112 93 22MB
German Pages 226 Year 1989
KLAUS·JÜRGEN GÖTZ
Zivilrechtliche Ersatzansprüche bei schädigender Rechtsverfolgung
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 116
ZiviIrechtliche Ersatzansprüche bei schädigender Rechtsverfolgung
Von
Dr. Klaus-Jürgen Götz
Duncker & Humblot . Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Götz, Klaus-Jürgen:
Zivilrechtliche Ersatzanspruche bei schädigender Rechtsverfolgung / von Klaus-Jürgen Götz. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1989 (Schriften zum Bürgerlichen Recht; Bd. 116) Zugl.: Mainz, Univ., Diss., 1987 ISBN 3-428-06553-0 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-06553-0
Meinem Vater zum Gedenken
Vorwort Die Rechtsverfolgung, namentlich durch staatliche Verfahren, kann den Gegner beträchtlich schädigen. Die vorliegende Arbeit versucht zu einem Zeitpunkt, da staatliche Gerichte mehr denn je vom Bürger in Anspruch genommen werden, die seit der zum Ausgangspunkt wissenschaftlicher Diskussion gewordenen Konkursantragsentscheidung des Bundesgerichtshofs ergangenen vielfältigen Impulse zu verarbeiten und eine den Interessen der Verfahrensbeteiligten gerecht werdende Lösung zu entwickeln. Dabei wurden sowohl verfassungsrechtliche Aspekte als auch rechtstatsächliche Erwägungen in das zivilrechtliehe Haftungssystem mit einbezogen. Die Untersuchung beschränkt sich auf die schädigenden Folgen, die aus der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche resultieren. Dabei liegt der Schwerpunkt der Arbeit im Bereich des zivilprozessualen Erkenntnisverfahrens. Andere Verfahrensarten werden nur, soweit dies dem Verständnis oder dem Aufzeigen von Parallelen dient, gestreift. Die Arbeit hat dem Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Universität Mainz im Sommersemester 1987 vorgelegen. Das Manuskript wurde im März 1987 abgeschlossen, die weitere Entwicklung konnte jedoch bis Januar 1988 in Ergänzungen und Fußnoten berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt meinem Lehrer, Herrn Prof. Dr. Horst Konzen, der mich zur Bearbeitung des Themas angeregt hat und mir darüber hinaus als Wissenschaftlicher Mitarbeiter großzügige Förderung gewährte. Zu danken habe ich auch Herrn Prof. Dr. Hans Peter Pecher für die Erstattung des Zweitgutachtens. Herrn Rechtsanwalt Simon danke ich für die