltung des Akzessorietätsprinzips beim Darlehen BGH NJW-RR 2007, 138, 140 f.; NJW 1983, 1543; NJW 1979, 540, 541; Staudinger/Blaschczok, 13. Bearb. 1997, § 246 Rn. 10, 13; Schimansky/Bunte/Lwowski/Bruchner/Krepold, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 78 Rn. 5; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 1327; Derleder/ Knops/Bamberger/Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 10 Rn. 9; MünchKommBGB/
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jedoch nicht unbestritten. Vor allem Mülbert122 hat sich für ein „nichtakzessorisches Vertragszinskonzept“ ausgesprochen, nach dem die Parteien auch einen Zeitpunkt vor der Valutierung des Darlehens (nämlich bereits ab Erfüllbarkeit des Auszahlungsanspruchs123) als Beginn der Zinspflicht vereinbaren können.124 Da das Akzessorietätsprinzip eng mit der Frage nach der synallagmatischen Struktur des Darlehens125 verbunden ist, ist eine ausführliche Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Standpunkten erforderlich. a) Die Sicht der Verfasser des BGB Das Akzessorietätsprinzip ist im BGB nicht ausdrücklich verankert, wurde aber von seinen Verfassern vorausgesetzt. In den Motiven wird es in aller Kürze behandelt: „Jede Zinsverbindlichkeit ist ihrem Wesen nach von einer Hauptverbindlichkeit abhängig. Ohne Hauptschuld kann eine Zinsenschuld nicht entstehen und nach Aufhebung der Hauptschuld entsteht auch kein Zinsenanspruch mehr (…).“126
Klargestellt wurde dort zudem, dass die „für die Zinsen überhaupt getroffenen Bestimmungen“ auch für Darlehenszinsen gelten.127 Es besteht aller Grund zu der Annahme, dass eine gesetzliche Regelung des Akzessorietätsprinzips nur deshalb unterblieb, weil sich dessen Geltung aus Sicht der Verfasser des BGB von selbst verstand.128 Denn für die an der Entstehung des BGB mitwirkenden Kommissionen war die Regelungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage stets ein wesentliches, über die Aufnahme einer entsprechenden Grundmann, 6. Aufl. 2012, § 246 Rn. 10; Heermann, Geld und Geldgeschäfte, 2003, § 4 Rn. 40, § 21 Rn. 9; Köndgen NJW 1987, 160, 163; Köndgen, Gewährung und Abwicklung grundpfandrechtlich gesicherter Kredite, 3. Aufl. 1994, S. 111 f.; Derleder/Knops/Bamberger/Knops, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 11 Rn. 1 und 6; Staudinger/K. Schmidt, 12. Aufl. 1983, § 246 Rn. 11, 37; Ebenroth/Boujong/Joost/Thessinga, 2. Aufl. 2009, BankR IV Rn. 148. – Zu ähnlichen Ergebnissen gelangen die Vertreter der These von der vertraglichen Akzessorietät, siehe dazu nur Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 184 (abweichende Abreden denkbar, aber kaum je praktisch gewollt). 122 Mülbert WM 2002, 465, 469 ff. und Mülbert AcP 192 (1992) 447, 491 ff. und 506 ff. 123 Dazu Mülbert WM 2002, 465, 471. – Bei einer weiteren Vorverlagerung auf einen Zeitpunkt vor Erfüllbarkeit soll auch nach Mülbert WM 2002, 465, 471 f. kein Zins im technischen Sinne, sondern ein Bereitstellungsentgelt geschuldet sein; in dieser Hinsicht noch anders Mülbert AcP 192 (1992) 447, 507. 124 Gegen das Akzessorietätsprinzip wenden sich – allerdings mit unterschiedlichen Folgerungen – auch MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 488 Rn. 166; Palandt/ Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 246 Rn. 8; Soergel/Häuser, 12. Aufl. 1997, § 608 Rn. 6; Schimansky/Bunte/Lwowski/Häuser, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 83 Rn. 103; Maurenbrecher, Das verzinsliche Darlehen im schweizerischen Recht, 1995, S. 12; Palandt/Weidenkaff, 72. Aufl. 2013, § 488 Rn. 14. 125 Dazu unten S. 125 ff. 126 Mugdan, Band 2, 1899, S. 9. 127 Mugdan, Band 2, 1899, S. 173. 128 Siehe auch Köndgen NJW 1987, 160, 163.
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Vorschrift in das Gesetzbuch entscheidendes Kriterium.129 Insbesondere wurde auf diejenigen Regeln verzichtet, die aus der Sicht der Gesetzesverfasser selbstverständlich waren, etwa, weil sie aus allgemeineren Regeln abgeleitet werden konnten.130 Als Beispiel dafür mag eine ebenfalls das Zinsrecht betreffende Frage dienen. So enthielt § 3 des Teilentwurfs zum Obligationenrecht Nr. 12 die folgende Bestimmung:131 „Zinsen können, ob sie auf Vertrag, letztwilliger Anordnung oder Gesetz beruhen, selbständig und auch nach Erfüllung der Hauptverbindlichkeit gefordert werden.“
Die Mehrheit der 1. Kommission stimmte für die Streichung dieser Vorschrift, da sie als selbstverständlich erscheine.132 In jedem Recht liege die Befugnis zur selbständigen gerichtlichen Geltendmachung, woran die akzessorische Natur des Rechts als eines Nebenrechts, welches das Bestehen eines anderen Hauptrechts voraussetze, nichts ändere. Genauso wie eine Regelung der selbständigen Geltendmachung von Nebenrechten für nicht erforderlich gehalten wurde, war offenbar auch die Akzessorietät von Zinsforderungen für die Verfasser des BGB eine nicht regelungsbedürftige Selbstverständlichkeit. b) Vereinbarkeit von Akzessorietätsprinzip und Konsensualvertragstheorie Gegen die Fortgeltung des Akzessorietätsprinzips für Darlehenszinsen wird vor allem von Mülbert die Komplementarität von Realvertragstheorie und Akzessorietätsprinzip angeführt;133 dieses sei gerade „im Rahmen der Realkontrakttheorie plausibel“.134 Der Zeitpunkt, an dem ein als akzessorisch zur Hauptschuld gedachter Zinsanspruch entstehe, also derjenige der Hingabe der Valuta, korrespondiere mit dem Zeitpunkt des Zustandeskommens 129 Grundlegend und mit zahlreichen Beispielen Jakobs, Wissenschaft und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht, 1983, S. 136 ff., insbesondere auch S. 144: „In den Verfassern des BGB konnte bei der ihnen gestellten Aufgabe nur ein wissenschaftlicher Geist lebendig sein, der sich konzentriert auf das, was zweifelhaft erscheint, der sich scheut, auch noch das Selbstverständliche auszusprechen, und der weiß, daß seine Ergebnisse immer nur ein Teil des Ganzen sein werden.“ 130 Jakobs, Wissenschaft und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht, 1983, S. 140 ff. 131 Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse I, 1978, § 246 A. I. (S. 69). 132 123. Sitzung der 1. Kommission vom 2. Oktober 1882, siehe Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse I, 1978, § 246 A. I. (S. 69). – Nicht überzeugen kann angesichts dieses Befunds die von Mülbert AcP 192 (1992) 447, 499 vertretene Ansicht, die Motive (Mugdan, Band 2, 1899, S. 9), nach denen die selbständige Geltendmachung von Nebenrechten „insbesondere“ für gesetzliche Zinsen gelten sollte, sprächen dafür, dass aus Sicht des Gesetzgebers „die Bedeutung des Akzessorietätsprinzips für Vertragszinsen weniger offensichtlich war als für gesetzliche“. 133 Zum Folgenden siehe Mülbert WM 2002, 465, 469 f. und Mülbert AcP 192 (1992) 447, 491 ff.; ähnlich MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 488 Rn. 166; Maurenbrecher, Das verzinsliche Darlehen im schweizerischen Recht, 1995, S. 122. 134 Mülbert WM 2002, 465, 470 („korrespondiert (…) auf das Schönste mit der Konzeption der Realkontrakttheorie (…)“; ausführlich Mülbert AcP 192 (1992) 447, 491 f.
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des als Realkontrakt verstandenen Darlehensvertrags. Zudem harmoniere das Akzessorietätsprinzip mit der Sichtweise des Darlehens als „Vertrag auf Rückgewähr“. Seien Zinsen, wie es die Realvertragstheorie lehre, die Gegenleistung für das Aufschieben des Rückgewähranspruchs, lasse sich schon damit erklären, dass vor Entstehen der Hauptschuld, d. h. vor Entstehen des Rückgewähranspruchs, kein Zinsanspruch bestehen könne. Dieses Verständnis des Darlehens führe damit für die Verzinsungspflicht zu demselben Ergebnis wie die Akzessorietätstheorie. Gegen diese Argumentation ist einzuwenden, dass aus der Komplementarität von Akzessorietätsprinzip und Realvertragstheorie nicht die Unvereinbarkeit von Akzessorietätsprinzip und Konsensualvertragstheorie folgt.135 Denn auch wenn ein Darlehensvertrag aus Sicht der Konsensualvertragstheorie bereits vor Hingabe der Valuta zustande kommt, kann es doch aus anderen Gründen als dem der Rechtsnatur des Darlehensvertrages sachgerecht sein, dass die Pflicht des Darlehensnehmers zur Zinszahlung von der Hauptschuld abhängt. Zwar mag der Hinweis darauf, dass es vor Hingabe des Darlehens auch keine Schuld gebe, aus der Zinsen errechnet werden können, als begrifflich-formales Argument wenig Überzeugungskraft besitzen. Nicht nur unter Zugrundelegung des Zinsbegriffs des BGB, sondern auch bei wirtschaftlicher Betrachtung ist jedoch der Zins als Entgelt für die Möglichkeit des Gebrauchs der Valuta anzusehen,136 was entscheidend dafür spricht, den Zeitraum der vertraglichen Zinspflicht an den Zeitraum zu koppeln, in dem der Darlehensnehmer zumindest die Möglichkeit des Gebrauchs der Valuta hat.137 Das Akzessorietätsprinzip ist daher kein Relikt, in dem die überwundene Realvertragstheorie fortwirkt, sondern eine Konsequenz der soeben erörterten und im Grundsatz allgemein anerkannten Zinsdefinition.138 Das Akzessorietätsprinzip ist also mit der Konsensualvertragstheorie vereinbar. Auch sonst ist kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, dass der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, der die Ausgestaltung des Darlehens als Konsensualvertrag auch im Wortlaut des § 488 BGB und des § 607 BGB nachvollzogen hat, von der Geltung des Akzessorietätsprinzips 135 Zutreffend Derleder/Knops/Bamberger/Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 10 Rn. 9 („mit der Konstruktion des Konsensualvertrags ohne weiteres kompatibel“); siehe auch Reifner NJW 1989, 952, 963. 136 Dazu auch K. Schmidt JZ 1976, 756, 757. 137 Ähnlich argumentieren die Vertreter der These der vertraglichen Akzessorietät, siehe nur Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 184. 138 Siehe auch Derleder/Knops/Bamberger/Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 10 Rn. 9 (Akzessorietätsprinzip ist dem Zinsbegriff inhärent); Kollhosser, ZIP 1986, 1429, 1435. – Aus diesem Grund lässt sich gegen das Akzessorietätsprinzip auch nicht einwenden, dass Zinsanspruch und Rückerstattungsanspruch in der Regel unterschiedliche Fälligkeitszeitpunkte haben (Zinsanspruch: periodisch, Rückerstattungsanspruch: Ende der Vertragslaufzeit oder Kündigung), so aber Soergel/Häuser, 12. Aufl. 1997, § 608 Rn. 6; Schimansky/Bunte/Lwowski/Häuser, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 83 Rn. 103.
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für den Darlehensvertrag abrücken wollte.139 Im Übrigen lässt sich die Akzessorietät von Darlehenszinsen zumindest mittelbar aus gesetzlichen Bestimmungen ableiten.140 Zu nennen ist vor allem die Vorschrift des § 803 Abs. 1 BGB, die einen Umkehrschluss auf die Geltung des Akzessorietätsprinzips für vertraglich vereinbarte Zinsen zulässt.141 Danach bleiben Zinsscheine, die für eine Schuldverschreibung auf den Inhaber ausgegeben werden, grundsätzlich in Kraft, auch wenn die Hauptforderung erlischt. Die Vorschrift bezweckt den Schutz des Emittenten und soll die Verkehrsfähigkeit von Zinsscheinen als eigenständigen Wertpapieren sicherstellen, trägt also wertpapier- und kapitalmarktrechtlichen Besonderheiten Rechnung.142 Gegen einen Umkehrschluss lässt sich nicht einwenden, dass verzinslichen Schuldverschreibungen nicht notwendig eine entgeltliche Kreditgewährung zugrunde liege und dass bei diesen im Übrigen der Parteiwille unabhängig vom Akzessorietätsprinzip in der Regel darauf gerichtet sei, dass die Zinszahlungspflicht mit dem Erlöschen der Hauptschuld ende, so dass § 803 Abs. 1 BGB gerade keine Aussagekraft für die Geltung des Akzessorietätsprinzips habe.143 Denn zum einen betrifft § 803 Abs. 1 BGB jedenfalls vertraglich vereinbarte Zinsen. Zum anderen ist diese Vorschrift nach der Vorstellung des Gesetzgebers144 als Ausnahme zum Akzessorietätsprinzip in das BGB aufgenommen worden und rechtfertigt somit einen Umkehrschluss. Schließlich kann auch § 354 Abs. 2 HGB angeführt werden.145 Ein Kaufmann, der in Ausübung seines Handelsgewerbes einem anderen Geschäfte besorgt oder Dienste leistet, kann nach dieser Norm auch ohne Verabredung für Darlehen vom Tag der Leistung an Zinsen berechnen. Die Regelung beruht auf dem Gedanken, dass Kaufleute Leistungen grundsätzlich nur entgeltlich erbringen; es handelt sich also um die (dispositive) gesetzliche Verankerung einer kaufmännische Übung.146 Nach einer anderen Ansicht beruht § 354 Abs. 2 HGB dagegen auf bereicherungsrechtlichen Wer139 Derleder/Knops/Bamberger/Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 10 Rn. 9; Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 183; Derleder/Knops/Bamberger/ Knops, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 11 Rn. 6. 140 Nach Mülbert AcP 192 (1992) 447, 500 soll die Nichtgeltung des Akzessorietätsprinzips für vertragliche Zinsschulden auch von § 452 BGB a. F. und § 641 Abs. 2 BGB a. F. (entspricht § 641 Abs. 4 BGB n. F.) bestätigt werden. Bei einer Stundung von Kaufpreis oder Werklohn liegt zwar in der Tat wirtschaftlich gesehen eine Kreditgewährung vor. Aus dem Entfallen der (gesetzlichen) Zinspflicht in diesem Spezialfall kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass es allgemein allein Sache der Parteien ist, die „Entgeltfrage“ zu regeln, und dass damit das Akzessorietätsprinzip auf die vertragliche Inanspruchnahme fremden Kapitals keine Anwendung finde. 141 So auch Hammen DB 1991, 953, 957 f. 142 Dazu statt aller MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, § 803 Rn. 1. 143 In diesem Sinne aber Mülbert AcP 192 (1992) 447, 500 Fn. 201. 144 Ausdrücklich Motive, Mugdan, Band 2, 1899, S. 9. 145 So auch Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 183; Derleder/ Knops/Bamberger/Knops, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 11 Rn. 6 146 Zutreffend MünchKommHGB/K. Schmidt, 2. Aufl. 2009, § 354 Rn. 1, 15; siehe auch
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tungen.147 Entscheidend ist aber, dass § 354 Abs. 2 HGB unabhängig von seiner dogmatischen Einordnung einen Zinsanspruch erst ab Leistungserbringung des Darlehensgebers, d. h. ab Valutierung, vorsieht. c) Vereinbarkeit von Akzessorietätsprinzip und Rechtsnatur des Darlehensvertrags Gegen die Akzessorietät des Darlehenszinses wird von Mülbert außerdem vorgebracht, dass bei allen entgeltlichen Gebrauchsüberlassungsverträgen die Zahlungspflicht des Leistungsempfängers unabhängig davon eintrete, ob dieser die Leistung tatsächlich in Anspruch nehme.148 Diesem konsensualistischen Regelungsmodell entspreche auch der Darlehensvertrag als Gebrauchsüberlassungsvertrag im weiteren Sinne.149 Methodisch begründet Mülbert dies mit einer analogen Anwendung des § 537 BGB auf den Darlehensvertrag, aus der folge, dass der Darlehensnehmer bei Nichtabnahme zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Zinsen verpflichtet sei.150 Gemäß § 537 Abs. 1 S. 1 BGB wird der Mieter von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Im Mietrecht ist anerkannt, dass die Norm trotz ihres Wortlauts („gehindert wird“) auch dann Anwendung findet, wenn der Mieter sich weigert, die Mietsache abzunehmen, oder wenn der Nichtgebrauch sonst auf einer Entscheidung des Mieters beruht.151 Der Normzweck des § 537 BGB ist darin zu sehen, dem Mieter das Verwendungsrisiko aufzuerlegen; die Miete soll eine Gegenleistung für die Gebrauchsmöglichkeit sein, nicht für den tatsächlichen Gebrauch.152 Es liegt in der Tat nicht fern, diese ratio legis auch für das Darlehen als einschlägig anBaumbach/Hopt/Hopt, 36. Aufl. 2014, § 354 Rn. 1; Koller/Roth/Morck/Roth, 7. Aufl. 2011, § 354 Rn. 1. 147 So insbesondere Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Kindler, 2. Aufl. 2009, § 354 HGB Rn. 33. 148 Mülbert WM 2002, 465, 470 f.; Mülbert AcP 192 (1992) 447, 507 ff. 149 Zu dieser Einordnung des Darlehens schon oben S. 98 ff. 150 Mülbert WM 2002, 465, 471; Mülbert AcP 192 (1992) 447, 510; eingeschränkt (analoge Anwendung nur bei Bestehen einer Abnahmepflicht) auch K. Schmidt JZ 1976, 756, 758. Zum gleichen Ergebnis (Anspruch auf die Vertragszinsen bei Nichtabnahme) gelangte Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 1340, der annahm, der Darlehensnehmer könne sich analog § 324 Abs.1 S. 1 BGB a. F. oder nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB nicht auf die Nichtvalutierung berufen. – Gegen eine Analogie sprechen sich insbesondere aus Derleder JZ 1989, 165, 170; Derleder/Knops/Bamberger/Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 10 Rn. 9; Derleder/Knops/Bamberger/Knops, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 11 Rn. 6; Köndgen, Gewährung und Abwicklung grundpfandrechtlich gesicherter Kredite, 3. Aufl. 1994, S. 111 f. 151 Siehe nur BGH NJW 2000, 1105, 1106; Bamberger/Roth/Ehlert, Beck’scher OnlineKommentar, Stand 01.02.2013, § 537 Rn. 6 m. w. N. 152 MünchKommBGB/Bieber, 6. Aufl. 2012, § 537 Rn. 1; Staudinger/Emmerich, Neubearbeitung 2011, § 537 Rn. 1.
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zusehen, da der Darlehensnehmer seine Leistung nur für die Möglichkeit des Kapitalgebrauchs erbringt.153 Nicht überzeugen kann der dagegen vorgebrachte Einwand Derleders,154 § 537 BGB trage einer Besonderheit von Mietverhältnissen Rechnung, da andernfalls Sachkapital des Vermieters brachliege, während der Darlehensgeber brachliegendes Geldkapital vermeiden könne. Denn es lässt sich keine pauschale, vom Einzelfall gelöste Aussage dazu treffen, ob insoweit Sach- oder Geldkapital für den Gläubiger problematischer ist. Zudem berücksichtigt dieser Einwand das Sachdarlehen nicht, was in letzter Konsequenz zu einer unterschiedlichen Behandlung von Geld- und Sachdarlehen führen würde, die angesichts der weitgehenden Gemeinsamkeiten der beiden Vertragstypen155 als nicht sachgerecht erscheint. Gegen die wertungsmäßige Vergleichbarkeit von Miete und Darlehen wird allerdings zum einen zu bedenken gegeben, dass die Berechnung von Vertragszinsen eine Leistung des Darlehensgebers voraussetze, die im Fall einer Abnahmeverweigerung des Darlehensnehmers nicht vorliege, und damit im Ergebnis auf die Besonderheiten des Zinsbegriffes abgestellt.156 Zum anderen wird darauf verwiesen, dass die Rechtsfolgen des § 537 BGB gerade bei langfristigen Darlehen nicht angemessen seien, da sie letztlich zu einem simulierten Leistungsaustausch über die gesamte Vertragslaufzeit führten, was beim Mietvertrag durch die vergleichsweise kurzfristigen Kündigungsmöglichkeiten des Mieters abgemildert werde.157 Fraglich ist im Übrigen, ob überhaupt eine Regelungslücke anzunehmen ist. Bei genauerer Betrachtung der Argumentation Mülberts wird deutlich, dass es dabei allenfalls vordergründig um das Fortleben realvertragstheoretischer, mit dem „konsensualistischen Regelungsmodell“ unvereinbarer Vorstellungen geht. Vielmehr wird die Analogie zu § 537 BGB letztlich mit dem Schutz der Vermögensinteressen des Darlehensgebers begründet.158 Auf Grundlage der herrschenden Ansicht wird der Schutz des Darlehensgebers in Fällen der Nichtabnahme der Valuta durch die Vereinbarung einer Abnahmepflicht erreicht.159 Besteht eine derartige Pflicht, löst ihre schuldhafte Verletzung einen Schadensersatzanspruch (bei ernsthafter und endgültiger Ver153
Dazu oben S. 114 f. Derleder/Knops/Bamberger/Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 10 Rn. 9. 155 Dazu bereits S. 102 f. 156 Graf von Westphalen/Fandrich, 31. Ergänzungslieferung 2012, Darlehensvertrag Rn. 65. 157 So insbesondere Köndgen, Gewährung und Abwicklung grundpfandrechtlich gesicherter Kredite, 3. Aufl. 1994, S. 112. 158 Mülbert WM 2002, 465, 471. 159 BGH NJW 2001, 509, 510; NJW 1991, 1817, 1818; NJW 1990, 981; NJW-RR 1990, 432, 433; MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 488 Rn. 67; Graf von Westphalen/ Fandrich, 31. Ergänzungslieferung 2012, Darlehensvertrag Rn. 65; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 11. Aufl. 2011, Darlehensverträge Rn. 8; Heermann, Geld und Geldgeschäfte, 2003, § 18 Rn. 18 ff.; Staudinger/Hopt/Mülbert, 12. Aufl. 1989, § 607 Rn. 367; Bamberger/ Roth/Rohe, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 488 Rn. 24; Ebenroth/Bou154
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weigerung auch ohne Fristsetzung, §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB) aus.160 Diskutiert wird jedenfalls für das entgeltliche Darlehen mit einmaliger Auszahlung, ob eine Abnahmepflicht auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung besteht.161 Dem ist für den Regelfall zuzustimmen. Denn bei der stets erforderlichen Auslegung der Vereinbarung spricht die Interessenlage zumindest bei fest zugesagter, einmalig auszuzahlender Darlehensvaluta für eine (konkludent vereinbarte) Abnahmepflicht.162 Da somit ein Schutz der Vermögensinteressen des Darlehensgebers über einen vertraglichen Schadensersatzanspruch für die Fälle gewährleistet ist, in denen das Verwendungsrisiko bei dem Darlehensnehmer liegt, kann von einer Regelungslücke keine Rede sein.163 Die Lösung der herrschenden Meinung ist auch flexibler als eine Analogie zu § 537 BGB, da eine vom Regelfall abweichende Interessenlage berücksichtigt werden kann. Eine solche kann aus der Art oder dem Zweck des Darlehens folgen, wie bei einem revolvierenden Darlehen oder einem Dispositionskredit.164 Eine Analogie zu § 537 BGB ist schließlich aus einem weiteren Grund abzulehnen. Wie bereits dargelegt, hat sich der Gesetzgeber bewusst für das Akzessorietätsprinzip entschieden.165 Das Fehlen einer dem § 537 BGB entsprechenden Regelung im Darlehensrecht kann deshalb auch nicht als planwidrige, eine Analogie rechtfertigende Regelungslücke angesehen werden.
jong/Joost/Thessinga, 2. Aufl. 2009, BankR IV Rn. 122; Palandt/Weidenkaff, 72. Aufl. 2013, § 488 Rn. 16. 160 Siehe nur BGH NJW 2001, 509, 509; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 11. Aufl. 2011, Darlehensverträge Rn. 8. – Köndgen, Gewährung und Abwicklung grundpfandrechtlich gesicherter Kredite, 3. Aufl. 1994, S. 74 f. weist zurecht darauf hin, dass die Abnahmepflicht keine synallagmatische Hauptpflicht ist (insoweit zutreffend auch Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 219). Da die Abnahme des Darlehens aber zwingende Voraussetzung für den Austausch der im Synallagma stehenden Leistungen (Kapitalbelassung und Verzinsung, dazu unten S. 126 ff.) ist, muss sich der Darlehensnehmer bei Verletzung der Abnahmepflicht so behandeln lassen, als habe er eine synallagmatische Hauptpflicht verletzt. 161 Dafür etwa Bamberger/Roth/Rohe, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 488 Rn. 24 („regelmäßig“) unter Berufung auf BGH NJW 1991, 1817, 1818. Dieses Urteil betrifft allerdings Grundstücksbeleihungen durch eine Hypothekenbank; von einer Abnahmepflicht sei dort schon aufgrund des Anlagezwecks auszugehen. – Insbesondere Derleder/Knops/Bamberger/Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 10 Rn. 10 verweist auf das Erfordernis einer (individualvertraglichen) Vereinbarung. 162 Zutreffend Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 11. Aufl. 2011, Darlehensverträge Rn. 8. 163 Siehe auch Derleder/Knops/Bamberger/Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 10 Rn. 9. 164 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 11. Aufl. 2011, Darlehensverträge Rn. 8. 165 Dazu oben S. 117 f.
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d) Vereinbarkeit von Akzessorietätsprinzip und darlehensvertraglichem Synallagma Das dritte Argument Mülberts ist das der Unvereinbarkeit von Akzessorietätsprinzip und synallagmatischer Struktur des Darlehensvertrags.166 Die Anwendung des Akzessorietätsprinzips neben den §§ 320 ff. BGB führe hinsichtlich des Zinsanspruchs zu widersprüchlichen Ergebnissen.167 Aus der synallagmatischen Verknüpfung folge, dass Zinsen für die vertraglich eröffnete Kapitalinanspruchnahme geschuldet seien; dieser Zeitraum könne bereits vor der Auszahlung des Darlehens beginnen und sei durch die Fälligkeit des Rückgewähranspruchs begrenzt.168 Daran ist zutreffend, dass, wie Mülbert formuliert, die „Verknüpfung von Kapitalgewährung und Zinsen nur für den Zeitraum der vertraglich berechtigten Kapitalinanspruchnahme gewollt sein“ kann.169 Jedoch lässt sich daraus nicht ableiten, dass aus der synallagmatischen Struktur des Darlehens zwingend ein anderer Zeitraum für die Pflicht zur Zinszahlung folgt. Erkennt man an, dass der Zins und der Gebrauch der Valuta im Entgeltlichkeitsverhältnis zueinander stehen und schon aus diesem Grund das Akzessorietätsprinzip gerechtfertigt ist,170 erscheint es sachgerecht, auch ein Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der Zinspflicht und der Pflicht zur Gebrauchsgewährung, also der Belassungspflicht, anzunehmen. Entgeltlichkeit und Gegenseitigkeit zweier vertraglicher Pflichten sind keine deckungsgleichen Begriffe; im Regelfall bedeutet Entgeltlichkeit jedoch auch Gegenseitigkeit.171 Ein entgeltlicher Vertrag kann zwar auch bei konditioneller Verknüpfung der Leistungspflichten vorliegen.172 Diese denkbare Ausnahme von der Regel trifft auf den gesetzestypischen Darlehensvertrag aber nicht zu. Die Akzessorietät der Darlehenszinsen hindert die Parteien im Übrigen nicht, für den Zeitraum vor Entstehung oder nach Erlöschen der Hauptschuld eine Gegenleistung des Darlehensnehmers (etwa ein Entgelt für die Bereithaltung der Valuta durch den Darlehensgeber) zu vereinbaren. Eine solche Gegenleistung stellt jedoch keinen Zins im technischen Sinne dar.173 166 Mülbert WM 2002, 465, 470 und Mülbert AcP 192 (1992) 447, 499 f. und 503 f.; zustimmend MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 488 Rn. 165. 167 Mülbert WM 2002, 465, 470. 168 Mülbert AcP 192 (1992) 447, 503. 169 Mülbert AcP 192 (1992) 447, 503. 170 Dazu oben S. 118 ff. 171 Staudinger/Otto/Schwarze, Neubearbeitung 2009, Vorbemerkungen zu §§ 320–326 Rn. 11. 172 Staudinger/Otto/Schwarze, Neubearbeitung 2009, Vorbemerkungen zu §§ 320–326 Rn. 11. 173 Die Zahlung von „Zinsen“ auf eine nicht bestehende Schuld ist eine Rentenleistung: Staudinger/Blaschczok, 13. Bearb. 1997, § 246 Rn. 10; Heermann, Geld und Geldgeschäfte, 2003, § 4 Rn. 40; Staudinger/Hopt/Mülbert, 12. Aufl. 1989, § 608 Rn. 1; Derleder/Knops/ Bamberger/Knops, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 11 Rn. 6; Staudinger/K. Schmidt, 12. Aufl. 1983, § 246 Rn. 11, 37.
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Die Einordnung der Pflicht des Darlehensnehmers zur Zinszahlung als synallagmatische Hauptpflicht ist somit vereinbar mit ihrer Qualifikation als akzessorische Verpflichtung.
3. Geltung des Akzessorietätsprinzips für das Sachdarlehen Somit ist festzuhalten, dass bereits die historische Auslegung für die Geltung des zinsrechtlichen Akzessorietätsprinzips spricht und dass keine Anhaltspunkte dafür existieren, dass der Gesetzgeber der Schuldrechtsreform dessen Aufhebung beabsichtigt hatte. Die soeben dargelegten Argumente lassen sich ohne weiteres auf das Sachdarlehen übertragen. Auch bei diesem gilt also, dass die Pflicht des Darlehensschuldners zur Zinszahlung von der Hauptschuld in der Weise abhängig ist, dass vor Entstehen der Hauptschuld und nach deren Erlöschen keine Zinspflicht bestehen kann.
C. Synallagmatische Pflichten der Parteien I. Das entgeltliche Darlehen als gegenseitiger Vertrag Die Neuregelung durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz passte den Wortlaut des § 488 Abs. 1 und des § 607 Abs. 1 S. 1 BGB an die Konsensualvertragstheorie an; die Überlassung des Darlehensgegenstandes ist keine Voraussetzung für die vertragliche Bindung beider Parteien.174 Damit schloss sich der Gesetzgeber der zum alten Darlehensrecht ganz herrschenden Ansicht an.175 Der Konsensualvertragstheorie entsprechend stellt das unentgeltliche (Sach-)Darlehen keinen einseitig verpflichtenden,176 sondern einen unvollkommen zweiseitig verpflichtenden Vertrag dar.177 Der Darlehensgeber ist in diesem Fall zu Über- und Belassung des Darlehensgegenstandes, der Darlehensnehmer zur Rückerstattung von Sachen gleicher Art, Güte und Menge verpflichtet. Beide Pflichten sind nicht synallagmatisch miteinander verknüpft. Demgegenüber wird das entgeltliche (Sach-)Darlehen heute unstreitig als gegenseitiger Vertrag eingeordnet.178
174 Dazu etwa MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 5. Kritisch zu der unter Geltung des alten Darlehensrechts zuletzt überwiegend angenommenen Irrelevanz des Theorienstreits Mülbert WM 2002, 465, 466 f. m. w. N. 175 BT-Drs. 14/6040 S. 259. 176 Dazu Mülbert AcP 192 (1992) 447, 453 f. 177 Statt aller MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 3. 178 Siehe nur Derleder/Knops/Bamberger/Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 9 Rn. 18; Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 25; Mülbert WM 2002, 465, 467; Wittig/Wittig WM 2002, 145, 146; für Gegenseitigkeit auch Vogler, Die Ansprüche der Bank bei Kündigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs, 1992, S. 176 ff., allerdings mit anderer dogmatischer Einordnung, dazu oben S. 99 f.
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II. Die mit der Zinszahlungspflicht des Darlehensnehmers im Synallagma stehenden Pflichten des Darlehensgebers 1. Meinungsstand Welche Pflichten des Darlehensgebers synallagmatisch mit der Zinszahlungspflicht179 des Darlehensnehmers verbunden sind, war jedoch zumindest vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform umstritten. Nach einer Ansicht180 standen die Pflicht zur Hingabe, also zur Überlassung der Valuta, und die Pflicht zur Belassung im Synallagma mit der Zinszahlungspflicht, nach der Gegenansicht181 war das Gegenseitigkeitsverhältnis auf die Belassungspflicht beschränkt.182 Nach der Schuldrechtsreform wird für das Gelddarlehen überwiegend die Auffassung vertreten, die Diskussion um die synallagmatische Struktur des Darlehens habe sich mit der Neufassung des § 488 BGB erledigt, aus der sich ergebe, dass die Pflicht, das Darlehen zur Verfügung zu stellen, also die Valuta zu überlassen und sie dem Darlehensnehmer zu belassen, im Gegenseitigkeitsverhältnis mit der Zinszahlungspflicht stünde.183
2. Die Auswirkungen des zinsrechtlichen Akzessorietätsprinzips Bereits erörtert wurde das zinsrechtliche Akzessorietätsprinzip, nach dem die Pflicht des Darlehensnehmers zur Zinszahlung von der Hauptschuld (also der Pflicht zur Rückerstattung des Darlehens) in der Weise abhängig ist, dass vor Entstehen der Hauptschuld und nach deren Erlöschen keine Zinspflicht bestehen kann.184 Erkennt man an, dass dieses Prinzip auch für vertraglich vereinbarte Zinsen gilt, wirft das die weitere Frage auf, ob die Zinspflicht, die bei diesem Verständnis zwingend erst nach Überlassung der 179 Nicht im Synallagma steht die ggf. vereinbarte Pflicht des Darlehensnehmers, Bereitstellungs„zinsen“ zu zahlen. Bei diesen handelt es sich nicht um Zinsen im technischen Sinne, sondern um die Gegenleistung dafür, dass der Darlehensnehmer seinen Anspruch auf Valutierung jederzeit fällig stellen kann, siehe etwa Schimansky/Bunte/Lwowski/Bruchner/ Krepold, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 78 Rn. 124; Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 212; so jetzt auch Mülbert WM 2002, 465, 471 f. (anders noch Mülbert AcP 192 (1992) 447, 507). 180 Mülbert AcP 192 (1992) 447, 507; Esser/Weyers, Schuldrecht, Band II, Teilband 1, 8. Aufl. 1998, § 26 II 2; Luther, Darlehen im Konkurs, 1990, S. 33 f. 181 OLG Karlsruhe NJW-RR 1989, 1069, 1069; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 1282 und 1322; Derleder JZ 1989, 165, 168; Soergel/Häuser, 12. Aufl. 1998, § 607 Rn. 115; Köndgen, Gewährung und Abwicklung grundpfandrechtlich gesicherter Kredite, 3. Aufl. 1994, S. 74; Staudinger/Hopt/Mülbert, 12. Aufl. 1989, § 607 Rn. 18; K. Schmidt JZ 1976, 756, 757 f. 182 Zur Argumentation siehe nur Mülbert AcP 192 (1992) 447, 456. 183 So MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, Vor § 488 Rn. 10 und § 488 Rn. 156; Heermann, Geld und Geldgeschäfte, 2003, § 21 Rn. 5 und 8; Erman/Saenger, 13. Aufl. 2011, Vor § 488 Rn. 5 und § 488 Rn. 6a; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Thessinga, 2. Aufl. 2009, BankR IV Rn. 26; im Ergebnis auch Mülbert WM 2002, 465, 470. 184 Oben S. 116 ff.
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Valuta entsteht, in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Überlassungspflicht stehen kann. Mülbert weist darauf hin, dass auf Grundlage des Akzessorietätsprinzips ein Zinsanspruch für den Auszahlungszeitraum schon begrifflich nicht gegeben sein könne; ein synallagmatisches Verhältnis beider Pflichten lasse sich auch nicht durch die Annahme begründen, der Darlehensgeber erbringe eine Vorleistung.185 Denn Mindestvoraussetzung für ein Gegenseitigkeitsverhältnis i. S. d. §§ 320 ff. BGB sei, „daß theoretisch jeder der Ansprüche als erster entstehen und damit jede der Leistungen als erste befreiend erbracht werden kann, daß also eine Leistung nicht zwingend nur als ‚Vorleistung‘ möglich ist.“186 Dem ist zwar im Ausgangspunkt zuzustimmen, so dass grundsätzlich nur Belassungs- und Zinszahlungspflicht im Synallagma stehen. Diese formale Betrachtungsweise berücksichtigt jedoch nicht ausreichend, dass – vom Sonderfall des Vereinbarungsdarlehens abgesehen – die Überlassung des Darlehensgegenstandes zwingende Voraussetzung für dessen Belassung ist.187 Dies gilt im Übrigen unabhängig von der Konstruktion des Darlehensvertrages als Real- oder Konsensualvertrag. Wie bereits Köndgen zum alten Schuldrecht zutreffend ausgeführt hat, müssen sich die Parteien, wenn sie gleichsam im Vorfeld der Erfüllung der synallagmatischen Pflichten zur Belassung und Zinszahlung den Leistungsaustausch blockieren (etwa durch Nichtvalutierung), so behandeln lassen, als sei eine synallagmatische Hauptpflicht verletzt worden.188 Dies bedeutet, dass der Darlehensnehmer bei Nichtvalutierung zwar nicht verpflichtet ist, auf Überlassung der Darlehensvaluta Zug um Zug gegen Zinszahlung zu klagen.189 Dennoch muss sich der Darlehensgeber bei einer Verletzung seiner Pflicht zur Überlassung so behandeln lassen, als hätte er die Belassungspflicht verletzt. In Betracht kommen also ein Rücktritt des Darlehensnehmers nach § 323 BGB und Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 BGB.190
3. Vereinbarkeit mit dem Darlehensrecht der Schuldrechtsreform Die so verstandene synallagmatische Verknüpfung von Belassungs- und Zinszahlungspflicht ist auch mit der Neufassung des Darlehensrechts durch die Schuldrechtsreform vereinbar. Der Wortlaut von § 488 Abs. 1 S. 1 BGB 185
Mülbert AcP 192 (1992) 447, 493. Mülbert AcP 192 (1992) 447, 493. 187 In diesem Sinne Derleder/Knops/Bamberger/Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 10 Rn. 8; Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 25; Köndgen, Gewährung und Abwicklung grundpfandrechtlich gesicherter Kredite, 3. Aufl. 1994, S. 74 f. 188 Köndgen, Gewährung und Abwicklung grundpfandrechtlich gesicherter Kredite, 3. Aufl. 1994, S. 75, mit dem zutreffenden Hinweis darauf, dass das gleiche für eine ggf. vereinbarte Abnahmepflicht des Darlehensnehmers (dazu schon S. 123) gilt. 189 Auch wenn dieser Fall in der Praxis eher selten vorkommen dürfte, dazu Derleder/ Knops/Bamberger/Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 10 Rn. 8. 190 Derleder/Knops/Bamberger/Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 10 Rn. 8. 186
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und § 607 Abs. 1 S. 1 BGB stellt klar, dass auch die Überlassung zu den Hauptpflichten des Darlehensgebers gehört. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass die Überlassungspflicht in der geschilderten Weise „am Gegenseitigkeitsverhältnis teilnimmt“.191 Im Übrigen war mit der nun auch im Gesetzestext nachvollzogenen Festschreibung der Konsensualvertragstheorie keine weitergehende Änderung der Rechtslage beabsichtigt.192
D. Der Dauerschuldcharakter des Sachdarlehens Unter Geltung des modernisierten Schuldrechts ist heute unstreitig, dass das (Sach-)Darlehen, wie auch die Gebrauchsüberlassungsverträge i. e. S., ein Dauerschuldverhältnis darstellt.193 Die von Vogler zu den §§ 607 ff. BGB a. F. vertretene Gegenauffassung beruht darauf, dass dieser keine Belassungspflicht des Darlehensgebers anerkennt.194 Diese Ansicht ist, wie bereits dargelegt, abzulehnen.195 Somit sind sowohl die Belassungspflicht des Darlehensgebers als auch die Zinszahlungspflicht des Darlehensnehmers zeitabhängig.196
E. Abgrenzung zu den Gebrauchsüberlassungsverträgen i. e. S. Die Abgrenzung des Sachdarlehens von den Gebrauchsüberlassungsverträgen i. e. S. ist vor allem vor dem Hintergrund vorzunehmen, dass das Wertpapierdarlehen in der Praxis häufig untechnisch als „Wertpapierleihe“ bezeichnet wird. Von der Leihe gemäß § 598 BGB (und den anderen Gebrauchsüberlassungsverträgen i. e. S.) unterscheidet sich das Sachdarlehen primär dadurch, dass der Darlehensnehmer Eigentum an dem Darlehensgegenstand erwirbt und sich seine Rückerstattungspflicht dementsprechend lediglich auf Sachen gleicher Art, Güte und Menge richtet.197 Folgen davon 191 So die Formulierung von Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 25. 192 Siehe auch S. 125. 193 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, Vor § 488 Rn. 12; Coester-Waltjen Jura 2002, 675, 676; Derleder/Knops/Bamberger/Derleder, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 10 Rn. 1; Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 24; Heermann, Geld und Geldgeschäfte, 2003, § 21 Rn. 86; Jauernig/Mansel, 14. Aufl. 2011, § 488 Rn 1; Bamberger/ Roth/Rohe, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 488 Rn. 112; Laudenklos/ Sester ZIP 2005, 1757, 1759; Palandt/Weidenkaff, 72. Aufl. 2013, Vorb v § 488 Rn. 4; Wittig/Wittig WM 2002, 145, 149. 194 Vogler, Die Ansprüche der Bank bei Kündigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs, 1992, S. 160 ff., insbesondere S. 165. 195 Dazu S. 99 f. 196 Siehe zu diesem Erfordernis nur Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 24. 197 Dazu bereits oben S. 112 ff. Siehe auch Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 2; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 12 ff.
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sind insbesondere die Berechtigung des Darlehensnehmers, über den Darlehensgegenstand zu verfügen, und das Fehlen eines Aussonderungsrechts198 des Darlehensgebers in der Insolvenz des Darlehensnehmers. Für die in der Praxis verbreitete und gerade in der älteren Rechtsprechung199 und Literatur200 vielfach zu findende Bezeichnung „Wertpapierleihe“ lassen sich zwei Gründe ausmachen. Zum einen kann darin eine (zu) wörtliche Übersetzung des im angloamerikanischen Raum oft auch als Oberbegriff für Wertpapierdarlehen und Geschäfte mit ähnlichem wirtschaftlichen Zweck verwendete Terminus securities lending gesehen werden.201 Wertpapierleihe in diesem Sinne ist damit kein juristischer terminus technicus, sondern lediglich die Bezeichnung für einen wirtschaftlichen Vorgang.202 Zum anderen werden Wertpapierdarlehensverträge üblicherweise derart ausgestaltet, dass sich der Darlehensnehmer verpflichtet, den Darlehensgeber durch Kompensationszahlungen (manufactured payments) wirtschaftlich so zu stellen, als habe dieser die Früchte der Wertpapiere (Zinsen, Dividenden und Bezugsrechte) selbst gezogen und als sei er – ähnlich einem Verleiher – Eigentümer der Wertpapiere geblieben.203 Insofern ist auf schuldrechtlicher Ebene zumindest eine Annäherung an einen Leihvertrag gegeben.204 Unabhängig von der terminologischen Frage ist jedoch weitgehend anerkannt, dass die „Wertpapierleihe“ in ihrer typischen, durch die verschiedenen Musterverträge205 geprägten Ausgestaltung als Sachdarlehen einzuordnen ist.206 198
Siehe nur Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 24. RGZ 153, 384, 385 f. 200 In der neueren Literatur wird überwiegend der Terminus „Wertpapierdarlehen“ bevorzugt, beispielhaft etwa Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 16; Kort WM 2006, 2149, 2149. 201 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 6; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 28; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 34; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 11; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.6; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 1; Hellner/Steuer/Neuhaus/ Böhm, BuB, Rn. 7/1149; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 79. 202 Schäfer ÖBA 2000, 461, 466 Fn. 17. 203 Zur üblichen Vertragsgestaltung siehe S. 187 f. 204 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 7; Bieg, Die externe Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute, 1999, S. 162; Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 38; Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 21; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 21; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 40 f.; Schimansky/ Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 34; Weissmann, Die Wertpapierleihe in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 19. 205 Allgemein zu diesen S. 22 ff. 206 So insbesondere Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 2 f.; Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 600; MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 6; Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 25; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 20 f.; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 27 f.; 199
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Dies stimmt damit überein, dass die damit vom Darlehensnehmer in der Regel verfolgten Zwecke207 dessen Eigentumserwerb voraussetzen.208
F. Das Sachdarlehen als Verbraucherdarlehen Wie bereits angesprochen, nennt die Regierungsbegründung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes als einen der Gründe für die separate Normierung des Gelddarlehens in den §§ 488 ff. BGB und des Sachdarlehens in den §§ 607 ff. BGB die auch durch das Verbraucherkreditrecht verursachte Entwicklung von zwei voneinander getrennten Regelungsbereichen in der Rechtswirklichkeit.209 Keine Auskunft geben die Materialien aber darüber, ob eine Anwendung der den Verbraucherdarlehensvertrag erfassenden §§ 491 ff. BGB auf Sachdarlehensverträge zumindest in Ausnahmefällen erwogen wurde. Aus dem allgemeinen, unter anderem mit dem Verbraucherdarlehensrecht begründeten Hinweis auf die unterschiedliche Rechtswirklichkeit der beiden Vertragstypen lässt sich damit nicht schließen, die Gesetzesverfasser hätten sich bewusst gegen eine Erstreckung auf Sachdarlehensverträge entschieden.210 Aufgrund der systematischen Stellung des Verbraucherkreditrechts wird jedoch teilweise die Ansicht vertreten, die §§ 491 ff. BGB fänden auf Sachdarlehen keine Anwendung.211 Die Gegenauffassung verweist darauf, dass der Kreditbegriff der Verbraucherkreditrichtlinie auch Sachdarlehen, insbesondere Wertpapierdarlehen erfasse, und dass deshalb eine richtlinienkonforme Auslegung des deutschen Rechts geboten sei.212 Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 40 f.; Soergel/Heintzmann, 13. Aufl. 2007, Vor § 598 Rn. 8; Haisch/Helios/Haisch, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 1 Rn. 133; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 31; Kümpel WM 1990, 909, 909 f.; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 3. Aufl. 2007, § 3 Rn. 109; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 79; Zerey/Storck, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 12 Rn. 6; Weissmann, Die Wertpapierleihe in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 18 f.; anders jedoch Dörge AG 1997, 396, 397; Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 37 (einzelfallbezogene Berücksichtigung der Parteivereinbarung). 207 Dazu ausführlich S. 36 ff. 208 Siehe etwa Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 2 f.; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 39; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 28; Kümpel WM 1990, 909, 910; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.7 ff.; Zerey/Storck, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 12 Rn. 6. 209 BT-Drs. 14/6040 S. 258. 210 Staudinger/Kessal-Wulf, Neubearbeitung 2012, § 491 Rn. 50 und MünchKommBGB/ Schürnbrand, 6. Aufl. 2012, § 491 Rn. 43 gehen von einem Redaktionsversehen aus. 211 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 1; Bülow NJW 2002, 1145, 1146; Jauernig/Mansel, 14. Aufl. 2011, §§ 607–609 BGB Rn. 1; Erman/Saenger, 13. Aufl. 2011, § 491 Rn. 2. 212 Staudinger/Freitag/Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 16; Habersack BKR 2001, 72, 73; Bamberger/Roth/Möller, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.05.2012, § 491 Rn. 36; MünchKommBGB/Schürnbrand, 6. Aufl. 2012, § 491 Rn. 43.
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Auch wenn zutreffend ist, dass unter den Kreditbegriff der Verbraucherkreditrichtlinie zumindest auch Wertpapierdarlehen subsumiert werden können, lässt sich eine analoge Anwendung der §§ 491 ff. BGB bereits aus der Systematik des deutschen Darlehensrechts begründen. Denn nach der hier vertretenen Ansicht ist eine entsprechende Anwendung von Vorschriften aus dem Gelddarlehensrecht auf das bewusst rudimentär geregelte Sachdarlehen wegen der grundlegenden Parallelen, die zwischen beiden Formen des Darlehens bestehen, zulässig.213 Entscheidendes Argument für eine analoge Anwendung der §§ 491 ff. BGB ist freilich, dass im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit eines Verbrauchers keine Unterschiede zwischen einem Gelddarlehen und einem Wertpapierdarlehen erkennbar sind, auch wenn in der Praxis Verbraucher eher selten als Darlehensnehmer auftreten werden.214
§ 8 Gegenstand des Aktiendarlehens § 607 Abs. 1 S. 1 BGB sieht vor, dass nur vertretbare Sachen im Sinne des § 91 BGB, also Sachen, die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegen, Gegenstand eines Sachdarlehens sein können.215 Nachfolgend ist daher zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen Aktien als vertretbare Sachen zu qualifizieren sind. Da die darlehensweise zur Verfügung gestellten Aktien in der Praxis stets nach den Vorschriften des Depotgesetzes verwahrt sein werden, ist auch auf die sich daraus ergebenden Besonderheiten einzugehen. Nur am Rande zu erwähnen sind dagegen die sogenannten Wertrechte, da die einschlägigen Rechtsgrundlagen (insbesondere das BWpVerwG) eine Gleichstellung mit Wertpapieren nur für Schuldbuchforderungen vorsehen und somit unter den Wertrechten kein Äquivalent zur Aktie existiert.
A. Die Sachqualität der verbrieften Mitgliedschaft I. Grundlagen 1. Der Wertpapierbegriff des Wertpapierrechts Nach dem von der herrschenden Meinung vertretenen, weiten Wertpapierbegriff des Wertpapierrechts ist ein Wertpapier eine Urkunde, die ein privates Recht derart verbrieft, dass es nur von dem Inhaber der Urkunde ausgeübt werden kann.216 Auf die insoweit nach wie vor bestehenden Streitfragen 213
Dazu oben S. 102 f. Zu den Beteiligten am Wertpapierdarlehensgeschäft S. 12 ff. 215 Dazu schon oben S. 110 f. 216 Aus der neueren Literatur etwa Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht der kartengestützten Zahlungen, 23. Aufl. 2008, WPR Rn. 16, 18; 214
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muss in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht eingegangen werden, da der enge Wertpapierbegriff mit seinem Erfordernis, dass die Verfügung über das verbriefte Recht durch die Verfügung über das Papier erfolgen muss, lediglich Rektapapiere und qualifizierte Legitimationspapiere ausschließt,217 während Aktien als Inhaber- oder Orderpapiere218 unstreitig Wertpapiere im Sinne des Wertpapierrechts sind. Im Ausgangspunkt weisen Urkunden, die den Wertpapierbegriff des Wertpapierrechts erfüllen, als körperliche Gegenstände unabhängig von der Art des Wertpapiers und dessen Verwahrung ohne weiteres Sachqualität im Sinne des § 90 BGB auf.219
2. Der Wertpapierbegriff des Kapitalmarktrechts Soweit Wertpapiere als Kapitalmarktprodukte und damit in einem anonymisierten Massenmarkt gehandelt werden sollen, treten andere, für einen reibungslosen, kostengünstigen und schnellen Handel unerlässliche Aspekte in den Vordergrund, namentlich die Fungibilität und die Zirkulationsfähigkeit dieser Produkte.220 Dies findet seinen Ausdruck im kapitalmarktrechtlichen, in § 2 Abs. 1 WpHG definierten Wertpapierbegriff. Danach sind Wertpapiere im Sinne des WpHG alle Gattungen von übertragbaren Wertpapieren mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten, die ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar sind, und zwar auch dann, wenn keine Urkunden über sie ausgestellt sind.
3. Der Funktionsverlust von Wertpapierurkunden Diese Verschiebung der Akzentsetzung bei einer Gegenüberstellung von wertpapierrechtlichem und kapitalmarktrechtlichem Wertpapierbegriff wird auch mit den Begriffen der Entmaterialisierung und des Funktionsverlusts von Wertpapierurkunden beschrieben.221 Für Aktien, die, wie soeben angeMünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, Vorbemerkungen §§ 793 ff. Rn. 7; Lehmann, Finanzinstrumente, 2009, S. 11 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 2.2; Staudinger/Marburger, Neubearbeitung 2009, Vorbemerkung zu §§ 793–808 Rn. 1; Schimansky/Bunte/Lwowski/Seiler/Kniehase, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 104 Rn. 37. 217 MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, Vorbemerkungen §§ 793 ff. Rn. 8; Lehmann, Finanzinstrumente, 2009, S. 12 f.; Staudinger/Marburger, Neubearbeitung 2009, Vorbemerkung zu §§ 793–808 Rn. 2. 218 Dazu noch unten S. 143 f. 219 Statt aller Staudinger/Jickeli/Stieper, Neubearbeitung 2011, § 90 Rn. 54; MünchKommBGB/Stresemann, 6. Aufl. 2012, § 90 Rn. 22. 220 Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 11, 17 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 2.3 ff. 221 So etwa Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, 1995, S. 12 ff.; Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 12; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 2.32 ff., insbesondere Rn. 2.45; Assmann/Schütze/Roth, 3. Aufl. 2007, § 10 Rn. 19; Than, in: FS Schimansky, 1999, S. 821, 828 ff.
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sprochen, auch den wertpapierrechtlichen Wertpapierbegriff erfüllen, bedeutet diese Entmaterialisierung freilich keinen Verzicht auf die Verbriefung, d. h. die Ausstellung einer Urkunde.222 In einer fortschreitenden, durch Änderungen im DepotG und im AktG ermöglichten Entwicklung ist den Erfordernissen des Handels an den Kapitalmärkten vielmehr durch die immer weitergehende Immobilisierung der Aktienurkunden und die damit verbundene Rationalisierung des Effektenhandels Rechnung getragen worden.223 Zu den Rationalisierungsschritten zählen insbesondere die Festlegung der Sammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank (Girosammelverwahrung) als Regelverwahrform (§ 5 Abs. 1 S. 1 DepotG) sowie die Einführung von Sammel- oder Globalurkunden (§ 9a DepotG). Als Folge der Sammelverwahrung entsteht gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 DepotG, der eine lex specialis zu § 948 BGB darstellt, mit dem Zeitpunkt des Eingangs beim Sammelverwahrer für die bisherigen Eigentümer der Wertpapiere Miteigentum nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand des Verwahrers gehörenden Wertpapieren derselben Art. Schließlich ermöglichen es § 10 Abs. 5 AktG und § 9a Abs. 3 S. 2 DepotG, Dauerglobalurkunden zu schaffen, d. h., den Anspruch des Aktionärs auf Einzelverbriefung auszuschließen. Damit ist es möglich, die Anteile aller Aktionäre dauerhaft in einer Urkunde zusammenzufassen und diese in Sammelverwahrung zu geben. Die Übertragung von derart verbrieften und verwahrten Wertpapieren erfolgt aus Sicht der herrschenden Meinung nach den §§ 929 ff. BGB, und zwar „stückelos“, d. h., ohne dass es zu einer Übertragung des unmittelbaren Besitzes an den Dauerglobalurkunden kommt.224 Unmittelbare Besitzerin dieser Urkunden bleibt stattdessen die Clearstream Banking AG mit Sitz in Frankfurt a. M. als einzige nach § 1 Abs. 3 DepotG anerkannte225 Wertpapiersammelbank.226 Die geschilderte Entwicklung ist gerade auch für Aktiendarlehen von großer praktischer Bedeutung, da diese in aller Regel die Aktien von börsenno222 Die h. M. geht unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien zu § 10 Abs. 5 AktG (BTDrs. 13/10038 S. 25) zu Recht davon aus, dass der Aktionär jedenfalls einen Anspruch auf Verbriefung aller Aktien in einer Globalurkunde hat, so z. B. OLG München NZG 2005, 756, 757; KölnKommAktG/Dauner-Lieb, 3. Aufl. 2010, § 10 Rn 12; Eder NZG 2004, 107, 112; MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 57; MünchKommAktG/Heider, 3. Aufl. 2008, § 10 Rn. 58; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 10 Rn. 10; Mentz/Fröhling NZG 2002, 201, 208; Mülbert, in: FS Nobbe, 2009, S. 691, 697. – a. A. Noack, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1141, 1148 ff.; Schwennicke AG 2001, 118, 124; Schmidt/Lutter/Ziemons, 2. Aufl. 2010, § 10 Rn. 33. 223 Zu dieser Entwicklung ausführlich Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 2.36 ff.; Assmann/Schütze/Roth, 3. Aufl. 2007, § 10 Rn. 19 ff. 224 Zur Übertragung von Aktien in Girosammelverwahrung noch unten S. 176 f. 225 Baumbach/Hopt/Hopt, 36. Aufl. 2014, § 1 DepotG Rn. 6; Kümpel/Wittig/Will, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 18.94. 226 Hirte/Knof WM 2008, 7, 10. – Allgemein zu dieser Immobilisierung der Urkunden Lehmann, Finanzinstrumente, 2009, S. 20 ff.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 2.38 f.
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tierten Gesellschaften zum Gegenstand haben.227 Im Folgenden ist deshalb darauf einzugehen, ob sich aus der Girosammelverwahrung Besonderheiten für die Sachqualität von Aktien als möglichen Gegenstand eines Darlehens im Sinne von § 607 BGB ergeben.
II. Die Sachqualität von girosammelverwahrten Aktien Nach der Regierungsbegründung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes gelten als Sachen im Sinne von § 607 Abs. 1 BGB auch „nur mittelbar verkörperte Sachen“, womit nach §§ 5 f. DepotG girosammelverwahrte Wertpapiere gemeint sind.228 Unerheblich sei daher, ob es „zu einer Überlassung der verbrieften, körperlichen Urkunde“ komme.229 In der Literatur wird dieser Sichtweise zugestimmt,230 obwohl darauf hingewiesen wird,231 dass eine Anwendung der §§ 607 ff. BGB auf nach dem DepotG verwahrte Wertpapiere nicht selbstverständlich sei. Auch wenn die Geltung des Sachdarlehensrechts für Darlehensverträge, die girosammelverwahrte Aktien zum Gegenstand haben, im Ergebnis nicht bestritten wird und auch keine Sachgründe dafür erkennbar sind, derartige Verträge anders zu qualifizieren, ist dennoch zumindest der Frage nachzugehen, ob dieser Vertragsgegenstand eine unmittelbare oder ggf. nur eine analoge Anwendung der §§ 607 ff. BGB rechtfertigt. Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage ist – neben der Vertretbarkeit von Aktien232 – ihre Sachqualität im Sinne von § 90 BGB. Die von den Gesetzesverfassern gewählte Terminologie der „mittelbar verkörperten Sachen“ ist insoweit freilich irreführend. Zwar ist nicht abschließend geklärt, nach welchen Vorschriften sich der rechtsgeschäftliche Erwerb (vom Berechtigten und vom Nichtberechtigten) von girosammelverwahrten Wertpapieren vollzieht und – als Vorfrage dazu – ob der Hinterleger mittelbarer (Mit-)Besitzer der Urkunde ist,233 worauf die Formulierung in der Regierungsbegründung anspielen dürfte. Alldies ändert aber nichts daran, dass es sich auch bei girosammelverwahrten Wertpapieren um körperliche Gegenstände und damit um Sachen handelt.234 227 Siehe nur Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 9; Haisch/Helios/ Haisch, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 1 Rn. 132. 228 BT-Drs. 14/6040 S. 259. 229 BT-Drs. 14/6040 S. 259. 230 Bamberger/Roth/Rohe, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.11.2012, § 607 Rn. 5 („Die Sachqualität ergibt sich aus der bloßen Möglichkeit einer Verbriefung.“); Erman/Saenger, 13. Aufl. 2011, § 607 Rn. 2; MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 26; Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 607 Rn. 7; Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 9. 231 So Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 9. 232 Dazu unten S. 142 ff. 233 Dazu sogleich S. 136 ff. 234 Hirte/Knof WM 2008, 7, 10. – Missverständlich daher die Aussage von Münch-
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1. Die Bedeutung der rechtspolitischen Diskussion Da die Sachqualität auch der Dauerglobalurkunde als Wertpapier235 trotz ihrer Immobilisierung unbestreitbar ist, kommt der überwiegend aus rechtspolitischer Sicht geführten Diskussion über die sich aus dem Funktionsverlust von Wertpapierurkunden ergebenden Auswirkungen auf die zivilrechtliche Einordnung und Behandlung von Kapitalmarktprodukten keine entscheidende Bedeutung für die Frage der Anwendung der §§ 607 ff. BGB auf girosammelverwahrte Aktien zu. So hat die von Opitz begründete236 Wertrechtslehre, nach der sachenrechtliche Vorschriften wie insbesondere die §§ 929 ff. BGB auf unverbriefte Rechte anzuwenden sind, im Wesentlichen für sogenannte Jungscheine Bedeutung, deren Übertragung die herrschende Ansicht nur nach den §§ 413, 398 BGB zulassen möchte.237 Dabei handelt es sich um die schriftliche Verpflichtung des Konsortialführers der emissionsbegleitenden Banken, die Wertpapiere nach Erscheinen an die Wertpapiersammelbank zu liefern, durch die ein Handel mit noch unverbrieften (Aktien-)Rechten möglich wird.238 De lege ferenda wird dagegen verbreitet die Einführung eines (das bisherige System ergänzenden) urkundenlosen Bucheffektensystems vorgeschlagen, in dem sich die Übertragung losgelöst von den Vorschriften des Sachenrechts vollziehen soll.239
KommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 26, in der Praxis würden „in diesen Fällen aber fast immer keine Wertpapiere und damit keine Sachen iS von § 90 übereignet.“ 235 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 11.246. 236 Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, 1954, S. 426 ff. Die h. M. lehnt die Wertrechtslehre ab, BGHZ 160, 121, 124 = BGH NJW 2004, 3340; Baumbach/Hefermehl/ Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht der kartengestützten Zahlungen, 23. Aufl. 2008, WPR Rn. 101; Fabricius AcP 162 (1963), 456, 464 ff.; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, Vor §§ 793 ff. Rn. 35; Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz, 1975, § 42 Rn. 28; Baumbach/Hopt/Hopt, 36. Aufl. 2014, § 1 DepotG Rn. 2; Lehmann, Finanzinstrumente, 2009, S. 250 ff.; Staudinger/Marburger, Neubearbeitung 2009, Vorbemerkung zu §§ 793– 808 Rn. 39 f.; Zahn/Kock WM 1999, 1955, 1966. 237 MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 19; Lehmann, Finanzinstrumente, 2009, S. 251. – Für eine analoge Anwendung sachenrechtlicher Normen Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 2065. 238 Hellner/Steuer/Decker, BuB, Rn. 8/185 ff.; MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 18 f. – Der Jungscheingiroverkehr für Aktien wurde durch die Ausstellung von interimistischen Sammelurkunden verdrängt, dazu Hellner/Steuer/Decker, BuB, Rn. 8/190. 239 Dazu mit unterschiedlicher Ausrichtung z. B. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, 1995, S. 561 ff.; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, Vor §§ 793 ff. Rn. 37; Lehmann, Finanzinstrumente, 2009, S. 508 ff.; Staudinger/Marburger, Neubearbeitung 2009, Vorbemerkung zu §§ 793–808 Rn. 41 f. – Zu Harmonisierungsbemühungen auf internationaler und europäischer Ebene siehe Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 72 Rn. 112 f.; Mülbert ZBB 2010, 445; Than, in: FS Hopt, Bd. 1, 2010, S. 231, 231 ff.; Kümpel/Wittig/Will, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 18.231 ff.
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2. Miteigentum als vollwertiges Sacheigentum Daraus, dass die Aufnahme von Aktien in die Sammelverwahrung nach § 6 Abs. 1 S. 1 DepotG zum Entstehen von Miteigentum führt, ergibt sich ebenfalls nichts, was gegen eine unmittelbare Anwendung der §§ 607 ff. BGB spricht. Denn jeder Miteigentumsanteil hat die gleiche Rechtsnatur wie das Eigentum; für Übertragung und Belastung des Miteigentums gelten die gleichen Regel wie für das Eigentum.240 Als Folge davon ist auch auf schuldrechtlicher Ebene nicht nur der Kauf eines Miteigentumsanteils als Sachkauf einzuordnen,241 sondern auch das einen Miteigentumsanteil betreffende Darlehen als Sachdarlehen im Sinne des § 607 BGB.
3. Die Besitzposition des Aktionärs Bei der Girosammelverwahrung besteht zwischen dem Hinterleger und der Geschäftsbank genauso ein Depotvertrag wie zwischen Geschäftsbank und Wertpapiersammelbank.242 Nach der herrschenden Meinung führt dies zum Entstehen eines mehrstufigen Besitzverhältnisses zwischen dem Aktionär/ Hinterleger, dessen Geschäftsbank und der Wertpapiersammelbank.243 Die Wertpapiersammelbank sei unmittelbare Fremdbesitzerin, die Geschäftsbank mittelbare Fremdbesitzerin auf der ersten Stufe und der Hinterleger mittelbarer Eigenbesitzer auf der zweiten Stufe. Es wird allerdings bestritten, dass der Hinterleger diese Besitzposition innehat. So bestehe kein Besitzmittlungsverhältnis im Sinne von § 868 BGB zwischen dem Hinterleger und seinem Kreditinstitut, da dieses einen Herausgabeanspruch voraussetze, der aber bei Dauerglobalurkunden gemäß § 9a Abs. 3 S. 2 DepotG ausgeschlossen sei.244 Auch bei anderen Sammelurkunden, für die diese Regelung nicht 240 Dies dürfte heute im Ergebnis unstreitig sein, siehe etwa BGHZ 36, 365, 36 = BGH NJW 1962, 1109, 1109; Erman/Aderhold, 13. Aufl. 2011, Vor § 1008 Rn. 4; Palandt/Bassenge, 72. Aufl. 2013, § 1008 Rn. 1; MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 26; Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 9; Staudinger/Gursky, Neubearbeitung 2012, § 1008 Rn. 2; Staudinger/Langhein, Neubearbeitung 2008, § 741 Rn. 2 („qualitativ gleichartig“); MünchKommBGB/K. Schmidt, 5. Aufl. 2009, § 1008 Rn. 1. 241 So MünchKommBGB/K. Schmidt, 5. Aufl. 2009, § 1008 Rn. 16. 242 Ggf. ist ein zusätzlicher Zwischenverwahrer eingeschaltet, MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 91. 243 So z. B. BGHZ 161, 189, 191 f. = BGH ZIP 2005, 245, 246; BGHZ 160, 121, 124 ff. = BGH NJW 2004, 3340, 3341; MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 26; Hellner/Steuer/Decker, BuB, Rn. 8/100a; Eder NZG 2004, 107, 113 f.; Claussen/Ekkenga, Bankund Börsenrecht, 4. Aufl. 2008, § 6 Rn. 262 f.; Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz, 1975, § 5 Rn. 68; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 11.222; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 6.150 (anders aber für Dauerglobalurkunden); KölnKommAktG/Lutter/Drygala, 3. Aufl. 2009, Anh. § 68 Rn. 26 ff.; MünchKommBGB/K. Schmidt, 5. Aufl. 2009, § 747 Rn. 21 und § 1008 Rn. 31; Wieling, Sachenrecht, Band 1, 2. Aufl. 2006, § 9 IX 2; Kümpel/Wittig/Will, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 18.101; wohl auch Spindler/Stilz/Vatter, 2. Aufl. 2010, § 10 Rn. 60. 244 Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 2124; Einsele, Wertpapierrecht als
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gelte und nach Maßgabe der §§ 7, 8 DepotG ein Anspruch auf Auslieferung von Einzelurkunden bestehe, genüge dieser Anspruch nicht, um die vergeistigte Sachherrschaft an dem Sammelbestand, dessen konkrete Zusammensetzung sich ändern könne, zu begründen.245 Zudem entferne sich die Einordnung der herrschenden Meinung zu weit von den „Lebensverhältnissen“; es handle sich um eine künstliche Konstruktion.246 a) Relevanz für die Einordnung des Aktiendarlehens Die Bestimmung der Besitzposition des Aktionärs bei girosammelverwahrten Dauerglobalurkunden ist für die Einordnung des Aktiendarlehens nur insofern von Bedeutung, als der Darlehensgeber eines gesetzestypischen Sachdarlehens nicht nur die Übereignung, sondern auch die Besitzverschaffung schuldet.247 Im Übrigen kommt der besitzrechtlichen Beurteilung nur für die Möglichkeit des gutgläubigen Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten Bedeutung zu,248 da auch bei der Verneinung eines mittelbaren Besitzes des Aktionärs jedenfalls ein Erwerb vom Berechtigten möglich wäre.249 b) Die Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes Mittelbarer Besitz setzt, was zumindest im Grundsatz anerkannt ist, neben dem unmittelbaren Besitz des Besitzmittlers, der bei der Girosammelverwahrung von der Wertpapiersammelbank ausgeübt wird,250 ein Besitzmittlungsverhältnis und Besitzmittlungswillen voraus.251
Schuldrecht, 1995, S. 72 ff.; Habersack/Mayer WM 2000, 1678, 1680; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 6.189; Mentz/Fröhling NZG 2002, 201, 210; Bayer/Habersack/Noack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 2007, 11. Kap. Rn. 73. 245 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, 1995, S. 87 f. 246 Zuletzt vor allem Lehmann, Finanzinstrumente, 2009, S. 368 f. und S. 390 („Odium des Künstlichen“). 247 Siehe S. 103 f. 248 Dazu S. 174 ff. 249 Es ist lediglich umstritten, ob Sachen, an denen der Eigentümer keinen Besitz hat, nach § 931 BGB durch Abtretung des Anspruchs aus § 985 BGB oder durch schlichte Einigung übertragen werden, dazu nur Staudinger/Wiegand, Neubearbeitung 2011, § 931 Rn. 13 ff. – Unzutreffend, da nicht zwischen sachenrechtlichen Verfügungen und dem Erwerb vom Nichtberechtigten unterscheidend aber MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, Vor §§ 793 ff. Rn. 33 a. E., nach dem „sich bei Ausschluss des Anspruchs auf Einzelverbriefung mittelbarer Besitz der Gläubiger oder Aktionäre an der Globalurkunde – und damit die Möglichkeit sachenrechtlicher Verfügungen und mit ihr die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs – nicht begründen lässt“; so auch Habersack/Mayer WM 2000, 1678, 1682 und Bayer/Habersack/Noack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 2007, 11. Kap. Rn. 73. – Dagegen zu Recht Mülbert ZBB 2010, 445, 447 f. 250 Dazu oben S. 133. 251 Statt aller MünchKommBGB/Joost, 6. Aufl. 2013, § 868 Rn. 8.
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aa) Besitzmittlungsverhältnis Ein Besitzmittlungsverhältnis muss nach überwiegender Ansicht zwar kein wirksames Rechtsverhältnis sein,252 dem mittelbaren Besitzer aber dennoch einen Herausgabeanspruch gewähren, der nicht notwendig auf Vertrag zu beruhen hat, sondern auch gesetzlicher Natur sein kann.253 Für die Besitzverhältnisse bei girosammelverwahrten Aktien ist danach also die entscheidende Frage, ob dem Aktionär/Hinterleger ein Herausgabeanspruch zusteht.254 Das Argument, § 9a Abs. 3 S. 2 DepotG schließe einen solchen Anspruch aus, kann nicht überzeugen. Denn jedenfalls alle Hinterleger gemeinsam oder eine Person, die den gesamten Sammelbestand erworben hat, könnten die Herausgabe der Globalurkunde fordern.255 Der von Habersack und Mayer geäußerte Einwand, dem stehe § 9a Abs. 1 S. 1 DepotG entgegen, wonach Globalurkunden von Gesetzes wegen grundsätzlich bei einer Wertpapiersammelbank zu verwahren seien,256 verkennt die Funktion dieser Norm. § 9a Abs. 1 S. 1 DepotG schließt lediglich die Haussammelverwahrung durch die jeweilige Geschäftsbank aus,257 trifft also keine Aussage darüber, wie ein Herausgabeverlangen aller Aktionäre zu behandeln ist. Ein solches Zusammenwirken aller Hinterleger mag zwar nur theoretisch denkbar sein,258 genauso wie eine grundsätzlich mögliche Satzungsänderung,259 die den Anspruch auf Einzelverbriefung wieder einführt. Dies gilt jedoch nicht für den Fall, dass sich alle Aktien in einer Hand vereinigen, etwa als 252 BGH NJW 1955, 499; BGHZ 96, 61, 65 = BGH NJW 1986, 2438, 2439; Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl. 2009, § 7 Rn. 45; Bamberger/Roth/Fritzsche, Beck’scher OnlineKommentar, Stand 01.11.2012, § 868 Rn. 16; Westermann/Gursky/Eickmann/Gursky, Sachenrecht, 8. Aufl. 2011, § 16 Rn. 7; Staudinger/Gutzeit, Neubearbeitung 2012, § 868 Rn. 16; MünchKommBGB/Joost, 6. Aufl. 2013, § 868 Rn. 15; Enneccerus/Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Aufl. 1957, § 8 I 2; Soergel/Stadler, 13. Aufl. 2002, § 868 Rn. 7; Wieling AcP 184 (1984), 439, 440 ff.; Wieling, Sachenrecht, Band 1, 2. Aufl. 2006, § 6 II 1; im Grundsatz auch Bömer, Besitzmittlungswille und mittelbarer Besitz, 2009, S. 246 ff., der aber auch auf die Kenntnis des potentiellen mittelbaren Besitzers abstellen will. 253 BGHZ 10, 81, 87 = BGH NJW 1953, 1506, 1508; Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl. 2009, § 7 Rn. 45; Bömer, Besitzmittlungswille und mittelbarer Besitz, 2009, S. 251; Westermann/Gursky/Eickmann/Gursky, Sachenrecht, 8. Aufl. 2011, § 17 Rn. 8; Staudinger/ Gutzeit, Neubearbeitung 2012, § 868 Rn. 16; MünchKommBGB/Joost, 6. Aufl. 2013, § 868 Rn. 15 f. 254 Die Gegenansicht wird heute vor allem vertreten von Wieling AcP 184 (1984), 439, 445 ff.; Wieling, Sachenrecht, Band 1, 2. Aufl. 2006, § 6 II 3 b; Bamberger/Roth/Fritzsche, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.11.2012, § 868 Rn. 17. 255 Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs im Effektengiroverkehr, 1981, S. 53 f. Koller DB 1972, 1857, 1861; Mülbert ZBB 2010, 445, 448; Mülbert, in: FS Nobbe, 2009, S. 691. 702 Fn. 51. Dies gestehen auch Habersack/Mayer WM 2000, 1678, 1680 zu. 256 Habersack/Mayer WM 2000, 1678, 1680. 257 Siehe nur Böttcher, DepotG, 2012, § 9a Rn. 2; Mülbert, in: FS Nobbe, 2009, S. 691, 702 Fn. 51; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Scherer, 2. Aufl. 2009, BankR VI Rn. 488. 258 Insoweit zutreffend Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, 1995, S. 73; Habersack/ Mayer WM 2000, 1678, 1680; Lehmann, Finanzinstrumente, 2009, S. 367 f. 259 Mit diesem Argument KölnKommAktG/Lutter/Drygala, 3. Aufl. 2009, Anh. § 68 Rn. 30.
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Folge eines Squeeze-Out.260 Dass damit ein Herausgabeanspruch nur in bestimmten Fällen besteht, ist auch unter Zugrundelegung der herrschenden Ansicht, die auf einem Herausgabeanspruch als Voraussetzung für die Annahme mittelbaren Besitzes besteht, unschädlich, da dieser Anspruch danach durchaus bedingt sein kann.261 Der weitere Einwand, die Rechtsposition des Aktionärs begründe keine Sachherrschaft an dem Sammelbestand, ist ebenfalls verfehlt. Ihm dürfte die Vorstellung zugrunde liegen, mittelbarer Besitz setze eine (zumindest vergeistigte) Sachherrschaft voraus. Darüber, ob der mittelbare Besitz auf Sachherrschaft beruht oder als Fiktion zu qualifizieren ist, besteht seit Inkrafttreten des BGB Streit.262 Die Diskussion über das Wesen des mittelbaren Besitzes ist freilich kaum ergiebig.263 Entscheidend für die Beurteilung, ob das Verhältnis einer Person zu einer Sache als mittelbarer Besitz im Sinne des § 868 BGB eingeordnet werden kann, ist stattdessen die Funktion, die dieser Einordnung zukommt. Aufschlussreich sind insoweit die Vorschläge, die der für das Sachenrecht zuständige Redaktor Johow der Ersten Kommission zur Änderung seines aus dem Jahr 1880 stammenden Teilentwurfs zum Sachenrecht vorlegte.264 Diese Änderungsvorschläge haben nicht nur das Besitzrecht des Ersten Entwurfs, sondern auch die §§ 854 ff. BGB entscheidend geprägt.265 Ihnen lässt sich vor allem die unterschiedliche Funktion entnehmen, die der „thatsächliche[n] räumliche[n] Herrschaft“ und dem „thatsächliche[n] Anerkanntsein des Eigentums“ durch den Inhaber der tatsächlichen Gewalt, also in der Terminologie des BGB dem unmittelbaren und dem mittelbaren (Eigen-)Besitz nach der Vorstellung der Väter des BGB zukommen soll.266 Die tatsächliche Sach260
Darauf weist insbesondere Eder NZG 2004, 107, 113 f., hin. Zur Besitzposition des Hinterlegers Eder NZG 2004, 107, 113 f.; aus der allgemeinen sachenrechtlichen Literatur z. B. Westermann/Gursky/Eickmann/Gursky, Sachenrecht, 8. Aufl. 2011, § 17 Rn. 8; Enneccerus/Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Aufl. 1957, § 8 I 2. 262 Von Sachherrschaft sprechen etwa BGH NJW 1955, 499 und in der neueren Literatur Bamberger/Roth/Fritzsche, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.11.2012, § 868 Rn. 2; Westermann/Gursky/Eickmann/Gursky, Sachenrecht, 8. Aufl. 2011, § 16 Rn. 9; Staudinger/Gutzeit, Neubearbeitung 2012, § 868 Rn. 16; Soergel/Stadler, 13. Aufl. 2002, § 868 Rn. 2. – Dagegen wenden sich (mit unterschiedlicher Ausrichtung) u. a. Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, 1992, S. 100 ff.; Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, 2006, S. 283 f.; MünchKommBGB/Joost, 6. Aufl. 2013, § 868 Rn. 5 f.; Wieling AcP 184 (1984), 439, 440 f., 446; Wieling, Sachenrecht, Band 1, 2. Aufl. 2006, § 6 I 2. 263 Zutreffend Bamberger/Roth/Fritzsche, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.11.2012, § 868 Rn. 2. 264 Wiedergegeben bei Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Sachenrecht 1, 1985, S. 215 ff. – Das undatierte Manuskript dürfte um die Jahreswende 1883/1884 entstanden sein, dazu Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, 1992, S. 11 Fn. 50. 265 Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, 1992, S. 11. 266 Dazu Änderungsvorschläge des Referenten zum Besitzrecht, wiedergegeben bei Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Sachenrecht 1, 1985, S. 216 f. Siehe auch Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, 1992, S. 25 ff. 261
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herrschaft im Sinne des § 854 Abs. 1 BGB ist Voraussetzung für das Selbsthilferecht nach den §§ 859, 860 BGB und für die in den §§ 861 ff. BGB geregelten possessorischen Ansprüche, während der mittelbare Besitzer gemäß § 869 BGB keinen selbständigen Besitzschutz genießt. Demgegenüber hat man in der Formulierung Johows das tatsächliche Anerkanntsein „als Besitz zu betrachten, wenn man an dasselbe diejenigen Rechtsnormen knüpft, welche die Geltendmachung des Eigenthums betreffen, indem sie an den Besitz oder den Besitzverlust ohne Willen Befreiung von dem Beweise des Eigenthums knüpfen; ferner diejenigen Rechtsnormen, welche die Erwerbung des Eigenthums durch Ersitzung betreffen, endlich diejenigen, welche den Eintritt in ein gewisses thatsächliches Verhältniß zur Sache behufs Erwerbung des Eigenthums durch Uebergabe und Zueignung verlangen.“267 Die Einordnung einer bestimmten Position als mittelbarer (Eigen-)Besitz soll also die Berufung auf die Eigentumsvermutung, die Ersitzung und die Übertragung des Eigentums an Dritte ermöglichen.268 Wegen dieser unterschiedlichen Funktionen ist nach Johow der falsche „Schein einer in allen Fällen stattfindenden thatsächlichen Macht über die Sache“ zu vermeiden.269 Daraus lässt sich für das geltende Besitzrecht ableiten, dass der mittelbare Besitz keine Form der tatsächlichen Sachherrschaft darstellt, sondern ausschließlich aus der Perspektive der Rechtsfolgen zu betrachten ist, die an die Beschreibung der betreffenden Position als „mittelbarer Besitz“ anknüpfen.270 Bei diesem Verständnis des mittelbaren Besitzes kann es somit nicht darauf ankommen, ob der Aktionär eine tatsächliche Sachherrschaft ausübt oder ob seine Einordnung als Besitzer sich von den „Lebensverhältnissen“ entfernt. Denn wenn man die Lebensverhältnisse als Maßstab nehmen wollte, würde der mittelbare Besitz generell als etwas Künstliches erscheinen. Stattdessen ist darauf abzustellen, ob der Aktionär, genauso wie etwa der in 267 Änderungsvorschläge des Referenten zum Besitzrecht, wiedergegeben bei Jakobs/ Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Sachenrecht 1, 1985, S. 217. – In der 2. Kommission war anerkannt, dass „in einigen Fällen, zB. bei der Lehre von der Ersitzung, in welchem der Entw. vom ‚Besitzer‘ rede, hierunter nicht blos der Besitzer im Sinne der zu § 797 gefaßten Beschlüsse“, also der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft, zu verstehen sei; diskutiert wurde vielmehr darüber, ob dem mittelbaren Besitzer auch ein Besitzschutz zuzugestehen sei, Protokolle der 2. Kommission, S. 3729, Mugdan, Band 3, 1899, S. 514. 268 Siehe auch Bömer, Besitzmittlungswille und mittelbarer Besitz, 2009, S. 229: Der Zweck des § 868 BGB besteht darin, die Eigenbesitzfolgen Personen ohne tatsächliche Sachherrschaft zuzuweisen. Ähnlich auch Wieling, Sachenrecht, Band 1, 2. Aufl. 2006, § 6 I 1, der jedoch auf die Änderungsvorschläge Johows nicht eingeht, sondern das geltende Besitzrecht im Wesentlichen der Zweiten Kommission zuschreibt. – Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, 2006, S. 285 übersieht dies, indem er annimmt, der mittelbare Besitz diene nur dazu, einem Besitzer ohne tatsächliche Sachherrschaft Besitzschutzrechte einzuräumen. 269 Änderungsvorschläge des Referenten zum Besitzrecht, wiedergegeben bei Jakobs/ Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Sachenrecht 1, 1985, S. 217. 270 Zur terminologischen Umstellung im Zweiten Entwurf siehe die Protokolle der 2. Kommission, S. 6036, Mugdan, Band 3, 1899, S. 516.
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§ 868 BGB genannte Hinterleger, die Möglichkeit haben soll, sein Eigentum nach § 929 S. 1 BGB oder § 931 BGB271 zu übertragen.272 Da sich, wie gezeigt, ein (bedingter) Herausgabeanspruch nicht bestreiten lässt, ist dies vorbehaltlich des Besitzmittlungswillens der Wertpapiersammelbank und der Geschäftsbank zu bejahen. bb) Besitzmittlungswille Der Besitzmittlungswille des unmittelbaren Besitzers setzt nach der herrschenden Meinung voraus, dass dieser Fremdbesitzer und als solcher unter bestimmten Umständen zur Herausgabe der Sache bereit ist.273 Im Hinblick auf diese Voraussetzung des mittelbaren Besitzes haben Habersack und Mayer angeführt, die zwischengeschaltete Geschäftsbank (nach h. M. mittelbare Fremdbesitzerin der ersten Stufe) könne durchaus eigene Aktienbestände halten und sei insoweit auch mittelbare Eigenbesitzerin; Eigen- und Fremdbesitz könnten aber, wie der BGH274 entschieden habe, nicht gleichzeitig nebeneinander bestehen.275 Das in Bezug genommene Urteil des BGH betraf eine Grundschuldteilabtretung ohne Übergabe eines Teilgrundschuldbriefs (§§ 1152, 1192 Abs. 1 BGB). Das Gericht war der Auffassung, die Abtretungsempfängerin habe weder durch Übergabe noch durch einen Übergabeersatz Besitz an dem noch ungeteilten Grundschuldbrief erlangt, da der Abtretende den Grundschuldbrief zugleich als Eigenbesitzer für sich selbst und als Fremdbesitzer für den Abtretungsempfänger besitzen wollte. Die besitzrechtliche Einordnung von girosammelverwahrten Dauerglobalurkunden unterscheidet sich jedoch wesentlich von diesem umstrittenen276 Fall. Denn dort ging es um einen unmittelbaren (Eigen-)Besitzer, der zugleich als Besitzmittler für einen anderen besitzen wollte, während die Geschäftsbank bei der Girosammelverwahrung selbst mittelbare Besitzerin 271
Dazu noch unten S. 176 f. Auf den Zweck der Zuweisung mittelbaren Besitzes stellt auch Wieling, Sachenrecht, Band 1, 2. Aufl. 2006, § 6 II 3 b, ab, zieht daraus allerdings die weitergehende Folge, ein Herausgabeanspruch sei nicht erforderlich, vielmehr komme es nur auf die Herausgabebereitschaft des Besitzmittlers an. 273 Für rechtsgeschäftlich begründete Besitzmittlungsverhältnisse ist dies st. Rspr., aus jüngerer Zeit etwa BGH NJW 2005, 359, 364. Aus der Literatur siehe z. B. Bamberger/ Roth/Fritzsche, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.11.2012, § 868 Rn. 6; Staudinger/ Gutzeit, Neubearbeitung 2012, § 868 Rn. 24; MünchKommBGB/Joost, 6. Aufl. 2013, § 868 Rn. 17; Wieling AcP 184 (1984) 439, 451 ff.; Wieling, Sachenrecht, Band 1, 2. Aufl. 2006, § 6 II 4; Wilhelm, Sachenrecht, 4. Aufl. 2010, Rn. 497. – Die Gegenansicht wird heute insbesondere von Bömer, Besitzmittlungswille und mittelbarer Besitz, 2009, S. 225 ff., vertreten, der den mittelbaren Besitz als objektives Zuordnungsverhältnis versteht und deshalb allein an das Bestehen eines Besitzmittlungsverhältnisses anknüpfen will. 274 BGHZ 85, 263 = BGH NJW 1983, 568. 275 Habersack/Mayer WM 2000, 1678, 1680 f. 276 Aus der Literatur siehe etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl. 2009, § 37 Rn 44; Staudinger/Gutzeit, Neubearbeitung 2012, § 866 Rn. 21 f.; MünchKommBGB/Joost, 6. Aufl. 2013, § 866 Rn. 10; Soergel/Stadler, 13. Aufl. 2002, § 866 Rn. 4. 272
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ist.277 Erkennt man an, dass der mittelbare Besitz keine Form der tatsächlichen Sachherrschaft darstellt, sprechen die besseren Argumente dafür, einen mittelbaren Eigenbesitz hinsichtlich des eigenen Aktienbestandes und einen mittelbaren Fremdbesitz hinsichtlich des für Kunden verwahrten Aktienbestandes anzunehmen.278 Zudem ermöglichen die Eintragungen im nach § 14 DepotG zu führenden Verwahrungsbuch den buchungsmäßigen Ausweis des Besitzmittlungswillens, was bei einem Grundschuldbrief nicht möglich ist.279 cc) Folgerung Den Aktionär verbinden somit auch bei der girosammelverwahrten Dauerglobalurkunde Besitzmittlungsverhältnisse mit der Clearstream Banking AG als unmittelbarer Besitzerin. Diese weist auch Besitzmittlungswillen auf, wie sich insbesondere aus Nr. 21 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Clearstream Banking AG mit Sitz in Frankfurt a. M. (CFB)280 ergibt. Somit ist eine Besitzposition des Aktionärs anzuerkennen.
4. Ergebnis Die §§ 607 ff. BGB finden somit auch auf girosammelverwahrte Aktien unmittelbare Anwendung. Dafür spricht nicht nur der in der Regierungsbegründung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zu findende Hinweis,281 sondern ganz entscheidend die sachenrechtliche Einordnung der Aktien.
B. Die Vertretbarkeit von Aktien I. Voraussetzungen Ob Aktien vertretbare Sachen im Sinne des § 91 BGB sind, wird meist im Zusammenhang mit ihrer Eigenschaft als depotfähige Wertpapiere diskutiert. Denn zum einen fallen nach dem Auffangtatbestand des § 1 Abs. 1 S. 1 HS 2 DepotG „andere Wertpapiere, wenn diese vertretbar sind“ in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Zum anderen kommt eine Sammelverwahrung gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 DepotG nur bei vertretbaren Wertpapieren in Betracht. Es ist anerkannt, dass das DepotG damit auf die Voraussetzungen des § 91 277
Darauf weist auch Horn WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2 S. 15, hin. Habersack/Mayer WM 2000, 1678, 1681, lehnen dies mit der Begründung ab, der BGH habe nicht auf die unmittelbare Sachherrschaft, sondern auf das Nebeneinander von Eigen- und Fremdbesitz hinsichtlich ideeller Bruchteile an einer Sache im allgemeinen abgestellt. Dagegen Horn WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2 S. 15. 279 Zutreffend Eder NZG 2004, 107, 113 f. 280 Stand 1. Januar 2012, abrufbar unter http://www.clearstream.com. Dazu noch unten S. 176 f. 281 BT-Drs. 14/6040 S. 259. 278
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BGB verweist.282 Denn die nach § 91 BGB erforderliche Austauschbarkeit ist zwingende Voraussetzung für die Sammelverwahrung von Wertpapieren, die nach § 6 Abs. 1 S. 1 DepotG zum Entstehen von Miteigentum nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand des Verwahrers gehörenden Wertpapieren derselben Art führt. Dementsprechend schließt § 7 Abs. 1 HS 2 DepotG eine Rückforderung der vom Hinterleger eingelieferten individuellen Stücke aus.283 Ist nach § 91 BGB für die Vertretbarkeit von Sachen entscheidend, dass diese im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt werden, bedeutet dies zugleich, dass vertretbare Sachen keine anderen, für den (Handels-)Verkehr wesentlichen Merkmale aufweisen, die eine Individualisierung möglich machen. Entscheidend für die Einordnung einer Sache als vertretbar ist also ihre objektiv, d. h. nach der Verkehrsauffassung, zu bestimmende Austauschbarkeit.284 Grundlegende Voraussetzung für die Austauschbarkeit von zwei Wertpapieren ist, dass beide die gleichen Rechte verkörpern.285 Aktien, die unterschiedlichen Gattungen im Sinne des § 11 S. 2 AktG angehören, etwa Stammaktien und Vorzugsaktien einer Gesellschaft, sind damit nicht untereinander austauschbar.286
II. Die Vertretbarkeit von Inhaber- und Namensaktien Im Übrigen ist zwischen Inhaber- und Namensaktien zu unterscheiden: Inhaberaktien einer Gattung werden, je nachdem, ob es sich um Nennbetragsoder um Stückaktien handelt, nach Nennbetrag oder Stückzahl bestimmt und sind deshalb vertretbare Sachen im Sinne von § 91 BGB.287 Namensaktien zeichnen sich dadurch aus, dass sie als geborene Orderpapiere auf eine bestimmte Person ausgestellt sind.288 Berechtigter ist entweder die in der Urkunde von deren Aussteller namentlich genannte oder – gemäß 282 MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 5 und 43; Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 72 Rn. 54 und 73. 283 Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 72 Rn. 73. 284 Unstr., siehe etwa BGH NJW 1966, 2307; MünchKommBGB/Stresemann, 6. Aufl. 2012, § 91 Rn. 1; Staudinger/Jickeli/Stieper, Neubearbeitung 2004, § 91 Rn. 1. 285 MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 43; Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz, 1975, § 1 Rn. 3; Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 72 Rn. 74; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Scherer, 2. Aufl. 2009, BankR VI Rn. 409. 286 Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 72 Rn. 74. – Gleiches gilt z.B auch für Schuldverschreibungen mit unterschiedlicher Laufzeit, MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 43 287 Eder NZG 2004, 107, 110; Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 72 Rn. 74. 288 MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 68 Rn. 2. Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 68 Rn. 2; GroßKommAktG/Merkt, 4. Aufl. 2008, § 68 Rn. 14.
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Kapitel 3: Zivilrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung
§ 68 Abs. 1 S. 2 AktG i. V. m. Art. 16 Abs. 1 S. 1 WG – die durch eine ununterbrochene Kette von Indossamenten ausgewiesene Person.289 Namensaktien, die nicht blankoindossiert sind, weisen also ein individualisierendes Merkmal auf. Eine Übertragung von Namensaktien erfordert, wenn die Legitimationswirkung gemäß § 68 Abs. 1 S. 2 AktG i. V. m. Art. 16 Abs. 1 S. 1 WG eintreten und die Möglichkeit des erweiterten Gutglaubensschutzes nach § 68 Abs. 1 S. 2 AktG i. V. m. Art. 16 Abs. 2 WG bestehen soll, neben dem Vorliegen der Voraussetzungen eines der Übereignungstatbestände der §§ 929 ff. BGB das Indossament als schriftlichen Übertragungsvermerk auf der Urkunde.290 Der Erwerb kann dann nur in der Person des Indossatars erfolgen. Damit fehlt nicht blankoindossierten Namensaktien nach der Verkehrsauffassung die Austauschbarkeit.291 Mit einem Blankoindossament im Sinne von § 68 Abs. 1 S. 2 AktG i. V. m. Art. 13 Abs. 2 S. 1 WG versehene Namensaktien bezeichnen den Indossatar dagegen nicht und sind somit genauso wie Inhaberaktien innerhalb einer Aktiengattung austauschbar.292
III. Die Vertretbarkeit von vinkulierten Namensaktien Eine Übertragung vinkulierter Namensaktien im Sinne von § 68 Abs. 2 AktG erfordert für ihre dingliche Wirksamkeit293 die Zustimmung der Gesellschaft. Es ist anerkannt, dass Namensaktien trotz ihrer Vinkulierung als Orderpapiere und nicht als Rektapapiere einzuordnen sind.294 Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob die nach § 68 Abs. 2 AktG nötige Zustimmung eine von nicht vinkulierten (und blankoindossierten) Namensaktien abweichende Beurteilung der Vertretbarkeit gebietet. Teilweise wird mit missverständlicher Formulierung darauf hingewiesen, dass bei vinkulierten Namensaktien die Vertretbarkeit nur dann vorliege, wenn aufgrund einer Absprache mit der Gesellschaft sichergestellt sei, dass durch die Praxis der Erteilung der Zustimmung die Verkehrsfähigkeit der 289 MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 68 Rn. 2; Staudinger/Marburger, Neubearbeitung 2009, Vorbemerkung zu §§ 793–808 Rn. 8. 290 Statt aller Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 68 Rn. 4 und 8 f. 291 Unstr., dazu etwa Eder NZG 2004, 107, 110; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 68 Rn. 3; Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 72 Rn. 75; KölnKommAktG/Lutter/Drygala, 3. Aufl. 2009, § 68 Rn. 33; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Scherer, 2. Aufl. 2009, BankR VI Rn. 450; Wiesener/Kraft, in: MünchHdbGesR, Bd. 4, 3. Aufl. 2007, § 14 Rn. 8. 292 MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 44; Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 72 Rn. 75; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Scherer, 2. Aufl. 2009, BankR VI Rn. 450. 293 Die Wirksamkeit des Kausalgeschäfts wird durch die Vinkulierung nicht berührt, siehe nur Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 68 Rn. 11 und 16. 294 Dies ist heute unstr., MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 68 Rn. 43; KölnKommAktG/Lutter/Drygala, 3. Aufl. 2009, § 68 Rn. 27; GroßKommAktG/Merkt, 4. Aufl. 2008, § 68 Rn. 216; Wiesener/Kraft, in: MünchHdbGesR, Bd. 4, 3. Aufl. 2007, § 14 Rn. 6, jeweils m. w. N. zur früher vertretenen Gegenauffassung.
§ 8 Gegenstand des Aktiendarlehens
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Aktien nicht beeinträchtigt werde.295 Die Verkehrsfähigkeit von Wertpapieren ist jedoch nicht ohne weiteres mit ihrer Vertretbarkeit im Sinne von Austauschbarkeit gleichzusetzen. Da das Zustimmungserfordernis nach § 68 Abs. 2 AktG für alle vinkulierten Namensaktien eines Emittenten gilt, beeinträchtigt es die Austauschbarkeit innerhalb dieser Gruppe von Aktien nicht; blankoindossierte Namensaktien sind damit auch dann vertretbare Sachen, wenn sie vinkuliert sind.296 Davon zu trennen ist die Frage, ob die Vinkulierung der Sammelverwahrung aus praktischen Gründen entgegensteht. Dies ist unter der bereits erwähnten Bedingung zu verneinen, dass die Zustimmungspraxis der Emittentin die Verkehrsfähigkeit der Aktien nicht beeinträchtigt.297
C. Wertrechte als Sonderfall Wertrechte unterscheiden sich vor allem dadurch von Wertpapieren, dass bei ihnen die Verbriefung durch die Eintragung in ein öffentliches Register ersetzt wird; als Emittenten kommen der Bund und die Länder in Betracht.298 Die für Emissionen des Bundes einschlägige Rechtsgrundlage ist das Bundesschuldenwesengesetz (BSchuWG).299 Der Bund und seine Sondervermögen können nach § 6 Abs. 1 BSchuWG Schuldverschreibungen als Sammelschuldbuchforderung auf die Weise begeben, dass Schuldbuchforderungen bis zur Höhe des Nennbetrages der jeweiligen Emission auf den Namen einer Wertpapiersammelbank in das Bundesschuldbuch eingetragen werden. Gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 und S. 2 BSchuWG gelten Sammelschuldbuchforderungen als Wertpapiersammelbestand und die Gläubiger als Miteigentümer nach Bruchteilen. Damit ist eine Übertragung nach den §§ 929 ff. BGB möglich.300 Da 295 So Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 72 Rn. 77; ähnlich, aber nur auf die Sammeldepoteignung als praktische Durchführbarkeitsbedingung bezogen Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz, 1975, § 5 Rn. 30 296 Eder NZG 2004, 107, 110; MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 46; Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 72 Rn. 76; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Scherer, 2. Aufl. 2009, BankR VI Rn. 451; Kümpel/Wittig/Will, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 18.98. – Dies gilt auch für nicht voll eingezahlte (vinkulierte) Namensaktien, MünchKommHGB/ Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 47. 297 Hellner/Steuer/Decker, BuB, Rn. 8/85b; MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 45 f.; Mentz/Fröhling NZG 2002, 201, 204; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Scherer, 2. Aufl. 2009, BankR VI Rn. 451. 298 Hellner/Steuer/Decker, BuB, Rn. 8/111 ff.; MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 6 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 72 Rn. 66; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 2.47 ff. 299 Gesetz zur Regelung des Schuldenwesens des Bundes vom 12. Juli 2006, BGBl. I S. 1466. 300 Dies ist im Ergebnis unstreitig, siehe etwa MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 27; Hellner/Steuer/Decker, BuB, Rn. 8/115 f.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Klan-
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Sammelschuldbuchforderungen also keine Sachen im Sinne des § 90 BGB darstellen,301 sind die §§ 607 ff. BGB nicht unmittelbar, aber doch entsprechend auf einen darüber abgeschlossenen Darlehensvertrag anwendbar.302 Die Gegenauffassung, nach der die Vorschriften über das Gelddarlehen Anwendung finden sollen,303 führt zwar im Ergebnis zu keiner abweichenden Behandlung. Sie berücksichtigt aber die sich aus § 6 Abs. 2 BSchuWG ergebenden Ähnlichkeiten von Wertpapierdarlehen und Wertrechtedarlehen nicht ausreichend.304 Für beide trifft die vom Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geäußerte Annahme zu, die detaillierten Regelungen in den §§ 488 ff. BGB hätten für das Sachdarlehen lediglich in ihren Grundzügen Relevanz.305 Auch bei der verbreitet de lege ferenda vorgeschlagenen Einführung eines urkundenlosen Bucheffektensystems306 würden die §§ 607 ff. BGB auf Wertpapierdarlehen jedenfalls entsprechende Anwendung finden.
§ 9 Formerfordernisse Formerfordernisse können sich für Wertpapierdarlehen vor allem aus dem DepotG ergeben. Daneben ist auch der dem Aufsichtsrecht zuzuordnende § 34a Abs. 4 WpHG anzusprechen.
A. § 15 Abs. 3 i. V. m. § 15 Abs. 2 DepotG I. Regelungszweck Gemäß § 15 Abs. 3 DepotG gilt die Formvorschrift des § 15 Abs. 2 DepotG entsprechend, wenn jemandem Wertpapiere im Betrieb seines Gewerbes als Darlehen gewährt werden.307 Aus § 15 Abs. 2 S. 1 DepotG ergibt sich, dass der Vertrag nur wirksam ist, wenn die Erklärung des Darlehensgebers für das einzelne Geschäft ausdrücklich und schriftlich abgegeben wird. Nach § 15 Abs. 2 S. 2 DepotG muss in der Erklärung zum Ausdruck kommen, ten, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 72 Rn. 66; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 2.51; Kümpel/Wittig/Will, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 18.154 f. 301 Auch dies ist heute anerkannt, dazu Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 2.52. 302 Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 10; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 105 Rn. 34; Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 607 Rn. 7. – Zum schweizerischen Recht genauso Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 24. 303 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 27. 304 So auch Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 10. 305 Dazu S. 102. 306 Dazu bereits S. 135. 307 Zur unregelmäßigen Verwahrung siehe bereits oben S. 9 f.
§ 9 Formerfordernisse
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dass das Eigentum sofort auf den Darlehensnehmer übergehen soll, dass also in der Person des Darlehensgebers nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Lieferung nach Art und Zahl bestimmter Wertpapiere entsteht. Schließlich bestimmt § 15 Abs. 2 S. 3 DepotG, dass die Erklärung weder auf andere Urkunden verweisen noch mit anderen Erklärungen des Darlehensgebers verbunden sein darf. Regelungszweck des § 15 Abs. 3 DepotG ist, eine Umgehung der dem Schutz des Hinterlegers dienenden Formvorschriften des Depotgesetzes zu verhindern.308 Denn dieses sieht in § 13 Abs. 1 und § 15 Abs. 2 eine ausdrückliche und schriftliche Erklärung für alle Fälle vor, in denen der Verwahrer Eigentum an den hinterlegten Wertpapieren erwerben soll. Diese Formvorschriften erfüllen, wie vor allem § 13 Abs. 1 S. 2 DepotG und § 15 Abs. 2 S. 1 DepotG zeigen, eine Warnfunktion.309 Dem Hinterleger soll bewusst werden, dass sich seine Rechtsposition mit der Übereignung der Wertpapiere und dem Erwerb eines bloß schuldrechtlichen Rückgewähranspruchs verschlechtert.310 Ein Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses als Wertpapierdarlehen wäre eine allzu naheliegende Umgehungsmöglichkeit, weshalb der Gesetzgeber in § 15 Abs. 3 DepotG für alle Wertpapierdarlehen an einen gewerblich tätigen Darlehensnehmer (dies betrifft vor allem Kreditinstitute) die Geltung des § 15 Abs. 2 DepotG anordnet.311
II. Ausnahme für weniger schutzbedürftige Darlehensgeber Die Formvorschrift des § 15 Abs. 2 i. V. m. § 15 Abs. 3 DepotG findet nach § 16 DepotG keine Anwendung, wenn der Darlehensnehmer einer gesetzlichen Aufsicht untersteht (was vor allem auf Kreditinstitute zutrifft) und der Darlehensgeber ein Kaufmann ist, der in das Handelsregister oder Genossenschaftsregister eingetragen ist, im Falle einer juristischen Person des öffentlichen Rechts nach der für sie maßgebenden gesetzlichen Regelung nicht eingetragen zu werden braucht oder nicht eingetragen wird, weil er seinen Sitz
308 MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 157; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 104; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 38; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Scherer, 2. Aufl. 2009, BankR VI Rn. 528. 309 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Scherer, 2. Aufl. 2009, BankR VI Rn. 528. 310 Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 104. 311 Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 38 bezweifelt allgemein die Anwendbarkeit des § 15 Abs. 3 DepotG auf Wertpapierdarlehen, bezieht sich aber tatsächlich wohl nur auf die sogleich unter III. zu behandelnden Fallkonstellation. Siehe demgegenüber MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 157; Baumbach/Hopt/Hopt, 36. Aufl. 2014, § 15 DepotG Rn. 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Scherer, 2. Aufl. 2009, BankR VI Rn. 528.
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oder seine Hauptniederlassung im Ausland hat.312 Diese Ausnahmevorschrift berücksichtigt also in typisierter Weise die geringere Schutzbedürftigkeit von kaufmännischen Bankkunden.313
III. Anwendung der §§ 13, 15 DepotG auf Verleihaufträge Diskutiert wird, ob die Formvorschriften des Depotgesetzes dann Anwendung finden, wenn eine Bank kommissionsweise für Rechnung ihres Kunden die für diesen verwahrten Wertpapiere einem Dritten darlehensweise zur Verfügung stellt (sog. Verleihauftrag). Bei genauer Betrachtung ist in derartigen Fällen der Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 DepotG nicht betroffen, da sich die Vertragsbeziehung zwischen Bank und Hinterleger nicht als Wertpapierdarlehen einordnen lässt.314 Stattdessen geht es um den unmittelbaren Anwendungsbereich von § 13 Abs. 1 (und ggf. § 15 Abs. 2) DepotG.315 Nach einer Ansicht316 ist die Vertragsbeziehung zwischen der Bank und ihrem Kunden in der geschilderten Fallkonstellation entscheidend durch das kommissionsrechtliche Element geprägt, die Aufbewahrungspflicht wandle sich zu einer bloßen Nebenpflicht. Aus diesem Grund sei kein depotrechtlicher Verwahrungsvertrag gegeben, die §§ 13 ff. DepotG fänden deshalb keinen Anwendung. Dies gelte unabhängig davon, ob ein Verleihauftrag bereits bei der Hinterlegung der Wertpapiere oder erst später erteilt werde. Gegen diese Argumentation wird in erster Linie der Schutzzweck der §§ 13, 15 DepotG angeführt.317 Dieser sei unabhängig davon einschlägig, ob die Aufbewahrungspflicht der Bank Neben- oder Hauptpflicht sei. Zudem zeige § 16 DepotG, den der Gesetzgeber in Kenntnis der Diskussion um den Anwendungsbereich der §§ 13, 15 DepotG geändert habe, dass diese Formvorschrif312 Dazu auch Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1178; Weber NJW 1994, 2849, 2859. 313 Baumbach/Hopt/Hopt, 36. Aufl. 2014, § 16 DepotG Rn. 1; Weber NJW 1994, 2849, 2859. 314 Insoweit missverständlich MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 20 und Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 38. 315 So zutreffend Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 98 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.37 f. 316 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 20; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 104 f.; Schimansky/Bunte/Lwowski/ Kienle, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 105 Rn. 57; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.37 f.; Kümpel/Peters AG 1994, 525, 526. – Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 99 und Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 71 f. sprechen sich demgegenüber für eine teleologische Reduktion des § 13 DepotG aus. 317 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 7.24; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 22 Rn. 41 f.; zustimmend wohl Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1177.
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ten für alle nicht von der Ausnahmevorschrift erfassten Hinterleger gelten solle.318 Dieser Umkehrschluss aus § 16 DepotG ist jedoch nicht zwingend, da die entscheidende Frage diejenige nach dem Anwendungsbereich der §§ 13 ff. DepotG ist. Darüber sagt § 16 DepotG nicht aus, so dass aus der Neufassung dieser Ausnahmevorschrift nichts abgeleitet werden kann. Stattdessen setzen sowohl § 13 als auch § 15 DepotG nach ihrem Wortlaut voraus, dass ein Verwahrungsverhältnis besteht, was bei einem durch das kommissionsrechtliche Element geprägten Vertrag gerade nicht der Fall ist. Auch dienen die Vorgaben der §§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 2 DepotG dazu, den Hinterleger vor einem im Interesse des Verwahrers erfolgenden Eigentumsübergang auf diesen zu warnen.319 Demgegenüber findet der Eigentumsübergang bei dem Verleihauftrag nicht im Interesse des Kommissionärs (den eine verwahrungsrechtliche Nebenpflicht trifft), sondern im Interesse des Kommittenten statt, für dessen Rechnung gehandelt wird. Die §§ 13, 15 DepotG sind somit auf Verleihaufträge nicht anzuwenden.
B. § 34a Abs. 4 WpHG Der auch Wertpapierdarlehen erfassende § 34a Abs. 4 S. 1 WpHG sieht vor, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Finanzinstrumente nach § 34a Abs. 2 WpHG oder den Vorschriften des Depotgesetzes für Kunden halten, diese nur unter genau festgelegten Bedingungen, denen der Kunde im Voraus ausdrücklich zugestimmt hat, für eigene Rechnung oder für Rechnung eines anderen Kunden nutzen.320 Nach § 34a Abs. 4 S. 2 WpHG sind für die Nutzung von in Sammeldepots bei einem Dritten verwahrten Finanzinstrumenten zusätzlich die ausdrückliche Zustimmung aller anderen Kunden des Sammeldepots oder Systeme und Kontrolleinrichtungen erforderlich, mit denen die Beschränkung der Nutzung auf solche Finanzinstrumente gewährleistet ist, für die eine Zustimmung nach § 34a Abs. 4 S. 1 WpHG vorliegt. Für Privatkunden schreibt § 34a Abs. 4 S. 3 WpHG vor, dass die Zustimmung nach § 34a Abs. 4 S. 1 und S. 2 WpHG durch Unterschrift des Kunden oder auf gleichwertige Weise dokumentiert wird. Diese Vorgaben sind dem Aufsichtsrecht zuzuordnen321 und stellen damit keine Formvorschriften im Sinne des § 125 S. 1 BGB dar. Insofern gilt nichts anderes als für die Frage, ob die §§ 31 ff. WpHG gesetzliche Verbote im Sinne des § 134 BGB darstellen; die Rechtsfolge der Nichtigkeit wäre mit den 318
Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 22 Rn. 42. Zutreffend Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 99 mit Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Norm. 320 Dazu im Einzelnen unten S. 264 f. 321 Zur Rechtsnatur der §§ 31 ff. WpHG siehe noch unten S. 211 ff. 319
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Schutzzielen der kapitalmarktrechtlichen Verhaltensvorschriften nicht zu vereinbaren.322
§ 10 Die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen aus Aktiendarlehen mit Spekulationscharakter A. Grundlagen Aktiendarlehen können Spekulationscharakter haben, wenn sie der Erfüllung eines Leerverkaufs dienen, wenn also bei wirtschaftlicher Betrachtung ein synthetischer Terminverkauf gegeben ist.323 Ein „echter“ Terminverkauf erfüllt die Definition des Derivats in § 2 Abs. 2 WpHG. Dazu zählen nach Nr. 1 dieser Norm als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswertes ableitet (Termingeschäfte), mit Bezug auf bestimmte Basiswerte, zu denen insbesondere auch Wertpapiere zählen. Auf derartige Geschäfte findet insbesondere § 37e WpHG Anwendung, der den Spieleinwand des § 762 BGB ausschließt. Geht es um die Anwendbarkeit von Normen, die Geschäfte mit Spekulationscharakter erfassen, ist zunächst zu erörtern, ob diese Vorschriften auch synthetische Termingeschäfte, insbesondere den synthetischen Terminverkauf, erfassen. Ist dies der Fall, schließt sich die Frage an, ob dies für beide Elemente gilt, die einen synthetischen Terminverkauf kennzeichnen, nämlich den Leerverkauf und das zu dessen Erfüllung eingesetzte Darlehen. Für Wertpapierdarlehen, die zu anderen Zwecken abgeschlossen werden als zur Finanzierung von Leerverkäufen, stellen sich die nachfolgend behandelten Fragen dagegen nicht.324
I. Gesetzliche Entwicklung Betrachtet man die Entwicklung derjenigen Normen des deutschen Rechts, die Derivate im soeben erläuterten Sinn erfassen, ist festzustellen, dass sich die Sichtweise des Zivilrechts von der des Kapitalmarktrechts deutlich unterscheidet. Während das BGB, wie viele Zivilrechtsordnungen weltweit, Regelungen enthält, welche die Unwirksamkeit von spekulativen Geschäften zur 322
Statt aller Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, Vor §§ 31 bis 37a Rn. 76. Dazu schon oben S. 38 ff. 324 Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 51; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 33; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 86; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 65. 323
§ 10 Die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen aus Aktiendarlehen
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Folge haben, lässt sich in der Entwicklung des Kapitalmarktrechts eine deutlich spekulationsfreundlichere Tendenz ausmachen.325
1. Die zivilrechtliche Sichtweise: Der Spiel- und Differenzeinwand § 762 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt, dass durch Spiel oder Wette eine Verbindlichkeit nicht begründet wird. Nach § 762 Abs. 1 S. 2 BGB kann das aufgrund des Spieles oder der Wette Geleistete nicht deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat. Eine Kondiktion ist also trotz des eigentlich fehlenden Rechtsgrunds ausgeschlossen. § 762 BGB ist exemplarisch für die traditionelle „Spekulationsfeindlichkeit“ des Zivilrechts,326 das nicht nur dem klassischen Glücksspiel skeptisch gegenübersteht, sondern auch anderen Verträgen, deren Pflichtenprogramm von subjektiver Ungewissheit oder vom Zufall abhängt.327 Diese Spekulationsfeindlichkeit des Zivilrechts zeigt sich auch an dem Spieleinwand des deutschen Rechts funktional gleichwertigen Normen, die in einer Vielzahl von anderen Rechtsordnungen zu finden sind.328 Daneben sind auch diejenigen Regelungen zu nennen, die solche Vereinbarungen dem Spiel gleichstellen, mit denen auf die Preisentwicklung von Waren oder Finanzinstrumenten spekuliert werden soll, ohne dass eine tatsächliche Lieferung beabsichtigt ist. Dazu zählte der bis zum Jahr 2002 in § 764 BGB normierte und inzwischen ersatzlos aufgehobene329 Differenzeinwand. § 764 S. 1 BGB sah vor, dass ein auf Lieferung von Waren oder Wertpapieren lautender Vertrag als Spiel anzusehen ist, wenn dieser in der Absicht geschlossen wird, dass der Unterschied zwischen dem vereinbarten Preis und dem Börsen- oder Marktpreis der Lieferungszeit von dem verlierenden Teil an den gewinnenden gezahlt werden soll. Für einen solchen Vertrag wurden also die Rechtsfolgen des § 762 BGB angeordnet. Der Anwendungsbereich des Differenzeinwands wurde durch § 764 S. 2 BGB noch er325 Dazu und zu rechtspolitischen Aspekten bereits Zimmermann, in: Domej/Dörr/ Hoffmann-Nowotny/Vasella/Zelger (Hrsg.), Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S. 113 ff. 326 Statt aller Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 19 f.; für die USA z. B. Posner, Economic Analysis of Law, 8. Aufl. 2011, § 3.5: „age-old hostility to speculation“. 327 Vielfach wird auch die Auffassung geäußert, dass Spekulation und Spiel wesentliche Eigenschaften teilen, dass also spekulatives Investment und Spiel letztlich gleichzusetzen sind, siehe (für das US-amerikanische Recht) z. B. Hazen 86 Nw. U. L. Rev. 987, 994 und 1002 f. (1992) m. w.N.; Hazen 24 Ann. Rev. Banking & Fin. L. 375, 395 ff. (2005). 328 Dazu etwa Staudinger/Engel, Neubearbeitung 2008, § 762 Rn. 1 und beispielsweise Art. 513, 514 OR, §§ 1271, 1272 ABGB, Art. 1965 ff. Code Civil, Art. 1933 Abs. 1 Codice Civile, Art. 2260 des chilenischen Codigo Civil, Art. 1788 ff. des indonesischen Zivilgesetzbuches und zum US-amerikanischen Recht Stout 48 Duke L. J. 701, 713 ff. und 721 ff. (1999). 329 Mit Wirkung vom 1. Juli 2002 durch Art. 9 des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes (FMFG) vom 21. Juni 2002, BGBl. I S. 2010.
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weitert. Denn danach waren alle Fälle gleichgestellt, in denen „nur die Absicht des einen Teils auf die Zahlung des Unterschieds gerichtet ist, der andere Teil aber diese Absicht kennt oder kennen muss“. Diese einseitigen Differenzgeschäfte sind nach Aufhebung des § 764 BGB nicht von § 762 BGB erfasst, während sich die früher in § 764 S. 1 BGB normierten zweiseitigen Differenzgeschäfte nunmehr unmittelbar unter den Spieleinwand des § 762 BGB subsumieren lassen.330
2. Die kapitalmarktrechtliche Sichtweise: Schaffung und Erweiterung von Ausnahmetatbeständen In Deutschland wurden bereits Ende des 19. Jahrhunderts börsen- bzw. kapitalmarktrechtliche Ausnahmetatbestände eingeführt, die für bestimmte Geschäfte den zivilrechtlichen Spiel- und Differenzeinwand ausschlossen.331 Der Gesetzgeber hat diese Ausnahmetatbestände in den letzten hundert Jahren immer weiter ausgedehnt, um das von den „spekulationsfeindlichen“ Normen des allgemeinen Zivilrechts ausgehende Unwirksamkeitsrisiko zu beseitigen oder – präziser formuliert – auf die Frage zu verlagern, ob im Einzelfall die leichter festzustellenden Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes gegeben sind. Das Börsengesetz von 1896332 machte die neu geschaffene Termingeschäftsfähigkeit beider Parteien zur Voraussetzung für den Abschluss wirksamer Börsentermingeschäfte. Auf diese Weise wurde eine personell beschränkte Börsenrechtssphäre geschaffen. Voraussetzung für die Termingeschäftsfähigkeit war nur die von jedermann zu erlangende Eintragung in ein Börsenregister, was nicht mehr als eine „psychologische“ Hemmschwelle bedeutete.333 Schon die Börsengesetznovelle von 1908334 führt demgegenüber mit der Termingeschäftsfähigkeit qua Status oder Beruf zu einer gewissen Einschränkung. Nach § 53 Abs. 1 BörsG 1908 war ein Börsentermingeschäft zwischen zwei (Voll-)Kaufleuten verbindlich; § 53 Abs. 2 BörsG 1908 stellte diesen vor allem die sogenannten Börsenleute (Bankiers und Börsenhändler) gleich.335 Spiel- und Differenzeinwand konnten in diesem Rahmen gemäß § 58 BörsG 1908 nicht geltend gemacht werden, der jedoch die Zulassung 330 Siehe dazu nur MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, § 762 Rn. 10 und allgemein unten S. 155 ff. 331 Zum Folgenden auch Zimmermann, in: Domej/Dörr/Hoffmann-Nowotny/Vasella/ Zelger (Hrsg.), Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S. 119 ff. 332 Zu den Beratungen der 1892 einberufenen Börsenenquètekommission zusammenfassend Merkt, in Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1997, S. 77 ff.; zur geschichtlichen Entwicklung auch Schäfer, in: FS Immenga, 2004, S. 689 ff. 333 Zu den Einzelheiten Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann, 6. Aufl. 2012, Vor § 37e Rn. 5; KölnKommWpHG/Roth, 2007, § 37d WpHG Rn. 20. 334 RGBl. I 1908, 215. 335 Dazu etwa Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann, 6. Aufl. 2012, Vor § 37e Rn. 6 f.; KölnKommWpHG/Roth, 2007, § 37d WpHG Rn. 22.
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des jeweiligen Kapitalmarktprodukts zum Börsenterminhandel als weitere Voraussetzung aufstellte. Privatpersonen waren damit grundsätzlich von der auf diese Weise gezogenen Börsenrechtssphäre ausgeschlossen. § 54 BörsG 1908 sah allerdings für auf Wertpapiere bezogene Termingeschäfte eine teilweise Wirksamkeit vor, wenn eine Partei termingeschäftsfähig war und die andere Partei in einer den Vorgaben des § 54 Abs. 2 bis 6 BörsG 1908 genügenden Weise eine Sicherheit für die Erfüllung des Termingeschäfts bestellt hatte. In diesem Fall war der Vertrag für die termingeschäftsfähige Partei wirksam; diese konnte aus der Sicherheit Befriedigung suchen. Dieses 1908 geschaffene Regelungsmodell galt bis zum Jahr 1989 weitgehend unverändert fort. Erst die Börsengesetznovelle im Jahr 1989 erweiterte die Börsenrechtssphäre auch auf Privatanleger. Damit ging die Schaffung einer zusätzlichen Art der Börsentermingeschäftsfähigkeit einher, die eine standardisierte, schriftliche Risikoinformation voraussetzte (sogenanntes Informationsmodell).336 Des Weiteren erstreckte sich nun die Freistellung von Differenz- und Spieleinwand auch auf außerbörslich gehandelte Derivate; das bis dahin geltende Erfordernis der Zulassung zum Börsenterminhandel wurde gestrichen. Das 4. Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002337 überführte schließlich die börsenrechtlichen Vorschriften in das Wertpapierhandelsgesetz und schaffte die personell beschränkte Börsentermingeschäftsfähigkeit ab. Stattdessen wurde der bis heute geltende § 37e in das WpHG eingefügt. Danach kann der Spieleinwand des § 762 BGB nicht erhoben werden gegen Ansprüche aus Finanztermingeschäften, bei denen mindestens ein Vertragsteil ein Unternehmen ist, das gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Finanztermingeschäfte abschließt oder deren Abschluss vermittelt oder die Anschaffung, Veräußerung oder Vermittlung von Finanztermingeschäften betreibt.
II. Regelungszwecke des geltenden kapitalmarktrechtlichen Regimes Die beschriebene Ausweitung der kapitalmarktrechtlichen Ausnahmetatbestände verfolgte in erster Linie das Ziel, den als volkswirtschaftlich nutzbringend angesehenen Handel mit Derivaten nicht zu behindern.338 Der volkswirtschaftliche Nutzen hat aus dieser Sicht zwei Aspekte.339 336 Dazu und zu den weiteren Reformen ausführlich Fuchs/Jung, WpHG, 2009, Vor §§ 37e und 37 g Rn. 92 ff.; Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann, 6. Aufl. 2012, Vor § 37e Rn. 8 ff.; KölnKommWpHG/Roth, 2007, § 37d WpHG Rn. 24 ff. 337 BGBl. I 2002 S. 2010. 338 Siehe dazu die Begründung des Regierungsentwurfs der Börsengesetznovelle 1989, BR-Drs. 40/89 S. 17 f., wonach eine moderne Volkswirtschaft auf ein breit fundiertes Termingeschäft nicht verzichten könne. 339 Dazu bereits Zimmermann, in: Domej/Dörr/Hoffmann-Nowotny/Vasella/Zelger (Hrsg.), Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S. 113, 122 ff.
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1. Effiziente Risikoallokation Zum einen ermöglichen derivative Finanzinstrumente, wie bereits ausgeführt,340 den Marktteilnehmern eine Absicherung gegen Schwankungen des jeweiligen Basiswertes. An derivativen Märkten könne daher ein Transfer von Risiken zwischen Marktteilnehmern mit unterschiedlichen Risikopräferenzen stattfinden. Auf diese Weise bilde sich ein Marktpreis für bestimmte Risiken, was im Idealfall zu einer volkswirtschaftlich wünschenswerten Risikoallokation führe, weil die betreffenden Risiken zu den Personen gelenkt würden, die diese mit den geringsten Kosten tragen können (least cost risk bearer).341
2. Verbesserung der Preisqualität durch Informationsarbitrage Zum anderen sollen derivative Märkte positive Auswirkungen auf die Preisfindung haben. Diese seien in der Anreizfunktion begründet, welche die Möglichkeit des Handels an Terminmärkten schaffe. Denn Informationsvorsprünge ließen sich zur Gewinnerzielung durch Geschäfte mit uninformierten Marktteilnehmern nutzen (Informationsarbitrage).342 Während die Möglichkeit zur Spekulation am Kassamarkt ebenfalls einen Anreiz zur Suche nach preisrelevanten Informationen hervorrufe, sei die Anreizfunktion bei Teilnahme an einem derivativen Markt jedoch wegen der dort grundsätzlich geringeren Transaktionskosten stärker ausgeprägt.343 Dies habe zur Folge, dass die least cost information seeker die Informationssuche übernähmen, also die Marktteilnehmer, für die diese am kostengünstigsten sei. Eine möglichst große Menge von in den Preis einfließenden Informationen sei wünschenswert, da dies die Preisgenauigkeit verbessere, die wiederum als eine grundlegende Voraussetzung für die Allokationseffizienz von Kapitalmärkten angesehen wird. Zudem wird darauf hingewiesen, dass neue Informationen über die Basiswerte in derivativen Märkten auch schneller in die Kurse einflössen, was ebenfalls der Preisqualität an den jeweiligen Kassamärkten zugute komme.344 340
Dazu oben S. 40 f. Gibson/Zimmermann ZSR 115 (1996), 77, 78 f.; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 26 und S. 66 f. 342 Gibson/Zimmermann ZSR 115 (1996), 77, 85; Hazen, 86 Nw. U. L. Rev. 987, 1009 ff. (1992); Stout 48 Duke L. J. 701, 737 f. (1999) m. w. N. Allgemein auch Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 26 ff., S. 61 ff. und (zu Terminmärkten) S. 72; Posner, Economic Analysis of Law, 8. Aufl. 2011, § 15.11. 343 Vgl. Posner, Economic Analysis of Law, 8. Aufl. 2011, § 4.10a.E. – Ein Grund für die geringeren Transaktionskosten ist insbesondere, dass bei Derivaten im Regelfall keine Erfüllung in natura, d. h. keine physische Lieferung des Basiswertes erfolgt, sondern ein reiner Barausgleich vereinbart ist, dazu Hazen, 86 Nw. U. L. Rev. 987, 1009 Fn. 123 (1992). 344 Gibson/Zimmermann ZSR 115 (1996), 77, 83 f.; Stout 21 J. Corp. L. 53, 65 (1995). Empirischen Untersuchungen zufolge laufen die Kurse an Terminmärkten (Index-Futures) den Kursen an den entsprechenden Kassamärkten (Aktienindices) voraus; allerdings liegt 341
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3. Fokussierung auf den Anlegerschutz durch Information Vor diesem Hintergrund spielt der Anwendungsbereich des § 762 BGB oder allgemeiner die zivilrechtliche Wirksamkeit von Spekulationsgeschäften in der aktuellen rechtswissenschaftlichen und -politischen Diskussion der Rahmenbedingungen des Derivatehandels keine Rolle mehr. In deren Zentrum steht stattdessen die Frage, mit welchen kapitalmarktrechtlichen Instrumenten (Privat-)Anleger vor den Risiken derivativer Finanzinstrumente zu schützen sind.345 Mit dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz346 wurde im Jahr 2002 zunächst ein zweistufiges Informationsmodell eingeführt. Auf der ersten Stufe sah § 37d WpHG vor, dass Unternehmen im Sinne des § 37e WpHG Verbraucher vor dem Vertragsabschluss schriftlich (und in standardisierter Form) über die mit Finanztermingeschäften verbundenen Risiken zu informieren hatten. § 37d Abs. 4 WpHG sanktionierte Pflichtverletzungen mit einem Schadensersatzanspruch des Verbrauchers. Der zweiten Stufe wurden die allgemeinen Verhaltenspflichten des § 31 WpHG zugerechnet, der Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Nachvollziehung der von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze insbesondere zu anleger- und anlagegerechter Information verpflichtet.347 Das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz des Jahres 2007348 beendete schließlich die Zweistufigkeit des Informationsmodells und hob § 37d WpHG ersatzlos auf.
III. Termingeschäfte als Spiel i. S. d. § 762 BGB 1. Der Regelungszweck des Spieleinwands Zur Begründung der Spekulationsfeindlichkeit des deutschen Zivilrechts werden vor allem zwei wesentliche Aspekte genannt, nämlich moralische Wertungen349 und die Gefährlichkeit350 von aleatorischen Geschäften. Ob tatsächlich mit nicht auf Arbeit beruhendem Einkommen ein moralisches Unwerturteil verbunden wurde oder welche sonstigen rechtspolitischen dieser Vorlauf lediglich im Minutenbereich. Siehe etwa Stoll/Whaley, 25 J. Quant. Fin. An. 441 (1990); Grünbichler/Longstaff/Schwartz, 3 J. Fin. Intermediation 166 (1994). 345 Zur Entwicklung im deutschen Recht beim Übergang zum Informationsmodell siehe etwa Henssler ZHR 153 (1989), 611, 618 ff. 346 BGBl. I 2002 S. 2010. 347 Dazu noch unten S. 211 ff. 348 BGBl. I 2007 S. 1330. 349 Siehe etwa Binder ZHR 169 (2005), 329, 353 und 368 („ethisch-moralische“ bzw. „moralphilosophische Wertungen“); Schwark, in: FS Steindorff, 1990, S. 473, 474 f. 350 Vgl. Staudinger/Engel, Neubearb. 2008, Vorbem zu §§ 762 ff Rn. 4; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, § 762 Rn. 1 (Schutz „vor den unkalkulierbaren und mitunter existenzbedrohenden Gefahren“, „Eindämmung der allgemeinen Spielleidenschaft“); Henssler ZHR 153 (1989), 611, 612; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 432 (wegen ihrer Gefährlichkeit „sozialpolitisch unerwünscht“); Erman/Müller, 13. Aufl. 2011, § 762 Rn. 1.
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Zwecke der historische Gesetzgeber des BGB verfolgte, lässt sich anhand der Gesetzesmaterialien nicht feststellen. Die Gesetzesverfasser enthielten sich – wohl nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen Vorstellungen der Beteiligten351 – im Ergebnis einer Begründung und verwiesen ohne weitergehende Erläuterungen auf die „Rechtsauffassung der Gegenwart“.352
2. Der Tatbestand des § 762 BGB § 762 Abs. 1 BGB regelt den „Grundtypus des Risikovertrages“.353 Die genaue Abgrenzung zwischen Spiel und Wette war angesichts der gemeinrechtlichen Lehre, nach der Ansprüche aus Wette klagbar und Ansprüche aus Spiel unklagbar waren,354 vor dem Inkrafttreten des BGB umstritten; durch die Gleichstellung beider Formen in § 762 BGB ist die tatbestandliche Unterscheidung für die Normanwendung letztlich unerheblich.355 Abgrenzen lassen sich Spiel und Wette nach ihrem Vertragszweck:356 Mit einer Wette wird der Zweck verfolgt, widerstreitende Behauptungen der Parteien in der Weise zu bekräftigen, dass diese sich verpflichten, demjenigen eine bestimmte Leistung zu erbringen, dessen Behauptung sich als zutreffend erweist.357 Ein Spielvertrag wird demgegenüber zwecks Gewinnerzielung zu Lasten der anderen Partei (oder zu Unterhaltungszwecken) geschlossen.358 a) Objektiver Tatbestand Entscheidend für die Anwendbarkeit des § 762 Abs. 1 BGB ist in objektiver Hinsicht, dass beide Parteien ein vermögenswertes Risiko übernehmen und das Pflichtenprogramm vom Zufall oder der Ungewissheit der Parteien über bestimmte Ereignisse abhängt.359 Termingeschäfte im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG, also als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basis351 Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 428 f. weist auf die unterschiedlichen Vorstellungen in der 2. Kommission hin. 352 Motive, Mugdan, Band 2, 1899, S. 360. 353 So Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 419. 354 Siehe dazu nur Staudinger/Engel, Neubearbeitung 2008, § 762 Rn. 1. 355 Staudinger/Engel, Neubearbeitung 2008, § 762 Rn. 2; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 427. 356 Dazu z. B. MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, § 762 Rn. 7. 357 So bereits RGZ 61, 153, 155 f. 358 Staudinger/Engel, Neubearbeitung 2008, § 762 Rn. 3; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, § 762 Rn. 7; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 428. 359 Heute wohl unstr., siehe aus der Rspr. etwa zuletzt OLG Stuttgart BKR 2010, 208, 210 und auch BGH NJW 1988, 1592, 1593. Aus der Literatur: Staudinger/Engel, Neubearbeitung 2008, § 762 Rn. 3; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, § 762 Rn. 4; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 441 ff.; Fuchs/Jung, WpHG, 2009, § 37e Rn. 1; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 9.209; Erman/Müller, 13. Aufl. 2011, § 762 Rn. 2.
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wertes ableitet, können unter diese Tatbestandsmerkmale subsumiert werden:360 Beide Parteien eines Termingeschäfts tragen ein vermögenswertes Risiko, dessen Verwirklichung von der Kursentwicklung des Basiswertes und damit vom Zufall abhängig ist.361 Verfehlt ist der dagegen von Lehmann erhobene Einwand,362 die Entwicklung von Börsenkursen entspreche nicht „der klassischen Definition von ‚Zufall‘“, da die Kursentwicklung letztlich von menschlichen Handlungen abhängig sei. Denn es gibt keinen erkennbaren Grund, von einem zufälligen Ereignis nur dann zu sprechen, wenn es nicht durch menschliches Verhalten verursacht wurde; auch im schuldrechtlichen Zusammenhang wird „Zufall“ nicht in dieser Weise definiert.363 Keine Einschränkung dieser Aussage ist im Übrigen im Hinblick auf die Kritik an der Hypothese der Kapitalmarkteffizienz (Efficient Capital Market Hypothesis, ECMH) angezeigt, die auf den Forschungsergebnissen der Behavorial Finance beruht.364 Die ECMH besagt in ihrer sogenannten schwachen Form, dass der gegenwärtige Preis eines Kapitalmarktprodukts alle Informationen über die Kursentwicklung der Vergangenheit enthält, so dass jede Änderung des Marktpreises nur durch neue Informationen verursacht werden kann, deren Entstehen als zufällig angenommen werden muss.365 Im Rahmen dieser Arbeit soll nicht vertieft auf die Diskussion um die ECMH eingegangen werden. Es genügt jedoch der Hinweis, dass sich die empirisch beobachteten Abweichungen von dem bei Geltung der ECMH anzunehmenden Ergebnis bislang weder als systematisch noch als voraussagbar erwiesen haben.366 Dies bedeutet nichts anderes, als dass auch derartige Abweichungen letztlich zufallsabhängig sind. Es bleibt damit festzuhalten, dass Termingeschäfte im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG den objektiven Tatbestand des § 762 Abs. 1 BGB erfüllen.
360 So auch Staudinger/Engel, Neubearbeitung 2008, Vor §§ 762 ff. Rn. 8 („die meisten Finanztermingeschäfte als die heute wichtigste Spekulationsform [erfüllen] den objektiven Tatbestand des § 762“) und § 762 Rn. 48; Fuchs/Jung, WpHG, 2009, § 37e Rn. 4; Kessler/ Heda WM 2004, 1812, 1815; KölnKommWpHG/Roth, 2007, § 37e Rn. 1. – A. A., allerdings ohne nähere Begründung, Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 9.209 („nur schwer vorstellbar, dass ein Finanztermingeschäft diese Voraussetzungen erfüllt“). 361 Zur Zufallsabhängigkeit siehe auch Hurt 86 B. U. L. Rev. 371, 383 f. (2006). 362 Lehmann, Finanzinstrumente, 2009, S. 104 f. 363 Von Zufall spricht man, wenn ein Ereignis weder vom Gläubiger noch vom Schuldner zu vertreten ist, Staudinger/Loewisch/Feldmann, Neubearb. 2009, § 287 Rn. 10; Jauernig/Stadler, 14. Aufl. 2011, § 287 Rn. 2. – Zum Verhältnis von Zufall und höherer Gewalt siehe Knütel NJW 1993, 900, 900. 364 Zu dieser Kritik und zur Entwicklung der Diskussion Malkiel 17 J. Econ. Persp. 59 (2003); Shiller 17 J. Econ. Persp. 83 (2003). 365 Dazu bereits oben S. 62 f. 366 Dazu Malkiel, 17 J.Econ. Persp. 59, 76 ff. (2003); Shiller, 17 J.Econ. Persp. 83, 101 f. (2003); aus der deutschen Literatur siehe insbesondere Sauer, Haftung für Falschinformation des Sekundärmarktes, 2004, S. 174 ff.
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b) Subjektiver Tatbestand: Beidseitige Spielabsicht Des weiteren ist nach ganz herrschender Meinung in subjektiver Hinsicht zu fordern, dass beide Parteien Spielabsicht aufweisen, d. h. im hier interessierenden Kontext, dass sie beabsichtigen, in Abhängigkeit von dem Zufallselement einen Gewinn zu erzielen.367 Für dieses Erfordernis sprechen zwei Argumente: Zum einen ist auf das systematische Verhältnis von § 762 BGB zu dem im Jahr 2002 aufgehobenen § 764 S. 2 BGB368 zu verweisen. Nach diesem bestand der Differenzeinwand auch in den Fällen, in denen nur eine Partei die Differenzerzielungsabsicht aufweist, wenn die andere Partei diese Absicht kennt oder kennen muss. Die von § 764 S. 1 BGB a. F. erfassten zweiseitigen Differenzgeschäfte ließen sich auch unter § 762 BGB subsumieren; eigenständige Bedeutung kam dem Differenzeinwand nur durch § 764 S. 2 BGB zu.369 Stellte § 764 S. 2 BGB dementsprechend eine Erweiterung gegenüber § 764 S. 1 BGB und gegenüber § 762 BGB dar, konnte dieser nur bei einer entsprechend engen Auslegung des § 762 BGB ein eigenständiger Sinngehalt zukommen.370 Habersack weist zutreffend darauf hin, dass die Aufhebung des § 764 BGB nichts an diesen, sich aus der früheren Gesetzessystematik ergebenden Folgerungen geändert hat.371 Zum anderen spricht auch die volkswirtschaftliche Beurteilung von Spekulation für das Erfordernis einer beidseitigen Spielabsicht. Gegen die Berücksichtigung der ökonomischen Betrachtungsweise lässt sich nicht anführen, § 762 BGB verfolge Zwecke wie den Schutz der individuellen Spielteilnehmer vor Spielsucht oder vor der Gefährlichkeit der eingegangenen Geschäfte, da sich der historische Gesetzgeber angesichts der schon damals umstrittenen Frage nach dem Regelungszweck des Spieleinwands ausdrücklich nicht auf ein bestimmtes telos festgelegt hat.372 Zudem hat der Gesetzge367 So insbesondere Binder ZHR 169 (2005), 329, 356; MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 199; Staudinger/Engel, Neubearbeitung 2008, § 762 Rn. 3; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, § 762 Rn. 6; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 443 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 15.232; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 9.209; Mülbert/ Böhmer WM 2006, 937, 947 f.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Schefold, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 116 Rn. 263; wohl auch BGH NJW 1988, 1592, 1593. – Abweichend allerdings Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002, S. 141 f., der eine einseitige Spielabsicht genügen lassen will. 368 Dazu bereits oben S. 151 f. 369 Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 538. 370 So insbesondere Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 444. 371 MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, § 762 Rn. 6; zustimmend MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 199; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 15.232; genauso Mülbert/Böhmer WM 2006, 937, 948. 372 Siehe oben S. 155 f.; einschränkend jedoch Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 452 f.
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ber des 4. Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002373 mit der Formulierung des § 37e WpHG zu erkennen gegeben, dass der Spieleinwand die in § 37e WpHG angesprochenen Finanzinstrumente aus seiner Sicht durchaus erfassen würde.374 Berücksichtigt man den mit diesem kapitalmarktrechtlichen Ausnahmetatbestand verfolgten Zweck, den als volkswirtschaftlich nutzbringend angesehenen Handel mit Derivaten nicht durch ein zivilrechtlich begründetes Unwirksamkeitsrisiko zu behindern,375 ist es naheliegend, ökonomische Kriterien auch bei der Anwendung des § 762 BGB auf Termingeschäfte zu berücksichtigen. Der Abschluss von Termingeschäften entfaltet dann gesamtwirtschaftlich schädliche Wirkungen, wenn auf beiden Seiten des Geschäfts Personen stehen, die weder eine Absicherung376 gegen Preisschwankungen des Basiswertes erreichen, noch durch Informationsarbitrage,377 also durch das Ausnutzen von Informationen über das gegenwärtige Abweichen des Preises eines bestimmten Guts von dessen fundamentalem Wert, Gewinne erzielen wollen, die also identische Risikopräferenzen und einen identischen (unvollständigen) Informationsstand aufweisen und dennoch miteinander kontrahieren.378 Bei derartigen Transaktionen handeln beide Parteien aufgrund heterogener Erwartungen über die zukünftige, unsichere Preisentwicklung und damit in Spekulationsabsicht.379 Volkswirtschaftlich ist diese Art der Spekulation unerwünscht: Da eine Partei in dem gleichen Ausmaß „gewinnt“, in dem die andere „verliert“, handelt es sich um ein Nullsummenspiel, dem kein gesamtwirtschaftlicher Nutzen gegenübersteht, das jedoch Transaktionskosten verursacht.380 Nach dem bisher Ausgeführten ist dies zumindest 373
BGBl. I 2002 S. 2010. Mit diesem Argument MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 199. – § 37e WpHG berücksichtigt auch Lehmann, Finanzinstrumente, 2009, S. 106. Seine Folgerung, dass die Formulierung der Norm verbesserungsbedürftig sei, ist jedoch wenig überzeugend. 375 Dazu bereits oben S. 153 ff. 376 Siehe oben S. 154. 377 Siehe oben S. 154. 378 Dazu ausführlich Zimmermann, in: Domej/Dörr/Hoffmann-Nowotny/Vasella/Zelger (Hrsg.), Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S. 113, 124 ff. Siehe im Übrigen insbesondere Hirshleifer, 89 Q. J. Econ. 519 (1975); Hirshleifer, 32 J. Fin. 975 (1977); Stout 48 Duke L. J. 701, 741 ff. (1999) m. w. N.; aus dem deutschen rechtswissenschaftlichen Schrifttum Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 29 ff. und S. 38. 379 Stout 48 Duke L. J. 701, 744 f. (1999). 380 Siehe dazu auch Hazen, 86 Nw. U. L. Rev. 987, 1006 f. (1992); Stout 48 Duke L. J. 701, 745 f. und 752 (1999). – Die aus dieser Erkenntnis zu ziehenden Folgen sind umstritten: Während nach der herkömmlichen ökonomischen Sichtweise diese „schlechte“ Form der Spekulation hinzunehmen ist, da sie vom Markt selbst hinreichend reguliert wird, lassen die Ergebnisse der Behavorial Finance Zweifel an dieser Aussage aufkommen. Aus der rechtswissenschaftlichen Literatur siehe dazu ausführlich Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 63 und S. 121 ff. Im hier interessierenden Zusammenhang 374
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ein zusätzliches Argument dafür, im Rahmen von § 762 Abs. 1 BGB beidseitige Spielabsicht zu fordern. c) Das Abgrenzungsmerkmal des wirtschaftlichen oder sonst anerkennenswerten Zwecks Sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum wird verbreitet und mit im Einzelnen unterschiedlichen Formulierungen auf ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des („ernsthaften“ oder „berechtigten“) wirtschaftlichen oder sonst anerkennenswerten („ernsthaften sittlichen“ oder „seriösen“) Zwecks abgestellt, um eine trennschärfere Abgrenzung zwischen verbindlichen und nach § 762 Abs.1 BGB unverbindlichen Verträgen zu erreichen.381 In die gleiche Richtung geht die von Casper vertretene Ansicht, das Spiel im Sinne des § 762 BGB von dem Finanztermingeschäft im Sinne des § 37e WpHG danach abzugrenzen, ob das konkrete Geschäft objektiv zur Absicherung gegen Währungs-, Zins- und Kursrisiken geeignet sei.382 Wie jedoch vor allem Henssler ausführlich dargelegt hat, lässt sich das Erfordernis eines – wie auch immer definierten – anerkennenswerten Zwecks weder mit der ratio des § 762 Abs. 1 BGB in Einklang bringen noch trägt es dazu bei, die praktische Anwendung der Vorschrift zu erleichtern.383 Ein von den Parteien oder zumindest einer Partei verfolgter „wirtschaftlicher Zweck“ spielt nach der hier vertretenen Auffassung eine entscheidende Rolle im Rahmen des subjektiven Tatbestands des § 762 Abs. 1 BGB. Insbesondere scheidet eine Anwendung der Norm dann aus, wenn eine Partei sich mit dem Abschluss eines Termingeschäfts gegen Risiken absichern will, die aus einem anderen Geschäft herrühren.384 Es erübrigt sich daher, zusätzlich genügt die Feststellung, dass Geschäfte, bei denen beide Parteien aufgrund heterogener Erwartungen über die zukünftige, unsichere Preisentwicklung handeln, problematisch sind. 381 BGHZ 69, 295, 301 = BGH NJW 1977, 2356, 2357; KG NJW 1976, 197; 1976, 1211; aus der neueren Literatur etwa Staudinger/Engel, Neubearbeitung 2008, Vor §§ 762 ff. Rn. 7; Kessler/Heda WM 2004, 1812, 1815; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 15.230; Erman/Müller, 13. Aufl. 2011, § 762 Rn. 2; Palandt/Sprau, 72. Aufl. 2013, § 762 Rn. 2 und 4. Zur älteren Literatur siehe die Nachweise bei Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 446 Fn. 139–141. – Ausführlich dazu Mülbert/Böhmer WM 2006, 937, 947 ff. 382 Casper, Der Optionsvertrag, 2005, S. 316 f.; dagegen MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 199; Mülbert/Böhmer WM 2006, 937, 939 f. 383 Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 446 ff.; zustimmend MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, § 762 Rn. 4 mit dem zutreffenden Hinweis darauf, dass es nicht Aufgabe einer freiheitlichen Rechtsordnung ist, Verträge auf das Vorliegen eines anerkennenswerten Zwecks zu kontrollieren. Gegen dieses Abgrenzungskriterium auch Servatius WM 2004, 1804, 1805 ff. 384 Dies dürfte i. E. unstreitig sein, siehe etwa BGHZ 105, 263, 266 f. = BGH NJW 1989, 300, 301; BGHZ 58, 1, 5 = BGH NJW 1972, 382, 383; RGZ 107, 22, 24 ff.; v. Arnim JZ 1982, 843, 845 f.; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, § 762 Rn. 10; Erman/Müller, 13. Aufl. 2011, § 762 Rn. 7.
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zur Voraussetzung der beidseitigen Spielabsicht ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des „ernsthaften“ oder „berechtigten“ wirtschaftlichen Zwecks zu konstruieren.385 d) Zwischenergebnis Termingeschäfte im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG können somit sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand des § 762 Abs. 1 BGB erfüllen. Die nach richtiger Ansicht in subjektiver Hinsicht erforderliche beidseitige Spielabsicht ist dann gegeben, wenn keine Partei über die bloße Spekulation hinausgehende Zwecke (wie insbesondere das Hedging) verfolgt.
3. Die Rechtsfolge des § 762 BGB Gemäß § 762 Abs. 1 S. 1 BGB wird durch Spiel und Wette keine (vollkommene) Verbindlichkeit begründet, sondern lediglich eine Naturalobligation.386 Es entsteht also kein durchsetzbarer Erfüllungsanspruch; die betroffene Partei kann sich auf den Spieleinwand berufen. Sofern diese Partei dennoch leistet, schließt § 762 Abs. 1 S. 2 BGB die condictio indebiti aus; der aleatorische Vertrag stellt einen Rechtsgrund für das Erlangte dar. Die sonst bei Vertragsnichtigkeit eingreifenden Rechtsfolgen treten somit nicht ein.387
IV. Der Ausschluss des Termineinwands nach § 37e WpHG § 37e WpHG wurde durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz im Zuge der Überführung der börsenrechtlichen Vorschriften über Termingeschäfte in das WpHG eingefügt.388 Die Norm schließt in ihrem S. 1 den Spieleinwand des § 762 BGB für solche Finanztermingeschäfte aus, bei denen mindestens ein Vertragsteil ein Unternehmen im Sinne des § 14 BGB389 ist, das gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Finanztermingeschäfte oder deren Abschluss vermittelt oder die Anschaffung, Veräußerung oder Vermittlung von Finanztermingeschäften betreibt. Damit sind sowohl Geschäfte auf eigene Rechnung als auch Wertpapierdienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 3 S. 1
385 Kritisch, allerdings mit anderer Ausrichtung, auch Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 448 ff. 386 Zu den mit der dogmatischen Einordnung verbundenen Streitfragen, die im hier interessierenden Zusammenhang nicht relevant sind, siehe z. B. Honsell, in: FS Talamanca, 2002, S. 367 ff. und zum deutschen Recht Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 432 ff.; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002, S. 136 ff. 387 Bestimmte Spielgeschäfte sind gemäß § 134 BGB i. V. m. §§ 284a, 287 StGB nichtig. 388 Dazu bereits S. 152 ff. 389 Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann, 6. Aufl. 2012, § 37e Rn. 4.
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Nr. 1 bis 4 WpHG erfasst.390 Finanztermingeschäfte im Sinne der Vorschrift sind nach § 37 S. 2 WpHG Derivate im Sinne des § 2 Abs. 2 WpHG und Optionsscheine. Bezweckt ist, in Übereinstimmung mit der Zielsetzung der früheren börsenrechtlichen Vorschriften, für bestimmte Termingeschäfte eine rechtssichere Sphäre zu schaffen.391
B. Die Anwendbarkeit des § 762 BGB auf synthetische Termingeschäfte Bejaht man unter bestimmten Voraussetzungen die Anwendbarkeit des § 762 BGB auf Termingeschäfte, schließt sich im hier interessierenden Zusammenhang die Frage an, ob sich der Spieleinwand auch auf synthetische Termingeschäfte und unter diesen auf den synthetischen Terminverkauf erstreckt, der sich aus einem Kassaleerverkauf und einem Wertpapierdarlehen zusammensetzt, das bei Fälligkeit mit Aktien erfüllt wird, die über einen Deckungskauf beschafft werden.
I. Rechtslage vor Inkrafttreten des 4. FMFG Vor Inkrafttreten des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes im Jahr 2002 war Gegenstand der Diskussion, ob Leerverkäufe und ggf. die damit verbundenen Wertpapierdarlehen unter den Begriff des Börsentermingeschäfts im Sinne der §§ 50 ff. BörsG a. F.392 bzw. des Differenzgeschäfts gemäß § 764 BGB a. F. subsumiert werden konnten. In einem grundlegenden Urteil aus dem Jahr 1978 hatte der BGH folgenden Fall zu entscheiden:393 Der Beklagte hatte eine Brokerfirma mit Sitz in New York beauftragt, US-amerikanische Aktien, bei denen er einen Kursrückgang erwartete, für 390 Fuchs/Jung, WpHG, 2009, Vor §§ 37e und 37 g Rn. 116; Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann, 6. Aufl. 2012, § 37e Rn. 4; Schwark/Zimmer/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 37e Rn. 3. 391 So die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/8017 S. 96. 392 Mit Inkrafttreten der Börsengesetznovelle von 1989 erstreckte § 50 Abs. 1 S. 2 BörsG a. F. den Begriff des Börsentermingeschäfts auf Geschäfte mit wirtschaftlich gleichem Zweck. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 11/4177 S. 18) sollten davon auch Leerverkäufe erfasst sein. Gegen die Einstufung von Leerverkäufen als Börsentermingeschäft aber MünchKommBGB/Habersack, 3. Aufl. 1997, § 764 Rn. 17; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 675 f. Zur damaligen Rechtslage siehe auch Assmann/ Schütze/Häuser/Welter, 2. Aufl. 1997, § 16 Rn. 162; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 15.79 ff.; Kümpel/Peters AG 1994, 525, 527 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 7.19; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1175 f.; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002, S. 100 f. 393 BGH NJW 1979, 488. Die Parteien hatten die oben geschilderte Vereinbarung dem Recht des Staates New York unterstellt. Der BGH entschied jedoch, dass der – von ihm angenommene – Ausschluss eines Differenzeinwands durch das Recht des Staates New York mit dem deutschen ordre public nicht vereinbar sei, weil er gegen den Zweck der §§ 762, 764 BGB verstoße.
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seine Rechnung an der New York Stock Exchange über einem bestimmten Mindestkurs durch einen Leerverkauf zu veräußern. Die Erfüllung des Verkaufs durch den Broker erfolgte mit Aktien, über die zwischen dem Broker und dem Beklagten ein Darlehensvertrag geschlossen worden war. Der Erlös aus dem Leerverkauf wurde auf einem von dem Broker geführten margin account gebucht, über den der Beklagte grundsätzlich nicht verfügen konnte. Zudem war vereinbart, den Rückerstattungsanspruch der Brokerfirma aus dem Darlehensvertrag so zu erfüllen, dass diese die entsprechende Anzahl Aktien der gleichen Art für Rechnung des Beklagten durch einen Deckungskauf an der Börse erwerben und den Kaufpreis dem margin account belasten sollte. Der BGH ließ offen, ob es sich bei der Parteivereinbarung um ein Börsentermingeschäft i. S. d. §§ 50 ff. BörsG a. F. handelte. Jedenfalls liege ein Differenzgeschäft vor.394 Das Interesse des Beklagten sei allein darauf gerichtet, mit Hilfe der darlehensweise beschafften Wertpapiere Kursdifferenzen auszunutzen. Die dafür notwendigen effektiven Umsatzgeschäfte seien nur das technische Mittel zur Erzielung der Differenz. Dem entspreche es, dass die (am Kassamarkt getätigten) Aktienumsätze sich nicht in einem Wertpapierdepot des Beklagten niedergeschlagen hätten, sondern lediglich über den margin account verbucht und bei Abwicklung des Geschäfts in die Differenz aufgelöst würden. Im Ergebnis liege daher ein einseitiges Differenzgeschäft im Sinne des § 764 S. 2 BGB vor. Diese Entscheidung wurde von Teilen des Schrifttums als verfehlt kritisiert.395 So hat insbesondere Henssler eingewandt, ein Leerverkauf müsse rechtlich genauso behandelt werden wie sein Spiegelbild, also der spekulative, kreditfinanzierte Kassakauf, der unstreitig kein Differenzgeschäft darstelle.396 Daran ändere sich auch nichts, wenn der Darlehensgeber die Wertpapiere nicht in ein Depot des Kunden einbuche, da trotzdem ein effektiver Aktienumsatz stattgefunden habe, was ein Differenzgeschäft ausschließe.397
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BGH NJW 1979, 488, 488 f. Die Gegenansicht vertraten z. B. MünchKommBGB/Habersack, 3. Aufl. 1997, § 764 Rn. 17; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 585 ff.; zum schweizerischen Recht siehe Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band II, 1995, S. 15 ff. – Zustimmend dagegen Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 65; Assmann/Schütze/Häuser/Welter, 2. Aufl. 1997, § 16 Rn. 162; MünchKommBGB/Pecher, 2. Aufl. 1986, § 764 Rn. 20. 396 Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 585. 397 Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 586. 395
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II. Geltendes Recht 1. Fortdauernde Relevanz der Einordnung synthetischer Termingeschäfte als Differenzgeschäfte Der geschilderte Fall wäre nach heutiger Rechtslage, d. h. nach Aufhebung des § 764 BGB und der Abschaffung der personell beschränkten Börsentermingeschäftsfähigkeit, anders zu entscheiden. Dies gilt bereits deshalb, weil § 762 BGB beidseitige Spielabsicht voraussetzt, die hier auf Seiten der Brokerfirma nicht vorlag.398 Dennoch ist eine Auseinandersetzung mit den damals vertretenen Positionen erforderlich, da sich die Frage der zivilrechtlichen Durchsetzbarkeit von Ansprüchen aus synthetischen Terminverkäufen für Fallkonstellationen, in denen beide Parteien Spielabsicht aufweisen, lediglich von § 764 BGB in den (objektiven) Tatbestand des § 762 BGB verlagert hat.399
2. Objektive Voraussetzungen des § 762 BGB Der von Henssler erhobene Einwand zielt darauf ab, dass Kassageschäfte, selbst wenn sie in spekulativer Absicht abgeschlossen werden, sowohl im Hinblick auf den Differenz- als auch auf den Spieleinwand verbindlich sind, sofern sie auf unbedingte und effektive Lieferung gerichtet sind.400 So entsprach es der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass ein ernst gemeintes Kassageschäft kein Differenzgeschäft sein könne.401 Dies sei nur dann möglich, wenn das Kassageschäft ein Zeitgeschäft verdecken solle.402 Nicht ausgeschlossen war aber auch nach Ansicht des BGH, dass dem Kassageschäft der Spieleinwand entgegenstehen kann. Diese setze voraus, dass beide Parteien darüber einig seien, dass nicht geliefert und ein Preis nicht gezahlt oder geschuldet werde, sondern „irgendein Umstand entscheiden solle, was und wem zu zahlen sei“.403 Eine genauere Betrachtung der gegen die Entscheidung des BGH vorgebrachten Argumente zeigt, dass das ausschließliche Abstellen auf die bei einem darlehensfinanzierten Leerverkauf abgeschlossenen Kassageschäfte 398
Dazu sogleich unter S. 165 f. Dies gilt stets vorbehaltlich der Anwendbarkeit des § 37e WpHG, dazu sogleich unter S. 166 f. 400 Zum Spieleinwand MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, § 762 Rn. 10. 401 BGHZ 103, 84, 90 = BGH NJW 1988, 1592, 1593; bestätigt in BGHZ 114, 177, 182 = BGH NJW 1991, 1956, 1957. 402 Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 575, geht insoweit weiter als der BGH, da sich seiner Ansicht nach auch Kassageschäfte als Differenzgeschäfte eignen; entgegen der h. M. sei das Abweichen von Lieferzeitpunkt und Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Voraussetzung für eine Anwendung des § 764 BGB. Zustimmend MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 200. 403 BGH NJW 2002, 892, 892 f.; BGHZ 114, 177, 182 = BGH NJW 1991, 1956, 1957; BGHZ 103, 84, 90 = BGH NJW 1988, 1592, 1593. 399
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(Leerverkauf und Deckungskauf bei Fälligkeit des Darlehens) zu kurz greift. Denn in dem vom BGH entschiedenen Fall wurden von den Parteien eben nicht zwei separate Kassageschäfte abgeschlossen und effektiv erfüllt. Stattdessen waren Leerverkauf und Deckungskauf durch die Parteivereinbarung von Anfang an zu dem Zweck miteinander verbunden, das gleiche wirtschaftliche Ergebnis zu erzielen, zu dem auch ein echter Terminverkauf geführt hätte. Auf die konkrete rechtstechnische Ausgestaltung kann es daher nicht ankommen.404 Jedenfalls in Fällen, in denen der Kunde seine Bank mit einem Leerverkauf auf seine Rechnung beauftragt und mit dieser – wie im vom BGH entschiedenen Fall – einen Wertpapierdarlehensvertrag abschließt oder die gegenüber der Bank aus dem Kommissionsverhältnis (§ 396 Abs. 2 HGB i. V. m. §§ 675, 670 BGB) bestehende Lieferpflicht in ein (Vereinbarungs-)Darlehen umwandelt,405 ist auch nach geltendem Recht der objektive Tatbestand des § 762 Abs. 1 BGB erfüllt.406
3. Subjektive Voraussetzungen des § 762 BGB Entscheidende Bedeutung kommt damit den subjektiven Voraussetzungen des Spieleinwands zu. Schon unter Geltung des § 764 S. 2 BGB a. F., der eine einseitige Differenzabsicht genügen ließ, wenn die andere Partei diese Absicht kannte oder kennen musste, war der Differenzeinwand in aller Regel nicht gegeben, wenn der Wertpapierdarlehensvertrag nicht mit der Bank abgeschlossen wurde, die den Leerverkauf kommissionsweise ausführte, sondern mit einer dritten Partei. Denn bei der den Leerverkauf ausführenden Bank war im Normalfall keine Kenntnis von der Art des mit dem Dritten abgeschlossenen Kausalgeschäfts anzunehmen, so dass sie gutgläubig im Sinne des § 764 S. 2 BGB war.407 § 762 Abs. 1 BGB setzt demgegenüber sogar beidseitige Spielabsicht voraus. Diese fehlt nicht nur dann, wenn als Darlehensgeber eine weitere Partei eingeschaltet wird, sondern auch in der vom BGH entschiedenen Fallkonstellation. Da die beauftragte Brokerfirma beide Kassageschäfte, also sowohl den Leerverkauf als auch den Deckungskauf für Rechnung ihres Kunden ausführte und dabei Kaufverträge mit anderen Par404 In diesem Sinne auch Assmann/Schütze/Häuser/Welter, 2. Aufl. 1997, § 16 Rn. 160 („Ausführungsgeschäfte eines einheitlichen Terminengagements“); Assmann, in: FS Heinsius, 1991, S. 1, 10; Franken, Das Recht des Terminhandels, 1997, S. 145 f.; Kümpel/Peters AG 1994, 525, 527 f.; Wach, Der Terminhandel in Recht und Praxis, 1986, Rn. 725. Ähnlich Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 66 ff. (zur Anwendbarkeit des börsenrechtlichen Termineinwands); Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 34. 405 Dazu Kümpel/Peters AG 1994, 525, 527 f. 406 § 762 BGB erfasst auch Kauf- und Verkaufaufträge, die in einem Kommissionsverhältnis erteilt werden. Dazu statt aller MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 199. 407 So Kümpel/Peters AG 1994, 525, 527 f. Zum schweizerischen Recht siehe auch Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band II, 1995, S. 15 ff.
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teien abschloss, konnte sie gerade nicht in Abhängigkeit von der zukünftigen (zufälligen) Kursentwicklung der betreffenden Wertpapiere einen Gewinn erzielen. Ihre Gewinnerzielungsabsicht war allein auf den Erhalt des von ihrem Kunden für die Durchführung des Geschäfts geschuldeten Entgelts (einschließlich der Darlehenszinsen) gerichtet. Die heute zumeist eher knapp geäußerte Feststellung, der Leerverkauf sei kein Spiel im Sinne des § 762 BGB, ist damit jedenfalls für derartige Sachverhalte zutreffend.408 Anderes gilt allerdings dann, wenn die Beteiligten einen Terminverkauf ausschließlich innerhalb eines Zweiparteienverhältnisses synthetisch nachbilden, so dass die Parteien von Wertpapierdarlehen und Leerverkauf identisch sind. Selbst wenn in einem solchen Fall die Wertpapiere effektiv geliefert werden, handelt es sich um nichts anderes als eine rein rechtstechnische Aufspaltung eines Terminverkaufs, so dass § 762 Abs. 1 BGB in gleicher Weise Anwendung finden kann wie bei einem solchen. Praktische Relevanz dürfte eine derartige Vereinbarung freilich nicht haben.409
C. Die Bedeutung des § 37e WpHG für synthetische Termingeschäfte Sollte ausnahmsweise bei einem synthetischen Terminverkauf der Tatbestand des § 762 Abs. 1 BGB in subjektiver und objektiver Hinsicht erfüllt sein, ist auf den ersten Blick kein Grund ersichtlich, nicht auch § 37e WpHG anzuwenden.410 Vor allem Ekkenga hat jedoch eingewandt, dass die Verbindung von Leerverkauf und Wertpapierdarlehen zu einem synthetischen Termingeschäft weder von dem Derivatebegriff des WpHG noch von der Definition des Finanztermingeschäfts in § 37e S. 2 WpHG erfasst werde.411 Dies gelte selbst dann, wenn beide Geschäfte über einen Finanzdienstleister abgewickelt würden. Stattdessen seien, wie bereits von Henssler vertreten, auf derartige Gestaltungen die Kassageschäfte betreffenden Normen anwendbar, um zu verhindern, dass sich das Sonderrecht der Termingeschäfte „unkontrollierbar“ ausdehne. Daraus will Ekkenga die Konsequenz ziehen, dass synthetische Termingeschäfte zwar von § 762 BGB erfasst werden könnten, dass § 37e S. 1 WpHG jedoch nicht eingreife.412
408 MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 200; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl. 2013, § 762 Rn. 10 („Weder Finanzterminnoch Differenz- oder gar Spielgeschäft ist der Leerverkauf.“). 409 Zur sogenannten direkten Prolongation eines Terminverkaufs siehe Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 65 f. und S. 32 Fn. 58. 410 Ähnlich wohl auch Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1176a zur Anwendung des § 37d WpHG a. F. auf Wertpapierdarlehen. 411 MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 66. 412 MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 66.
§ 11 Pflichten der Parteien
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Diejenigen synthetischen Termingeschäfte, die von § 762 Abs. 1 BGB erfasst werden, zeichnen sich jedoch dadurch aus, dass sowohl die Wertpapiertransaktion am Kassamarkt als auch das Finanzierungsgeschäft zwischen denselben Parteien abgeschlossen werden. Diese Aufspaltung eines bei wirtschaftlicher Betrachtung einheitlichen Vorgangs in zwei Rechtsgeschäfte steht den Parteien zwar frei, kann aber nichts an der rechtlichen Beurteilung ändern, die sich nicht an der rechtstechnischen Ausgestaltung, sondern am Inhalt des Vereinbarten orientieren muss. Wenn man also aus diesem Grund bestimmte synthetische Termingeschäfte unter § 762 Abs. 1 BGB subsumiert, kann für die Anwendung des § 37e WpHG nichts anderes gelten. Dies entspricht im Übrigen auch der ratio des § 37e WpHG, eine rechtssichere Termingeschäftssphäre zu schaffen.413
D. Verbotene Finanztermingeschäfte Gemäß § 37 g Abs. 1 WpHG kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung Finanztermingeschäfte verbieten oder beschränken, soweit dies zum Schutz der Anleger erforderlich ist. § 37 g Abs. 2 WpHG sieht die zivilrechtliche Nichtigkeit von verbotswidrigen Geschäften vor. Rechtsverordnungen, die auf Wertpapierdarlehensverträge Anwendung finden könnten, die zu Spekulationszwecken abgeschlossen wurden, sind bislang nicht erlassen worden.414
§ 11 Pflichten der Parteien In § 7 wurden bereits die Typusmerkmale des Sachdarlehens behandelt. Im folgenden Abschnitt ist auf das konkrete Pflichtenprogramm von Aktiendarlehensverträgen und insbesondere die in der Praxis übliche Ausgestaltung einzugehen. Die zivilrechtliche Zuordnung der Aktionärsrechte soll dagegen in einem eigenen Abschnitt (§ 12) erörtert werden.
A. Pflichten des Darlehensnehmers I. Die Vertragspraxis 1. Pflicht zur Zinszahlung Der vom Darlehensnehmer zu entrichtende Zins wird in der Praxis auf Basis des Marktwertes (i. d. R. der Kurs an einem vertraglich festgelegten Handels413
Dazu schon S. 161 f. Fuchs/Jung, WpHG, 2009, § 37 g Rn. 1; Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann, 6. Aufl. 2012, § 37 g Rn. 1; Schwark/Zimmer/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 37 g Rn. 4. 414
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platz) der betreffenden Wertpapiere berechnet; üblich sind sowohl die Festlegung eines einzigen Stichtags für die Wertermittlung als auch Anpassungen an Kursschwankungen während der Laufzeit des Darlehens.415 Vereinbart wird typischerweise eine monatliche Entrichtung.416 Der unter Federführung des Bundesverbands Deutscher Banken erarbeitete Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen417 sieht in seiner Nr. 5 Abs. 1 vor, dass der Darlehensnehmer ein „Darlehensentgelt“ schuldet und entspricht damit der von § 607 Abs. 1 S. 2 BGB gewählten Formulierung, die ebenfalls auf den Begriff des „Darlehenszinses“ verzichtet. Nach Nr. 5 Abs. 2 S. 1 des Rahmenvertrags wird der Zinssatz im jeweiligen Einzelvertrag vereinbart; er bezieht sich danach auf den Marktwert der Darlehenspapiere (gemäß Nr. 10 Abs. 2 des Rahmenvertrags) an einem ebenfalls im Einzelabschluss bestimmten Stichtag. Maßgeblich für die Berechnung ist dabei gemäß Nr. 5 Abs. 2 S. 2 der Zeitraum zwischen dem Valutierungstag und dem Bankarbeitstag der Zurücklieferung der Darlehenspapiere. Nr. 5 Abs. 3 bestimmt schließlich, dass der Darlehenszins monatlich fällig wird, und zwar am zweiten Bankarbeitstag nach Zugang einer Abrechnung. Das EMA418 sieht in Nr. 4 des Produktanhangs für Wertpapierdarlehen vor, dass der Darlehensnehmer für jedes Wertpapierdarlehen eine „Darlehensgebühr“ zu zahlen verpflichtet ist. Die Berechnung erfolgt auf der Grundlage des von den Parteien für diesen Zweck vereinbarten Wertes der Darlehenspapiere. Auch nach diesem Mustervertrag wird der Darlehenszins monatlich fällig.
2. Pflicht zur Bestellung von Sicherheiten Zur Bestellung von Sicherheiten trifft der Rahmenvertrag des Bundesverbands Deutscher Banken in seiner Nr. 4 eine Regelung.419 Danach ist für die (einen bestimmten, individuell festgelegten Mindestbetrag übersteigende) Differenz zwischen den Darlehenssummen der Parteien ein sogenannter Wertausgleich zu leisten. Die Darlehenssummen berechnen sich aus dem Marktwert der gelieferten Wertpapiere aus allen noch nicht vollständig abgewickelten Einzelabschlüssen420 und aus dem Wert der noch nicht rücküber415 Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 36; Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 37. 416 Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 40. 417 Dazu bereits oben S. 22. 418 Siehe oben S. 23 f. 419 Dazu auch Hopt/Vollmuth, Vertrags- und Formularhandbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Aufl. 2013, IV. T. 1; Fragos ZBB 2005, 183, 188 f.; Zerey/ Storck, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 12 Rn. 14 f. 420 In den Einzelabschlüssen kann nach Nr. 4 Abs. 2 a auch ein Aufschlag zum Ausgleich von Kurssteigerungen der Darlehenspapiere vereinbart werden, allgemein dazu S. 172.
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tragenen Leistungen aus einem vorangegangenen Wertausgleich. Die Art des Wertausgleichs bestimmt sich nach der Parteivereinbarung; in Betracht kommen insbesondere Geldzahlungen und die Leistung von Wertpapieren. Für den Fall, dass keine ausdrückliche Bestimmung getroffen wurde, gilt nach Nr. 4 Abs. 3 S. 3 des Rahmenvertrags die Lieferung von auf Euro lautenden Schuldverschreibungen der Bundesrepublik Deutschland als vereinbart. Der Wertausgleich stellt damit eine Sicherheitsleistung dar, die bei Änderungen der jeweiligen Darlehenssumme jederzeit auf Verlangen der betroffenen Partei anzupassen ist. Bei Beendigung der gesamten Vertragsbeziehung werden die im Rahmen dieses Wertausgleichs erbrachten Leistungen gemäß Nr. 9 Abs. 3 in die Berechnung der Ausgleichsforderung einbezogen. Das EMA lässt den Verwendern in Nr. 5 seines Produktanhangs für Wertpapierdarlehen die Wahl, für die Besicherung von Darlehen entweder den Sicherheitenanhang zu verwenden oder eine gesonderte Vereinbarung zu treffen.421 Ähnlich wie der Rahmenvertrag des BdB sieht der Sicherheitenanhang in Nr. 1 Abs. 1 vor, dass in Höhe des „Angepassten Nettoausfallrisikos“ des Sicherungsnehmers Zahlungen zu leisten oder Wertpapiere zu übertragen sind. Das angepasste Nettoausfallrisiko wird definiert als die Summe aus dem Nettoausfallrisiko und eines gegebenenfalls zugunsten des Sicherungsnehmers vereinbarten ergänzenden Betrags („Zuschlag“), abzüglich eines gegebenenfalls zugunsten des Sicherungsgebers vereinbarten Zuschlags. Die Berechnung des Ausfallrisikos, in die alle Verbindlichkeiten der Parteien einbezogen werden, ist in Nr. 1 Abs. 2 und 3 des Sicherheitenanhangs näher geregelt. Grundlage ist ebenfalls der Marktwert, der mit einer Deckungs- oder (bei Wertpapiersicherheiten) Bewertungsquote multipliziert wird.422 Als Sicherheiten lässt Nr. 2 Abs. 3 bis 5 grundsätzlich Barsicherheiten und Wertpapiersicherheiten zu.
3. Rückerstattungspflicht Der Rahmenvertrag des Bundesverbands Deutscher Banken gibt in Nr. 1 Abs. 1 S. 4 die auch in § 607 Abs. 1 S. 2 BGB begründete Pflicht des Darlehensnehmers wieder, Wertpapiere gleicher Art, Güte und Menge zurückzuerstatten. Nach Nr. 7 Abs. 4 hat der Darlehensnehmer die Darlehenspapiere am Fälligkeitstag auf das vereinbarte Konto zurückzuliefern; im Falle der Rücklieferung vinkulierter Namensaktien trägt danach der Darlehensgeber das Risiko, von dem Emittenten nicht ins Aktionärsregister eingetragen zu werden.
421 Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 123. 422 Dazu auch Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 123.
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Nr. 2 Abs. 2 des Produktanhangs für Wertpapierdarlehen des EMA bestimmt, dass der Darlehensnehmer an dem für die Rücklieferung der Darlehenspapiere vereinbarten Tag Wertpapiere gleicher Art und Menge wie die Darlehenspapiere auf den Darlehensgeber zu übertragen hat.
II. Zahlung des Darlehenszinses 1. Das Darlehensentgelt als Zins Wie bereits dargelegt, ist die nach § 607 Abs. 1 S. 2 BGB geschuldete Gegenleistung des Darlehensnehmers trotz der durch die Schuldrechtsreform geänderten Terminologie als Zins im Sinne des BGB anzusehen.423 Damit gelten die allgemeinen zinsrechtlichen Regeln, wie etwa die §§ 246, 248, 289 S. 1 BGB, auch für Aktiendarlehensverträge.
2. Fälligkeit des Zinsanspruches a) § 609 BGB als dispositive Regelung § 609 BGB bestimmt, dass der Entgeltanspruch des Darlehensgebers spätestens mit der Fälligkeit des Anspruchs auf Rückerstattung von Sachen gleicher Art, Güte und Menge424 fällig wird. Die Begründung des Regierungsentwurfs425 betont die Anlehnung an § 608 BGB a. F. Dieser sah, dem geltenden § 488 Abs. 2 BGB entsprechend, vor, dass Zinsen für ein entgeltliches Darlehen, sofern nichts anderes bestimmt ist, nach dem Ablauf je eines Jahres und, wenn das Darlehen vor dem Ablauf eines Jahres zurückzuerstatten ist, bei der Rückerstattung zu entrichten sind. Zudem wurde darauf verwiesen, dass die „Vereinbarung“ – gemeint ist wohl die Norm selbst426 – lediglich den spätestmöglichen Fälligkeitszeitpunkt für die Zahlung des Entgelts festlege; § 271 BGB „sowie die Möglichkeit anderweitiger Vereinbarungen“ blieben unberührt.427 Vor diesem Hintergrund überrascht es trotz der missverständlichen Formulierung der Gesetzesverfasser wenig, dass § 609 BGB als dispositiv angesehen wird.428 Dies entspricht auch der Rechtlage beim Gelddarlehen, die hier freilich wie schon bei § 608 BGB a. F. bereits im Wort-
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Siehe S. 113 ff. Die Gesetzesfassung „Rückerstattung der überlassenen Sache“ ist unpräzise, vgl. etwa MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 609 Rn. 1; Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 609 Rn. 1. 425 BT-Drs. 14/6040 S. 259. 426 Ein Redaktionsversehen nimmt an Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 609 Rn. 2. 427 BT-Drs. 14/6040 S. 259. 428 So etwa MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 609 Rn. 1; Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 609 Rn. 2; Bamberger/Roth/Rohe, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 609 Rn. 1. 424
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laut zum Ausdruck kommt.429 Der tragende Sachgrund für die im Zweifel nachgelagerte Fälligkeit des Entgeltanspruchs ist in der Definition des Zinses430 als laufzeitabhängige Vergütung für die Möglichkeit des Kapitalgebrauchs zu sehen.431 Darüber zu entscheiden, ob im Einzelfall eine anderweitige Vereinbarung angemessen ist, ist Sache der Parteien. Da auch das von § 609 BGB so genannte Darlehensentgelt als Zins in diesem Sinne zu qualifizieren ist,432 lässt sich diese Erwägung ohne weiteres auf das Sachdarlehen übertragen. Damit spricht alles dafür, auch bei diesem eine abweichende Parteivereinbarung anzuerkennen. Eine solche ist, wie bereits beschrieben, in der Praxis üblich.433 So sieht etwa § 5 Abs. 3 des vom Bundesverband Deutscher Banken erarbeiteten Rahmenvertrags eine Fälligkeit am zweiten Bankarbeitstag nach dem Zugang einer auf den jeweiligen Vormonat bezogenen Abrechnung vor. b) Das Verhältnis von § 609 BGB und § 271 BGB Der bereits erwähnte Hinweis der Regierungsbegründung, § 271 BGB bliebe unberührt,434 hat zu Unklarheit darüber geführt, in welchem Verhältnis beide Vorschriften zueinander stehen. Vereinzelt wurde ohne nähere Begründung vorgebracht, § 271 BGB sei „vorrangig“.435 Ein derartiges Verständnis würde freilich dazu führen, dass § 609 BGB kein eigenständiger Anwendungsbereich zukäme.436 § 271 BGB kann schon deshalb nur für die Erfüllbarkeit der Zinsforderung gelten.437
III. Bestellung von Sicherheiten Als Folge der Übereignung an den Darlehensnehmer hat der Darlehensgeber nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Darlehensnehmer, was auch beim Sachdarlehen zu einem entsprechenden Sicherungsbedürfnis des Darlehensgebers führt.438 In der Praxis werden Geldguthaben, Wertpapiere 429
Darauf weist auch Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 609 Rn. 2 hin. Dazu oben S. 113 ff. 431 Zu § 488 Abs. 2 BGB siehe insoweit nur MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 488 Rn. 197. 432 Ausführlich S. 113 ff. 433 Siehe S. 167 f. 434 BT-Drs. 14/6040 S. 259. 435 Bamberger/Roth/Rohe, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 609 Rn. 1. 436 So auch Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 609 Rn. 1; Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 609 Rn. 4. 437 Dies entspricht der ganz herrschenden Meinung, MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 609 Rn. 2; Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 609 Rn. 1; Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 609 Rn. 4. 438 Allgemein dazu Staudinger/Hopt/Mülbert, 12. Aufl. 1989, § 607 Rn. 2; zum Wertpapierdarlehen etwa Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, 430
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oder auch (Bank-)Garantien als Sicherheiten verwendet.439 Praktiziert wird auch die Einschaltung eines Treuhänders, der als sogenannter tri-party agent die Sicherheiten für die Parteien verwaltet.440 Garantien oder auch Bürgschaften werden in der Praxis zur Sicherung von Wertpapierdarlehen wegen der damit verbundenen Nachteile, insbesondere der Notwendigkeit, die Bonität des Garanten oder Bürgen laufend neu bewerten zu müssen, selten eingesetzt.441 Bei anderen Sicherheiten kommt neben der Verpfändung442 gerade die uneingeschränkte Vollrechtsübertragung in Betracht, wie sie sich gerade bei Geldguthaben, aber auch bei Wertpapieren anbietet.443 Eine solche Vollrechtsübertragung, die insbesondere auch bei der Besicherung von Derivaten üblich ist, erfolgt, ohne dass eine treuhänderische Sicherungsvereinbarung getroffen würde; der Sicherungsnehmer kann also unbeschränkt über die Sicherheit verfügen und ist lediglich verpflichtet, gleichartige Wirtschaftsgüter zurückzuerstatten.444 Unabhängig von der Art der bestellten Sicherheiten wird in der Praxis vereinbart, dass deren Wert mindestens um einen bestimmten Prozentsatz über den Wert der Darlehenspapiere hinausgehen muss (margin).445 Diese Aufschläge dienen dem Schutz des Sicherungsnehmers nicht nur vor etwaigen Kurssteigerungen Band I, 1994, S. 58 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 3. 439 Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 37; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.12. 440 Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 6. – Im Rahmen des Darlehenssystems der Clearstream Banking AG wird diese als Treuhänderin tätig, dazu oben S. 20 f. 441 Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 43. 442 Dazu etwa Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 43 f. 443 Siehe z. B. Nr. 4 Abs. 3 des Rahmenvertrags des Bundesverbands Deutscher Banken, der von „Leistungen“ spricht, dazu auch Hopt/Vollmuth, Vertrags- und Formularhandbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Aufl. 2013, IV. T. 1. 444 Fragos ZBB 2005, 183, 188 f.; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 123; Zerey/Storck, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 6 Rn. 66 und § 12 Rn. 5. – Die uneingeschränkte Vollrechtsübertragung ist in Art. 6 der Finanzsicherheiten-Richtlinie (Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten, ABl. L 168 S. 43) anerkannt. Dazu und zur Umsetzung in deutsches Recht Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 114 Rn. 70 ff.; Zerey/Storck, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 6 Rn. 68. 445 So etwa in Nr. 4 Abs. 2 a des Rahmenvertrags des Bundesverbands Deutscher Banken; dazu auch Hopt/Vollmuth, Vertrags- und Formularhandbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Aufl. 2013, IV. T. 1; allgemein zu diesem Rahmenvertrag S. 22; siehe auch Nr. 18. 6 der Sonderbedingungen der CBF (vgl. oben S. 20 f.). – Vereinbart werden im Übrigen sowohl das Niveau der initial margins bei Vertragsschluss als auch maintenance margins, d. h. eine Pflicht des Sicherungsgebers, den Wert der Sicherheiten während der gesamten Vertragslaufzeit oberhalb eines bestimmten Niveaus zu halten, siehe etwa Faulkner, in: Fabozzi/Mann (Hrsg.), Securities Finance, 2005, S. 5.
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der Darlehenspapiere, sondern genauso vor einem Absinken des Wertes der Sicherheiten durch Kursschwankungen.446 Dies bedeutet weiter, dass ein börsentägliches marking to market erfolgt, d. h. eine laufende Neubewertung auf Grundlage der jeweiligen Kursentwicklung. Veränderungen führen entweder zur Bestellung zusätzlicher oder zur Freigabe bereits bestellter Sicherheiten.447 Von großer praktischer Bedeutung ist schließlich die Unterscheidung zwischen der Bestellung von Sicherheiten für Einzelverträge und die Besicherung beim Bestehen eines Rahmenvertrages. Die durch das dort vereinbarte Netting bezweckte Reduzierung des Kreditrisikos448 bedeutet auch, dass nur die Differenz der gegenseitigen Verpflichtungen aus dem gesamten Vertragsverhältnis besichert werden muss. Wie soeben dargestellt, enthalten die in der Praxis verwendeten Musterverträge entsprechende Regelungen.449
IV. Rückerstattung der Aktien Konstitutives Merkmal eines Darlehensvertrages ist die Pflicht des Darlehensnehmers zur Rückerstattung.450 Für das Sachdarlehen kommt dies in § 607 Abs. 1 S. 2 BGB zum Ausdruck. Den Darlehensnehmer trifft damit beim Aktiendarlehen eine Pflicht zur Übereignung von Aktien, die dieselben Rechte verkörpern wie die vom Darlehensgeber überlassenen Papiere.451
B. Pflichten des Darlehensgebers I. Die Vertragspraxis Der Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen des Bundesverbands Deutscher Banken452 bestimmt in seiner Nr. 3, dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer am Valutierungstag die Darlehenspapiere liefern wird. Mit der Lieferung soll dem Darlehensnehmer nach Nr. 3 Abs. 2 das „unbeschränkte Eigentum oder eine am Verwahrort übliche, gleichwertige Rechtsstellung“ an 446 Bei in Fremdwährung geführten Kontoguthaben, die als Sicherheit verwendet werden, geht es insoweit um das Wechselkursrisiko. 447 Siehe z. B. Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 28 f.; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 47. Allgemein zu Derivaten siehe etwa Zerey/Schüwer/Steffen, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 1 Rn. 6. 448 Dazu oben S. 28 ff. 449 Etwa die in Nr. 4 des Rahmenvertrags des Bundesverbands Deutscher Banken vorgesehene Pflicht, einen „Wertausgleich“ zu leisten. Dazu auch Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 44 ff. 450 Siehe oben S. 112 f. 451 Siehe S. 112 f. 452 Dazu S. 22.
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den Papieren verschafft werden;453 der Darlehensgeber ist danach verpflichtet, alle dafür notwendigen Erklärungen abzugeben. Schließlich soll der Darlehensnehmer bei vinkulierten Namensaktien bereits vor einer Umschreibung im Aktionärsregister berechtigt sein, über die Aktien zu verfügen. Vor der Erteilung der Zustimmung durch die Gesellschaft sind solche Verfügungen schwebend unwirksam.454 Nr. 3 Abs. 2 a EMA455 verpflichtet ebenfalls zur „Übertragung des uneingeschränkten Eigentums an den Wertpapieren“ oder, falls dies am vereinbarten Lieferort üblich ist, einer Rechtsposition, die dem Eigentum gleichwertig ist und das uneingeschränkte Recht einschließt, über die Wertpapiere zu verfügen.456
II. Übereignung der Aktien durch den Darlehensgeber Wie bereits erörtert, gehört die Eigentumsverschaffung zu den zwingenden Begriffselementen des Sachdarlehensvertrages.457 Auch die soeben angesprochenen Vertragsmuster sehen dementsprechend die Pflicht des Darlehensgebers vor, die vertragsgegenständlichen Wertpapiere zu übereignen. Wie die Pflicht zur Übereignung der Aktien konkret zu erfüllen ist, hängt wesentlich davon ab, ob und in welcher Form diese verwahrt sind.458 Zu behandeln sind insoweit ausschließlich Inhaberaktien und blankoindossierte Namensaktien.459
1. Der Aktionär als unmittelbarer Besitzer der Aktienurkunden Sind die Aktien, was in der Regel nur bei Gesellschaften mit sehr kleinem Aktionärskreis vorkommen dürfte, nicht bei einem Dritten verwahrt und ist der Aktionär selbst unmittelbarer Besitzer der Aktienurkunden, gelten für die Übereignung nach den §§ 929 ff. BGB keine Besonderheiten. In Betracht kommt – wie in allen anderen hier anzusprechenden Fällen auch – daneben eine Übertragung der in den Aktien verkörperten Rechte durch Abtretung, §§ 413, 398 BGB, die analog § 952 Abs. 2 BGB zu einem Übergang des Ei453 Die dingliche Einigung wird damit antizipiert, siehe auch Zerey/Storck, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 12 Rn. 13. 454 Zerey/Storck, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 12 Rn. 13. 455 Dazu S. 22 f. 456 Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 116. 457 Siehe S. 103 ff. 458 Zu den Sonderformen der Übertragung nach § 18 Abs. 3 und § 24 Abs. 2 DepotG siehe nur Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 6.140 ff.; Mentz/Fröhling NZG 2002, 201, 208. 459 Zu der in diesen beiden Fällen gegebenen Vertretbarkeit im Sinne des § 91 BGB siehe oben S. 142 ff.
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gentums an der Urkunde führt, aber nicht die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten bietet.460
2. Aktien in Sonderverwahrung Im in der Praxis ebenfalls selten vorkommenden Fall der Sonderverwahrung nach § 2 DepotG entsteht, anders als bei der Sammelverwahrung gemäß §§ 5, 6 DepotG, kein Miteigentum, stattdessen werden die Aktien unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung jedes Hinterlegers gesondert von den eigenen Beständen des Verwahrers und von denen Dritter aufbewahrt. Aufgrund des mit der verwahrenden Bank abgeschlossenen Depotvertrages461 ist der Hinterleger mittelbarer Eigenbesitzer; bei der nach § 3 DepotG zulässigen Drittverwahrung entsteht mehrstufiger mittelbarer Besitz.462 Die Übereignung der auf diese Weise verwahrten Aktien kann nach § 931 BGB durch Einigung und Abtretung des Herausgabeanspruchs aus dem Depotvertrag erfolgen, was gemäß § 870 BGB auch zur Übertragung des mittelbaren Besitzes auf den Erwerber führt.463 Daneben ist nach der ganz herrschenden Ansicht bei allen Sachen, an denen der Eigentümer mittelbaren Besitz hat, auch eine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB durch Einigung und Besitzanweisung möglich, d. h. durch die Anweisung des Besitzmittlers, künftig für den Erwerber zu besitzen und die darauf folgende Begründung eines neuen Besitzmittlungsverhältnisses zwischen dem Besitzmittler und dem Erwerber.464 460 Dies ist heute auch für Inhaberaktien anerkannt, siehe etwa Eder NZG 2004, 107, 108; KölnKommAktG/Lutter/Drygala, 3. Aufl. 2009, Anh. § 68 Rn. 17; Bayer/Habersack/ Noack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 2007, 11. Kap. Rn. 69; Wiesner/Kraft, in: MünchHdbGesR, Bd. 4, 3. Aufl. 2007, § 14 Rn. 4. – Nur für durch Indossament zu übertragende Namensaktien, nicht aber für die hier interessierenden Fälle ist str., ob zusätzlich zur Abtretung die Übergabe der Urkunde erforderlich ist, was die heute wohl herrschende Literaturansicht verneint, dazu etwa MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 68 Rn. 30 f.; Habersack/Mayer WM 2000, 1678, 1682; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 68 Rn. 3; Staudinger/Marburger, Neubearbeitung 2008, Vorbemerkung zu §§ 793–808 Rn. 8; Mentz/Fröhling NZG 2002, 202 f. Die Rspr. folgt der Gegenansicht, dazu insbesondere BGH NJW 1958, 302 (einen Wechsel betreffend) und KG NZG 2003, 226, 227 f. 461 Dieser ist als entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienst- und verwahrungsvertraglichen Elementen zu qualifizieren, dazu nur Baumbach/Hopt/Hopt, 36. Aufl. 2014, § 1 DepotG Rn. 4 m. w. N. 462 Ausführlich dazu Mentz/Fröhling NZG 2002, 201, 203 f. 463 In dem Sonderfall, dass der Darlehensgeber selbst Verwahrer der Aktien ist und dies auch nach Eigentumsübergang bleiben soll (etwa bei Eigenbeständen der Depotbank), kommt eine Übereignung nach § 930 BGB in Betracht, dazu MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 107. 464 BGHZ 92, 280, 288 = BGH NJW 1985, 376, 378; BGH NJW 1959, 1536, 1539; Hellner/Steuer/Decker, BuB, Rn. 8/336; Eder NZG 2004, 109 f.; Bamberger/Roth/Kindl, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.08.2012, § 929 Rn. 25; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 11.221; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 6.151; Mentz/Fröhling NZG 2002, 201, 203 f.; MünchKommBGB/Oechsler, 6. Aufl. 2013, § 929 Rn. 55, 66; Staudinger/Wiegand, Neubearbeitung 2011, § 929 Rn. 49. – Nach der Gegenansicht können Einigung und Besitzanweisung nur zu einem Eigentumserwerb
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3. Aktien in Sammelverwahrung Im Regelfall der Girosammelverwahrung gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 DepotG entsteht genauso wie bei der Haussammelverwahrung gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 DepotG Miteigentum am Sammelbestand, § 6 DepotG.465 An Aktien in Sammelverwahrung im Sinne der §§ 5 ff. DepotG hat der Aktionär/Hinterleger nach der hier vertretenen Auffassung mittelbaren Besitz, und zwar auch dann, wenn eine Dauerglobalurkunde im Sinne des § 9a Abs. 3 S. 2 DepotG ausgegeben wurde.466 Damit ist auch insoweit sowohl eine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB als auch nach § 931 BGB möglich.467 In der Praxis wird auf eine Abtretung des Herausgabeanspruchs jedoch verzichtet.468 Stattdessen ist üblicherweise die Verschaffung mittelbaren Besitzes durch die Anweisung des Veräußerers an die Wertpapiersammelbank, künftig für den Erwerber zu besitzen, und die entsprechende Begründung eines neuen Besitzmittlungsverhältnisses vorgesehen.469 So bestimmt Nr. 21 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Clearstream Banking AG mit Sitz in Frankfurt a. M. (CBF):470 „Bruchteile am Sammelbestand von Wertpapieren derselben Art, die CBF für einen Kunden verwahrt, werden an einen anderen Kunden durch Einigung und Übergang des Mitbesitzes, den CBF jeweils dem Kunden vermittelt, übertragen (Girosammelverkehr). Der Mitbesitz geht durch Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses zwischen CBF und dem erwerbenden Kunden und Umstellung des Besitzmittlungswillens der CBF bezüglich der zu übertragenden Bruchteile über. Der Besitzübergang ist abgeschlossen, sobald CBF auf Anweisung des veräußernden Kunden dessen De-
nach § 931 BGB führen, so insbesondere Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs im Effektengiroverkehr, 1981, S. 61 f.; Martinek AcP 188 (1988) 573, 587, 603 f.; Wieling AcP 184 (1984), 439, 455 f.; Wieling, Sachenrecht, Band 1, 2. Aufl. 2006, § 9 IV 3 und § 9 IX 2. 465 Auch dazu bereits S. 134 ff. 466 Siehe S. 136 ff. 467 Hellner/Steuer/Decker, BuB, Rn. 8/336; Eder NZG 2004, 107, 111; MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 107; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 11.221 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 6.151 und Rn. 6.153; KölnKommAktG/Lutter/Drygala, 3. Aufl. 2009, Anh. § 68 Rn. 27; Mentz/Fröhling NZG 2002, 201, 207; MünchKommBGB/K. Schmidt, 5. Aufl. 2009, § 1008 Rn. 31. – Zu den Besonderheiten der dinglichen Einigung bei Girosammelverwahrung ausführlich MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 99 ff.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 6.144 ff.; Mentz/Fröhling NZG 2002, 201, 206 f. 468 Zu den Gründen siehe nur Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 11.357 ff. 469 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 26; Hellner/Steuer/Decker, BuB, Rn. 8/336; Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 72 Rn. 105; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 11.347 ff.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 6.151; KölnKommAktG/Lutter/Drygala, 3. Aufl. 2009, Anh. § 68 Rn. 28; Mentz/Fröhling NZG 2002, 201, 206; Mülbert ZBB 2010, 445, 446; Than, in: FS Hopt, Bd. 1, 2010, S. 231, 235 f. 470 Stand 1. Januar 2012, abrufbar unter http://www.clearstream.com.
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pot belastet sowie die Bruchteile dem Depot des erwerbenden Kunden gutgeschrieben hat.“
Die Verschaffung mittelbaren Besitzes durch Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses wird somit in einer entsprechende Buchung der Wertpapiersammelbank (und in den Buchungen der beteiligten Geschäftsbanken) im Verwahrungsbuch, § 14 DepotG, dokumentiert. Der Erwerb vom Nichtberechtigten findet gemäß § 932 BGB oder § 934 Alt. 1 BGB statt.471 Da der mittelbare Besitz des Veräußerers jedoch nichts über die Höhe des Miteigentumsanteils aussagt, der gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 DepotG nach dem Nennbetrag oder der Stückzahl der Wertpapiere bestimmt wird, ist als Rechtsscheinstatbestand neben dem mittelbaren Mitbesitz auch auf die Buchungen472 abzustellen.473
C. Leistungsstörungen I. Die Vertragspraxis Die gängigen Musterverträge, die deutschem Recht unterliegen (können), unterscheiden zwischen Leistungsstörungen, die lediglich einen Ersatzanspruch der anderen Partei auslösen oder eine Beendigung des jeweiligen Einzelabschlusses nach sich ziehen, und solchen, die zu einer außerordentlichen Beendigung der gesamten Vertragsbeziehung berechtigen. Zur ersten Gruppe gehört die nicht fristgemäße Lieferung oder Rückerstattung der Wertpapiere.474 Die Nichterfüllung von Zahlungsansprüchen kann dagegen grundsätzlich zu einer Vertragsauflösung führen. 471 Ggf. i. V. m. § 366 Abs. 1 HGB, wenn ein beteiligtes Kreditinstitut seine Verfügungsberechtigung aus einer Ermächtigung nach § 185 BGB ableitet, dazu Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 2168; MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 111; Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz, 1975 § 4 Rn. 19. 472 D. h. auch auf die Buchungen der Geschäftsbanken, kritisch dazu MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 116. 473 Unterschiedlich beurteilt wird, ob bereits die Buchung alleine als Rechtsscheinsträger in Betracht kommt, so insbesondere Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 2027 f.; Hellner/Steuer/Decker, BuB, Rn. 8/76; Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz, 1975 § 6 Rn. 91, oder nur in Verbindung mit dem Besitz, so etwa Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs im Effektengiroverkehr, 1981, S. 42; Horn WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2 S. 14 f.; Koller DB 1972, 1905, 1905 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 6.188 ff.; MünchKommBGB/K. Schmidt, 5. Aufl. 2009, § 747 Rn. 21; Wieling, Sachenrecht, Band 1, 2. Aufl. 2006, § 10 IV 7 c. – Demgegenüber vertritt Einsele die Auffassung, eine Anerkennung der Buchung als Rechtsscheinsträger sei, auch auf Basis der von ihr abgelehnten herrschenden Meinung, die eine Besitzposition des Hinterlegers bejaht, eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung, Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, 1995, S. 163 ff.; MünchKommHGB/Einsele, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Depotgeschäft Rn. 113. Die vorgebrachten Einwände lassen sich jedoch entkräften, wenn man davon ausgeht, dass die Buchungen nicht an die Stelle des Besitzes treten, sondern nur in Ergänzung dazu herangezogen werden, um die Höhe des Miteigentumsanteils zu bestimmen. 474 Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereini-
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1. Rahmenvertrag BdB Leistungsstörungen werden im Rahmenvertrag des Bundesverbands Deutscher Banken475 in folgender Weise geregelt: Werden die Darlehenspapiere nicht fristgerecht geliefert, kann der Darlehensnehmer gemäß Nr. 3 Abs. 3 nach entsprechender Benachrichtigung des Darlehensgebers und nach Ablauf einer Nachfrist von einem Bankarbeitstag Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Einzelabschlusses verlangen oder von diesem zurücktreten. Bei nicht fristgemäßer Rücklieferung der Darlehenspapiere sieht Nr. 8 Abs. 1 einen Anspruch auf Verzugszinsen vor. Daneben ist der Gläubiger berechtigt, nach vorheriger Androhung mit Fristsetzung von mindestens einem Bankarbeitstag für Rechnung des Schuldners Wertpapiere gleicher Art, Güte und Menge zu kaufen („Eindeckung“). Ein entsprechender Aufwendungsersatzanspruch wird mit Zugang einer Abrechnung fällig, die dem Schuldner unverzüglich zu erteilen ist. Zur Höhe des Verzugszinses verweist Nr. 8 Abs. 2 auf den Euro-tagesgeldindizierten Referenzzinssatz EUONIA. Gemäß Nr. 8 Abs. 3 ist die Geltendmachung eines weiteren Schadens oder der Nachweis eines geringeren Schadens nicht ausgeschlossen. Wird der Aufwendungsersatzanspruch nach Nr. 8 Abs. 1 nicht innerhalb eines Bankarbeitstages nach Benachrichtigung des Schuldners über das Ausbleiben der Leistung erfüllt, steht dem Gläubiger gemäß Nr. 9 Abs. 1 S. 2 das Recht zur außerordentlichen Kündigung des gesamten Vertrages zu. Gleiches gilt, wenn ein Anspruch auf Wertausgleich (Nr. 4) nicht innerhalb dieser Frist erfüllt wird. Da ein wichtiger Grund nach Nr. 9 Abs. 1 S. 2 „insbesondere“ in diesen beiden Fällen gegeben ist, wird dies auch bei der Nichterfüllung sonstiger Zahlungspflichten, insbesondere bei nicht rechtzeitiger Zahlung des Darlehensentgelts, anzunehmen sein.
2. European Master Agreement Das EMA476 differenziert in seinen Allgemeinen Bestimmungen und in seinem Produktanhang für Wertpapierdarlehen in gleicher Weise. Nr. 6 Abs. 1 der Allgemeinen Bestimmungen regelt die Beendigung der gesamten Vertragsbeziehung wegen „Vertragsverletzung“. Als solche wird unter anderem jede unterlassene Zahlung oder Lieferung bei Fälligkeit definiert, wenn die Säumnis drei Geschäftstage nach dem Tag andauert, an dem sie der säumigen Partei mitgeteilt worden ist (Nr. 6 Abs. 1 Unterabs. (a) (i)). Von Nr. 6 Abs. 1 Unterabs. (a) (ii) wird die unterlassene Leistung oder Rückgewähr von Sigung (EMA), 2006, S. 131 weist zu Recht darauf hin, dass in diesen Fällen deshalb kein Recht zur Beendigung der gesamten Vertragsbeziehung vorgesehen ist, weil es bei der Lieferung von Wertpapieren eher zu technischen Abwicklungsschwierigkeiten kommen kann. 475 Dazu S. 22. 476 Dazu S. 22 f.
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cherheiten bei Fälligkeit erfasst.477 Daneben sieht Nr. 3 Abs. 5 der Allgemeinen Bestimmungen die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen bei verspäteten Zahlungen vor.478 Nr. 2 Abs. 5 Unterabs. (d) des Produktanhangs für Wertpapierdarlehen stellt klar, dass sich die Rechtsfolgen von Leistungsstörungen, welche die Lieferung oder Rückerstattung von Darlehenspapieren betreffen, allein aus Nr. 2 Abs. 5 ergeben, d. h., dass in diesen Fällen insbesondere keine zum Rücktritt berechtigende Vertragsverletzung im Sinne von Nr. 6 Abs. 1 Unterabs. (a) der Allgemeinen Bestimmungen gegeben ist. Für die sich aus Nr. 2 Abs. 5 des Produktanhangs ergebenden Zahlungspflichten gilt dies freilich nicht. Nr. 2 Abs. 5 Unterabs. (a) sieht für die Säumnis des Darlehensgebers vor, dass der Darlehensnehmer Erstattung der „Ersatzdarlehenskosten“479 abzüglich der zeitanteiligen Darlehensgebühr verlangen, und, falls die Parteien keine Maßnahmen zur unverzüglichen Beseitigung der Säumnis vereinbart haben, dem Darlehensgeber erklären kann, dass das Rücklieferungsdatum vorverlegt wird und sofort eintritt. Bei einer Säumnis des Darlehensnehmers kann der Darlehensgeber gemäß Nr. 2 Abs. 5 Unterabs. (b) vom Darlehensnehmer die Zahlung eines Betrages in Höhe der Ersatzdarlehenskosten, mindestens jedoch in Höhe der zeitanteiligen Darlehensgebühr verlangen, und, falls die Parteien keine Maßnahmen zur unverzüglichen Beseitigung der Säumnis vereinbart haben, dem Darlehensnehmer erklären, dass er statt der Lieferung eine Ausgleichszahlung in Geld beansprucht, deren Höhe sich aus den Kosten für einen Deckungskauf ergibt.
3. Ausschluss des dispositiven Gesetzesrechts Nr. 10 Abs. 5 der Allgemeinen Bestimmungen des EMA480 sieht vor, dass die Rechte und Befugnisse auf Grund des Vertrags zusätzlich zu den „etwa kraft Gesetzes bestehenden Rechten und Befugnissen“ bestehen und diese nicht ausschließen. Gillor hat zurecht darauf hingewiesen, dass diese missverständliche Klausel wegen des nach der Konzeption des EMA „geschlossenen Systems“ von Ansprüchen nichts daran ändert, dass die dispositiven Normen des Gesetzesrechts ausgeschlossen sind, wenn und soweit sie den vertraglichen 477 Der Grund für die unterschiedliche Behandlung von Zahlungspflichten und der Pflicht zur Leistung einer Sicherheit ist darin zu sehen, dass letztere nur nach Anforderung des Sicherungsnehmers fällig wird, so Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 130 f. 478 Dazu Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 171. 479 Definiert als die Kosten einer Partei, einschließlich Gebühren und Auslagen, die ihr nach ihrer Feststellung durch darlehensweise Aufnahme einer entsprechenden Anzahl der Darlehenspapiere im Markt für den betreffenden Zeitraum entstanden sind oder angemessenerweise entstanden wären. 480 Dazu S. 22 f.
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Regelungen widersprechen.481 Dies gilt genauso für den Rahmenvertrag des Bundesverbands Deutscher Banken, da auch dieser erkennbar bezweckt, die Rechtsfolgen der von ihm erfassten Leistungsstörungen abschließend zu regeln. Dies betrifft beispielsweise die Voraussetzungen einer Kündigung von Einzelverträgen oder der gesamten Vertragsbeziehung genauso wie den Ersatz von Verzugsschäden.482 Ein Rückgriff auf dispositives Gesetzesrecht ist aber dann möglich, wenn das jeweilige Vertragsmuster eine Lücke enthält. So finden sich, wohl wegen der geringen praktischen Relevanz, keine Regeln zur Haftung für Rechts- oder Sachmängel der darlehensweise überlassenen Wertpapiere. Insoweit sind die §§ 453, 434 ff. BGB entsprechend anwendbar.483
II. Die Haftung für Mängel der Aktien 1. Anwendbarkeit der §§ 434 ff. BGB auf Sachdarlehen Die Frage, ob die kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften auf Sachdarlehen Anwendung finden, hat der BGH in einem Urteil vom 27. März 1985 bejaht, das darlehensweise überlassenes Orangensaftkonzentrat betraf.484 Ein Sachdarlehen sei ein kaufähnliches Geschäft im Sinne des § 493 BGB a. F., was vor allem daraus folge, dass die darlehensweise gelieferte Ware dem Darlehensnehmer übereignet werde, damit dieser sie im Weg der Verarbeitung oder Weiterveräußerung wirtschaftlich verwerten könne.485 § 493 BGB a. F. wurde im Rahmen der Schuldrechtsreform nur deshalb gestrichen, weil den Gesetzesverfassern die von ihm aufgestellte Regel der entsprechenden Anwendbarkeit der Gewährleistungsvorschriften auf kaufähnliche Verträge, genauso wie § 445 BGB a. F., als Selbstverständlichkeit erschien, die „als entbehrlich entfallen“ könne.486 Der vom BGH zutreffend angeführte Umstand spricht damit auch nach geltendem Recht für eine entsprechende Anwendung der §§ 434 ff. BGB auf Sachdarlehen,487 und zwar jedenfalls auf die Pflicht des Darlehensgebers nach § 607 Abs. 1 S. 1 BGB. Entgegen einer teilweise vertretenen Ansicht gilt dies nicht für die Rücker481 Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 172 ff.; zustimmend Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 605. 482 Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 175 f. und S. 183. 483 Dazu sogleich. 484 BGH NJW 1985, 2417. 485 BGH NJW 1985, 2417, 2418. 486 BT-Drs. 14/6040 S. 203 und S. 207. 487 So die ganz herrschende Meinung, siehe MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 34; Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 607 Rn. 16; Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 39; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 3. Aufl. 2007, § 3 Rn. 113; Palandt/Weidenkaff, 72. Aufl. 2013, § 607 Rn. 9; zustimmend auch Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 38 f. – A. A. Coester-Waltjen JURA 2002, 675, 676 (ohne nähere Begründung): Geltung der §§ 280 ff., 323 ff. BGB.
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stattungspflicht des Darlehensnehmers gemäß § 607 Abs. 1 S. 2 BGB, da es sich dabei um keine synallagmatische Pflicht handelt; es bleibt damit bei der ggf. eingreifenden Haftung nach den §§ 280 ff. BGB.488 Daneben können Ansprüche des Darlehensgebers wegen der Verletzung von anderen, auf die Aktien bezogenen Pflichten des Darlehensnehmers bestehen.489 In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass es dem Darlehensnehmer, der mangelhafte Sachen erhalten hat, unbenommen ist, Sachen von gleicher Beschaffenheit zurückzuerstatten.490 Da das Sachdarlehen Dauerschuldcharakter aufweist,491 besteht statt des Rücktrittsrechts ein Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 314 BGB.492 Auch § 377 HGB kann auf das Sachdarlehen entsprechend angewandt werden,493 auch wenn dies bei Aktiendarlehen kaum jemals relevant werden dürfte.
2. Bedeutung für das Aktiendarlehen Der Kauf von wertpapiermäßig verbrieften Rechten wird grundsätzlich als Rechtskauf angesehen, auch wenn anerkannt ist, dass im Hinblick auf die Urkunde selbst von einem Sachkauf auszugehen ist.494 Gemäß § 453 Abs. 1 BGB finden die Vorschriften über den Kauf von Sachen auf den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen entsprechende Anwendung. Für Aktiendarlehen gelten die §§ 434 ff. BGB damit gleichsam in doppelt entsprechender Anwendung. Auch wenn man den Kauf von Aktien im Ausgangspunkt als Rechtskauf begreift, stellt sich dennoch die Frage, wie Sachmängel zu behandeln sind, die nicht im Zustand der Urkunde begründet sind. Denn Mängel kann ebenso das Unternehmen aufweisen, an dem die Aktien eine Beteiligung vermitteln. Geht es nicht um den Kauf, sondern um die darlehensweise Überlassung der Aktien, sind weitere Besonderheiten zu berücksichtigen:
488 So zutreffend Coester-Waltjen JURA 2002, 675, 676; Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 45. – A. A. MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 35; Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 607 Rn. 16; Palandt/Weidenkaff, 72. Aufl. 2013, § 607 Rn. 9. 489 Dazu S. 191 ff. 490 BGH NJW 1985, 2417, 2418; MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 34. 491 Dazu S. 128. 492 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 34; Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 607 Rn. 16; Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 39. 493 BGH NJW 1985, 2417, 2418; MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 34; Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 607 Rn. 16; Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 607 Rn. 39; Jauernig/Mansel, 14. Aufl. 2011, §§ 607–609 BGB Rn. 5; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 3. Aufl. 2007, § 3 Rn. 113 Fn. 187. 494 RGZ 109, 295, 297; RGZ 59, 240, 241; MünchKommHGB/Grunewald, 2. Aufl. 2007, § 381 Rn. 1; Soergel/U. Huber, 12. Aufl. 1991, § 433 Rn. 41 und § 437 Rn. 32; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, 2. Aufl. 2009, § 381 HGB Rn. 2.
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a) Rechtsmängel Eine verkaufte Sache weist nach § 435 S. 1 BGB dann einen Rechtsmangel auf, wenn Dritte in Bezug auf die Sache andere als die kaufvertraglich übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Darüber hinausgehend können auch weitere Beschränkungen, wie etwa Veräußerungsverbote oder bestimmte öffentlich-rechtliche Eingriffsbefugnisse, einen Rechtsmangel begründen.495 Sind Aktien Gegenstand eines Darlehensvertrages, ist als Rechtsmangel vor allem deren Belastung mit dem Recht eines Dritten (insbesondere einem Pfandrecht) relevant. Ein Rechtsmangel ist aber auch dann anzunehmen, wenn die in den Aktien verkörperten Mitgliedschaftsrechte nicht den vereinbarten oder gewöhnlichen Inhalt haben, etwa hinsichtlich des Stimmrechts.496 Gleiches gilt auch nach Aufhebung des § 437 Abs. 2 BGB a. F., wenn die Aktien zum Zwecke der Kraftloserklärung nach den §§ 433 ff. FamFG aufgeboten sind.497 In alldiesen Fällen stehen dem Darlehensnehmer nach den §§ 453 Abs. 1, 435 S. 1 BGB die in § 437 BGB bezeichneten Rechte zu. In Abgrenzung davon handelt es sich nicht um einen Rechtsmangel, sondern um Nichterfüllung, wenn die in den Aktien verkörperten Mitgliedschaftsrechte nicht oder jedenfalls nicht in der Person des Vertragspartners bestehen.498 Die Ansprüche der betroffenen Partei richten sich dann nach den allgemeinen Vorschriften, insbesondere (bei anfänglicher Unmöglichkeit) nach § 311a Abs. 2 BGB und (bei nachträglich eintretender Unmöglichkeit) nach den §§ 280, 283 BGB.499 495 Bamberger/Roth/Faust, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.03.2011, § 453 Rn. 10; Grunewald, Kaufrecht, 2006, § 7 Rn. 56 ff.; Staudinger/Matusche-Beckmann, Neubearbeitung 2004, § 435 Rn. 12 ff.; MünchKommBGB/H. P. Westermann, 6. Aufl. 2012, § 435 Rn. 7 ff. 496 So z. B. RGZ 109, 295, 297 (über ein Wertpapier verhängte Zahlungssperre als Rechtsmangel). Allgemein zum Rechtskauf auch Bamberger/Roth/Faust, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.03.2011, § 453 Rn. 11 (Gewinnbeteiligung, Stimmrecht); Grunewald, Kaufrecht, 2006, § 7 Rn. 55 (bei einem Geschäftsanteil ohne Stimmrecht oder Gewinnbeteiligung soll aber Nichterfüllung vorliegen); Baumbach/Hopt/Hopt, 36. Aufl. 2014, § 381 Rn. 3 (Fehlen des Bezugsrechts); MünchKommBGB/H. P. Westermann, 6. Aufl. 2012, § 453 Rn. 11. – Enger dagegen Staudinger/Beckmann, Neubearbeitung 2004, § 453 Rn. 7 (Rechtsmangel nur dann, wenn das verkaufte Recht durch Übertragung durch den Verkäufer auf den Käufer übergegangen, aber mit dem Recht eines Dritten belastet ist). 497 Zutreffend Bamberger/Roth/Faust, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.03.2011, § 453 Rn. 11; Baumbach/Hopt/Hopt, 36. Aufl. 2014, § 381 Rn. 3. 498 Allgemein dazu OLG München NZG 2012, 270; Staudinger/Beckmann, Neubearbeitung 2004, § 453 Rn. 6; Eidenmüller NJW 2002, 1625, 1626; Bamberger/Roth/Faust, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.03.2011, § 453 Rn. 12; MünchKommBGB/H. P. Westermann, 6. Aufl. 2012, § 453 Rn. 10. – A. A. Jauernig/Berger, 14. Aufl. 2011, § 453 Rn. 4 (Rechtsmangel, siehe aber auch Rn. 7: Bestand das Recht bereits bei Vertragsschluss nicht, soll § 311a Abs. 2 BGB eingreifen); Heerstraßen/Reinhard BB 2002, 1429, 1430; Wälzholz DStR 2002, 500, 503. 499 Staudinger/Beckmann, Neubearbeitung 2004, § 453 Rn. 6, 7; MünchKommBGB/ H. P. Westermann, 6. Aufl. 2012, § 453 Rn. 10. – Zur Verjährung siehe etwa Jauernig/Berger,
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b) Sachmängel aa) Die Urkunde betreffende Sachmängel Fehler der Aktienurkunde selbst können eine Haftung nach den §§ 453 Abs. 1, 434, 437 BGB begründen. Praktische Bedeutung dürfte dem bei Aktien in Girosammelverwahrung schon wegen der Immobilisierung der Globalurkunde500 kaum zukommen.501 Zudem werden Fehler wie Risse oder Unleserlichkeit sich häufig nicht auf die Geltendmachung oder Übertragung des in der Urkunde verkörperten Rechts auswirken und deshalb keine Ansprüche begründen können.502 Wirken sie sich aber in dieser Weise aus, ist entweder ein Rechtsmangel oder Nichterfüllung anzunehmen.503 bb) Das Unternehmen betreffende Sachmängel Damit ist der Frage nachzugehen, wie Mängel zu behandeln sind, die dem Unternehmen anhaften, an dem die darlehensweise überlassenen Aktien eine Beteiligung vermitteln. Verbreitet wird die Ansicht vertreten, eine Haftung für Sachmängel könne grundsätzlich nicht eingreifen, wenn Gegenstand des Vertrages ein Recht sei. Begründet wird dies mit § 453 Abs. 3 BGB. Danach ist der Verkäufer eines Rechts, das zum Besitz einer Sache berechtigt, verpflichtet, dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übergeben. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass beim Verkauf anderer Rechte nicht für Sachmängel gehaftet werde;504 andernfalls wäre die Norm „überflüssig, zumindest aber missverständlich“.505 Da in § 453 Abs. 3 BGB jedoch von Sach- und Rechtsmängeln die Rede ist, würde ein konsequentes argumentum e contrario bedeuten, dass bei Rechten, die nicht zum Besitz einer Sache berechtigen, auch für Rechtsmängel nicht gehaftet würde. Dieses Ergebnis kann nicht gewollt sein. Zudem macht die Entstehungsgeschichte der Norm deutlich, dass ein Umkehrschluss nicht zulässig ist. § 453 Abs. 3 BGB 14. Aufl. 2011, § 453 Rn. 7; Eidenmüller NJW 2002, 1625, 1626 f.; Bamberger/Roth/Faust, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.03.2011, § 438 Rn. 18; Heerstraßen/Reinhard BB 2002, 1429, 1430; MünchKommBGB/H. P. Westermann, 6. Aufl. 2012, § 438 Rn. 7. 500 Dazu S. 132 ff. 501 Allgemein zur fehlenden praktischen Bedeutung MünchKommHGB/Grunewald, 2. Aufl. 2007, § 381 Rn. 1. 502 Grunewald, Kaufrecht, 2006, § 4 Rn. 18; zu möglichen Fehlern der Urkunde siehe auch Soergel/U. Huber, 12. Aufl. 1991, § 437 Rn. 35; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, 2. Aufl. 2009, § 381 HGB Rn. 5. 503 MünchKommHGB/Grunewald, 2. Aufl. 2007, § 381 Rn. 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, 2. Aufl. 2009, § 381 HGB Rn. 6. 504 Eidenmüller NJW 2002, 1625, 1627; Grigoleit/Herresthal JZ 2003, 118, 124 f.; Grunewald NZG 2003, 372, 373; MünchKommHGB/Grunewald, 2. Aufl. 2007, § 381 Rn. 1; U. Huber AcP 202 (2002), S. 179, 229 f.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, 2. Aufl. 2009, § 381 HGB Rn. 4 a. – A. A. wohl MünchKommBGB/H. P. Westermann, 6. Aufl. 2012, § 453 Rn. 14, der eine Sachmängelhaftung beim Rechtskauf grundsätzlich für möglich hält. 505 So vor allem Grunewald, Kaufrecht, 2006, § 6 Rn. 35 und § 7 Rn. 38.
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ist an die Stelle von § 433 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB a. F. getreten,506 wonach der Verkäufer eines zum Besitz einer Sache berechtigenden Rechts dem Käufer das Recht nicht nur zu verschaffen, sondern auch die Sache zu übergeben hatte. Der Zusatz „frei von Sach- und Rechtsmängeln“ wurde nur eingefügt, um eine Übereinstimmung mit dem neu gefassten § 433 Abs. 1 S. 2 BGB zu erreichen, der den Verkäufer dazu verpflichtet, dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.507 Die Haftung desjenigen, der ein Recht verkauft, das nicht zum Besitz einer Sache berechtigt, wollten die Gesetzesverfasser in § 453 Abs. 3 BGB also nicht regeln. Die herrschende Ansicht ist im Übrigen gezwungen, Ausnahmen zuzulassen, und zwar vor allem für den Unternehmenskauf in der Form des Share Deal, also den Erwerb des Unternehmensträgers. Der Kauf von Anteilen an diesem ist grundsätzlich ein Rechtskauf, auf den § 453 Abs. 3 BGB keine Anwendung findet. Stelle sich der Anteilskauf bei wirtschaftlicher Betrachtung aber als Kauf des Unternehmens dar, hafte der Verkäufer auch für Sachmängel, weil dann nicht lediglich die Anteile Kaufgegenstand seien.508 Umstritten ist freilich, ab welcher Beteiligungshöhe das Unternehmen als solches als Kaufgegenstand zu betrachten ist.509 Lehnt man einen Umkehrschluss aus § 453 Abs. 3 BGB ab, bleibt als Argument für die herrschende Ansicht nur die apodiktisch geäußerte Behauptung,510 ein Recht könne keine Sachmängel aufweisen. Für die grundsätzliche Möglichkeit einer Sachmängelhaftung beim Rechtskauf spricht aber nicht nur der Verweis auf die Vorschriften über den Sachkauf in § 453 Abs. 1 BGB. Wie bereits dargelegt, wurde § 493 BGB a. F. im Rahmen der Schuldrechtsreform nur deshalb gestrichen, weil er den Gesetzesverfassern als Selbstverständlichkeit erschien.511 § 493 BGB a. F. bestimmte, dass die Vorschriften über die Verpflichtung des Verkäufers zur Gewährleistung wegen Mängel der Sache auf andere Verträge entsprechende Anwendung finden, die auf Veräußerung oder Belastung einer Sache gegen Entgelt gerichtet sind. Wie Flume in seiner 1948 erschienenen Schrift „Eigenschaftsirrtum 506
BT-Drs. 14/6040 S. 242. BT-Drs. 14/6040 S. 242. 508 Eidenmüller NJW 2002, 1625, 1627; Grunewald NZG 2003, 372, 373; U. Huber AcP 202 (2002), S. 179, 231; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, 2. Aufl. 2009, § 381 HGB Rn. 4 b. 509 Dazu etwa Bamberger/Roth/Faust, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.03.2011, § 453 Rn. 32; Grunewald NZG 2003, 372, 372 f.; Staudinger/Beckmann, Neubearbeitung 2004, § 453 Rn. 33 m. w. N. 510 Beispiele finden sich bei Eidenmüller NJW 2002, 1625, 1627 („Ein Recht kann keine Sachmängel aufweisen.“); U. Huber AcP 202 (2002), S. 179, 229 („Ein Recht, als ein reines Gebilde der Gedankenwelt, kann keine Sachmängel im Sinne des § 434 BGB n. F. aufweisen“); Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 320; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, 2. Aufl. 2009, § 381 HGB Rn. 4 („…Regeln über die Sachmängelhaftung beim Rechtskauf gegenstandslos“). 511 BT-Drs. 14/6040 S. 203 und S. 207. 507
§ 11 Pflichten der Parteien
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und Kauf“ dargelegt hat, ist die entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Haftung für Sachmängel, wenn sie das Gesetz für Verträge über die Belastung von Sachen anordnet, in gleicher Weise für Verträge über den Kauf von Rechten an einer Sache geboten, und zwar unabhängig davon, ob ein Recht zum Besitz der Sache besteht.512 Denn der Vertrag über die Belastung einer Sache hat nichts anderes zum Gegenstand als die Begründung eines Rechts an dieser Sache. Dementsprechend ist beim Kauf eines solchen Rechts ein Sachmangel immer dann anzunehmen, wenn die Beschaffenheit der Sache nach der Parteivereinbarung auch eine Eigenschaft des verkauften Rechts sein soll und von dem Vereinbarten abweicht.513 Für den Kauf von Anteilen an einem Unternehmensträger kann nichts anderes gelten, so dass z. B. auch „die Eigenschaften des Unternehmens einer AG. zugleich Eigenschaften des einzelnen Aktienrechts“ sein können.514 Aus diesem Grund ist, anders als von der herrschenden Ansicht angenommen, auch keine konkrete Beteiligungshöhe anzugeben, ab der statt eines Anteilskaufs ein Unternehmenskauf anzunehmen ist. Die Höhe des gekauften Anteils hat mangels konkreter Anhaltspunkte für den Parteiwillen – neben anderen Faktoren wie z. B. den Möglichkeiten des Verkäufers, Informationen über den Zustand des Unternehmens zu erlangen – Bedeutung allein für die Auslegung der vertraglichen Vereinbarung.515 Mit dem so gewonnenen Ergebnis lassen sich folgende Aussagen zur Haftung für Sachmängel des Unternehmens beim Aktiendarlehen machen: In aller Regel wird eine solche Haftung schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil sich der Vertrag nur auf eine vergleichsweise kleine Beteiligung beziehen wird. Daneben ist bei einem markttypisch ausgestalteten Darlehensvertrag eine Besonderheit zu berücksichtigen, zu der es bei einem Anteilskauf keine Parallele gibt. Ein wie auch immer gearteter Mangel des Unternehmens wirkt sich auf die einzelnen Aktien allenfalls in einer Minderung der ggf. als Dividenden auszuschüttenden Erträge und ihres Markt- oder Börsenwerts aus. Die in den Aktien verkörperten Vermögensrechte werden jedoch bei der üblichen Vertragsgestaltung dem Darlehensgeber zugewiesen;516 dieser trägt auch das Kursrisiko. Auf den Zustand des Unternehmens gestützte Ansprüche des Darlehensnehmers müssen bereits aus diesem Grund ausscheiden.
512 513 514 515 516
Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1948, S. 177 ff. Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1948, S. 180. Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1948, S. 187 ff., wörtliches Zitat auf S. 189. Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1948, S. 188. Dazu S. 187 f.
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III. Sonstige Ansprüche 1. Allgemeines Soweit das dispositive Gesetzesrecht nicht durch eine abschließende Vertragsgestaltung verdrängt wird,517 kommen bei Leistungsstörungen die allgemeinen Vorschriften zur Anwendung. Dies bedeutet insbesondere, dass bei einer schuldhaften Verletzung der Pflicht des Darlehensgebers zur Überlassung der Aktien oder der Pflicht des Darlehensnehmers zur Rückerstattung Schadensersatz nach den §§ 280 ff. BGB (ggf. auch nach § 311a Abs. 2 BGB) geschuldet ist.518 Bei Verletzung der Entgeltzahlungspflicht gelten auch die §§ 323 ff. BGB mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rücktrittsrechts das Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 314 BGB tritt.
2. Die Auswirkung von gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, die zu einem Verlust der Aktien in der Person des Darlehensnehmers führen, stellen eine besondere Art der Leistungsstörung dar. Wird während der Laufzeit des Darlehens eine Verschmelzung der Gesellschaft auf eine andere nach den §§ 2 ff. UmwG, eine Eingliederung nach den §§ 320 ff. AktG oder ein Squeeze-Out nach den §§ 327a ff. AktG (auch in Verbindung mit § 62 Abs. 5 UmwG) oder nach den §§ 39a ff. WpÜG vorbereitet, wird der Darlehensgeber den Vertrag in der Regel rechtzeitig vor dem Wirksamwerden dieser Maßnahmen beenden können. Die Musterverträge regeln derartige Fälle nicht unmittelbar, ermöglichen aber bei Umtausch-, Abfindungs- oder sonstigen veröffentlichten Kaufangeboten (Nr. 7 Abs. 5 S. 1 des Rahmenvertrags des Bundesverbands Deutscher Banken519) oder Tilgungs-, Umtausch-, Wandlungs- oder Abfindungs- oder Kaufangeboten (Nr. 2 Abs. 6 Unterabs. (iii) Produktanhang für Wertpapierdarlehen des EMA520) eine vorzeitige Beendigung des betroffenen Einzelvertrages, um dem Darlehensgeber die Entscheidung über die Annahme dieser Angebote vorzubehalten. Ihrem Zweck nach sind derartige Klauseln auch dann anwendbar, wenn eine gesellschaftsrechtliche Maßnahme beschlossen werden soll, die zu einem Verlust der Aktien gegen eine Abfindung oder gegen Anteile an einer anderen Gesellschaft führt.521 Sollte der Darlehensvertrag nicht rechtzeitig vor der Wirksamkeit der jeweiligen Maßnahme beendet werden, gelten die Regeln des allgemeinen 517
Dazu S. 179 f. Siehe nur MünchKommBGB/Berger, 6 Aufl. 2012, § 607 Rn. 34 f.; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 38; Palandt/Weidenkaff, 72. Aufl. 2013, § 607 Rn. 10. 519 Dazu S. 22. 520 Dazu S. 22 f. 521 So für die Eingliederung und den Squeeze-Out nach § 327a AktG auch Hellner/ Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1171, 7/1173a. 518
§ 12 Die zivilrechtliche Zuordnung der Aktionärsrechte
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Schuldrechts. Der Darlehensnehmer ist also gemäß § 275 Abs. 1 BGB nicht mehr zur Rückerstattung der Aktien verpflichtet.522 Erhält der Darlehensnehmer eine Barabfindung oder Anteile an einer anderen Gesellschaft, hat er dieses Surrogat nach § 285 Abs. 1 BGB herauszugeben.
§ 12 Die zivilrechtliche Zuordnung der Aktionärsrechte A. Die Vertragspraxis Nr. 6 Abs. 1 und 2 des Rahmenvertrages des Bundesverbands Deutscher Banken523 bestimmen, dass die Rechtsfrüchte der Darlehenspapiere, also darauf geleistete Zinsen, Gewinnanteile, Dividenden, sonstige Ausschüttungen sowie Zahlungen im Fall von Kapitalherabsetzungen dem Darlehensgeber zustehen.524 Deren Gegenwert hat der Darlehensnehmer in Form von Kompensationszahlungen zu leisten, die dem tatsächlich vom Emittenten gezahlten Betrag zuzüglich einbehaltener Steuern und Abgaben sowie Steuergutschriften525 entsprechen müssen. Des Weiteren bestimmt Nr. 6 Abs. 3, dass Berichtigungsaktien sowie eventuell verbleibende Teilrechte, die während des Darlehenszeitraums auf die Darlehenspapiere begeben werden, Gegenstand des betreffenden Einzelabschlusses und vom Darlehensnehmer am Rückgabetag an den Darlehensgeber zu liefern sind. Nach Nr. 6 Abs. 4 muss der Darlehensnehmer Bezugsrechte dem Darlehensgeber spätestens am dritten Tag des Bezugsrechtshandels zur Verfügung stellen; andernfalls ist der Darlehensgeber danach berechtigt, die Bezugsrechte am folgenden Bankarbeitstag für Rechnung des Darlehensnehmers zu kaufen oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. Eine Regelung zur Ausübung des in den Aktien verkörperten Stimmrechts ist im Rahmenvertrag dagegen nicht enthalten. Das EMA526 regelt die Zuordnung der Vermögensrechte in Nr. 3 des Produktanhangs Wertpapierdarlehen. Nach Nr. 3 Abs. 1 hat der Darlehensnehmer bei Barausschüttungen des Emittenten dem Darlehensgeber am Tag der Ausschüttung einen entsprechenden Betrag zu zahlen. Unterliegt eine Ausschüttung einer Quellensteuer oder führt sie zu einer Steuergutschrift, hat 522
Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1171, 7/1173. Dazu S. 22. 524 Dazu auch Hopt/Vollmuth, Vertrags- und Formularhandbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Aufl. 2013, IV. T. 1. 525 Der in der Kompensationszahlung enthaltene Ausgleich für Steuern und Abgaben ist gemäß Nr. 6 Abs. 2 S. 2 nur nach Maßgabe der dem Darlehensnehmer mitgeteilten steuerlichen Erstattungs- bzw. Anrechnungsansprüche des Darlehensgebers zu zahlen. Der Darlehensgeber ist damit so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er Eigentümer der Wertpapiere geblieben wäre. 526 Dazu S. 22 f. 523
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der Darlehensnehmer den Darlehensgeber gemäß Nr. 3 Abs. 2 so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er Eigentümer der Darlehenspapiere wäre. Zu Bezugsrechten trifft Nr. 3 Abs. 3 eine Regelung, die Nr. 6 Abs. 4 des Rahmenvertrages des BdB entspricht, d. h. Bezugsrechte müssen vom Darlehensnehmer spätestens am dritten Tag des Bezugsrechtshandels zur Verfügung gestellt werden. Erfolgt die Übertragung der Rechte bis zu diesem Tag nicht, kann der Darlehensgeber eine entsprechende Anzahl für Rechnung des Darlehensnehmers am Markt kaufen. Eine Sonderregelung für Gratisaktien, Ausschüttungen von Sachwerten und Nebenrechte trifft Nr. 3 Abs. 4. Diese sind, soweit sie frei übertragbar sind, erst am Rücklieferungsdatum auf den Darlehensgeber zu übertragen. Nr. 3 Abs. 5 stellt schließlich klar, dass diese Zuordnungsvorschriften unabhängig davon gelten, ob der Darlehensnehmer während der Laufzeit des Vertrages Eigentümer der Darlehenspapiere bleibt. Auch das EMA enthält keine Bestimmung zur Stimmrechtsausübung. Zwar wurde eine Weisungsbefugnis des Darlehensgebers hinsichtlich der Stimmrechtsausübung bei der Abfassung erwogen, aber aus dem Grund verworfen, dass bei mehreren Darlehensgebern mit unterschiedlichen Interessen eine Konfliktsituation für den Darlehensnehmer entstehen könne.527
B. Die Zuordnung der Vermögensrechte Zu den in Aktien verkörperten Vermögensrechten zählen der in § 58 Abs. 4 AktG geregelte Anspruch auf den Bilanzgewinn, das bei Ausgabe neuer Aktien gemäß § 186 AktG bestehende Bezugsrecht und das von § 271 AktG vorgesehene Recht auf den Liquidationserlös.528 Wie die soeben behandelten Musterverträge zeigen, werden die Vermögensrechte typischerweise schuldrechtlich dem Darlehensgeber zugewiesen; er ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er noch Aktionär wäre.529 Der Darlehensnehmer hat entsprechende Kompensationsleistungen (auch als manufactured payments bezeichnet) zu erbringen, und zwar auch dann, wenn er die Aktien an einen Dritten übertragen hat. Diese Zahlungen stellen keine synallagmatische Gegenleistung für die Überlassung der Aktien dar, sondern eine zusätzliche Leistung des Darlehensnehmers.530 Gesellschaftsrechtliche Schranken werden durch 527 Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 125 f. 528 MünchKommAktG/Heider, 3. Aufl. 2008, § 11 Rn. 12. 529 Zur Zuordnung der Vermögensrechte beim Wertpapierdarlehen allgemein auch Acker, Die Wertpapierleihe, 1991, S. 36; Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 606; Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 41 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 34; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.9. 530 Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 42.
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diese Gestaltung nicht berührt, denn das Abspaltungsverbot erfasst derartige schuldrechtlichen Vereinbarungen nicht.531
C. Die Zuordnung der Verwaltungsrechte I. Grundlagen 1. Das Abspaltungsverbot als gesellschaftsrechtliche Vorgabe Unter den Verwaltungsrechten des Aktionärs versteht man neben dem Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung gemäß § 118 AktG und dem Auskunftsrecht in der Hauptversammlung nach § 131 AktG insbesondere das in den §§ 12, 133 ff. AktG geregelte Stimmrecht, die im Aktiengesetz – z. B. in den §§ 93 Abs. 4, 122, 148 AktG – vorgesehenen Minderheitsrechte sowie das Anfechtungsrecht nach § 245 Nr. 1–3 AktG.532 Wie für die Vermögensrechte gilt auch für die Verwaltungsrechte das Abspaltungsverbot. Gegen diese gesellschaftsrechtliche Vorgabe verstoßen Aktiendarlehensverträge bei typischer Vertragsgestaltung jedoch nicht.533 Da der Darlehensnehmer Eigentum an den darlehensweise überlassenen Aktien erlangt, findet keine Abspaltung von Mitgliedschaftsrechten statt.
2. Die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer als zivilrechtliches Regelungsproblem a) Die mögliche Beeinträchtigung der Position des Darlehensgebers Löst man sich von der gesellschaftsrechtlichen Betrachtung, ist festzustellen, dass die Ausübung der Stimmrechte durch den Darlehensnehmer aus zivilrechtlicher Sicht im Hinblick auf die Stellung des Darlehensgebers problematisch ist. Insbesondere Kümpel hat zurecht darauf hingewiesen, dass die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer zumindest die wirtschaftliche Position des Darlehensgebers und damit seine berechtigten Interessen gefährden oder tatsächlich beeinträchtigen kann.534 Relevant wird dies naturgemäß nur in den Fällen, in denen der Darlehensnehmer die darlehensweise erhaltenen Aktien nicht zur Erfüllung eigener Lieferverpflichtungen an einen Dritten übereignet, sondern sie zu strategischen Zwecken535 hält. b) Beispiele für eine Beeinträchtigung Als mögliche Beispiele für eine Beeinträchtigung der Position des Darlehensgebers prüft Kümpel die Eingliederung nach den §§ 319 ff. AktG und den 531 532 533 534 535
Siehe dazu im Einzelnen S. 267 f. MünchKommAktG/Heider, 3. Aufl. 2008, § 11 Rn. 13. Siehe dazu im Einzelnen S. 268 f. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.50 ff. Siehe oben S. 43.
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Abschluss von Unternehmensverträgen im Sinne des § 291 Abs. 1 S. 1 AktG.536 Die Eingliederung bewirkt, dass mit ihrer Eintragung in das Handelsregister alle Aktien, die sich nicht in der Hand der Hauptgesellschaft befinden, auf diese übergehen, § 320a S. 1 AktG. Da die Aktien aber nicht untergehen, bleibt eine Erfüllung der Rückerstattungspflicht des Darlehensnehmers zumindest theoretisch möglich,537 so dass eine Beeinträchtigung des Darlehensgebers dadurch, dass der Darlehensnehmer das Stimmrecht aus den Aktien ausübt, eher fernliegend erscheint. Gleiches gilt für den Squeeze-Out nach den §§ 327a ff. AktG (auch in Verbindung mit § 62 Abs. 5 UmwG) oder den §§ 39a ff. WpÜG.538 Anders ist die Zustimmung der Hauptversammlung zu einem Unternehmensvertrag gemäß § 293 Abs. 1 AktG zu bewerten. Denn die Stellung der außenstehenden Aktionäre verändert sich mit Wirksamwerden des Unternehmensvertrags. Weder der in § 304 AktG vorgesehene Anspruch auf angemessenen Ausgleich noch die Abfindungsmöglichkeit nach § 305 AktG ändern etwas daran, dass für die außenstehenden Aktionäre zumindest die Gefahr einer vermögensmäßigen Beeinträchtigung besteht, etwa durch die Unangemessenheit des Ausgleichs.539 Daneben ist noch eine Vielzahl von Hauptversammlungsbeschlüssen denkbar, welche die wirtschaftliche Position des Darlehensgebers zumindest gefährden können. Dazu zählen insbesondere Maßnahmen nach dem UmwG, Kapitalerhöhungen unter Ausschluss des Bezugsrechts, sonstige Satzungsänderungen oder auch Beschlüsse nach den Holzmüller- und Gelatine-Grundsätzen des BGH. c) Das Verhältnis von möglichen gesellschaftsrechtlichen und zivilrechtlichen Schranken der Stimmrechtsausübung Die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit der Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer ist fraglich.540 Sie muss an dieser Stelle freilich noch nicht erörtert werden. Denn selbst wenn die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer gesellschaftsrechtlich unzulässig sein sollte, entfällt die hier zu behandelnde Frage der zivilrechtlichen Schranken der Stimmrechtsausübung nicht. Dies gilt schon deshalb, weil aus Sicht des Darlehensgebers stets die Gefahr besteht, dass die gesellschaftsrechtliche Unzulässigkeit nicht, nicht rechtzeitig oder nicht mit Erfolg gerichtlich geltend gemacht wird, so dass vollendete Tatsachen geschaffen werden. Im Übrigen hat das darlehensvertragliche Pflichtenprogramm nicht nur Bedeutung für einen eventuellen
536
Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.62 ff. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.64. 538 Zur Behandlung von gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen, die zu einem Verlust der Aktien in der Person des Darlehensnehmers führen, als Leistungsstörung siehe S. 186 f. 539 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.65. 540 Dazu S. 268 ff. 537
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Schadensersatzanspruch. Darüber hinausgehend knüpft daran auch die kapitalmarktrechtliche Zuordnung der Stimmrechte an.541 d) Folgerungen Dieser Befund macht deutlich, dass die Ausübung von Verwaltungsrechten durch den Darlehensnehmer nicht nur ein gesellschaftsrechtliches, sondern auch ein zivilrechtliches Regelungsproblem darstellt. Zudem zeigt er, dass vor allem die Ausübung des Stimmrechts durch den Darlehensnehmer der näheren Betrachtung bedarf, da diese für den Darlehensgeber die schwerwiegendste Gefährdung seiner Interessen bedeuten dürfte. Die nachfolgende Darstellung konzentriert sich deshalb darauf, die zivilrechtlichen Schranken für die Stimmrechtsausübung zu behandeln. Für die anderen Verwaltungsrechte gilt grundsätzlich Entsprechendes. Relevant werden die zivilrechtlichen Grenzen in zweierlei Hinsicht: Zum einen ist der Darlehensnehmer, der diese in zu vertretender Weise überschreitet, zum Schadensersatz verpflichtet.542 Im Außenverhältnis ist seine Stimmrechtsabgabe – vorbehaltlich der gesellschaftsrechtlichen Beurteilung – dagegen grundsätzlich wirksam.543 Zum anderen ist im Rahmen der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenz für die Zurechnung von Stimmrechten des Darlehensnehmers zum Darlehensgeber nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG entscheidend, ob der Darlehensgeber Einfluss auf die Stimmrechtsausübung nehmen kann.544 Dies lässt sich nur unter Berücksichtigung der darlehensvertraglichen Pflichten beurteilen.
II. Gesetzliche Vorgaben 1. Meinungsstand Der rudimentären Regelung des Sachdarlehens in den §§ 607 ff. BGB lassen sich keine unmittelbaren Anhaltspunkte dafür entnehmen, ob der Darlehensnehmer berechtigt ist, die Stimmrechte aus den darlehensweise gehaltenen Aktien frei auszuüben oder ob er gegenüber dem Darlehensgeber insoweit bestimmten Beschränkungen unterliegt. Es verwundert daher nicht, dass beide Ansichten vertreten werden: a) Ermächtigung durch den Darlehensgeber Nach einer vor allem von Kümpel vertretenen Ansicht bedarf der Darlehensnehmer einer gesonderten Ermächtigung durch den Darlehensgeber, um von 541 Dies gilt vor allem für die Zurechnung von Stimmrechten nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG, die auf den S. 240 ff. behandelt wird. 542 Im Einzelnen S. 202. 543 Siehe nur Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 606; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.60. 544 Dazu S. 243.
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dem Stimmrecht Gebrauch machen zu dürfen.545 Begründet wird dies sowohl mit dem Zweck des Aktiendarlehens als auch mit dem Schutz der berechtigten Interessen des Darlehensgebers. Unter beiden Gesichtspunkten sei die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer als vertragswidrig anzusehen.546 Die Auslegung des Vertrages sei durch seinen Zweck bestimmt, der regelmäßig nur darin bestehe, dem Darlehensnehmer die Erfüllung einer eigenen Lieferverpflichtung zu ermöglichen; der Darlehensnehmer sei deshalb im Sinne einer allgemeinen Leistungstreuepflicht verpflichtet, die Stimmrechte nicht auszuüben, um die Rechtsstellung des Darlehensgebers nicht zu beeinträchtigen.547 Zudem wird darauf verwiesen, dass die wirtschaftliche Stellung des Darlehensgebers bei für das Aktiendarlehen typischer Vertragsgestaltung der eines Verleihers entspreche.548 Bereits die mögliche Gefährdung seines wirtschaftlichen Eigentums durch eine Stimmrechtsausübung des Darlehensnehmers müsse der Darlehensgeber nicht hinnehmen.549 De lege ferenda soll nach Kümpel sogar ein Stimmrechtsausschluss erwogen werden, da es Wertpapierleihsysteme wesentlich erleichtern würden, Aktien zur unzulässigen Stimmrechtsausübung zu erhalten.550 b) Freie Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer Dagegen ist nach der heute herrschenden Meinung der Darlehensnehmer als Aktionär in der Stimmrechtsausübung frei und unterliegt insoweit keinen schuldrechtlichen Pflichten gegenüber dem Darlehensgeber.551 Soweit die 545 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.52 ff.; Kümpel/Peters AG 1994, 525, 529 f.; zustimmend Claussen, Bank- und Börsenrecht, 3. Aufl. 2003, § 9 Rn. 209; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 107 f.; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 39; offenlassend Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 129 Fn. 409 und Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 22 Rn. 49. 546 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.52; Kümpel/Peters AG 1994, 525, 529. 547 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.58 und 13.59. 548 Dazu bereits S. 129. 549 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.55 und 13.57; Kümpel/ Peters AG 1994, 525, 530. 550 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.69 f.; zustimmend Dörge AG 1997, 396, 401. 551 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 606 ff.; Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band II, 1995, S. 29; KölnKommWpHG/v. Bülow, 2007, § 22 Rn. 84; Hopt/Vollmuth, Vertrags- und Formularhandbuch zum Handels-, Gesellschaftsund Bankrecht, 4. Aufl. 2013, IV. T. 1; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 126 f.; Schimansky/Bunte/Lwowski/ Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 36; Kort DB 2006, 1546, 1546; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1169; Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, 2. Aufl. 2007, Rn. 474; Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 Rn. 48; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 92 f.; Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1376 f.; Zerey/Storck, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 13 Rn. 24; wohl auch Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt,
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Vertreter dieser Ansicht nicht lediglich auf die Aktionärsstellung des Darlehensnehmers verweisen, wenden sie sich vor allem gegen das Argument Kümpels, aus der durch die übliche Vertragsgestaltung bewirkten Stellung des Darlehensgebers könnten Pflichten des Darlehensnehmers hinsichtlich der Stimmrechtsausübung abgeleitet werden. Die Einordnung dieser Stellung als wirtschaftliches Eigentum hinge ihrerseits davon ab, ob der Darlehensgeber tatsächlich Einfluss auf die Stimmrechtsausübung nehmen könne.552 Ein im Darlehensvertrag begründeter Einfluss auf die Stimmrechtsausübung vertrage sich im Übrigen nicht „mit dem Charakter des Sachdarlehens als schlichtem Austauschvertrag.“553 Zudem bestehe die vertraglich begründete Pflicht des Darlehensnehmers, den Darlehensgeber wirtschaftlich so zu stellen, als sei er Aktieneigentümer geblieben, unabhängig davon, ob der Darlehensnehmer die Aktien noch halte oder sie an Dritte weiterveräußert habe.554 Im Fall der Weiterveräußerung an Dritte müsse eine Stimmrechtsbindung ohnehin enden.555 Schließlich könne der Darlehensgeber den Vertrag regelmäßig zu dem für die Stimmrechtsausübung maßgeblichen Stichtag kündigen.556 Eine gewisse Schutzbedürftigkeit des Darlehensgebers wird trotz dieser Argumentation von Bachmann anerkannt:557 Jedenfalls gegenüber Privatanlegern, deren Aktien von Wertpapierdienstleistungsunternehmen verwahrt würden, bestünde eine aus § 31 Abs. 3 WpHG abzuleitende Aufklärungspflicht über den mit der darlehensweisen Übereignung verbundenen (zeitweiligen) Stimmrechtsverlust. Damit soll der Darlehensgeber freilich nicht vor einer Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Position geschützt werden, sondern nur davor, dass sich dieser „unerwartet ohne die zumindest mittelbare Möglichkeit der Stimmrechtsausübung“ wiederfindet.558
2. Folgerungen aus dem Vertragszweck des Aktiendarlehens Kümpel argumentiert damit, dass eine Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer im Regefall gegen den – aus Sicht des Darlehensnehmers beschriebenen – Zweck des Aktiendarlehens verstoße und damit unzulässig 2009, S. 1411, 1416; ohne Stellungnahme Claussen/Ekkenga, Bank- und Börsenrecht, 4. Aufl. 2008, § 6 Rn. 205. 552 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 607 unter Berufung auf Kolbinger, Das wirtschaftliche Eigentum an Aktien, 2008, S. 158, 163. 553 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 607. 554 Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1374. 555 Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 127; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 36; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1169; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 93. 556 Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 93. 557 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 607 f. 558 So ausdrücklich Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 607.
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sei.559 Eine Schwäche dieser Begründung zeigt sich bereits darin, dass die Annahme, der Vertragszweck bestehe darin, dem Darlehensnehmer die Erfüllung einer eigenen Lieferverpflichtung zu ermöglichen, allenfalls für den so beschriebenen Regelfall zutrifft. Die möglichen Motive eines Aktiendarlehensnehmers sind jedoch nicht darauf beschränkt.560 Davon abgesehen kann das Motiv einer Vertragspartei für den Vertragsschluss (hier: Weiterveräußerung der darlehensweise erhaltenen Aktien zur Erfüllung eigener Pflichten gegenüber Dritten) keine Pflicht dieser Partei begründen, sich nach Vertragsschluss dementsprechend zu verhalten und die ursprünglich verfolgte Absicht umzusetzen. Grundlegende Voraussetzung für das Bestehen einer solchen Pflicht wäre, dass das Motiv des Darlehensnehmers als Vertragszweck tatsächlich ein auch den Darlehensnehmer bindender Inhalt der Vereinbarung zwischen den Parteien geworden ist.561 Dies wird sich angesichts der Interessenlage der Parteien eines Aktiendarlehens aber allenfalls bei einer ausdrücklichen vertraglichen Festlegung annehmen lassen.
3. Die Leistungstreuepflicht des Darlehensnehmers Somit stellt sich die Frage, ob dem weiteren Argument Kümpels, eine Stimmrechtsausübung des Darlehensnehmers gefährde das wirtschaftliche Eigentum des Darlehensgebers an den Aktien, zu folgen ist. Wie bereits beschrieben, wird in der Praxis regelmäßig eine Pflicht des Darlehensnehmers vereinbart, den Darlehensgeber für die während der Laufzeit fällig werdenden Ausschüttungen zu kompensieren. Die in der Aktie verkörperten Vermögensrechte sind bei dieser Gestaltung also schuldrechtlich dem Darlehensgeber zugewiesen. Im Hinblick auf diesen Anspruch wird die auch von Kümpel angeführte Leistungstreuepflicht relevant. Ob die durch die Vertragsgestaltung vermittelte Position des Darlehensgebers als wirtschaftliches Eigentum bezeichnet werden kann,562 ist insoweit freilich ohne Bedeutung. Maßgeblich ist allein die schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Darlehensparteien. Der mögliche Einwand, dass man von wirtschaftlichem Eigentum des Darlehensgebers nicht mehr sprechen könne, wenn der Darlehensnehmer die Aktien weiterveräußert hat, überzeugt daher nicht. Nachfolgend ist damit zunächst auf den Inhalt der Leistungstreuepflicht einzugehen, bevor die un559
Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.58 und 13.59. Dazu S. 43. 561 Eine vergleichbare Abgrenzung ist – wenn auch in einem gänzlich anderen Zusammenhang – insbesondere bei der Zweckverfehlungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB und bei der Bestimmung des Vertragszwecks im Sinne des § 307 Abs. 2 S. 2 BGB vorzunehmen. 562 So etwa Häuselmann DB 2000, 495, 495; Kort WM 2006, 2149, 2151; Kümpel, Bankund Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.55 und 13.57; Kümpel/Peters AG 1994, 525, 530; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 34; Prahl/Naumann WM 1992, 1173, 1178; Wagner Der Konzern 2007, 505, 506. Anders insbesondere Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1374. 560
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terschiedlichen Bezugspunkte dieser Pflicht beim Aktiendarlehen zu behandeln sind. a) Inhalt der Leistungstreuepflicht Es ist allgemein anerkannt, dass die Parteien eines Schuldverhältnisses die Nebenpflicht trifft, den Leistungserfolg und den Vertragszweck weder zu gefährden noch zu beeinträchtigen, d. h., vertragsstörendes Verhalten zu unterlassen und zur Erreichung des Vertragszwecks zusammenzuwirken.563 Besondere Bedeutung erlangen derartige Leistungstreue- oder Loyalitätspflichten, die aus § 242 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB abzuleiten sind,564 im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen. Die Leistungstreuepflichten haben ihre Grundlage aber nicht allein in § 242 BGB, sondern sind stets auf den Vertragszweck bezogen, zu dessen Erreichung beide Parteien zusammenwirken müssen.565 Ihr konkreter Inhalt kann daher nur unter Berücksichtigung von Inhalt und Rechtsnatur des Vertrages566 und nicht, wie bereits ausgeführt, durch Abstellen auf die einseitige Motivation einer Partei bestimmt werden. Eine Grenze für die Begründung von konkreten Handlungs- oder Unterlassungspflichten ist dort zu ziehen, wo deren Erfüllung dem Verpflichteten nur unter Preisgabe eigener Interessen möglich und wo ausschließlich der Risikobereich der anderen Partei betroffen ist.567 b) Begründung einer Leistungstreuepflicht aus der Zuordnung der Vermögensrechte zum Darlehensgeber Sind die in den Aktien verkörperten Vermögensrechte schuldrechtlich dem Darlehensgeber zugeordnet, bestimmt diese Zuordnung den Vertragszweck mit. Den Darlehensnehmer trifft dann die Nebenpflicht, diese Zuordnung nicht zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Es ist Kümpel zuzustimmen, dass sich eine entsprechende Unterlassungspflicht auch auf die Ausübung des Stimmrechts bezieht. Aus zwei Gründen ist nachfolgend jedoch die Fra563 Dies entspricht st. Rspr., siehe etwa BGH NJW-RR 1996, 949, 950; NJW 1995, 1954, 1955; NJW-RR 1989, 1393, 1395; NJW 1983, 998, 998; NJW 1978, 260, 260. Aus der Literatur ausführlich zur Herleitung Weller, Die Vertragstreue, 2009, S. 302 ff.; siehe im Übrigen z. B. MünchKommBGB/Ernst, 6. Aufl. 2012, § 280 Rn. 91; Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 242 Rn. 27 ff.; Jauernig/Mansel, 14. Aufl. 2011, § 242 Rn. 27; MünchKommBGB/ Roth/Schubert, 6. Aufl. 2012, § 242 Rn. 167 ff.; Bamberger/Roth/Sutschet, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 241 Rn. 46; Weller ZHR 175 (2011), S. 110, 117 f. 564 Die Leistungstreuepflichten sind auch nach der Schuldrechtsreform bei § 242 BGB zu verorten; § 241 Abs. 2 BGB beschränkt sich in seiner Funktion auf die Rechtsfolgenseite, dazu überzeugend Weller, Die Vertragstreue, 2009, S. 308 f. m. w. N. 565 Weller, Die Vertragstreue, 2009, S. 309 ff. 566 Bamberger/Roth/Sutschet, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 241 Rn. 46. 567 BGH NJW-RR 1989, 1393, 1395; Staudinger/Olzen, Neubearb. 2009, § 241 Rn. 174; Bamberger § 241 Rn. 55; Bamberger/Roth/Sutschet, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2013, § 241 Rn. 55; Weller, Die Vertragstreue, 2009, S. 314 f.
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gestellung dahingehend zu erweitern, ob sich – über die Argumentation Kümpels hinausgehend – eine vergleichbare Pflicht des Darlehensnehmers aus der Rechtsnatur des Aktiendarlehens und damit aus der gesetzlichen Regelung selbst ableiten lässt. Eine solche Pflicht würde zum einen in den Fällen relevant, in denen die Parteien abweichend von der üblichen Vertragsgestaltung die Vermögensrechte nicht dem Darlehensgeber zuweisen. Zum anderen kommt es für die in einem weiteren Schritt zu behandelnde Frage, welche Spielräume für die privatautonome Gestaltung bestehen,568 entscheidend darauf an, ob eine etwaige Beschränkung des Darlehensnehmers bei der Stimmrechtsausübung auf gesetzlichen Vorgaben beruht oder lediglich auf die vertragliche Vereinbarung bezogen ist. c) Begründung einer Leistungstreuepflicht aus der Rechtsnatur des Aktiendarlehens aa) Ausgangspunkt: Das Aktiendarlehen als Gebrauchsüberlassungsvertrag i. w. S. Der Sachdarlehensnehmer trägt hinsichtlich der Rückerstattungspflicht das Beschaffungsrisiko, der Sachdarlehensgeber dagegen die Entwertungs- und Kursgefahr.569 Dies bedeutet zugleich, dass Schwankungen des Marktwertes der zu derselben Gattung gehörenden Sachen, wie insbesondere Kursverluste der darlehensweise überlassenen Aktien, zu Lasten des Darlehensgebers gehen.570 Nichts anderes gilt bei einem Gelddarlehen für das Risiko der Geldentwertung.571 Diese Risikoverteilung ist eine Folge des nur nach Art, Güte und Menge konkretisierten Rückerstattungsanspruchs gemäß § 607 Abs. 1 S. 2 BGB, und damit der Einordnung des Darlehensvertrags als Gebrauchsüberlassungsvertrag i. w. S.572 Der wesentliche Unterschied zu den Gebrauchsüberlassungsverträgen i. e. S. besteht darin, dass diese auf die überlassene Sache, also den konkreten Miet- oder Pachtgegenstand, bezogen sind, während ein abstrakter Vermögenswert den Gegenstand des Darlehens bildet.573 Die vertragliche Festlegung einer bestimmten Anzahl von Sachen einer bestimmten Gattung dient dabei nur der Bestimmung des geschuldeten abstrakten Vermögenswertes. Aus dieser Natur des Darlehensvertrags ergibt sich weiter, dass jegliche Verschlechterung der darlehensweise erhaltenen Sachen durch den Darlehensnehmer, der an ihnen Eigentum erworben hat,574 dessen Haftung grund568
Dazu S. 203 f. MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 607 Rn. 29; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.11; Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 607 Rn. 15. 570 Allgemein Staudinger/Hopt/Mülbert, 12. Aufl. 1989, § 607 Rn. 375. 571 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 488 Rn. 46. 572 Insoweit zutreffend Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1374. 573 Dazu oben S. 98 ff. 574 Zur Pflicht zur Eigentumsverschaffung siehe S. 103 f. 569
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sätzlich nicht begründet. Im Gegenteil steht es ihm sogar frei, diese Sachen zu verbrauchen. Im Unterschied dazu bestehen bei den Gebrauchsüberlassungsverträgen i. e. S. sachbezogene, d. h. auf den Erhalt des Wertes und der Nutzbarkeit der konkreten, dem Mieter, Pächter oder Entleiher überlassenen Sache gerichtete Pflichten, die den Schutz des Vermieters, Verpächters oder Verleihers bezwecken. Zu nennen ist etwa die Obhutspflicht des Mieters, deren Verletzung ihn bei Überschreitung der Grenze des § 538 BGB schadensersatzpflichtig macht. Berücksichtigt man dies, erscheint zunächst die Annahme ausgeschlossen, den Darlehensnehmer könnte eine auf die überlassenen Aktien bezogene Pflicht treffen, durch die Ausübung des Stimmrechts keine Wertminderung oder sonstige Verschlechterung zu verursachen. bb) Pflichten des Darlehensnehmers hinsichtlich der gesamten Gattung Bei genauerer Betrachtung zeichnet sich das Aktiendarlehen jedoch durch eine Besonderheit aus, die bei anderen möglichen Gegenständen eines Sachdarlehens nicht anzutreffen ist. Diese Besonderheit besteht darin, dass sich eine Wertminderung der dem Darlehensnehmer überlassenen Aktien, die durch die Ausübung des Stimmrechts verursacht wird, zwingend auf alle Aktien derselben Gattung auswirkt. Bei einer derartigen Wertminderung von Aktien verwirklicht sich also nicht ein vom Darlehensgeber zu tragendes allgemeines Marktrisiko, sondern ein vom Darlehensnehmer selbst durch die Stimmrechtsausübung zumindest mitverursachtes Risiko. Der allgemeine Grundsatz des Darlehensrechts, dass der Darlehensgeber die Entwertungsgefahr zu tragen hat, trifft auf diesen Sonderfall nicht zu. Insoweit ist das Aktiendarlehen durchaus mit den Gebrauchsüberlassungsverträgen i. e. S. vergleichbar: Den Darlehensnehmer treffen zwar grundsätzlich keine auf den konkreten Darlehensgegenstand bezogene (Obhuts-)Pflichten. Da negative Auswirkungen der Stimmrechtsausübung aber nie auf die konkrete, ihm überlassene Sache beschränkt sind, ist er im Hinblick auf derartige negative Auswirkungen ähnlich zu behandeln wie ein Mieter, der die Mietsache in zu vertretender Weise beschädigt. cc) Vergleich von Aktiendarlehen und Aktiennießbrauch Ein Vergleich von Aktiendarlehen und Aktiennießbrauch im Hinblick auf die Befugnis von Darlehensnehmer und Nießbraucher zur Stimmrechtsausübung liegt trotz der Unterschiede zwischen beiden Rechtsgeschäften nahe, wenn man annimmt, dass beim Aktiendarlehen eine sachbezogene Pflicht des Darlehensnehmers im eben beschriebenen Sinne existiert. Gegen die Vergleichbarkeit mit dem Aktiennießbrauch spricht auch nicht, dass dort der Inhaber der nuda proprietas eine dingliche Rechtsposition innehat, während der Sachdarlehensgeber das Eigentum an dem Darlehensgegenstand aufgibt und lediglich durch ein Schuldverhältnis mit dem Darlehensnehmer verbun-
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den ist. Denn die wesentliche Folge aus diesem Unterschied ist, dass etwaige Beschränkungen, die dem Nießbraucher (im Hinblick auf die Stimmrechtsausübung) von der Rechtsordnung auferlegt sind, dinglich, d. h. auch gegenüber den anderen Aktionären und der Gesellschaft wirken. Demgegenüber stellt sich beim Sachdarlehensvertrag stets nur die Frage, ob der Darlehensnehmer im Verhältnis zum Darlehensgeber solchen Einschränkungen unterliegt, was im Fall eines Verstoßes lediglich Schadensersatzansprüche auslösen würde. Hinsichtlich des möglichen Inhalts derartiger Beschränkungen ist ein Hinweis auf die unterschiedliche Natur der Rechtsposition der jeweils anderen Partei aber nicht zielführend. Vielmehr muss stets die zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung maßgeblich sein und in Ermangelung einer solchen in erster Linie die Interessenlage. Insoweit gilt, dass sowohl der Nießbrauch als auch das Darlehen Rechtsgeschäfte darstellen, mit denen zwei Parteien die Befugnisse (und Lasten) hinsichtlich einer Sache untereinander aufteilen, was zu einer Spaltung der Interessen führt.575 Unabhängig davon, ob diese Aufteilung der Befugnisse zwischen den Parteien schuldrechtlich oder sachenrechtlich gestaltet wird, kann die Ausübung selbst des in nur einer Aktie verkörperten Stimmrechts Einfluss auf die Position der anderen Partei haben und den Wert und die Nutzbarkeit der Aktie beeinflussen. Für den Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen ist umstritten, von wem das Stimmrecht auszuüben ist. Nach der herrschenden Ansicht steht die Ausübung allein dem Eigentümer/Gesellschafter zu.576 Eine andere Ansicht, die vor allem darauf abstellt, dass dem Nießbraucher die Verwaltung der Sache gebührt, will allein diesem die Stimmrechtsausübung zukommen lassen.577 Daneben wird die Lösung auch in einer sachlichen Aufspaltung578 oder in einer gemeinschaftlichen Ausübung579 des Stimmrechts 575
Siehe auch S. 3 f. Palandt/Bassenge, 72. Aufl. 2013, § 1068 Rn. 3; Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl. 2009, § 61 Rn. 19; Staudinger/Frank, Neubearbeitung 2009, Anhang zu §§ 1068, 1069 Rn. 121; GroßKommAktG/Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 134 Rn. 81; MünchKommAktG/ Heider, 3. Aufl. 2008, § 12 Rn 7; Erman/Michalski, 13. Aufl. 2011, § 1081 Rn. 7; MünchKommBGB/Pohlmann, 6. Aufl. 2013, § 1068 Rn. 81; MünchKommHGB/K. Schmidt, 3. Aufl. 2012, vor § 230 Rn. 21; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 61 II 3; Semler, in: MünchHdbGesR, Bd. 4, 3. Aufl. 2007, § 38 Rn. 2; Schmidt/Lutter/Spindler, 2. Aufl. 2010, § 134 Rn. 8; Soergel/Stürner, 13. Aufl. 2001, § 1068 Rn 9 a; Schmidt/Lutter/Ziemons, 2. Aufl. 2010, § 12 Rn. 6. 577 Jauernig/Berger, 14. Aufl. 2011, § 1068 Rn. 4; MünchKommBGB/Stresemann, 6. Aufl. 2012, § 100 Rn. 3; Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 20 Rn. 113 („Stimmrecht als Gebrauchsvorteil“); KölnKommAktG/Zöllner, 1. Aufl. 1970, § 134 Rn. 15 (zumindest dann, wenn der Nießbraucher Alleinbesitzer der Aktien ist). 578 BFH NJW 1995, 1918, 1919 f.; Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 17 VI, Gschwendtner NJW 1995, 1875, 1876; Baumbach/Hopt/Hopt, 36. Aufl. 2014, § 105 Rn. 46; Ulmer, in: FS Fleck, 1988, S. 383, 394 f. 579 Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 147 ff.; Schön ZHR 158 (1994), S. 229, 261 f.; KölnKommAktG/Zöllner, 1. Aufl. 1970, § 134 Rn. 15 (wenn die Aktie im Mitbesitz von Aktionär und Nießbraucher ist). 576
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gesehen. Von diesen Ansätzen ist jedenfalls eine ausschließliche Zuweisung zum Nießbraucher abzulehnen. Aus der Zuweisung der Nutzungen an den Nießbraucher lassen sich keine Schlüsse über die Ausübung des Stimmrechts ziehen, da das Stimmrecht nicht als Gebrauchsvorteil angesehen werden kann.580 Zudem betrifft die Ausübung des Stimmrechts immer auch die Substanz der Mitgliedschaft.581 Aus diesem Grund ist es auch nicht möglich, rein formal auf den Besitz an den Aktien abzustellen. Nicht praktikabel ist schließlich eine Aufteilung des Stimmrechts nach dem jeweiligen Entscheidungsgegenstand.582 Ob das Stimmrecht mit der herrschenden Meinung allein dem Gesellschafter zusteht oder ob von einer gemeinsamen Ausübung auszugehen ist, kann im hier interessierenden Zusammenhang dahinstehen. Denn bei einem Aktiendarlehen kann im Außenverhältnis allenfalls der Darlehensnehmer Inhaber des Stimmrechts sein. Für das Innenverhältnis von Bedeutung ist jedoch die im Nießbrauchsrecht nach richtiger Ansicht für die Zuordnung des Stimmrechts entscheidende Interessenlage der Parteien. d) Folgerungen aa) Interessenlage Zieht man die Rechtslage bei den Gebrauchsüberlassungsverträgen i. e. S. und beim (Aktien-)Nießbrauch zum Vergleich heran, ist also zunächst festzuhalten, dass bei einer rechtsgeschäftlichen Aufteilung der Befugnisse hinsichtlich einer Sache, sei sie gegenständlich oder zeitlich, ein Interessengegensatz entsteht, für den die Rechtsordnung eine Lösung bereithalten muss. Zudem lässt sich aus diesem Vergleich ableiten, dass die Partei, der nach Beendigung dieser Aufteilung alle Befugnisse hinsichtlich der Sache zustehen, ein berechtigtes Interesse daran hat, dass der Wert der Sache nicht beeinträchtigt wird. Wie bereits dargelegt, besteht beim Aktiendarlehen die Möglichkeit der Beeinträchtigung des Wertes aller gattungszugehörigen Aktien theoretisch auch bei der Ausübung des in einer einzigen Aktie verkörperten Stimmrechts.583 Das berechtigte Interesse des Darlehensgebers folgt aus seinem Rückerstattungsanspruch, der vom Darlehensnehmer aus der vereinbarten Gattung zu erfüllen ist. Das Interesse des Darlehensnehmers an einer freien, auf die Belange des Darlehensgebers keine Rücksicht nehmende Ausübung des Stimmrechts ist demgegenüber als nicht schutzwürdig einzustufen. Dies ergibt sich in Parallele zur Rechtslage beim Aktiennießbrauch, bei dem nach richtiger Ansicht die Stimmrechte (im Außenverhältnis) von dem 580
Ausführlich dazu MünchKommBGB/Pohlmann, 6. Aufl. 2013, § 1068 Rn. 72 ff. Statt aller Staudinger/Frank, Neubearbeitung 2009, Anhang zu §§ 1068, 1069 Rn. 121. 582 Staudinger/Frank, Neubearbeitung 2009, Anhang zu §§ 1068, 1069 Rn. 121; MünchKommBGB/Pohlmann, 6. Aufl. 2013, § 1068 Rn. 75; MünchKommHGB/K. Schmidt, 3. Aufl. 2012, vor § 230 Rn. 21. 583 Siehe oben S. 189 ff. 581
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Eigentümer auszuüben sind, aus der Erwägung, dass die Vermögensrechte dem Darlehensgeber dauerhaft, d. h. auch für den Zeitraum nach Vertragsbeendigung, zugeordnet sind. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Rechtsstellung des Darlehensnehmers nicht in der Weise vorgegeben ist wie beim Nießbrauch. Im Gegenteil werden die Vermögensrechte typischerweise durch vertragliche Vereinbarung dem Darlehensgeber zugewiesen. Selbst wenn die Vermögensrechte nach der Parteivereinbarung für die Vertragslaufzeit dem Darlehensnehmer zugewiesen sind, ist zu beachten, dass die Substanz der Mitgliedschaft dem Darlehensgeber zusteht und sein Interesse an deren Erhaltung Berücksichtigung finden muss. Der Schutz des Darlehensnehmers in diesem Ausnahmefall ist bereits dadurch gewährleistet, dass der Darlehensgeber, anders als der Gesellschafter bei einem Aktiennießbrauch, keine Möglichkeit hat, durch eine Stimmrechtsausübung das Nutzungsinteresse des Darlehensnehmers zu beeinträchtigen. bb) Unterlassungspflicht des Darlehensnehmers Wie bereits ausgeführt, lassen sich aus § 242 BGB Unterlassungspflichten im Sinne von Leistungstreuepflichten nur ableiten, soweit deren Erfüllung dem Verpflichteten ohne Preisgabe eigener Interessen möglich und nicht ausschließlich der Risikobereich der anderen Partei betroffen ist. Diese Grenzen werden bei der soeben erörterten Interessenlage und der zwischen den Parteien gegebenen Risikoverteilung nicht berührt. Somit kann aus der Rechtsnatur des Aktiendarlehens als Gebrauchsüberlassungsvertrag eine Nebenpflicht des Darlehensnehmers abgeleitet werden, durch seine Nutzung der Aktien keine Wertminderung derjenigen Gattung, aus der er den Rückerstattungsanspruch erfüllen muss, zu verursachen. Denn ein solches Verhalten würde die Erreichung des Vertragszwecks, der durch die Rechtsnatur des Vertrages mitbestimmt wird, vereiteln. Eine Pflichtverletzung ist freilich nicht erst dann gegeben, wenn der Vertragszweck tatsächlich beeinträchtigt wird; vielmehr hat der Darlehensnehmer schon jede Gefährdung des Vertragszwecks zu unterlassen.584 Somit ist nicht darauf abzustellen, ob sich eine Stimmrechtsausübung des Darlehensnehmers im konkreten Einzelfall tatsächlich auf die typischerweise schuldrechtlich dem Darlehensgeber zugeordneten Vermögensrechte auswirkt. Ein derartiges Verständnis der Leistungstreuepflicht des Darlehensnehmers ist nicht nur deshalb abzulehnen, weil die entsprechende Prüfung diesem in den meisten Fällen wegen des damit verbundenen Prognoseelements weder zumutbar noch möglich wäre. Sie würde auch den Interessen des Darlehensgebers, deren Schutz die Leistungstreuepflicht dient, nicht gerecht werden. Stattdessen ist auf die Möglichkeit einer Gefährdung des Wer584 Allgemein zu den Leistungstreuepflichten z. B. BGH NJW 1995, 1954, 1955. Aus der Literatur siehe etwa MünchKommBGB/Ernst, 6. Aufl. 2012, § 280 Rn. 91; Jauernig/ Mansel, 14. Aufl. 2011, § 242 Rn. 27; Weller, Die Vertragstreue, 2009, S. 309.
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tes der jeweiligen Aktiengattung abzustellen. Eine solche ist bei jeder Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer besonders naheliegend, da dieser nicht die Entwertungs- und Kursgefahr trägt und daher das Stimmrecht risikoentleert ausüben kann. Entscheidet sich der Darlehensnehmer für einen strategischen Einsatz des Aktiendarlehens, hält er also die Aktien zum Zweck der Stimmrechtsausübung, besteht deshalb ein Missbrauchsrisiko. Somit ist festzuhalten, dass der Darlehensnehmer einer Nebenpflicht unterliegt, den Wert der Aktien weder zu gefährden noch zu beeinträchtigen. Eine Gefährdung in diesem Sinne ist bei jeglicher Ausübung des Stimmrechts durch den Darlehensnehmer gegeben; auf den konkreten Beschlussgegenstand kommt es nicht an. Aus Sicht des Darlehensnehmers ist die Ausübung des Stimmrechts also stets mit dem Risiko verbunden, sich schadensersatzpflichtig zu machen. Dieses Risiko kann der Darlehensnehmer jedoch vermeiden, indem er vor der Stimmrechtsausübung mit dem Darlehensgeber Rücksprache hält und dessen Zustimmung zu der geplanten Stimmrechtsausübung im Einzelfall einholt oder von einer Ausübung des Stimmrechts Abstand nimmt. Letzteres ist ihm auch zuzumuten, da die typischerweise mit einem Aktiendarlehen verfolgten Zwecke gerade keine Stimmrechtsausübung voraussetzen und auch sonst – wegen des grundsätzlich fehlenden wirtschaftlichen Interesses – kein schützenswertes Interesse des Darlehensnehmers an einer freien Stimmrechtsausübung anzuerkennen ist. Gegen die Annahme einer Unterlassungspflicht lässt sich auch nicht anführen, dass dadurch eine Ausübung des Stimmrechts aus den darlehensweise überlassenen Aktien generell unterbleiben würde.585 Denn der Darlehensgeber könnte sich ohne Weiteres zur Stimmrechtsausübung bevollmächtigen lassen.586 Zudem ist es die freie Entscheidung des Darlehensgebers, ob er einen Darlehensvertrag, dessen Laufzeit sich mit einer Hauptversammlung überschneidet, abschließt und sich damit unter Umständen der Möglichkeit beraubt, das Stimmrecht ausüben zu können. cc) Abgrenzung zur Treuhand Die Unterlassungspflicht des Darlehensnehmers ist auf den Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Darlehensgebers gerichtet. Es besteht also eine gewisse Interessenbindung des Darlehensnehmers. Im Unterschied zu einem Treuhandverhältnis schuldet der Darlehensnehmer aber weder eine umfassende Wahrung der Interessen des Darlehensgebers noch ist er verpflichtet, das Stimmrecht nach den Weisungen des Darlehensgebers auszuüben. Stattdessen unterliegt er nur der Pflicht, jedes Verhalten zu unterlassen, das den Wert der ganzen Gattung beeinträchtigt oder gefährdet. Die Annahme wei585 586
So aber Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 Rn. 48. Dazu noch S. 269.
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tergehender Interessenwahrungspflichten würde im Ergebnis zu einer Umdeutung des Aktiendarlehens in ein Treuhandverhältnis führen, was im Regelfall nicht dem Parteiwillen entsprechen dürfte. Eine abweichende Vereinbarung in dem Sinne, dass der Darlehensnehmer umfassend die Interessen des Darlehensgebers wahren muss und einem Weisungsrecht unterliegt, ist freilich möglich, in diesem Fall weist der Darlehensvertrag ein treuhänderisches Element auf.587 e) Rechtsfolgen eines Verstoßes Verletzt der Darlehensnehmer die Unterlassungspflicht durch Ausübung des Stimmrechts, ist ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 S. 1 BGB dem Grunde nach gegeben.588 Kümpel hat zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Naturalrestitution in aller Regel nicht möglich sein wird und dass der erfolgreichen Geltendmachung eines auf Geldersatz gerichteten Anspruchs häufig Beweisschwierigkeiten des Darlehensgebers entgegenstehen werden.589 Gerade in den Fällen, in denen ein Aktiendarlehen erfolgreich eingesetzt wird, um mit der auf diese Weise erlangten Stimmrechtsmehrheit eine für die Gesellschaft nachteilige Maßnahme zu beschließen, kann es dem Darlehensgeber aber durchaus gelingen, eine Verletzung der Unterlassungspflicht darzulegen und zu beweisen.590 Der Schaden ist dann mit dem durch die jeweilige Maßnahme verursachten Wertverlust der Aktien gleichzusetzen. Bei börsennotierten Gesellschaften kann insoweit auf die Entwicklung des Börsenkurses abgestellt werden. Hinsichtlich des Nachweises der Schadenshöhe und der haftungsausfüllenden Kausalität gelten die gleichen Grundsätze, die für die Geltendmachung des Kursdifferenzschadens bei der Kapitalmarktinformationshaftung entwickelt wurden; insbesondere kommt eine richterliche Schadensschätzung nach § 287 ZPO in Betracht.591
4. Die Weiterveräußerung der Aktien durch den Darlehensnehmer Veräußert der Darlehensnehmer die Aktien an einen Dritten, unterliegt dieser im Verhältnis zum Darlehensgeber keinen die Stimmrechtsausübung betreffenden Bindungen. Eine Pflicht zur vertraglichen Vereinbarung einer Unterlassungspflicht mit seinem Abnehmer trifft den Darlehensnehmer ebenfalls nicht. Denn das oben beschriebene Regelungsproblem, das bei der Ausübung risikoentleerter Stimmrechte besteht, stellt sich in der Person des Dritten nicht. Da dieser die Aktien aufgrund eines Kaufs erwirbt und somit keiner schuldrechtlichen Rückerstattungspflicht ausgesetzt ist, sind die in 587 588 589 590 591
Dazu auch S. 10 f. und S. 310 f. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.66. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.68, 13. 69. Dazu S. 324. Zu den Einzelheiten siehe nur Fuchs/Fuchs, 2009, Vor §§ 37b, 37c Rn. 47, 49 m. w. N.
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den Aktien verkörperten Stimmrechte für ihn nicht risikoentleert. Für Kettendarlehen, also zwei oder mehr hintereinander geschaltete Darlehensverträge, gilt im Ergebnis nichts anderes. Derartige Konstellationen ergeben sich vor allem dann, wenn der „erste“ Darlehensnehmer ein im eigenen Namen und für eigene Rechnung handelnder Intermediär ist.592 Schließt dieser einen weiteren Darlehensvertrag ab, trifft den „zweiten“ Darlehensnehmer ebenfalls die Pflicht, die Stimmrechtsausübung zu unterlassen. Wird diese verletzt und entsteht dadurch ein Schaden, tritt dieser nicht in der Person des Intermediärs, sondern in der des „ersten“ Darlehensgebers ein. In einem solchen Fall finden die Grundsätze der Drittschadensliquidation Anwendung.
III. Privatautonome Gestaltung Aus zivilrechtlicher Sicht ist eine individualvertragliche Abbedingung der Unterlassungspflicht möglich. Der Darlehensnehmer unterliegt dann keinen Bindungen hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts. Dies dürfte aber kaum jemals praktisch relevant werden. Anderes gilt für die Frage, ob eine formularvertragliche Abbedingung der Unterlassungspflicht möglich ist. Der Prüfungsmaßstab für die Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen wird von der Generalklausel des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt. Danach sind Klauseln unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist nach dem Regelbeispiel des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Die wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung umfassen in einer vom BGH in ständiger Rechtsprechung verwendeten Formulierung „nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze (…), d. h. auch alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten“.593 592
Siehe S. 15 f. Zitat aus BGHZ 121, 13, 18 = NJW 1993, 721, 722; siehe auch BGH NJW 1998, 1640, 1642; BGHZ 100, 157, 163 = NJW 1987, 1931, 1932 f.; BGHZ 89, 206, 211 = NJW 1984, 1182, 1182 f. Aus der Literatur siehe etwa Staudinger/Coester, Neubearbeitung 2006, § 307 Rn. 231 ff.; Bamberger/Roth/H. Schmidt, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.11.2012, § 307 Rn. 52 ff.; MünchKommBGB/Wurmnest, 6. Aufl. 2012, § 307 Rn. 68. – Für eine stärker konturierte Auslegung, gerade auch in Abgrenzung zu § 307 Abs. 3 BGB, plädieren insbesondere Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 11. Aufl. 2011, § 307 Rn. 206 ff.; Stoffels, AGB-Recht, 2. Aufl. 2009, Rn. 505 ff. 593
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Kapitel 3: Zivilrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung
Wie dargelegt, ist die Unterlassungspflicht des Darlehensnehmers aus der Rechtsnatur des Aktiendarlehens als Gebrauchsüberlassungsvertrag i. w. S. und damit letztlich aus der in § 607 BGB enthaltenen Beschreibung des vertraglichen Pflichtenprogramms abzuleiten. Auf die von den Parteien gewählte konkrete Ausgestaltung hinsichtlich der Zuweisung der Vermögensrechte kommt es anders als bei dem von Kümpel gewählten Ansatz nicht an.594 Die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB erfordert eine Interessenabwägung, in die sowohl die berechtigten Belange der anderen Vertragspartei als auch die Gründe für die Abweichung von der dispositiven gesetzlichen Regelung einzubeziehen sind.595 Somit kommt der bereits beschriebenen Interessenlage596 entscheidende Bedeutung zu. Die Pflicht, durch eine Unterlassung der Stimmrechtsausübung den Wert der gesamten Aktiengattung weder zu gefährden noch zu beeinträchtigen, ist, vergleichbar der Obhutspflicht bei Gebrauchsüberlassungsverträgen i. e. S., von elementarer Bedeutung für den Schutz der Interessen des Darlehensgebers, während umgekehrt der Darlehensnehmer nicht schutzwürdig ist. Damit stellt eine Klausel, mit der dem Darlehensnehmer eine freie Stimmrechtsausübung ermöglicht wird, nicht nur eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung dar, sondern ist auch mit deren wesentlichen Grundgedanken unvereinbar. Rechtsfolge ist gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB die Unwirksamkeit der Klausel, während der Vertrag im Übrigen nach § 306 Abs. 1 BGB wirksam bleibt.
§ 13 Vertragsbeendigung A. Die Vertragspraxis Der Rahmenvertrag des Bundesverbands Deutscher Banken597 differenziert hinsichtlich der Vertragsbeendigung zwischen den jeweiligen Einzelabschlüssen und der gesamten, aus dem Rahmenvertrag und den Einzelabschlüssen gebildeten Vertragsbeziehung zwischen den Parteien. Ein einzelner Wertpapierdarlehensvertrag kann nach Nr. 7 Abs. 1 des Rahmenvertrags ganz oder teilweise gekündigt werden, wenn er auf unbestimmte Zeit598 abgeschlossen wurde. Die Kündigungsfrist beträgt 3 Bankarbeitstage für den Darlehensgeber und einen Bankarbeitstag für den Darlehensnehmer. Gemäß Nr. 7 Abs. 4 hat der Darlehensnehmer die Darlehenspapiere am Fälligkeitstag auf das vereinbarte Konto zurückzuliefern. Davon abweichend sind die Dar594
Dazu bereits S. 196 ff. Ausführlich dazu Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, 11. Aufl. 2011, § 307 Rn. 227 ff. 596 Zu dieser S. 199 f. 597 Dazu S. 22. 598 Nach Nr. 7 Abs. 3 des Rahmenvertrages bedeutet dies, dass der Vertrag spätestens ein Jahr nach dem Valutierungstag endet. Zum insolvenzrechtlichen Hintergrund siehe oben S. 28 f. 595
§ 13 Vertragsbeendigung
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lehenspapiere nach Nr. 7 Abs. 5 bei Umtausch-, Abfindungs- oder sonstigen veröffentlichten Kaufangeboten am zweiten Bankarbeitstag vor dem Beginn der Frist zur Annahme oder Abgabe solcher Angebote zurückzuliefern, sofern die zur Rücklieferung verpflichtete Partei mindestens fünf Arbeitstage vor Fristbeginn von der Veröffentlichung Kenntnis erlangt hat. Nr. 9 Abs. 1 S. 1 des Rahmenvertrags sieht vor, dass der Vertrag (womit nach Nr. 1 Abs. 2 S. 2 alle Einzelabschlüsse und der Rahmenvertrag als Einheit gemeint sind) nur aus wichtigem Grund kündbar ist, sofern Einzelabschlüsse getätigt und noch nicht vollständig abgewickelt sind. Ein wichtiger Grund liegt gemäß Nr. 9 Abs. 1 S. 2 insbesondere dann vor, wenn der Anspruch auf Aufwendungsersatz wegen nicht fristgemäßer Rücklieferung (Nr. 8 Abs. 1) oder der Anspruch auf Wertausgleich (Nr. 4) nicht innerhalb eines Bankarbeitstags nach der Benachrichtigung des Schuldners über das Ausbleiben der Leistung erfüllt werden. Als weiteren Beendigungsgrund sieht Nr. 9 Abs. 2 die Insolvenz einer Partei vor. In jedem Fall der Beendigung der gesamten Vertragsbeziehung findet nach Nr. 9 Abs. 3 eine Gesamtabrechnung statt; alle vertraglichen Ansprüche der Parteien werden miteinander verrechnet und gehen in einer Ausgleichsforderung auf.599 Die Berechnung dieser Ausgleichsforderung und die Modalitäten ihrer Erfüllung sind in Nr. 9 Abs. 4 und 5 geregelt. Auch das EMA600 unterscheidet zwischen der Beendigung des Rahmenvertrages und der Einzelabschlüsse. Befristete Einzelabschlüsse sind nicht ordentlich kündbar.601 Die Parteien können nach Nr. 2 Abs. 4 des Produktanhangs für Wertpapierdarlehen aber auch sogenannte „auf Verlangen endende Geschäfte“, d. h. jederzeit kündbare Verträge abschließen. Dass von der kündigenden Partei zu bestimmende Rücklieferungsdatum darf dabei nicht kürzer sein als der für Lieferungen von Wertpapieren der betreffenden Art üblicherweise erforderliche Mindestzeitraum. Erfolgt keine Kündigung, gilt der dreihundertvierundsechzigste Tag nach dem Lieferdatum als das Rücklieferungsdatum, der Vertrag endet also automatisch spätestens in diesem Zeitpunkt.602 Der Rahmenvertrag selbst kann nach Nr. 10 Abs. 7 der Allgemeinen Bestimmungen des EMA mit einer Frist von mindestens zwanzig Tagen beendet werden. Jeder noch nicht vollständig abgewickelte Einzelvertrag unterliegt jedoch weiterhin den Bestimmungen des EMA, die Beendigung wird also erst dann umfassend wirksam, wenn alle Verpflichtungen auf Grund des letzten laufenden Geschäfts erfüllt sind.603 Die außerordentliche 599
Zu diesem Liquidations-Netting siehe bereits oben S. 29 f. Siehe oben S. 22 f. 601 Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 129. 602 Zum insolvenzrechtlichen Hintergrund dieser Bestimmung siehe oben S. 29. 603 Dazu auch Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 129. 600
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Kapitel 3: Zivilrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung
Kündigung der gesamten Vertragsbeziehung ist in Nr. 6 Abs. 1 (Beendigung wegen Vertragsverletzung) und Abs. 2 (Beendigung wegen Änderung von Umständen) der Allgemeinen Bestimmungen geregelt.604
B. Die gesetzliche Regelung des Kündigungsrechts Die in den Rahmenverträgen getroffenen Regelungen zur einheitlichen Beendigung der gesamten Vertragsbeziehung bezwecken vor allem eine Reduzierung des Kreditrisikos.605 Ein Rückgriff auf dispositive gesetzliche Regelungen ist angesichts des abschließenden Charakters der in den Musterverträgen vorgesehenen Klauseln grundsätzlich nicht möglich.606 Sollten die Parteien im Einzelfall keine dementsprechende Vereinbarung getroffen haben, bestimmt sich das Recht zur Kündigung nach § 608 BGB. Gemäß § 608 Abs. 1 BGB hängt die Fälligkeit in Abweichung von der Auslegungsregel des § 271 Abs. 1 BGB607 davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt, wenn die Parteien keine Regelung zur Fälligkeit des Rückerstattungsanspruchs getroffen haben. Bei auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Sachdarlehensverträgen sieht § 608 Abs. 2 BGB ein dispositives608 Recht beider Parteien zur jederzeitigen, nicht fristgebundenen609 ordentlichen Kündigung vor. Bei befristeten Darlehen ist, wie bei allen anderen Dauerschuldverhältnissen auch, gemäß § 314 BGB eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich. § 490 Abs. 1 BGB, der dem Darlehensgeber in Konkretisierung des § 314 BGB ein Recht zur außerordentlichen Kündigung einräumt, wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückzahlung des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet wird, gilt analog für Sachdarlehen.610 Dies ergibt sich nach der hier vertretenen Auffassung bereits daraus, dass sich die für das Gelddarlehen geltenden Regeln grundsätzlich auf Sachdarlehen übertragen lassen.611 Zudem sind Geld- und Sachdarlehensgeber in gleicher Weise von dem Insolvenzrisiko des Darlehensnehmers betrof604 Ausführlich zu diesen Bestimmungen Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 129 ff. und S. 170. 605 Dazu S. 28 ff. 606 Zu diesem Gesichtspunkt auch S. 179 f. 607 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 608 Rn. 2; Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 608 Rn. 3. 608 BT-Drs. 14/6040 S. 259. 609 MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 608 Rn. 7; Soergel/Eckert, 13. Aufl. 2007, § 608 Rn. 4; Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 608 Rn. 5. 610 Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 608 Rn. 5. – A. A. die h. M., so etwa MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, § 608 Rn. 3; Bamberger/Roth/Rohe, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.11.2012, § 608 Rn. 4. 611 Siehe S. 102 f.
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fen.612 Die Anwendbarkeit von § 490 Abs. 1 BGB auf das Sachdarlehen ist auch ein Argument für die Zulässigkeit der in den gebräuchlichen Rahmenverträgen zu findenden Lösungsklauseln, nach denen die gesamte Vertragsbeziehung im Insolvenzfall zu beenden ist.613
612
Zutreffend Staudinger/Freitag, Neubearbeitung 2011, § 608 Rn. 5. Dazu im Einzelnen S. 28 ff. Zur Argumentation mit der Wertung des § 490 Abs. 1 BGB beim Gelddarlehen siehe auch MünchKommBGB/Berger, 6. Aufl. 2012, Vor § 488 Rn. 98. 613
Kapitel 4
Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung von Aktien § 14 Grundlagen A. Der aufsichtsrechtliche Rahmen für Aktiendarlehen Aufsichtsrechtliche Vorschriften, die Aktiendarlehen und die am Darlehensgeschäft Beteiligten erfassen, finden sich nicht nur im Kapitalmarktrecht, sondern auch im Bankaufsichtsrecht und im Investmentrecht. Für die nachfolgende Darstellung ist zu beachten, dass sich im Hinblick auf die Normadressaten zwischen Kapitalmarkt- und Bankaufsichtsrecht erhebliche Überschneidungen ergeben. So sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne des § 2 Abs. 4 WpHG ausschließlich Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätige Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen allein oder zusammen mit Wertpapiernebendienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Auch die Legaldefinitionen der Wertpapierdienstleistungen und -nebendienstleistungen in § 2 Abs. 3 und 3a WpHG weisen bis in die teilweise wortgleichen Formulierungen Parallelen zu den Begriffsbestimmungen der Bankgeschäfte und der Finanzdienstleistungen in § 1 Abs. 1 und 1a KWG auf. Soweit das WpHG also Wertpapierdienstleistungsunternehmen Pflichten auferlegt, finden daneben auch die – aus Praxissicht wesentlich bedeutsameren1 – Vorschriften des KWG Anwendung. Auf Kapitalanlagegesellschaften fand bis zum 21. Dezember 2007 ebenfalls das Bankaufsichtsrecht Anwendung, da § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 a. F. KWG das Investmentgeschäft als Bankgeschäft definierte. Durch das InvestmentänderungsG2 wurde diese Regelung aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der OGAW-Richtlinie 85/611/EWG aufgehoben;3 seitdem finden sich die aufsichtsrechtlichen Regelungen im InvG.4 1
Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 73; KölnKommWpHG/Versteegen, 2007, § 2 Rn. 121. BGBl. I 2007 S. 3089. 3 Dazu etwa Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schäfer, 4. Aufl. 2012, § 1 KWG Rn. 69a; Roegele/Görke BKR 2007, 393. 4 Dieses wurde mit Wirkung zum 22. Juli 2013 aufgehoben und durch das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), BGBl. I S. 1981, ersetzt. 2
§ 14 Grundlagen
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I. Kapitalmarktrecht 1. Funktionen des Kapitalmarktrechts Sowohl das europäische als auch das weitgehend darauf beruhende nationale Kapitalmarktrecht verfolgen als zentrale Zwecke die Schaffung und Erhaltung funktionsfähiger Kapitalmärkte sowie, untrennbar damit verbunden, den Schutz des Anlegerpublikums.5 Die Funktion der Kapitalmärkte besteht darin, sicherzustellen, dass das knappe Gut „Kapital“ in möglichst produktive Verwendungen gelenkt wird und bei angemessener Sicherheit eine möglichst hohe Rendite abwirft. Ein funktionsfähiger Kapitalmarkt stellt also sicher, dass Unternehmen und öffentliche Haushalte das von ihnen benötigte Kapital beschaffen können und dass Anleger frei verfügbares Finanzkapital in zweckgebundenes Realkapital transformieren können, ohne dass ihre Handlungsmöglichkeiten durch eine dauerhafte Zweckbindung der angelegten Mittel eingeschränkt werden.6 An derart effizienten Kapitalmärkten besteht ein starkes öffentliches Interesse.7 Üblicherweise wird zwischen drei Aspekten der Funktionsfähigkeit unterschieden, nämlich der institutionellen, der operationalen und der allokativen Funktionsfähigkeit.8 Der unmittelbare Zusammenhang zwischen dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte und dem Anlegerschutz erklärt sich daraus, dass ein hohes Niveau des Anlegerschutzes und ein dementsprechend hohes Vertrauen der Investoren in die Stabilität, Integrität und Fairness der Märkte Grundvoraussetzung für das Entstehen eines funktionsfähigen Kapitalmarktes ist.9 Umfassende Transparenz kommt nicht nur den Anlegern zugute, sondern ist Voraussetzung für eine Verminderung der zwischen den beiden Marktseiten bestehenden Informationsasymmetrien und folglich auch notwendige Bedingung dafür, dass der Kapitalmarkt seine allokative Funktion erfüllen kann.10
5
Dazu Zimmermann GPR 2008, 38, 39 m. w. N. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.12. 7 Siehe nur Kümpel/Wittig/Oulds, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.143. 8 Dazu im Einzelnen Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.72 ff.; Kümpel/ Wittig/Oulds, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.148 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Seiler/Kniehase, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, Vor § 104 Rn. 87 ff. 9 Kümpel/Wittig/Oulds, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.142; vgl. auch den Erwägungsgrund 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG, ABl. L 96 vom 12. April 2003, S. 16 ff. 10 Dieser Zusammenhang wird beispielsweise in Erwägungsgrund 1 der Transparenzrichtlinie 2004/109/EG, ABl. L 390 vom 31. Dezember 2004, S. 38 ff., herausgestellt. 6
210 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung
2. Abschluss und Vermittlung von Aktiendarlehen als Wertpapierdienstleistung im Sinne des WpHG Wie bereits erörtert, werden Aktiendarlehensverträge nicht immer unmittelbar zwischen dem Eigentümer der Wertpapiere und den jeweiligen Darlehensnehmern, also im Wege des direct lending, abgeschlossen.11 Stattdessen sind an Abschluss und Vermittlung der Verträge oft Intermediäre beteiligt. Deren Tätigwerden kann in Parallele zum Effektengeschäft danach unterschieden werden, ob im eigenen Namen für eigene Rechnung, in fremdem Namen für fremde Rechnung oder im eigenen Namen für fremde Rechnung gehandelt wird, wobei das Handeln im eigenen Namen für eigene Rechnung noch danach eingeteilt werden kann, ob ein entsprechender Kundenauftrag zugrunde liegt.12 Ob diese Dienstleistungen als Wertpapierdienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 3 qualifiziert werden können, hat unmittelbare Bedeutung vor allem für die Anwendung der §§ 31 ff. WpHG und der dort geregelten Wohlverhaltenspflichten. Denn diese sind an Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne des § 2 Abs. 4 WpHG adressiert.13 Daneben treffen diese unter anderem die Melde- und Anzeigepflichten nach den §§ 9, 10 WpHG. Die Definitionen des Finanzkommissionsgeschäfts (Handeln im eigenen Namen für fremde Rechnung, § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 WpHG), des Eigenhandels (Handeln im eigenen Namen für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere, § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WpHG), der Abschussvermittlung (Handeln in fremdem Namen für fremde Rechnung, § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WpHG), der Anlagevermittlung (Vermittlungstätigkeit ohne als Stellvertreter zu agieren, § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 WpHG) und des Eigengeschäfts (Handeln im eigenen Namen für eigene Rechnung, ohne Dienstleistung für andere zu sein, § 2 Abs. 3 S. 2 WpHG) enthalten jeweils das Tatbestandsmerkmal der „Anschaffung“ und „Veräußerung“ von Finanzinstrumenten. Ob davon nicht nur Kauf-, sondern auch Darlehensverträge erfasst sind, ist umstritten. Nach herrschender Ansicht lassen sich nicht nur Kaufverträge, sondern jedenfalls alle Rechtsgeschäfte, die auf eine Vollrechtsübertragung gerichtet sind, und damit auch Darlehensverträge über Finanzinstrumente, unter die Begriffe „Anschaffung“ und „Veräußerung“ subsumieren.14 Teilweise wird 11
Oben S. 14 ff. Dazu bereits S. 15 ff. 13 Siehe nur Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 71; KölnKommWpHG/Versteegen, 2007, § 2 Rn. 119. 14 Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 78; Schwark/Zimmer/Kumpan, 4. Aufl. 2010, § 2 Rn. 62; Schäfer/Hamann/Schäfer, § 2 Rn. 45; KölnKommWpHG/Versteegen, 2007, § 2 Rn. 129; so wohl auch MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 65. – Im Ergebnis ebenso Assmann/Schneider/Assmann, 6. Aufl. 2012, § 2 Rn. 65 und 67, wenn auch mit der zumindest missverständlichen Formulierung, bei der Wertpapierleihe komme es nicht zu einer Vollrechtsübertragung. 12
§ 14 Grundlagen
211
das Wertpapierdarlehen jedoch als Geschäft eigener Art eingeordnet, ohne dass klar ersichtlich wird, was daraus für die aufsichtsrechtliche Behandlung folgen soll.15 Es trifft zwar zu, dass Darlehensgeschäfte nicht auf die Erzielung von Veräußerungsgewinnen gerichtet sind und sich wegen ihres abweichenden wirtschaftlichen Zwecks nicht einem „Umsatzgeschäft“ wie dem Kauf von Finanzinstrumenten gleichstellen lassen.16 Bereits der Wortlaut der genannten Definitionsnormen bezieht sich aber nicht auf die schuldrechtliche, sondern auf die dingliche Ebene, nämlich auf den abgeleiteten, entgeltlichen Eigentumserwerb durch Rechtsgeschäft unter Lebenden.17 Zudem bezwecken auch die an § 2 Abs. 3 und 4 WpHG anknüpfenden Normen wie insbesondere die §§ 31 ff. WpHG den Schutz der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte und den Schutz der individuellen Anleger.18 Gerade unter Berücksichtigung dieses Schutzzwecks ist nicht ersichtlich, wie eine Differenzierung etwa zwischen dem kommissionsweisen Abschluss von Kaufverträgen und dem kommissionsweisen Abschluss von Darlehensverträgen zu rechtfertigen wäre. Schließlich spricht auch die richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 3 WpHG für die herrschende Meinung. Mit dieser Norm wurde Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente 2004/39/EG (MiFID)19 umgesetzt, der auf die in Anhang I Abschnitt A der Richtlinie genannten Dienstleistungen verweist. Dieser verwendet weder die Begriffe „Kauf“ und „Verkauf“ noch die im WpHG zu findende Formulierung „Anschaffung oder Veräußerung“, sondern spricht allgemein (in Nr. 1 und 2) von „Aufträgen“ von Kunden. Damit wird in Einklang mit dem genannten Schutzzweck deutlich, dass der Dienstleistungscharakter der erbrachten Tätigkeit entscheidend ist. Somit erfassen die hier erörterten Definitionsnormen des § 2 Abs. 3 WpHG nicht nur den Kauf und Verkauf von Wertpapieren für andere, sondern gleichermaßen den Abschluss von Wertpapierdarlehensverträgen für andere.
3. Das Pflichtenprogramm von Marktintermediären Im Rahmen dieser Arbeit soll zwar nicht im Einzelnen auf das Pflichtenprogramm von Marktintermediären nach den §§ 31 ff. WpHG eingegangen werden, da dieses beim Abschluss von Wertpapierdarlehensverträgen für andere 15 Assmann/Schütze/Roth, 3. Aufl. 2007, § 10 Rn. 28; zweifelnd auch MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 65 und 87. 16 Assmann/Schütze/Roth, 3. Aufl. 2007, § 10 Rn. 28; MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 65 und 87. 17 Auf diese Formulierung in RGZ 31, 17, 18 f. verweisen z. B. (für § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG) Dreher ZIP 2004, 2161, 2162, aber auch Assmann/Schütze/Roth, 3. Aufl. 2007, § 10 Rn. 27. 18 Statt aller Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, Vor §§ 31 bis 37a Rn. 51. – Gleiches gilt für die damit umgesetzte Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente 2004/39/EG, ABl. L 145 vom 30. April 2004 (MiFID), wie sich aus Erwägungsgrund 44 ergibt. 19 ABl. L 145 vom 30. April 2004.
212 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung keine Besonderheiten gegenüber sonstigen Wertpapierdienstleistungen wie etwa denjenigen im Rahmen des Effektengeschäfts aufweist. Ungeachtet dessen ist für die Frage, welche Pflichten Marktintermediären gegenüber ihren Kunden obliegen, die konkrete rechtliche Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen diesen letztlich von geringer Bedeutung. Die soeben angeführten, in § 2 Abs. 3 WpHG enthaltenen Legaldefinitionen zeigen, dass die aufsichtsrechtlichen Standards unabhängig von der konkreten Geschäftsart identisch sind.20 Denn die daran anknüpfenden §§ 31 ff. WpHG differenzieren im Grundsatz nicht nach der jeweils erbrachten Wertpapierdienstleistung.21 Für den zivilrechtlichen Blickwinkel gilt im Ergebnis nichts anderes. Die §§ 31 ff. WpHG und die diesen zugrunde liegenden Art. 19 ff. der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente 2004/39/EG (MiFID)22 sind zwar nach herrschender Ansicht rein öffentlich-rechtlicher Natur,23 ihrem Inhalt nach aber letztlich nichts anderes als Konkretisierungen zivilrechtlicher, von der Rechtsprechung ausdifferenzierter Verhaltenspflichten, die der (europäische) Gesetzgeber vorgefunden und in das Aufsichtsrecht transformiert hat.24 Umgekehrt ist anerkannt, dass die öffentlich-rechtlichen Verhaltsregeln im Sinne einer Ausstrahlungswirkung einen mittelbaren Einfluss auf das (vor)vertragliche Verhältnis zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Kunden haben, da Zivilgerichte sich auch an aufsichtsrechtlichen Normen orientieren und diese als (nicht abschließende) Konkretisierungen und Auslegungshilfen bei der Bestimmung des zivilrechtlichen Pflichtenprogramms begreifen.25 Daraus folgt, dass zumindest eine gewisse Harmonisierung26 der Verhaltensstandards stattfindet mit der Folge, dass die konkrete Geschäftsart für die aus dem Privatrecht abzuleitenden Pflichten der Marktintermediäre ebenfalls keine entscheidende Rolle spielt. Als Beispiel kann auf die grundlegende Pflicht des § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Kundeninteresse zu erbringen, verwiesen werden. Mit diesen aufsichtsrecht20 Siehe auch MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 107; Kümpel/Wittig/Starke, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 17.10. 21 Einen Überblick dazu bieten etwa Schimansky/Bunte/Lwowski/Seiler/Kniehase, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 104 Rn. 198 ff. 22 ABl. L 145 vom 30. April 2004. 23 Zum Streitstand und den Argumenten statt aller Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, Vor §§ 31 bis 37a Rn. 57 f.; auch die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente 2004/39/EG (MiFID) schreibt keine Umsetzung ihrer Art. 19 ff. durch privatrechtliche Normen vor, dazu Zimmermann GPR 2008, 38, 44 m. w. N. 24 Dazu Köndgen, in: Ferrarini (Hrsg.), European Securities Markets, The Investment Services Directive and Beyond, 1998, S. 115, 116 f. Schäfer WM 2007, 1872, 1875. 25 Siehe nur BGH NJW 2002, 62, 63; BGHZ 142, 345, 355 f. = BGH NJW 2000, 359, 361; aus der Literatur Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, Vor §§ 31 bis 37a Rn. 60 ff. m. w. N. 26 Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, Vor §§ 31 bis 37a Rn. 61.
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lichen Vorgaben sind die zivilrechtlichen Pflichten eines Kommissionärs nach § 384 Abs. 1 HGB vergleichbar.27 Eine ähnliche Orientierung am Kundeninteresse ist auch geschuldet, wenn der Intermediär nicht im Rahmen einer Geschäftsbesorgungskommission, sondern als Eigenhändler tätig wird, d. h. als Dienstleistung für einen Kunden im eigenen Namen und für eigene Rechnung handelt. Zwar ist für das Festpreisgeschäft umstritten, ob dieses mit der herrschenden Ansicht ausschließlich kaufrechtlich einzuordnen28 oder ob ein typengemischter Vertrag mit geschäftsbesorgungsrechtlichen Komponenten anzunehmen29 ist. Die herrschende Meinung geht jedoch davon aus, dass zwischen dem Eigenhändler und seinem Kunden eine Vertrauensbeziehung besteht, die von besonderen, den Pflichten eines Kommissionärs angenäherten Treuepflichten geprägt ist.30 Unabhängig von der rechtlichen Konstruktion ist somit von einem identischen, von der konkreten Geschäftsart nicht abhängigen Niveau des zivilrechtlichen Anlegerschutzes auszugehen.31
4. Kapitalmarktrechtliche Vorschriften über die Zuordnung von Aktionärsrechten Die bereits für das Zivilrecht erörterte Frage, ob die Rechte, die in den darlehensweise überlassenen Aktien verkörpert sind, dem Darlehensgeber oder dem Darlehensnehmer zuzuordnen sind, ist auch für das Kapitalmarktrecht zu stellen. Unmittelbar an die Vermögensrechte von Aktionären anknüpfende Regelungen enthalten freilich weder das Wertpapierhandelsgesetz noch andere kapitalmarktrechtliche Normen. Dem Wertpapierhandelsgesetz liegt ein marktbezogener Ansatz zugrunde, der sich von der Rechtsform- und Institutionenbezogenheit des Gesellschaftsrechts deutlich unterscheidet.32 Dieser Regelungsperspektive entspricht es, dass das Wertpapierhandelsgesetz an Aktionärsrechte anknüpfende Pflichten nur in seinen §§ 21 ff. und damit insoweit begründet, als die Stimmrechtsanteile an Emittenten im Sinne des § 2 27
Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, Vor §§ 31 bis 37a Rn. 32. So z. B. Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 22; Assmann/ Schütze/Roth, 3. Aufl. 2007, § 11 Rn. 2; Kümpel/Wittig/Starke, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 17.10 Fn. 1. 29 Dafür insbesondere MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 107; Köndgen, in: FS Canaris, Bd. II, 2007, S. 183, 206; Sethe, in: FS Nobbe, 2009, S. 769, 785 f. – Ähnlich wohl auch Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 4.31 (grundsätzlich Kaufrecht, das aber vom Kommissionsrecht „überlagert“ werde). 30 Siehe etwa Assmann/Schütze/Roth, 3. Aufl. 2007, § 10 Rn. 10 und § 11 Rn. 5 f. (mit dem zutreffenden Hinweis, dass zur Begründung nicht auf einen allgemeinen Bankvertrag abgestellt werden muss). 31 So ausdrücklich Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 4.23, der allerdings die §§ 31 ff. WpHG als (auch) privatrechtliche Normen einordnet; Assmann/Schütze/Roth, 3. Aufl. 2007, § 10 Rn. 69. 32 Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, Einl. Rn. 5. 28
214 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung Abs. 6 WpHG betroffen sind. Denn der Normzweck der §§ 21 ff. WpHG besteht gerade darin, im Interesse der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte Transparenz über die Machtverhältnisse in den erfassten Gesellschaften zu schaffen und den Anlegern die Entscheidungsfindung zu erleichtern.33 Aus kapitalmarktrechtlicher Sicht ist daher nachfolgend vor allem der Frage nachzugehen, welche Pflichten sich aus den §§ 21 ff. WpHG für Darlehensgeber und Darlehensnehmer ergeben. In ähnlicher Weise knüpft § 35 WpÜG die Pflicht, ein Übernahmeangebot abzugeben, an die Kontrolle der Zielgesellschaft, die gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG dann gegeben ist, wenn mindestens 30 % der Stimmrechte dieser Gesellschaft gehalten werden.
II. Bankaufsichtsrecht 1. Abschluss und Vermittlung von Aktiendarlehen als Bankgeschäft oder Finanzdienstleistung im Sinne des KWG Die im Kreditwesengesetz begründeten bankaufsichtsrechtlichen Pflichten sind primär an Kreditinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG und an Finanzdienstleistungsinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1a KWG adressiert. Voraussetzung ist, dass Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, betrieben oder für andere erbracht werden. Während Einigkeit darüber besteht, dass der Abschluss von Wertpapierdarlehen insbesondere kein Kreditgeschäft darstellt, ist umstritten, ob die klassischen Dienstleistungen des Effektengeschäfts, wie insbesondere das Kommissionsgeschäft, auch dann der Aufsicht nach dem KWG unterliegen, wenn Wertpapierdarlehen den Geschäftsgegenstand bilden. a) Einlagen-, Kredit- und Depotgeschäft Der Abschluss von Aktiendarlehen ist weder als Einlagengeschäft (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG) noch als Kreditgeschäft (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 KWG) noch als Depotgeschäft (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 KWG) einzuordnen. Voraussetzung für das Einlagengeschäft ist die Annahme fremder Gelder oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder, worunter ausschließlich Bar- und Buchgeld zu verstehen sind, nicht aber Wertpapiere.34 Das Kreditgeschäft ist definiert als die Gewährung von Gelddarlehen und Akzeptkrediten, was bei der gebotenen zivilrechtlichen Betrachtungsweise Sachdarlehen im Sinne des § 607 33
Dazu noch S. 235 f. So die Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Umsetzung von EGRichtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 13/7142 S. 63; Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 107 f.; Fischer/Klanten/Fischer, Bankrecht, 4. Aufl. 2010, Rn. 2.23; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 13; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.48; Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schäfer, 4. Aufl. 2012, § 1 KWG Rn. 34. 34
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BGB nicht erfasst.35 Der Abschluss von Aktiendarlehen ist schließlich auch nicht als Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere zu qualifizieren, da der Darlehensnehmer die Aktien im eigenen Interesse verwahrt.36 b) Finanzkommissionsgeschäft, Anlagevermittlung, Abschlussvermittlung und Eigenhandel Das Finanzkommissionsgeschäft (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG), die Anlagevermittlung (§ 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1 KWG), die Abschussvermittlung (§ 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 2 KWG) und der Eigenhandel (§ 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 4 KWG) sind in § 1 KWG parallel zu den in § 2 Abs. 3 WpHG gebrauchten Formulierungen als Bankgeschäft oder Finanzdienstleistung definiert. Auch diese bankaufsichtsrechtlichen Definitionsnormen enthalten, jeweils mit § 2 Abs. 3 WpHG übereinstimmend, das Tatbestandsmerkmal der „Anschaffung“ und „Veräußerung“ von Finanzinstrumenten. Auch insoweit ist umstritten, ob die darlehensweise Übertragung darunter subsumiert werden kann.37 Dies ist mit der gleichen Argumentation zu bejahen, die eine Anwendung der entsprechenden Regelungen des § 2 Abs. 3 WpHG nahelegt.38 Neben dem Wortlaut lässt sich auch im Rahmen des KWG auf den Regelungszweck verweisen. Dieser besteht darin, wegen der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Kreditgewerbes dessen Funktionsfähigkeit zu gewährleisten und deshalb Anforderungen an die Zulassung sowie Liquidität und Solvenz von Kredit- und Finanz35 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Umsetzung von EGRichtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 13/7142 S. 63; Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 108 (mit Einschränkung für den Fall einer „integrierten Wertpapier- und Geldleihe“); Schimansky/ Bunte/Lwowski/Fischer, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 127 Rn. 17; Fischer/Klanten/Fischer, Bankrecht, 4. Aufl. 2010, Rn. 2.27; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 110; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 13; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1179; Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schäfer, 4. Aufl. 2012, § 1 KWG Rn. 44; Kümpel/Wittig/Schelm, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 2.34. 36 Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 108 f.; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 110; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 14; Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schäfer, 4. Aufl. 2012, § 1 KWG Rn. 67; Kümpel/Wittig/Schelm, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 2.52. 37 Für die Erfassung von Darlehensgeschäften im Ergebnis Dreher ZIP 2004, 2161, 2162 (abgeleiteter, entgeltlicher, rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb unter Lebenden); Hammen WM 2005, 813, 814 (schuldrechtliche Geschäfte, die auf den Wechsel der Inhaberschaft eines Rechts gerichtet sind). Diese Ansicht wird auch von der BaFin vertreten, siehe das Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Finanzkommissionsgeschäfts“, Juni 2012, abrufbar unter www.bafin.de, 1. b). – Gegen eine Anwendung des KWG Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 109; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 110 und wohl auch Assmann/Schütze/Roth, 3. Aufl. 2007, § 10 Rn. 28; zweifelnd auch MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 65 und 87. 38 Dazu oben S. 210 f.
216 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung dienstleistungsinstituten aufzustellen.39 Auch diese ratio legis lässt eine unterschiedliche Behandlung von Dienstleistungen, die auf den Kauf von Wertpapieren bezogen sind, und solchen, die den Abschluss von Wertpapierdarlehensverträgen betreffen, nicht zu. Zudem wurde die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente 2004/39/EG (MiFID)40 nicht nur im WpHG, sondern auch im KWG umgesetzt, so dass auch aus diesem Grund eine übereinstimmende Auslegung der gleichlautenden Definitionskataloge geboten ist.41 Zwar ist anzuerkennen, dass beide Gesetze durchaus einen unterschiedlichen Regelungsansatz verfolgen und dieser bei der Rechtsanwendung ansonsten grundsätzlich zu berücksichtigen ist.42 Für eine übereinstimmende Auslegung spricht aber nicht nur der Verweis auf das Gemeinschaftsrecht, das nicht in gleicher Weise wie der deutsche Gesetzgeber zwischen Kapitalmarktrecht und Bankaufsichtsrecht unterscheidet. Zu berücksichtigen ist auch, dass § 2 Abs. 4 WpHG an das KWG anknüpft, da nur Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätige Unternehmen als mögliche Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Betracht kommen. Dies macht deutlich, dass voneinander abweichende Definitionen der hier behandelten Dienstleistungen vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt waren.43
2. Bankaufsichtrechtliche Pflichten Werden die soeben genannten Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, betrieben oder für andere erbracht, bedeutet dies, dass das betroffene Unternehmen als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut vor allem der Erlaubnispflicht des § 32 KWG unterliegt. Nachfolgend soll ausschließlich auf diejenigen Vorschriften des Bankaufsichtsrechts eingegangen werden, die sich spezifisch auf Wertpapierdarlehen beziehen.44 a) Wertpapierdarlehen als Kredite im Sinne des § 19 KWG Die §§ 13 ff. KWG bezwecken die Begrenzung und Kontrolle der Risiken, die sich aus dem Kreditgeschäft für die Institute und deren Gläubiger ergeben.45 So enthalten die §§ 13–13b KWG Anzeigepflichten und Beschränkun39 Siehe nur Schimansky/Bunte/Lwowski/Fischer, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 125 Rn. 15 ff. 40 ABl. L 145 vom 30. April 2004. 41 KölnKommWpHG/Versteegen, 2007, § 2 Rn. 124. 42 Dazu Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 3. 43 Schneider WM 2008, 285, 286. 44 Zur bankaufsichtsrechtlichen Behandlung des Liquidationsnetting siehe S. 30 f. 45 Derleder/Knops/Bamberger/Brocker, Bankrecht, 2. Aufl. 2009, § 65 Rn. 25.
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gen für die Vergabe von Großkrediten. Ein solcher ist nach der Legaldefinition in § 13 Abs. 1 S. 1 KWG gegeben, wenn die Kredite an einen Kreditnehmer insgesamt 10 % des haftenden Eigenkapitals erreichen oder übersteigen. § 14 KWG erfasst sogenannte Millionenkredite und damit Kredite an Kreditnehmer, deren Kreditvolumen 1,5 Millionen Euro oder mehr beträgt. Die weite Kreditdefinition des § 19 Abs. 1 S. 1 KWG umfasst unter anderem Bilanzaktiva im Sinne des § 19 Abs. 1 S. 2 KWG. Darunter fallen gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG auch Forderungen an Kreditinstitute und Kunden und somit auch Ansprüche aus Wertpapierdarlehen.46 Hat der Darlehensnehmer dem Institut Sicherheiten in Form von Bareinlagen bestellt, sind diese nach Maßgabe des § 20 Abs. 2 Nr. 2 b) KWG anzurechnen.47 b) Anzeigepflicht nach § 24 Abs. 1 Nr. 11 KWG Gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 11 KWG hat jedes Institut (dies sind nach § 1 Abs. 1b KWG Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute) der BaFin und der Deutschen Bundesbank unverzüglich jeden Fall anzuzeigen, in dem die Gegenpartei eines Pensionsgeschäftes, umgekehrten Pensionsgeschäftes oder Darlehensgeschäftes in Wertpapieren oder Waren ihren Erfüllungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist. Die Meldepflichten des § 24 KWG sind Teil des bankaufsichtsrechtlichen Anzeigewesens48 und dienen als solche dazu, der BaFin die Erfüllung der ihr in § 6 Abs. 2 KWG übertragenen Aufgabe zu ermöglichen, im Rahmen ihrer laufenden Aufsicht Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken.49 Das Verfahren zur Einreichung der Anzeige ist in § 1 Anzeigenverordnung50 geregelt. c) Mindestanforderungen an das Risikomanagement § 25a KWG begründet aufsichtsrechtliche Organisationsanforderungen an Institute. Insbesondere muss ein Institut gemäß § 25a Abs. 1 S. 1 KWG über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verfügen, die die Einhaltung der vom Institut zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen und der be46 Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 123; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.43; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1180. 47 Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1180. 48 Siehe dazu nur die Übersichten bei Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Braun, 4. Aufl. 2012, § 24 KWG Rn. 12 ff. 49 Speziell zu § 24 Abs. 1 Nr. 11 KWG auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Braun, 4. Aufl. 2012, § 24 KWG Rn. 135 mit dem Hinweis, Ziel der gesetzliche Regelung sei auch „die Gewinnung von Erkenntnissen darüber, ob zusätzliche Schutzvorkehrungen zum Schutze der Anleger und der Volkswirtschaft erforderlich“ seien. Siehe dazu auch Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 131. 50 Verordnung über die Anzeigen und die Vorlage von Unterlagen nach dem Kreditwesengesetz (Anzeigenverordnung) vom 19. Dezember 2006, BGBl. I S. 3245.
218 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung triebswirtschaftlichen Notwendigkeiten gewährleistet. Eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation muss nach § 25a Abs. 1 S. 3 KWG insbesondere ein angemessenes und wirksames Risikomanagement umfassen, auf dessen Basis ein Institut die Risikotragfähigkeit laufend sicherzustellen hat. Näher bestimmt werden die gesetzlichen Anforderungen durch die MaRisk (Mindestanforderungen an das Risikomanagement), ein norminterpretierendes Rundschreiben der BaFin.51 Zu den im Besonderen Teil dieses Rundschreibens enthaltenen Anforderungen gehört gemäß MaRisk BTO 2.2.1 8. insbesondere die Pflicht, vor dem Abschluss von Verträgen im Zusammenhang mit Handelsgeschäften, insbesondere bei Rahmenvereinbarungen, Nettingabreden und Sicherheitenbestellungen, durch eine vom Handel unabhängige Stelle prüfen zu lassen, ob und inwieweit sie rechtlich durchsetzbar sind.52 Handelsgeschäfte in diesem Sinne sind nach MaRisk AT 2.3.3. unter anderem alle Abschlüsse, die ein Wertpapiergeschäft – wozu auch die „Wertpapierleihe“ zählt – zur Grundlage haben und die im eigenen Namen und für eigene Rechnung abgeschlossen werden.
3. Verbot der Kreditgewährung zum Kauf von Wertpapieren Heute nur noch vereinzelt erwähnt wird die Anordnung des Reichswirtschaftsministers vom 25. September 1941.53 Diese enthielt ein Verbot der Gewährung von Krediten zum Kauf von (u. a.) zum Börsenhandel zugelassenen Aktien. Es wäre nicht von vornherein fernliegend, eine analoge Anwendung der Anordnung auf Aktiendarlehen zu erwägen.54 Denn sowohl das Geldals auch das Wertpapierdarlehen sind Hilfsgeschäfte für die synthetische Nachbildung von Termingeschäften am Kassamarkt.55 Die Anordnung des Reichswirtschaftsministers wurde nicht formal durch § 63 KWG aufgehoben. Dennoch ist fraglich, ob ihrer Geltung nicht § 62 Abs. 1 S. 1 KWG entgegensteht. Danach bleiben die auf dem Gebiet des Kreditwesens bestehenden Rechtsvorschriften sowie die auf Grund der bisherigen Rechtsvorschriften erlassenen Anordnungen nur aufrechterhalten, soweit ihnen nicht Bestimmungen des KWG entgegenstehen. Zwar existiert keine Norm des KWG, welche die Gewährung von Krediten zum Kauf von Wertpapieren ausdrücklich gestattet. Jedoch hält das heutige Bankaufsichtsrecht andere Instrumente bereit, um Kreditinstitute vor den Risiken aus der
51 Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), Rundschreiben 11/2010 (BA) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 15. Dezember 2010. 52 Dazu auch Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 43; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1183. 53 RWMBl. 1941, S. 320. 54 So auch Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 49. 55 Dazu schon S. 38 ff.
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Vergabe von Krediten zu schützen.56 Aus diesem Grund ist es überzeugend, davon auszugehen, dass die Gesamtkonzeption des KWG der Fortgeltung der Anordnung des Reichswirtschaftsministers entgegensteht. Unabhängig davon dürfte sie aber auch gewohnheitsrechtlich derogiert worden sein.57 Bereits im Jahr 1955 vertrat der Bundesminister für Wirtschaft die Auffassung, die Anordnung vom 25. September 1941 habe keine Gültigkeit mehr.58 Soweit ersichtlich, wurde sie während der letzten fünf Jahrzehnte auch nicht mehr angewandt.
III. Investmentrecht 1. Geltung der für Wertpapierdienstleistungsunternehmen bestehenden Pflichten a) Erbringung von Wertpapierdienstleistungen Die von dem Investmentgesetz59 erfassten Unternehmen erbringen grundsätzlich keine Wertpapierdienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 3 WpHG. Zwar bestimmt § 2 Abs. 1 S. 2 WpHG60, dass auch Anteile an Investmentvermögen, die von einer Kapitalanlagegesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben werden, Wertpapiere im Sinne des WpHG sind. Mit der Einbeziehung von Investmentfondsanteilen sollen jedoch nur diejenigen Dienstleistungen erfasst werden, die Intermediäre im Hinblick auf Investmentfondsanteile erbringen, wie z. B. das Kommissionsgeschäft oder die Anlageberatung.61 Die Kapitalanlagegesellschaften selbst erfüllen mit den von ihnen vorgenommenen (Kern-)Geschäften, also vor allem dem Kauf und Verkauf von Wertpapieren für das Investmentvermögen oder auch dem Abschluss von Wertpapierdarlehensverträgen, nicht die Definition des § 2 Abs. 3 WpHG. In Betracht käme insoweit allenfalls eine Subsumtion unter § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 WpHG (Finanzkommissionsgeschäft) oder § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WpHG (Finanzportfolioverwaltung). Entgegen einer vereinzelt geäußerten Ansicht genügt es für die Einordnung als Finanzkommissionsgeschäft nicht, dass Geschäfte für die gemeinschaftliche Rechnung der Anleger getätigt werden.62 Entscheidend ist nämlich, dass Investmentgesellschaften die Anlagege56 Darauf weisen Staudinger/Hopt/Mülbert, 12. Aufl. 1989, Vorbem zu §§ 607 ff Rn. 310 hin. Ein „so weitreichendes Verbot, wie es damals dirigistisch in Kriegszeiten erlassen wurde“, sei mit dem KWG, das im Lichte von Art. 12 GG verfassungskonform auszulegen sei, daher nicht zu vereinbaren. 57 Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 1364; Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 50. 58 Mitteilung des Bundesverbands des privaten Bankgewerbes e. V. vom 25. März 1955, abgedruckt in WM 1955, 427. 59 Seit dem 22. Juli 2013: dem Kapitalanlagegesetzbuch. 60 Seit dem 22. Juli 2013: § 2 Abs. 2b. 61 Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 140. 62 So aber Schäfer/Hamann/Schäfer, § 2 Rn. 50 („phänomenologisch ein Kommissionsgeschäft“).
220 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung schäfte nicht als Dienstleistung für die Anteilsinhaber, sondern in Anwendung der jeweiligen Anlagerichtlinien tätigen.63 Das Betreiben der Finanzportfolioverwaltung setzt voraus, dass einzelne Vermögen verwaltet werden, was bei der kollektiven Vermögensverwaltung gerade nicht der Fall ist.64 Lediglich die nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 InvG65 neben der kollektiven Vermögensverwaltung zulässige individuelle Vermögensverwaltung ist als Finanzportfolioverwaltung im Sinne des § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WpHG zu qualifizieren;66 parallel dazu werden auch Anlageberatung und Wertpapierverwaltung von § 2 Abs. 3 WpHG erfasst, wenn diese gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 InvG67 angeboten werden.68 b) Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 WpHG Unabhängig von der Subsumtion der erbrachten Dienstleistungen unter § 2 Abs. 3 WpHG sind Kapitalanlagegesellschaften aber auch keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne des § 2 Abs. 4 WpHG. Denn dies sind nur Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätige Unternehmen. Seit der Verlagerung der für Kapitalanlagegesellschaften geltenden aufsichtsrechtlichen Vorschriften aus dem KWG in das InvG im Jahr 200769 stellt das Betreiben des Investmentgeschäfts jedoch kein Bankgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 KWG mehr da. Daher konnte im gleichen Zeitpunkt auch § 2a Abs. 1 Nr. 14 WpHG a. F., der Kapitalanlagegesellschaften und Investmentaktiengesellschaften von der Definition des § 2 Abs. 4 WpHG ausnahm, ersatzlos gestrichen werden.70 c) Entsprechende Geltung der Wohlverhaltenspflichten der §§ 31 ff. WpHG In Umsetzung der Vorgaben des Art. 6 Abs. 4 der OGAW-Richtlinie 2009/ 65/EG71 bestimmt § 5 Abs. 3 InvG, dass die §§ 31 bis 31b, 31d, 33 bis 34a WpHG entsprechende Anwendung finden, soweit eine Kapitalanlagegesellschaft Dienst- und Nebendienstleistungen im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1, 3 63 Assmann/Schneider/Assmann, 6. Aufl. 2012, § 2 Rn. 46; Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 81; Schwark/Zimmer/Kumpan, 4. Aufl. 2010, § 2 Rn. 64; KölnKommWpHG/Versteegen, 2007, § 2 Rn. 131. 64 Assmann/Schneider/Assmann, 6. Aufl. 2012, § 2 Rn. 102 und 105; Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 103; Schäfer/Hamann/Schäfer, § 2 Rn. 79; KölnKommWpHG/Versteegen, 2007, § 2 Rn. 150; a. A. Eßer WM 2008, 671, 675. 65 Seit dem 22. Juli 2013: § 20 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 KAGB. 66 Assmann/Schütze/Baur, 3. Aufl. 2007, § 20 Rn. 255. 67 Seit dem 22. Juli 2013: § 20 Abs. 2 Nr. 2 und 3, Abs. 3 Nr. 3 und 4 KAGB. 68 Schimansky/Bunte/Lwowski/Köndgen/Schmies, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 113 Rn. 44. 69 Dazu bereits S. 208. 70 BT-Drs. 16/5576 S. 102. 71 Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), ABl. L 302, S. 32.
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und 4 InvG erbringt.72 Im Übrigen finden die an die Eigenschaft als Wertpapierdienstleistungsunternehmen anknüpfenden Pflichten des WpHG also keine Anwendung.73
2. Anforderungen an Darlehensgeschäfte Das InvG lässt die Vergabe von Wertpapierdarlehen durch Kapitalanlagegesellschaften zwar grundsätzlich zu, reguliert aber im Interesse des Anlegerschutzes74 in den §§ 54 ff. InvG nicht nur den Umfang der Darlehensvergabe, sondern auch den aus aufsichtsrechtlicher Sicht erforderlichen Inhalt der Darlehensverträge.75 Zu beachten ist, dass Verstöße gegen die aufsichtsrechtlichen Vorgaben die zivilrechtliche Wirksamkeit der Darlehensverträge unberührt lassen.76 Die §§ 54 ff. InvG finden nicht nur auf die in den §§ 46 ff. InvG geregelten richtlinienkonformen Sondervermögen77 Anwendung, sondern aufgrund der Verweisungen in den §§ 66, 83 Abs. 1, 87 Abs. 1, 90 g, 90l Abs. 2, 114 InvG auch auf andere Fondstypen. Da gerade die von Investmentfonds gehaltenen Wertpapiere einen nicht unerheblichen Teil des Angebots auf dem Darlehensmarkt ausmachen, haben diese Vorgaben faktisch einen spürbaren Einfluss auf die in der Praxis übliche Vertragsgestaltung. Der Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen dient die Mantelvereinbarung für Finanzgeschäfte mit Kapitalanlagegesellschaften.78 Diese Mantelvereinbarung sieht vor, dass zusammen mit ihr die in einer Anlage genannten Rahmenvereinbarungen (insbesondere auch solche für Wertpapierdarlehen)79 abgeschlossen und diese in bestimmter Hinsicht angepasst werden.80 Nr. 7
72 Siehe dazu auch Berger/Steck/Lübbehüsen/Köndgen, 2010, § 5 InvG Rn. 13, seit dem 22. Juli 2013 findet sich eine Parallelregelung in § 5 Abs. 2 KAGB. 73 Anderes gilt insbesondere für die §§ 12 ff., 20a, 21 ff. WpHG, siehe auch Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 140; Berger/Steck/Lübbehüsen/Köndgen, 2010, § 5 InvG Rn. 12. 74 Assmann/Schütze/Baur, 3. Aufl. 2007, § 20 Rn. 341. Allgemein zum Anlegerschutz als Regelungszweck des Investmentrechts Schimansky/Bunte/Lwowski/Köndgen/Schmies, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 113 Rn. 35 ff. 75 Zu den Vorgängervorschriften in den §§ 9a ff. KAGG siehe etwa Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 122 ff.; Grimm, Das Vertragsrecht des Wertpapierdarlehens, 1996, S. 160 ff. – Mit Wirkung vom 22. Juli 2013 haben die §§ 200 ff. KAGB die §§ 54 ff. InvG ersetzt. Inhaltlich ergeben sich im Wesentlichen zwei Änderungen: Eine OGAW-Kapitalverwaltungsgesellschaft muss nun zwingend jederzeit zur Kündigung berechtigt sein, §§ 200 Abs. 1 S. 3, 202 S. 2. Zudem ergeben sich Änderungen bei den Vorgaben zur Sicherheitenbestellung, § 200 Abs. 2. 76 Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1183. 77 Zu Begriff und Bedeutung siehe nur Schimansky/Bunte/Lwowski/Köndgen/Schmies, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 113 Rn. 92b ff. 78 Dazu Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1185a. Abgedruckt und kommentiert ist die Mantelvereinbarung bei Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1209 und 7/1210. 79 Zu den gebräuchlichen Mustern siehe S. 22 ff. 80 Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1185b.
222 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung der Mantelvereinbarung enthält die für Wertpapierdarlehen geltenden Anpassungen und lehnt sich stark an den Gesetzestext der §§ 54, 55 InvG an. Für Spezial-Sondervermögen (Spezialfonds) kann nach Maßgabe des § 91 InvG von den Vorgaben der §§ 54 ff. InvG abgewichen werden. Spezial-Sondervermögen sind gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 InvG – in Abgrenzung zu Publikums-Sondervermögen – Sondervermögen, deren Anteile aufgrund schriftlicher Vereinbarungen mit der Kapitalanlagegesellschaft ausschließlich von Anlegern, die nicht natürliche Personen sind, gehalten werden. Sie zeichnen sich also durch eine Zugangsbeschränkung für Anleger aus,81 die mit einer weitgehenden Lockerung der Restriktionen des InvG einhergeht. Dementsprechend können Spezialfonds Beschränkungen für die Vergabe von Wertpapierdarlehen vorsehen, die von den §§ 54 ff. InvG abweichen, oder vollständig auf Beschränkungen verzichten.82 a) Beschränkungen für die Darlehensvergabe § 54 Abs. 1 InvG beschränkt die Darlehensvergabe durch Kapitalanlagegesellschaften in dreifacher Weise. Zunächst ist gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 InvG, der auch den Begriff „Wertpapier-Darlehen“ legaldefiniert, Voraussetzung, dass die Darlehensvergabe in den Vertragsbedingungen vorgesehen und der Kunde so über das damit eingegangene Risiko informiert ist. Daneben bestehen individuelle und auf das gesamte Sondervermögen bezogene Anlagegrenzen.83 So bestimmt § 54 Abs. 1 S. 2 InvG, dass einem Darlehensnehmer Wertpapierdarlehen nur insoweit gewährt werden dürfen, als der Kurswert der zu übertragenden Wertpapiere zusammen mit dem Kurswert der für Rechnung des Sondervermögens bereits an diesen Darlehensnehmer (und an konzernangehörige Unternehmen im Sinne des § 290 HGB) übertragenen Wertpapiere 10 % des Wertes des Sondervermögens nicht übersteigt. Mit dieser Regelung soll das Klumpenrisiko begrenzt werden.84 Zudem darf nach § 54 Abs. 1 S. 5 InvG der Kurswert der befristet übertragenen Wertpapiere insgesamt jeweils 15 % des Wertes des Sondervermögens nicht übersteigen, womit dem wegen der möglichen Verschlechterung der Solvenz des Darlehensnehmers erhöhten Risiko Rechnung getragen werden soll.85
81 Schimansky/Bunte/Lwowski/Köndgen/Schmies, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 113 Rn. 94. 82 Haisch/Helios/Böhringer/Funck, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 13 Rn. 240; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1185. 83 Patzner/Döser, 2012, § 54 InvG Rn. 2. 84 Haisch/Helios/Böhringer/Funck, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 13 Rn. 245. 85 Schimansky/Bunte/Lwowski/Köndgen/Schmies, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 113 Rn. 73; siehe auch Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 136.
§ 14 Grundlagen
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b) Vorgaben zur Vertragsbeendigung Die Vorgaben zur Vertragsbeendigung berücksichtigen ebenfalls das Risiko einer Solvenzverschlechterung des Darlehensnehmers.86 Werden Wertpapierdarlehen unbefristet abgeschlossen, muss die Kapitalanlagegesellschaft nach § 54 Abs. 1 S. 3 InvG jederzeit zur Kündigung berechtigt sein. Außerdem darf die Rückerstattungsfrist für den Darlehensnehmer nicht mehr als fünf Börsentage betragen. Bei befristeten Darlehensverträgen muss gemäß § 54 Abs. 1 S. 4 InvG die Rückerstattung spätestens nach 30 Tagen fällig sein. c) Vorgaben zur Sicherheitenbestellung Dem Schutz der Anleger dienen auch die ausführlichen Vorgaben zur Bestellung von Sicherheiten durch den Darlehensnehmer, die sich in den Absätzen 2 bis 4 des § 54 InvG finden.87 Insbesondere darf eine Kapitalanlagegesellschaft Wertpapiere nur dann darlehensweise übertragen, wenn sie sich vor der Übertragung oder Zug um Zug gegen Übertragung der Wertpapiere für Rechnung des Sondervermögens ausreichende Sicherheiten hat gewähren lassen, § 54 Abs. 2 S. 1 InvG. aa) Zulässige Sicherheiten Zu den zulässigen Sicherheiten zählen auf Euro oder diejenige Währung lautende Geldguthaben, in der die Anteile des Sondervermögens begeben wurden, Wertpapiere und Geldmarktinstrumente. Welche Wertpapiere als Sicherheiten geeignet sind, wird in § 54 Abs. 2 S. 6 und 7 InvG näher bestimmt. Insbesondere sind solche Wertpapiere unzulässig, die vom Darlehensnehmer oder von einem konzernangehörigen Unternehmen ausgestellt sind, es sei denn, es handelt sich um Pfandbriefe oder Kommunalschuldverschreibungen. § 54 Abs. 2 S. 2 InvG gestattet die Unterhaltung von als Sicherheit gewährten Guthaben bei der Depotbank oder mit ihrer Zustimmung auf Sperrkonten bei bestimmten anderen Kreditinstituten; alternativ ist auch die Anlage in Geldmarktinstrumente im Sinne des § 48 InvG in der Währung des Guthabens möglich.88 Die Erträge aus der Anlage der Sicherheiten stehen nach § 54 Abs. 2 S. 4 InvG dem Sondervermögen zu. bb) Umfang der Sicherheitsleistung Der erforderliche Umfang der Sicherheitsleistung wird von § 54 Abs. 3 InvG bestimmt. Die zentrale Vorgabe für die Vertragsgestaltung enthält 86 Dazu auch Schimansky/Bunte/Lwowski/Köndgen/Schmies, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 113 Rn. 73. 87 Haisch/Helios/Böhringer/Funck, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 13 Rn. 246 ff.; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 137 f. – Ausführlich zu § 54 Abs. 2 InvG Fragos ZBB 2005, 183, 184 ff. 88 Dies begründet zusätzliche Ertragsmöglichkeiten für das Sondervermögen, so Haisch/Helios/Böhringer/Funck, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 13 Rn. 248.
224 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung § 54 Abs. 3 S. 3 InvG, wonach die Sicherheitsleistung den Sicherungswert zuzüglich eines marktüblichen Aufschlags nicht unterschreiten darf.89 Neben dem Sicherungswert, der sich nach § 54 Abs. 3 S. 1 InvG aus dem Kurswert der darlehensweise übertragenen Wertpapiere und den zugehörigen Erträgen zusammensetzt, sind gemäß § 54 Abs. 3 S. 2 InvG auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Darlehensnehmers zu berücksichtigen. § 54 Abs. 3 S. 4 InvG sieht schließlich vor, dass die Kapitalanlagegesellschaft unverzüglich die Leistung weiterer Sicherheiten zu verlangen hat, wenn sich auf Grund einer börsentäglichen Ermittlung des Sicherungswertes und der erhaltenen Sicherheitsleistung oder einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Wertpapierdarlehensnehmers ergibt, dass die Sicherheiten nicht mehr ausreichen. Die Anzeigepflicht in § 54 Abs. 4 InvG gegenüber der BaFin ermöglicht dieser die Kontrolle, ob die Vorgaben des § 54 Abs. 3 InvG eingehalten werden. d) Weitere Vorgaben zum Inhalt von Darlehensverträgen § 55 InvG ergänzt die Anforderungen, die § 54 InvG an die Vertragsgestaltung stellt.90 Betroffen sind vor allem die Regelungen zur zivilrechtlichen Zuordnung der in den Wertpapieren verkörperten Rechte. So müssen Darlehensverträge die Verpflichtung des Darlehensnehmers begründen, die Erträge aus den darlehensweise übertragenen Wertpapieren bei Fälligkeit an die Depotbank für Rechnung des Sondervermögens zu zahlen (§ 55 Nr. 1 InvG). Spezifisch auf Aktiendarlehen zugeschnitten ist § 55 Nr. 2 InvG. Danach muss sich der Darlehensnehmer verpflichten, die Aktien der Kapitalanlagegesellschaft so rechtzeitig zurückzuerstatten, dass diese die Stimmrechte ausüben kann. Alternativ ist auch die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht möglich. Außerdem muss der Vertrag nach § 55 Nr. 3 InvG die Rechte der Kapitalanlagegesellschaft bei nicht rechtzeitiger Erfüllung der Verpflichtungen des Darlehensnehmers regeln. e) Organisierte Wertpapier-Darlehenssysteme Die Nutzung von organisierten Wertpapierdarlehenssystemen91 zur Vermittlung und Abwicklung von Darlehen unterliegt neben den in den §§ 54, 55 InvG enthaltenen Vorgaben keinen aufsichtsrechtlichen Beschränkungen. Unter den in § 56 InvG genannten Voraussetzungen kann jedoch von diesen Vorgaben, die in der Praxis nicht immer eingehalten werden können,92 abge89 Werden als Sicherheit Wertpapiere eingesetzt, besteht für den Darlehensgeber ein doppeltes Kursrisiko, dazu Haisch/Helios/Böhringer/Funck, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 13 Rn. 252. 90 Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 138. 91 Zu diesen siehe bereits S. 19 ff. 92 Dazu Schimansky/Bunte/Lwowski/Köndgen/Schmies, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl.
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wichen werden. Danach muss das Darlehenssystem von einer Wertpapiersammelbank oder von einem anderen Unternehmen organisiert sein, dessen Unternehmensgegenstand die Abwicklung von grenzüberschreitenden Effektengeschäften für andere ist und das in den Vertragsbedingungen genannt ist. Zudem muss durch die Bedingungen dieses Systems die Wahrung der Interessen der Anleger gewährleistet sein.93
B. Die Regulierung von Leerverkäufen Als Reaktion auf die Finanzkrise wurden Leerverkäufe seit dem Jahr 2008 auch in Deutschland94 einer aufsichtsrechtlichen Regulierung unterworfen. Dies geschah zunächst durch Allgemeinverfügungen der BaFin, bevor mit Wirkung vom 27. Juli 2010 in § 30h WpHG für bestimmte Wertpapiere ein Verbot ungedeckter Leerverkäufe und in § 30i WpHG Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für Inhaber von Netto-Leerverkaufspositionen eingeführt wurden. Seit dem 1. November 2012 ist maßgebliche Rechtsgrundlage die EU-Verordnung über Leerverkäufe 236/2012. Dementsprechend wurde § 30h WpHG auf bloße Zuständigkeits- und Verfahrensregeln beschränkt und § 30i WpHG gestrichen.95 Nachfolgend ist diese Entwicklung nachzuzeichnen und auf die Bedeutung dieser Normen für Aktiendarlehen einzugehen.
2011, § 113 Rn. 73; Patzner/Döser, 2012, § 56 InvG Rn. 1 mit Hinweis auf die Begrenzung des § 54 Abs. 1 S. 2 InvG. 93 Nach Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 163, erfüllt das Darlehenssystem der Clearstream Banking AG diese Vorgaben nicht, da dessen Bedingungen keine Regelung zur Stimmrechtsausübung träfen; a. A. Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 139 f. – § 56 InvG lässt eine Abweichung auch von den Anforderungen des § 55 InvG ausdrücklich zu. Die Begründung des Regierungsentwurfs des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes zu der Vorgängervorschrift in § 9d KAGG, die vor allem auf die Anwendung depotrechtlicher Vorschriften und die Art der Sicherheitenbestellung Bezug nimmt (BT-Drs. 12/ 6679 S. 81), macht deutlich, dass mit dem Anlegerschutz im Sinne des § 56 InvG vor allem der Schutz vor der Insolvenz des Darlehensnehmers gemeint sein dürfte. Der Bericht des Finanzausschusses (BT-Drs. 12/7918 S. 115 f.) nennt ausdrücklich das System des Deutschen Kassenvereins als Vorgänger des von der Clearstream Banking AG betriebenen Darlehenssystems. 94 Zur Situation in den USA siehe oben S. 65 ff. 95 Durch das Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps vom 6. November 2012, BGBl. I S. 2286. Dazu auch Zerey/Storck, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 13 Rn. 39.
226 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung
I. Allgemeinverfügungen der BaFin in den Jahren 2008–2010 1. Leerverkaufsverbote Die BaFin kann im Rahmen ihrer allgemeinen Missstandsaufsicht nach § 4 Abs. 1 S. 2 und 3 WpHG Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, Missstände zu beseitigen oder zu verhindern.96 Darauf gestützt erließ die BaFin, beginnend mit dem 19. September 2008, ein Reihe von Allgemeinverfügungen, die Leerverkaufsverbote enthielten.97 Bezweckt war, exzessive Preisbewegungen vor allem der von Banken und anderen Finanzdienstleistern emittierten Aktien zu verhindern, um die Stabilität des Finanzsystems nicht zu gefährden. Die Allgemeinverfügung vom 19. September 200898 betraf die Aktien von elf Unternehmen der Finanzbranche. Das Verbot griff ein, wenn der Verkäufer nicht Eigentümer entsprechender Aktien war oder zum Zeitpunkt des Abschlusses der Transaktion keinen schuldrechtlich oder sachenrechtlich unbedingt durchsetzbaren Anspruch auf Übereignung von Aktien gleicher Gattung hatte oder keinen schuldrechtlich oder sachenrechtlich unbedingt durchsetzbaren Anspruch hatte, der zur Übereignung von Aktien gleicher Gattung führte. Damit waren nur ungedeckte Leerverkäufe erfasst; der zumindest zeitgleiche Abschluss eines Aktiendarlehensvertrages war ausreichend.99 Zu den weiteren Ausnahmen von dem Verbot zählten insbesondere Geschäfte von institutionalisierten Liquiditätsprovidern wie Market Makers und Designated Sponsors, sowie Leerverkäufe, die zur Absicherung bereits bestehender Positionen dienten.100 Diese Allgemeinverfügung wurde mehrfach verlängert, lief aber schließlich am 31. Januar 2010 aus. Am 18. Mai 2010 erließ die BaFin zwei neue Allgemeinverfügungen, die ebenfalls ungedeckte Leerverkäufe in bestimmten Finanzaktien und Schuldtiteln von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union untersagten. Beide Verfügungen wurden mit Wirkung vom 27. Juli 2010 widerrufen. An diesem Tag trat mit dem sogleich zu behandelnden § 30h WpHG ein gesetzliches Leerverkaufsverbot in Kraft.
96
853.
Zur Kompetenz der BaFin, Allgemeinverfügungen zu erlassen, Walla, DÖV 2010,
97 Zu den Einzelheiten siehe auch Assmann/Schneider/Mülbert, 6. Aufl. 2012, Vor § 30h Rn. 2; Tyrolt/Bingel BB 2010, 1419, 1420 ff.; Zimmer/Beisken WM 2010, 485, 489 ff. 98 Abrufbar unter www.bafin.de. 99 Siehe Häufige Fragen zu den Leerverkaufsverboten, 23. September 2008, abrufbar unter www.bafin.de. 100 Mit der Allgemeinverfügung vom 21. September 2008 wurden auch Transaktionen, die der Erfüllung eines Festpreisgeschäfts dienten, von dem Leerverkaufsverbot ausgenommen.
§ 14 Grundlagen
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2. Offenlegung von Netto-Leerverkaufspositionen Die Allgemeinverfügung vom 4. März 2010, die bis 25. März 2012 und damit bis zum Inkrafttreten des § 30i WpHG Geltung hatte, begründete eine Mitteilungs- und Veröffentlichungspflicht für bestimmte Netto-Leerverkaufspositionen, die sich auf Aktien von zehn Unternehmen der Finanzbranche bezogen. Eine Netto-Leerverkaufsposition im Sinne der Allgemeinverfügung war dann gegeben, wenn eine Saldierung aller durch ihren jeweiligen Inhaber gehaltenen Finanzinstrumente ergab, dass sein ökonomisches Gesamtinteresse an den ausgegebenen Aktien des Unternehmens einer Leerverkaufsposition in Aktien entsprach.
II. §§ 30h, 30i WpHG a. F. Der am 27. Juli 2010 in Kraft getretene, durch das Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte101 in das WpHG eingefügte § 30h WpHG verbot in seiner ursprünglichen Fassung ungedeckte Leerverkäufe, die sich auf Aktien oder bestimmte Schuldtiteln bezogen, die an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen waren.102 Ein ungedeckter Leerverkauf lag nach der Definition in § 30h Abs. 1 S. 4 WpHG vor, wenn der Verkäufer am Ende des Tages, an welchem das jeweilige Geschäft abgeschlossen wurde, nicht Eigentümer sämtlicher verkauften Wertpapiere war und keinen schuldrechtlich oder sachenrechtlich unbedingt durchsetzbaren Anspruch auf Übereignung einer entsprechenden Anzahl von Wertpapieren gleicher Gattung hatte. § 30i WpHG sah in ähnlicher Weise wie die Allgemeinverfügung der BaFin vom 4. März 2010 Transparenzpflichten für Netto-Leerverkaufspositionen vor. Erfasst waren alle an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassenen Aktien. Gemäß § 30i Abs. 2 S. 1 WpHG lag eine solche dann vor, wenn eine Saldierung aller durch ihren Inhaber gehaltenen Finanzinstrumente ergab, dass sein ökonomisches Gesamtinteresse an den ausgegebenen Aktien des Unternehmens einer Leerverkaufsposition in Aktien entsprach. Zur Bestimmung des ökonomischen Gesamtinteresses waren danach alle auf die jeweiligen Aktien bezogenen Long- und Short-Positionen einzubeziehen und zu saldieren, was gedeckte und ungedeckte Leerverkäufe sowie alle Arten von Derivaten einschloss.103
101
Gesetz vom 21. Juli 2010, BGBl. I S. 945. Kritisch zur deutschen Regelung etwa Möllers/Christ/Harrer NZG 2010, 1167, 1169 f.; Spindler AG 2010, 601, 612 f. Siehe im Übrigen zu § 30h WpHG Mock WM 2010, 2248, 2250 f. 103 Mock WM 2010, 2248, 2254 f.; Assmann/Schneider/Mülbert, 6. Aufl. 2012, § 30i Rn. 7 ff. 102
228 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung
III. Leerverkaufsverordnung Die EU-Verordnung über Leerverkäufe 236/2012 vom 24. März 2012 trat am 1. November 2012 in Kraft.104 Sie enthält ein der nationalen Regelung in den §§ 30h, 30i WpHG a. F. weitgehend entsprechendes Regelungsregime. Bezweckt ist, die während der letzten Jahre in den verschiedenen Mitgliedsstaaten eingeführten Vorschriften zu vereinheitlichen.105 Art. 2 Abs. 1 lit. b) der Verordnung definiert Leerverkauf als einen Verkauf von Aktien oder Schuldinstrumenten, die sich zum Zeitpunkt des Eingehens der Verkaufsvereinbarung nicht im Eigentum des Verkäufers befinden, einschließlich eines Verkaufs, bei dem der Verkäufer zum Zeitpunkt des Eingehens der Verkaufsvereinbarung die Aktien oder Schuldinstrumente geliehen hat oder eine Vereinbarung getroffen hat, diese zu leihen, um sie bei der Abwicklung zu liefern. Der Klarstellung dienen drei in Art. 2 Abs. 1 lit. b) i) – iii) aufgeführte Ausnahmen. Dabei handelt es sich um den Verkauf im Rahmen einer Rückkaufvereinbarung, die Übertragung von Wertpapieren im Rahmen einer „Wertpapierleihe-Vereinbarung“ und Termin- oder Derivatekontrakte. Die Art. 5 ff. enthalten Meldepflichten für signifikante Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien und öffentlichen Schuldtiteln. Für Leerverkaufspositionen in Aktien sind die Rechtsfolgen je nach Ausmaß der Position abgestuft. Bei Berührung einer Schwelle von 0,2 % ist eine Meldung gegenüber der zuständigen Behörde abzugeben; bei der Berührung einer Schwelle von 0,5 % besteht eine Pflicht zur Veröffentlichung. Weitere Schwellen folgen jeweils in Intervallen von 0,1 Prozentpunkten. Nach Art. 3 Abs. 4 und 5 sind zur Ermittlung der Netto-Leerverkaufsposition sämtliche Short- und LongPositionen im selben Finanzinstrument zu saldieren. Eine Short-Position wird nach der weiten Definition des Art. 3 Abs. 1 nicht nur durch Leerverkäufe, sondern durch alle Transaktionen mit gleicher Wirkung begründet. Die Art. 12 f. enthalten schließlich ein Verbot ungedeckter Leerverkäufe von Aktien und öffentlichen Schuldtiteln.
IV. Bedeutung für Aktiendarlehen Alle hier angesprochenen Verbote richten sich nur gegen Leerverkäufe als solche, nicht gegen damit etwa verbundene Geschäfte.106 Die Leerverkaufsverordnung stellt dies in ihrem Art. 2 Abs. 1 lit. b) ii) ausdrücklich klar. Da im Übrigen nur ungedeckte Leerverkäufe unter die Verbote fallen, haben 104 Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, ABl. L 86 S. 1. – Zur Verordnung siehe etwa Bolder EuZW 2011, 769; Mülbert/Sajnovits ZBB 2012, 266; Zerey/Storck, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 13 Rn. 32 ff. 105 Siehe die Erwägungsgründe 1 und 2 der Verordnung. 106 So zu den Allgemeinverfügungen der BaFin Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 7.21.
§ 15 Die kapitalmarktrechtliche Zuordnung der Aktionärsrechte
229
diese für Aktiendarlehen bereits aus diesem Grund keine Relevanz. Auch aus den auf Netto-Leerverkaufspositionen bezogenen Transparenzregeln ergeben sich keine den Abschluss von Aktiendarlehen als solchen erfassende Pflichten. Im Übrigen erstrecken sich die Melde- und Veröffentlichungspflichten ausschließlich auf Netto-Positionen, aus denen sich unmittelbar keine Rückschlüsse über die einzelnen Transaktionen ziehen lassen. Nicht zu vernachlässigen ist allerdings, dass diese Transparenzregeln im Hinblick auf das Empty Voting durchaus einen abschreckenden Effekt haben können, da ein negatives wirtschaftliches Interesse auf diese Weise nicht mehr anonym durch risikoentleerte Stimmrechte ausgenutzt werden kann.107 Dies trifft freilich nicht auf alle Fälle des negativen Interesses zu, namentlich diejenigen, in denen keine Derivate oder Leerverkäufe eingesetzt werden, um das negative Interesse zu erzeugen, sondern andere Wirtschaftsgüter, deren Wert in einer bestimmten Weise mit dem Wert der Aktien der betroffenen Gesellschaft korreliert (related non-host assets in der Terminologie von Hu und Black).108 Dabei geht es vor allem um Übernahmekonstellationen, in denen sich die Aktienkurse von Bietergesellschaft und Zielgesellschaft in unterschiedliche Richtungen entwickeln können.109
§ 15 Die kapitalmarktrechtliche Zuordnung der Aktionärsrechte A. Die Beteiligungspublizität nach den §§ 21 ff. WpHG I. Überblick Der fünfte Abschnitt des WpHG mit den §§ 21 ff. betrifft die Mitteilung und Veröffentlichung von Veränderungen des Stimmrechtsanteils sowie deren Übermittlung an das Unternehmensregister. Das von diesen Normen bezweckte Ergebnis wird verbreitet mit dem Begriff der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenz beschrieben.110 Zentrale Vorschrift und Ausgangspunkt der Untersuchung, welche Meldepflichten die Parteien eines Aktiendarlehens treffen, ist § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG. Danach hat derjenige, der durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise die Stimmrechtsschwellen von 3, 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 oder 75 Prozent der Stimmrechte an einem Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, erreicht, überschreitet oder unterschreitet, dies unverzüglich dem Emittenten und gleichzeitig der BaFin mitzuteilen. Zu beachten sind dabei die Zurechnungsvorschriften des § 22 WpHG. 107
Clottens ECFR 2012, 446, 462 f.; Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 44 Fn. 18. Clottens ECFR 2012, 446, 463. 109 Dazu auch S. 73 ff. 110 Zu dieser Begriffsbildung siehe Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, Vor §§ 21 bis 30 Rn. 1. 108
230 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung Im Gegensatz zu der in den §§ 20, 21 AktG normierten aktienrechtlichen Beteiligungstransparenz, die an „Unternehmen“ adressiert ist,111 schränkt § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG den Kreis der Meldepflichtigen nicht ein. Einzige Voraussetzung ist insoweit in Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 1 lit. e) i. V. m. Art. 9 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie 2004/109/EG112 die Rechtsträgereigenschaft.113
1. Erfasste Aktionärsrechte Wie bereits angedeutet, ist die Frage nach der Zuordnung der Aktionärsrechte zu Darlehensgeber und Darlehensnehmer aus Sicht des Kapitalmarktrechts nur für die Stimmrechte zu stellen. a) Herkunftsstaatsprinzip § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG begrenzt den Anwendungsbereich der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenz darüber hinaus auf Stimmrechte „an einem Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist“. Dieser Begriff wird in § 2 Abs. 6 WpHG für das gesamte WpHG legaldefiniert, jedoch für seinen fünften Abschnitt in § 21 Abs. 2 WpHG weiter eingeschränkt. Die komplizierte Regelung des § 2 Abs. 6 WpHG erklärt sich damit, dass die Transparenzrichtlinie 2004/109/EG, auf der auch die §§ 21 ff. WpHG beruhen, in ihrem Art. 2 Abs. 1 lit. i) i. V. m. Art. 1 Abs. 1 die Umsetzung des Herkunftsstaatsprinzips vorgibt. Damit soll im Interesse von grenzüberschreitend tätigen Emittenten sichergestellt werden, dass nicht parallele Transparenzpflichten in mehreren Staaten eingehalten werden müssen.114 Für Aktienemittenten ist allein § 2 Abs. 6 Nr. 1 WpHG relevant. Danach muss einer von zwei Fällen gegeben sein. Erfasst sind zum einen Emittenten, die ihren Sitz im Inland haben und deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt im Inland oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder EWR-Vertragsstaat zugelassen sind. Zum anderen fallen auch solche Emittenten in den Anwendungsbereich der Vorschrift, die ihren Sitz in einem Drittstaat haben, wenn deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt im Inland oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder EWRVertragsstaat zugelassen sind. Zusätzliche Voraussetzung ist in diesem zweiten Fall allerdings, dass der jeweilige Emittent von dem in § 2b Abs. 1a WpHG vorgesehenen Wahlrecht Gebrauch gemacht und die Bundesrepublik Deutschland als Herkunftsstaat gewählt hat. 111
Zu den Mitteilungspflichten nach §§ 20, 21 AktG siehe noch unten S. 313 ff. Danach gelten die Mitteilungspflichten für „jede natürliche oder juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts“. 113 Dazu im Einzelnen Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 4 f. und 7 ff. 114 Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 152. 112
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b) Beschränkung auf Aktienemittenten § 21 Abs. 2 stellt zum einen – was sich bereits aus den Anforderungen des § 2 Abs. 6 WpHG ergibt – klar, dass die Beteiligungstransparenz nur Stimmrechte aus Aktien erfasst, die zum Handel an einem organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG zugelassen sind. Zum anderen grenzt er den Anwendungsbereich der §§ 21 ff. WpHG auf Aktienemittenten ein, so dass beispielsweise Aktiengesellschaften, die den (organisierten) Kapitalmarkt nur mit anderen Finanzinstrumenten als mit ihren Aktien in Anspruch nehmen, nicht erfasst werden.115 c) Zulassung der Aktien zum Handel an einem organisierten Markt Sowohl § 21 Abs. 2 WpHG als auch § 2 Abs. 6 WpHG verweisen damit auf die Definition des organisierten Markts in § 2 Abs. 5 WpHG. Danach ist ein organisierter Markt ein im Inland, in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder EWR-Vertragsstaat betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt. In Deutschland kann darunter ausschließlich der regulierte Markt im Sinne der §§ 32 ff. BörsG subsumiert werden, nicht jedoch der Freiverkehr im Sinne des § 48 BörsG.116
2. Der Stimmrechtsanteil a) Allgemeines Die Mitteilungspflichten nach den §§ 21 ff. WpHG sind, wie sich bereits aus den in Prozentzahlen ausgedrückten Meldeschwellen des § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG ergibt, auf Stimmrechtsanteile bezogen. Für die Berechnung des Stimmrechtsanteils eines Meldepflichtigen muss die Summe der von diesem unmittelbar gehaltenen und der ihm nach § 22 WpHG zurechenbaren Stimmrechte durch die Gesamtzahl der Stimmrechte geteilt werden, die in den wirksam ausgegebenen Aktien des Emittenten verkörpert sind.117 Die Bestimmung der Gesamtzahl der Stimmrechte kann grundsätzlich auf die letzte Veröffentlichung nach § 26a WpHG gestützt werden, was auch § 17 Abs. 5 WpAIV vorsieht. Gemäß § 26a WpHG haben alle Inlandsemittenten im Sinne der §§ 2 Abs. 7, 21 Abs. 2 WpHG die Gesamtzahl der Stimmrechte 115
Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 20. Dazu im Einzelnen Assmann/Schneider/Assmann, 6. Aufl. 2012, § 2 Rn. 161; Fuchs/ Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 149 ff.; Schwark/Zimmer/Kumpan, 4. Aufl. 2010, § 2 Rn. 120. 117 Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 21 Rn. 33; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 26. 116
232 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung am Ende eines jeden Kalendermonats, in dem es zu einer Zu- oder Abnahme von Stimmrechten gekommen ist, zu veröffentlichen und der BaFin mitzuteilen. b) Abstrakte Berechnung der Stimmrechte Sowohl bei der Berechnung der Gesamtzahl der Stimmrechte als auch bei der Bestimmung der vom jeweiligen Meldepflichtigen gehaltenen oder ihm zuzurechnenden Stimmrechte ergibt sich aus dem Gesetz nicht unmittelbar, ob Stimmrechte unberücksichtigt bleiben müssen, weil sie im konkreten Fall kraft Gesetzes118 nicht ausgeübt werden dürfen oder in der Person des Meldepflichtigen kraft Gesetzes nicht bestehen. Fälle des gesetzlich angeordneten Ausübungsverbots sind insbesondere der Erwerb eigener Aktien durch den Emittenten (§§ 71b, 71d Abs. 1 Satz 4 AktG) und das Bestehen von Interessenkonflikten im Zusammenhang mit Entlastungsbeschlüssen der Hauptversammlung (§ 136 AktG). Einen (vorübergehenden) Stimmrechtsverlust sehen § 28 WpHG (bei Verstoß gegen § 21 WpHG) und § 59 WpÜG (bei Verletzung von Pflichten nach § 35 WpÜG) vor. Für die von der herrschenden Meinung119 befürwortete abstrakte Berechnung der Stimmrechte im Rahmen der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungspublizität, also für die Einbeziehung auch der von Stimmrechtsausübungsverboten und Stimmrechtsverlusten betroffenen Stimmrechte, sprechen mehrere Argumente: Zunächst ordnet § 17 WpAIV, der den Inhalt der nach den §§ 21 ff. WpHG abzugebenden Mitteilungen regelt, in Abs. 1 Nr. 5 an, dass anzugeben ist die „Höhe des gehaltenen Stimmrechtsanteils in Bezug auf die Gesamtmenge der Stimmrechte des Emittenten, auch wenn die Ausübung dieser Stimmrechte ausgesetzt ist“. Mit dieser Norm wird Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 der Transparenzrichtlinie 2004/109/EG umgesetzt.120 Zudem bestimmt § 23 WpHG, dass von Wertpapierdienstleistungsunternehmen und anderen professionellen Kapitalmarktteilnehmern gehaltene Stimmrechte unter bestimmten Voraussetzungen bei der Berechnung des individuellen Stimmrechtsanteils unberücksichtigt bleiben. Für diese Fälle geht der Gesetzgeber typisierend davon aus, dass diese Marktteilnehmer weder die Absicht verfolgen, Einfluss auf den Emittenten auszuüben noch ein Eigeninteresse an den in den Aktien verkörperten Rechten aufweisen, und 118 Vertragliche Stimmrechtsverzichte oder -bindungen bleiben in jedem Fall unberücksichtigt, dazu Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 27. 119 MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 22 Anh. § 21 WpHG Rn. 18; Burgard BB 1995, 2069, 2070 f.; KölnKommWpHG/Hirte, 2007, § 21 Rn. 76; Assmann/Schneider/ Schneider, 6. Aufl. 2012, § 21 Rn. 35 ff.; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 27 und § 26a Rn. 6. – Teilweise a. A. etwa Fleischer/Körber BB 2001, 2589, 2593 f.; Schwark/Zimmer/Schwark, 4. Aufl. 2010, § 21 Rn. 14; Widder/Kocher AG 2007, 13, 13 f. 120 Dazu auch KölnKommWpHG/Hirte, 2007, § 21 Rn. 76; Schnabel/Korff ZBB 2007, 179, 180; Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 21 Rn. 35; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 26a Rn. 6.
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möchte vor allem eine Irreführung des Kapitalmarkts verhindern.121 Eine solche könnte eintreten, wenn professionelle Markteilnehmer Stimmrechtsmitteilungen abgeben müssten, die ein formelles, in Wirklichkeit aber nicht vorhandenes Einflusspotential zum Ausdruck bringen würden. Bei Berücksichtigung dieser ratio legis ist es naheliegend, § 23 WpHG als abschließende Regelung zur Nichtberücksichtigung von Stimmrechten im Rahmen der §§ 21 ff. WpHG zu verstehen.122 Im Unterschied dazu betreffen Stimmrechtsausübungsverbote und Stimmrechtsverluste, die möglicherweise nur vorübergehend bestehen, die Bedeutung des davon betroffenen Anteils für den Kapitalmarkt nicht in gleicher Weise.123 In diesen Fällen ist die vom Gesetzgeber zur Begründung des § 23 WpHG herangezogene typisierende Betrachtung mit dem Ergebnis, dass kein materieller Stimmrechtseinfluss besteht, nicht möglich, da die Gründe für die gesetzliche Anordnung und deren Dauer zu unterschiedlich sind. Schließlich führt eine abstrakte Berechnung des Stimmrechtsanteils zu einem Zugewinn an Rechtssicherheit.124 Dieser überwiegt auch den Nachteil der abstrakten Berechnungsweise, dass nämlich im Einzelfall die rechnerische Stimmrechtsmacht eines Meldepflichtigen von der tatsächlichen Stimmrechtsmacht abweicht.125
3. Die Zurechnung von Stimmrechten nach § 22 WpHG Würde die kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz lediglich die Stimmrechte erfassen, die in den Aktien verkörpert sind, die der Meldepflichtige unmittelbar hält, würde allenfalls in höchst unvollständiger Weise Transparenz über die Beteiligungsverhältnisse an einem Emittenten im Sinne der §§ 21 Abs. 2, 2 Abs. 6 WpHG geschaffen. Denn in einer Vielzahl von Fallkonstellationen können Dritte, ohne selbst Aktieneigentümer zu sein, aufgrund ihres Verhältnisses zu diesem faktisch oder rechtlich Einfluss auf die Stimmrechtsausübung nehmen. Um auch im Hinblick auf solche Einflussnahmemöglichkeiten Transparenz zu schaffen126 und gleichzeitig entsprechende Umgehungsgestaltungen127 zu verhindern, sieht § 22 WpHG vor, dass bei Erfüllung bestimmter Tatbestände dem Meldepflichtigen die von anderen Personen gehaltenen Stimmrechte zugerechnet werden. Diese werden damit im Ergebnis wie Stimmrechte aus dem Meldepflichtigen ge121
BT-Drs. 12/6679 S. 54, BT-Drs. 12/7918 S. 102, BT-Drs. 16/2498 S. 35 f. Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 27. 123 Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 27. 124 Dazu in übernahmerechtlichem Zusammenhang KölnKommWpÜG/v. Bülow, 2. Aufl. 2010, § 29 Rn. 142 und Rn. 73. 125 Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 26a Rn. 6. 126 BT-Drs. 12/6679 S. 35. 127 BT-Drs. 12/6679 S. 54 (zu § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 a. F. und § 22 Abs. 3 a. F.). Siehe auch Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 4. 122
234 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung hörenden Aktien behandelt.128 Aufgrund der Vielgestaltigkeit der möglichen faktischen oder rechtlichen Beziehungen zwischen Aktieneigentümer und Drittem und der sehr unterschiedlichen Intensität des möglichen Einflusses auf die Stimmrechtsausübung mussten die Zurechnungstatbestände des § 22 WpHG so ausgestaltet werden, dass bei ihrer Erfüllung jedenfalls die typisierende Annahme eines derartigen Einflusses gerechtfertigt erscheint.129 Nachfolgend wird vor allem zu prüfen sein, ob die vertragliche Beziehung zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer eine Zurechnung der von diesem gehaltenen Stimmrechte begründen kann.
II. Gemeinschaftsrechtlicher Hintergrund Die kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz beruht auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Ursprünglich setzten die §§ 21 ff. WpHG die inzwischen aufgehobene130 Transparenzrichtlinie 88/627/EWG vom 12. Dezember 1988 (Transparenzrichtlinie I)131 in deutsches Recht um. Die heute geltende Transparenzrichtlinie 2004/109/EG (Transparenzrichtlinie II)132 soll ausweislich ihrer Erwägungsgründe 1 und 2 sicherstellen, dass Emittenten, deren Wertpapiere an einem geregelten Markt zugelassen sind (Art. 1 Abs. 1), durch regelmäßige und laufende Information ein „angemessenes Maß“ an Transparenz für die Anleger gewährleisten. Der fünfte Abschnitt des WpHG setzt die Vorgaben des mit „laufende Informationen“ überschriebenen Kapitels III der Richtlinie (Art. 9 ff.) um. Die von der Transparenzrichtlinie II eingeführten „Aktualisierungen“133 betreffen unter anderem die Meldeschwellen. So zählen nun auch die Schwellen von 5, 15, 20 und 30 % zum gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Mindeststandard (Art. 9 Abs. 1 S. 1). Neben Änderungen bei den Zurechnungstatbeständen des Art. 10 wurden insbesondere auch in Art. 20, 21 die Vorgaben zur Publikation der vor-
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Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 22 Rn. 1. Dazu auch Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 22 Rn. 1. 130 Durch Art. 111 Abs. 1 der Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, berichtigte Fassung ABl. L 217 vom 11. August 2001 S. 18. 131 Richtlinie 88/627/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 12. Dezember 1988 über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen, ABl. L 348 vom 17. Dezember 1988 S. 62. 132 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. L 390 vom 31. Dezember 2004 S. 38. 133 Siehe Erwägungsgrund 38 der Richtlinie. 129
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geschriebenen Informationen im Sinne des Art. 2 Abs. 1 lit. k) neu gestaltet.134
III. Regelungszweck Sowohl der europäische als auch der deutsche Gesetzgeber haben die kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz mit ihrer Bedeutung für das Vertrauen der Anleger in die Kapitalmärkte und deren Funktionsfähigkeit begründet.135 So führt Erwägungsgrund 1 der Transparenzrichtlinie 2004/109/ EG aus, die rechtzeitige Bekanntgabe zuverlässiger und umfassender Informationen über Wertpapieremittenten stärke das Vertrauen der Anleger nachhaltig und ermögliche eine fundierte Beurteilung ihres Geschäftsergebnisses und ihrer Vermögenslage; dies erhöhe sowohl den Anlegerschutz als auch die Markteffizienz. Die deutschen Gesetzesverfasser wiesen darauf hin, dass die vorgeschriebene Beteiligungstransparenz den Anlegern ein genaueres Bild von den Beteiligungsverhältnissen vermitteln und ihnen dadurch die Entscheidungsfindung erleichtern solle.136 Erwähnung fanden auch der Schutz vor einem Missbrauch von Insiderinformationen durch eine möglichst umfassende Information der Handelsteilnehmer.137 Außerdem ermögliche es die kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz den Anlegern, bevorstehende Unternehmensübernahmen zu antizipieren.138
B. Die Meldepflichten des Darlehensnehmers gemäß §§ 21, 22 WpHG Ausgangspunkt der Untersuchung, welchen Meldepflichten Darlehensgeber und Darlehensnehmer unterliegen, ist die Feststellung, dass nach der Konzeption des deutschen Gesetzgebers im Rahmen des § 21 WpHG allein die im Eigentum des Meldepflichtigen stehenden Aktien zu berücksichtigen sind.139 Bloße Ansprüche auf Eigentumsverschaffung, gleich welchen Inhalts, können allenfalls nach § 25 oder § 25a WpHG eine Mitteilungspflicht begründen. Daraus folgt zunächst für die Meldepflichten des Darlehensneh134 Zu diesen und den weiteren Änderungen siehe auch Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, Vor §§ 21 bis 30 Rn. 6. 135 Dazu auch Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, Vor §§ 21 bis 30 Rn. 15 und 16. 136 BT-Drs. 12/6679 S. 35 und 52. 137 BT-Drs. 12/6679 S. 52. 138 BT-Drs. 14/7034 S. 70. 139 Dies ist insoweit unstreitig, siehe etwa KölnKommWpHG/v. Bülow, 2007, § 22 Rn. 91; KölnKommWpHG/Hirte, 2007, § 21 Rn. 106 ff.; Schäfer/Hamann/Opitz, § 21 WpHG Rn. 20; Schwark/Zimmer/Schwark, 4. Aufl. 2010, § 21 Rn. 17; Fuchs/Dehlinger/ Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 28. – Zur Vereinbarkeit dieser Konzeption mit europäischem Recht Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 29 f.
236 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung mers, dass dieser bei Berührung einer der dort genannten Schwellen mitteilungspflichtig ist, sobald und solange er aufgrund des Aktiendarlehens Eigentümer der Aktien ist.140 Da das Gesetz keine Mindesthaltedauer vorsieht, besteht die Meldepflicht auch bei sofortiger Weiterveräußerung.141 Ebenfalls ist es wegen der bereits angesprochenen abstrakten Bestimmung des Stimmrechtsanteils für die Meldepflicht des Darlehensnehmers irrelevant, ob dieser auch gesellschaftsrechtlich in der Lage ist, die Stimmrechte auszuüben.142 In dem Zeitraum zwischen Abschluss des Aktiendarlehensvertrags und der Übereignung der Aktien durch den Darlehensgeber bestehen dagegen keine Meldepflichten des Darlehensnehmers nach den §§ 21, 22 WpHG.143 Eine Zurechnung der noch vom Darlehensgeber gehaltenen Stimmrechte nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG scheidet aus. Denn nach zutreffender und inzwischen kaum noch bestrittener Auslegung erfasst dieser Zurechnungstatbestand ausschließlich solche Rechtspositionen, die es dem Meldepflichtigen ermöglichen, durch eine Willenserklärung (wie bei der Annahme eines vorbehaltlosen Übereignungsangebots) oder eine vergleichbare Handlung (wie die Zahlung des Restkaufpreises bei einem Eigentumsvorbehalt) den unmittelbaren Eigentumserwerb an den Aktien zu bewirken.144 Der bloße schuld140 MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 22 Anh. § 22 WpHG Rn. 21; Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 625; KölnKommWpHG/v. Bülow, 2007, § 22 Rn. 83; Burgard BB 1995, 2069, 2073; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 196; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, BankrechtsHandbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 41; Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 406; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.51; Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 Rn. 48; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 243; Petersen/Wille NZG 2009, 856, 858; Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1417; Assmann/Schneider/ Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 83; Schneider AG 1997, 81, 84; Schwark/Zimmer/ Schwark, 4. Aufl. 2010, § 22 Rn. 5; Steuer/Baur WM 1996, 1477, 1483; Geibel/Süßmann/ Süßmann, WpÜG, 2. Aufl. 2008, § 30 Rn. 14. - Zu der Frage, ob eine ggf. vorzunehmende Zurechnung zum Darlehensgeber gemäß § 22 WpHG die Meldepflicht des Darlehensnehmers entfallen lässt, siehe noch S. 247 f. 141 KölnKommWpHG/v. Bülow, 2007, § 22 Rn. 83; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 196; Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1420; Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 83; Schneider AG 1997, 81, 84; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 40; a. A. Steuer/Baur WM 1996, 1477, 1483 Fn. 69. 142 Spezifisch zum Aktiendarlehen auch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 626; allgemein zur abstrakten Berechnung oben S. 232 ff. 143 Unklar aber Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 83 (Meldepflicht „gegebenenfalls schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages, wenn ein gewisser Zeitraum zwischen dem Abschluss des Vertrages und der Übertragung der Aktien besteht“). 144 MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 22 Anh. § 22 WpHG Rn. 22; KölnKommWpHG/v. Bülow, 2007, § 22 Rn. 112 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 7.30; Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 58 ff.; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 264 ff.; Schnabel/Korff ZBB 2007, 179, 183; Schwark/Zimmer/ Schwark, 4. Aufl. 2010, § 22 Rn. 10; Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1377; Steuer/Baur WM 1996, 1477, 1480 f.; Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 109 (seit Änderung des § 25 WpHG und der Einfügung des § 25a WpHG durch das Anlegerschutz- und
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rechtliche, sich aus dem Aktiendarlehensvertrag ergebende Anspruch auf Übereignung stellt keine einseitige dinglichen Erwerbsmöglichkeit in diesem Sinne dar, da der Eigentumserwerb von einem Willensentschluss des Darlehensgebers abhängig ist. Für die geschilderte Ansicht spricht neben dem Wortlaut145 auch die systematische Auslegung: Schuldrechtliche Ansprüche auf Verschaffung des Aktieneigentums werden (allenfalls) von den §§ 25, 25a WpHG erfasst.146 Zudem ist der Regelungszweck des § 22 WpHG zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass bei Erfüllung eines Zurechnungstatbestandes – jedenfalls typisierend – darauf geschlossen werden kann, der Meldepflichtige habe Einfluss auf die Stimmrechtsausübung des Aktieneigentümers.147 Rein schuldrechtliche Übereignungsansprüche deuten jedoch noch weniger148 als einseitige dingliche Erwerbsrechte auf eine derartige Einflussnahmemöglichkeit hin.149 Schließlich hat auch der Gesetzgeber bereits mehrfach zu verstehen gegeben, dass eine restriktive Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 seiner Regelungskonzeption entspricht.150
C. Die Meldepflichten des Darlehensgebers gemäß §§ 21, 22 WpHG I. Ausgangspunkt Da im Rahmen von § 21 WpHG ausschließlich auf die dingliche Rechtslage abzustellen ist,151 ist der Darlehensgeber vor einer Übereignung der Aktien an den Darlehensnehmer ohne weiteres meldepflichtig, wenn er eine der Stimmrechtsschwellen berührt. Mit Wirksamwerden der Eigentumsübertragung sind die in den übereigneten Aktien verkörperten Stimmrechte bei der Berechnung des unmittelbar gehaltenen Stimmrechtsanteils des Darlehensgebers nicht mehr zu berücksichtigen. Aber selbst wenn die Anzahl der mit den Aktien übertragenen Stimmrechte so groß sein sollte, dass dadurch eigentlich eine Schwellenberührung erfolgte, bedeutet dies nicht zwingend, dass tatsächlich eine Meldung abgegeben werden muss. Wären nämlich die vom Darlehensnehmer gehaltenen Stimmrechte dem Darlehensgeber nach § 22 WpHG zuzurechnen, änderte sich nur die Verteilung der meldepflichFunktionsverbesserungsgesetz, dazu noch S. 256 f.); Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 22 Rn. 65 f. – Spezifisch zum Aktiendarlehen anders Burgard BB 1995, 2069, 2073 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.51; Schneider AG 1997, 81, 84. 145 Steuer/Baur WM 1996, 1477, 1478 und 1480. 146 So jetzt auch Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 109. 147 Dazu bereits S. 233. 148 Zur rechtspolitischen Kritik an § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG siehe nur Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 22 Rn. 64. 149 Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 22 Rn. 65. 150 BT-Drs. 16/2498 S. 37; BT-Drs. 14/7034 S. 54 151 Siehe soeben unter S. 235.
238 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung tigen Stimmrechte in unmittelbar gehaltene und nach § 22 WpHG zugerechnete. Der Stimmrechtsanteil insgesamt bliebe in diesem Fall unverändert. Ob derartige Beteiligungsumschichtungen meldeneutral sind, ist umstritten.152 Für die Pflicht, eine erneute Meldung abgeben zu müssen, scheint auf den ersten Blick § 17 Abs. 2 S. 1 WpAIV zu sprechen.153 Danach sind zuzurechnende Stimmrechte in den Mitteilungen nach § 21 Abs. 1 und 1a WpHG für jede der Nummern in § 22 Abs. 1 WpHG und für § 22 Abs. 2 S. 1 WpHG getrennt anzugeben. § 17 WpAIV beruht jedoch auf der Verordnungsermächtigung des § 21 Abs. 3 WpHG und regelt dementsprechend nur den Inhalt der Stimmrechtsmitteilung. Da dem Verordnungsgeber deshalb eine Modifikation des Tatbestands des § 21 Abs. 1 WpHG nicht zusteht, ist die Frage nach der Meldeneutralität von Beteiligungsumschichtungen allein aus dem gesetzlichen Tatbestand zu beantworten.154 Für die Meldeneutralität spricht vor allem der Wortlaut des § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG, der ausschließlich auf die Schwellenberührung abstellt, die bei einer Umschichtung aber gerade nicht gegeben ist.155 Auch lässt sich nicht einwenden, dass das Ausbleiben einer Mitteilung zu einer Irreführung des Kapitalmarkts führen kann. Denn auch sonst bietet eine Stimmrechtsmitteilung keine Grundlage für das Vertrauen, der Stimmrechtsanteil des Meldepflichtigen habe sich seit ihrer Abgabe nicht verändert.156 Gewisse Transparenzdefizite sind daher in der Systematik der §§ 21, 22 angelegt.157 Bloße Beteiligungsumschichtungen, die nicht zur Berührung einer Meldeschwelle führen, sind folglich meldeneutral. Damit ist für das Aktiendarlehen der Frage nachzugehen, ob vom Darlehensnehmer gehaltene Stimmrechte dem Darlehensgeber nach § 22 WpHG zuzurechnen sind.
152 Für Meldeneutralität LG München I ZIP 2004, 167, 169; KölnKommWpHG/v. Bülow, 2007, § 22 Rn. 37; Hildner, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002, S. 34 f.; KölnKommWpHG/Hirte, 2007, § 21 Rn. 71; Merkner/ Sustmann NZG 2010, 1170, 1171; Schnabel/Korff ZBB 2007, 179, 180 f.; Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 21 Rn. 76 und § 22 Rn. 85; Sudmeyer BB 2002, 685, 688 f. – Die Gegenansicht wird vertreten von Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 Rn. 99; KölnKommAktG/Koppensteiner, 3. Aufl. 2004, § 22 Anh. §§ 21 ff. WpHG Rn. 22. 153 Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 21 Rn. 76. 154 Zu diesem Argument auch Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 41. 155 Zutreffend Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 21 Rn. 76. 156 Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 21 Rn. 76. 157 Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 41.
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II. Die Zurechnung der Stimmrechte des Darlehensnehmers 1. Meinungsstand a) Rechtsprechung Der BGH hatte im Jahr 2009 Gelegenheit, zu dieser Frage Stellung zu nehmen und ging dabei ausschließlich auf § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG ein.158 Eine Zurechnung nach diesem Tatbestand komme nur in Betracht, wenn der Darlehensgeber nach der vertraglichen Regelung auf die Stimmrechtsausübung des Darlehensnehmers Einfluss nehmen könne. Die §§ 22, 28 WpHG stellten die Stimmrechte in den Vordergrund; nur im Fall eines mittelbaren Stimmrechts des seine Meldepflicht versäumenden Darlehensgebers erscheine die Sanktion eines unmittelbar den Darlehensnehmer treffenden Rechtsverlustes gerechtfertigt. b) Verwaltungspraxis der BaFin Die BaFin unterscheidet in ihrer Verwaltungspraxis bislang zwischen der „einfachen Wertpapierleihe“ und der „Ketten-Wertpapierleihe“.159 Eine einfache Wertpapierleihe ist bei diesem Verständnis gegebenen, wenn eine Weiterübertragung der Aktien durch den Darlehensnehmer nicht beabsichtigt oder erlaubt ist. In diesem Fall halte der Darlehensnehmer die Aktien für Rechnung des Darlehensgebers, weil denkbar sei, dass der Darlehensgeber auf die Ausübung der Stimmrechte Einfluss nehmen könne. Somit erfolge eine Zurechnung der Stimmrechte nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG. Der Darlehensgeber sei dann nicht meldepflichtig, da es sich nur um eine Beteiligungsumschichtung handele. Die Ketten-Wertpapierleihe zeichne sich demgegenüber dadurch aus, dass die Aktien durch den Darlehensnehmer an Dritte weiterübertragen würden. Grundsätzlich halte der Darlehensnehmer auch in diesem Fall die Stimmrechte für Rechnung des Darlehensgebers; die Zurechnung entfalle erst mit dem tatsächlichen Eigentumserwerb durch den Dritten. Dies sei jedoch unpraktikabel, da der Darlehensgeber laufend beim Darlehensnehmer nachfragen müsse, ob dieser die Aktien schon weiterübertragen habe. Daher sei davon ausgehen, dass bereits im Zeitpunkt der Übereignung der Aktien an den Darlehensnehmer keine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG vorzunehmen sei. Als Folge davon habe der Darlehensgeber unabhängig von der tatsächlichen Weiterübertragung der Aktien bereits bei Verlust seines Eigentums gegebenenfalls eine Schwellenunterschreitung mitzuteilen.
158
BGHZ 180, 154, 168 f. = NJW-RR 2009, 828, 832. Dazu und zum Folgenden Emittentenleitfaden der BaFin, 2009, abrufbar unter www.bafin.de, VIII.2.5.2.2. 159
240 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung c) Literatur Sowohl der BGH als auch die BaFin gehen also davon aus, dass eine Zurechnung der Stimmrechte des Darlehensnehmers zum Darlehensgeber nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG vorzunehmen ist, wenn der Darlehensgeber auf die Stimmrechtsausübung Einfluss nimmt. Während jedoch der BGH eine konkrete vertragliche Regelung voraussetzt, lässt die BaFin für Zurechnung die abstrakte Vermutung genügen, der Darlehensgeber könne entsprechenden Einfluss ausüben.160 Im Schrifttum sind die Meinungen ebenfalls geteilt. Nach der wohl herrschenden Ansicht muss – in Übereinstimmung mit dem BGH – eine Zurechnung unterbleiben, wenn das Aktiendarlehen so ausgestaltet ist, dass der Darlehensnehmer die Stimmrechte aus den Aktien selbständig und ohne Interessenbindung gegenüber dem Darlehensgeber ausüben darf, während eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG ausnahmsweise dann stattfindet, wenn der Darlehensgeber aufgrund der vertraglichen Regelung Einfluss auf die Stimmrechtsausübung nehmen kann.161 Auch eine abstrakte Vermutung des Stimmrechtseinflusses wird für solche Fälle befürwortet, in denen eine Weiterveräußerung nicht beabsichtigt ist („einfache Wertpapierleihe“ in der Terminologie der BaFin).162 Insbesondere von Kümpel wird dagegen die Auffassung vertreten, die vom Darlehensnehmer gehaltenen Stimmrechte seien dem Darlehensgeber ohne weiteres nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG zuzurechnen; im Fall der Weiterveräußerung durch den Darlehensnehmer habe eine Zurechnung zum Darlehensgeber nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 zu erfolgen.163 Daneben finden sich auch Stimmen, die vor allem auf die Verteilung des wirtschaftlichen Risikos abstellen und wegen der üblichen zivilrechtlichen Zuweisung der in den Aktien verkörperten Vermögensrechte zum Darlehensgeber164 den Zurechnungstatbe-
160 So auch Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 41. 161 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 629 ff.; KölnKommWpHG/v. Bülow, 2007, § 22 Rn. 84; Cahn/Ostler AG 2008, 221, 234 f.; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 148; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 7.29; Merkner/Sustmann NZG 2010, 1170, 1171; Meyer/Kiesewetter WM 2009, 340, 348; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/ 1169c; Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 Rn. 48; Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1422; Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 85; Schwark/Zimmer/ Schwark, 4. Aufl. 2010, § 22 Rn. 5; Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1376 f.; Steinmeyer/ Häger/Steinmeyer, WpÜG, 2. Aufl. 2007, § 30 Rn. 34, 36; Geibel/Süßmann/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl. 2008, § 30 Rn. 14; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 22 Rn. 56. 162 Für den Ansatz der BaFin sprechen sich beispielweise aus Kumpan/Mittermeier ZIP 2009, 404, 406; Merkner/Sustmann NZG 2009, 813, 816 f.; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 255 f.; kritisch Geibel/Süßmann/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl. 2008, § 30 Rn. 15. 163 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.51. 164 Dazu oben S. 187 ff.
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stand des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG als erfüllt ansehen.165 Unterschiedlich beurteilt wird schließlich auch die Verwaltungspraxis der BaFin, wonach bei der „Ketten-Wertpapierleihe“ von Anfang an keine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG erfolge, also auch für den Zeitraum vor einer Weiterübertragung der Aktien durch den Darlehensnehmer an einen Dritten.166
2. Die Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a) Wirtschaftliche Zuordnung der Aktien zum Meldepflichtigen Nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG sind dem Meldepflichtigen Stimmrechte zuzurechnen, die einem Dritten gehören und von ihm für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten werden. Der Zurechnungstatbestand weist zwei Tatbestandsmerkmale auf, nämlich die Eigentümerstellung des Dritten und das Halten „für Rechnung“ des Meldepflichtigen. Bei einer Anwendung auf das Aktiendarlehen ist also entscheidend, ob der Darlehensnehmer die ihm aufgrund des Darlehensvertrages übereigneten Aktien für Rechnung des Darlehensgebers hält. Eine Legaldefinition des Handelns für fremde Rechnung enthält das WpHG nicht. Jedoch kann bei der Auslegung auf eine Vielzahl von Normen zurückgegriffen werden, die dieses Tatbestandsmerkmal ebenfalls enthalten.167 Als gemeinsamer Kern lässt sich aus diesen Vorschriften ableiten, dass es ein Charakteristikum dieses Tatbestandsmerkmals ist, dass das Handeln der im Außenverhältnis (in der Regel im eigenen Namen) auftretenden Person bestimmungsgemäß demjenigen zugute kommt oder wirtschaftlich zuzurechnen ist, für dessen Rechnung gehandelt wird.168 Rechtliche und wirtschaftliche Zuordnung fallen also auseinander.169 Typische Fälle des Handelns für fremde Rechnung sind damit die Verwaltungstreuhand und das Kommissionsgeschäft (§§ 383 ff. HGB, § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG, § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 WpHG). Voraussetzung für eine Zurechnung ist also, dass das Aktieneigentum wirtschaftlich dem Meldepflichtigen zugeordnet ist, d. h., dass dieser die mit dem Halten der Aktien verbundenen Chancen und Risiken trägt.170 165 So Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 627 f.; MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 22 Anh. § 22 WpHG Rn. 21; Burgard BB 1995, 2069, 2073 f. 166 Zustimmend etwa auch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 631; Meyer/Kiesewetter WM 2009, 340, 348; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 256 f.; ablehnend dagegen Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 89. 167 Siehe etwa § 16 Abs. 2 S. 3 und Abs. 4 AktG, § 290 Abs. 3 S. 1 HGB, § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4, Abs. 1a S. 2 Nr. 2 KWG, § 2 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 WpHG § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB. Weitere Beispiele bei Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002, S. 199. Allgemein dazu Vedder, Zum Begriff „für Rechnung“ im AktG und im WpHG, 1999. 168 Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 22 Rn. 46. 169 Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 52. 170 OLG München NZG 2009, 1386, 1388; Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 627; MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 22 Anh. § 22 WpHG Rn. 17; KölnKommWpHG/v. Bülow, 2007, § 22 Rn. 65; Fleischer/Schmolke ZIP 2008, 1501, 1502; Fleischer/
242 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung Wie bereits gezeigt, werden bei typischer Vertragsgestaltung die in den Aktien verkörperten Vermögensrechte schuldrechtlich dem Darlehensgeber zugewiesen. Dennoch wird vor allem von Sieger und Hasselbach die Auffassung vertreten, dass die sich aus dem Halten der Aktien ergebenden Chancen und Risiken dem Darlehensnehmer zugewiesen seien, so dass eine Zurechnung zum Darlehensgeber ausscheiden müsse.171 Sie wollen dies daraus ableiten, dass die bei einem etwaigen Verkauf der Aktien durch den Darlehensnehmer erzielten Gewinne weder an den Darlehensgeber abzuführen seien noch hierbei erlittene Verluste durch den Darlehensgeber ausgeglichen würden; die wirtschaftlichen Folgen einer Verfügung über die Aktien träten daher stets beim Darlehensnehmer ein.172 Umgekehrt sei das vom Darlehensgeber zu tragende Risiko einer Differenz zwischen dem Börsenkurs der Aktien zu Beginn und Ende der Laufzeit des Darlehens unerheblich.173 Denn dieses Kursrisiko ergebe sich nicht aus dem Halten der Aktien durch den Darlehensnehmer, sondern sei lediglich die Folge des zeitlich hinausgeschobenen darlehensvertraglichen Rückerstattungsanspruchs.174 Es sei identisch mit dem Risiko, das bestehe, wenn Aktien verkauft und auf Termin zurückgekauft würden. Dem ist nicht zu folgen. Die Feststellung, das Kursrisiko sei nur die Konsequenz aus der vertraglichen Gestaltung und unterscheide sich insoweit nicht von anderen Fällen, in denen ein Vermögenswert weggegeben und dafür ein hinsichtlich der Erfüllung hinausgeschobener Anspruch erworben werde,175 ist zwar zutreffend. Nach Rückerstattung der Aktien durch den Darlehensnehmer steht der Darlehensgeber aber wirtschaftlich so, wie er stehen würde, wenn er diese nicht darlehensweise übertragen hätte.176 Selbst wenn man dieses Kursrisiko nicht als ein für das Halten von Aktien typisches Risiko qualifizieren wollte, ist festzustellen, dass jedenfalls für den Darlehensnehmer nichts anderes gilt. Denn die Gewinnchancen und Verlustrisiken, die dieser zu tragen hat, entsprechen ebenfalls nicht dem typischen Risiko eines Aktionärs, das mit dem Halten der Aktien verbunden ist. Stattdessen treten die von Sieger und Hasselbach angesprochenen wirtschaftlichen Folgen nur dann ein, wenn der Darlehensnehmer zwei weitere Bedkowski DStR 2010, 933, 934; Habersack AG 2008, 817, 818; Noack/Zetzsche, in: FS Schwark, 2009, S. 567, 575; Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 Rn. 30; Assmann/Schneider/ Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 55; Schwark/Zimmer/Schwark, 4. Aufl. 2010, § 22 Rn. 4; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 22 Rn. 48. 171 Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1376 f. und (zum Halten für Rechnung im Sinne des § 16 Abs. 4 AktG) 1373 ff.; zustimmend Spindler/Stilz/Schall, 2. Aufl. 2010, § 16 Rn. 22. – A. A. Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 627 (zur Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG). 172 Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1373. 173 Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1374 f. 174 Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1375. 175 So Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1375. 176 Mit diesem Argument Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 627 f.
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Geschäfte tätigt, nämlich einen Leerverkauf und einen späteren Deckungskauf.177 Abgesehen davon, dass dies nicht der einzige denkbare Einsatzzweck von Aktiendarlehen ist, profitiert der Darlehensnehmer bei einem Leerverkauf von während des Zeitraums zwischen Verkauf und Deckungskaufs gefallenen Kursen, während ihm bei gestiegenen Kursen ein Verlust entsteht. Demgegenüber sind dem Darlehensgeber bei der üblichen Vertragsgestaltung insbesondere die Ansprüche auf Dividenden und Bezugsrechte schuldrechtlich zugewiesen, so dass er auch insoweit die mit dem Aktieneigentum verbundenen Chancen und Risiken trägt.178 Vergleicht man auf dieser Grundlage die Stellung der beiden Parteien, wird deutlich, dass allein der Darlehensgeber als wirtschaftlicher Eigentümer zu betrachten ist.179 b) Stimmrechtseinfluss des Meldepflichtigen Zusätzlich ist jedoch auch der spezifische Zweck der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenz und der Zurechnungsnorm des § 22 WpHG zu beachten. Bei Bejahung eines Zurechnungstatbestands muss deshalb zumindest bei typisierender Betrachtung ein Stimmrechtseinfluss des Meldepflichtigen gegeben sein.180 Daraus folgt für § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG eine restriktive Auslegung des Tatbestandsmerkmals für fremde Rechnung: Die Stimmrechte des Aktieneigentümers können nur dann zugerechnet werden, wenn – über die wirtschaftliche Zuordnung der Aktien hinausgehend – die Interessen des Meldepflichtigen bei der Stimmrechtsausübung Berücksichtigung finden.181 Unstreitig ist insoweit, dass ein Weisungsrecht des Meldepflichtigen oder eine sonstige vertragliche Pflicht des Aktionärs, im Interesse des Meldepflichtigen abzustimmen, genügt.182 Nach der hier vertretenen Auffassung 177 Zur Finanzierung von Leerverkäufen als Einsatzzweck von Aktiendarlehen siehe S. 38 ff. 178 Dies gestehen auch Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1374, zu, bezeichnen diese Risiken aber als nicht wesentlich. 179 So auch Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 197 f. 180 Dazu bereits S. 233. 181 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 628; KölnKommWpHG/v. Bülow, 2007, § 22 Rn. 66; Noack/Zetzsche, in: FS Schwark, 2009, S. 567, 575 ff.; Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 59; Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1422; Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002, S. 199 ff.; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 22 Rn. 49. 182 Auch ein faktischer Einfluss auf die Stimmrechtsausübung genügt nach zutreffender Ansicht, so etwa KölnKommWpHG/v. Bülow, 2007, § 22 Rn. 66; Noack/Zetzsche, in: FS Schwark, 2009, S. 567, 576 f.; Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 Rn. 30; Assmann/Schneider/ Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 55, 57, 59; Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1422; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 22 Rn. 49. Nach Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 629 f. begründet auch eine Pflicht zur Rückgewähr der Aktien vor der nächsten Hauptversammlung die Zurechnung; dagegen Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1422. – Der BGH scheint in seinem Urteil zum Wertpapierdarlehen die Zurechnung auf Fälle eines vertraglich gesicherten Stimmrechtseinflusses beschränken zu wollen, BGHZ 180, 154, 169 = NJW-RR 2009, 828, 832, mit diesem Verständnis des Ur-
244 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung trifft den Darlehensnehmer eine vertragliche Pflicht, jede nicht mit dem Darlehensgeber abgestimmte Stimmrechtsausübung zu unterlassen.183 Damit ist der für eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG erforderliche Stimmrechtseinfluss des Darlehensgebers zu bejahen.184 Solange also der Darlehensnehmer Eigentümer der darlehensweise übertragenen Aktien ist, besteht keine Meldepflicht des Darlehensgebers nach § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG, da für ihn nur eine meldeneutrale Beteiligungsumschichtung vorliegt. c) Weiterübertragung der Aktien durch den Darlehensnehmer aa) Zurechnung bei Kettendarlehen Nicht überzeugen kann die von der BaFin vertretene Ansicht, bei der von ihr so genannten „Ketten-Wertpapierleihe“ habe eine Zurechnung zum Darlehensgeber zu unterbleiben, und zwar unabhängig davon, ob der Darlehensnehmer die Aktien bereits weiterübertragen habe oder sie noch selbst halte. Zunächst ist in terminologischer Hinsicht festzuhalten, dass von einem Kettendarlehen im eigentlichen Sinne nur gesprochen werden sollte, wenn mindestens zwei Aktiendarlehensverträge hintereinander geschaltet sind. Die Weiterübertragung der Aktien durch den Darlehensnehmer an einen Dritten kann jedoch sowohl auf einem mit diesem geschlossenen Darlehensvertrag beruhen als auch einen anderen Rechtsgrund haben. Praxisrelevant ist vor allem der Abschluss eines Kaufvertrages, zu dem es immer dann kommt, wenn das Aktiendarlehen eingesetzt wird, um einen Leerverkauf zu finanzieren.185 In diesem Fall endet die Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG mit der Übereignung der Aktien an den Dritten. Eine Kettenzurechnung scheidet aus, da der Dritte aufgrund des Kaufvertrages keinem durch den Leerverkäufer/Darlehensnehmer ausgeübten Stimmrechtseinfluss ausgesetzt ist. Etwas anderes gilt jedoch, wenn zwei Darlehensverträge hintereinander geschaltet sind. Nimmt man an, dass ein Aktiendarlehensvertrag eine Unterlassungspflicht des Darlehensnehmers begründet, trifft eine entsprechende schuldrechtliche Pflicht auch den Darlehensnehmer des „zweiten“ Darlehensvertrages. Die von diesem gehaltenen Stimmrechte sind somit dem Darlehensgeber des „zweiten“ Vertrages nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG teils auch Petersen/Wille NZG 2009, 856, 858. Die Aussage des BGH erklärt sich aber wohl damit, dass sie sich ausschließlich auf Wertpapierdarlehen bezog, bei denen ein faktischer Stimmrechtseinfluss kaum jemals gegeben sein dürfte. 183 Ausführlich dazu S. 194 ff. 184 So vor allem auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.51. – Noack/Zetzsche, in: FS Schwark, 2009, S. 567, 577 f., weisen zutreffend darauf hin, dass bereits Pflichten zur Rücksichtnahme und Interessenwahrung zurechnungsbegründend sind. Darüber hinaus wollen sie auch bei einem „Ausschalten“ von Stimmrechten eine Zurechnung bejahen. 185 Zur Finanzierung von Leerverkäufen durch Aktiendarlehen siehe oben S. 38 ff.
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zuzurechnen. In derartigen Konstellationen, die sich durch die Kopplung mehrerer Zurechnungssachverhalte mit einer Person als Bindeglied auszeichnen, ist zu erörtern, ob die Stimmrechte nicht nur dieser Person, sondern im Wege der Kettenzurechnung auch den weiteren Beteiligten (im hier interessierenden Fall: dem „ersten“ Darlehensgeber) zugerechnet werden.186 Abgesehen von § 22 Abs. 1 S. 2 und 3 WpHG sowie § 22 Abs. 2 S. 3 WpHG ist eine Kettenzurechnung nicht ausdrücklich geregelt.187 Unter Berücksichtigung der ratio des § 22 WpHG ist eine Kettenzurechnung jedoch auch in anderen Fällen geboten, wenn der Meldepflichtige über den „Zurechnungsmittler“188 einen (mittelbaren) Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte hat, was insbesondere bei der Kettentreuhand anzunehmen ist.189 Demzufolge ist auch bei einem Kettendarlehen eine Zurechnung der Stimmrechte zum „ersten“ Darlehensgeber geboten. Da bei Abschluss des „ersten“ Aktiendarlehens aber noch nicht feststeht, wie die Rechtsnatur einer gegebenenfalls einzugehenden vertraglichen Beziehung des Darlehensnehmer mit einem Dritten beschaffen sein wird, ist eine pauschale Nichtzurechnung der (noch) vom Darlehensnehmer gehaltenen Stimmrechte nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG, wie sie die BaFin befürwortet, bereits aus diesem Grund verfehlt. bb) Auf die Beteiligungstransparenz bezogene Informationspflichten des Darlehensnehmers Auch das weitere Argument, der Darlehensgeber habe keinen Einblick, ob und wann der Darlehensnehmer die Aktien weiterübertrage,190 kann nicht überzeugen. Denn auch bei Verwirklichung anderer Zurechnungstatbestände hat der Meldepflichtige nicht zwingend sofortige, aus eigener Wahrnehmung gewonnene Kenntnis von der Stimmanteilsveränderung. Dies ist vor allem bei der Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG (Aktien, die einem Tochterunternehmen des Meldepflichtigen gehören) und § 22 Abs. 2 WpHG (abgestimmtes Verhalten) der Fall.191 Dennoch beginnt gemäß § 21 Abs. 1 S. 3 WpHG die in § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG festgelegte Meldefrist von höchs186 Allgemein dazu MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 22 Anh. § 22 WpHG Rn. 6 ff.; Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 18; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 22 Rn. 13. 187 MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 22 Anh. § 22 WpHG Rn. 7; Assmann/ Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 19. 188 So die zutreffende Formulierung von MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 22 Anh. § 22 WpHG Rn. 8. 189 So auch MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 22 Anh. § 22 WpHG Rn. 8 f.; Burgard BB 1995, 2069, 2077; Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 21 f.; Schwark/Zimmer/Schwark, 4. Aufl. 2010, § 22 Rn. 45; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 22 Rn. 15. A. A. KölnKommWpHG/v. Bülow, 2007, § 22 Rn. 34; Lange ZBB 2004, 22, 25. 190 Mit diesem Argument auch Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1377. 191 Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 22 Rn. 19.
246 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung tens vier Handelstagen mit dem Zeitpunkt, zu dem der Meldepflichtige Kenntnis davon hat oder nach den Umständen haben musste, dass sein Stimmrechtsanteil eine Meldeschwelle berührt. Das Gesetz legt damit dem Meldepflichtigen gewisse Sorgfaltsanforderungen auf, die über das hinausgehen, was von einem mit seinem Anteilsbesitz unterhalb der Eingangsmeldeschwelle liegenden Aktionär erwartet würde.192 Dies bedeutet weiter, dass sich der Meldepflichtige bei Vorliegen eines Zurechnungstatbestands auch darüber informieren muss, ob sich durch das Verhalten des Aktionärs (z. B. einen Zuerwerb durch ein Tochterunternehmen) Veränderungen für den zuzurechnenden Stimmrechtsanteil ergeben.193 Eine korrespondierende Informationspflicht des Aktionärs mit dem Inhalt, dem Meldepflichtigen alle Anteilsveränderung zu offenbaren, die für diesen nicht offensichtlich unerheblich sind, ergibt sich für das Aktiendarlehen als Nebenpflicht aus dem Darlehensvertrag selbst.194 cc) Ergebnis Die Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG endet somit erst dann, wenn der Darlehensnehmer die Aktien an einen Dritten aufgrund eines Kaufvertrags übereignet. In diesem Fall ist der Darlehensnehmer vertraglich verpflichtet, den Darlehensgeber über diesen Vorgang zu informieren. Schließt sich dagegen ein weiterer Darlehensvertrag mit dem Dritten an, kommt es zu einer Kettenzurechnung. Am Stimmrechtsanteil des ursprünglichen Darlehensgebers ändert sich durch diese Transaktion nichts. Diese Lösung bedeutet auch, dass der Darlehensgeber seinen Stimmrechtsanteil nicht dadurch verringern und auf diese Weise die Pflicht, einen höheren Stimmrechtsanteil zu melden, umgehen kann, indem er Aktien im Einvernehmen mit dem Darlehensnehmer bei diesem „parkt“.195 Die Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG bewirkt auch in diesem Fall des soft parking,196 dass Transparenz über den Stimmrechtseinfluss des Darlehensgebers besteht.
192
Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 82. Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 24 spricht von einer Informationsverschaffungspflicht; a. A. KölnKommWpHG/v. Bülow, 2007, § 22 Rn. 38. 194 Ähnlich Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 89. Allgemein zu Informationspflichten des Aktionärs gegenüber dem Meldepflichtigen Assmann/Schneider/ Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 25 ff.; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 22 Rn. 20 f. – Die Informationspflicht umfasst auch den Rückkauf von Aktien am Markt zur Erfüllung des Rückerstattungsanspruchs, so auch Geibel/Süßmann/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl. 2008, § 30 Rn. 15 (allerdings als Argument gegen eine Zurechnung). 195 Für Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG in diesem Fall auch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 630; Engert ZIP 2006, 2105, 2110. 196 Dazu oben S. 71. 193
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3. Die Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG Wie bereits bei den Meldepflichten des Darlehensnehmers erörtert, begründet ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung der Aktien nicht deren Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG.197 Dem Darlehensgeber sind deshalb die vom Darlehensnehmer gehaltenen Stimmrechte nicht wegen des Rückerstattungsanspruchs gemäß § 607 Abs. 1 S. 2 BGB zuzurechnen.198
4. Der Grundsatz der doppelten Meldepflicht Sind die Stimmrechte des Darlehensnehmers dem Darlehensgeber zuzurechnen, ist schließlich noch zu erörtern, welche Auswirkung dies auf die Meldepflicht des Darlehensnehmers hat. Es ist umstritten, ob die Mitteilungspflicht nach § 21 Abs. 1 WpHG aus dem Grund wegfällt, dass die Stimmrechte des Meldepflichtigen nach § 22 WpHG einer anderen Person zuzurechnen sind. Nach ganz herrschender Meinung hat auch der Aktionär, von dem die Zurechnung ausgeht, bei einer Schwellenberührung eine Mitteilung nach § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG abzugeben, es findet also keine Wegrechnung (Absorption) der Stimmrechte statt.199 Die Gegenansicht beruft sich darauf, dass die kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz von der Zuordnung materieller Stimmrechtsherrschaft geprägt sei; demgegenüber habe die formale Eigentümerstellung des Aktionärs keine maßgebliche Bedeutung.200 Zudem vermeide eine Absorption der Stimmrechte Intransparenz, die dadurch entstehe, dass andernfalls im Ergebnis mehr Stimmrechte gemeldet würden, als emittiert worden seien.201 Dagegen spricht zunächst der Wortlaut der §§ 21, 22 WpHG. Insbesondere die Formulierung in § 22 Abs. 1 S. 1 WpHG, dass die Stimmrechte des Aktionärs anderen, unmittelbar gehaltenen Stimmrechten des Meldepflichtigen „gleich197
Siehe S. 235 ff. So auch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 633; MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 22 Anh. § 22 WpHG Rn. 22; Cahn/Ostler AG 2008, 221, 234 f.; Schäfer/Hamann/ Opitz, § 22 Rn. 48; Schwark/Zimmer/Schwark, 4. Aufl. 2010, § 22 Rn. 5; anders noch Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 198 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.51; Schneider/ Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1423. 199 BGH NZG 2011, 1147, 1148; OLG München NZG 2009, 1386, 1387; Arends, Die Offenlegung von Aktienbesitz nach deutschem Recht, 2000, S. 58; MünchKommAktG/ Bayer, 3. Aufl. 2008, § 22 Anh. § 21 WpHG Rn. 18; KölnKommWpHG/v. Bülow, 2007, § 22 Rn. 30; v. Bülow/Petersen NZG 2009, 1373, 1375; Burgard BB 1995, 2069, 2072; Fleischer/Bedkowski DStR 2010, 933, 934; Hildner, Kapitalmarktrechtlicher Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002, S. 100 f.; KölnKommWpHG/Hirte, 2007, § 21 Rn. 94; Schäfer/Hamann/Opitz, § 21 WpHG Rn. 36; Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 21 Rn. 93 ff. und § 22 Rn. 15; Schwark/Zimmer/Schwark, 4. Aufl. 2010, § 22 Rn. 32; Widder/Kocher ZIP 2010, 457, 457 f.; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 6. – A. A. Lange ZBB 2004, 22, 24 f. 200 Lange ZBB 2004, 22, 25. 201 Lange ZBB 2004, 22, 25. 198
248 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung stehen“, deutet darauf hin, dass die Mitteilungspflichten beider Beteiligten nebeneinander bestehen sollen.202 Aber auch der Regelungszweck der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenz wird nur dann umfassend verwirklicht, wenn Transparenz darüber besteht, wer die betreffenden Stimmrechte unmittelbar hält.203 Die Stimmrechtsmitteilung des Meldepflichtigen hat zwar nach § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WpAIV den Namen des Dritten zu enthalten, aus dessen Aktien die Stimmrechte zugerechnet werden. Dies gilt freilich nur, wenn der zugerechnete Stimmrechtsanteil mindestens 3 % beträgt. Die bei einer Absorption entstehenden Transparenzlücken werden besonders augenfällig, wenn man einen Fall betrachtet, in dem der Aktionär für fremde und für eigene Rechnung jeweils einen Stimmrechtsanteil knapp unterhalb der Eingangsmeldeschwelle des § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG hält. Wäre der nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG einem anderen zuzurechnende Anteil beim Aktionär selbst in Abzug zu bringen, wäre dieser, obwohl er unmittelbar fast 6 % der Stimmrechte des Emittenten auf sich vereint, weder selbst meldepflichtig, noch würden die Marktteilnehmer durch die Mitteilung des Zurechnungsempfängers über seine Identität informiert.204 Außerdem wäre es auf Grundlage der Absorptionslösung konstruktiv schwer zu begründen, weshalb es bei einem abgestimmten Verhalten im Sinne des § 22 Abs. 2 WpHG zu einer gegenseitigen Zurechnung der von den Beteiligten gehaltenen Stimmrechte kommen soll. Somit entfällt bei einem Aktiendarlehen die Mitteilungspflicht des Darlehensnehmers nach § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG nicht deshalb, weil die von ihm gehaltenen Stimmrechte dem Darlehensgeber nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG zuzurechnen sind.
D. Die Meldepflichten des Darlehensgebers gemäß § 25 WpHG I. Überblick und Regelungszweck Der ursprünglich durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 5. Januar 2007205 neu gefasste und in der Folgezeit bereits mehrfach geänderte206 § 25 WpHG sieht eine neben § 21 WpHG stehende Meldepflicht für Finanzinstrumente und sonstige Instrumente vor, die ihrem Inhaber das Recht verleihen, einseitig im Rahmen einer rechtlich bindenden Vereinbarung mit 202 So auch Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 21 Rn. 94; Fuchs/Dehlinger/ Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 6. 203 Dazu und zum Folgenden bereits Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 6. 204 Zu diesem Beispiel auch Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 21 Rn. 6 Fn. 9. 205 BGBl. I S. 10. 206 Durch das Risikobegrenzungsgesetz vom 12. August 2008, BGBl. I S. 1666, und das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz vom 5. April 2011, BGBl. I S. 538.
§ 15 Die kapitalmarktrechtliche Zuordnung der Aktionärsrechte
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Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien eines Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, zu erwerben. Damit werden – über den Zurechnungstatbestand des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG hinausgehend207 – nun auch bloße schuldrechtliche Ansprüche auf Verschaffung von Aktien und damit Zugriffsrechte auf die darin verkörperten Stimmrechte erfasst.208 Nach der Begründung des Regierungsentwurfs dient die Mitteilungspflicht dazu, Emittenten und Anleger darüber zu informieren, dass der Inhaber der erfassten Instrumente in Zukunft Aktien und die darin verkörperten Stimmrechte erwerben wird oder zumindest die Möglichkeit hat, nach seinem Ermessen Aktien zu erwerben und die damit verbundenen Stimmrechte auszuüben.209 Der Verzicht auf die Übernahme der Eingangsmeldeschwelle des § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG wurde damit begründet, dass unnötige Belastungen der Beteiligten vermieden werden sollten.210
II. Tatbestand 1. Finanzinstrumente Das bereits in § 25 WpHG in der Fassung des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes enthaltene Tatbestandsmerkmal des Finanzinstruments ist in § 2 Abs. 2b WpHG legaldefiniert. Da § 25 WpHG nur solche Instrumente erfasst, die ihrem Inhaber das Recht verleihen, Aktien zu erwerben, fallen unter die Definition in erster Linie Derivate im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG.211 Dies sind als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind (Termingeschäfte) und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis der Aktien des Emittenten ableitet. Daneben stellt § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG die Anforderung auf, das die Finanzinstrumente ihrem Inhaber das Recht verleihen, einseitig im Rahmen einer rechtlich bindenden Vereinbarung mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien eines Emittenten im Sinne des § 2 Abs. 6 WpHG zu erwerben. Die Formulierung „im Rahmen einer rechtlich bindenden Vereinbarung“ geht auf Art. 13 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie 2004/109/EG i. V. m. Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 der Durchführungsrichtlinie 2007/14/EG zurück. Dass eine rechtliche Bindung erfor207
Dazu S. 247. Siehe nur Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 25 Rn. 3, der § 25 als (neben § 21 WpHG tretende) zweite Säule der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenz bezeichnet, die durch § 25a WpHG als (konkrete Zugriffsmöglichkeiten auf Stimmrechte erfassende) dritte Säule ergänzt wird. 209 BT-Drs. 16/2498 S. 37. 210 BT-Drs. 16/2498 S. 37. 211 MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 22 Anh. § 25 WpHG Rn. 2; v. Bülow/Stephanblome ZIP 2008, 1797, 1800 f.; Hutter/Kaulamo NJW 2007, 471, 475; Nießen NZG 2007, 41, 43; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 25 Rn. 6. 208
250 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung derlich ist, ergibt sich freilich bereits daraus, dass die Finanzinstrumente das Recht verleihen müssen, Aktien zu erwerben.212 Gegen eine Subsumtion von Aktiendarlehen unter den Begriff des „Finanzinstruments“ bestehen bereits auf begrifflicher Ebene Bedenken. Zu klären ist zunächst, ob außerhalb von Börsen oder sonstigen multilateralen Handelssystemen abgeschlossenen Verträge von § 25 WpHG erfasst sind.213 Des weiteren wurde gegen eine Anwendung der Norm vorgebracht, schuldrechtliche Ansprüche, die nicht (in verbriefter Form) auf den Finanzmärkten handelbar seien, könnten aus diesem Grund nicht als Finanzinstrumente betrachtet werden.214 Schließlich ist zu erörtern, ob Darlehensverträge als Termingeschäfte qualifiziert werden können. a) Erfassung außerbörslicher Geschäfte Dass auch außerbörslich getätigte Geschäfte als Finanzinstrumente im Sinne des § 25 WpHG in Betracht kommen, zeigt bereits § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG. Danach gehören zur Gruppe der Derivate auch Termingeschäfte mit Bezug auf Waren, Frachtsätze, Emissionsberechtigungen, Klima- oder andere physikalische Variablen, Inflationsraten oder andere volkswirtschaftliche Variablen oder sonstige Vermögenswerte, Indices oder Messwerte als Basiswerte, wenn sie alternativ eine von drei Voraussetzungen erfüllen. Zu diesen gehört der Abschluss des Geschäfts auf einem organisierten Markt oder in einem multilateralen Handelssystem. Da § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG insoweit keine Einschränkung enthält, erfüllen auch außerbörsliche Geschäfte den Tatbestand des § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG. Dafür lassen sich auch die Vorgaben des Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Durchführungsrichtlinie 2007/14/EG, die ihrerseits auf Abschnitt C Anhang I der Finanzmarktrichtlinie 2004/39/EG (MiFID) verweist, anführen.215 b) Kein Verbriefungs- oder Fungibilitätserfordernis Vor allem von U. H. Schneider wird die Auffassung vertreten, schuldrechtliche Ansprüche, die „nicht verbrieft auf den Finanzmärkten handelbar sind“, seien keine Finanzinstrumente im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG.216 Zur Begründung verweist er lediglich auf die Definition des Fi212
Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 25 Rn. 6. Nießen NZG 2007, 41, 43 scheint den „Handel an einem Markt“ als Tatbestandsvoraussetzung anzusehen. 214 So vor allem Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 25 Rn. 9; siehe auch Bosse DB 2007, 39, 42 Fn. 34. Unklar MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 22 Anh. § 25 WpHG Rn. 2; Hutter/Kaulamo NJW 2007, 471, 475. 215 Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 25 Rn. 6. 216 Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 25 Rn. 9. Auch Schlitt/Schäfer AG 2007, 227, 235 und Schlitt/Hemeling, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 10 Rn. 82, verweisen darauf, dass es sich bei dem Rückgewähranspruch des Darlehensgebers nur um eine schuldrechtlichen Anspruch handele, der nicht der Definition des § 2 Abs. 2b WpHG unterfalle. 213
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nanzinstruments in § 2 Abs. 2b WpHG. Bereits der davon in Bezug genommene § 2 Abs. 1 S. 1 WpHG macht jedoch deutlich, dass selbst für den – gegenüber dem Begriff des Finanzinstruments deutlich engeren – Wertpapierbegriff des WpHG eine Verbriefung in Urkunden nicht erforderlich ist. Stattdessen stellt § 2 Abs. 1 S. 1 WpHG entscheidend darauf ab, ob die Papiere „ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar sind“. Damit ist die Fungibilität der jeweiligen Rechtspositionen, also ihre Austauschbarkeit und Zirkulationsfähigkeit angesprochen.217 Es trifft zwar zu, dass bloße schuldrechtliche Ansprüche diesen Anforderungen nicht genügen. Der Derivatebegriff des § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG kennt diese Einschränkung aber gerade nicht.218 Folglich können auch schuldrechtliche Ansprüche, etwa solche aus außerbörslich abgeschlossenen Kaufverträgen, Finanzinstrumente im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG sein.219 c) Termingeschäftseigenschaft Derivate sind gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG als „Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete“ Geschäfte, so dass grundsätzlich auch ein Aktiendarlehensvertrag erfasst sein könnte. Zentrales Element der Legaldefinition ist freilich das Erfordernis der zeitlich verzögerten Erfüllung. Rechtstechnisch kann der Erfüllungszeitpunkt entweder durch die Ausgestaltung als Festgeschäft oder als Optionsgeschäft hinausgeschoben werden.220 Daraus folgt, dass Rechtsgeschäfte über Aktien, die keine gesonderte Erfüllungsfrist aufweisen, sondern so ausgestaltet sind, dass sie unmittelbar nach Vertragsschluss zu erfüllen sind, nicht als Derivate qualifiziert werden können.221 Aktiendarlehensverträge enthalten typischerweise keinen derartig hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt.222 Dies gilt zunächst für die nach § 607 Abs. 1 S. 1 BGB geschuldete Übereignung der Aktien. Der Anspruch auf Rückerstattung gemäß § 607 Abs. 1 S. 2 BGB wird zwar erst – je nachdem, ob der Vertrag befristet oder unbefristet geschlossen wurde, in Abhängigkeit von einer Kündigung – in der Zukunft fällig. Dies begründet jedoch keine verzögerte Erfüllung in der Art, wie sie für Derivate charakteristisch ist. Denn nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG ist weitere Voraussetzung, dass sich der 217
Dazu statt aller Fuchs/Fuchs, WpHG, 2009, § 2 Rn. 11 ff. Assmann/Schneider/Assmann, 6. Aufl. 2012, § 2 Rn. 45; Schwark/Zimmer/Kumpan, 4. Aufl. 2010, § 2 Rn. 38. – A. A. MünchKommHGB/Ekkenga, 2. Aufl. 2009, Anhang zu § 372 Effektengeschäft Rn. 43, nach dem jedenfalls die §§ 31 ff. WpHG auf OTC-Derivate, die sich nicht zum Handel an Finanzmärkten eignen, keine Anwendung finden sollen. 219 So auch der Emittentenleitfaden der BaFin, 2009, abrufbar unter www.bafin.de, VIII.2.8.1; Bürgers/Körber/Becker, 2. Aufl. 2011, Anh § 22/§ 25 WpHG Rn. 3; Baums/Sauter ZHR 173 (2009), 454, 469; Cascante/Topf AG 2009, 53, 64 f.; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 283; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 25 Rn. 11. 220 Dazu schon S. 39 f. 221 Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 25 Rn. 7. 222 A. A. Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 282 f. 218
252 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung Wert des Geschäfts unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswertes ableitet. Dieser Bezug zu einem Basiswert wird bei Derivaten dadurch hergestellt, dass bei Vertragsschluss bereits die zukünftig zu zahlende Gegenleistung für die (bei Derivaten mit Barausgleich unterbleibende) Leistung des Basiswertes festgelegt wird.223 Als Folge davon ist der Wert des Derivats von der Wertentwicklung des Basiswertes abhängig. Im Gegensatz dazu ist die Rückerstattung der empfangenen Aktien durch den Darlehensnehmer schon keine Gegenleistung für eine vom Darlehensgeber erbrachte Leistung,224 so dass beim Aktiendarlehen der soeben geschilderte Bezug zu einem Basiswert fehlt.
2. Sonstige Instrumente Die Formulierung „oder sonstige Instrumente“ wurde durch das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz vom 5. April 2011225 in § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG eingefügt. Bereits aus dem Wortlaut ergibt sich, dass an sonstige Instrumente geringere Anforderungen zu stellen sind als an Finanzinstrumente. Außerbörslich geschlossene schuldrechtliche Geschäfte, die weder verbrieft noch fungibel sind, sind ohne weiteres erfasst, da auch der Begriff des Finanzinstruments insoweit keine Einschränkungen enthält. Zudem können auch die Vorgaben des § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG, wie insbesondere die verzögerte Erfüllung und der Bezug zu einem Basiswert, keine Bedeutung haben. Nach den Verfassern des Gesetzesentwurfs sollen als sonstige Instrumente alle Vereinbarungen gelten, „die ein Recht auf den Erwerb von mit Stimmrechten verbundenen Aktien gewähren, ohne unter den Finanzinstrumentebegriff des § 2 Absatz 2b WpHG zu fallen.“226 Dazu gehörten insbesondere der Rückforderungsanspruch des Darlehensgebers eines Wertpapierdarlehens und die Rückkaufvereinbarung bei einem Repo-Geschäft. Mit der Ergänzung des Tatbestands sollten Transparenzlücken geschlossen und eine Umgehung der Meldepflichten vermieden werden.227 Auch bei Berücksichtigung dieses Regelungszwecks ist der Begriff des „sonstigen Instruments“ jedoch in einer Hinsicht restriktiv auszulegen: Rechtsgeschäfte über Aktien, die einer Partei zwar das Recht verleihen, einseitig im Rahmen einer rechtlich bindenden Vereinbarung mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien eines Emittenten im Sinne des § 2 Abs. 6 WpHG zu erwerben, die aber keine gesonderte Erfüllungsfrist aufweisen, sondern so ausgestaltet sind, dass sie unmittelbar nach Vertragsschluss zu erfüllen sind, lösen keine Meldepflicht nach § 25 WpHG aus. 223 224 225 226 227
Statt aller Assmann/Schneider/Assmann, 6. Aufl. 2012, § 2 Rn. 43 f. Darauf weist Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 635 zutreffend hin. BGBl. I S. 538. BT-Drs. 17/3628 S. 19. BT-Drs. 17/3628 S. 19.
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Denn bei einer solchen Vertragsgestaltung würden die andernfalls kurz hintereinander erfolgenden Mitteilungen nach § 25 WpHG und (nach dinglichem Vollzug des Geschäfts) § 21 WpHG entgegen der Vorstellung der Gesetzesverfasser keinen spürbaren Transparenzgewinn bringen, sondern eher zur einer Verwirrung der Marktteilnehmer führen. Daher sind etwa Kaufverträge über Aktien ohne gesonderte Erfüllungsfrist228 oder auch Aktiendarlehensverträge, soweit der Anspruch des Darlehensnehmers aus § 607 Abs. 1 S. 1 BGB betroffen ist, keine sonstigen Instrumente im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG.229 Anderes gilt aber für den Anspruch des Darlehensgebers auf Rückerstattung aus § 607 Abs. 1 S. 2 BGB.230
3. Einseitige Erwerbsmöglichkeit § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG setzt eine einseitige Erwerbsmöglichkeit voraus. Dies bedeutet, dass dem Erwerbsberechtigten ein unbedingtes Recht auf Erwerb der Aktien zustehen muss, wobei eine Potestativbedingung unschädlich ist.231 Verträge, die so ausgestaltet sind, dass der Erwerb von äußeren Umständen wie beispielsweise dem Erreichen eines bestimmten Kursniveaus abhängt, gewähren also keine einseitige Erwerbsmöglichkeit in diesem Sinne.232 Der Anspruch des Darlehensgebers auf Rückerstattung gemäß § 607 Abs. 1 S. 2 BGB ist als einseitige Erwerbsmöglichkeit einzuordnen, und zwar unabhängig davon, ob das Darlehen befristet oder unbefristet (dann mit der Möglichkeit der ordentlichen Kündigung durch den Darlehensnehmer) abgeschlossen wurde.
228 Es bietet sich auch für außerbörsliche Geschäfte an, sich an der Abgrenzung zwischen Kassa- und Terminmarkt zu orientieren. Das bedeutet, dass beispielsweise Kaufverträge, die eine Lieferfrist von zwei Handelstagen aufweisen („T+2“), keine Meldepflicht nach § 25 WpHG auslösen. Dazu auch Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 25 Rn. 7. 229 So (allerdings ohne Begründung) für Kaufverträge auch die BaFin, siehe die „Gesamtliste der häufigen Fragen zu den neuen Meldepflichten nach §§ 25 und 25a WpHG“ (Stand: 09.01.2012), abrufbar unter www.bafin.de. 230 BT-Drs. 17/3628 S. 19. Dies entspricht auch der Verwaltungspraxis, dazu die „Gesamtliste der häufigen Fragen zu den neuen Meldepflichten nach §§ 25 und 25a WpHG“ (Stand: 09.01.2012), abrufbar unter www.bafin.de; siehe im Übrigen Brombach, Kapitalmarktrechtliche und aufsichtsrechtliche Pflichten bei der Berührung von Schwellenwerten, 2011, S. 27; Bürgers/Körber/Becker, 2. Aufl. 2011, Anh § 22/§ 25 WpHG Rn. 7; Cascante/ Bingel NZG 2011, 1086, 1092 f.; Merkner/Sustmann NZG 2012, 241, 244; Renz/Rippel BKR 2011, 235, 237; Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 87; Zerey/ Storck, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 13 Rn. 31. 231 Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 25 Rn. 17 ff.; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 25 Rn. 9. 232 Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 25 Rn. 9.
254 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung
4. Hypothetische Schwellenberührung Nach § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG besteht die Meldepflicht bei Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten der in § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG genannten Schwellen mit Ausnahme der Schwelle von 3 %. Entscheidend ist, auf welchen Stimmrechtsanteil sich die Erwerbsrechte beziehen, insofern lässt sich von einer hypothetischen Schwellenberührung sprechen.233 Meldeschwellen werden dann unterschritten, wenn Erwerbsrechte erloschen sind.234 Dazu kommt es insbesondere bei Ausübung oder Fälligkeit dieser Rechte.235 Erlischt etwa der Rückerstattungsanspruchs des Darlehensgebers aus § 607 Abs. 1 S. 2 BGB durch Erfüllung und war bei Abschluss des Darlehensvertrages eine Meldeschwelle erreicht oder überschritten worden, ist nun das Unterschreiten dieser Schwelle zu melden.
III. Zusammenrechnung mit nach §§ 21, 22 WpHG zu meldenden Stimmrechten § 25 Abs. 1 S. 3 WpHG sieht vor, dass – für die Meldepflicht nach § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG – eine Zusammenrechnung mit den Beteiligungen nach den §§ 21, 22 WpHG stattfindet, während unter § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG fallende dingliche Erwerbsrechte nur einmal berücksichtigt werden. Vor Inkrafttreten dieser Regelung war weder eine Meldung nach § 21 WpHG noch eine Meldung nach § 25 WpHG erforderlich, wenn der Meldepflichtige einen tatsächlichen Stimmrechtsanteil von bis zu 2,99 % und einen hypothetischen Stimmrechtsanteil von maximal 4,99 % hielt.236 Nun gilt das gleiche nur noch bei einem tatsächlichen Stimmrechtsanteil von bis zu 2,99 % und einem hypothetischen Stimmrechtsanteil von maximal 2 %.237
IV. Inhalt der Mitteilung Trotz der Zusammenrechnung im Rahmen des § 25 WpHG stehen die Meldepflichten nach dieser Norm und nach den §§ 21, 22 WpHG unabhängig nebeneinander. Das bedeutet für das Aktiendarlehen insbesondere, dass die vom Darlehensnehmer gehaltenen Stimmrechte zweimal zu berücksichtigen sind: Nach der hier vertretenen Auffassung werden sie – jedenfalls bis zur 233
Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 25 Rn. 13. Unzutreffend ist deshalb die Annahme von Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 25 Rn. 16b, es liege ein Redaktionsversehen vor, da eine Meldeschwelle „nur durch eine Veräußerung“ unterschritten werden könne. 235 Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 25 Rn. 13. 236 Zur alten Rechtslage im Einzelnen siehe Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 25 Rn. 57 f.; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 25 Rn. 13. 237 Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 25 Rn. 60; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 25 Rn. 4 Fn. 7. 234
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einer Weiterveräußerung an einen Dritten – dem Darlehensgeber nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG zugerechnet. Zusätzlich führt der Rückübertragungsanspruch des Darlehensgebers aus § 607 Abs. 1 S. 2 BGB – unabhängig von einer Weiterübertragung der Aktien an Dritte238 – zu einer Meldepflicht gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG. Dieses Nebeneinander der Mitteilungspflichten könnte für die Marktteilnehmer den unzutreffenden Eindruck vermitteln, der Darlehensgeber habe das Recht, zusätzlich zu dem nach §§ 21, 22 WpHG gemeldeten Bestand weitere Stimmrechte zu erwerben. Dies gilt gerade auch deshalb, weil die Übertragung der Aktien an den Darlehensnehmer wegen der Zurechnung der Stimmrechte gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG für den Darlehensgeber eine insoweit meldeneutrale Beteiligungsumschichtung darstellt.239 Diese mögliche Verwirrung der Marktteilnehmer kann jedoch durch eine entsprechende Auslegung des § 17 Abs. 3 WpAIV, der den Inhalt der nach § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG abzugebenden Meldung regelt, vermieden werden. Seit der Änderung der WpAIV durch das Risikobegrenzungsgesetz240 fordern § 17 Abs. 3 Nr. 2a und 2b WpAIV eine separate Angabe des nach den §§ 21, 22 WpHG zu meldenden tatsächlichen und des nach § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG mitzuteilenden hypothetischen Stimmrechtsanteils.241 Daneben hat die Mitteilung gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 2 WpAIV auch zu enthalten „die Summe des Anteils aus gehaltenen Stimmrechten und des Anteils an Stimmrechten, der bestände, wenn der Mitteilungspflichtige statt der Finanzinstrumente oder sonstigen Instrumente die Aktien hielte, die auf Grund der förmlichen Vereinbarung erworben werden können“. Bereits der Wortlaut legt nahe, den Gesamtstimmrechtsanteil anzugeben, der bei der Ausübung oder dem Fälligwerden des Erwerbsrechts tatsächlich meldepflichtig wäre. Erwirbt der Darlehensgeber das Eigentum an den ihm bis zu diesem Zeitpunkt nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG zugerechneten Aktien zurück, gleichen sich der Wegfall der Zurechnung und der Rückerwerb der Stimmrechte rechnerisch aus. Hält der Darlehensgeber vor Abschluss des Darlehensvertrages beispielsweise unmittelbar 11 % der Stimmrechte eines Emittenten und überträgt er einen Stimmrechtsanteil von 5 % auf den Darlehensnehmer, hat die nach § 25 238 Dazu, dass die Meldepflicht nach § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG auch dann besteht, wenn im Einzelfall keine Zurechnung zum Darlehensgeber nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG erfolgt, siehe auch Krause AG 2011, 469, 476; Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 87. 239 Auf dieses Problem weisen auch Krause AG 2011, 469, 476 f., und Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 86, hin. Während Krause jedoch der Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG aus diesem Grund kritisch gegenübersteht, schlägt Schneider eine „zusätzliche Erläuterung“ der Meldung nach § 25 WpHG vor, ohne jedoch diesen Vorschlag zu präzisieren. 240 Gesetz vom 12. August 2008, BGBl. I S. 1666. 241 Dazu auch Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, § 25 Rn. 5.
256 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung Abs. 1 S. 1 WpHG abzugebende Meldung – unterstellt, dass sonst keine weiteren Transaktionen stattfinden – folgenden Inhalt: Gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 2 WpAIV ist ein Gesamtstimmrechtsanteil von 11 % mitzuteilen, da der Darlehensgeber bei Fälligwerden des Rückerstattungsanspruchs und entsprechender Übereignung der Aktien wieder unmittelbar einen Stimmrechtsanteil in dieser Höhe hält. Nach § 17 Abs. 3 Nr. 2a und 2b WpAIV wäre in diesem Fall ein hypothetischer Anteil von 5 % und ein tatsächlicher Anteil von 11 % zu melden. Diese drei Angaben würden der Kapitalmarkt darüber in Kenntnis setzen, dass sich das Erwerbsrecht auf Aktien bezieht, die dem Darlehensgeber bereits zugerechnet werden, so dass der Stimmrechtsanteil insgesamt durch den Erwerb nicht verändert wird. Darüber, dass die Rückübertragung erfolgt ist, werden die Marktteilnehmer dadurch informiert, dass der Darlehensgeber eine weitere Meldung nach § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG wegen des Unterschreitens der jeweiligen Meldeschwelle, im Beispiel der 5 %Schwelle, abzugeben hat.
E. Keine Meldepflicht des Darlehensgebers gemäß § 25a WpHG Als dritte Säule der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenz ordnet § 25a WpHG Mitteilungspflichten beim Halten von weiteren Finanzinstrumenten und sonstigen Instrumenten an. Nach der Generalklausel des § 25a Abs. 1 S. 1 WpHG ist entscheidend, ob es diese Instrumente ihrem Inhaber oder einem Dritten auf Grund ihrer Ausgestaltung ermöglichen, mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien eines Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, zu erwerben. § 25a Abs. 1 S. 2 WpHG präzisiert dies dahingehend, dass ein Ermöglichen in diesem Sinne insbesondere dann gegeben ist, wenn die Gegenseite des Inhabers ihre Risiken aus diesen Instrumenten durch das Halten von Aktien ausschließen oder vermindern könnte, oder die Instrumente ein Recht zum Erwerb von Aktien einräumen oder eine Erwerbspflicht in Bezug auf solche Aktien begründen. Der Gesetzgeber bezweckt mit dieser Regelung, bisher noch vorhandene Spielräume zum verdeckten Aufbau von Beteiligungen, gerade auch im Vorfeld von Unternehmensübernahmen, zu beseitigen und so die Kapitalmarkttransparenz zu verbessern.242 Erfasst werden sollen Gestaltungen, welche die faktische oder wirtschaftliche Möglichkeit begründen, mit Stimmrechten verbundene Aktien zu erwerben; die Gesetzesverfasser nennen insoweit insbesondere von § 25 WpHG nicht erfasste Derivate mit Barausgleich (wie z. B. Cash Settled Equity Swaps), bei denen ein Stimmrechtserwerb aufgrund der diesen zugrundeliegenden wirtschaftlichen Logik zumindest möglich ist.243 Ziel ist es 242 243
BT-Drs. 17/3628 S. 17. BT-Drs. 17/3628 S. 19.
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also, die auch mit den Begriffen hidden ownership und soft parking umschriebenen Fallkonstellationen eines Auseinanderfallens von Stimmrechten und wirtschaftlichem Interesse dem kapitalmarktrechtlichen Transparenzregime zu unterstellen.244 Bei diesem, durch einen entsprechend ausgestalteten schuldrechtlichen Vertrag bewirkten Auseinanderfallen ist typischerweise eine Partei formal Aktionär, ohne jedoch ein wirtschaftliches Interesse zu haben, während auf der Gegenseite wirtschaftliches Interesse, aber kein formeller Stimmrechtseinfluss vorhanden sind. Stattdessen bestehen informelle Stimmrechte, die sich aus Marktgebräuchen und den wirtschaftlichen Anreizen der Beteiligten ergeben. Diskutiert wurde ein solches Vorgehen in Deutschland insbesondere am Beispiel der Fälle Schaeffler/Continental und Porsche/Volkswagen.245 Entsprechend seinem Zweck, bisher bestehende Lücken im System der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenz zu schließen, ist § 25a Abs. 1 S. 1 WpHG als Auffangtatbestand konzipiert.246 Meldepflichten bestehen danach nur für solche Instrumente, die nicht bereits von § 25 WpHG erfasst sind. Da der Rückerstattungsanspruch des Darlehensgebers in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fällt, ist somit kein Platz für eine Anwendung des § 25a WpHG auf Aktiendarlehen.
F. Die Verpflichtung zur Abgabe eines Übernahmeangebots nach § 35 WpÜG I. Ausgangspunkt Im Übernahmerecht hat die Zuordnung der Stimmrechte zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer Bedeutung für die Frage, ob ein Kontrollerwerb im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG vorliegt oder beabsichtigt ist. Nach dieser Norm ist Kontrolle das Halten von mindestens 30 % der Stimmrechte an einer Zielgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 3 WpÜG. Diese Legaldefinition bestimmt zum einen den Anwendungsbereich des 4. Abschnitts des WpÜG.247 Zum anderen ist gemäß § 35 WpÜG die Kontrollerlangung zu veröffentlichen und ein Pflichtangebot abzugeben. Wie im Rahmen der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenz nach § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG ist auch für den Kontrollbegriff des § 29 Abs. 2 WpÜG allein auf die dingliche Rechtslage abzustellen; nur der Eigentümer 244
Zu diesen Konstellationen siehe auch S. 69 ff. Dazu und allgemein zur rechtspolitischen Diskussion Fleischer/Schmolke ZIP 2008, 1501; Fleischer/Schmolke NZG 2009, 401; Habersack AG 2008, 817; Noack/Zetzsche, in: FS Schwark, 2009, S. 569, 584 ff.; Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 25a Rn. 1 ff.; Wackerbarth ZIP 2010, 1527. 246 Siehe auch Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 25a Rn. 14. 247 KölnKommWpÜG/v. Bülow, 2. Aufl. 2010, § 29 Rn. 3. 245
258 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung „hält“ Stimmrechte im Sinne dieser Vorschrift.248 Da der Darlehensnehmer Eigentum an den darlehensweise überlassenen Aktien erwirbt, werden die darin verkörperten Stimmrechte bei der Berechnung seines Stimmrechtsanteils berücksichtigt.249 Aus dem gleichen Grund kann die Rückübertragung der Aktien an den Darlehensgeber zur Kontrollerlangung durch diesen führen.
II. Die Zurechnung der Stimmrechte des Darlehensnehmers 1. Einheitliche Auslegung von § 22 WpHG und § 30 WpÜG § 30 WpÜG enthält in seinen Abs. 1 und 2 Zurechnungstatbestände, die denen in § 22 Abs. 1 und 2 WpHG entsprechen und die teilweise wortgleich formuliert sind. Obwohl der Gesetzgeber bewusst eine Synchronisierung der beiden Zurechnungsnormen vorgenommen hat und damit Irritationen am Kapitalmarkt vermeiden möchte, die bei unterschiedlichen Zurechnungsmethoden auftreten würden,250 wird in der Literatur verbreitet die Auffassung vertreten, die Zurechnungstatbestände in WpHG und WpÜG seien nicht einheitlich auszulegen.251 Begründet wird dies vor allem mit den unterschiedlichen Zielsetzungen der §§ 21 ff. WpHG und der §§ 29 ff. WpÜG. Während die Beteiligungstransparenznormen dazu dienten, die Marktteilnehmer als Grundlage für Anlageentscheidungen über wesentliche Beteiligungen an einem Emittenten zu informieren, bezwecke das Übernahmerecht vor allem den Schutz von Minderheitsgesellschaftern bei einem Kontrollwechsel durch die Ermöglichung eines Austritts aus der Gesellschaft. Daraus wird die Folgerung gezogen, dass grundsätzlich eine engere Auslegung des § 30 WpÜG geboten sei, um Aktionäre vor einer sachlich unbegründeten Angebotspflicht zu bewahren.252 Gegen diese Ansicht lässt sich zum einen das mehrfach vom Gesetzgeber geäußerte Ziel anführen, Irritationen des Kapitalmarkts zu vermeiden. Solche Irritation würden eintreten, wenn etwa nach §§ 21, 22 WpHG veröffentlichte Stimmrechtsmitteilungen auf einen bevorstehenden Kontrollwechsel hindeuten würden, anschließend aber trotz einer Berührung der 30 %-Schwelle des 248
KölnKommWpÜG/v. Bülow, 2. Aufl. 2010, § 29 Rn. 94 f.; Harbarth ZIP 2002, 321,
323 f.
249
KölnKommWpÜG/v. Bülow, 2. Aufl. 2010, § 29 Rn. 122. So insbesondere BT-Drs. 14/7034 S. 53 und S. 70; BT-Drs. 16/7438 S. 13. 251 So z. B. v. Bülow/Bücker ZGR 2004, 669, 703 f.; KölnKommWpÜG/v. Bülow, 2. Aufl. 2010, § 30 WpÜG Rn. 19 ff.; Casper ZIP 2003, 1469, 1472 f.; Franck BKR 2002, 709, 710 ff.; Gätsch/Schäfer NZG 2008, 846, 848; Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 WpHG Rn. 101; Seibt ZIP 2005, 729, 732 f.; Assmann/Schneider/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 22 Rn. 12; Assmann/Pötzsch/Schneider/Schneider, 2005, § 30 Rn. 8. Die Gegenansicht wird u. a. vertreten von Lange ZBB 2004, 22, 23 f.; Schockenhoff/Schumann ZGR 2005, 568, 608; Wackerbarth ZIP 2005, 1217, 1218 f.; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, Vor §§ 21 bis 30 Rn. 26 f. 252 Zu den Argumenten siehe auch Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, Vor §§ 21 bis 30 Rn. 26. 250
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§ 21 Abs. 1 S. 1 WpHG ein Pflichtangebot nach § 35 WpÜG unterbleiben könnte, weil der einschlägige Zurechnungstatbestand in § 30 WpÜG restriktiver auszulegen wäre als der Paralleltatbestand in § 22 WpHG.253 Ein derartiges Ergebnis würde gerade dem von § 35 WpÜG bezweckten Minderheitenschutz zuwiderlaufen. Zum anderen haben beide Zurechnungsnormen den übereinstimmenden Zweck, die „wirklichen Beherrschungsverhältnisse“ in der Gesellschaft aufzudecken254 und Umgehungsgestaltungen zu verhindern. § 22 WpHG und § 30 WpÜG sind deshalb einheitlich auszulegen.
2. Die Zurechnung nach § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Nr. 5 WpÜG Trotz der divergierenden Auffassungen zur Frage der einheitlichen Auslegung von § 22 WpHG und § 30 WpÜG wird auch zu der letztgenannten Norm die Auffassung vertreten, dass eine Zurechnung zum Darlehensgeber nach § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG nur ausnahmsweise dann stattfindet, wenn der Darlehensgeber aufgrund der vertraglichen Regelung Einfluss auf die Stimmrechtsausübung nehmen kann.255 Auch wird eine Anwendung von § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpÜG zurecht abgelehnt.256 Die vom Darlehensnehmer gehaltenen Stimmrechte sind auf Grundlage der hier zur zivilrechtlichen Zuordnung der Stimmrechte vertretenen Ansicht dem Darlehensgeber in gleicher Weise nach § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG zuzurechnen, wie es bereits im Rahmen von § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG erörtert wurde.257 Auch hier endet die Zurechnung erst dann, wenn der Darlehensnehmer die Aktien an einen Dritten aufgrund eines Kaufvertrags übereignet. Dies bedeutet für den Darlehensgeber, dass er sich beispielsweise bei einem immer weiter fortschreitenden Beteiligungsaufbau nicht dadurch den aus § 35 WpÜG folgenden Pflichten entziehen kann, dass er einzelne Aktienpakete bei Dritten „parkt“, mit denen er Aktiendarlehensverträge abschließt.
III. Befreiungsmöglichkeit nach § 37 Abs. 1 WpÜG Endet die Zurechnung nach § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG, weil der Darlehensnehmer die Aktien aufgrund eines Leerverkaufs an einen Dritten übereignet, sinkt der Stimmrechtsanteil des Darlehensgebers ab und erhöht sich bei Erfüllung seines Rückerstattungsanspruchs aus § 607 Abs. 1 S. 2 BGB. Im 253
So auch Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, Vor §§ 21 bis 30 Rn. 27. BT-Drs. 12/6679 S. 52; BT-Drs. 14/7034 S. 53; Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, Vor §§ 21 bis 30 Rn. 27. 255 KölnKommWpÜG/v. Bülow, 2. Aufl. 2010, § 30 Rn. 120; Steinmeyer/Häger/Steinmeyer, WpÜG, 2. Aufl. 2007, § 30 Rn. 34, 36; Geibel/Süßmann/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl. 2008, § 30 Rn. 14. 256 KölnKommWpÜG/v. Bülow, 2. Aufl. 2010, § 30 Rn. 183. 257 Siehe S. 240 ff. 254
260 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung Einzelfall kann dies zu einer Unterschreitung der Kontrollschwelle und zu derem erneuten Überschreiten bei Rückerwerb der Aktien führen. Die § 35 WpÜG zugrunde liegende formale Betrachtungsweise bedeutet, dass auch in einem solchen Fall grundsätzlich ein Pflichtangebot abzugeben ist.258 Für derartige Konstellationen wird die Ansicht vertreten, dass in der Regel eine Befreiung nach § 37 WpÜG geboten sei, da es sich nur um eine vorübergehende Absenkung des Stimmrechtsanteils handele.259 Auf Seiten des Darlehensnehmer stellt sich bei einer Kontrollerlangung durch den darlehensweisen Erwerb von Aktien in gleicher Weise die Frage, ob § 37 WpÜG eine Befreiung ermöglicht.260 Gemäß § 37 Abs. 1 WpÜG kann die BaFin auf schriftlichen Antrag den Bieter von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 WpÜG befreien, sofern dies im Hinblick auf die Art der Erlangung, die mit der Erlangung der Kontrolle beabsichtigte Zielsetzung, ein nach der Erlangung der Kontrolle erfolgendes Unterschreiten der Kontrollschwelle, die Beteiligungsverhältnisse an der Zielgesellschaft oder die tatsächliche Möglichkeit zur Ausübung der Kontrolle unter Berücksichtigung der Interessen des Antragstellers und der Inhaber der Aktien der Zielgesellschaft gerechtfertigt erscheint. Da die Norm der BaFin Ermessen einräumt und die geforderte Interessenbewertung stark einzelfallabhängig ist, kann nachfolgend nur versucht werden, allgemeine Leitlinien für eine Befreiung der Parteien eines Aktiendarlehensvertrages zu skizzieren.
1. Befreiung des Darlehensnehmers Überschreitet der Darlehensnehmer die Kontrollschwelle aufgrund des Erwerbs der Aktien, ist eine Befreiung allenfalls deshalb möglich, weil die Kontrollschwelle nach der Erlangung der Kontrolle wieder unterschritten wird (§ 37 Abs. 1 Var. 3 WpÜG). Die auf Grundlage der Ermächtigung in § 37 Abs. 2 WpÜG erlassene AngebotsVO enthält dazu in § 9 S. 1 Nr. 6 einen speziellen Befreiungstatbestand, der voraussetzt, dass die Schwellenüberschreitung unbeabsichtigt war und dass die Kontrollschwelle nach der Antragstellung261 unverzüglich wieder unterschritten wird. In der Person des Darlehensnehmers wird jedoch im Regelfall keine der beiden Voraussetzungen gegeben sein: Die auf dem darlehensweisen Erwerb von Aktien beruhende Schwellenüberschreitung wird fast immer als absichtlich zu charakterisieren 258
KölnKommWpÜG/Hasselbach, 2. Aufl. 2010, § 35 Rn. 135. KölnKommWpÜG/v. Bülow, 1. Aufl. 2003, § 29 Rn. 103; Cahn/Ostler AG 2008, 221, 235. 260 Dazu KölnKommWpÜG/v. Bülow, 1. Aufl. 2003, § 29 Rn. 103; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.61. 261 Der Antrag kann gemäß § 8 S. 2 AngebotsVO innerhalb von sieben Kalendertagen nach dem Zeitpunkt gestellt werden, zu dem der Bieter Kenntnis davon hat oder nach den Umständen haben musste, dass er die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangt hat. 259
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sein; eine unverzügliche Unterschreitung der Schwelle dürfte nur bei einer sofortigen Weiterveräußerung der Aktien in Betracht kommen.262 Ungeachtet der noch nicht geklärten Frage, ob die in § 9 AngebotsVO aufgeführten Befreiungstatbestände die Anwendung von § 37 WpÜG präjudizieren,263 kommt für die Befreiungsentscheidung dem Schutz der Minderheitsaktionäre entscheidende Bedeutung zu.264 Daraus folgt, dass die Dauer der Überschreitung der Kontrollschwelle – spiegelbildlich zur sogleich zu behandelnden vorübergehenden Unterschreitung der Schwelle265 – ein wesentlicher Faktor für die Entscheidung über die Befreiung eines Darlehensnehmers ist. Denn je länger der Zeitraum der Kontrolle ist, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Kontrollerlangung zu einer Wertminderung der Aktien der Zielgesellschaft führt, und dass tatsächlich auf die Geschäftsführung der Zielgesellschaft Einfluss genommen wird.266 Eine Befreiung des Darlehensnehmers wird daher jedenfalls bei beabsichtigtem Überschreiten der Kontrollschwelle nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Für die BaFin besteht immerhin die Möglichkeit, den Zeitraum der Schwellenüberschreitung durch eine entsprechende Nebenbestimmung zu begrenzen und die Auflage zu erteilen, dass keine Stimmrechte aus den darlehensweise gehaltenen Aktien ausgeübt werden dürfen.267
2. Befreiung des Darlehensgebers Sinkt der Stimmrechtsanteil des Darlehensgebers aufgrund des soeben beschriebenen Wegfalls der Zurechnung vorübergehend unter die Kontrollschwelle und überschreitet er diese nach erfolgtem Rückerwerb der Aktien, kommt eine Befreiung wegen der besonderen Art der Erlangung der Kontrolle (§ 37 Abs. 1 Var. 1 WpÜG) in Betracht. Der Fall, dass die Beteiligung nur vorübergehend unter die Kontrollschwelle absinkt, wird von § 9 Ange262 In diesem Fall ist zu beachten, dass zur Erfüllung des Rückerstattungsanspruchs des Darlehensgebers ein erneuter Erwerb der Aktien am Markt erforderlich ist, der ggf. wieder zu einer (kurzfristigen) Überschreitung der Kontrollschwelle führt. 263 In diese Richtung KölnKommWpÜG/Versteegen, 1. Aufl. 2003, § 37 Rn. 23, der allerdings festhält, dass auch ohne die vollständige Erfüllung eines der Tatbestände des § 9 AngebotsVO eine Befreiung erfolgen kann, wenn weitere besondere Umstände vorliegen, die für eine Befreiung sprechen. Anders etwa Geibel/Süßmann/Meyer, WpÜG, 2. Aufl. 2008, § 37 Rn. 49 f.; Harbarth ZIP 2002, 321, 331; Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause/ Pötzsch, 2005, § 37 Rn. 56; MünchKommAktG/Schlitt/Ries, 3. Aufl. 2011, § 37 WpÜG Rn. 44 und jetzt KölnKommWpÜG/Versteegen, 2. Aufl. 2010, § 37 Rn. 31. 264 Siehe nur Geibel/Süßmann/Meyer, WpÜG, 2. Aufl. 2008, § 37 Rn. 50; Holzborn/ Blank, NZG 2002, 948, 955 f.; KölnKommWpÜG/Versteegen, 2. Aufl. 2010, § 37 Rn. 57 f. 265 MünchKommAktG/Schlitt/Ries, 3. Aufl. 2011, § 37 WpÜG Rn. 32. 266 Zu diesen Aspekten Geibel/Süßmann/Meyer, WpÜG, 2. Aufl. 2008, § 37 Rn. 50; MünchKommAktG/Schlitt/Ries, 3. Aufl. 2011, § 37 WpÜG Rn. 44; KölnKommWpÜG/ Versteegen, 2. Aufl. 2010, § 37 Rn. 58. 267 Dazu Geibel/Süßmann/Meyer, WpÜG, 2. Aufl. 2008, § 37 Rn. 50; MünchKommAktG/Schlitt/Ries, 3. Aufl. 2011, Anhang zu § 37 WpÜG Rn. 40.
262 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung botsVO nicht erfasst. Eine Befreiung kann dennoch wegen der fehlenden Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre geboten sein.268 Insoweit gilt nichts anderes als bei einer möglichen Befreiung des Darlehensnehmers. Je länger der Darlehensgeber die Kontrollschwelle überschreitet, desto naheliegender ist es, dass sich dieser Zustand auf die Bewertung der Aktien durch den Markt auswirkt. Eine Befreiung nach § 37 WpÜG wird daher vor allem bei sehr kurzfristigen Veränderungen in Betracht kommen.269
§ 16 Weitere kapitalmarktrechtliche Verhaltenspflichten A. Das Insiderhandelsverbot und das Verbot der Marktmanipulation Die drei Verbotstatbestände des § 14 Abs. 1 WpHG erfassen den eigentlichen Insiderhandel und darauf bezogene Vorfeldhandlungen. § 20a Abs. 1 WpHG enthält ebenfalls drei Tatbestände, die marktmanipulierendes, d. h. die korrekte Bildung eines Börsen- oder Marktpreises beeinflussendes Verhalten verbieten. Die Bedeutung beider Normen zeigt sich daran, dass (bestimmte) Verstöße in § 38 Abs. 1 und 2 WpHG strafrechtlich sanktioniert sind.270 Geschütztes Rechtsgut ist in beiden Fällen die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts.271 Bei der Anwendung von § 14 WpHG und § 20a WpHG auf Aktiendarlehen ergeben sich grundsätzlich keine Besonderheiten.272 Es genügt damit zunächst die Feststellung, dass sowohl die Begriffe des Erwerbs oder der Veräußerung von Insiderpapieren in § 14 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 WpHG als auch der Begriff des Geschäfts in § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG weit zu verstehen sind und damit unstreitig Darlehensgeschäfte umfassen.273 268 Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause/Pötzsch, 2005, § 37 Rn. 38; MünchKommAktG/Schlitt/Ries, 3. Aufl. 2011, § 37 WpÜG Rn. 32; KölnKommWpÜG/Versteegen, 2. Aufl. 2010, § 37 Rn. 47, 54. 269 KölnKommWpÜG/Hasselbach, 2. Aufl. 2010, § 35 Rn. 135 (für eine logische Sekunde oder innerhalb eines Handelstags); Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause/Pötzsch, 2005, § 37 Rn. 38 (vorübergehend); Geibel/Süßmann/Meyer, WpÜG, 2. Aufl. 2008, § 37 Rn. 39 (kurzzeitige Unterschreitung); MünchKommAktG/Schlitt/Ries, 3. Aufl. 2011, § 37 WpÜG Rn. 32 (kurzfristige Unterschreitung). 270 Bis zur Einfügung des § 38 Abs. 2a WpHG durch das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2481) handelte es sich um die einzigen Straftatbestände im WpHG. Sie werden zurecht als „Kernstück des deutschen Kapitalmarktstrafrechts“ bezeichnet, so MünchKommStGB/ Pananis, 2010, WpHG § 38 Rn. 1. 271 MünchKommStGB/Pananis, 2010, WpHG § 38 Rn. 4, 7; Park/Hilgendorf, Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl. 2013, Teil 3, Kapitel 3, E. § 38 WpHG Strafvorschriften Rn. 198; Park/Sorgenfrei, Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl. 2013, Teil 3, Kapitel 4, A. §§ 20 a, 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 1–2, Abs. 2 Nr. 11 Abs. 4 WpHG Verbot der Marktmanipulation Rn. 52; Assmann/Schneider/Vogel, 6. Aufl. 2012, Vor § 38 Rn. 18; Fuchs/Waßmer, 2009, § 38 Rn. 3, 4. 272 Zutreffend Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 636 f. 273 Zu § 14 WpHG: Assmann/Schneider/Assmann, 6. Aufl. 2012, § 14 Rn. 15; Bachmann
§ 16 Weitere kapitalmarktrechtliche Verhaltenspflichten
263
I. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG Bei der Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist allerdings zu beachten, dass die jeweilige Transaktion unter Verwendung einer Insiderinformation erfolgt sein muss. Dieses Tatbestandsmerkmal stellt sicher, dass nicht jedes Erwerben oder Veräußern von Insiderpapieren in Kenntnis einer Insiderinformation erfasst wird; erforderlich ist vielmehr, dass die Insiderinformation kausal für den Erwerb oder die Veräußerung ist.274 Die Ursächlichkeit ist beispielsweise dann zu verneinen, wenn bei außerbörslichen Transaktionen beide Parteien Kenntnis von der Insiderinformation haben.275 Da ein Aktiendarlehen als solches nicht eingesetzt werden kann, um mit möglichen Kursveränderungen der übertragenen Aktien Gewinn zu erzielen, ist bei isolierter Betrachtung das Merkmal des „Verwendens“ nicht erfüllt.276 Dient das Aktiendarlehen aber der Finanzierung eines Leerverkaufs, wird mit dem Abschluss des Leerverkaufs bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen gegen das Insiderhandelsverbot verstoßen.277
II. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG verbietet es, Geschäfte vorzunehmen oder Kauf- oder Verkaufaufträge zu erteilen, die geeignet sind, falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Börsen- oder Marktpreis von Finanzinstrumenten zu geben oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen.278 In Konkretisierung dessen nennt § 3 Abs. 1 MaKonV Anzeichen für falsche oder irreführende Signale oder die Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus. Solche Anzeichen können gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 MaKonV insbesondere Geschäfte sein, die zu keinem Wechsel ZHR 173 (2009), S. 596, 636 f.; Hellner/Steuer/Hammen, BuB, Rn. 7/722; Schimansky/Bunte/Lwowski/Hopt, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 107 Rn. 35; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 142; Fuchs/Mennicke, 2009, § 14 Rn. 27; KölnKommWpHG/Pawlik, 2007, § 14 Rn. 39. Dies entspricht auch der Verwaltungspraxis der BaFin, siehe Emittentenleitfaden 2009, abrufbar unter www.bafin.de, III.2.2.1. – Zu § 20a WpHG: Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 636 f.; Fuchs/Fleischer, 2009, § 20a Rn. 44; KölnKommWpHG/Mock/Stoll/ Eufinger, 2007, § 20a Rn. 187; Assmann/Schneider/Vogel, 6. Aufl. 2012, § 20a Rn. 145. 274 Siehe nur Assmann/Schneider/Assmann, 6. Aufl. 2012, § 14 Rn. 25 ff.; Fuchs/Mennicke, 2009, § 14 Rn. 52 ff. 275 Assmann/Schneider/Assmann, 6. Aufl. 2012, § 14 Rn. 28. 276 Hellner/Steuer/Hammen, BuB, Rn. 7/731; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 142 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 16.161 (zu dem in der früheren Gesetzesfassung verwendeten Merkmal des „Ausnutzens“); siehe auch Schimansky/Bunte/ Lwowski/Hopt, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 107 Rn. 35. 277 Hellner/Steuer/Hammen, BuB, Rn. 7/731; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 143 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 16.161. 278 Zur Anwendung des § 20a WpHG auf Leerverkäufe Trüg NJW 2009, 3202, 3204 f.
264 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung des wirtschaftlichen Eigentümers eines Finanzinstruments führen. Derartige Wash Sales279 können marktmanipulativ sein, wenn sie – wegen des fehlenden Wechsels des wirtschaftlichen Eigentums ohne wirtschaftliche Relevanz – nur deshalb ausgeführt werden, um einen Umsatz und damit einen liquiden Markt vorzuspiegeln.280 Da Aktiendarlehen ebenfalls nicht zu einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums führen (dies verbleibt beim Darlehensgeber), läge es nahe, im Einzelfall den Abschluss eines Darlehensvertrages als Anzeichen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 MaKonV zu werten. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass sich Darlehensgeschäfte nicht auf die Bildung von Börsen- oder Marktpreisen auswirken können.281 Zudem erhöhen Aktiendarlehen tatsächlich die Marktliquidität und täuschen eine solche Erhöhung nicht nur vor.282 Auch die Begründung der MaKonV geht deshalb davon aus, dass Wertpapierdarlehen, die „außerhalb eines Marktes zwischen zwei Personen vereinbart und ausgeführt“ werden, kein Anzeichen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 3 MaKonV sind.283
B. Nutzung der für Kunden gehaltenen Aktien für Darlehensgeschäfte § 34a Abs. 1 und Abs. 2 WpHG ist an Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne des § 2 Abs. 4 WpHG284 adressiert, die über keine Erlaubnis für das Einlagengeschäft (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG) oder das Depotgeschäft (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 KWG) verfügen und damit nicht den aufsichtsrechtlichen Vorschriften des KWG oder des DepotG unterliegen. Diese Unternehmen werden dazu verpflichtet, Gelder und Wertpapiere, die sie für Kunden entgegennehmen, getrennt von den eigenen Beständen zu verwahren. Damit soll insbesondere das mit einer Insolvenz oder möglichen Untreuehandlungen für die Kunden verbundene Risiko minimiert werden.285 Über den von diesen Vorschriften verfolgten Zweck hinausgehend gilt § 34a Abs. 4 WpHG nicht nur für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, 279
Fuchs/Fleischer, 2009, § 20a Rn. 53. Schwark/Zimmer/Schwark, 4. Aufl. 2010, § 20a Rn. 48 Assmann/Schneider/Vogel, 6. Aufl. 2012, § 20a Rn. 145; Park/Sorgenfrei, Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl. 2013, Teil 3, Kapitel 4, A. §§ 20 a, 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 1–2, Abs. 2 Nr. 11 Abs. 4 WpHG Verbot der Marktmanipulation Rn. 151; Assmann/Schneider/Vogel, 6. Aufl. 2012, § 20a Rn. 162. 281 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 637; Fuchs/Fleischer, 2009, § 20a Rn. 53; KölnKommWpHG/Mock/Stoll/Eufinger, 2007, § 20a Anh. I – § 3 MaKonV Rn. 22. Zur Abgrenzung auch Park/Sorgenfrei, Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl. 2013, Teil 3, Kapitel 4, A. §§ 20 a, 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 1–2, Abs. 2 Nr. 11 Abs. 4 WpHG Verbot der Marktmanipulation Rn. 151. 282 Zur Bedeutung von Aktiendarlehen für die Marktliquidität siehe S. 53 ff. 283 BR-Drs. 18/05 S. 15. 284 Zu der Frage, ob Abschluss und Vermittlung von Aktiendarlehen eine Wertpapierdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 3 WpHG darstellen können, siehe oben S. 210 f. 285 Siehe nur Fuchs/Fuchs, 2009, § 34a Rn. 1. 280
§ 16 Weitere kapitalmarktrechtliche Verhaltenspflichten
265
die über keine Erlaubnis für das Depotgeschäft verfügen und die deshalb Finanzinstrumente nach Maßgabe des § 34a Abs. 2 WpHG unverzüglich an ein geeignetes Institut weiterleiten müssen.286 Daneben ist er auch an alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen adressiert, die Finanzinstrumente nach den Vorschriften des Depotgesetzes für Kunden halten. Gemäß § 34a Abs. 4 S. 1 WpHG dürfen diese Unternehmen derartige Finanzinstrumente nur unter genau festgelegten Bedingungen, denen der Kunde im Voraus ausdrücklich zugestimmt hat,287 für eigene Rechnung oder für Rechnung eines anderen Kunden nutzen. Diese Nutzungsmöglichkeit erstreckt sich insbesondere auf Vereinbarungen über Wertpapierfinanzierungsgeschäfte nach Art. 2 Abs. 10 der Durchführungsverordnung 1287/2006.288 Davon sind gemäß Art. 2 Nr. 10 der Verordnung auch Wertpapierdarlehen erfasst. Werden die Finanzinstrumente in Sammeldepots bei einem Dritten verwahrt, sind gemäß § 34a Abs. 4 S. 2 WpHG für eine Nutzung zusätzlich die ausdrückliche Zustimmung aller anderen Kunden des Sammeldepots oder Systeme und Kontrolleinrichtungen erforderlich, mit denen die Beschränkung der Nutzung auf Finanzinstrumente gewährleistet ist, für die eine Zustimmung nach § 34a Abs. 4 S. 1 WpHG vorliegt. Für Privatkunden sieht § 34a Abs. 4 S. 3 WpHG vor, dass die Zustimmung nach den vorgenannten Vorschriften durch Unterschrift des Kunden oder auf gleichwertige Weise dokumentiert wird.
C. Meldepflichten nach § 9 WpHG Nach § 9 Abs. 1 S. 1 WpHG sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Zweigniederlassungen im Sinne von § 53b KWG verpflichtet, der BaFin jedes Geschäft in Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen oder in den regulierten Markt oder den Freiverkehr einer inländischen Börse einbezogen sind, mitzuteilen. § 9 WpHG wurde durch das 2. Finanzmarktförderungsgesetz in das WpHG eingefügt.289 Nach der 286 Auch bei Weiterleitung an ein geeignetes Institut nach § 34a Abs. 2 WpHG zur Verwahrung „hält“ das weiterleitende Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Finanzinstrumente für den Kunden, was die Einbeziehung in § 34a Abs. 4 WpHG erklärt. Unzutreffend daher Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 5.525 und Rn. 5.527; siehe auch Assmann/Schneider/Koller, 6. Aufl. 2012, § 34a Rn. 28. 287 Das Erfordernis der ausdrücklichen (nicht nur pauschalen) Zustimmung gilt auch gegenüber professionellen Kunden, Schwark/Zimmer/Fett, 4. Aufl. 2010, § 34a Rn. 26; Fuchs/ Fuchs, 2009, § 34a Rn. 26; Assmann/Schneider/Koller, 6. Aufl. 2012, § 34a Rn. 29. Daneben findet ggf. § 13 DepotG Anwendung, dazu Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 5.526. 288 Verordnung vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie, ABl. L 241 S. 1. 289 Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) vom 26. Juli 1994, BGBl. I S. 1749.
266 Kapitel 4: Kapitalmarktrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung Begründung des Regierungsentwurfs sollen es die Meldepflichten der BaFin erst ermöglichen, den Wertpapierhandel und die Einhaltung der durch das WpHG begründeten Pflichten effektiv zu überwachen.290 Ohne die auf diese Weise gewonnen Informationen sei die Behörde auf Zufallsfunde angewiesen und könne ihre gesetzliche Aufgabe nicht erfüllen. Der Begriff des „Geschäfts“ im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 1 WpHG wird durch Art. 5 S. 1 der Durchführungsverordnung 1287/2006 definiert. Nach dessen umständlicher Formulierung ist „ein Verweis auf ein Geschäft lediglich ein Verweis auf den Ankauf und den Verkauf von Finanzinstrumenten“. Art. 5 S. 2 lit. a) der Verordnung bestimmt weiter, dass sich Ankauf und Verkauf von Finanzinstrumenten nicht auf Wertpapierfinanzierungsgeschäfte „beziehen“. Unter Wertpapierfinanzierungsgeschäften sind gemäß Art. 2 Nr. 10 der Verordnung auch Wertpapierdarlehen zu verstehen. Diese sind somit nicht nach § 9 WpHG meldepflichtig.291 Wegen der unmittelbaren Anwendbarkeit der Durchführungsverordnung ist im Übrigen keine teleologische Reduktion des § 9 WpHG erforderlich.292
D. Aufzeichnungspflichten Umfassende Aufzeichnungspflichten werden Wertpapierdienstleistungsunternehmen durch § 34 WpHG und die daneben anwendbaren Art. 7 und 8 der Durchführungsverordnung 1287/2006 auferlegt. Auf den Inhalt dieser Pflichten soll in diesem Rahmen nicht im Einzelnen eingegangen werden.293 Es genügt festzuhalten, dass Aktiendarlehen sowohl von Art. 7 und 8 der Durchführungsverordnung294 als auch von § 34 Abs. 1 WpHG295 erfasst werden, so dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen entsprechende Aufzeichnung zu erstellen haben. 290
BT-Drs. 12/6679 S. 43. Im Ergebnis dürfte dies unstreitig sein: Assmann/Schneider/Döhmel, 6. Aufl. 2012, § 9 Rn. 22; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 195; Schwark/Zimmer/v. Hein, 4. Aufl. 2010, § 9 Rn. 51; Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 39; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 7.27; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 238; Fuchs/Schlette/Bouchon, 2009, § 9 Rn. 35; Zerey/Storck, Finanzderivate, 3. Aufl. 2013, § 13 Rn. 26. 292 So zutreffend Schwark/Zimmer/v. Hein, 4. Aufl. 2010, § 9 Rn. 51 gegen Fuchs/ Schlette/Bouchon, 2009, § 9 Rn. 35. 293 Dazu statt aller Fuchs/Fuchs, 2009, § 34 Rn. 7 ff. 294 Dies folgt aus Art. 5 der Verordnung, nach dem für Kapitel II (zum dem die Art. 7 und 8 gehören) Wertpapierfinanzierungsgeschäfte als Ausnahme von der allgemeinen Regel unter den Begriff des „Geschäfts“ im Sinne der Verordnung zu subsumieren sind. 295 Veröffentlichung des Verzeichnisses der Mindestaufzeichnungspflichten gemäß § 34 Abs. 5 WpHG durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Mitteilung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 21. April 2008 (WA 11 – FR 4407 – 2007/0020), Nr. 30. 291
Kapitel 5
Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung von Aktien § 17 Die gesellschaftsrechtliche Zuordnung der Aktionärsrechte A. Die gesellschaftsrechtliche Zuordnung der Vermögensrechte Die in den Aktien verkörperten Vermögensrechte, wie der in § 58 Abs. 4 AktG geregelte Anspruch auf den Bilanzgewinn, das bei Ausgabe neuer Aktien gemäß § 186 AktG bestehende Bezugsrecht und das von § 271 AktG vorgesehene Recht auf den Liquidationserlös, stehen dem Darlehensnehmer als Aktionär zu und können nur von ihm geltend gemacht werden.1 Die übliche Gestaltung von Aktiendarlehensverträgen sieht vor, dass der Darlehensgeber durch Kompensationszahlungen des Darlehensnehmers während der Vertragslaufzeit wirtschaftlich so gestellt wird, als sei er Eigentümer der Aktien. Der geschuldete Ausgleich umfasst dabei alle auf die Aktien erbrachten Leistungen.2 Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ist diese Gestaltung unbedenklich.3 Wie alle Mitgliedschaftsrechte sind zwar auch die Vermögensrechte akzessorisch, d. h. in Entstehung, Erlöschen und Übertragbarkeit an die Mitgliedschaft geknüpft.4 Die Akzessorietät hinsichtlich der Übertragbarkeit der Mitgliedschaftsrechte bedeutet insbesondere, dass einzelne dieser Rechte nicht von der Mitgliedschaft abgespalten werden können. Dieses Abspaltungsverbot wird aus § 8 Abs. 5 AktG, der die Unteilbarkeit der Aktien anordnet, und aus § 717 S. 1 BGB als allgemeinem Rechtsgedanken abgeleitet, der die Schranken der Privatautonomie im Verbandsrecht zum Ausdruck bringt.5 Während deshalb zum Beispiel der Anspruch auf den Bilanzgewinn nicht 1 Das ist (für alle Aktionärsrechte) unstreitig, siehe etwa Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 610; Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band II, 1995, S. 25; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 118 Rn. 15 (zum Teilnahmerecht an der Hauptversammlung). 2 Zur Vertragsgestaltung siehe S. 187 f. 3 So auch Fleischer ZGR 2008, 185, 216; Merkner/Sustmann NZG 2010, 1170, 1173; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 157. 4 MünchKommAktG/Heider, 3. Aufl. 2008, § 11 Rn. 7. 5 Dazu etwa KölnKommAktG/Dauner-Lieb, 3. Aufl. 2010, § 8 Rn. 44; Flume, Die juristische Person, 1983, § 7 II 1; MünchKommAktG/Heider, 3. Aufl. 2008, § 8 Rn. 89; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 8 Rn. 29; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 19 III 4.
268 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung isoliert übertragen werden kann, ist der konkrete Anspruch auf Dividendenzahlung, der durch den Beschluss über die Gewinnverwendung nach § 174 AktG entsteht, als Gläubigerrecht abtretbar.6 Vom Abspaltungsverbot nicht erfasst werden ferner Vereinbarungen, die nicht auf eine dinglich wirkende Übertragung einzelner Vermögensrechte gerichtet sind, sondern lediglich schuldrechtlich, d. h. im Innenverhältnis zwischen den Parteien, wirken sollen.7 Um eine solche unbedenkliche Vereinbarung handelt es sich auch beim Aktiendarlehen.8
B. Die gesellschaftsrechtliche Zuordnung der Verwaltungsrechte I. Grundlagen 1. Der Darlehensnehmer als Aktionär Auch die Verwaltungsrechte des Aktionärs, also insbesondere das Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung gemäß § 118 AktG, das Auskunftsrecht in der Hauptversammlung nach § 131 AktG, das in den §§ 12, 133 ff. AktG geregelte Stimmrecht, die im Aktiengesetz vorgesehenen Minderheitsrechte sowie das Anfechtungsrecht nach § 245 Nr. 1–3 AktG sind akzessorisch zur Mitgliedschaft; für sie gilt ebenfalls das Abspaltungsverbot.9 Keinen Verstoß gegen das Abspaltungsverbot stellen Gestaltungen dar, die nicht auf eine dinglich wirksame, mit Außenwirkung versehene Übertragung von Verwaltungsrechten gerichtet sind, wie die Erteilung von Vollmachten und die Überlassung von einzelnen Rechten an einen Dritten zur Ausübung.10 Grundsätzlich zulässig sind im Übrigen auch solche schuldrechtlichen Vereinbarungen, die nicht auf eine Überlassung von Rechten an einen Dritten gerichtet sind, sondern stattdessen einem Dritten Einfluss auf die Ausübung von Verwaltungsrechten einräumen. Zu nennen sind insoweit in erster Linie Stimmbindungsverträge, deren Wirksamkeit jedenfalls im Ausgangspunkt anerkannt ist.11 Soweit das Abspaltungsverbot betroffen ist, ist die Beurteilung des Aktiendarlehens aus gesellschaftsrechtlicher Sicht damit unproblematisch: Da der Darlehensnehmer Eigentum an den darlehensweise überlassenen Aktien erlangt, findet keine Abspaltung von Mitgliedschaftsrechten statt.12 Auch wäre es dem Darlehensgeber nicht möglich, sich etwa das Stimmrecht mit 6
MünchKommAktG/Heider, 3. Aufl. 2008, § 8 Rn. 90. Ausdrücklich zum Aktiendarlehen auch Kort WM 2006, 2149, 2151. 8 So auch OLG München NZG 2007, 192, 196; Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 45. 9 Siehe S. 267. 10 Statt aller KölnKommAktG/Dauner-Lieb, 3. Aufl. 2010, § 8 Rn. 50. 11 MünchKommAktG/Heider, 3. Aufl. 2008, § 12 Rn. 22; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994, S. 66 ff.; Zöllner ZHR 155 (1991), 168, 170 ff. 12 Fleischer ZGR 2008, 185, 216; Merkner/Sustmann NZG 2010, 1170, 1173; OsterlohKonrad ZGR 2012, 35, 45; Theusinger/Möritz NZG 2010, 607, 608. 7
§ 17 Die gesellschaftsrechtliche Zuordnung der Aktionärsrechte
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dinglicher Wirkung vorzubehalten und die Aktie nur mit den übrigen Aktionärsrechten auf den Darlehensnehmer zu übertragen. Die Verwaltungsrechte stehen somit ohne weiteres dem Darlehensnehmer als Aktionär zu.13 Die Parteien sind im Grundsatz aber frei, dem Darlehensgeber vertraglich Mitspracherechte bei der Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer einzuräumen, indem sie den Darlehensvertrag um eine Stimmbindungsvereinbarung ergänzen.14 Auch eine sogenannte weitergeleitete Stimmrechtsbindung ist zulässig, d. h. die Vereinbarung einer Pflicht des Darlehensnehmers, bei Weiterveräußerung der Aktien seinen Abnehmer ebenfalls im Sinne einer Stimmrechtsbindung zugunsten des Darlehensgebers zu verpflichten.15 Zulässig sind daneben auch die Bevollmächtigung des Darlehensgebers durch den Darlehensnehmer nach § 134 Abs. 3 S. 1 AktG16 sowie die Legitimationsübertragung gemäß § 129 Abs. 3 AktG.17 Während bei einer Legitimationsübertragung der Darlehensgeber das Stimmrecht im eigenen Namen ausübt, muss er beim Handeln im fremden Namen die Identität des vertretenen Darlehensnehmers grundsätzlich offenlegen, wie sich aus § 129 Abs. 1 S. 2 AktG ergibt.18 Als Ausnahme davon ist nach § 129 Abs. 2 AktG die verdeckte Stellvertretung zulässig, wenn der Darlehensgeber ein Kreditinstitut ist oder – für Aktiendarlehen kaum relevant – die Voraussetzungen des § 135 Abs. 8 AktG erfüllt.19 Eine ausdrückliche Stimmbindung wird freilich in der Praxis regelmäßig nicht vereinbart; gleiches gilt für eine Bevollmächtigung des Darlehensgebers.20
2. Empty Voting als gesellschaftsrechtliches Regelungsproblem a) Die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer als Empty Voting In der Praxis kommt eine Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer zumeist nicht in Betracht, da Aktiendarlehensverträge in der Regel zur Verfolgung anderer Zwecke abgeschlossen werden, insbesondere zur Erfüllung eigener Lieferverpflichtungen, wie etwa bei einem Leerverkauf. In alldiesen Fällen stellen sich keine weitergehenden gesellschaftsrechtlichen Fra13 Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 36; Kort DB 2006, 1546, 1546; Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1416. 14 Dazu auch Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band I, 1994, S. 50. 15 Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1371. 16 Zur Frage, ob eine unwiderrufliche, verdrängende Vollmacht mit dem Abspaltungsverbot vereinbar ist, siehe unten S. 280 ff. 17 Speziell zum Aktiendarlehen Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 611. 18 Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 129 Rn. 3, 11. 19 Allgemein dazu Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 129 Rn. 11. 20 Zur Vertragspraxis siehe S. 187 f.
270 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung gen.21 Anderes gilt nur dann, wenn das Aktiendarlehen vom Darlehensnehmer strategisch, d. h. gerade dazu genutzt wird, um sich zeitweise das Stimmrecht zu verschaffen.22 Auch wenn die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer unter dem Gesichtspunkt des Abspaltungsverbots unbedenklich ist, stellt sie doch Empty Voting in dem in Kapitel 2 beschriebenen Sinn dar.23 Wegen des Rückerstattungsanspruchs gemäß § 607 Abs. 1 S. 2 BGB und der zivilrechtlichen Zuordnung der in den Aktien verkörperten Vermögensrechte zum Darlehensgeber ist das Stimmrecht des Darlehensnehmers risikoentleert.24 Denn im Ergebnis wird der Darlehensgeber schuldrechtlich so gestellt, als sei er weiterhin Eigentümer der Aktien; der Darlehensnehmer ist von den wirtschaftlichen Chancen und Risiken des Aktieneigentums entkoppelt. Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum wird Empty Voting ebenfalls als gesellschaftsrechtliches Regelungsproblem betrachtet.25 Spezifisch zum Aktiendarlehen weist beispielsweise Bachmann darauf hin, dass bei einer Ausübung des Stimmrechts durch einen Darlehensnehmer das Selbstbetroffenheitsgebot berührt sei, da der Darlehensnehmer von den Folgen seiner Abstimmung nicht oder nur disproportional betroffen werde.26 Es handle sich um einen Vertrag mit Drittlastwirkung; ein Ausgleich etwaiger Wertverluste gegenüber dem Darlehensgeber würde wegen Kollektivhandlungsproblemen kaum je vereinbart werden und würde im übrigen die Nachteile für die Gesellschaft und die anderen Aktionäre nicht ausgleichen.27 Auch Kumpan und Mittermeier sehen in dem Auseinanderfallen von Stimmrecht und Residualanspruch die Gefahr, dass gesellschaftsfremde Zwecke wie die Verschaffung von Sondervorteilen verfolgt werden.28 Umgekehrt fördere ein Zusammenfallen von Residualrisiko und Stimmrecht Entscheidungen im Gesellschaftsinteresse und verhindere Zufallsergebnisse.29 b) Die Ergebnisse der ökonomischen Analyse Betrachtet man die Ergebnisse der ökonomischen Analyse,30 so besteht im Grundsatz Einigkeit darüber, dass in den Fällen, in denen Aktionären ein Entscheidungsrecht zukommt, dies mit ihrer Restbetragsbeteiligung zu begründen ist. Das proportionale Aktionärsstimmrecht wird so mit der An21 Zutreffend Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band II, 1995, S. 23; Merkner/Sustmann NZG 2010, 1170, 1171. 22 Zu diesem Einsatzzweck des Aktiendarlehens siehe bereits S. 43. 23 Zur Begrifflichkeit siehe S. 69 ff. 24 Siehe S. 72. 25 Siehe dazu und zu den in der Literatur befürworteten Regulierungsansätzen S. 318 ff. 26 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 613. 27 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 613. 28 Kumpan/Mittermeier ZIP 2009, 404, 405. 29 Kumpan/Mittermeier ZIP 2009, 404, 409. 30 Dazu S. 69 ff. und insbesondere S. 94 ff.
§ 17 Die gesellschaftsrechtliche Zuordnung der Aktionärsrechte
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reizfunktion gerechtfertigt, die sich aus der Verknüpfung von Kapitaleinsatz und Stimmrecht ergibt. Ergänzen lässt sich diese Rechtfertigung durch die Überlegung, dass dem Aktionärsstimmrecht auch die Funktion der Fehlerkorrektur zukommt. Die Gruppe der Aktionäre hat, verglichen mit anderen Anspruchsberechtigten, den größten Anreiz, den Aktienkurs als Signal für die Qualität der Unternehmensführung zu überwachen. Ein weiterer Grund für die Zuordnung des Stimmrechts zu den Aktionären ist, dass sich nur so eine hinreichende Interessenhomogenität der Abstimmenden erreichen lässt. Die Schaffung und Ausübung risikoentleerter Stimmrechte ist damit aus ökonomischer Sicht grundsätzlich negativ zu bewerten. Für die Auslegung und Anwendung der lex lata kann freilich nicht unmittelbar auf die Ergebnisse der ökonomischen Analyse abgestellt werden. Vielmehr ist zu fragen, ob und inwieweit sich diese aus dem Gesetz und den diesem zugrunde liegenden Wertungen ableiten lassen.31 Insoweit kann zunächst darauf abgestellt werden, dass das Aktiengesetz das Stimmrecht den Aktionären als den Inhabern des Residualanspruchs und nicht etwa einer anderen Gruppe von Anspruchsberechtigten zugewiesen hat. Die grundsätzliche Verknüpfung von Stimmrecht und Kapitaleinsatz ist damit gesetzlich vorgegeben. Aus dieser Verknüpfung folgt weiter, dass es nach geltendem Recht zumindest problematisch erscheint, für eine Zulässigkeit der Ausübung risikoentleerter Stimmrechte auf mögliche volkswirtschaftliche Vorteile (wie insbesondere die bei einem „Stimmenkauf“ durch besser informierte Marktteilnehmer entstehenden) zu verweisen, die Nachteile für einzelne Aktionäre unter Umständen ausgleichen könnten.32 Zudem ist stets zu berücksichtigen, dass es auch bei einem Verbot des Handels mit risikoentleerten Stimmrechten besser informierten Marktteilnehmern ohne weiteres möglich und vom Gesetz als Normalfall vorgesehen ist, Stimmrechte in Verbindung mit dem wirtschaftlichen Interesse zu erwerben. Dies ist auf den ersten Blick wegen der erforderlichen Erbringung des Kaufpreises mit höheren Kosten verbunden als die Verschaffung von risikoentleerten Stimmrechten durch Aktiendarlehen. Nicht vergessen werden darf jedoch, dass auch ein Aktiendarlehen wegen der erforderlichen Bestellung von Sicherheiten Liquidität des Darlehensnehmers in mindestens gleichem Umfang (vorübergehend) bindet. Dass das Halten von Aktien zudem wegen des positiven wirtschaftlichen Interesses mit einem höheren Risiko verbunden ist als das Halten von risikoentleerten Stimmrechten, ist vom Gesetz gerade gewollt, wie sich aus der von diesem angeordneten Verknüpfung von Stimmrecht und Kapitaleinsatz ergibt. Eine weitere, für die gesellschaftsrechtliche Behandlung der Ausübung risikoentleerter Stimmrechte bedeutsame Wertung lässt sich dem Grundsatz 31 Dazu etwa Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 2. Aufl. 1998, S. 451 ff.; Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 64; Taupitz AcP 196 (1996) S. 114, 127 f. 32 So zurecht Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 127, 155 (2009).
272 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung der Verbandsautonomie entnehmen. Dieser schützt den Verband vor Fremdbestimmung und stellt sicher, dass nur Mitglieder an der Willensbildung des Verbands teilnehmen.33 Aus diesen allgemeinen Überlegungen lassen sich für die rechtliche Einordnung des Empty Voting allerdings noch keine konkreten Leitlinien gewinnen. Es ist daher im Einzelnen zu untersuchen, wie das Aktienrecht Fälle behandelt, in denen Stimmrecht und wirtschaftliches Interesse auseinanderfallen. Wie bereits festgestellt, ist die durch eine Entkopplung von Stimmrecht und wirtschaftlichem Risiko verursachte Heterogenität der Aktionärsinteressen kein Einzelfall; vielmehr gibt es weitere Fälle, in denen Aktionäre typischerweise Interessen verfolgen, die nicht mit dem Ziel der Maximierung des shareholder value übereinstimmen.34 In die folgenden Überlegungen ist daher auch einzubeziehen, wie derartige Konstellationen vom Aktienrecht behandelt werden, d. h., welche Instrumente das Aktienrecht bereitstellt, um eine möglichst weitgehende Homogenität der Aktionärsinteressen sicherzustellen, und welche Regelungen eingreifen, wenn Interessenkonflikte die beschriebene Funktion des Stimmrechts gefährden.
3. Regelungen, die heterogene Aktionärsinteressen erfassen sollen a) Schranken für die Stimmrechtsausübung bei Interessenkonflikten In bestimmten Fällen zieht ein Konflikt zwischen den persönlichen Interessen eines Gesellschafters und dem Gesellschaftsinteresse ein Stimmverbot nach sich. Zu unterscheiden sind die beweglichen, eine Bewertung des konkreten Einzelfalles voraussetzenden Stimmrechtsschranken, die von der ganz herrschenden Meinung aus den sogenannten Treuepflichten abgeleitet werden,35 und die für bestimmte, eng umgrenzte Fälle gesetzlich normierte Schranke des Stimmrechtsausschlusses.36 Das AktG enthält Stimmverbote, die bei Interessenkonflikten eingreifen sollen, in § 136 Abs. 1 und § 142 Abs. 1 S. 2 AktG. So kann nach § 136 Abs. 1 S. 1 AktG niemand für sich oder für einen anderen das Stimmrecht ausüben, wenn darüber Beschluss gefasst wird, ob er zu entlasten oder von einer Verbindlichkeit zu befreien ist oder ob die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll. Bei der Beschlussfassung über die Bestellung eines Sonderprüfers kann gemäß § 142 Abs. 1 S. 2 AktG ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats weder für sich noch für einen anderen mitstimmen, wenn die Prüfung sich auf Vorgänge erstrecken soll, die mit der Entlastung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder der Einleitung eines Rechtsstreits zwi33 Grundlegend dazu Flume, Die juristische Person, 1983, § 7 I 3 und § 7 II 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 5 I 3. 34 Siehe oben S. 79 f. 35 Dazu noch unten S. 295 ff. 36 Grundlegend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 21 II 2 a).
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schen der Gesellschaft und einem Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zusammenhängen. Auf die Stimmrechtsausübung durch einen Darlehensnehmer sind diese Normen nicht unmittelbar anwendbar. Auch ein Rechtsgrundsatz, dass Interessenkonflikte generell, d. h. unabhängig vom Inhalt des jeweiligen Beschlusses, ein Stimmrechtsverbot nach sich ziehen, lässt sich aus ihnen nicht ableiten. Es ist zwar umstritten, ob sich aus den gesetzlichen Stimmverboten ein allgemeines verbandsrechtliches Prinzip ableiten lässt,37 nach dem beispielsweise auch der im AktG nicht mehr geregelte Fall eines Rechtsgeschäfts zwischen Gesellschafter und Gesellschaft38 ein Stimmverbot nach sich zieht. Jedoch wollen selbst die Vertreter der insoweit am weitesten gehenden Ansicht keine konturlose Ausdehnung eines solchen allgemeinen Prinzips auf alle denkbaren Interessenkonflikte. So führt insbesondere K. Schmidt die gesellschaftsrechtlichen Stimmverbote auf zwei Grundgedanken zurück, nämlich das Verbot eines Insichgeschäfts und das Verbot, als Richter in eigener Sache zu entscheiden.39 Bei der Stimmrechtsausübung durch einen Aktionär, der kein oder ein negatives wirtschaftliches Interesse aufweist, ist weder ein Richten in eigener Sache noch ein Insichgeschäft gegeben. Gegen eine mögliche Ausdehnung von ungeschriebenen Stimmverboten über die soeben genannten Grundgedanken hinaus spricht, dass sich dann die Tatbestände, in denen ein Stimmverbot greifen soll, kaum noch konkret fassen ließen, was zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen würde.40 Zudem sind die Stimmverbote stets im Kontext der inhaltlichen Beschränkung der Stimmrechtsmacht durch die Treuepflicht zu sehen; wie K. Schmidt zutreffend ausführt, machen es erst diese inhaltlichen Grenzen erträglich, „dass das Gesetz keinen generellen Stimmrechtausschluss bei jeder Kollision zwischen Eigeninteresse und Gesellschaftsinteresse ausspricht“.41 37 So insbesondere K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 21 II 2 b); Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 47 Rn. 99. Kritisch etwa GroßKommAktG/Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 136 Rn. 40; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 136 Rn. 18; MünchKommAktG/Schröer, 3. Aufl. 2013, § 136 Rn. 21; Semler, in: MünchHdbGesR, Bd. 4, 3. Aufl. 2007, § 38 Rn. 31; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 161 ff. 38 Ein Stimmverbot sah § 252 Abs. 3 HGB a. F. vor. Für ein Stimmverbot in diesem Fall insbesondere K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 21 II 2 b) Beispiel Nr. 6. Anders GroßKommAktG/Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 136 Rn. 40; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 136 Rn. 18; MünchKommAktG/Schröer, 3. Aufl. 2013, § 136 Rn. 21. 39 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 21 II 2 a); Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 47 Rn. 102; zustimmend MünchKommBGB/Reuter, 6. Aufl. 2012, § 34 Rn. 3. 40 Flume, Die juristische Person, 1983, § 7 V 2; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 21 II 2 a); MünchKommAktG/Schröer, 3. Aufl. 2013, § 136 Rn. 21; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 161. 41 Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl 2007, § 47 Rn. 99.
274 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung Auch wenn damit die Stimmverbote für das Problem des Empty Voting keine unmittelbare Bedeutung haben,42 ist dennoch der ihnen zugrundeliegende Regelungszweck für die weiteren Überlegungen aufschlussreich: Die Stimmverbote dienen der Verbandsautonomie, indem sie sicherstellen, dass die Entscheidungsfindung durch die Mitglieder des Verbands auf das Interesse der juristischen Person gerichtet ist.43 Zwar verfolgt jedes Mitglied stets auch Eigeninteressen und darf diese grundsätzlich auch frei von Bindungen verfolgen; in bestimmten Fällen dürfen diese Interessen jedoch nicht in die Entscheidungsfindung einfließen. In der Formulierung Flumes ist die Verbandsautonomie im Hinblick auf die Entscheidungsfindung durch die Mitglieder „so zu verstehen, dass das Mitglied sehr wohl aus der Sicht seines Interesses das Stimmrecht ausüben darf. Nur darf es nicht sein Interesse anstatt des Interesses der juristischen Person verfolgen“.44 Die Stimmverbote dienen damit genauso wie die Treuepflicht der Richtigkeitsgewähr der Willensbildung des Verbands.45 b) Der Stimmenkauf als Ordnungswidrigkeit nach § 405 AktG Stimmenkauf und -verkauf im eigentlichen Sinne stellen nach § 405 Abs. 3 Nr. 6 und 7 AktG eine Ordnungswidrigkeit dar. Der Stimmenverkauf setzt nach § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG voraus, dass jemand besondere Vorteile als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei einer Abstimmung in der Hauptversammlung oder in einer gesonderten Versammlung nicht oder in einem bestimmten Sinne stimme. Ein Stimmenkauf ist gemäß § 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG gegeben, wenn jemand besondere Vorteile als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass jemand bei einer Abstimmung in der Hauptversammlung oder in einer gesonderten Versammlung nicht oder in einem bestimmten Sinne stimme. Vorausgesetzt ist damit – ähnlich wie bei den Bestechungsdelikten nach den §§ 331 ff. StGB46 – das Zustandekommen (oder zumindest das Angebot) einer Unrechtsvereinbarung zwischen den Beteiligten, die den besonderen Vorteil als Gegenleistung für eine bestimmte Stimmrechtsausübung (oder für die Nichtausübung) vorsieht.47 Einer der Beteiligten muss daher zwingend Aktionär 42 Siehe auch Fleischer ZGR 2008, 185, 216; Merkner/Sustmann NZG 2010, 1170, 1173; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 169 f.; Wentrup, Die Kontrolle von Hedgefonds, 2009, S. 157. 43 Flume, Die juristische Person, 1983, § 7 V 1. 44 Flume, Die juristische Person, 1983, § 7 V 1. 45 Der Begriff der „Richtigkeitsgewähr“ wurde in diesem Zusammenhang von K. Schmidt eingeführt, siehe K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 16 I 2 und § 21 II 2 a); Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl 2007, § 47 Rn. 100. 46 KölnKommAktG/Altenhain, 3. Aufl. 2013, § 405 Rn. 57; Spindler/Stilz/Hefendehl, 2. Aufl. 2010, § 405 Rn. 60; Erbs/Kohlhaas/Schaal, Strafrechtliche Nebengesetze, 2008, AktG § 405 Ordnungswidrigkeiten Rn. 50. 47 GroßKommAktG/Otto, 4. Aufl. 1997, § 405 Rn. 128 ff.; Erbs/Kohlhaas/Schaal, Strafrechtliche Nebengesetze, 2008, AktG § 405 Ordnungswidrigkeiten Rn. 54 und 58.
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oder sonst stimmberechtigt sein.48 Nicht zum Tatbestand gehört, dass das Stimmrecht tatsächlich in der entsprechenden Weise ausgeübt wird; die Tat ist also bereits mit der Ausführung einer der im Gesetz genannten Tathandlungen vollendet.49 § 405 Abs. 3 Nr. 6 und 7 AktG dienen dem Schutz einer unverfälschten Willensbildung der Aktiengesellschaft im Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre.50 Denn das von diesen Tatbeständen erfasste Verhalten begründet die Gefahr, dass die Stimmrechtsausübung nicht im Gesellschaftsinteresse erfolgt und damit ein Vermögensrisiko, für das möglicherweise nur der Stimmenverkäufer kompensiert wird.51 Die Bußgeldbewehrung dient also genauso wie die bereits angesprochenen, bei bestimmten Interessenkonflikten eingreifenden Stimmverbote der Verbandsautonomie, und sollen wie diese sicherstellen, dass die Entscheidungsfindung durch die Aktionäre auf das Interesse der Gesellschaft gerichtet ist.52 Die Tatbestände des § 405 Abs. 3 Nr. 6 und 7 AktG erfassen das Aktiendarlehen nicht, da der Darlehensnehmer aufgrund des Darlehensvertrages das Eigentum an den Aktien erwirbt.53 Dennoch zeigen die beiden Bußgeldtatbestände, dass eine Einflussnahme auf den Willensbildungsprozess der Gesellschaft, die durch einen besonderen Vorteil erreicht wird, der nicht allen Aktionären zusteht, aus Sicht des Aktiengesetzes nicht hinnehmbar ist. Eine derartige Einflussnahme ist zwar mit Empty Voting nicht unmittelbar gleichzustellen, da der „gekaufte“ Aktionär in den Fällen des § 405 Abs. 3 Nr. 6 und 7 AktG bei formaler Betrachtung nach wie vor Inhaber des Stimmrechts ist. Nicht zu verkennen ist jedoch, dass der Stimmenkauf genauso wie das Empty Voting die Homogenität der Aktionärsinteressen zu 48 Spindler/Stilz/Hefendehl, 2. Aufl. 2010, § 405 Rn. 61; GroßKommAktG/Otto, 4. Aufl. 1997, § 405 Rn. 121; Erbs/Kohlhaas/Schaal, Strafrechtliche Nebengesetze, 2008, AktG § 405 Ordnungswidrigkeiten Rn. 5. 49 Erbs/Kohlhaas/Schaal, Strafrechtliche Nebengesetze, 2008, AktG § 405 Ordnungswidrigkeiten Rn. 53. 50 KölnKommAktG/Altenhain, 3. Aufl. 2013, § 405 Rn. 54; Spindler/Stilz/Hefendehl, 2. Aufl. 2010, § 405 Rn. 36; Hölters/Müller-Michaels, 2011, § 405 Rn. 40; GroßKommAktG/Otto, 4. Aufl. 1997, § 405 Rn. 60; MünchKommAktG/Schaal, 3. Aufl. 2011, § 405 Rn. 146 und 166; Erbs/Kohlhaas/Schaal, Strafrechtliche Nebengesetze, 2008, AktG § 405 Ordnungswidrigkeiten Rn. 50 und 55. 51 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 614; KölnKommAktG/Geilen, 1. Aufl. 1985, § 405 Rn. 129; Spindler/Stilz/Hefendehl, Aktiengesetz, 2. Aufl. 2010, § 405 Rn. 60; Meyer AG 1966, 109, 113. 52 Dazu oben S. 272 ff. 53 Claussen/Ekkenga, Bank- und Börsenrecht, 4. Aufl. 2008, § 6 Rn. 205; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 159 f.; GroßKommAktG/Otto, 4. Aufl. 1997, § 405 Rn. 127. – A. A. Claussen, Bank- und Börsenrecht, 3. Aufl. 2003, § 9 Rn. 209 („anhand der jeweiligen Vertragslage zu entscheiden“); Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 128 („In Ausnahmefällen erscheint ein solcher Stimmrechtskauf im Zusammenhang mit einem Wertpapierdarlehen oder Wertpapierpensionsgeschäft denkbar.“).
276 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung beeinträchtigen droht. Dies ist gerade deshalb von Bedeutung, da § 405 Abs. 3 AktG in seinen Nr. 2 und 3 Umgehungstatbestände enthält, deren Anwendbarkeit auf das Aktiendarlehen umstritten ist. Darauf soll in einem gesonderten Abschnitt eingegangen werden.54 c) Konzernrecht Zu den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Instrumenten, die bestimmte Fälle von heterogenen Aktionärsinteressen erfassen sollen, gehört auch das Konzernrecht. Zentraler Begriff des Aktienkonzernrechts ist, wie sich bereits aus den §§ 15 ff. AktG ergibt, der des Unternehmens.55 Bei aller rechtspolitischer Kritik,56 auf die in diesem Rahmen nicht eingegangen werden kann, besteht doch Einigkeit darüber, dass de lege lata zwischen dem Unternehmensgesellschafter, der ein unternehmerisches Fremdinteresse aufweist, und dem Privatgesellschafter, der kein entsprechendes Fremdinteresse hat, zu unterscheiden ist.57 Auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers rechtfertigt nur der bei einem Unternehmensgesellschafter begründete Konzernkonflikt das Eingreifen der (insoweit als Schutzrecht verstandenen58) konzernrechtlichen Vorschriften.59 So hat der BGH in seiner grundlegenden VEBA/Gelsenberg-Entscheidung unter Berufung auf die Vorstellungen der Gesetzesverfasser ausgeführt, von einem Privatgesellschafter, dessen wirtschaftliche Tätigkeit sich auf dieses eine Unternehmen beschränkt, werde erwartet, dass er im Regelfall das Interesse dieses Unternehmens als sein eigenes betrachten oder jedenfalls keine ihm zuwiderlaufenden Sonderinteressen verfolgen werde.60 Demgegenüber bestehe bei einem Aktionär, der sich auch außerhalb der Gesellschaft unternehmerisch betätigt, typischerweise eine größere Gefahr, dass er das Wohl der Gesellschaft individuellen Interessen opfern werde, weshalb das Gesetz für diese besondere Konfliktlage Vorkehrungen treffe. Zudem wies das Gericht darauf hin, dass eine noch so hohe Beteiligung an einer Ge54
Siehe unten S. 285 ff. Siehe nur Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 15 Rn. 6. 56 MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 15 Rn. 7 ff.; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 15 Rn. 7; MünchKommHGB/Mülbert, 3. Aufl. 2012, Konzernrecht Rn. 36 f.; Spindler/Stilz/Schall, Aktiengesetz, 2. Aufl. 2010, Vorbemerkung zu den §§ 15 ff Rn. 28; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 17 II 3. 57 Siehe nur MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 15 Rn. 13 f.; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 15 Rn. 8 ff.; MünchKommHGB/Mülbert, 3. Aufl. 2012, Konzernrecht Rn. 34. 58 Dazu MünchKommHGB/Mülbert, 3. Aufl. 2012, Konzernrecht Rn. 35; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 17 II 1. 59 Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 41 f. und S. 408; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 15 Rn. 6. 60 BGHZ 69, 334, 337 = BGH NJW 1978, 104, 104. 55
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sellschaft den Inhaber allein noch nicht zum herrschenden Unternehmen mache; vielmehr müsse eine wirtschaftliche Interessenbindung außerhalb der Gesellschaft hinzukommen, die stark genug sei, um die ernste Besorgnis zu begründen, der Aktionär könnte um ihretwillen seinen Einfluss zum Nachteil der Gesellschaft geltend machen. Eine derartige anderweitige Interessenbindung kann nach der herrschenden Auffassung auch gegeben sein, wenn ein Aktionär zwar nicht eigenständig unternehmerisch tätig ist, jedoch maßgeblich an mindestens einem weiteren Unternehmen beteiligt ist, während eine Mehrheitsbeteiligung an der Aktiengesellschaft selbst nicht ausreicht, um die Unternehmenseigenschaft des Mehrheitsgesellschafters zu begründen.61 Für die Behandlung von Empty Voting lässt sich aus dem Aktienkonzernrecht unmittelbar nichts ableiten, da eine Ausdehnung seines Anwendungsbereichs auf andersartige Interessenkonflikte angesichts der stark typisierenden, sowohl hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen als auch der Rechtsfolgen auf den Konzernkonflikt zugeschnittenen Normierung und der Intentionen des Gesetzgebers ausscheidet. Auch in Zusammenschau mit den gesetzlichen Stimmverboten, die ebenfalls sehr stark auf spezifische Interessenkonflikte zugeschnitten sind, lässt sich aus der gesetzlichen Regelung kein allgemeines Prinzip gewinnen, nach dem Interessenkonflikte zu behandeln sind. Die Ausübung des Stimmrechts durch den Darlehensnehmer zeichnet sich im übrigen durch die in den bisher behandelten Fallgruppen nicht gegebene Besonderheit aus, dass wirtschaftliches Interesse und Stimmrecht auseinanderfallen. Demgegenüber weisen weder der dem Konzernrecht unterfallende Unternehmensgesellschafter noch der einem Stimmverbot unterliegende Aktionär typischerweise ein nicht ihrer Stimmrechtsmacht entsprechendes wirtschaftliches Interesse in der jeweiligen Gesellschaft auf. Damit ist der Frage nachzugehen, welche Normen auf derartige Konfliktfälle zugeschnitten sind.
4. Regelungen, die ein Auseinanderfallen von wirtschaftlichem Interesse und Stimmrecht erfassen sollen Unmittelbar auf ein Auseinanderfallen von wirtschaftlichem Interesse und Stimmrechtsmacht zugeschnitten sind das aus § 12 AktG ableitbare Proportionalitätsprinzip und die Regelung des Depotstimmrechts in § 135 Abs. 6 AktG. Daneben kommt in diesem Zusammenhang auch dem Abspaltungsverbot zumindest mittelbare Bedeutung zu.
61 Einen Überblick zum Diskussionsstand geben etwa MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 15 Rn. 17 ff.; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 15 Rn. 11a ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 31 II 1 a).
278 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung a) Das aktienrechtliche Proportionalitätsprinzip Aus § 12 Abs. 1 S. 1 AktG, nach dem jede Aktie das Stimmrecht gewährt, ergibt sich in Verbindung mit § 134 Abs. 1 S. 1 AktG, der das Stimmrecht an die Kapitalbeteiligung anknüpft, die Geltung des Proportionalitätsprinzips (auch Kapitalprinzip genannt), nach dem die Stimmrechtsmacht proportional zum Kapitaleinsatz ausgestaltet sein muss.62 Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur in eng begrenztem Umfang möglich, und zwar nach der Streichung der bis dahin in § 12 Abs. 2 S. 2 AktG enthaltenen Möglichkeit ministerieller Ausnahmegenehmigungen für die Schaffung von Mehrstimmrechten durch das KonTraG63 ausschließlich in Richtung eines unterproportionalen Stimmrechts.64 Dieses ist gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 AktG zulässig, soweit Vorzugsaktien ohne Stimmrecht im Sinne des § 139 Abs. 1 AktG ausgegeben werden. Daneben gestattet § 134 Abs. 1 S. 2 AktG die satzungsmäßige Beschränkung des Stimmrechts durch Festsetzung eines Höchstbetrags oder von Abstufungen (Höchststimmrechte). Vorzugsaktien dürfen gemäß § 139 Abs. 2 AktG nur bis zur Hälfte des Grundkapitals ausgegeben werden; die Einführung von Höchststimmrechten ist auf nichtbörsennotierte Gesellschaften beschränkt. Für die Beurteilung schuldrechtlicher Gestaltungen, die das wirtschaftliche Interesse vom Stimmrecht trennen, ist das aktienrechtliche Proportionalitätsprinzip jedoch nicht einschlägig, da es nicht materiell an das wirtschaftliche Interesse, sondern formal an die Kapitalbeteiligung und damit an das Aktieneigentum anknüpft.65 Im Übrigen lässt dieser Grundsatz Ausnahmen zu und ist zudem in seiner positivrechtlichen Ausgestaltung kaum geeignet, um das Phänomen der risikoentleerten Stimmrechte zu erfassen. b) Die Regulierung des Depotstimmrechts § 135 AktG regelt in seinen Absätzen 1 bis 5 die Ausübung des Stimmrechts durch Kreditinstitute für solche Aktien, die im Kundeneigentum stehen. Nach der Grundregel des § 135 Abs. 1 S. 1 AktG setzt die Stimmrechtausübung die Erteilung einer Vollmacht voraus; die weiteren Vorschriften normieren detailliert die Anforderungen an die Vollmacht und die weiteren Modalitäten der Stimmrechtsausübung. Wirtschaftliches Interesse und Stimmrechtsmacht fallen dabei nicht auseinander, da der Kunde Inhaber des Stimmrechts bleibt und die Vollmacht jederzeit widerruflich ist. Eine Empty-Voting-Konstellation ist also – wie auch bei anderen Vollmachtsgestaltungen – nicht gegeben. 62 Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 25; KölnKommAktG/Dauner-Lieb, 3. Aufl. 2010, § 12 Rn. 3; MünchKommAktG/Heider, 3. Aufl. 2008, § 12 Rn. 5; Spindler/Stilz/Vatter, Aktiengesetz, 2. Aufl. 2010, § 12 Rn. 1. 63 Gesetz vom 27. April 1998, BGBl. I S. 786. 64 MünchKommAktG/Heider, 3. Aufl. 2008, § 12 Rn. 29. 65 So auch Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 45.
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Anders verhält es sich jedoch in dem von § 135 Abs. 6 AktG geregelten Fall. Danach darf ein Kreditinstitut das Stimmrecht für Namensaktien, die ihm nicht gehören, als deren Inhaber es aber im Aktienregister eingetragen ist, nur auf Grund einer Ermächtigung ausüben, für die § 135 Abs. 1 bis 5 AktG entsprechend gelten. Gemäß § 67 Abs. 2 S. 1 AktG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft nur derjenige als Aktionär, der als solcher im Aktienregister eingetragen ist. Aufgrund dieser Regelung, die von der herrschenden Ansicht als unwiderlegliche Vermutung eingeordnet wird,66 kann ausschließlich der im Aktienregister Eingetragene die in den Aktien verkörperten Rechte, also auch das Stimmrecht, ausüben.67 Das Kreditinstitut handelt deshalb im Fall des § 135 Abs. 6 AktG im eigenen Namen.68 Wegen der von § 67 Abs. 2 S. 1 AktG vorgesehenen Wirkung der Eintragung fallen damit das (positive) wirtschaftliche Interesse, das allein der Bankkunde als Aktionär aufweist, und das Stimmrecht, dass nur das eingetragene Kreditinstitut ausüben kann, auseinander. Die gesetzlich vorgesehene Lösung für diesen speziellen Fall des Empty Voting69 ist nach § 135 Abs. 6 S. 1 AktG, dass das Kreditinstitut das Stimmrecht nur aufgrund einer Ermächtigung des Aktionärs ausüben darf. Daneben stellt der Verweis in § 135 Abs. 6 S. 2 AktG sicher, dass die in den Absätzen 1 bis 5 des § 135 AktG vorgesehenen Beschränkungen entsprechende Anwendung finden. Dies bedeutet nach § 135 Abs. 1 S. 4 AktG insbesondere, dass eine Ermächtigung, die nicht mit ausdrücklichen Weisungen verbunden ist, nur zur Stimmrechtsausübung entsprechend eigenen Abstimmungsvorschlägen des Instituts oder entsprechend den Verwaltungsvorschlägen berechtigen darf. Zudem gelten weitere Beschränkungen, wie etwa die Hinweispflichten des § 135 Abs. 2 AktG sowie Ausübungsbeschränkungen in der eigenen Hauptversammlung und bei Beteiligungsbesitz von mehr als 20 % des Grundkapitals (§ 135 Abs. 3 S. 3 und 4 AktG). Primäres Ziel des § 135 AktG ist es, durch eine Erhöhung der Hauptversammlungspräsenz die Kontrollfunktion der Aktionäre zu stärken und gleichzeitig der mit einem Depotstimmrecht stets verbundenen Gefahr zu begegnen, dass sich Interessenkonflikte der Banken auf deren Stimmrechtsausübung auswirken.70 Das Depotstimmrecht war deshalb seit jeher starker
66 MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 67 Rn. 39; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 67 Rn. 13; Lieder NZG 2005, 159, 160 ff.; KölnKommAktG/Lutter/Drygala, 3. Aufl. 2009, § 67 Rn. 46. 67 MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 67 Rn. 43. 68 MünchKommAktG/Schröer, 3. Aufl. 2013, § 135 Rn. 175. 69 Zur Ausübung des Depotstimmrechts als Empty Voting aus US-amerikanischer Sicht Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 860 f. (2006). Auch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 646 erwägt de lege ferenda „eine prozedurale Regelung nach Art der §§ 128, 135 AktG“ für das Aktiendarlehen einzuführen. 70 Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 194; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 135 Rn. 1; MünchKommAktG/Schröer, 3. Aufl. 2013, § 135 Rn. 5.
280 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung rechtspolitischer Kritik ausgesetzt.71 Die Vorschrift hat vor diesem Hintergrund einen klaren Kompromisscharakter.72 § 135 Abs. 6 AktG gewährleistet damit im Ergebnis, dass das stimmberechtigte Kreditinstitut die Interessen des Aktionärs, d. h. des wirtschaftlich Berechtigten, bei der Stimmrechtsausübung wahren muss. Das Ermächtigungserfordernis und die Weisungsgebundenheit sollen in Verbindung mit den anderen Schranken des § 135 AktG die Fremdnützigkeit der Stimmrechtsausübung durch das Kreditinstitut sicherstellen.73 Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch, dass ein Verstoß gegen die genannten Regeln nach § 135 Abs. 7 AktG im Außenverhältnis zur Gesellschaft nicht zur Unwirksamkeit der Stimmabgabe führt. Für die Behandlung von Empyt-VotingKonstellationen im Allgemeinen lässt sich daraus trotz aller rechtspolitischen Diskussionen zumindest folgern, dass die Stimmrechtsausübung durch den Empty Voter vom Aktiengesetz in diesem Fall akzeptiert wird, wenn und weil die im Innenverhältnis zwischen Stimmrechtsinhaber und wirtschaftlich Berechtigtem (kraft Gesetzes) geltenden Regeln dazu führen, dass das Stimmrecht im Interesse des wirtschaftlich Berechtigten ausgeübt wird. c) Die Bedeutung des Abspaltungsverbots für die Behandlung des Empty Voting Das Abspaltungsverbot erfasst auch bestimmte, zumindest theoretisch denkbare Fälle des Empty Voting. Dazu zählt insbesondere die isolierte Übertragung von Verwaltungsrechten auf Nichtgesellschafter, die kein entsprechendes wirtschaftliches Interesse aufweisen. Wie schon erwähnt, steht das Abspaltungsverbot einer darlehensweisen Überlassung von Aktien jedoch nicht entgegen, da der Darlehensnehmer Eigentümer und damit formal Aktionär wird.74 Dennoch ist es für die aktienrechtliche Behandlung des Empty Voting aufschlussreich, die ratio des Abspaltungsverbots und daraus abgeleitete Ausnahmen von diesem Verbot in den Blick zu nehmen. Auch das Abspaltungsverbot besteht im Interesse der Verbandsautonomie und soll genauso wie die bereits behandelten Instrumente des Gesellschaftsrechts die Richtigkeitsgewähr verbandsrechtlicher Willensbildung sicherstellen.75 Diese ist dann in Gefahr, wenn der Verband durch die Mitwirkung von Nichtmitgliedern bei der Willensbildung fremdgesteuert ist.76 Dieses auf Flume zurück71 Einen Überblick über die Diskussion und die Gesetzgebungsgeschichte bieten etwa Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 135 Rn. 3; MünchKommAktG/Schröer, 3. Aufl. 2013, § 135 Rn. 7 ff. und Rn. 17 ff. 72 Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 135 Rn. 3; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 28 IV 4. d). 73 Dazu (aus rechtspolitischer Sicht) auch Hammen WM 1997, 1221, 1227; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 135 Rn. 33. 74 Dazu S. 268 f. 75 Dazu insbesondere K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 19 III 4 a. 76 Grundlegend Flume, Die juristische Person, 1983, § 7 II 1.
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gehende Verständnis des Abspaltungsverbots als Ausprägung des Grundsatzes der Privatautonomie, die auch für die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten gilt, „dem Mitglied aber nur um der juristischen Person willen“ zusteht,77 ist jedenfalls im Kern anerkannt,78 auch wenn die Folgen dieser Einordnung umstritten sind. Bei allem Streit um die Einzelheiten der Anwendung des Verbots auf konkrete Fallkonstellationen besteht jedoch weitgehend Einigkeit, dass Gestaltungen, die das gleiche Ergebnis erzielen wie eine selbständige Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, ebenfalls unzulässig sind. Dies gilt vor allem für die unwiderrufliche, verdrängende Vollmacht zur Ausübung von Verwaltungsrechten.79 Eine derartige Bevollmächtigung führt grundsätzlich ebenfalls zu einem risikoentleerten Stimmrecht des Vertreters. Jedoch wird vor allem für die (fremdnützige) Treuhand die Ansicht vertreten, dass eine – wie auch immer im Einzelnen ausgestaltete – Zuordnung der Verwaltungsrechte, insbesondere des Stimmrechts, zum Treugeber zulässig sei, obwohl dieser formal nicht Aktionär ist.80 Für diesen Fall sei auch eine unwiderrufliche Bevollmächtigung des Treugebers grundsätzlich mit dem Abspaltungsverbot vereinbar.81 Zur Begründung wird zum einen zurecht darauf verwiesen, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht der Aktieneigentümer, sondern der
77
So Flume, Die juristische Person, 1983, § 7 II 1. Fleck, in: FS Fischer, 1979, S. 107, 110 ff.; Fleischer ZGR 2008, 185, 216; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 123 f.; Reuter ZGR 1978, 633, 635 ff.; Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 213; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 19 III 4 a; Schön ZHR 158 (1994), 229, 254 ff.; Schürnbrand AcP 204 (2004), 177, 188; Seibt ZGR 2010, 795, 815 f.; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S. 191, 217 ff.; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Weipert, 2. Aufl. 2008, § 163 HGB Rn. 10. – Ohne Festlegung Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 58 ff. 79 BGH NJW 1987, 780, 780 f.; Staudinger/Habermeier, Neubearbeitung 2003, § 717 Rn. 5; MünchKommAktG/Heider, 3. Aufl. 2008, § 8 Rn. 93; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 135; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 19 III 4 a; MünchKommBGB/Schäfer, 6. Aufl. 2013, § 717 Rn. 16; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl 2007, § 47 Rn. 83; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S. 225; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weipert, 2. Aufl. 2008, § 163 HGB Rn. 14. 80 Dazu etwa Fleck, in: FS Fischer, 1979, S. 107, 127; Flume, Die juristische Person, 1983, § 7 II 1. 81 Für die GmbH BGH BB 1977, 10, 12; für die AG offengelassen von BGH NJW 1987, 780, 781; Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, 2001, S. 272 f.; Michalski/Ebbing, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 15 Rn. 218; GroßKommAktG/Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 134 Rn. 99; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 134 Rn. 21; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 19 III 4 b; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 47 Rn. 83; a. A. Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, 2. Aufl. 2010, § 134 Rn. 40; Spindler/Stilz/Rieckers, 2. Aufl. 2010, § 134 Rn. 49; Singhof/Seiler, in: Singhof/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, 2004, Rn. 560. – Für das Wertpapierdarlehen auch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 611, der zurecht eine unwiderrufliche Bevollmächtigung des Darlehensgebers für zulässig hält. 78
282 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung Treugeber Inhaber der Gesellschafterstellung ist.82 Zum anderen kommt diese wirtschaftliche Spaltung der Mitgliedschaft darin zu Ausdruck, dass dem Treugeber im Innenverhältnis Weisungsrechte zustehen.83 Wie K. Schmidt ausführt, handelt es sich „nicht um eine willkürliche Abspaltung von Mitgliedschaftsrechten, sondern nur um eine Offenlegung und rechtliche Sanktionierung der wirtschaftlich bereits durchgehend vollzogenen Spaltung der Mitgliedschaft.“84 Für die weitere Untersuchung lässt sich daraus ableiten, dass die Ausgestaltung des Innenverhältnisses zwischen wirtschaftlich Berechtigtem und Aktionär Bedeutung für die gesellschaftsrechtliche Behandlung des Empty Voting hat. Besteht ein – durch ein Weisungsrecht vermittelter – Stimmrechtseinfluss des wirtschaftlich Berechtigten, wird das gesellschaftsrechtliche Regelungsproblem nicht darin gesehen, dass der formale Inhaber der Aktionärsstellung im Außenverhältnis das Stimmrecht ausüben kann. Diskussionswürdig ist vielmehr nur, ob und wie durch rechtsgeschäftliche Gestaltung dem Stimmrechtseinfluss des wirtschaftlich Berechtigten auch im Außenverhältnis Geltung verschafft werden kann.
II. Schranken für die Stimmrechtsausübung im Innenverhältnis 1. Die Bedeutung einer Bindung im Innenverhältnis für das gesellschaftsrechtliche Regelungsproblem Die bisherige Betrachtung derjenigen aktienrechtlichen Normen und Grundsätze, die bei einem Auseinanderfallen von wirtschaftlichem Interesse und Stimmrechtsmacht eingreifen, führt damit zu dem Ergebnis, dass dem Innenverhältnis zwischen Stimmrechtsinhaber und wirtschaftlich Berechtigtem entscheidende Bedeutung zukommt. Dies folgt zunächst unmittelbar aus § 135 Abs. 6 AktG, der auf eine spezifische Empty-Voting-Situation zugeschnitten ist. Wegen der unwiderleglichen Vermutung des § 67 Abs. 2 S. 1 AktG kann allein das Kreditinstitut, das als Inhaber der Namensaktien in das Aktienregister eingetragen ist, die in diesen verkörperten Stimmrechte ausüben. Da der Kunde und nicht das Kreditinstitut wirtschaftlich berechtigt ist, sind die Stimmrechte risikoentleert. Die Beschränkungen des § 135 AktG stellen sicher, dass die Stimmrechtsausübung im Interesse des wirtschaftlich Berechtigten erfolgt. Die Trennung zwischen Stimmrecht und wirtschaftli82 Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, 2001, S. 273; Fleck, in: FS Fischer, 1979, S. 107, 127; GroßKommAktG/Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 134 Rn. 99; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 135 f. (zur Treuhand); Reuter ZGR 1978, 633, 642 („(…) ‚Abspaltung‘ des Einflusses zugunsten des letztlich verantwortlichen Hintermannes (…) als wünschenswerte Korrektur der formalen Kompetenzordnung auf die materiellen Verhältnisse hin“). 83 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 19 III 4 b. 84 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 19 III 4 b.
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chem Interesse wird auf diese Weise zwar nicht aufgehoben, die möglichen nachteiligen Folgen werden so jedoch vermieden. Die Bindung des Inhabers risikoentleerter Stimmrechte im Innenverhältnis kann damit als gesetzliche Lösung für das gesellschaftsrechtliche Regelungsproblem des Empty Voting angesehen werden. Ein denkbarer Einwand gegen eine Verallgemeinerung ist allerdings, dass die Regelung des § 135 AktG auf einen Spezialfall zugeschnitten ist. Zudem handelt es sich dabei um eine gesetzlich angeordnete Bindung im Innenverhältnis, die nicht im Wege der Analogie auf andere Fälle des Empty Voting übertragen werden kann, da es sich um eine bewusst auf das rechtspolitisch umstrittene Problem des Depotstimmrechts zugeschnittene gesetzgeberische Lösung handelt. Dass das Innenverhältnis zwischen wirtschaftlich Berechtigtem und Aktionär aber auch in anderen Fällen maßgeblich ist, zeigen jedoch die soeben angesprochenen Ausnahmen von der Geltung des Abspaltungsverbots, wenn Aktien treuhänderisch gehalten werden. Bemerkenswert sind diese vor allem deshalb, weil das Abspaltungsverbot denjenigen Rechtssätzen zuzurechnen ist, welche die Verbandssouveränität gewährleisten, d. h. bei der gesellschaftsinternen Willensbildung die Orientierung am Gesellschaftsinteresse sicherstellen sollen. Die Richtigkeitsgewähr verbandsrechtlicher Willensbildung ist nicht betroffen und das Abspaltungsverbot folglich nicht einschlägig, wenn bereits eine Trennung von wirtschaftlicher Berechtigung und Stimmrecht vorliegt und durch die von den Parteien gewählte – zumindest in ihrer Wirkung einer Abspaltung von Mitgliedschaftsrechten gleichkommende – Gestaltung im Ergebnis rückgängig gemacht wird.
2. Vergleich mit der Stimmrechtsausübung durch einen Treuhänder Bedeutung für das Empty Voting bekommt diese Beobachtung dann, wenn man auf die Rechtslage abstellt, die ohne eine entsprechende Vereinbarung (wie etwa der unwiderruflichen Bevollmächtigung des Treugebers) besteht. Vor allem ein Vergleich mit der Stimmrechtsausübung durch einen fremdnützigen Treuhänder ist aufschlussreich. Denn soweit ersichtlich, wird nirgends die Ausübung des Stimmrechts durch den Treuhänder als den formalen Inhaber der Aktionärsstellung problematisiert, obwohl die Stimmrechte aus dessen Sicht risikoentleert sind. Der Grund dafür ist in den im Innenverhältnis bestehenden Bindungen an die Interessen des Treugebers als des wirtschaftlich Berechtigten85 zu sehen. Da bei der (fremdnützigen) Treuhand ein Weisungsrecht des Treugebers besteht,86 stellt nicht die Stimmrechtsausübung 85 Zum wirtschaftlichen Interesse siehe nur Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, 2001, S. 194. 86 Dieses ergibt sich in aller Regel zumindest aus einer ergänzenden Auslegung der Vereinbarung, dazu ausführlich Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, 2001, S. 194 ff. und S. 229 ff.; Michalski/Ebbing, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 15 Rn. 218;
284 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung durch den Treuhänder das gesellschaftsrechtliche Regelungsproblem dar, sondern insbesondere die Frage, ob der Treugeber unwiderruflich bevollmächtigt werden kann.87 Dies ist nach richtiger Ansicht zu bejahen, da der weisungsberechtigte Treugeber der wirtschaftlich Berechtigte ist, so dass wirtschaftliches Interesse und Stimmrechteinfluss gerade durch die Bevollmächtigung deckungsgleich werden.88
3. Folgerungen für das Aktiendarlehen Wie in Kapitel 3 dargelegt, besteht auch beim Aktiendarlehen eine Bindung des Darlehensnehmers an die Interessen des Darlehensgebers.89 Der Darlehensnehmer schuldet zwar keine umfassende Wahrung der Interessen des Darlehensgebers. Jedoch besteht die vertragliche Nebenpflicht, jede Gefährdung des wirtschaftlichen Interesses des Darlehensgebers zu unterlassen. Anders als bei der Treuhand kann der Darlehensgeber den Darlehensnehmer nicht anweisen, das Stimmrecht auszuüben oder gar in einer bestimmten Weise abzustimmen. Insoweit besteht also keine Bindung des Darlehensnehmers. Entscheidet dieser sich aber zur Ausübung des Stimmrechts, muss er die Zustimmung des Darlehensgebers einholen, um nicht dem Risiko ausgesetzt zu sein, sich schadensersatzpflichtig zu machen. Zumindest in dieser Hinsicht ist damit die Kongruenz von wirtschaftlichem Interesse und Stimmrechtseinfluss gewährleistet. Da aus gesellschaftsrechtlicher Sicht nur die freie Ausübung risikoentleerter Stimmrechte bedenklich ist, ist somit die zivilrechtliche Bindung des Darlehensnehmers im Innenverhältnis eine grundsätzlich ausreichende Antwort auf dieses Regelungsproblem.90 Ein Sonderfall ist demgegenüber gegeben, wenn die Parteien des Darlehensvertrages vereinbaren, dass der Darlehensnehmer in der Ausübung der Stimmrechte völlig frei sein soll. Wie gezeigt, könnte eine solche Abrede allenfalls individualvertraglich wirksam sein.91 Damit ist freilich noch nichts darüber ausgesagt, wie ein derartiger atypischer Darlehensvertrag aus gesellschaftsrechtlicher Sicht zu beurteilen ist. Da in einer solchen Konstellation beiden Parteien bewusst ist, dass die Ausübung des Stimmrechts durch den Darlehensnehmer Bestandteil der vertraglichen Einigung ist, ist eine Subsumtion unter die Tatbestände des § 405 Abs. 3 AktG zumindest zu erwägen. Singhof/Seiler, in: Singhof/Seiler/Schlitt, Mittelbare Gesellschaftsbeteiligungen, 2004, Rn. 570; Weipert, in: MünchHdbGesR, Bd. 1, 3. Aufl. 2009, § 56 Rn. 12. 87 Allgemein zu der Frage des Einflusses des Treugebers auf die Willensbildung der Gesellschaft Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, 2001, S. 271 ff. 88 Siehe dazu S. 281 Fn. 81. 89 Dazu im Einzelnen S. 194 ff. 90 Dazu auch Merkner/Sustmann NZG 2010, 1170, 1174, die bei Vereinbarung eines Einflusses des Darlehensgebers auf die Stimmrechtsausübung nicht mehr von einem Empty Voting sprechen wollen. Nicht berücksichtigt wird dabei jedoch, wie sich ein Verstoß des Darlehensnehmers gegen diese Beschränkung im Außenverhältnis auswirken würde. 91 Siehe S. 203 f.
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III. Die Behandlung atypischer Darlehensverträge Die schon angesprochenen Tatbestände des § 405 Abs. 3 Nr. 6 und 7 AktG, die der Gewährleistung der Verbandsautonomie dienen, erfassen das Aktiendarlehen nicht, da sie voraussetzen, dass der Stimmenverkäufer Eigentümer der betroffenen Aktien ist. In Betracht kommt jedoch eine Subsumtion des Aktiendarlehens unter § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG. Ein (vorsätzlicher) Verstoß stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die gemäß § 405 Abs. 4 AktG mit einer Geldbuße bis zu EUR 25.000 geahndet werden kann. Diese Sanktion mag bei rechtspolitischer Betrachtung angesichts der wirtschaftlichen Vorteile, die sich durch Empty Voting erzielen lassen,92 kaum abschreckend wirken. Von größerer praktischer Bedeutung sind die Tatbestände deshalb, weil sie als Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB einzuordnen sind; trifft beide Parteien ein Verstoß, ist der jeweilige Vertrag damit nichtig.93
1. § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG als Ergänzung des Verbots des Stimmenkaufs Nach § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG handelt ordnungswidrig, wer zur Ausübung von Rechten in der Hauptversammlung oder in einer gesonderten Versammlung Aktien eines anderen benutzt, die er sich zu diesem Zweck durch Gewähren oder Versprechen besonderer Vorteile verschafft hat. § 405 Abs. 3 Nr. 3 AktG erfasst denjenigen, der Aktien zu diesem Zweck gegen Gewähren oder Versprechen besonderer Vorteile einem anderen überlässt. Die beiden Vorschriften ergänzen die in § 405 Abs. 3 Nr. 6 und 7 AktG zu findenden Tatbestände des Stimmenkaufs und -verkaufs, indem sie Umgehungsgestaltungen erfassen.94 Regelungszweck ist damit ebenfalls der Schutz der unverfälschten Willensbildung in der Hauptversammlung.95 Umstritten ist, ob das Aktiendarlehen unter § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG subsumiert werden kann. Wird der Darlehensvertrag zu dem Zweck abgeschlossen, dem Darlehensnehmer die Stimmrechtsausübung zu ermöglichen und setzt der Darlehensnehmer dieses Vorhaben in die Tat um, liegt eine „Benutzung“ von Aktien in der vom Gesetz beschriebenen Weise vor. Der vereinbarte Darlehenszins96 lässt sich als „besonderer Vorteil“ qualifi-
92
Zu den Möglichkeiten der Ausnutzung risikoentleerter Stimmrechte siehe S. 73 ff. Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 615 f.; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 129; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.54; Kümpel/Peters AG 1994, 525, 529; Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2009, Rn. 1186. 94 KölnKommAktG/Altenhain, 3. Aufl. 2013, § 405 Rn. 43; Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 614; Spindler/Stilz/Hefendehl, Aktiengesetz, 2. Aufl. 2010, § 405 Rn. 45. 95 Dazu noch unten S. 289 f. 96 Zum Darlehenszins siehe S. 113 ff. 93
286 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung zieren.97 Entscheidend für die Anwendbarkeit von § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG auf den Darlehensnehmer (und, entsprechend dazu, von § 405 Abs. 3 Nr. 3 AktG auf den Darlehensgeber) ist damit, ob dieser „Aktien eines anderen“ benutzt, die er sich zu diesem Zweck „verschafft“ hat. Die wohl herrschende Meinung verneint diese Frage mit dem Hinweis darauf, dass die in Vollzug eines Darlehensvertrages erfolgende Übereignung der Aktien an den Darlehensnehmer die Tatbestandserfüllung ausschließe; erwerbe die das Stimmrecht ausübende Partei Eigentum, handele es sich nicht mehr um die Aktien eines anderen.98 Jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen scheint jedoch eine Auslegung, die auch Aktien, die infolge des schuldrechtlichen Rückgewähranspruchs des Darlehensgebers nur zeitweise dem Vermögen des Darlehensnehmers zugeordnet sind, als diejenigen „eines anderen“ qualifiziert.99
2. Das Tatbestandsmerkmal des „Verschaffens“ Einer von der herrschenden Meinung abweichenden Auslegung steht zumindest das Tatbestandsmerkmal des „Verschaffens“ von Aktien nicht entgegen. Denn zum einen liegt ein Verschaffen dem Wortsinn nach nicht nur dann vor, wenn lediglich der unmittelbare Besitz einer Sache erlangt wird, sondern auch dann, wenn das Eigentum an einer Sache übertragen oder dies (wegen zivilrechtlicher Unwirksamkeit ggf. erfolglos) versucht wird. Zum anderen spricht für diese Auslegung auch der Vergleich mit anderen (Straf-)Tatbeständen. So erfasst der Tatbestand der Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB nicht nur den Ankauf, sondern auch das sonstige Verschaffen einer Sache, womit die Erlangung einer eigentümergleichen Verfügungsgewalt gemeint 97 So auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.53; Kümpel/Peters AG 1994, 525, 529 f. 98 KölnKommAktG/Altenhain, 3. Aufl. 2013, § 405 Rn. 44; Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 614 (jedenfalls für die Beurteilung nach dem Recht der Ordnungswidrigkeiten); Dörge AG 1997, 396, 400; Claussen/Ekkenga, Bank- und Börsenrecht, 4. Aufl. 2008, § 6 Rn. 205; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 128; Huang, Rechtsfragen der Einführung des Wertpapierdarlehens in China aus der Perspektive des deutschen Rechts, 2006, S. 104 f.; Kort DB 2006, 1546, 1546; Kumpan/Mittermeier ZIP 2009, 404, 407 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 7.26; Merkner/Sustmann NZG 2010, 1170, 1173; Hölters/Müller-Michaels, AktG, 2011, § 405 Rn. 53 a. E.; Schäfer/Hamann/Opitz, § 22 Rn. 48; Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 46; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 158 f.; GroßKommAktG/ Otto, 4. Aufl. 1997, § 405 Rn. 88 i. V. m. Rn. 64; wohl auch Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1416 f.; Theusinger/Möritz NZG 2010, 607, 609. 99 So KölnKommAktG/Geilen, 1. Aufl. 1985, § 405 Rn. 95 f.; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 129; Spindler/Stilz/Hefendehl, Aktiengesetz, 2. Aufl. 2010, § 405 Rn. 44; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.53; Kümpel/Peters AG 1994, 525, 529 f.; Bürgers/Körber/Pelz, AktG, 2. Aufl. 2011, § 405 Rn. 12; MünchKommAktG/Schaal, 3. Aufl. 2011, § 405 Rn. 94; Steuer/Baur WM 1996, 1477, 1483.
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ist, während insbesondere der bloße Abschluss von Leih- oder Mietverträgen nicht ausreicht.100
3. Das Tatbestandsmerkmal „Aktien eines anderen“ § 405 Abs. 3 Nr. 2 AktG setzt freilich nach seinem Wortlaut voraus, dass die Aktien im Zeitpunkt der Benutzung (noch) diejenigen „eines anderen“ sind, so dass dem Tatbestandsmerkmals des „Verschaffens“ keine entscheidende Bedeutung für das Normverständnis zukommt. a) Entstehungsgeschichte aa) Art. 249f S. 2 ADHGB (1884) Erste Vorgängernorm von § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG war der durch das Gesetz betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18. Juli 1884 in das ADHGB eingefügte Art. 249 f.101 Dieser lautete: „Wer in der Generalversammlung die Aktien eines Anderen, zu dessen Vertretung er nicht befugt ist, ohne dessen Einwilligung zur Ausübung des Stimmrechts benutzt, wird mit einer Geldstrafe von zehn bis dreißig Mark für jede der Aktien, jedoch nicht unter eintausend Mark, bestraft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher Aktien eines anderen gegen Entgelt leiht und für diese das Stimmrecht ausübt, sowie denjenigen, welcher hierzu durch Verleihung der Aktien wissentlichen mitgewirkt hat.“
Die Formulierung „gegen Entgelt leiht“ ist zumindest aus heutiger Sicht missverständlich, da die Leihe im Sinne des § 598 BGB unentgeltlich ist.102 Zudem lässt die heute in der Praxis weit verbreitete Bezeichnung als „Wertpapierleihe“103 eher an ein (entgeltliches) Wertpapierdarlehen denken als an eine Aktienleihe (oder Aktienmiete) im technischen Sinne. Die Gesetzesmaterialien machen jedoch deutlich, dass die Gesetzesverfasser tatsächlich eine Art Aktienmiete erfassen wollten, d. h. die Überlassung des unmittelbaren Besitzes der Aktienurkunden gegen Entgelt zwecks Stimmrechtsausübung:104 Denn danach blieb ausdrücklich gestattet „der Erwerb von Aktien 100 Zu diesem Tatbestandsmerkmal des § 259 Abs. 1 StGB statt aller Schönke/Schröder/ Stree/Hecker, Strafgesetzbuch, 28. Aufl. 2010, § 259 Rn. 17 m. w. N. – Weitere Tatbestände, bei denen das „Verschaffen“ einer Sache in einem ähnlich weiten Sinne zu verstehen ist, sind z. B. die §§ 146 Abs. 1 Nr. 2, 261 Abs. 2 Nr. 1, 276 Abs. 1 StGB. 101 RGBl. I S. 123. 102 In der Kommentarliteratur wird vielfach auch heute noch zur Erläuterung missverständlich von „Aktienleihe“ gesprochen, so z. B. von KölnKommAktG/Geilen, 1985, § 405 Rn. 96; Spindler/Stiltz/Hefendehl, AktG, 2. Aufl. 2010, § 405 Rn. 44 f.; Erbs/Kohlhaas/ Schaal, Strafrechtliche Nebengesetze, 2008, § 405 AktG Rn. 34; MünchKommAktG/Schaal, 3. Aufl. 2011, § 405 Rn. 94. 103 Dazu oben S. 128 ff. 104 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, V. Legislaturperiode, IV. Session 1884, Aktenstück Nr. 128 (Bericht der 9. Kommission), S. 1028. Siehe dazu auch Dörge AG 1997, 396, 399 f.; Kort DB 2006, 1546, 1546; Kumpan/Mittermeier ZIP
288 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung (…) im Wege des Reportgeschäfts“, bei dem es zu einer Übereignung der Wertpapiere kommt. Begründet wurde dies damit, dass davon keine „erhebliche Gefahr“ ausgehe, da das Reportgeschäft auf wenige Wertpapiere beschränkt sei und erhebliche Mittel erfordere.105 bb) § 318 S. 2 HGB (1897) Das HGB von 1897106 übernahm den Straftatbestand des Art. 249f ADHGB mit nur geringen Änderungen in seinen § 318. Dieser lautete: „Wer die Aktien eines Anderen, zu dessen Vertretung er nicht befugt ist, ohne dessen Einwilligung zur Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung oder zur Ausübung eines der in den §§. 254, 264, 266, 268, 271, 295, 309 bezeichneten Rechte benutzt, wird mit einer Geldstrafe von zehn bis dreißig Mark für jede der Aktien, jedoch nicht unter eintausend Mark, bestraft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher Aktien eines anderen gegen Entgelt leiht und für diese eines der vorbezeichneten Rechte ausübt, sowie denjenigen, welcher hierzu durch Verleihung der Aktien wissentlichen mitwirkt.“
Auch unter Geltung des § 318 S. 2 HGB war dementsprechend anerkannt, dass Aktien eines anderen nur solche sind, die nicht im Eigentum des „Entleihers“ stehen.107 cc) § 300 Nr. 2 AktG (1937) Mit § 300 Nr. 2 des Aktiengesetzes von 1937108 wurde auf das Merkmal des „gegen Entgelt leihen“ verzichtet und stattdessen, den heute geltenden Tatbeständen des § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG im Wesentlichen entsprechend, die folgende Formulierung benutzt: „Mit Geldstrafe bis zu hunderttausend Reichsmark wird bestraft, (…) 2. wer zur Ausübung des Stimmrechts oder der in Nr. 1 bezeichneten Rechte Aktien eines anderen benutzt, die er sich zu diesem Zweck durch Gewähren oder Versprechen besonderer Vorteile verschafft hat, und wer die Aktien zu dem bezeichneten Zweck gegen Gewähren oder Versprechen besonderer Vorteile überlassen hat;“
2009, 404, 407 f. – Aus der zeitgenössischen Literatur siehe etwa Frassati ZStW 15 (1895), 409, 464 f. (keine Anwendung auf denjenigen, der „fahrlässigerweise eigne und fremde Aktien miteinander vermischt“.). 105 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, V. Legislaturperiode, IV. Session 1884, Aktenstück Nr. 128 (Bericht der 9. Kommission), S. 1028; darauf weisen auch Kumpan/Mittermeier ZIP 2009, 404, 407 f. hin. 106 RGBl. I S. 219. 107 Aus der Literatur siehe nur Stenglein/Conrad, Kommentar zu den strafrechtlichen Nebengesetzen des Deutschen Reiches, Band II, 5. Aufl. 1931, § 318 Ziff. 2 m. w. N. und Ziff. 11. 108 RGBl. I S. 107. – Die bereits mit der Notverordnung vom 19. September 1931 (RGBl. I S. 493) eingeführten Änderungen der aktienrechtlichen Strafbestimmungen betrafen nicht den Tatbestand der entgeltlichen Leihe von Aktien.
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Diese Normfassung entspricht nahezu wortgleich dem § 257 Nr. 2 des Aktienrechtsentwurfs von 1931109 und ist damit eines von vielen Beispielen für den Einfluss, den der Entwurf von 1931 auf das Aktiengesetz von 1937 hatte.110 Aufschlussreich sind deshalb die erläuternden Bemerkungen des Reichsjustizministeriums zu § 257 Nr. 2 des Entwurfs. Danach war allein eine sprachliche Verbesserung des § 318 HGB beabsichtigt; insbesondere sollte „die in sich widerspruchsvolle Ausdrucksweise ‚gegen Entgelt leiht‘ beseitigt werden.“111 In der Literatur wurden deshalb, auch unter Verweis auf § 318 S. 2 HGB, diejenigen Fälle vom Anwendungsbereich des § 300 Nr. 2 AktG ausgenommen, in denen der Abstimmende Eigentümer der Aktien war.112 dd) § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG (1965) Das Aktiengesetz von 1965 führte, abgesehen von der allgemeinen Herabstufung der aktienrechtlichen Straftatbestände zu Ordnungswidrigkeiten,113 im Wesentlichen nur zu einer Aufteilung des bisherigen § 300 Nr. 2 AktG in die beiden Tatbestände des § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG. b) Der Regelungszweck von § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG aa) Der Schutz der Willensbildung in der Hauptversammlung In der Literatur wird als ratio der Nr. 2 und 3 des § 405 Abs. 3 AktG der Schutz der Willenbildung der Hauptversammlung genannt.114 Die Materialien zu Art. 249f ADHGB sprachen davon, den wahren Willen der Majorität zu schützen.115 Diesen Zweck verdeutlicht auch die Entstehungsgeschichte des in § 405 Abs. 3 Nr. 6 und 7 AktG zu findenden Verbots des Stimmenkaufs und -verkaufs, dessen Ergänzung116 § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG 109 Abgedruckt in Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik 1987, S. 849 ff. 110 Dazu etwa GroßKommAktG/Assmann, 4. Aufl. 2004, Einl Rn. 152 ff. 111 Erläuternde Bemerkungen des Reichsjustizministeriums zum Entwurf von 1931, in: Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik 1987, S. 937. – Keinen weitergehenden Aufschluss über die mit der Änderung verfolgten Zwecke geben die amtliche Begründung des AktG 1937, abgedruckt bei Klausing, Gesetz über Aktiengesellschaften, 1937, S. 245, und die Protokolle der Ausschüsse der Akademie für Deutsches Recht, Schubert (Hrsg.), Akademie für Deutsches Recht, 1933–1945, Protokolle der Ausschüsse, Bd. 1, 1986. 112 So z. B. GroßKommAktG/Eb. Schmidt, 1939, § 300 Anm. 4. 113 Siehe dazu Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 508. 114 KölnKommAktG/Geilen, 1985, § 405 Rn. 96; Spindler/Stiltz/Hefendehl, AktG, 2. Aufl. 2010, § 405 Rn. 36; Hölters/Müller-Michaels, AktG, 2011, § 405 Rn. 40; GroßKommAktG/Otto, 4. Aufl. 1997, § 405 Rn. 60; MünchKommAktG/Schaal, 3. Aufl. 2011, § 405 Rn. 75. 115 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, V. Legislaturperiode, IV. Session 1884, Aktenstück Nr. 128 (Bericht der 9. Kommission), S. 1028; dazu auch Frassati ZStW 15 (1895), 409, 464. 116 Dazu schon oben S. 285 f.
290 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung letztlich dienen: Im Rahmen der Aktienrechtsreform 1965 war der Antrag gestellt worden, § 389 des Regierungsentwurfs, der Stimmenkauf und -verkauf betraf, ersatzlos zu streichen. Dieser Antrag wurde im Rechtsausschuss mit der Begründung abgelehnt, die Norm diene dem Grundsatz des Aktienrechts, dass nur derjenige Stimmenmacht ausüben können solle, der auch den vollen Kapitaleinsatz leiste.117 Das Verbot von Stimmenkauf und -verkauf dient also der Sicherung der Kongruenz von wirtschaftlichem Interesse und Stimmrechtsmacht. Da § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG Umgehungsgestaltungen verhindern sollen, liegt ihnen derselbe Regelungszweck zugrunde. Die im Rahmen der Aktienrechtsreform 1965 gegen eine Abschaffung des Verbots des Stimmenkaufs und -verkaufs angeführte Begründung stimmt mit der herkömmlichen, zumindest im Ausgangspunkt anerkannten ökonomischen Rechtfertigung des proportionalen Aktionärsstimmrechts überein. Danach wird durch die Verknüpfung von Kapitaleinsatz und Stimmrecht gewährleistet, dass mit den Aktionären als Restbetragsbeteiligten derjenigen Gruppe das Entscheidungsrecht zukommt, die als einzige alle Chancen und Risiken trägt und damit den besten Anreiz hat, gewinnmaximierend zu handeln bzw. den Aktienkurs als Signal für die Qualität der Unternehmensführung zu überwachen. Verfolgen § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG den geschilderten Zweck, macht es wertungsmäßig keinen Unterschied, ob der das Stimmrecht ausübenden Person lediglich der unmittelbare Besitz an den Aktienurkunden verschafft wird oder ob sie aufgrund eines Darlehensvertrages das Eigentum an den Aktien erwirbt.118 Eine Umgehung des Verbots des Stimmenkaufs ist in beiden Fällen möglich. Auch die in den Gesetzesmaterialien zu Art. 249f ADHGB gegebene Begründung dafür, dass die Norm auf im Wege des Reportgeschäfts erworbene Aktien keine Anwendung finden soll,119 macht die wertungsmäßige Vergleichbarkeit beider Fallgestaltungen deutlich: Denn der angegebene Grund ist allein die aus Sicht des Gesetzgebers von 1884 wohl zu Recht angenommene Seltenheit solcher Geschäfte, die damit nicht regelungsbedürftig seien.120 Die Entwicklung eines leistungsfähigen Darlehensmarktes für Wertpapiere bedeutet freilich, dass diese Annahme des historischen Gesetzesgebers nicht mehr zutreffend ist. Gegen die wertungsmäßige Vergleichbarkeit der von § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG unstreitig erfassten Fälle und der darlehensweisen Verschaffung von Aktien hat Osterloh-Konrad eingewandt, der Darlehensnehmer unterliege der Treuepflicht und müsse bei gesellschaftsschädigendem Stimmverhalten mit Sanktionen rechnen, was auf die Nutzung fremder Aktienurkunden 117 118 119 120
Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 508. So auch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 614 f. Dazu oben S. 287 f. So auch Kumpan/Mittermeier ZIP 2009, 404, 407 f.
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nicht zuträfe.121 Die in § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG enthaltenen Tatbestände setzen jedoch ein Zusammenwirken im Sinne einer Unrechtsvereinbarung voraus. Der Aktionär muss also bewusst an der Verschaffung der Aktienurkunden mitwirken. Da jedenfalls dieser der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht unterliegt und beide Beteiligten zwingend kooperieren müssen, ist die Abschreckungswirkung möglicher Sanktionen wegen Treupflichtverletzung nicht geringer einzustufen als im Fall des risikoentleert abstimmenden Darlehensnehmers. bb) Die Folgen des Funktionsverlusts von Wertpapierurkunden für den Anwendungsbereich der Norm Noch bedeutsamer für die Auslegung des § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG als die vom Gesetzgeber des Jahres 1884 nicht vorausgesehene Bedeutung des Aktiendarlehens ist freilich ein weiterer Gesichtspunkt. Wie bereits erwähnt, sollte Art. 249f ADHGB eine Art Aktienmiete erfassen, also die Überlassung des unmittelbaren Besitzes der Aktienurkunden zwecks Stimmrechtsausübung gegen Entgelt. Jedenfalls bei Aktien börsennotierter Gesellschaften bedeutet die durch girosammelverwahrte Dauerglobalurkunden bewirkte Entmaterialisierung, dass der Aktionär keinen unmittelbaren Besitz an den Aktienurkunden hat. Würde man also mit der herrschenden Meinung darlehensweise gehaltene Aktien nicht unter § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG subsumieren, würde dies bedeuten, dass diese Normen nur einen sehr beschränkten Anwendungsbereich hätten. Die dem Normzweck widersprechende und gerade bei börsennotierten Gesellschaften praktisch relevante Umgehung des Verbots des „Stimmenkaufs“ durch Aktiendarlehen würde nicht erfasst werden. c) Die Wortlautgrenze der Auslegung Zu klären ist allerdings, ob eine am Normzweck orientierte Auslegung die Grenze überschreiten würde, die sich aus dem auch für Ordnungswidrigkeitentatbestände geltenden, aus Art. 103 Abs. 2 GG und § 3 OWiG abzuleitenden Verbot sanktionsbegründender und sanktionsverschärfender Analogie ergibt.122 Entscheidend für die Abgrenzung zwischen unzulässiger Analogie und zulässiger Auslegung ist der – grundsätzlich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zu bestimmende123 – mögliche Wortsinn der Norm.124 121
Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 69. Zum Analogieverbot im Recht der Ordnungswidrigkeiten siehe nur KarlsruherKommOWiG/Rogall, 3. Aufl. 2006, § 3 Rn. 51 m. w. N. 123 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 320 f.; Looschelders/ Roth, Juristische Methodik im Prozeß der Rechtsanwendung, 1996, S. 145 f.; KarlsruherKommOWiG/Rogall, 3. Aufl. 2006, § 3 Rn. 55. 124 So die Ansicht des BVerfG in st. Rspr., siehe beispielsweise BVerfG NJW 2013, 365, 366; NJW 2010, 3209, 3211; NJW 2009, 2805, 2805. Dies entspricht der herrschenden Literaturansicht, siehe etwa Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 122
292 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung Geht man vom allgemeinen Sprachgebrauch aus, erscheint es zumindest als nicht fernliegend, auch solche Aktien, die zwar (vorübergehend) im Eigentum des Täters stehen, die jedoch über den Rückgewähranspruch nach § 607 Abs. 1 S. 2 BGB schuldrechtlich dem Darlehensgeber zugeordnet sind, als „Aktien eines anderen“ einzuordnen. Denn nach allgemeinem Sprachgebrauch wird mit der Formulierung, eine Sache sei die eines anderen, ein Bezug oder eine Abhängigkeit zwischen der Sache und einer Person hergestellt, die nicht zwingend durch Eigentum dieser Person begründet sein müssen, sondern etwa auch durch eine wie auch immer geartete wirtschaftliche Zuordnung der Sache hergestellt werden können. Anders wäre insoweit wohl der Wortlaut des Art. 249f ADHGB zu beurteilen gewesen, der die Formulierung „gegen Entgelt leiht“ verwendet. Sieht man auch schuldrechtlich einem anderen zugeordnete Aktien als die „eines anderen“ an, würden im Übrigen Fälle, in denen die Aktien aufgrund eines Kaufvertrags erworben werden, selbst dann nicht unter § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG fallen, wenn der Kaufpreis über dem Marktwert liegt und damit ein „besonderer Vorteil“ im Sinne dieser Normen möglicherweise angenommen werden könnte. Denn Aktien, die ohne eine schuldrechtliche Bindung erworben werden, die der durch den Darlehensvertrag erzeugten entspricht, könnten jedenfalls nicht als die „Aktien eines anderen“ eingeordnet werden. Jedoch ist nach zutreffender Auffassung ein besonderer, von der Alltagsoder Umgangssprache abweichender, spezifisch juristischer Sprachgebrauch oder ein besonderer Sprachgebrauch des Gesetzes maßgeblich, wenn er aufgrund konkreter Anhaltspunkte feststellbar ist.125 Berücksichtigt man den Zweck von Art. 103 Abs. 2 GG und § 3 OWiG, muss dies jedenfalls dann gelten, wenn dieser besondere Sprachgebrauch enger ist als der umgangssprachliche. Zwar gibt es keinen allgemeinen, feststehenden fachsprachlichen Gebrauch des Ausdrucks „Aktien eines anderen“. Das Aktiengesetz verwendeten diesen Terminus aber auch an zwei weiteren Stellen, nämlich in § 405 Abs. 3 Nr. 1 und 4 AktG. Nach § 405 Abs. 3 Nr. 1 AktG handelt ordnungswidrig, wer Aktien eines anderen, zu dessen Vertretung er nicht befugt ist, ohne dessen Einwilligung zur Ausübung von Rechten in der Hauptversammlung oder in einer gesonderten Versammlung benutzt. Der Tatbestand 1991, S. 467 ff.; Fikentscher, Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, Bd. IV, 1977, S. 300; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 324; KarlsruherKommOWiG/Rogall, 3. Aufl. 2006, § 3 Rn. 53 f. 125 BVerfG NJW 2007, 1666, 1667 (möglicher Wortsinn, „wie er sich aus dem Kontext des Gesetzes erschließt“); Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 439 f.; Schönke/Schröder/Eser/Hecker, Strafgesetzbuch, 28. Aufl. 2010, § 1 Rn. 37; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, S. 189; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 320 f.; Looschelders/Roth, Juristische Methodik im Prozeß der Rechtsanwendung, 1996, S. 145 f.; KarlsruherKommOWiG/Rogall, 3. Aufl. 2006, § 3 Rn. 55; MünchKommStGB/Schmitz, 2. Aufl. 2011, § 1 Rn. 73.
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des § 405 Abs. 3 Nr. 4 AktG erfasst die Benutzung von Aktien eines anderen, für die er oder der von ihm Vertretene das Stimmrecht nach § 135 AktG nicht ausüben darf, zur Ausübung des Stimmrechts. In beiden Fällen sind nur Aktien gemeint, die im Eigentum eines anderen stehen.126 Dies ergibt sich bereits daraus, dass nur der Aktieneigentümer in der Lage ist, eine den Tatbestand ausschließende Vertretungsmacht zu erteilen. Will man nicht annehmen, das Gesetz gebrauche den Ausdruck „Aktien eines anderen“ innerhalb einer Norm mit unterschiedlichen Bedeutungen, ist somit davon auszugehen, dass auch der Wortlaut von § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG in einem engeren Sinne zu verstehen ist. Somit sprechen die besseren Argumente dafür, dass eine am Normzweck orientierte, auch darlehensweise gehaltene Aktien erfassende Anwendung von § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG eine die Wortlautgrenze überschreitende, unzulässige Analogie wäre.127
4. Ergebnis Vereinbaren die Parteien des Darlehensvertrages individualvertraglich, dass der Darlehensnehmer in der Ausübung der Stimmrechte völlig frei sein soll, ist der Darlehensvertrag damit nicht gemäß § 134 BGB i. V. m. § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG nichtig.
IV. Schranken für die Stimmrechtsausübung im Außenverhältnis 1. Unwirksamkeit der Stimmrechtsausübung wegen Pflichtverletzung gegenüber dem Darlehensgeber? Im Folgenden ist der Frage nachzugehen, ob über die soeben behandelten Bindungen des Darlehensnehmers im Innenverhältnis hinaus auch Schranken für die Stimmrechtsausübung im Außenverhältnis bestehen. Solche Schranken könnten sich zunächst aus der Verletzung von Pflichten im Innenverhältnis ergeben. Wegen der bisher gezogenen Parallelen zum Depotstimmrecht liegt es nahe, auf § 135 Abs. 7 AktG abzustellen, nach dem Verstöße gegen § 135 Abs. 1 S. 2 bis 7, Abs. 2 bis 6 AktG die Wirksamkeit der Stimmabgabe im Außenverhältnis nicht beeinträchtigen. Anderes gilt nur dann, wenn die nach § 135 Abs. 1 S. 1 AktG erforderliche Bevollmächtigung fehlt oder unwirksam ist.128 Nach den Vorstellungen der Gesetzesverfasser muss die Wirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen „abgeschottet sein gegenüber Fehlern auf der Ebene des Bevollmächtigten und im Innenverhältnis 126
Siehe nur MünchKommAktG/Schaal, 3. Aufl. 2011, § 405 Rn. 78 und 117. So insbesondere auch KölnKommAktG/Altenhain, 3. Aufl. 2013, § 405 Rn. 44; Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 614; Dörge AG 1997, 396, 400; Kort DB 2006, 1546, 1547; Kumpan/Mittermeier ZIP 2009, 404, 407 f.; Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 46; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 159. 128 Siehe nur Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 135 Rn. 46. 127
294 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung zwischen Aktionär und Bevollmächtigtem“.129 Der § 135 Abs. 7 AktG zugrundeliegende Gedanke lässt sich de lege lata130 auch auf die Stimmrechtsausübung durch einen Darlehensnehmer übertragen. Allein die Verletzung von auf die Stimmrechsausübung bezogenen, gegenüber dem Darlehensgeber bestehenden zivilrechtlichen Pflichten führt somit nicht zu einer Unwirksamkeit der Stimmabgabe.131 Insoweit kann nichts anderes gelten als in sonstigen Fällen der Verletzung schuldrechtlicher Pflichten. Zu denken ist dabei vor allem an die Verletzung von Stimmbindungsverträgen. Jedenfalls dann, wenn diese nicht alle Gesellschafter binden,132 wirkt sich ein Verstoß gegen rein schuldrechtliche Vereinbarungen im Außenverhältnis nicht aus, d. h., dass keine Beschlussanfechtung möglich ist.133 Nichts anderes würde im Übrigen gelten, wenn man § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG auf das Aktiendarlehen anwenden wollte. Denn auch Verstöße gegen § 135 AktG stellen gemäß § 405 Abs. 3 Nr. 4 AktG eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar, so dass aus dieser Sanktion kein Schluss auf die Wirksamkeit der Stimmabgabe gezogen werden kann.134 Trotz dieses Zwischenergebnisses fällt auf, dass die Ausübung risikoentleerter Stimmrechte durch einen Darlehensnehmer für die anderen Aktionäre und die Gesellschaft mit größeren Missbrauchsgefahren behaftet ist als etwa die Stimmrechtsausübung im Fall des § 135 Abs. 6 AktG oder auch durch einen fremdnützigen Treuhänder. Dies ist zum einen in den Gewinnmöglichkeiten begründet, welche die Ausübung von risikoentleerten Stimmrechten für den Empty Voter bieten.135 Angesichts dieser wird auch das Risiko, Schadensersatzansprüchen des Darlehensgebers ausgesetzt zu sein, möglicherweise keine ausreichende Abschreckungswirkung entfalten. Gerade bei Darlehensgebern mit geringem Aktienbesitz sind auch die sich aus der rationalen Apathie von Kleinaktionären ergebenden Folgen zu berücksichtigen.136 Die in den vorangehenden Abschnitten entwickelte zivilrechtliche Lösung für das Problem der Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer, die auf die im Innenverhältnis bestehende Bindung abstellt, weist daher gewisse Lücken auf, die sich gerade dann zeigen dürften, wenn der Darlehensnehmer vorsätzlich handelt. Ungeachtet des § 135 Abs. 7 AktG gelten jedoch auch 129
BT-Drs. 16/11642 S. 35. Zu den insoweit anzustellenden rechtspolitischen Überlegungen siehe S. 331 f. 131 So auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.60. 132 Zum Sonderfall der Bindung aller Gesellschafter siehe nur MünchKommAktG/Hüffer, 3. Aufl. 2011, § 243 Rn. 24 m. w. N. 133 MünchKommAktG/Hüffer, 3. Aufl. 2011, § 243 Rn. 23; GroßkommAktG/K. Schmidt, 4. Aufl. 1996, § 243 Rn. 18. 134 Im Ergebnis genauso Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1417; kritisch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 616. 135 Zu den Möglichkeiten der Ausnutzung von risikoentleerten Stimmrechten siehe oben S. 73 ff. 136 So zutreffend Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 608. 130
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für den Darlehensnehmer im Verhältnis zur Gesellschaft die allgemeinen Schranken für die Stimmrechtsausübung.
2. Aus der Mitgliedschaft abzuleitende Stimmrechtsschranken a) Grundlagen Die starren aktienrechtlichen Stimmrechtsschranken, zu denen insbesondere § 136 AktG zu zählen ist, werden nach ganz herrschender Ansicht ergänzt durch die sogenannten beweglichen Stimmrechtsschranken,137 die aus jeden Aktionär treffenden Treuepflichten abgeleitet werden. Die Lehre von den mitgliedschaftlichen Treuepflichten in ihrer heute überwiegend vertretenen Form ist für Kapitalgesellschaften das Ergebnis einer über Jahrzehnte andauernden Beschäftigung von Rechtsprechung und Wissenschaft mit der Frage, ob und vor allem in welchem Umfang Gesellschaft und Gesellschafter Treubindungen unterliegen. Im Rahmen dieser Arbeit kann diese Entwicklungsgeschichte nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden.138 Der bisher erreichte Stand kann jedoch wie folgt zusammengefasst und bewertet werden: Der Geltungsgrund der Treuepflichten – in der Diskussion nicht immer klar von ihrer dogmatischen Einordnung und der Beschreibung ihrer Funktion getrennt – ist nach wie vor nicht völlig geklärt. So werden sie zum Teil aus der Mitgliedschaft selbst139 oder aus der Satzung als vertraglicher Grundlage140 abgeleitet. Verwiesen wird auch darauf, dass die Treuepflichten ein (notwendiges) Korrelat zu den Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gesellschaft und die Mitgesellschafter darstelle, die das Stimmrecht vermittle.141 137 Die Verwendung dieses Begriffs geht zurück auf Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 97 ff. und S. 287 ff. 138 Ein Überblick über die Entwicklung findet sich beispielsweise bei GroßKommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 1 ff. 139 So vor allem Flume, der trotz seiner Kritik an „der Treuepflicht-Formel als einer Leerformel“ eine Ableitung der „Beschränkung der rechtmäßigen Stimmabgabe auf die Verfolgung des Gesellschaftsinteresses“ aus der Mitgliedschaft selbst befürwortet, dazu Flume ZIP 1996, 161, 164 f. und Flume, Die juristische Person, 1983, § 7 II 2 und § 8 I (S. 270: „Wenn man schon von einer besonderen Treuepflicht redet, so ergibt sich die Treuepflicht bereits aus dem Mitgliedschaftsverhältnis als Teilhabe an der juristischen Person.“); zustimmend Altmeppen NJW 1995, 1749, 1750. Ähnlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 20 IV. 1. b) („Bestandteile des Mitgliedschaftsverhältnisses“) und Fuchs, in: FS Immenga, 2004, S. 589, 598. 140 Siehe dazu nur GroßKommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 22; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 53a Rn. 15 m. w.N.; unklar Staudinger/Looschelders/Olzen, Neubearbeitung 2009, § 242 Rn. 956 („Anbindung an das Schuldverhältnis iVm § 241 Abs 1, Abs 2“). 141 Grundlegend Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 342. Dieser Ansatz hat weitgehende Zustimmung erfahren, so z. B. BGHZ 103, 184, 195; BGHZ 129, 136, 144; BGHZ 142, 167, 170; MünchKommAktG/Bungeroth, 3. Aufl. 2008, Vor § 53a Rn. 19; GroßKommAktG/Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 136 Rn. 50; Hennrichs AcP 195 (1995), 221, 238 f.; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 53a Rn. 17; Lutter ZHR 153 (1989), 446, 452 f. und 454 f.
296 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung Daneben soll unmittelbar auf § 242 BGB142 oder die in § 705 BGB normierte Förderpflicht143 abzustellen sein. Zudem wird verbreitet auch angeführt, die Rechtsprechung habe aus den verschiedenen gesellschaftsrechtlichen Normen, die sich als Ausprägung von Treuepflichten verstehen lassen, in richterlicher Rechtsfortbildung eine Generalklausel entwickelt.144 Einzelne Stimmen gehen zudem davon aus, dass Treuepflichten inzwischen gewohnheitsrechtlich anerkannt seien.145 Um diese Ansätze zu bewerten, ist es hilfreich, mit der von Bachmann vorgeschlagenen Unterscheidung den äußeren Geltungsgrund der Treuepflichten getrennt von ihrem inneren Geltungsgrund und ihrer Funktion146 zu behandeln.147 Über die Funktion der Treuepflichten, Einwirkungsmöglichkeiten zu begrenzen, dürfte im Ergebnis kein Streit bestehen. Den inneren Geltungsgrund sieht Bachmann in einem „richtigen Verständnis des Verbandsinteresses“.148 Dieses könne nur ideal im Sinne des Gruppenwohls verstanden werden; die Vermutung, das Gruppenwohl zu konkretisieren, gelte für den jeweiligen Regelsetzer nur so lange, wie die Regelungsmacht nicht ersichtlich dazu benutzt werde, Regeladressaten zum eigenen Vorteil auszubeuten.149 Diese Grundlegung der Treuepflichten ist überzeugend, weil sie ohne weiteres aus der Mitgliedschaft selbst abgeleitet werden kann. Sie deckt sich mit der von Flume unter Berufung auf die Reichsgerichtsrechtsprechung vor 1933150 begründeten Sichtweise der heute so genannten beweglichen Schranken des Stimmrechts. Da die juristische Person „nicht mit den Mitgliedern zu identifizieren ist, diese vielmehr nur teilhaben an dem ‚idealen Ganzen‘ und so in der Willensbildung für das ideale Ganze auch nur dessen Interesse – wenn auch in autonomer Entscheidung – zu verfolgen befugt
142 Ausführlich Hennrichs AcP 195 (1995), 221, 228 ff.; in diese Richtung auch Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 211 f. 143 Insbesondere Lutter (AcP 180 (1980), 84, 102 ff.; ZHR 153 (1989), 446, 454) verweist auf § 705 BGB, den er als „Grundnorm des gesamten Korporationsrechts“ versteht; zustimmend etwa OLG Frankfurt NZG 2009, 222, 223 f.; MünchKommBGB/Reuter, 6. Aufl. 2012, § 34 Rn. 22. 144 Genannt werden, bezogen auf das Aktienrecht, insbesondere die §§ 53a, 117, 243, 254, 255 AktG. Siehe etwa MünchKommAktG/Bungeroth, 3. Aufl. 2008, Vor § 53a Rn. 20; KölnKommAktG/Drygala, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 82; GroßKommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 19; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 53a Rn. 15. 145 So beispielsweise Fuchs, in: FS Immenga, 2004, S. 589, 598; Wiesner, in: MünchHdbGesR, Bd. 4, 3. Aufl. 2007, § 17 Rn. 15. 146 Dazu auch Immenga, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 189, 204 ff., der drei Funktionen der Treuepflicht betont; zustimmend Fuchs, in: FS Immenga, 2004, S. 589, 599 f. 147 Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 211 f. 148 Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 212. 149 Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 212 mit Verweis auf die funktionale Begründung der Beschlusskontrolle bei Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1995, S. 233 ff. 150 Insbesondere RGZ 132, 149, 163.
§ 17 Die gesellschaftsrechtliche Zuordnung der Aktionärsrechte
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sind“,151 liegt es in der Natur der Sache, die Stimmrechtsmacht in allden Fällen zu begrenzen, in denen ein Gesellschafter seine Stimmabgabe nicht auf das Verbandsinteresse ausrichtet, sondern ausschließlich sein Eigeninteresse verfolgt.152 Dies ist der innere Geltungsgrund für die bei der Ausübung des Stimmrechts für jeden Aktionär bestehenden Bindungen, gleich ob man diese als Treuepflichten bezeichnet oder diesem Begriff kritisch gegenübersteht, weil er „zu hoch gegriffen“153 ist. Folgt man dem, ist es naheliegend, mit Flume auch den äußeren Geltungsgrund der Treuepflichten in der Mitgliedschaft zu sehen154 und daneben auf den in § 243 Abs. 2 AktG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken abzustellen.155 Abzulehnen ist jedenfalls die Ansicht, es handle sich um Gewohnheitsrecht, da die Voraussetzungen für dessen Entstehen, nämlich die lang andauernde, tatsächliche Übung, die von der Überzeugung der beteiligten Verkehrskreise getragen wird, dass es sich um geltendes Recht handelt,156 angesichts der nur im Grundsatz, nicht aber im Hinblick auf Einzelfragen bestehenden Übereinstimmung nicht vorliegen.157 Die Ableitung der Treuepflichten aus der Satzung als dem Organisationsvertrag der Gründer überzeugt vor allem deshalb nicht, weil die Treuepflichten nach ganz herrschender Ansicht zwingendes Recht sind,158 was der Annahme einer vertraglichen Grundlage entgegensteht.159 So gesteht etwa auch Hüffer, der sich auf die Satzung als Geltungsgrundlage beruft, zu, die Treuepflichten bedürften der „Stabilisierung“ durch einen entsprechenden Rechtssatz.160 Unabhängig davon ist heute freilich nicht nur die Existenz von beweglichen Stimmrechtsschranken im Ergebnis allgemein anerkannt,161 sondern zudem, 151
So Flume, Die juristische Person, 1983, § 7 II 2 (Zitat auf S. 212). Flume ZIP 1996, 161, 164 f.; Flume, Die juristische Person, 1983, § 8 I, nennt dies eine selbstverständliche Folge der Mitgliedschaft. 153 Flume, Die juristische Person, 1983, § 7 II 2 (S. 212). 154 So auch Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 13 Rn. 29. 155 Dazu Flume, Die juristische Person, 1983, § 7 III; zustimmend Altmeppen NJW 1995, 1749, 1750; ähnlich Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 212 („In der Sache erweist sich die Etablierung der Treuepflichtverletzung als allgemeinem Anfechtungsgrund damit als derogative Gesetzesfortbildung, die den § 243 Abs. 2 AktG seiner heute als zu eng empfundenen Tatbestandsvoraussetzungen (…) partiell entkleidet.“). Daneben sieht Bachmann die Treuepflichten als Ausprägung eines allgemeinen Ausbeutungsverbots, wie es in § 242 BGB zum Ausdruck kommt. 156 Statt aller Looschelders/Roth, Juristische Methodik im Prozeß der Rechtsanwendung, 1996, S. 322. 157 Zutreffend GroßKommAktG/Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 136 Rn. 50. 158 Siehe etwa MünchKommAktG/Bungeroth, 3. Aufl. 2008, Vor § 53a Rn. 20; KölnKommAktG/Drygala, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 126 f.; Schmidt/Lutter/Fleischer, 2. Aufl. 2010, § 53a Rn. 60; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 53a Rn. 18; a. A. Waclawik, DB 2005, 1151, 1153. 159 Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 211. 160 Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 53a Rn. 15; Hüffer, in: FS Steindorff, 1990, S. 59, 72 f. 161 Aus der Rechtsprechung des BGH siehe BGHZ 153, 47, 51; BGHZ 153, 32, 43 f.; BGHZ 142, 167 169; BGHZ 134, 392 399; BGHZ 129, 136; BGHZ 103, 184, 194 f. Aus der 152
298 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung dass sie für alle Gesellschaftsformen gelten162 und auch den einzelnen Gesellschafter jedenfalls im Verhältnis zur Gesellschaft163 binden. Nach einer heute nur noch teilweise vertretenen Ansicht können keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft bestehen.164 Für diese Auffassung lässt sich vor allem anführen, dass im Recht der Kapitalgesellschaften keine Regelung existiert, die, § 705 BGB vergleichbar, die Gesellschafter gegenseitig zu Förderung des Gesellschaftszwecks verpflichtet.165 Im Übrigen sprechen auch sonst keine zwingenden Gründe für die Annahme von zwischen den Aktionären bestehenden Treuepflichten. Dies wäre nur dann anders, wenn sich allein auf der Grundlage von Pflichten in diesem Verhältnis Schadensersatzansprüche der Mitaktionäre begründen ließen,166 was jedoch nicht der Fall ist, da sich aus der Mitgliedschaft selbst eine entsprechende Schadensersatzhaftung ableiten lässt,167 so dass jedenfalls über das Ergebnis Einigkeit besteht. Nach zutreffender Ansicht gelten die hier behandelten Beschränkungen des Stimmrechts sowohl für Mehrheits- auch für Minderheitsgesellschafter.168 Ob Minderheitsgesellschafter tatsächlich in der Lage sind, durch ihre Stimmabgabe das Abstimmungsergebnis zu beeinflussen, ist eine Frage der kaum mehr überschaubaren Literatur vgl. z. B. MünchKommAktG/Bungeroth, 3. Aufl. 2008, Vor § 53a Rn. 18 ff.; KölnKommAktG/Drygala, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 81; GroßKommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 19; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 20 IV. und § 28 I.; MünchKommBGB/Reuter, 6. Aufl. 2012, § 34 Rn. 24 f. 162 Grundlegend Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, 1980, S. 433 f. mit der oft zitierten Aussage, der Mehrheitsgesellschafter könne seine „in der Personengesellschaft vielfach betonte und anerkannte Pflichtenstellung gegenüber den Mitgesellschaftern aus Anlaß der Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft mit denselben Mitgliedern nicht abstreifen, seine Pflichten also nicht beim Eintritt in die Kapitalgesellschaft in der Garderobe abgeben“. Siehe außerdem K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 20 IV. 2. d. 163 Nach h. M. bestehen Treuepflichten des Aktionärs auch im Verhältnis zu seinen Mitaktionären, so etwa BGHZ 129, 136, 136 ff.; MünchKommAktG/Bungeroth, 3. Aufl. 2008, Vor § 53a Rn. 19; KölnKommAktG/Drygala, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 83; Schmidt/Lutter/ Fleischer, 2. Aufl. 2010 § 53a Rn. 51; GroßKommAktG/Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 136 Rn. 48; Hennrichs AcP 195 (1995), 221, 242 ff.; GroßKommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 21; Lutter ZHR 153 (1989), 446, 454 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 28 I. 164 So vor allem Flume, Die juristische Person, 1983, § 8 I (S. 268 ff.); Altmeppen NJW 1995, 1749, 1750; MünchKommBGB/Reuter, 6. Aufl. 2012, § 34 Rn. 24. 165 Zutreffend Altmeppen NJW 1995, 1749, 1750; Flume, Die juristische Person, 1983, § 8 I (S. 269). Anders insbesondere Lutter AcP 180 (1980), 84, 102 ff. und ZHR 153 (1989), 446, 454. 166 Zu den Rechtsfolgen einer pflichtwidrigen Stimmabgabe siehe noch S. 300 f. 167 Flume, Die juristische Person, 1983, § 8 I (S. 270 f.); zur fehlenden Relevanz des Streits zutreffend Altmeppen NJW 1995, 1749, 1750. 168 Auch dies ist weitgehend anerkannt, siehe dazu BGHZ 129, 136 = NJW 1995, 1739; MünchKommAktG/Bungeroth, 3. Aufl. 2008, Vor § 53a Rn. 26; KölnKommAktG/Drygala, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 92, 94; Schmidt/Lutter/Fleischer, 2. Aufl. 2010, § 53a Rn. 50; GroßKommAktG/Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 136 Rn. 53; GroßKommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 62 ff.; MünchKommBGB/Reuter, 6. Aufl. 2012, § 34 Rn. 24; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 20 IV. 3.
§ 17 Die gesellschaftsrechtliche Zuordnung der Aktionärsrechte
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Kausalität, kann aber auf die Pflichtbindung als solche keinen Einfluss haben.169 Nach alldem ist auf dem heutigen Diskussionsstand nicht mehr das Bestehen von aus der Mitgliedschaft abgeleiteten, flexiblen Schranken für die Ausübung von Mitverwaltungsrechten erörterungsbedürftig, sondern vielmehr deren Konkretisierung in der Anwendung auf den Einzelfall.170 b) Schranken für die Stimmrechtsausübung beim Aktiendarlehen Wie Grundmann zurecht festgestellt hat, ziehen Stimmrechtsschranken bei rechtspolitisch-normativer Betrachtung der Mehrheitsmacht vor allem zwei Grenzen:171 Zum einen ist die Mehrheit nicht berechtigt, eine (faktische) Quotenänderung zu bewirken. Zum anderen ist es einem Gesellschafter untersagt, das Stimmrecht ohne eigenes schutzwürdiges Interesse vorsätzlich zum Nachteil der anderen Gesellschafter auszuüben. Bei der Ausübung von risikoentleerten Stimmrechten ist die zweite Grenze betroffen. So wird eine Überschreitung der beweglichen Schranken des Stimmrechts insbesondere dann angenommen, wenn der Aktionär sich einseitig Vorteile zu Lasten der Gesellschaft oder seiner Mitaktionäre verschafft oder deren Interessen in sonstiger Weise unangemessen benachteiligt.172 Daraus folgt, dass eine Treuepflichtverletzung ohne weiteres anzunehmen ist, wenn der Darlehensnehmer der Gesellschaft durch sein Abstimmungsverhalten bewusst Schaden zufügt, um auf diese Weise sein negatives wirtschaftliches Interesse zur Gewinnerzielung zu nutzen.173 In einem solchen Fall von Empty Voting durch den Einsatz von Aktiendarlehen wäre damit eine Verletzung von Treuepflichten in der Regel anzunehmen, auch wenn zuzugeben ist, dass sich der entsprechende Nachweis 169 MünchKommAktG/Bungeroth, 3. Aufl. 2008, Vor § 53a Rn. 26; Schmidt/Lutter/Fleischer, 2. Aufl. 2010, § 53a Rn. 50; GroßKommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 73. 170 Zutreffend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 20 IV. d) und § 28 I.; siehe auch Hennrichs AcP 195 (1995), 221, 231. 171 GroßKommAktG/Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 136 Rn. 18. 172 Allgemein dazu MünchKommAktG/Bungeroth, 3. Aufl. 2008, Vor § 53a Rn. 26; KölnKommAktG/Drygala, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 100; GroßKommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 58 ff.; Lutter ZHR 153 (1989), 446, 457 f. 173 Zur Verletzung von Treuepflichten durch die Ausübung risikoentleerter Stimmrechte im Einzelfall auch Eidenmüller DStR 2007, 2116, 2120; Fleischer ZGR 2008, 185, 216 f.; Kumpan/Mittermeier ZIP 2009, 404, 410; Leyens JZ 2007, 1061, 1070; Merkner/Sustmann NZG 2010, 1170, 1173; Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 49; Theusinger/Möritz NZG 2010, 607, 610; Wenninger, Hedge Fonds im Spannungsfeld des Aktien- und Kapitalmarktrechts, 2009, S. 65 ff.; Wentrup, Die Kontrolle von Hedgefonds, 2009, S. 157. – Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 616 f. äußert jedenfalls im Hinblick auf das Wertpapierdarlehen dogmatische Bedenken, da es insoweit nicht um die inhaltsbezogene Missachtung von Rücksichtnahmepflichten gehe, sondern um die aus der Art der Erlangung der Aktionärsstellung herrührende Gefahr der Abstimmungsverfälschung. Nach der hier vertretenen Ansicht kann sich unter beiden Gesichtspunkten eine Schranke für die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer ergeben, wobei dem zweiten Aspekt im Ergebnis die entscheidende Bedeutung zukommt. Siehe dazu S. 302 ff.
300 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung häufig nicht erbringen lassen wird.174 Kumpan und Mittermeier haben vorgeschlagen, bei der Prüfung einer Treuepflichtverletzung auch zu berücksichtigen, ob der Darlehensnehmer zusätzlich Aktien aufgrund einer anderen causa als der des Darlehensvertrages hält; in diesem Fall seien die Anforderungen an das Korrektiv der Treuepflichten geringer.175 Eine solche pauschale Aussage ist jedoch nicht überzeugend, da auch nicht darlehensweise gehaltene Aktien risikoentleert werden können, etwa durch den Einsatz von Derivaten.176 Deshalb ist in jedem Fall eine Betrachtung des gesamten wirtschaftlichen Interesses des Darlehensnehmers erforderlich, um beurteilen zu können, ob dessen Verhalten treuwidrig ist.177 Da die aus der Mitgliedschaft abzuleitenden Schranken für die Stimmrechtsausübung notwendig auf den Einzelfall bezogen sind, lassen sich über das Vorstehende hinausgehende Aussagen nicht treffen. Eine andere Frage ist jedoch, ob neben diesen Beschränkungen auch ein generelles, von den Umständen des konkreten Falles gelöstes Stimmverbot für den Darlehensnehmer begründet werden kann. Neben einem Verbot würde den Treuepflichten im Ergebnis keine selbständige Bedeutung zukommen. Darauf ist sogleich einzugehen.178 Zunächst genügt es festzuhalten, dass jedenfalls die soeben behandelten Pflichten für ein derartiges allgemeines Stimmverbot keine ausreichende Grundlage bieten. c) Rechtsfolgen pflichtwidriger Stimmabgabe Es ist weitgehend anerkannt, dass pflichtwidrig abgegebene Stimmen nichtig sind und somit bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses nicht mitgezählt werden dürfen.179 Geschieht dies dennoch, ist der Hauptversammlungsbeschluss bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen anfechtbar.180 174
Darauf weist Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 208, zu Recht
hin.
175
Kumpan/Mittermeier ZIP 2009, 404, 410. Dazu oben S. 72 f. 177 In diesem Sinne auch Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 75. 178 Siehe S. 302 ff. 179 BGHZ 102, 172, 176 f. = NJW 1988, 969, 970; BGHZ 103, 184, 193; BGHZ 142, 167, 169; BGH NJW 1991, 846, 846; Beckerhoff, Treupflichten bei der Stimmrechtsausübung, 1996, S. 85 ff.; MünchKommAktG/Bungeroth, 3. Aufl. 2008, Vor § 53a Rn. 42; Spindler/ Stiltz/Cahn/v. Spannenberg, 2. Aufl. 2010, § 53a Rn. 56; KölnKommAktG/Drygala, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 138; Schmidt/Lutter/Fleischer, 2. Aufl. 2010, § 53a Rn. 63; GroßKommAktG/Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 136 Rn. 59; GroßKommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 135; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 53a Rn. 22; GroßKommAktG/K. Schmidt, 4. Aufl. 1996, § 243 Rn. 47; unklar MünchKommBGB/Reuter, 6. Aufl. 2012, § 34 Rn. 24. A. A. Timm WM 1991, 481, 486; Koppensteiner ZIP 1994, 1325, 1326 ff. (für GmbH). 180 MünchKommAktG/Bungeroth, 3. Aufl. 2008, Vor § 53a Rn. 42; KölnKommAktG/ Drygala, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 139; GroßKommAktG/Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 136 Rn. 60; GroßKommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 135. 176
§ 17 Die gesellschaftsrechtliche Zuordnung der Aktionärsrechte
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Nach der herrschenden Ansicht sind die Treuepflichten mit einem Schuldverhältnis gleichzusetzen, so dass ein treuwidriges Abstimmungsverhalten einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 S. 1 BGB begründen kann.181 Allerdings sieht sich diese Meinung dazu genötigt, von § 276 Abs. 1 S. 1 BGB abzuweichen und eine Haftung nur bei Vorsatz des Aktionärs anzunehmen; andernfalls drohe wegen des unüberschaubaren Haftungsrisikos eine zu starke Einengung der Handlungsfreiheit der Gesellschafter, was vor allem bei Kleinaktionären eine abschreckende Wirkung entfalten würde.182 Der Vorsatz muss danach auch auf den Schaden bezogen sein.183 Versteht man die Treuepflichten dagegen als eine aus der Mitgliedschaft folgende Beschränkung der Aktionärsrechte, lassen sich Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlichen Verhaltens ohne weiteres als Rechtsfolge der Mitgliedschaft begründen.184 Anspruchsgrundlagen sind dann § 826 BGB185 und § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einer als Schutzgesetz einzuordnenden Norm des Aktienrechts.186 Somit ist die Haftung des pflichtwidrig handelnden Aktionärs auch nach dieser Ansicht auf vorsätzliches Verhalten beschränkt. In jedem Fall können die Aktionäre selbst aber nur dann einen individuellen Schaden geltend machen, wenn er über einen Reflexschaden, also die Wertminderung ihrer Anteile, hinausgeht.187
181 So z. B. BGHZ 129, 136, 158; MünchKommAktG/Bungeroth, 3. Aufl. 2008, Vor § 53a Rn. 43; KölnKommAktG/Drygala, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 131; GroßKommAktG/ Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 136 Rn. 62; GroßKommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 145. – Die Beschlussanfechtung geht der Geltendmachung eines Schadens nach dieser Ansicht zumindest insofern vor, dass ein Anspruch ausscheidet, soweit der Schaden durch die Anfechtung verhindert werden kann. Siehe dazu nur MünchKommAktG/Bungeroth, 3. Aufl. 2008, Vor § 53a Rn. 43; GroßKommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 148. 182 BGHZ 129, 136, 162 ff.; MünchKommAktG/Bungeroth, 3. Aufl. 2008, Vor § 53a Rn. 43; KölnKommAktG/Drygala, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 131; Schmidt/Lutter/Fleischer, 2. Aufl. 2010, § 53a Rn. 70; GroßKommAktG/Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 136 Rn. 62; GroßKommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 147; Lutter JZ 1995, 1053, 1055; a. A. etwa Beckerhoff, Treupflichten bei der Stimmrechtsausübung, 1996, S. 99 ff. 183 OLG Düsseldorf ZIP 1996, 1211, 1213; GroßKommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 147; a. A. Beckerhoff, Treupflichten bei der Stimmrechtsausübung, 1996, S. 99 ff. 184 Flume, Die juristische Person, 1983, § 8 I (S. 269 f.). 185 Dies ist allgemein anerkannt, siehe etwa Altmeppen NJW 1995, 1749, 1749 f.; GroßKommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 148. 186 Flume, Die juristische Person, 1983, § 8 V 3. 187 BGHZ 105, 121, 130 f.; BGHZ 129, 136, 165 f.; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 13 Rn. 42; KölnKommAktG/Drygala, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 136; GroßKommAktG/Grundmann, 4. Aufl. 2008, § 136 Rn. 62; GroßKommAktG/ Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 145; Schmidt/Lutter/Fleischer, 2. Aufl. 2010, § 53a Rn. 70.
302 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung
3. Die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer als Rechtsmissbrauch a) Abgrenzung von individuellem und institutionellem Rechtsmissbrauch Die Ausübung von Aktionärsrechten kann – unabhängig von aus der Mitgliedschaft abgeleiteten Beschränkungen – auch einen von § 242 BGB erfassten Rechtsmissbrauch darstellen. Relevant wurde dies bisher vor allem im Zusammenhang mit missbräuchlichen Anfechtungsklagen.188 Insoweit wird verbreitet darauf hingewiesen, dass wegen des Sachzusammenhangs mit den Treuepflichten eine Zuordnung zu diesen systemgerecht sei,189 oder dass eine missbräuchliche Anfechtungsklage stets auch eine Treuepflichtverletzung190 darstelle. Trotz dieser Versuche, die Behandlung von missbräuchlichen Anfechtungsklagen systematisch den Treuepflichten zuzuordnen, ist anerkannt, dass aus § 242 BGB ein (selbständiges) Missbrauchsverbot abgeleitet werden kann, das insbesondere auch für die Ausübung von Aktionärsrechten gilt.191 Die missbräuchliche Anfechtungsklage wird als individueller Rechtsmissbrauch gewertet,192 also als ein Rechtsmissbrauch, der sich aus dem Verhalten des Rechtsausübenden ergibt und der deshalb erst nach einer Abwägung im Einzelfall festgestellt werden kann.193 Demgegenüber ist ein institutioneller Rechtsmissbrauch nicht aus dem individuellen Verhalten im konkreten Fall ableitbar,194 sondern dann gegeben, wenn die Ausübung einer Rechtsposition oder eines Rechtsinstituts in einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen nicht mit Treu und Glauben zu vereinbaren ist.195 Voraussetzung für die 188
Grundlegend BGHZ 107, 296, 310 f.; BGHZ 112, 9, 30; BGHZ 129, 136, 144 f. So insbesondere GroßKommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl. 2004, Anh § 53a Rn. 24; zustimmend Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 245 Rn. 23; 190 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 20 IV 3 („Das Verbot, Mitgliedschaftsrechte mißbräuchlich auszuüben, ist Bestandteil der mitgliedschaftlichen Treupflicht, die mißbräuchliche Anfechtungsklage also stets auch eine treuwidrige Anfechtungsklage.“); Spindler/Stilz/Dörr, 2. Aufl. 2010, § 245 Rn. 57. 191 Spindler/Stilz/Dörr, 2. Aufl. 2010, § 245 Rn. 56; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 245 Rn. 23; MünchKommAktG/Hüffer, 3. Aufl. 2011, § 245 Rn. 55; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 20 IV 3; GroßKommAktG/K. Schmidt, 4. Aufl. 1996, § 245 Rn. 52; Schmidt/Lutter/Schwab, 2. Aufl. 2010, § 245 Rn 40 f., 50. 192 Siehe nur Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 245 Rn. 23 m. w. N. 193 Allgemein zum individuellen Rechtsmissbrauch Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 406; Heinrich, in: FS Laufs, 2006, S. 585, 596 ff.; Staudinger/ Looschelders/Olzen, Neubearbeitung 2009, § 242 Rn. 218; Raiser, in: Summum ius, summa iniuria, 1963, S. 145, 150; MünchKommBGB/Roth/Schubert, 6. Aufl. 2012, § 242 Rn. 205; Soergel/Teichmann, 12. Aufl. 1990, § 242 Rn. 25 ff.; Thaeter/Guski AG 2007, 301, 302 f.; 194 Staudinger/Looschelders/Olzen, Neubearbeitung 2009, § 242 Rn. 218 weist allerdings zurecht darauf hin, dass sowohl beim individuellen als auch beim institutionellen Rechtsmissbrauch erst der Bezug zum Einzelfall die Feststellung eines Rechtsmissbrauchs erlaube. 195 Zum institutionellen Rechtsmissbrauch siehe Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 617; Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 242 Rn. 40; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 400; Heinrich, in: FS Laufs, 2006, S. 585, 592 ff.; Staudinger/ Looschelders/Olzen, Neubearbeitung 2009, § 242 Rn. 218; Raiser, in: Summum ius, summa iniuria, 1963, S. 145, 151 f.; MünchKommBGB/Roth/Schubert, 6. Aufl. 2012, § 242 Rn. 205; 189
§ 17 Die gesellschaftsrechtliche Zuordnung der Aktionärsrechte
303
Feststellung eines derartigen Missbrauchs ist stets die Ermittlung des Zwecks des Rechtsinstituts oder der Einräumung der jeweiligen Rechtsposition.196 Der Eintritt der eigentlich vorgesehenen Rechtsfolgen muss sich unter Berücksichtigung dieses Zwecks als untragbares Ergebnis erweisen.197 Damit kann auch die Ausübung von Verwaltungsrechten durch einen Gesellschafter rechtmissbräuchlich sein, wenn die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsposition zu anderen als vom Normgeber intendierten Zwecken eingesetzt wird.198 Da bei einem solchen institutionellen Stimmrechtsmissbrauch199 nicht auf das Verhalten des Ausübenden abzustellen ist, kann dessen subjektiver Zielsetzung für die Beurteilung keine Bedeutung zukommen oder jedenfalls keine, die über eine bloße Indizwirkung hinausgeht.200 b) Der Zweck des Aktionärsstimmrechts Die Ausübung des Stimmrechts durch den Darlehensnehmer soll nach einer Ansicht, die insbesondere auch den Einsatz von Aktiendarlehen zur Erlangung des für einen Squeeze-Out erforderlichen Quorums im Blick hat,201 im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein können.202 Demgegenüber spricht sich Bachmann dafür aus, immer dann einen institutionellen Rechtsmissbrauch anzunehmen, wenn das Wertpapierdarlehen für strategische Zwecke eingesetzt wird, wenn also eine unabhängige Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer erfolgt.203 Die für die Annahme eines institutionellen Rechtsmissbrauchs erforderliche Zweckwidrigkeit der Stimmrechtsausübung ergebe sich aus einer Gesamtwertung, in die insbesondere auch der RegeBamberger/Roth/Sutschet, Beck’scher Online-Kommentar, Stand 01.08.2012, § 242 Rn. 51; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 14. 196 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 400. 197 Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 242 Rn. 40; Staudinger/Looschelders/Olzen, Neubearbeitung 2009, § 242 Rn. 218. 198 Siehe auch die allgemeine Formulierung Raisers: „Die Ausübung subjektiver Rechte muß sich den objektiven, mit der Ordnung des Rechtsinstituts gesetzten Zwecken einordnen; zweckwidriger Gebrauch wird als Mißbrauch empfunden und erhält darum keinen Rechtsschutz.“, so Raiser, in: Summum ius, summa iniuria, 1963, S. 145, 152; siehe daneben auch Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 173 ff.; Schmidt/Lutter/Schwab, 2. Aufl. 2010, § 245 Rn. 41. 199 Allgemein zum Stimmrechtsmissbrauch MünchKommBGB/Roth/Schubert, 6. Aufl. 2012, § 242 Rn. 430; Roth/Altmeppen/Roth, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 47 Rn. 44. 200 Dazu etwa Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 175; MünchKommBGB/ Roth/Schubert, 6. Aufl. 2012, § 242 Rn. 235. 201 Dazu noch unten S. 306 ff. 202 Siehe etwa Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 105 Rn. 50 (anders aber 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 36); Hellner/Steuer/Neuhaus/ Böhm, BuB, Rn. 7/1169; Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1417 (ohne klare Festlegung). 203 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 617 f.; ablehnend Schimansky/Bunte/Lwowski/ Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 36; Theusinger/Möritz NZG 2010, 607, 609 f.
304 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung lungszweck von § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG einfließen müsse.204 Im Ergebnis sei deshalb schon de lege lata von der Unwirksamkeit der von einem Darlehensnehmer abgegebenen Stimmen auszugehen.205 Einen sehr ähnlichen Ansatz hat Ostler entwickelt.206 Er vertritt – für alle Fallgruppen des Empty Voting, d. h. nicht beschränkt auf Aktiendarlehen – die Auffassung, dass die Ausübung von risikoentleerten Stimmrechten grundsätzlich unzulässig sei. Dafür beruft er sich jedoch nicht auf § 242 BGB, sondern führt „funktionale Gründe“ an. Gemeint ist damit die „Funktion des Stimmrechts als Instrument der Willensbildung“, aus der Ostler ableitet, dass die Ausübung des Stimmrechts vom Vermögensinteresse an der Beteiligung bestimmt sein müsse.207 Auch wenn es dogmatisch als weniger überzeugend erscheint, allgemein aus „funktionalen Gründen“ eine Unzulässigkeit der Stimmrechtsausübung anzunehmen, ist der Hinweis auf die Funktion des Stimmrechts im Ergebnis doch zutreffend. Die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer ist unter Berücksichtigung der Funktion des Stimmrechts zweckwidrig und damit missbräuchlich. Dies folgt nicht nur aus der ökonomischen Analyse,208 sondern lässt sich auch dem Gesetz entnehmen. Zu nennen ist insoweit nicht nur die allgemeine Zuweisung des Stimmrechts zu den Aktionären,209 sondern vor allem der schon mehrfach angesprochene Grundsatz der Verbandsautonomie in seinen unterschiedlichen Ausprägungen. Zu nennen sind insoweit vor allem die bei Interessenkonflikten eingreifenden Stimmverbote und das Abspaltungsverbot.210 Beiden ist gemeinsam, dass sie die Richtigkeitsgewähr verbandsrechtlicher Willensbildung sicherstellen und auf die Interessen des Verbands ausrichten sollen. Können risikoentleerte Stimmrechte wirksam abgegeben werden, ist dies wegen der fehlenden Anreizwirkung, die sich sonst aus der Kopplung von wirtschaftlichem Interesse und Stimmrecht ergibt, gerade nicht mehr gewährleistet. Am deutlichsten für die Zweckwidrigkeit der Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer spricht der in § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG zum Ausdruck kommende Regelungszweck, der in der Sicherung der Kongruenz von wirtschaftlichem Interesse und Stimmrechtsmacht zu sehen ist.211 Dass diese ratio legis im Wortlaut der Norm keinen Ausdruck gefunden hat, ist nur für deren unmittelbaren Anwendungsbereich und damit für die Beurteilung von Belang, ob eine Ord-
204 205 206 207 208 209 210 211
Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 617 f. Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 618. Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 217 ff. Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 217. Dazu S. 94 ff. und S. 270 ff. Dazu bereits S. 271. Siehe S. 272 ff. und S. 280 ff. Dazu S. 289 ff.
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nungswidrigkeit begangen wurde, nicht aber für die Beurteilung der Funktion des Aktionärsstimmrechts.212 Nach alldem ist Bachmann darin zuzustimmen, dass sich die Zweckwidrigkeit der Stimmrechtsausübung aus einer Gesamtschau der soeben angesprochenen Regeln und insbesondere aus dem Regelungszweck von § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG ergibt. Ein weiteres Argument dafür, die freie, nicht an die Interessen des Darlehensgebers gebundene Stimmrechtsausübung des Darlehensnehmers als einen institutionellen Rechtsmissbrauch zu qualifizieren, ist darin zu sehen, dass der Darlehensnehmer sich unter keinem denkbaren Gesichtspunkt auf ein schutzwürdiges Interesse berufen kann, so dass als einziger subjektiver Zweck der Stimmrechtsausübung die Benachteiligung anderer in Betracht kommt.213 Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Aktien durch die entsprechende schuldrechtliche Vereinbarung wirtschaftlich dem Darlehensgeber zugeordnet sind. Positive Wirkungen des Empty Voting, die bei volkswirtschaftlicher Betrachtung möglicherweise gegeben sind,214 können deshalb für die privatrechtliche Beurteilung nicht berücksichtigt werden.215 Gegen die Annahme eines institutionellen Rechtsmissbrauchs wird das gleiche Argument vorgebracht, das auch gegen das Bestehen von schuldrechtlichen Bindungen des Darlehensnehmers bei der Stimmrechtsausübung angeführt wird,216 nämlich dass der Darlehensnehmer berechtigt sei, darlehensweise erhaltene Aktien weiterzuveräußern, der Erwerber aber keinen Bindungen gegenüber dem Darlehensgeber unterliege.217 Dies ist zwar zutreffend, stellt aber keinen Einwand gegen die hier vertretene Ansicht dar. Werden die Aktien vom Darlehensnehmer an einen Dritten veräußert, sind die in ihnen verkörperten Stimmrechte für diesen nicht risikoentleert.218 c) Folgerungen Somit ist festzuhalten, dass die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer einen institutionellen Rechtsmissbrauch darstellt. Als Rechtsfolge ist die Stimmrechtsausübung wegen Verstoßes gegen § 242 BGB unwirksam. Anders als von Bachmann erwogen, ist die Unwirksamkeit nicht von „verstärkenden Elementen“ wie den Motiven des Darlehensnehmers oder den 212
So auch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 614 f. Zu diesem Aspekt bei der Beurteilung, ob ein Rechtsmissbrauch gegeben ist, siehe auch Raiser, in: Summum ius, summa iniuria, 1963, S 145, 151; MünchKommBGB/Roth/ Schubert, 6. Aufl. 2012, § 242 Rn. 235. 214 Zu möglichen Effizienzvorteilen siehe S. 87 ff. 215 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 618 spricht sich ebenfalls gegen eine Berücksichtigung solcher Gesichtspunkte aus. 216 Siehe S. 193. 217 Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 36. 218 Dazu bereits S. 202 f. 213
306 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung Auswirkungen auf die Gesellschaft abhängig zu machen.219 Denn wenn ein institutioneller Rechtsmissbrauch zu bejahen ist, kann es auf die Umstände des Einzelfalles nicht mehr entscheidend ankommen. Zudem kann der Darlehensnehmer unabhängig von seiner Motivation und auch unabhängig von den konkreten Auswirkungen auf die Gesellschaft kein schützenswertes Interesse an der Stimmrechtsausübung haben, während stets ein Schadensrisiko für die Gesellschaft und die anderen Gesellschafter besteht. Übt der Darlehensnehmer das Stimmrecht dagegen nicht frei aus, sondern holt er die Zustimmung des Darlehensgebers ein, so dass er auch keine darlehensvertraglichen Nebenpflichten verletzt,220 ist kein Rechtsmissbrauch gegeben. Denn eine derartige Ausübung des Stimmrechts ist nicht zweckwidrig.221 Da der Darlehensgeber den Darlehensnehmer anders als bei einem Treuhandverhältnis nicht anweisen kann, das Stimmrecht auszuüben, folgt aus dem Vorstehenden, dass in vielen Fällen eine Ausübung des Stimmrechts gänzlich unterbleiben wird. Um dies zu vermeiden, steht dem Darlehensgeber jedoch insbesondere die Möglichkeit zur Verfügung, die Darlehenslaufzeit so zu vereinbaren, dass sie vor der nächsten Hauptversammlung endet, oder, bei unbefristeten Darlehen, den Vertrag rechtzeitig zu kündigen.
4. Der Einsatz von Aktiendarlehen zur Erreichung eines Quorums a) Das Lindner-Urteil des BGH Der Einsatz von Aktiendarlehen zur Erreichung eines Quorums wurde in einem Fall relevant, den der BGH in seinem Lindner-Urteil vom 16. März 2009 zu entscheiden hatte.222 Die Kläger waren Minderheitsaktionäre einer KGaA. Der persönlich haftende Gesellschafter JL hielt 1,19 % der Kommanditaktien, die JL-GmbH, an der er zu knapp 100 % beteiligt war, hielt 31,33 % und die L-Beteiligungs-GmbH hielt weitere 62,59 % der Kommanditaktien. Gesellschafter der L-Beteiligungs-GmbH waren die Ehefrau und die Töchter des JL. Aufgrund von Wertpapierdarlehensverträgen übereigneten JL und die JL-GmbH ihre Kommanditaktien an die L-BeteiligungsGmbH, die dadurch mit knapp über 95 % an der KGaA beteiligt war. Die Darlehensverträge sahen vor, dass der Gegenwert sämtlicher während der Laufzeit des Darlehens entfallender Bardividenden sowie ggf. entstehende 219
So aber Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 619. Dazu S. 201. 221 So im Ergebnis auch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 619 und Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 219, die sich allerdings gegen eine zivilrechtliche Bindung des Darlehensnehmers wenden und daher vor allem Fallgestaltungen ansprechen, in denen eine treuhänderische Bindung gegeben ist. Die Stimmrechtsausübung durch einen Treuhänder ist freilich aus gesellschaftsrechtlicher Sicht grundsätzlich unproblematisch, siehe dazu S. 283 f. 222 BGHZ 180, 154 = BGH NZG 2009, 585. 220
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Bezugsrechte den Darlehensgebern zur Verfügung stehen sollten. Die L-Beteiligungs-GmbH verlangte nun die Durchführung eines Squeeze-Out-Verfahrens nach den §§ 327a ff. AktG; der entsprechende Hauptversammlungsbeschluss wurde von den Klägern angefochten. Das Landgericht223 war der Auffassung, dass der Beschluss nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig sei. Da bei der gewählten Gestaltung der Darlehensnehmer nur formal die Stellung eines Übernahmeberechtigten erlangt habe, liege ein rechtsmissbräuchliches Umgehungsgeschäft vor. Entscheidend war aus Sicht des Gerichts, dass die Darlehensgeber wirtschaftlich so gestellt wurden, als seien sie weiterhin Eigentümer der Aktien. Dem schloss sich auch das OLG München an.224 Zwar sei bei der Auslegung des in § 327a Abs. 1 S. 1 AktG enthaltenen Tatbestandsmerkmals des „Gehörens“ von Aktien ausschließlich auf die formale Eigentümerposition abzustellen. Jedoch sei die Berufung auf diese formale Stellung jedenfalls dann rechtsmissbräuchlich, wenn, wie im entschiedenen Fall, der wesentliche wirtschaftliche Gehalt der Aktien beim Darlehensgeber verbleibe. Daneben verwies das Gericht darauf, dass die Parteien eine dauerhafte Bündelung der Aktien beim Darlehensnehmer bezweckten, der diese in treuhänderischer Weise für die Darlehensgeber verwalten sollte. Dieser Sichtweise widersprach der BGH.225 Auch bei der von den Parteien gewählten Ausgestaltung des Darlehensvertrages sei weder eine zur Nichtigkeit des Übertragungsbeschlusses führende Gesetzesumgehung noch ein Rechtsmissbrauch anzunehmen. Das Gesetz verlange lediglich eine Kapitalmehrheit von 95 %, die gemäß §§ 327a Abs. 2, 16 Abs. 2 und 4 AktG auch durch Zurechnung zu Stande kommen könne. Der Gesetzeszweck der §§ 327a ff. AktG bestehe auch nicht darin, einem Hauptaktionär die dauerhafte Stellung als Alleinaktionär zu sichern, stattdessen wolle das Gesetz im Interesse einer effizienten Unternehmensführung die Ausschließung einer kleinen Aktionärsminderheit ermöglichen, weil ihretwegen ein hoher Formalaufwand betrieben werden müsse. Damit sei aus einer vorübergehend beabsichtigten Erreichung der Schwelle von 95 % für sich allein auch kein Indiz für einen Rechtsmissbrauch vor und bei Fassung des Übertragungsbeschlusses zu entnehmen. Das Innenverhältnis der Vertragsparteien sei demgegenüber unmaßgeblich. Schließlich verwies der BGH darauf, dass es sich um eine Familiengesellschaft handele, in der schon vor der Darlehenstransaktion eine Aktionärsminderheit von weniger als 5 % einem Familienverbund gegenüberstand. Bereits aus diesem Grund sei der entschiedene Fall mit einer kurzzeitigen Vereinigung der Anteile mehrerer, nur zu Zwecken eines Squeeze-Out zusammengeschlossener Aktionäre nicht vergleichbar. 223 224 225
LG Landshut NZG 2006, 400. OLG München NZG 2007, 192. BGHZ 180, 154 = BGH NZG 2009, 585.
308 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung b) Meinungsstand In der Literatur wird vor allem der auch vom BGH entschiedene Fall der Erreichung des nach § 327a Abs. 1 S. 1 AktG erforderlichen Quorums von 95 % des Grundkapitals durch ein Aktiendarlehen diskutiert. Zum Teil wird angenommen, dass in einer solchen Konstellation ein Rechtsmissbrauch vorliege.226 Vertreten wird aber auch die Meinung, dass es im Rahmen des § 327a AktG grundsätzlich nur auf die formale Rechtsstellung des Hauptaktionärs ankomme, die auch nicht von Dauer sein müsse, und allenfalls im Einzelfall ein Rechtsmissbrauch oder die Treuwidrigkeit gegeben sein könne.227 Dafür sprächen insbesondere die Zwecke des Squeeze-Out, nämlich die Reduzierung von Kosten und die Stärkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, die auch erreicht werden könnten, wenn zwei größere Blockaktionäre durch ein Wertpapierdarlehen verbunden seien und die ansonsten vereitelt zu werden drohten.228 Für die Eingliederung nach § 319 AktG und § 320 AktG entspricht es dagegen der herrschenden Ansicht, dass eine schuldrechtliche Pflicht der Hauptgesellschaft, die Aktien einem Dritten zu übereignen, der Eingliederung nicht entgegensteht.229 Begründet wird dies vor allem damit, dass es nach dem Gesetz allein auf die Eigentümerstellung ankomme.230 226 Baums WM 2001, 1843, 1846 f.; GroßkommAktG/Fleischer, 4. Aufl. 2007, § 327a Rn. 79 f.; Fleischer ZGR 2002, 757, 777 f.; MünchKommAktG/Grunewald, 3. Aufl. 2010, § 327a Rn. 21; Maslo NZG 2004, 163, 164 f. (ohne spezifisch auf Aktiendarlehen einzugehen); Schneider/Brouwer, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1411, 1417; ohne Stellungnahme Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 105 Rn. 36. Lieder/Stange Der Konzern 2008, 617, 621 f. 227 Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 327a Rn. 27 f.; Fröde NZG 2007, 729, 734 f.; Goslar/von der Linden BB 2009, 1986, 1987 ff.; Geibel/Süßmann/Grzimek, WpÜG, 2. Aufl. 2008, § 327a AktG Rn. 58; KölnKommWpÜG/Hasselbach, 2. Aufl. 2010, § 327a AktG Rn. 87 ff.; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 327a Rn 12; Kort AG 2006, 557, 559 ff.; Kort WM 2006, 2149, 2150 ff.; KölnKommAktG/Koppensteiner, 3. Aufl. 2004, § 327f Rn. 11; Kumpan/Mittermeier ZIP 2009, 404, 406 ff.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 7.37 ff.; Hölters/Müller-Michaels, 2011, § 327a Rn. 21 f.; Hellner/Steuer/Neuhaus/Böhm, BuB, Rn. 7/1173b; Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 79 f.; Petersen/Wille NZG 2009, 856, 857 f.; Pluskat DB 2009, 1224, 1227; Pluskat NZG 2007, 725, 728 f.; Rieder ZGR 2009, 981, 992 ff. und 1002 f.; Schäfer/Dette NZG 2009, 1, 4 ff.; Schmidt/Lutter/Schnorbus, 2. Aufl. 2010, § 327f Rn. 15 ff.; Spindler/ Stilz/Singhof, AktG, 2. Aufl. 2010, § 327a Rn. 26; Theusinger/Möritz NZG 2010, 607, 610. 228 So beispielsweise Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 327a Rn. 28; Kumpan/Mittermeier ZIP 2009, 404, 408. 229 Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 319 Rn. 8; MünchKommAktG/Grunewald, 3. Aufl. 2010, § 319 Rn. 13, § 320 Rn. 3; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 319 Rn. 4; mit Bezug auf das Aktiendarlehen auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.63; Kümpel/Peters AG 1994, 525, 530; Krieger, in: MünchHdbGesR, Bd. 4, 3. Aufl. 2007, § 73 Rn 8 a; Spindler/Stilz/Singhof, 2. Aufl. 2010, § 319 Rn. 4; Schmidt/Lutter/Ziemons, 2. Aufl. 2010, § 319 Rn 10. – A. A. KölnKommAktG/Koppensteiner, 3. Aufl. 2004, Vorb § 319 Rn. 15. 230 So z. B. MünchKommAktG/Grunewald, 3. Aufl. 2010, § 319 Rn. 13.
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Auch für Minderheitsquoren (z. B. nach den §§ 142 Abs. 2, 122 Abs. 2 AktG) ist umstritten, ob die Stimmberechtigung außer Acht gelassen werden und lediglich auf die Zahl der Aktien oder deren Nennbetrag abgestellt werden soll,231 oder ob beim Einsatz von Aktiendarlehen ein Rechtsmissbrauch232 anzunehmen ist. Bachmann vertritt schließlich die Ansicht, dass auch im Freigabeverfahren für die Berechnung des hinreichenden Anteilsbesitzes im Sinne des § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG darlehensweise gehaltene Aktien außer Betracht bleiben müssten.233 c) Grundsatz: Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer als Rechtsmissbrauch Die soeben gezogene Schlussfolgerung, dass die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer einen Rechtsmissbrauch darstellt, gilt, da es sich um einen institutionellen Rechtsmissbrauch handelt, unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und damit auch unabhängig von dem konkreten Beschlussgegenstand. Somit ist die Ausübung des Stimmrechts auch dann unwirksam, wenn ein Aktiendarlehen zur Erreichung eines Quorums eingesetzt wird. Die Zwecke, die das Gesetz mit der Festlegung des jeweiligen Quorums verfolgt, sind dementsprechend für die hier interessierende Frage ohne Belang. Eine Besonderheit ist allerdings zu beachten: Bei der Frage, ob ein bestimmtes Quorum auch mit darlehensweise gehaltenen Aktien erreicht werden kann, oder ob diese unberücksichtigt bleiben müssen, geht es vielfach nicht (nur) um die Ausübung von Stimmrechten. So müssen im Falle eines Squeeze-Out nach § 327a Abs. 1 S. 1 AktG dem Hauptaktionär, der an die Gesellschaft das Verlangen richtet, die Minderheitsgesellschafter auszuschließen, 95 % des Grundkapitals gehören.234 Formal betrachtet handelt es sich bei diesem Vorgang nicht um die Ausübung des Stimmrechts, sondern um ein korporationsrechtliches Rechtsgeschäft.235 Demgegenüber genügt für den anschließenden Hauptversammlungsbeschluss gemäß § 133 Abs. 1 AktG die einfache Mehrheit.236 Soll ein übernahmerechtlicher Squeeze-Out stattfinden, ist nach § 39a Abs. 1 S. 1 WpÜG ein Antrag des Bieters erforderlich. Ähnliches gilt, wenn Minderheitsrechte, wie das Recht auf Einberufung einer 231 Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 122 Rn. 3, § 142 Rn. 22; MünchKommAktG/Schröer, 3. Aufl. 2013, § 142 Rn. 61. So wohl auch Spindler/Stilz/Mock, 2. Aufl. 2010, § 142 Rn. 115. 232 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 621 f.; Franken/Heinsius, in: FS Budde, 1995, S. 213, 231 f.; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung (EMA), 2006, S. 127; GroßKommAktG/Werner, 4. Aufl. 2008, § 122 Rn. 9. 233 Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 624 f. 234 Für den umwandlungsrechtlichen Squeeze-Out verweist § 62 Abs. 5 S. 1 UmwG auf § 327a Abs. 1 S. 1 AktG. 235 Dazu nur Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 327a AktG Rn. 8. 236 Statt aller Emmerich/Habersack/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 327a AktG Rn. 24.
310 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung Hauptversammlung (§ 122 Abs. 1 AktG), das Recht auf Bekanntmachung zur Beschlussfassung (§ 122 Abs. 2 AktG) oder das Recht auf Bestellung eines Sonderprüfers (§ 142 Abs. 2 AktG) geltend gemacht werden. Schließlich sind die Verwaltungsrechte zu nennen, die jedem Aktionär unabhängig von der Höhe seines Anteils zustehen, wie das Teilnahmerecht an der Hauptversammlung (§ 118 AktG), auch wenn der darlehensweisen Beschaffung anstelle eines Kaufs in diesen Fällen keine Bedeutung zukommt.237 Ein Sachgrund dafür, die Ausübung dieser Verwaltungsrechte anders zu behandeln als die Ausübung des Stimmrechts, ist aus gesellschaftsrechtlicher Sicht nicht zu erkennen. Hat der Darlehensnehmer kein schützenswertes Interesse an der Stimmrechtsausübung, gilt für die weiteren Rechte nichts anderes; ihre Ausübung ist wegen Zweckwidrigkeit ebenfalls rechtsmissbräuchlich.238 Im Übrigen dürfte die praktische Relevanz der Erreichung eines Quorums durch den Einsatz von Aktiendarlehen eher gering sein. Sind Minderheitsquoren betroffen, werden sich gerade Kleinaktionäre im Regelfall Aktien in der erforderlichen Beteiligungshöhe nicht durch Aktiendarlehen beschaffen (können).239 Die Erreichung des nach § 327a AktG erforderlichen Quorums durch darlehensweise gehaltene Aktien hätte dagegen für den Darlehensnehmer den Nachteil, dass die Darlehensgeber nach Erfüllung des vertraglichen Rückerstattungsanspruchs wieder in ursprünglicher Höhe an der Gesellschaft beteiligt wären, wenn man die Zulässigkeit dieses Vorgehens unterstellt. d) Sonderfall: Das treuhänderische Aktiendarlehen In der Praxis wird, wie auch das Lindner-Urteil des BGH zeigt, dieser Weg vor allem dann beschritten werden, wenn Darlehensgeber und -nehmer bewusst zusammenwirken. Der Abschluss eines Aktiendarlehens ist in einem solchen Fall nur eine mögliche Transaktionsstruktur, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Denkbar wäre insbesondere auch eine Treuhandvereinbarung. In dem vom BGH entschiedenen Fall, in dem mehr als 95 % der Aktien bereits vor Abschluss der Darlehensverträge von einem Familienverbund gehalten wurden, sollte der Darlehensnehmer die vertragsgegenständlichen Aktien treuhänderisch für die Darlehensgeber halten. In einem solchen Fall ist schon fraglich, ob es sich – unabhängig von der von den Parteien gewählten Bezeichnung des Geschäfts – überhaupt um einen Darlehensvertrag handelt, oder ob inhaltlich nicht ein Treuhandvertrag gegebenen ist.240 Zu237
Darauf weist auch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 624, hin. Aus dem gleichen Grund sind darlehensweise gehaltene Aktien bei der Bestimmung eines hinreichenden Anteilsbesitzes im Sinne des § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG nicht mitzurechnen. 239 Zutreffend Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 622. 240 Dazu auch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 624; Theusinger/Möritz NZG 2010, 607, 608. 238
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mindest wird man eine solche Vereinbarung als Aktiendarlehen mit starken treuhänderischen Elementen einordnen müssen. Erfolgt die Ausübung des Stimmrechts aufgrund eines derartigen Vertrages in Abstimmung mit dem Darlehensgeber, ist, wie bereits ausgeführt,241 kein Rechtsmissbrauch gegeben. Im Übrigen sind nach § 327a Abs. 2 AktG i. V. m. § 16 Abs. 4 AktG auch mittelbar über einen Treuhänder gehaltene Aktien zu berücksichtigen. Der Entscheidung des BGH ist damit im Ergebnis zuzustimmen.
5. Ergebnis Somit lässt sich festhalten, dass zwar die Verletzung von auf die Stimmrechtsausübung bezogenen, gegenüber dem Darlehensgeber bestehenden zivilrechtlichen Pflichten als solche nicht zu einer Unwirksamkeit der Stimmrechtsabgabe führt, dass der Darlehensnehmer aber dennoch das Stimmrecht aus den darlehensweise gehaltenen Aktien im Außenverhältnis nicht wirksam ausüben kann. Jedenfalls bei negativem wirtschaftlichem Interesse des Empty Voters ist eine Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht anzunehmen. Neben dieser beweglichen Schranke des Stimmrechts ist aus § 242 BGB ein selbständiges Missbrauchsverbot abzuleiten, das auch für die Ausübung von Aktionärsrechten gilt. Die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer stellt wegen ihrer Zweckwidrigkeit unabhängig von den Umständen des Einzelfalls einen institutionellen Rechtsmissbrauch dar. Rechtsfolge ist die Unwirksamkeit der Stimmrechtsausübung. Nicht zweckwidrig und damit nicht rechtsmissbräuchlich ist demgegenüber eine an die Zustimmung des Darlehensgebers gebundene Ausübung des Stimmrechts.
C. Die Emittentin als Partei eines Aktiendarlehens Ist die Emittentin selbst Partei eines Aktiendarlehens, ist vor allem die Anwendung der den Erwerb und die Veräußerung von eigenen Aktien beschränkenden Vorschriften der §§ 71 ff. AktG von Interesse.242 Eine Zurechnungsnorm findet sich in § 71d AktG.
I. Die Emittentin als Darlehensgeberin Die Gründe für ein Tätigwerden der Emittentin als Darlehensgeberin können vor allem – deckungsgleich mit der üblichen Motivation von Aktiendarlehensgebern – in der Renditeerzielung und ggf. auch der Liquiditätsbeschaffung liegen. Daneben kann der Abschluss eines Aktiendarlehens aber auch 241
Dazu S. 306. Aus Sicht des schweizerischen Rechts Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band II, 1995, S. 33 ff. 242
312 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung durch die Absicht motiviert sein, § 71b AktG zu umgehen, nach dem der Gesellschaft aus eigenen Aktien keine Rechte zustehen. Auf die darlehensweise Übertragung der eigenen Aktien findet § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG Anwendung, so dass eine Hauptversammlungsermächtigung erforderlich ist.243 Da der Darlehensnehmer nach richtiger Ansicht die Aktien für Rechnung des Darlehensgebers hält, gilt § 71d AktG; nach § 71d S. 4 i. V. m. § 71b AktG ruhen damit die Rechte aus den Aktien, solange der Darlehensnehmer diese hält und nicht an einen außerhalb des Zurechnungskreises des § 71d AktG stehenden Dritten überträgt.244
II. Die Emittentin als Darlehensnehmerin Die darlehensweise Beschaffung von Aktien durch die Emittentin selbst kann denselben Zwecken dienen wie ein Kauf von eigenen Aktien.245 So kommt ein Einsatz von Aktiendarlehen insbesondere bei der Ausgabe von Belegschaftsaktien oder zur Erfüllung von Kaufoptionen auf die eigenen Aktien in Betracht.246 In derartigen Fällen dient das Darlehen der Überbrückung des Zeitraums bis zur endgültigen Beschaffung der Aktien, etwa durch einen Rückkauf oder eine Kapitalerhöhung. Eine Subsumtion des darlehensweisen Erwerbs eigener Aktien unter § 71 Abs. 1 Nr. 4 AktG scheidet schon deshalb aus, weil die Emittentin den Darlehenszins als Gegenleistung zu erbringen hat. Unentgeltlichkeit im Sinne dieser Norm ist nur dann gegeben, wenn keine Gegenleistungspflicht begründet wird.247 Zudem wäre es dem Vorstand andernfalls möglich, Aktien ohne Einhaltung einer Erwerbsgrenze und ohne Bindung an eine konkrete Zweckvorgabe darlehensweise zu beschaffen.248 Für die Anwendung von § 71 Abs. 1 und Abs. 2 AktG249 ist im Übrigen zu beachten, dass der darlehensweise Erwerb und die Rückerstattung der Aktien an den Darlehensgeber zusammen betrachtet werden müssen; insbesondere stellt die Rückerstattung keine Veräußerung im Sinne von § 71 AktG dar.250 Für den Fall, dass die Emittentin die Aktien hält, greift wegen der typischerweise gegebenen schuldrechtlichen Zuordnung der Vermögensrechte 243
Cahn/Ostler AG 2008, 221, 239 f.; Oechsler AG 2010, 526, 531. A. A. Cahn/Ostler AG 2008, 221, 240 und 242. 245 Ein Sonderfall liegt dem Urteil BGH NZG 2011, 1271 zugrunde: Die Sacheinlage eigener Aktien sollte hier dadurch verschleiert werden, dass als Sacheinlage der Verzicht auf die Rückerstattung der Gesellschaft darlehensweise überlassener Aktien festgesetzt wurde. 246 Cahn/Ostler AG 2008, 221, 224 f. 247 Dies dürfte unstreitig sein, siehe etwa Cahn/Ostler AG 2008, 221, 232; KölnKommAktG/Lutter/Drygala, 3. Aufl. 2009, § 71 Rn. 220; GroßKommAktG/Merkt, 4. Aufl. 2008, § 71 Rn. 221; MünchKommAktG/Oechsler, 3. Aufl. 2008, § 71 Rn. 166. 248 Cahn/Ostler AG 2008, 221, 232. 249 Dazu im Einzelnen auch Oechsler AG 2010, 526, 530 f. 250 Cahn/Ostler AG 2008, 221, 233 f.; Oechsler AG 2010, 526, 531. 244
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und – nach der hier vertretenen Auffassung – der Verwaltungsrechte zum Darlehensgeber § 71b AktG nicht ein.251 Denn der Normzweck gebietet wegen dieser Zuordnung kein Ruhen der in den eigenen Aktien verkörperten Rechte.252
§ 18 Aktienrechtliche Zurechnungsvorschriften A. Die Mitteilungspflichten nach §§ 20, 21 AktG I. Anwendungsbereich Das AktG enthält in seinen §§ 20 ff. eigene Beteiligungstransparenzvorschriften. Diese gelten gemäß den §§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 5 AktG, die in ihrer ursprünglichen Fassung durch das 3. Finanzmarktförderungsgesetz253 eingeführt wurden, nur für Gesellschaften, die nicht Emittenten im Sinne des § 21 Abs. 2 WpHG sind. Nach § 21 Abs. 2 WpHG ist entscheidend, dass die betroffenen Aktien zum Handel an einem organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG zugelassen sind. Für Deutschland ist darunter ausschließlich der regulierte Markt im Sinne der §§ 32 ff. BörsG zu verstehen.254 Die damit erreichte Trennung der Anwendungsbereiche von kapitalmarktrechtlicher und aktienrechtlicher Beteiligungstransparenz bedeutet also, dass die §§ 20 ff. AktG im Wesentlichen Gesellschaften erfassen, deren Aktien im Freiverkehr im Sinne des § 48 BörsG gehandelt werden oder überhaupt nicht börsennotiert sind.255 Da auch derartige Aktien als Gegenstand von Darlehensverträgen in Betracht kommen, ist nachfolgend darauf einzugehen, welche Pflichten sich für die Parteien aus der aktienrechtlichen Beteiligungstransparenz ergeben.
II. Mitteilungspflichten nach §§ 20, 21 AktG § 20 Abs. 1 S. 1 AktG begründet für ein Unternehmen, dem mehr als der vierte Teil der Aktien einer Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland gehört, die Pflicht, dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Eine weitere Mitteilung ist nach § 20 Abs. 4 AktG erforderlich, sobald eine Mehrheitsbeteiligung im Sinne von § 16 Abs. 1 AktG besteht. Auch bei Unterschreitung der jeweiligen Beteiligungsschwellen besteht gemäß § 20 Abs. 5 AktG eine Meldepflicht. In Parallele zu § 28 WpHG sieht § 20 Abs. 7 AktG 251
Zutreffend Cahn/Ostler AG 2008, 221, 234. Cahn/Ostler AG 2008, 221, 229 und 234. 253 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland vom 24. März 1998, BGBl. I 1998 S. 529. 254 Siehe oben S. 231. 255 Dazu im Einzelnen Fuchs/Dehlinger/Zimmermann, WpHG, 2009, Vor §§ 21 bis 30 Rn. 37. 252
314 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung im Fall der Verletzung der Mitteilungspflichten einen Rechtsverlust vor. Ergänzt werden diese Mitteilungspflichten durch § 21 AktG, der an Aktiengesellschaften adressiert ist, die Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland halten. § 21 Abs. 1 AktG sieht eine Mitteilungspflicht bei Erreichen von mehr als 25 % vor, § 21 Abs. 2 AktG bei Erreichen einer Mehrheitsbeteiligung im Sinne von § 16 Abs. 1 AktG. § 21 Abs. 3 und 4 AktG entsprechen § 20 Abs. 5 und Abs. 7 AktG. Anders als die Regeln über die kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz knüpfen die §§ 20, 21 AktG nicht (allein) an Stimmrechtsanteile an. Stattdessen verweisen § 20 Abs. 1 S. 2 AktG und § 21 Abs. 1 S. 2 AktG für die Berechnung des Überschreitens der 25 %-Schwelle auf § 16 Abs. 2 S. 1 AktG. Danach bestimmt sich der Anteil, der einem Unternehmen gehört, bei Kapitalgesellschaften nach dem Verhältnis des Gesamtnennbetrags der ihm gehörenden Anteile zum Nennkapital, und bei Gesellschaften mit Stückaktien nach der Zahl der Aktien. Abzustellen ist damit ausschließlich auf die Kapitalbeteiligung.256 Demgegenüber ist eine nach § 20 Abs. 4 AktG oder § 21 Abs. 2 AktG meldepflichtige Mehrheitsbeteiligung nach § 16 Abs. 1 AktG zu bestimmen, wonach sowohl eine Kapital- als auch eine Stimmenmehrheit genügt.257 In beiden Fällen ist auf die dingliche Rechtslage abzustellen,258 so dass der Darlehensnehmer im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs meldepflichtig sein kann.
III. Regelungszweck Der Normzweck der §§ 20, 21 AktG ist darin zu sehen, im Interesse der Gesellschaft, der Aktionäre, der Gläubiger und der Öffentlichkeit Transparenz über die Machtverhältnisse in der Gesellschaft sowie über bestehende oder entstehende Konzernbildungen zu schaffen.259 Daneben soll für die Anwendung konzernrechtlicher Vorschriften, die eine Kenntnis der Beteiligungsverhältnisse voraussetzen, Rechtssicherheit geschaffen werden.260 Um Umgehungsgestaltungen zu verhindern,261 enthalten auch die §§ 20, 21 AktG Zu256 Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 20 AktG Rn. 17. 257 Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 20 AktG Rn. 28; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 20 Rn. 6. 258 Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 20 AktG Rn. 16; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 20 Rn. 1. 259 Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 38; BGHZ 167, 204, 208 = BGH NJW-RR 2006, 1110, 1111; BGHZ 114, 203, 215 = BGH NJW 1991, 2765, 2767; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 20 AktG Rn. 4; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 20 Rn. 1. 260 BGHZ 167, 204, 208 = BGH NJW-RR 2006, 1110, 1111; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 20 AktG Rn. 4. 261 MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 16 Rn. 43 und § 20 Rn. 14; Emmerich/ Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 20 AktG Rn. 21;
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rechnungstatbestände, die im Eigentum eines Dritten stehende Aktien erfassen. Nachfolgend ist damit der Frage nachzugehen, ob aufgrund dieser Vorschriften die vom Darlehensnehmer gehaltenen Aktien dem Darlehensgeber zugerechnet werden können. Findet eine Zurechnung statt, kommt es, wie auch im Rahmen der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenz,262 nicht zu einer Wegrechnung der betreffenden Aktien bei dem Gesellschafter, von dem die Zurechnung ausgeht.263 Stattdessen sind gegebenenfalls sowohl dieser als auch der Zurechnungsempfänger meldepflichtig.
B. Die Zurechnung nach § 16 Abs. 4 AktG § 20 Abs. 1 S. 2 AktG und § 21 Abs. 1 S. 2 AktG verweisen für die Feststellung, ob dem Mitteilungspflichtigen mehr als der vierte Teil der Aktien gehört, auf § 16 Abs. 4 AktG. Danach gelten als Anteile, die einem Unternehmen gehören, auch die Anteile, die einem von ihm abhängigen Unternehmen oder einem anderen für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens gehören, und, wenn der Inhaber des Unternehmens ein Einzelkaufmann ist, auch die Anteile, die sonstiges Vermögen des Inhabers sind. Bei einem Aktiendarlehen kommt eine Zurechnung nach § 16 Abs. 4 Var. 2 AktG in Betracht. Entscheidend ist damit, ob der Darlehensnehmer die Aktien „für Rechnung“ des Darlehensgebers hält. Im Ausgangspunkt besteht Einigkeit darüber, dass Aktien für Rechnung eines anderen im Sinne der Vorschrift gehalten werden, wenn dieser die damit verbundenen Kosten und Risiken zu tragen hat, so dass er bei wirtschaftlicher Betrachtung wie der formale Aktieneigentümer gestellt ist.264 Als mit dem Anteilbesitz typischerweise verbundene Kosten und Risiken werden dabei insbesondere die Erwerbskosten und das Risiko eines Kursverlusts genannt.265 Allgemein anerkannt ist auch, dass Geschäftsbesorgungs- und Treuhandverhältnisse eine Zurechnung begründen.266 Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 16 Rn. 12 und § 20 Rn. 4; Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1371 f. 262 Zum Grundsatz der doppelten Meldepflicht siehe S. 247 f. 263 BGH NJW 2000, 3647, 3647; MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 20 Rn. 9; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 20 AktG Rn. 16 und 22; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 20 Rn. 4. – A. A. etwa Siebel, in: FS Heinsius, 1991, S. 771, 802 ff.; Vonnemann AG 1991, 352, 352 ff. 264 MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 16 Rn. 47; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 16 AktG Rn. 18a; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 16 Rn. 12; KölnKommAktG/Koppensteiner, 3. Aufl. 2010, § 16 Rn. 24; Krieger, in: MünchHdbGesR, Bd. 4, 3. Aufl. 2007, § 68 Rn. 24; Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1372. 265 Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 16 AktG Rn. 12. 266 MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 16 Rn. 47; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 16 AktG Rn. 18a; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 16 Rn. 12; Sieger/Hasselbach WM 2004, 1370, 1372.
316 Kapitel 5: Gesellschaftsrechtliche Behandlung der darlehensweisen Überlassung Umstritten ist allerdings, ob im Rahmen des § 16 Abs. 4 AktG auch ein Stimmrechtseinfluss des Meldepflichtigen zu berücksichtigen ist. Diskutiert wird dies vor allem im Hinblick auf Stimmbindungsverträge.267 Die herrschende Meinung lehnt eine Zurechnung allein aufgrund des dadurch vermittelten Stimmrechtseinflusses ab.268 Die Vertreter der Gegenansicht weisen demgegenüber darauf hin, dass andernfalls der Zweck der Zurechnungsnorm nicht erreicht werde.269 Nach der hier vertretenen Ansicht sind dem Darlehensgeber nicht nur die mit dem Halten der Aktien verbundenen Chancen und Risiken zugeordnet.270 Daneben besteht auch ein Stimmrechtseinfluss des Darlehensgebers.271 Der Darlehensnehmer hält damit im Sinne von § 16 Abs. 4 AktG die Aktien für Rechnung des Darlehensgebers, so dass sie diesem zuzurechnen sind.
C. Die Zurechnung nach § 20 Abs. 2 AktG Nach § 20 Abs. 2 AktG rechnen für die Mitteilungspflicht nach § 20 Abs. 1 AktG zu den Aktien, die dem Unternehmen gehören, auch Aktien, deren Übereignung das Unternehmen, ein von ihm abhängiges Unternehmen oder ein anderer für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens verlangen kann, sowie solche Aktien, zu deren Abnahme das Unternehmen, ein von ihm abhängiges Unternehmen oder ein anderer für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens verpflichtet ist. Davon erfasst sind alle (unbedingten) schuldrechtlichen Ansprüche auf Übereignung von Aktien,272 also auch der Rückerstattungsanspruch des Darlehensgebers gemäß § 607 Abs. 1 S. 2 BGB, so dass auch nach § 20 Abs. 2 AktG eine Zurechnung erfolgt.
267 Auch für Fälle, in denen keine Stimmbindungsverträge geschlossen wurden, wird die Ansicht vertreten, dem Dritten dürften gewisse Gewinnchancen verbleiben, wenn der Zurechnungsempfänger volle Herrschaft über die Verwaltungsrechte habe und das Verlustrisiko tragen müsse, so MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 20 Rn. 16; Spindler/Stilz/ Petersen, AktG, 2. Aufl. 2010, § 20 Rn. 10. 268 Bürgers/Körber/Fett, 2. Aufl. 2011, § 16 Rn. 15; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 16 Rn. 13; KölnKommAktG/Koppensteiner, 3. Aufl. 2010, § 16 Rn. 43; Krieger, in: MünchHdbGesR, Bd. 4, 3. Aufl. 2007, § 68 Rn. 24; Spindler/Stilz/Schall, AktG, 2. Aufl. 2010, § 16 Rn. 34. 269 MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 16 Rn. 41, 48; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 16 AktG Rn. 25. 270 Dazu bereits bei der Zurechnung von Stimmrechten nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG, oben S. 241 ff. 271 Siehe S. 243. 272 MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl. 2008, § 20 Rn. 18; Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. 2013, § 20 AktG Rn. 23; Krieger, in: MünchHdbGesR, Bd. 4, 3. Aufl. 2007, § 68 Rn. 121; Spindler/Stilz/Petersen, AktG, 2. Aufl. 2010, § 20 Rn. 11.
Kapitel 6
Das Aktiendarlehen de lege ferenda § 19 Rechtspolitische Vorschläge und Gesetzgebungsvorhaben A. Einführung Soweit die rechtliche Einordnung und Behandlung von Aktiendarlehen Gegenstand der rechtspolitischen Diskussion sind, werden ausschließlich zwei Regelungsprobleme angesprochen. Dabei handelt es sich um das Empty Voting, also die Ausübung von risikoentleerten Stimmrechten, und, als Kehrseite davon, um Hidden Ownership, definiert als ein wirtschaftliches Interesse, das zumindest formal nicht mit entsprechender Stimmrechtsmacht einhergeht. Da der Einsatz von Aktiendarlehen nicht die einzige mögliche Technik zur Entkopplung von Stimmrechten und wirtschaftlichem Interesse darstellt, werden diese Regelungsprobleme zumeist allgemein erörtert, d. h. ohne spezifischen Bezug zu Aktiendarlehen.
B. Optionen für die Regulierung I. Vorschläge zur Regulierung von Hidden Ownership Besonders ausführlich haben Hu und Black in ihrer Aufsatzserie zu der Frage Stellung genommen, wie Empty Voting und Hidden Ownership aus rechtspolitischer Sicht zu erfassen ist. Sie haben zum einen eine integrated ownership disclosure genannte Erweiterung der kapitalmarktrechtlichen Transparenzregeln vorgeschlagen.1 Die Pflicht zur Offenlegung solle nicht nur an die gehaltenen Stimmrechte, sondern auch an das wirtschaftliche Interesse anknüpfen, unabhängig davon, ob dieses positiv oder negativ sei.2 Zudem solle sich eine Mitteilungspflicht auf darlehensweise übertragene und gehaltene Aktien sowie auf die Ausübung der Stimmrechte aus solchen Aktien erstrecken.3 Während eine derartige Erweiterung der Publizitätspflichten für eine sachgerechte Erfassung von Hidden Ownership ausreichend sei, komme ihr für die Regulierung von Empty Voting zumindest die Funktion 1
Zusammenfassend Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 682 ff. (2008). Hu/Black 61 Bus. Law 1011, 1047 ff. (2006); Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 875 ff. (2006); Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 683 (2008). 3 Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 692 ff. (2008). 2
318
Kapitel 6: Das Aktiendarlehen de lege ferenda
zu, eine gewisse abschreckende Wirkung auf solche Marktteilnehmer zu entfalten, die ggf. einen Reputationsverlust berücksichtigen würden;4 zudem könne entsprechende Transparenz Auskunft über das Ausmaß von Empty Voting geben, um auf dieser Basis in der Zukunft eine weitere Regulierung angehen zu können.5 Die Forderung, die kapitalmarktrechtlichen Transparenzvorschriften so zu erweitern, dass auch risikoentleerte Stimmrechte und formal nicht mit Stimmrechten verbundene ökonomische Positionen erfasst werden, hat verbreitet Zustimmung gefunden.6 Beispielsweise hat Seibt vorgeschlagen, in Erweiterung der Beteiligungstransparenzvorschriften der Transparenzrichtlinie die bisherige Anknüpfung an das Stimmrecht zu ersetzen durch eine Anknüpfung an Stimmrecht und wirtschaftliches Interesse; Verstöße seien durch ein Stimmverbot zu sanktionieren.7 Es finden sich aber auch Stimmen, die einer Ausdehnung von Transparenzregeln auf rein wirtschaftliche Positionen kritisch gegenüberstehen; so wird etwa auf die Gefahr von Informationsüberflutung und Fehlinterpretation hingewiesen.8 Spezifisch zur Regulierung von Aktiendarlehen findet sich vereinzelt der Vorschlag, Transparenz nur für Nettodarlehenspositionen vorzuschreiben, so dass Intermediäre keine Meldepflicht treffen würde.9
II. Vorschläge zur Regulierung von Empty Voting Zu den weiteren in Betracht kommenden Regulierungsansätzen für Empty Voting hatten sich Hu und Black in ihren im Jahr 2006 erschienenden Aufsätzen noch ohne endgültige Festlegung geäußert.10 Ein Markt für Stimmrechte hätte danach sowohl problematische Aspekte als auch Vorzüge im Hinblick auf die Kontrolle des Managements durch die Aktionäre. In jedem Fall wäre eine zusätzliche Regulierung erforderlich, da etwa schon ein unregulierter Markt für Aktien im Vorfeld von Übernahmen problematisch sei. 4
Insoweit zurückhaltend Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 127, 157 (2009). Hu/Black 61 Bus. Law 1011, 1055 (2006). 6 Für eine erweiterte Transparenz plädieren mit unterschiedlicher Ausrichtung Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 635; Clottens ECFR 2012, 446, 481 ff.; Fischer zu Cramburg/DAI/BDI NZG 2008, 457, 457 f.; Fleischer ZGR 2008, 185, 217 f.; Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 75 f.; Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 320 ff. und S. 331 ff.; Schouten 2010 Colum. Bus. L. Rev. 763, 825 ff. (2010); Wentrup, Die Kontrolle von Hedgefonds, 2009, S. 319 ff. 7 Seibt ZGR 2010, 795, 824 ff. 8 Einer Ausdehnung von Transparenzpflichten stehen kritisch gegenüber Eidenmüller DStR 2007, 2116, 2120; Fleischer/Schmolke ZIP 2008, 1501, 1511; Kobayashi/Ribstein 40 U. C. Davis L. Rev. 21, 45 f. (2006); Theusinger/Möritz NZG 2010, 607, 611; Wenninger, Hedge Fonds im Spannungsfeld des Aktien- und Kapitalmarktrechts, 2009, S. 66 f.; Zetzsche EBOR 2010, 231, 236 ff. 9 Merkner/Sustmann NZG 2010, 1170, 1172 f. 10 Dazu Hu/Black 61 Bus. Law 1011, 1055 ff. (2006); Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 886 ff. (2006). 5
§ 19 Rechtspolitische Vorschläge und Gesetzgebungsvorhaben
319
Eine direkte Beschränkung des Stimmrechts des Empty Voters sei schwierig umzusetzen, gerade was den Einsatz von Derivaten zur Entkopplung betreffe, da sich das wirtschaftliche Interesse mit dem Aktienkurs ändern könne. Dies gelte auch für entsprechende optionale Regelungen in den Satzungen der Emittenten. Schließlich komme auch eine Regulierung von Angebot und Nachfrage auf den Märkten für risikoentleerte Stimmrechte in Frage, etwa durch die Einführung einer Pflicht von institutionellen Investoren, ihre Stimmrechte tatsächlich auszuüben, durch die Schaffung steuerlicher Nachteile für Aktiendarlehen oder durch die Verpflichtung von Intermediären, die Zustimmung ihrer Kunden zu Darlehensgeschäften einzuholen oder keine Aktiendarlehen für den Zweck der Stimmabgabe auszureichen. Im Jahr 2008 konkretisierten Hu und Black ihre Vorschläge und schlugen die Verfolgung von drei Ansätzen vor.11 Dazu zählen vor allem auch12 gesellschaftsrechtliche Maßnahmen. Insbesondere solle den Emittenten eine Satzungsänderung gestattet werden, welche die Möglichkeit der Ausübung von risikoentleerten Stimmrechten beschränke, unter anderem durch die für wesentlich beteiligte Aktionäre verpflichtende Offenlegung ihres wirtschaftlichen Interesses, aus der eine entsprechende Begrenzung der Stimmrechtsmacht folgen solle.13 Zudem befürworten sie ein zwingendes Verbot der Stimmrechtsausübung für Aktionäre mit negativem wirtschaftlichen Interesse.14 Auch von anderen Autoren wird gefordert, ein Stimmverbot zumindest für bestimmte Fälle des Empty Voting einzuführen.15 So ist etwa nach Kümpel zum Schutz des Darlehensgebers zu erwägen, das Stimmrecht des Darlehensnehmers gesetzlich auszuschließen; dies gelte gerade vor dem Hintergrund, dass es hochentwickelte Darlehensmärkte wesentlich erleichterten, Aktien zum Zweck der Stimmrechtsausübung zu beschaffen.16 Auch Ostler, der schon de lege lata ein Stimmverbot annimmt,17 plädiert für eine gesetz11
Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 694 ff. (2008). Die weiteren Vorschläge betreffen die regulatorische Beeinflussung von Angebot und Nachfrage auf den Märkten für entkoppelte Stimmrechte und Maßnahmen zur Verhinderung von record date capture, Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 707 ff. (2008). 13 Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 697 ff. (2008); zustimmend Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 646 f. 14 Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 701 ff. (2008). 15 Aus der US-amerikanischen Literatur siehe etwa – mit unterschiedlicher Ausrichtung – Katz 28 Cardozo L. Rev. 1483, 1517 (2006); Martin/Partnoy 2005 U. Ill. L. Rev. 775, 778 ff. (2005); Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 127, 162 ff. (2009); für eine gesellschaftsrechtliche Beschränkung auch Dombalagian 42 U. C. Davis L. Rev. 1231, 1271 (2009). – Cohen 45 Harv. J. on Legis. 237, 253 ff. (2008) schlägt dagegen ein Klagerecht für von Empty Voting nachteilig betroffene Aktionäre vor. 16 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 13.69 f.; zustimmend Dörge AG 1997, 396, 401; ähnlich Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 181. 17 Dazu bereits S. 303 f. 12
320
Kapitel 6: Das Aktiendarlehen de lege ferenda
liche Lösung in diesem Sinne.18 Clottens hält zwar ein generelles Verbot von Aktiendarlehen und Leerverkäufen für zu weitgehend, schlägt aber ebenfalls ein Stimmverbot für Stimmrechte vor, die mit einem negativem wirtschaftlichen Interesse verbunden sind; eine Regulierung anderer Fälle des Empty Voting sei dagegen nicht sinnvoll, solange andere Fälle des nichtproportionalen Stimmrechts nicht reguliert würden.19 Daneben wird auch eine Aufklärungspflicht des Wertpapierdarlehensnehmers darüber erwogen, ob das Stimmrecht weisungsfrei genutzt werden könne.20 Insbesondere in der deutschen rechtswissenschaftlichen Literatur wird dagegen verbreitet die Auffassung vertreten, dass das geltende Gesellschaftsrecht bereits geeignete Instrumente bereithalte, um den mit Empty Voting verbundenen Gefahren zu begegnen; dies gelte vor allem im Hinblick auf die Bindung aller Aktionäre und damit auch eines Empty Voters an die Treuepflicht.21 Die Einführung von Stimmverboten oder ähnlichen, über die lex lata hinausgehenden Beschränkungen wird dementsprechend abgelehnt.22 Im Ergebnis ähnlich argumentieren Vertreter der Auffassung, nach der Empty Voting wegen behaupteter Effizienzvorteile grundsätzlich positiv zu bewerten sei.23
C. Gesetzesvorhaben Spezifisch auf die Regulierung von Aktiendarlehen zugeschnittene Gesetzgebungsvorhaben gibt es derzeit weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene. Bereits behandelt wurde die am 1. November 2012 in Kraft getretene EU-Verordnung über Leerverkäufe 236/2012, deren Verbotsnormen für Aktiendarlehen keine Relevanz haben.24 Auch der am 25. Oktober 2011 vorgelegte Vorschlag zur Revision der Transparenzrichtlinie 2004/109/EG sieht keine Regulierung von Aktiendarlehen vor.25 Im Vorfeld der Veröffentlichung des Richtlinienvorschlags wurde in einer am 20. Februar 2010 abgegebenen Erklärung des Europäischen Corporate 18
Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 319 f. Clottens ECFR 2012, 446, 481 ff. 20 Seibt ZGR 2010, 795, 824 ff. 21 Merkner/Sustmann NZG 2010, 1170, 1175; Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 75 f.; Theusinger/Möritz NZG 2010, 607, 611; Wenninger, Hedge Fonds im Spannungsfeld des Aktien- und Kapitalmarktrechts, 2009, S. 66 f.; Zetzsche NZG 2009, 692, 696 f. 22 Gegen eine pauschale Beschränkung von Empty Voting auch Schouten 2010 Colum. Bus. L. Rev. 763, 825 ff. (2010). 23 So insbesondere Kobayashi/Ribstein 40 U. C. Davis L. Rev. 21, 45 f. (2006). 24 Siehe S. 228 f. 25 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, sowie der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission, KOM(2011) 683 endgültig. 19
§ 19 Rechtspolitische Vorschläge und Gesetzgebungsvorhaben
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Governance-Forums insbesondere empfohlen, Transparenz über risikoentleerte Stimmrechte herzustellen.26 Auch auf der Konferenz zur Anwendung der Transparenzrichtlinie 2004/109/EG am 11. Juni 2010 war die Regulierung von Empty Voting ein Thema; es bestand Einigkeit darüber, dass dem Markt jedenfalls ausreichende Informationen zur Verfügung gestellt werden sollten.27 Das „CESR proposal to extend major shareholding notifications to instruments of similar economic effect to holding shares and entitlements to acquire shares“ vom 9. Februar 2010 betraf demgegenüber die Transparenz von Finanzinstrumenten, die ein wirtschaftliches Interesse ohne formellen Stimmrechtseinfluss vermitteln.28 Auch der Richtlinienentwurf beschränkt sich darauf, die mit dem Begriff Hidden Ownership umschriebenen Fallgestaltungen zu erfassen. So sieht Art. 1 Abs. 8 in einer Neufassung des Art. 13 der Transparenzrichtlinie vor, die Mitteilungspflicht auf sämtliche Instrumente auszudehnen, die einer dem Halten von Aktien oder Aktienbezugsrechten vergleichbare wirtschaftliche Wirkung haben. Zuvor hatte bereits im Jahr 2008 das Europäische Parlament eine Entschließung mit Empfehlungen an die Kommission zur Transparenz institutioneller Investoren verabschiedet.29 Darin wurde vorgeschlagen, die Transparenz des Abstimmungsverhaltens von Hedgefonds zu erhöhen; die Kommission solle im Übrigen insbesondere die Auswirkungen von Wertpapierdarlehen und der Abstimmung aufgrund darlehensweise gehaltener Anteile im Hinblick auf bessere Regulierungsgrundsätze untersuchen.30 Auch eine im Dezember 2009 vom Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) des Europäisches Parlaments veröffentlichte Studie mit dem Titel „The use of shareholder voting rights during the general assembly of company shareholders“ empfahl eine Verbesserung der kapitalmarktrechtlichen Transparenzregeln.31 Als weiteres Regulierungsinstrument wurden Be26 Statement of the European Corporate Governance Forum on Empty Voting and Transparency of Shareholder Positions, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/ecgforum/ecgf_empty_voting_en.pdf. 27 Conclusions of the Conference on the Transparency Directive, abrufbar unter http:// ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/transparency/conference20100611/conclusions_en.pdf. 28 CESR proposal to extend major shareholding notifications to instruments of similar economic effect to holding shares and entitlements to acquire shares, CESR/09–1215b, abrufbar unter http://www.esma.europa.eu/system/files/09_1215b.pdf. 29 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. September 2008 mit Empfehlungen an die Kommission zur Transparenz institutioneller Investoren (2007/2239(INI)), ABl. C 8 E vom 14. Januar 2010 S. 34. 30 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. September 2008 mit Empfehlungen an die Kommission zur Transparenz institutioneller Investoren (2007/2239(INI), ABl. C 8 E vom 14. Januar 2010 S. 40. 31 Europäisches Parlament, Directorate General for Internal Policies, Policy Department A: Economic and Scientific Policies, Economic and Monetary Affairs (ECON): The use of shareholder voting rights during the general assembly of company shareholders, IP/ A/ECON/2008–32, 2009, S. 31 ff.
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Kapitel 6: Das Aktiendarlehen de lege ferenda
schränkungen von Aktiendarlehen im Vorfeld von Hauptversammlungen erwähnt.32
§ 20 Bewertung A. Der strategische Einsatz von Aktiendarlehen als alleiniges Regelungsproblem Die Parteien von Aktiendarlehen können mit deren Abschluss unterschiedlichste Zwecke verfolgen. Diese sind in den meisten Fällen auch aus rechtsökonomischer Sicht unbedenklich und erfordern keine weitergehende Regulierung. Ganz im Gegenteil sind bei der Bewertung jedes auf Aktiendarlehen bezogenen rechtspolitischen Vorschlags stets die positiven volkswirtschaftlichen Wirkungen eines funktionierenden Marktes für Aktiendarlehen zu berücksichtigen. Diese Feststellung gilt etwa für den Abschluss von Darlehensverträgen zu dem Zweck, die Nichterfüllung einer Lieferverpflichtung mit entsprechenden Nachteilen zu verhindern, die sonst nicht nur für den Verkäufer von Aktien, sondern auch für dessen Vertragspartner eintreten können. Zu nennen ist auch die Bedeutung des Darlehensmarktes für Market Maker sowie der Einsatz von Aktiendarlehen für die Liquiditätsbeschaffung des Darlehensnehmers oder die Refinanzierung einer Wertpapierposition des Darlehensgebers. Grundsätzlich positiv fällt auch die Beurteilung von Aktiendarlehen als Mittel zur Finanzierung von Leerverkäufen aus: Dies gilt zum einen wegen der dadurch bewirkten Verbesserung der Liquidität des jeweiligen Marktes, die sich unmittelbar auf dessen allokative Effizienz auswirkt. Davon profitieren nicht nur die Marktteilnehmer durch niedrigere Transaktionskosten, sondern auch die Emittenten durch niedrigere Kapitalkosten. Zum anderen kann die Bedeutung von Leerverkäufen für funktionsfähige Terminmärkte kaum unterschätzt werden, da die dort handelnden Intermediäre zur Absicherung ihrer Positionen auf die Möglichkeit angewiesen sind, am Kassamarkt Leerverkäufe vornehmen zu können. Da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass der Handel auf derivativen Märkten bei volkswirtschaftlicher Betrachtung nutzbringend ist, ist die Bedeutung von Leerverkäufen in diesem Zusammenhang auch bei einer möglichen Regulierung von Aktiendarlehen zu beachten. Im Übrigen werden vor allem ungedeckte Leerverkäufe als problematisch bewertet, so dass auch vor diesem Hintergrund alles dafür spricht, die der Deckung dienenden Darlehensgeschäfte möglichst weitgehend zu ermöglichen. 32 Europäisches Parlament: Directorate General for Internal Policies, Policy Department A: Economic and Scientific Policies, Economic and Monetary Affairs (ECON): The use of shareholder voting rights during the general assembly of company shareholders, IP/ A/ECON/2008–32, 2009, S. 35 f.
§ 20 Bewertung
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Aktiendarlehen können jedoch auch (in der hier verwendeten Terminologie) strategisch eingesetzt werden. Aus Sicht des Darlehensnehmers ist damit das Halten der Aktien während der Laufzeit des Darlehens zum Zweck der Stimmrechtsausübung (Empty Voting) gemeint. Für den Darlehensgeber ist darunter der Abschluss eines Darlehensvertrages zum Zweck des heimlichen Beteiligungsaufbaus (Hidden Ownership) zu verstehen, um sich etwa im Vorfeld einer Unternehmensübernahme an die Zielgesellschaft „anzuschleichen“. Allein derartige Vorgehensweisen lassen sich aus rechtspolitischer Sicht als möglicherweise regulierungsbedürftig ansehen. Da das Aktiendarlehen nur eines von mehreren denkbaren Instrumenten ist, um risikoentleerte Stimmrechte zu schaffen oder heimlich eine Beteiligung aufzubauen, ist nachfolgend zunächst anzusprechen, weshalb eine auf das Aktiendarlehen beschränkte Betrachtung lohnenswert ist.
B. Der Erkenntniswert einer auf Aktiendarlehen beschränkten Bewertung Bisweilen wird gegen eine auf das Aktiendarlehen zugeschnittene Lösung des Regelungsproblems risikoentleerter Stimmrechte vorgebracht, dies lasse „die Vielschichtigkeit der Problematik außer Acht“, da es auch andere Wege gebe, das Stimmrecht und das wirtschaftliche Interesse zu entkoppeln, und daher eine Gesamtlösung anzustreben sei.33 Dagegen ist zunächst einzuwenden, dass eine Beschränkung auf die Entkopplungstechnik „Aktiendarlehen“ nicht ohne Erkenntniswert für das allgemeine Regelungsproblem ist: Sollte sich etwa erweisen, dass dieses für Aktiendarlehen durch das geltende Recht ausreichend erfasst ist, könnte sich die weitere Diskussion auf die sonstigen Entkopplungstechniken beschränken.34 Sachgerecht ist eine auf das Aktiendarlehen ausgerichtete Erörterung aber vor allem auch wegen folgender Besonderheiten, die es von anderen Fallkonstellationen des Empty Voting unterscheidet: Ein wesentliches Abgrenzungsmerkmal zu anderen Entkopplungstechniken ist, dass diese jeweils zwei Transaktionen mit in der Regel unterschiedlichen Vertragspartnern voraussetzen, während das Aktiendarlehen nur eine einzige vertragliche Vereinbarung erfordert.35 Daraus ergibt sich weiter, dass der zivilrechtlichen Beurteilung dieses Vertragsverhältnisses entscheidende Bedeutung zukommt, und zwar auch als Vorfrage der gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Erörterung. So kann die nach der hier vertretenen Auffassung bestehende, auf die Stimmrechtsausübung bezogene Neben33 Theusinger/Möritz NZG 2010, 607, 609; ähnlich Cohen 45 Harv. J. on Legis. 237, 253 (2008). 34 Ähnlich Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 645 zum Empty Voting: „Einen Weg dorthin zu verschließen erscheint aber immer noch besser, als gänzlich zu resignieren.“ 35 Dazu bereits S. 72 f.
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Kapitel 6: Das Aktiendarlehen de lege ferenda
pflicht des Darlehensnehmers das Regelungsproblem Empty Voting zumindest abmildern. Damit in Zusammenhang steht, dass sich jedenfalls im Verhältnis der Parteien zueinander die Aufspaltung von Stimmrecht und wirtschaftlichem Interesse eindeutig bestimmen lässt. Diejenigen Stimmrechte, die in darlehensweise gehaltenen Aktien verkörpert sind, sind stets vollständig risikoentleert, d. h. der Darlehensnehmer hat insoweit kein wirtschaftliches Interesse. Dies macht eine isolierte, d. h. eine von anderen coupled assets unabhängige Betrachtung und Regulierung möglich, während bei der Verwendung von Derivaten zur Entkopplung eine präzise Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses schwierig ist, da es dauernden Schwankungen unterworfen sein kann.36 Das bei einem Aktiendarlehen bestehende vertragliche Band zwischen den Parteien bedeutet auch, dass bei Eintritt eines Schadens für die Gesellschaft durch die Ausübung risikoentleerter Stimmrechte der Schädiger durch den jeweiligen Darlehensgeber ausfindig gemacht werden kann, was Auswirkungen auf die Notwendigkeit zusätzlicher Transparenz hat. Da andere Entkopplungstechniken stets den Abschluss von zwei Rechtsgeschäften mit in aller Regel personenverschiedenen Vertragspartnern voraussetzen wie beispielsweise den Kauf von Aktien und das Hedging des wirtschaftlichen Risikos durch ein Termingeschäft, ist die Aufdeckung des jeweiligen Vorgehens und ggf. die Identifizierung eines vorsätzlich handelnden Empty Voters wesentlich schwieriger.
C. Die praktische Bedeutung eines strategischen Einsatzes von Aktiendarlehen Für die rechtspolitische Beurteilung des strategischen Einsatzes von Aktiendarlehen ist auch von Bedeutung, in welchem Umfang dieser in der Praxis tatsächlich vorkommt oder vorkommen kann. Verlässliche empirische Daten dazu existieren nicht. Möglich sind jedoch Aussagen zu den tatsächlichen Umständen, die ein Darlehensnehmer in seine Überlegungen einbeziehen muss, wenn er eine Ausübung risikoentleerter Stimmrechte erwägt. Anzusprechen sind insoweit sowohl das Verhalten potentieller Darlehensgeber als auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
I. Verhalten des Darlehensgebers Die darlehensweise Verschaffung von Aktien zum Zweck der Stimmrechtsausübung wird in der Praxis oft dadurch erleichtert, dass Darlehensgeber jedenfalls bei Vertragsschluss vielfach keine Kenntnis von der Identität und 36
In diesem Sinne auch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 645.
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den Absichten des Darlehensnehmers haben.37 Dies betrifft gerade institutionelle Investoren, die für einen Großteil des Angebots auf dem Darlehensmarkt sorgen, denn diese lagern das Darlehensgeschäft in der Regel auf externe Dienstleister aus und überwachen es nicht im Detail.38 Es gilt auch für Investmentfonds, die einen Aktienindex lediglich passiv nachbilden (d. h. nicht das Ziel verfolgen, die Wertentwicklung der im Index enthaltenen Aktien zu übertreffen) und für deren Manager daher die mögliche Renditesteigerung durch die Erzielung von Darlehenszinsen von Bedeutung ist, nicht aber die Ausübung der Stimmrechte.39 Ein Rückruf (recall) der Aktien, d. h. eine Kündigung des Darlehensvertrages, ist dem Darlehensgeber zwar oft vertraglich gestattet.40 In der Literatur wird jedoch darauf hingewiesen, dass vor der Hauptversammlung von einem solchen Recht in der Praxis kaum Gebrauch gemacht werde.41 Nach der empirischen Beschreibung des US-amerikanischen Aktiendarlehensmarktes durch D’Avolio, die auf Daten eines Intermediärs gestützt ist und den Zeitraum von April 2000 bis September 2001 umfasst, kommen recalls generell selten vor, nämlich im Durchschnitt bei 2 % aller darlehensweise übertragenen Aktien.42 Ein Grund dafür dürfte neben dem fehlenden Interesse vieler Darlehensgeber an einer Ausübung des Stimmrechts darin zu sehen sein, dass Darlehensgeber, die Aktien nicht oder allenfalls selten zurückrufen, von potentiellen Vertragspartnern bevorzugt werden.43 Darlehensgeber, die sich (häufiger) für einen Rückruf entscheiden, riskieren also, in Zukunft nicht berücksichtigt zu werden oder niedrigere Zinsen zu erhalten.44 Eine von Aggarwal, Saffi und Sturgess veröffentlichte empirische Studie, die das Stimmverhalten von institutionellen Investoren betrifft und sich auf Daten aus dem Zeitraum von Januar 2007 bis Dezember 2009 stützt, kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass ein Rückgang des Angebots an darlehensweise erhältlichen Aktien vor dem record date der jeweiligen Gesellschaft zu beobachten ist, was die Autoren auf einen Rückruf der Aktien zum Zweck der Stimmrechtsausübung zurückführen.45 Zudem konnte beobachtet werden, dass dieser Effekt am stärksten ausgeprägt ist, wenn wichtige oder voraussichtlich kontroverse Entscheidungen anstehen, was dafür 37 Dazu auch Branson 5 Va. L. & Bus. Rev. 1, 22 (2010) mit dem Hinweis, dass Intermediäre gegenüber Darlehensgebern in der Regel nicht offenlegen, wenn Darlehensnehmer Leerverkäufer wie Hedge Fonds sind, die ein entgegengesetztes Interesse (fallende Kurse) verfolgen. 38 Hu/Black 61 Bus. Law 1011, 1062 f. (2006); Kahan/Rock 96 Geo. L. J. 1227, 1256 (2007–2008). Zur Funktion von Intermediären auf dem Darlehensmarkt siehe oben S. 12 ff. 39 So Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 23 f. 40 Zur Vertragspraxis siehe S. 204 ff. 41 Hu/Black 61 Bus. Law 1011, 1062 f. (2006). 42 D’Avolio 66 J. Fin. Econ. 271, 303 (2002). 43 Kahan/Rock 96 Geo. L. J. 1227, 1256 f. (2007–2008). 44 Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 708 f. (2008).
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spricht, dass institutionelle Investoren Aktien selektiv, d. h. in Abhängigkeit von den konkret anstehenden Entscheidungen zurückrufen.46
II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen Aus Sicht des Darlehensnehmers, der einen strategischen Einsatz des Aktiendarlehens beabsichtigt, hat diese Vorgehensweise gegenüber dem Erwerb einer entsprechenden Beteiligung insbesondere den Vorteil, dass der Abschluss von Darlehensverträgen den Aktienkurs nicht beeinflusst.47 Vielfach wird, um die von einem Empty Voting ausgehenden Gefahren zu betonen, auch darauf hingewiesen, dass Aktiendarlehen den Erwerb eines wesentlichen Stimmrechtseinflusses mit geringem Mitteleinsatz ermöglichten, weil die dabei entstehenden Kosten typischerweise gering seien.48 Daran ist zutreffend, dass die durchschnittlichen Darlehenszinsen für viele Wertpapiere vergleichsweise niedrig sind und im Bereich von weniger als 50 Basispunkten oder 0,5 % pro Jahr liegen,49 was gerade bei kurzfristigen Darlehen die Beschaffung auch größerer Pakete zu einem Bruchteil der Kosten ermöglicht, die für einen Kauf aufzuwenden wären.50 Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass sich oft nur ein kleiner Teil der ausgegebenen Aktien in der Hand von Aktionären befindet, die zum Abschluss von Darlehensverträgen überhaupt bereit sind; bei Aktien mit großer Marktkapitalisierung (Large Caps) ist dieser Anteil in der Regel höher als bei Aktien mit geringer Marktkapitalisierung (Small Caps, Micro Caps).51 Schon dieser Umstand begrenzt den maximalen Stimmrechtseinfluss, der sich darlehensweise aufbauen lässt. Auch bei eher niedrigen Hauptversammlungspräsenzen dürfte die Erreichung einer Stimmenmehrheit allein durch darlehensweise gehaltenen Aktien in den meisten Fällen schwierig sein. Zudem können, gerade bei einem geringen Angebot auf dem Darlehensmarkt, die Darlehensgebühren ein deutliches höheres Niveau als das genannte erreichen,52 zumal das Vorgehen 46 Aggarwal/Saffi/Sturgess, The Role of Institutional Investors in Voting: Evidence from the Securities Lending Market, Georgetown McDonough School of Business Research Paper No. 2012–07, 7. Dezember 2012, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1688993, S. 38 f. 47 Bertschinger, Rechtsprobleme des Securities Lending and Borrowing, Band II, 1995, S. 24. 48 Auf diese Hebelwirkung weisen hin Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 613 f.; Clottens ECFR 2012, 446, 448; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 129; Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 708 (2008); Kümpel/Peters AG 1994, 525, 529. – Siehe auch Ostler, Stimmrecht ohne Beteiligungsinteresse, 2010, S. 317 („Wertpapierleihgeschäfte eignen sich daher mehr als alle anderen Finanzgeschäfte, Aktien allein zur Stimmrechtsausübung im eigenen Interesse zu erwerben (…)“). 49 Zu typischen Darlehenskonditionen siehe S. 50 ff. 50 So insbesondere Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 708 (2008) mit einer Beispielsrechnung. 51 Siehe S. 51 f. 52 Auch dazu S. 50 f.
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des Darlehensnehmers selbst zu einer entsprechenden Preisreaktion auf dem Darlehensmarkt führen wird. Schließlich dürfen auch die Kosten nicht vernachlässigt werden, die dem Darlehensnehmer durch die Stellung der typischerweise vom Darlehensgeber geforderten Sicherheiten (in Höhe von mehr als 100 % des Marktwertes der vertragsgegenständlichen Aktien) entstehen. Zudem ist stets zu beachten, dass risikoentleerte Stimmrechte für sich genommen dem Empty Voter keinen Vorteil verschaffen.53 Vielmehr ist aus dessen Sicht für die Erzielung eines Gewinns Voraussetzung, dass sein wirtschaftliches Interesse entweder positiv oder negativ ist, je nachdem, ob er plant, von einer Wertsteigerung oder von einer Wertvernichtung zu profitieren.54 Gerade die als besonders problematisch einzustufende Variante des Empty Voting, bei der ein negatives wirtschaftliches Interesse durch eine bewusste Schädigung der Gesellschaft ausgenutzt wird, ist im Regelfall nicht ohne weiteres umzusetzen.55 Denn neben der bereits angesprochenen Schwierigkeit, ohne zu großen Preiseffekt auf dem Darlehensmarkt eine ausreichende Anzahl von Aktien zu erlangen, stellt sich für den Darlehensnehmer das weitere Problem, auf welche Weise ein negatives Interesse geschaffen werden kann. Die dafür nötige Short-Position könnte etwa durch Leerverkäufe der Aktien aufgebaut werden. Dies führt jedoch zum einen zu einem Sinken des Aktienkurses.56 Zum anderen wird für die Finanzierung der Leerverkäufe wiederum eine entsprechend großes Volumen von Aktiendarlehen benötigt, was – wenn die Liquidität auf dem Darlehensmarkt überhaupt ausreichend sein sollte – zumindest die dafür zu entrichtenden Zinsen weiter steigen lässt. Der alternative Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten zum Aufbau einer Short-Position lässt sich ebenfalls nicht ohne eine Preisreaktion gestalten,57 wenn es überhaupt gelingen sollte, Vertragspartner für die gewünschten Derivatkontrakte zu finden.58 Unabhängig von dem ge53 Zutreffend Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 20: „pure vote buying does not yield a profit.“ 54 Dazu bereits oben S. 73 ff. und Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 18 ff. 55 Von einem hohen Aufwand dafür, eine relevante Stimmrechtsmacht zu halten und gleichzeitig ein negatives Interesse aufzubauen, geht auch Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 75, aus. 56 Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 20. 57 Auch dazu Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 20. 58 Dies setzt zunächst voraus, dass die Vertragspartei über die Absichten des Empty Voters nicht informiert ist, worauf Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 17, hingewiesen hat. Versucht der Vertragspartner, der als Folge des Geschäfts eine LongPosition einnimmt, diese zu neutralisieren (wie es bei Kreditinstituten und sonstigen Fi-
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wählten Vorgehen sind also die Gewinnmöglichkeiten des Empty Voters faktisch begrenzt.59 Am besten dürften die Erfolgsaussichten für einen Empty Voter in zwei Konstellationen sein: Denkbar ist zum einen, dass der Darlehensnehmer bereits erheblichen Stimmrechtseinfluss durch anderweitig gehaltene Aktien besitzt und diesen durch darlehensweise erworbene Aktien verstärkt, um die für einen bestimmten Hauptversammlungsbeschluss erforderliche Mehrheit zu erreichen. Bei einem solchen Versuch, ein positives wirtschaftliches Interesse auszunutzen, stellt sich dem Empty Voter allerdings ein Optimierungsproblem: Ist sein wirtschaftliches Interesse gering, ist absolut gesehen auch das Gewinnpotential niedrig. Versucht er, das wirtschaftliche Interesse weiter zu erhöhen, steigt wegen des damit verbundenen Einflusses auf den Aktienkurs das Gewinnpotential nur in begrenztem Umfang.60 Zum anderen dürfte das Ausnutzen eines negativen wirtschaftlichen Interesses vor allem dann erfolgversprechend sein, wenn mit den risikoentleerten Stimmrechten eine Blockadeposition aufgebaut und durch diese eine wertsteigernde Entscheidung verhindert werden kann. Je kleiner der dafür erforderliche Stimmrechtsanteil ist, desto leichter sind die oben geschilderten Grenzen einzuhalten. Eine Auswertung der von Hu und Black vorgestellten mutmaßlichen und erwiesenen Fälle von Empty Voting, die sich weltweit in den Jahren 1988 bis 2007 abgespielt haben,61 bestätigt diese Einschätzung. Insgesamt führen Hu und Black 41 Fälle an, die sie als Empty Voting beschreiben. In den meisten Fällen wurden nicht Aktiendarlehen, sondern andere Entkopplungstechniken verwendet. Nur in einem einzigen Fall jedoch soll der durch darlehensweise gehaltene Aktien vermittelte Stimmrechtseinfluss genutzt worden sein, um von einem negativen wirtschaftlichen Interesse zu profitieren.62 An dem betroffenen Unternehmen mit Sitz in Hong Kong (Henderson Investment) erlangte ein Hedgefonds mittels eines Aktiendarlehens eine Sperrminorität in Höhe von 2,7 %, um eine geplante Transaktion mit der Folge eines sinkenden Aktienkurses zu blockieren.63 Die Gewinnerzielung sollte über eine Shortposition erfolgen. Die anderen Fälle des Einsatzes von Aktiendarlehen betrafen alle ein positives wirtschaftliches Interesse, wie zum Beispiel in den nanzdienstleistern der Fall sein wird), ist er zumeist ebenfalls auf Leerverkäufe angewiesen, unterliegt dabei ähnlichen Beschränkungen wie der Empty Voter selbst und ist aus diesem Grund möglicherweise nicht zu einem Vertragsschluss mit diesem bereit. 59 Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 19 f. 60 Zurkinden, Coporate Vote Buying: The New Separation of Ownership and Control, 6. Februar 2009, abrufbar unter http://ssrn.com/abstract=1338624, S. 19. 61 Hu/Black 61 Bus. Law 1011, 1035 ff. (2006); Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 848 f. (2006); Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 661 ff. (2008). 62 Siehe die Tabelle in Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 661 ff. (2008). 63 Hu/Black 61 Bus. Law 1011, 1029 (2006); Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 834 f. (2006).
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Fällen British Land/Laxey Partners64 oder P&O Princess,65 in denen ebenfalls Darlehen eingesetzt wurden.66
III. Folgerungen Es ist somit festzuhalten, dass der strategische Einsatz von Aktiendarlehen durchaus eine Möglichkeit darstellt, einen erheblichen Stimmrechtseinfluss zu erlangen und diesen zur Gewinnerzielung zu nutzen. Anders als dies im Hinblick auf die vermeintlich niedrigen Kosten für Aktiendarlehen verbreitet behauptet wird, kann eine solche Strategie aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen jedoch nicht immer mit Erfolg umgesetzt werden. Dies gilt gerade auch für den Versuch, mit risikoentleerten Stimmrechten eine Hauptversammlungsmehrheit zu erlangen und von einem negativen wirtschaftlichen Interesse zu profitieren. Pauschale Aussagen darüber, wie groß der mit einem strategischen Vorgehen des Darlehensnehmers verbundene Aufwand, die durch die Entkopplung entstehenden Kosten und dementsprechend der Anreiz sind, auf diese Weise risikoentleerte Stimmrechte zu erlangen, verbieten sich folglich.67
D. Aktiendarlehen und kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz de lege ferenda Ein Beteiligungsaufbau durch den Abschluss von Darlehensverträgen wird nach der hier vertretenen Auffassung bereits von den geltenden Vorschriften über die Beteiligungstransparenz erfasst. So werden die Stimmrechte aus den darlehensweise gehaltenen Aktien dem Darlehensgeber jedenfalls bis zu einer Weiterveräußerung an einen Dritten nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG zugerechnet. Unabhängig von einer Weiterübertragung der Aktien an Dritte führt der Rückübertragungsanspruch des Darlehensgebers aus § 607 Abs. 1 S. 2 BGB zu einer weiteren Meldepflicht gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG. Auch ein versteckter Beteiligungsaufbau durch den Abschluss von Vereinbarungsdarlehen mit den Eigentümern von Aktienpaketen wird vom geltenden 64 Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 679 (2008), Fall Nr. 12; Hu/Black 79 S. Cal. L. Rev. 811, 816 f. (2006): Der Hedge-Fonds Laxey Partners hielt einen Anteil von etwa 1 % an British Land; auf der Hauptversammlung stimmte er jedoch mit einem Anteil von über 9 %. Die zusätzlichen Stimmrechte hatte er sich durch ein Darlehensgeschäft verschafft. 65 Hu/Black 156 U. Pa. L. Rev. 625, 678 (2008), Fall Nr. 17: Aktionäre des Unternehmens P&O Princess verschafften sich angeblich durch Darlehen zusätzliche, risikoentleerte Stimmrechte, um für die Annahme eines Übernahmeangebots zu stimmen. 66 Zu beiden Fällen siehe auch das Protokoll des Stock Lending and Repo Committee, Bank of England, vom 11. Dezember 2002, abrufbar unter http://www.bankofengland.co.uk/markets/Documents/gilts/slrcdec02.pdf, Ziff. 2 ff. 67 Zurückhaltend zum Ausmaß des Empty Voting auch Osterloh-Konrad ZGR 2012, 35, 56 f.; Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 127, 157 (2009).
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Transparenzregime erfasst: Bereits mit Abschluss des Darlehensvertrages erfolgt eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG, daneben besteht auch hier eine Meldepflicht nach § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG. Das geltende Recht stellt damit ausreichende Transparenz her, um den strategischen Einsatz von Aktiendarlehen zur Verschleierung des tatsächlichen Stimmrechtseinflusses im Vorfeld von Unternehmensübernahmen zu verhindern. Auskunft darüber, dass Stimmrechte risikoentleert sind, geben die in den §§ 21 ff. WpHG enthaltenen Vorschriften allerdings nicht. Die Erweiterung der kapitalmarktrechtlichen Transparenz in der Weise, dass auch die Entkopplung der Stimmrechte von dem normalerweise damit verbundenen wirtschaftlichen Interesse zu veröffentlichen ist, statt einer auf gesellschaftsrechtlicher Ebene ansetzenden Regulierung den Vorzug zu geben, ist allerdings problematisch. Denn auch eine so weitgehende Transparenz würde nichts daran ändern, dass der einzelne Aktionär frei über die Risikoentleerung, deren Ausmaß und deren Zeitpunkt entscheiden kann. Wegen dieses Umstandes könnten sich, anders als bei einem in der Satzung der Gesellschaft für bestimmte Aktiengattungen vorgesehenen disproportionalen Stimmrecht, keine die Unterschiede im Stimmrechtseinfluss zum Ausdruck bringenden Marktpreise bilden. Es bestünde deshalb die Gefahr, dass alle Aktien der betroffenen Emittenten mit einem Preisabschlag gehandelt würden.68 Zu befürchten wäre auch eine Verstärkung des Problems der rationalen Apathie der Aktionäre.69 Zudem bergen die hohen Kosten für eine solche zusätzliche Transparenz, die auch Darlehensgeber treffen würden,70 die Gefahr, dass auf den Darlehensmärkten weniger Liquidität zur Verfügung stünde, was auch die anderen Einsatzzwecke von Aktiendarlehen beeinträchtigen würde. Die besseren Argumente sprechen daher gegen eine weitere Ausdehnung der Beteiligungstransparenz, etwa durch die Einführung von Mitteilungsund Veröffentlichungspflichten, die sich spezifisch auf die Anzahl der darlehensweise übertragenen oder gehaltenen Aktien beziehen. Zuzugeben ist freilich, dass im Einzelfall der Nachweis einer Vereinbarung zwischen dem Hidden Owner und dem formal als Aktionär Auftretenden Schwierigkeiten bereiten kann. Dieses Durchsetzungsproblem ist jedoch nicht auf den Einsatz von Aktiendarlehen beschränkt, sondern besteht in gleicher Weise bei anderen Gestaltungen der Hidden Ownership. Insoweit ist insbesondere der von Noack und Zetzsche formulierte Vorschlag überlegenswert, de lege ferenda in Anlehnung an die kartellrechtliche Leniency Anreize für eine Offenlegung durch die sich absprechenden Beteiligten zu schaffen.71 68
Dazu bereits oben S. 86 f. Katz 28 Cardozo L. Rev. 1483, 1516 f. (2006). 70 Siehe auch Cohen 45 Harv. J. on Legis. 237, 250 ff. (2008). 71 Noack/Zetzsche, in: FS Schwark, 2009, S. 567, 585 f.; Zetzsche, Challenging Wolf Packs: Thoughts on Efficient Enforcement of Shareholder Transparency Rules, 3. Februar 2010, abrufbar unter http://ssrn.com/papers=1428899; Zetzsche EBOR 2009, 115, 145 f. 69
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E. Aktiendarlehen und Stimmrechtsausübung de lege ferenda Im Gegensatz dazu sind bei Beschränkungen jeglicher Art, welche die Stimmrechtsausübung des Darlehensnehmers erfassen, keine negativen Auswirkungen zu befürchten, die andere Einsatzzwecke von Aktiendarlehen betreffen. Denn bei diesen ist die Ausübung des Stimmrechts für den Darlehensnehmer ohne Bedeutung. Anders wäre dies bei einer weitergehenden, in die Vertragsbeziehung zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer eingreifenden Regulierung wie etwa durch eine Pflicht für institutionelle Darlehensgeber zum Rückruf von Aktien vor einer Hauptversammlung, da auch dies dem Darlehensmarkt Liquidität entziehen könnte.72 Problematisch ist aus diesem Grund auch der Vorschlag, § 55 Nr. 2 InvG auf alle institutionellen Investoren auszudehnen.73 Nach dieser Vorschrift und der zum 22. Juli 2013 in Kraft getretenen Nachfolgeregelung in § 201 Nr. 2 KAGB muss der von einer Kapitalanlagegesellschaft als Darlehensgeberin geschlossene Vertrag grundsätzlich eine Verpflichtung des Darlehensnehmers vorsehen, die Aktien der Kapitalanlagegesellschaft so rechtzeitig zurückzuerstatten, dass diese die Stimmrechte ausüben kann.74 Nach der hier vertretenen Auffassung ist der erste Schritt zur Lösung des Regelungsproblems des Empty Voting beim Aktiendarlehen im Zivilrecht zu finden. Bei vertragstypischer Ausgestaltung schuldet der Darlehensnehmer zwar keine umfassende Wahrung der Interessen des Darlehensgebers; dennoch trifft ihn eine vertragliche Nebenpflicht, jede für den Darlehensgeber nachteilige Stimmrechtsausübung zu unterlassen. Zumindest in dieser Hinsicht ist damit die Kongruenz von wirtschaftlichem Interesse und Stimmrechtseinfluss gewährleistet. Wie der Vergleich mit anderen Konstellationen, nämlich der Stimmrechtsausübung im Fall des § 135 Abs. 6 AktG oder durch einen fremdnützigen Treuhänder, gezeigt hat, ist aus gesellschaftsrechtlicher Sicht nur die freie, nicht an eine Zustimmung des Darlehensgebers gebundene Ausübung risikoentleerter Stimmrechte bedenklich.75 Die zivilrechtliche Bindung des Darlehensnehmers im Innenverhältnis ist folglich eine grundsätzlich ausreichende Antwort auf das genannte Regelungsproblem. Trotz dieser Schranken und auch unter Berücksichtigung der aus den wirtschaftlichen Umständen folgenden Grenzen der Gewinnmöglichkeiten eines Empty Voters ist aber nicht zu verkennen, dass Anreize für einen Missbrauch risikoentleerter Stimmrechte durch den Darlehensnehmer bestehen, und dass das Risiko, Schadensersatzansprüchen des Darlehensgebers ausgesetzt zu sein, möglicherweise keine ausreichende Abschreckungswirkung entfalten 72 In diese Richtung argumentiert auch Dombalagian 42 U. C. Davis L. Rev. 1231, 1269 f. (2009). 73 So aber Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 644. 74 Siehe dazu S. 224. 75 Zu diesem Aspekt bereits S. 284.
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wird.76 Keine Lösung stellen unverbindliche Leitlinien oder Codes of Conduct wie der von dem International Corporate Governance Network zuletzt im Jahr 2007 veröffentlichte Securities Lending Code of Best Practice77 dar,78 der in seiner Ziff. 7 die darlehensweise Beschaffung von Aktien zum Zweck der Stimmrechtsausübung als „bad practice“ bezeichnet. Gleiches gilt für die in Abschnitt C, Ziff. 7.4 des von dem Securities Lending and Repo Committee der Bank of England veröffentlichten Securities Borrowing and Lending Code of Guidance, nach dem im Markt Einigkeit darüber herrsche, „that securities should not be borrowed solely for the purpose of exercising the voting rights“.79 Die sich insoweit zeigenden Lücken können aber bereits auf Grundlage der lex lata geschlossen werden, da die freie, nicht auf der Zustimmung des Darlehensgebers beruhende Ausübung risikoentleerter Stimmrechte durch den Darlehensnehmer einen institutionellen Rechtsmissbrauch darstellt.80 Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte de lege ferenda allenfalls erwogen werden, die hier vertretene zivilrechtliche Lösung auch gesellschaftsrechtlich zu verankern,81 d. h. gesetzlich eine Bindung der Stimmrechtsausübung des Darlehensnehmers an eine Zustimmung oder Weisung des Darlehensgebers vorzusehen.
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Dazu schon S. 294 f. Abrufbar unter https://www.icgn.org/files/icgn_main/pdfs/best_practice/sec_lending/2007_securities_lending_code_of_best_practice.pdf. 78 So auch Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 639. 79 Stand Juli 2009, abrufbar unter http://www.bankofengland.co.uk/markets/Documents/gilts/stockborrowing.pdf. 80 Ausführlich dazu S. 302 ff. 81 In diese Richtung auch Hu/Black 61 Bus. Law 1011, 1055, 1058 f. (2006) und Bachmann ZHR 173 (2009), S. 596, 646 f. 77
Zusammenfassung 1. Das Aktiendarlehen lässt sich als eine Erscheinungsform der mittelbaren Gesellschaftsbeteiligung verstehen. Werden Aktien lediglich darlehensweise übertragen, scheidet der Darlehensgeber bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht definitiv aus der Gesellschaft aus, sondern ist – anderen Gestaltungen wie der Treuhand durchaus vergleichbar – aufgrund seines darlehensvertraglichen Rückerstattungsanspruchs weiterhin an der Gesellschaft beteiligt. In einer solchen Konstellation ist vor allem die Frage nach der Zuordnung der Aktionärsrechte, insbesondere des Stimmrechts, zu stellen. 2. Die Zuordnung von Aktionärsrechten zu Darlehensgeber und Darlehensnehmer betrifft die zivil-, gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche Behandlung und Bewertung des Aktiendarlehens. Dementsprechend ist eine Untersuchung dieser Zuordnungsfrage auf drei Ebenen erforderlich. Einzugehen ist dabei insbesondere auf das sogenannte Empty Voting, also die Ausübung von Stimmrechten, die durch schuldrechtliche Gestaltung von dem wirtschaftlichen Interesse, das normalerweise mit dem Halten einer Beteiligung verbunden ist, entkoppelt und auf diese Weise „risikoentleert“ werden. Das Aktiendarlehen stellt eine von mehreren Möglichkeiten dar, derart risikoentleerte Stimmrechte zu schaffen. Es unterscheidet sich aber dadurch von anderen Entkopplungstechniken, die jeweils zwei Transaktionen mit in der Regel unterschiedlichen Vertragspartnern voraussetzen, dass nur eine einzige vertragliche Vereinbarung erforderlich ist. Daraus ergibt sich weiter, dass der zivilrechtlichen Beurteilung dieses Vertragsverhältnisses entscheidende Bedeutung zukommt, und zwar gerade auch als Vorfrage der gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Erörterung. 3. Die ökonomische Analyse liefert dabei erste Anhaltspunkte für diejenigen Aspekte, die auch bei der rechtlichen Beurteilung maßgeblich sind. So zeigt sich, dass aus rechtsökonomischer Perspektive zwei Fallgestaltungen genauerer Betrachtung bedürfen. Dies ist neben dem Einsatz von Aktiendarlehen zur Finanzierung von Leerverkäufen vor allem das Empty Voting. Auch wenn Leerverkäufe in bestimmten Fällen volkswirtschaftlich unerwünschte Folgen haben können, lassen sich daraus weder Argumente für die Behandlung von Aktiendarlehen de lege lata, noch für einen bestimmten Regulierungsansatz de lege ferenda ableiten. Demgegenüber ist die Ausübung von Stimmrechten durch den Darlehensnehmer bei ökonomischer Bewertung aus zwei Gründen bedenklich. Zum einen kann die Entkopplung von
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Stimmrecht und wirtschaftlichem Interesse eine Heterogenität der Aktionärsinteressen herbeiführen oder jedenfalls verstärken, womit eine Voraussetzung für die Rechtfertigung des Aktionärsstimmrechts entfällt. Zum anderen beeinträchtigt Empty Voting die aus der Kopplung von Stimmrecht und wirtschaftlicher Beteiligung folgenden Effizienzvorteile. Zwar kann ein Handel mit entkoppelten Stimmrechten im Einzelfall ebenfalls zu Effizienzgewinnen führen. Zuverlässige Aussagen über die tatsächlich entstehenden Vorteile sind jedoch kaum möglich. Aus rechtspolitischer Sicht ist zudem von Bedeutung, dass sich der in diesem Sinne „gute Stimmenkauf“ kaum vom „schlechten Stimmenkauf“ trennen lässt. 4. Ausgangspunkt und wesentliche Grundlage für die rechtliche Beurteilung der Zuordnungsfrage ist das Zivilrecht. Entscheidend für die Bestimmung des vertraglichen Pflichtenprogramms ist die Feststellung, dass das Aktiendarlehen bei typischer Ausgestaltung als Sachdarlehen i. S. d. §§ 607 ff. BGB zu qualifizieren ist. Als solches stellt es wie das Gelddarlehen einen Gebrauchsüberlassungsvertrag i. w. S. dar; trotz der körperlichen Überlassung des Darlehensgegenstandes ist Geschäftszweck die Überlassung eines Wertquantums auf Zeit. Aus der Einordnung als Gebrauchsüberlassungsvertrag i. w. S. folgt, dass der Sachdarlehensnehmer hinsichtlich der Rückerstattungspflicht das Beschaffungsrisiko, der Sachdarlehensgeber dagegen die Entwertungs- und Kursgefahr trägt. Zudem begründet eine Verschlechterung der darlehensweise erhaltenen Sachen durch den Darlehensnehmer keine Haftung. Zentrale Bedeutung für die zivilrechtliche Behandlung des Aktiendarlehens hat jedoch die Erkenntnis, dass negative Folgen der Stimmrechtsausübung für den Wert der dem Darlehensnehmer überlassenen Aktien nie auf diese Aktien beschränkt sind, sondern sich zwingend auf alle Aktien derselben Gattung auswirken. Diese Besonderheit unterscheidet Aktien von anderen möglichen Gegenständen eines Sachdarlehens. Der allgemeine Grundsatz des Darlehensrechts, dass der Darlehensgeber die Entwertungsgefahr zu tragen hat, trifft auf diesen Sonderfall nicht zu. Stattdessen ist das Aktiendarlehen insoweit mit den Gebrauchsüberlassungsverträgen i. e. S. vergleichbar. Als Folge davon kann aus der Rechtsnatur des Aktiendarlehens eine Leistungstreuepflicht des Darlehensnehmers abgeleitet werden, durch seine Nutzung der Aktien keine Wertminderung derjenigen Gattung zu verursachen, aus der er den Rückerstattungsanspruch erfüllen muss. Im Ergebnis schuldet der Darlehensnehmer damit zwar keine treuhandähnliche, umfassende Wahrung der Interessen des Darlehensgebers, es besteht jedoch eine gewisse, auf die wirtschaftlichen Interessen des Darlehensgebers bezogene Interessenbindung. Dieser Ansatz zur Lösung der Zuordnungsfrage wirkt über die zivilrechtliche Ebene hinaus. 5. Der zivilrechtliche Ansatz hat unmittelbare Bedeutung für die Anwendung der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungstransparenzregeln. So werden die Stimmrechte aus den darlehensweise gehaltenen Aktien dem Darlehens-
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geber jedenfalls bis zu einer Weiterveräußerung an einen Dritten nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG zugerechnet. Unabhängig von einer Weiterübertragung der Aktien an Dritte führt der Rückübertragungsanspruch des Darlehensgebers aus § 607 Abs. 1 S. 2 BGB zu einer weiteren Meldepflicht gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG. Auch ein versteckter Beteiligungsaufbau durch den Abschluss von Vereinbarungsdarlehen mit den Eigentümern von Aktienpaketen wird vom geltenden Transparenzregime erfasst. Bereits mit Abschluss des Darlehensvertrages erfolgt eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG, daneben besteht auch hier eine Meldepflicht nach § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG. 6. Aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive ist zunächst festzuhalten, dass die Verletzung von auf die Stimmrechsausübung bezogenen, schuldrechtlichen Pflichten nicht zu einer Unwirksamkeit der Stimmrechtsabgabe führt. Dennoch zeigt eine Analyse des Aktienrechts, dass dem Innenverhältnis zwischen Stimmrechtsinhaber und wirtschaftlich Berechtigtem entscheidende Bedeutung zukommt. Dies folgt zunächst unmittelbar aus § 135 Abs. 6 AktG, der auf eine spezifische Empty-Voting-Situation zugeschnitten ist. Die für einen Spezialfall geltende Regelung des § 135 AktG lässt sich nicht im Wege der Analogie auf andere Fälle des Empty Voting übertragen. Dennoch ergibt sich daraus, dass die Bindung des Inhabers risikoentleerter Stimmrechte im Innenverhältnis als eine gesetzliche Lösung für das Regelungsproblem des Empty Voting angesehen werden kann. Dass das Innenverhältnis zwischen wirtschaftlich Berechtigtem und Aktionär auch in anderen Fällen maßgeblich ist, zeigt insbesondere ein Vergleich mit der Stimmrechtsausübung bei der fremdnützigen Treuhand. Die Ausübung des Stimmrechts durch den Treuhänder als formalen Inhaber der Aktionärsstellung wird allgemein als zulässig angesehen, obwohl die Stimmrechte aus dessen Sicht risikoentleert sind. Der Grund dafür ist in den im Innenverhältnis bestehenden Bindungen an die Interessen des Treugebers als wirtschaftlich Berechtigten zu sehen. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht erscheint somit nur die freie Ausübung risikoentleerter Stimmrechte bedenklich. Der zivilrechtliche Lösungsansatz hat damit auch für die gesellschaftsrechtliche Bewertung entscheidende Bedeutung. Nicht zu verkennen ist freilich, dass die Ausübung risikoentleerter Stimmrechte durch einen Darlehensnehmer für die anderen Aktionäre und die Gesellschaft mit größeren Missbrauchsgefahren behaftet ist als etwa die Stimmrechtsausübung im Fall des § 135 Abs. 6 AktG oder auch durch einen Treuhänder. Aus diesem Grund waren auch die im Außenverhältnis bestehenden Schranken für die Stimmrechtsausübung in die Untersuchung einzubeziehen. § 405 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AktG erfassen zwar unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte und des Regelungszwecks auch Aktiendarlehen; ihre Anwendung würde jedoch eine die Wortlautgrenze überschreitende, unzulässige Analogie darstellen. Eine Stimmrechtsschranke
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Zusammenfassung
lässt sich aber aus der Mitgliedschaft ableiten: Jedenfalls bei einem negativen wirtschaftlichen Interesse des Empty Voters ist eine Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht anzunehmen. Neben dieser beweglichen Schranke des Stimmrechts ist aus § 242 BGB ein selbständiges Missbrauchsverbot abzuleiten, das auch für die Ausübung von Aktionärsrechten gilt. Die Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer stellt wegen ihrer Zweckwidrigkeit unabhängig von den Umständen des Einzelfalls einen institutionellen Rechtsmissbrauch dar. Rechtsfolge ist die Unwirksamkeit der Stimmrechtsausübung. Nicht zweckwidrig und damit nicht rechtsmissbräuchlich ist demgegenüber eine an die Zustimmung des Darlehensgebers gebundene Ausübung des Stimmrechts. 7. Der hier entwickelte zivilrechtliche Ansatz lässt den verbreitet angenommenen rechtspolitischen Handlungsbedarf im Hinblick auf einen strategischen Einsatz von Aktiendarlehen zum verdeckten Beteiligungsaufbau (Hidden Ownership) oder zur Erzeugung risikoentleerter Stimmrechte (Empty Voting) weitgehend entfallen. Die zivilrechtliche Rückbindung der Stimmrechtsausübung des Darlehensnehmers bedeutet für die kapitalmarktrechtliche Perspektive, dass das geltende Recht ausreichende Transparenz herstellt, um den strategischen Einsatz von Aktiendarlehen zur Verschleierung des tatsächlichen Stimmrechtseinflusses im Vorfeld von Unternehmensübernahmen zu verhindern. Bei gesellschaftsrechtlicher Betrachtung sollte de lege ferenda aus Gründen der Rechtssicherheit allenfalls erwogen werden, die zivilrechtliche Lösung auch gesellschaftsrechtlich zu verankern, d. h. aktienrechtlich eine Bindung der Stimmrechtsausübung des Darlehensnehmers an eine Zustimmung oder Weisung des Darlehensgebers vorzusehen.
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Register Abschlussvermittlung 15, 215 f. Absorption 247 f. Abspaltungsverbot 189, 267 f., 268 f., 270, 280 ff., 304 Agent-Modell 14 Aktiendarlehen – Abgrenzung 4 ff. – Abschlussvermittlung 15, 215 f. – Anlagevermittlung 15, 215 f. – Aufzeichnungspflichten 266 – Automated Lending 21 – Beteiligte 12 ff. – De lege ferenda 317 ff. – Depotgeschäft 214 f. – Derivate 251 f. – Eigenhandel 15, 215 f. – Einlagengeschäft 214 – Einsatzzwecke 36 ff. – Emittentin als Partei 311 ff. – Entgelt 113 ff., 167 f. – Finanzdienstleistung 214 ff. – Finanzierungsfunktion 47, 58 f. – Finanzkommissionsgeschäft 15, 215 f., 219 f., 241 – Finanzportfolioverwaltung 219 f. – Form 146 ff. – Gegenstand 131 ff. – Geschäftsarten 14 ff. – Gewährleistung 181 ff. – Historische Entwicklung 48 ff. – Investmentrecht 219 ff. – Kettendarlehen 17, 202 f., 239, 244 f. – Kommissionsgeschäft 14 ff., 210, 213, 219, 241 – Konditionen 50 ff., 326 f. – Kreditgeschäft 214 ff. – Kündigung 204 ff., 223, 325 f. – Leistungsstörungen 177 ff. – Leistungstreuepflicht 194 ff. – Lending Fee 50 f., 326 f. – Meldepflichten 235 ff., 248 ff., 256 f., 265 f.
– Musterverträge 22 ff. – Ökonomische Analyse 52 ff., 270 ff., 304 – Parken von Aktien 47, 71, 246, 256 f. – Pflichten des Darlehensgebers 173 ff. – Pflichten des Darlehensnehmers 167 ff. – Quorum 306 ff. – Rechtsmängel 182 – Rückerstattung 112 f., 169 f. – Sachmängel 183 ff. – Sicherheitenbestellung 34 ff., 168 f., 171 f., 223 f. – Spekulationscharakter 150 ff. – Termingeschäftseigenschaft 251 f. – Treuhänderische Ausgestaltung 11, 201 f., 310 f. – Übereignung 103 ff., 174 ff. – Übernahmerecht 257 ff. – Vertragsbeendigung 204 ff., 223, 325 f. – Vertragsgestaltung 22 ff. – Wirtschaftliche Bedeutung 52 – Zinszahlung 167 f., 170 f. – Zurechnung von Stimmrechten 233 f., 239 ff., 258 f. Aktiennießbrauch 11, 197 ff. Aktionärsstimmrecht – Markt für Stimmrechte 85 f. – Ökonomische Funktion 83 ff. – Rechtfertigung 75 f. Akzessorietätsprinzip 116 ff., 125, 126 f. Allokationseffizienz 154, 322 Anlagevermittlung 15, 215 f. Arbitrage 40 f., 154 Aufsichtsrecht 15, 208 ff. Bankaufsichtsrecht 15, 214 ff. Behavioral Finance 63 Besitzmittlungsverhältnis 138 ff., 175, 176 f. Besitzmittlungswille 141 f.
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Register
Beteiligungstransparenz 229 ff., 313 ff., 329 f. Beteiligungsumschichtungen 237 f. Buy-/Sell-back-Geschäfte 8 Cash driven 4 f. Clearstream Banking AG 18, 20 f., 133, 176 f. Collateral Management Service 16 Collateral 5 Convertible Bond Arbitrage 42 Coupled Assets 70 f., 324 Dauerglobalurkunden 133 ff., 291 Depotgeschäft 214 f., 264 f. Depotstimmrecht 278 ff., 282 f., 293 ff. Derivate – Aktiendarlehen 251 f., 327 f. – Differenzeinwand 150 ff. – Einsatzzwecke 40 f. – Funktionsweise 39 f. – Spieleinwand 150 ff. Differenzeinwand 151 f., 162 f. Direct Lending 12, 210 Direktgeschäft 14 ff. Dividend Reinvestment Plan 48 Doppelte Meldepflicht 247 f. Efficient Capital Market Hypothesis 63, 157 Eigenhandel 15, 215 f. Einlagengeschäft 214 Empty Voting 43, 69 ff. – Adverse Selektion 86 f. – Aktiendarlehen 72, 269 ff. – Asymmetrische Informationen 90 ff. – Begriff 69 ff. – Bewertung 94 ff. – Depotstimmrecht 279 f., 282 f., 293 ff. – Effizienzvorteile 87 ff., 320 – Entkopplung 69 ff., 323 f., 328 – Gesellschaftsrecht 269 ff. – Heterogenität der Aktionärsinteressen 79, 272 ff. – Konzernrecht 276 f. – Negatives wirtschaftliches Interesse 75, 327 f. – Politische Wahlen 82 f. – Positives wirtschaftliches Interesse 74, 328 f. – Rechtsmissbrauch 302 ff., 309 f., 311 – Regulierung 318 ff., 322 ff., 331 f.
– Stimmenkauf 275 f. – Transparenz von Leerverkaufspositionen 229 – Treuhand 281 f., 283 f., 331 – Übernahme 89 f. – Wirtschaftliches Interesse 69 ff. – Volkswirtschaftliche Beurteilung 83 ff. Erwerb eigener Aktien 311 f. European Master Agreement 22 f., 24, 33 f., 168 ff., 174, 178 ff., 186, 187 f., 205 f. Fälligkeit des Zinsanspruches 170 Finanzdienstleistung 214 ff. Finanzierungsfunktion 5 Finanzinstrumente 249 f. Finanzkommissionsgeschäft 15, 215 f., 219 f., 241 Finanzportfolioverwaltung 219 f. Fungibilität 250 f. Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts 209 Gelddarlehen 98 ff. Gemeinsame Grundsätze des Darlehensrechts 102 f. Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht 272, 274, 290 f., 295 ff., 311, 320 Gewährleistung – Rechtsmängel 182 – Sachmängel 183 ff. Girosammelverwahrung 133 ff., 176 f., 291 Global Master Securities Lending Agreement 23 Greenshoe 44 f. Halten für Rechnung 241 ff., 259, 312, 315 f. Handel mit Stimmrechten 87 ff., 271, 274 ff., 285 ff., 304 f. Händlermärkte 55 Hedge Fonds 12 f. Hedging 40 f., 324 Herkunftsstaatsprinzip 230 Hidden Ownership 70 ff., 256 f., 317 f., 322 ff., 329 f. Höchststimmrechte 278 Informationsarbitrage 154, 159 Informationseffizienz 62 f.
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Inhaberaktien 143 f. Insider Decoupling 88 f. Insiderhandelsverbot 262 f. Insiderinformation 263 Intermediäre 13, 16 ff., 210 ff., 322 Investmentrecht 219 ff. Kommissionsgeschäft 14 ff., 210, 213, 219, 241 Kompensationszahlungen 129, 187 f., 267 Konsensualvertragstheorie 118 f. Kontrollerwerb 257 ff. Kreditgeschäft 214 ff. Kündigung 204 ff., 223 Kurspflege 43 ff. Kursrisiko 242 f. Leerverkäufe – Auswirkungen auf die Markteffizienz 61 ff. – Einsatzzwecke 41 f. – Finanzierung 12, 38 ff., 263, 322 – Finanzkrise 65 ff. – Gedeckte 59 – Insiderhandelsverbot 263 – Meldepflichten 227 f. – Missbrauchsgefahren 68 f. – Nachteilige Effekte 68 – Regulierung 223 ff. – Settlement Disruption 68 – Synthetische Termingeschäfte 38, 53, 61, 162 ff., 166 f. – Ungedeckte 59, 322 – Volkswirtschaftliche Bewertung 59 ff. Leerverkaufsbeschränkungen 63 ff., 226 ff. Leerverkaufsverbote 63 ff., 226 ff. Legitimationsübertragung 269 Leistungstreuepflicht 194 ff. Leniency 330 Liquidität – Auswirkungen von Leerverkäufen 60 f. – Beschaffung 45, 322 – Definition 53 f. – Dimensionen 57 f. – Marktmikrostruktur 55 f. – Volkswirtschaftlicher Nutzen 54 f.
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Mantelvereinbarung für Finanzgeschäfte mit Kapitalanlagegesellschaften 221 f. Manufactured Payments 129, 187 f., 267 Margin 172 f. Market Maker 42 f., 55 f., 60, 61, 226, 322 Marking to Market 173 Markteffizienz 61 ff. Marktmanipulation 262 ff. Master Securities Loan Agreement 24 Mehrstimmrechte 278 Meldepflichten – Darlehensgeber 237 ff., 248 ff., 256 f. – Darlehensnehmer 235 ff., 313 f. Millionenkredite 217 Mittelbare Beteiligung 3 f. Namensaktien 143 f. Netting 26 ff., 173 – Bankaufsichtsrecht 30 f., 218 – Insolvenzrecht 29 f. – Liquidationsnetting 28 – Novationsnetting 27 f. – Vertragliche Regelung 32 ff. – Zahlungsnetting 27 Nettoausfallrisiko 169 New Vote Buying 70 Nießbrauch 11, 197 ff. One-share-one-vote-Prinzip 75 ff. Order-driven Markets 55 Ordermärkte 55 Organisierter Markt 231 Poolmodell 19 f. Prime Brokerage 17 Principal-Modell 14 Proportionalitätsprinzip 75 ff., 278 Quote-driven Markets 55 Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen des BdB 22, 32 f., 168 f., 171, 173 f., 178, 186, 187, 204 f. Rahmenverträge 24 ff. Realvertragstheorie 118 f. Rebate 34 f. Rechtsmissbrauch – Individueller 302 f. – Institutioneller 302 f., 303 ff., 309 f., 311, 332 Record Date Capture 73
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Repurchase Agreement 8 Residualanspruch 76 ff., 80 f., 270 f. Restbetragsbeteiligung 76 ff., 80 f., 270 f. Risikoallokation 154 Risikoentleerte Stimmrechte siehe „Empty Voting“ Risikomanagement 217 f. Sachdarlehen – Abgrenzung 128 ff. – Akzessorietätsprinzip 116 ff., 125, 126 f. – Gebrauchsüberlassungsvertrag i. w. S. 98 ff.196 f. – Belassungspflicht 105 ff., 109 f. – Darlehensgegenstand 110 f. – Dauerschuld 128 – Dogmatische Einordnung 98 ff. – Entgelt 113 ff. – Gegenseitigkeit 125 f. – Gewährleistung 180 ff. – Konsensualvertragstheorie 118 f. – Realvertragstheorie 118 f. – Rückerstattung 112 f., 169 f., 173 – Synallagma 124 ff. – Typusmerkmale 103 ff. – Überlassungspflicht 103 ff. – Verbraucherdarlehen 130 f. Sammelschuldbuchforderungen 145 f. Securities Driven 4 f. Securities Finance 4 Securities Lending 129 Shorting Against the Box 73 Soft Parking 47, 71, 246, 256 f. Sonderverwahrung 175 Spielabsicht 158 ff., 165 f. Spieleinwand 151 f., 153, 155 ff., 162 ff. Squeeze-out 186 f., 190, 306 ff. Stimmbindung 268 f., 294 Stimmenkauf 87 ff., 271, 274 ff., 285 ff., 304 f. Stimmrechtsanteil 231 ff. Stimmrechtsausübung durch den Darlehensnehmer 189 ff. Stimmrechtseinfluss 243 f. Stimmrechtsmitteilung 254 ff.
Stimmverbote 272 ff., 304, 319 f. Synthetische Termingeschäfte 38, 53, 61, 162 ff., 166 f. Termingeschäftsfähigkeit 152 f. Transaktionsstruktur 4 ff. Transparenzrichtlinie 234 f. Treuhand 10 f., 201 f., 281 f., 283 f., 331 Unregelmäßige Verwahrung 9 f. Verbandsautonomie 271 f., 274, 280 f., 283, 304 Verleihauftrag 148 f. Vertretbarkeit 142 ff. Vinkulierung 144 f. Vollrechtsübertragung 5 f., 171 f. Vorzugsaktien 278 Wash Sales 263 f. Wertpapierdarlehen siehe „Aktiendarlehen“ Wertpapierdarlehenssysteme 19 ff., 224 f. Wertpapierdienstleistungen 14 ff., 210 ff., 219 f. Wertpapiere – Begriff 131 ff. – Entmaterialisierung 132 ff. – Sachqualität 134 ff. – Vertretbarkeit 142 ff. Wertpapierleihe 128 ff., 287 f. Wertpapierpensionsgeschäft 6 ff., 217 Wertrechte 145 f. Wertrechtslehre 135 Wohlverhaltenspflichten 210 ff., 220 f. Zinsbegriff 113 ff. Zuordnung von Aktionärsrechten – Gesellschaftsrecht 267 ff., 331 f. – Kapitalmarktrecht 213 f., 229 ff., 329 f. – Vermögensrechte 188 f., 267 f. – Verwaltungsrechte 189 ff., 268 ff. – Zivilrecht 187 ff., 331 f. Zurechnung von Stimmrechten 233 f., 239 ff., 258 f.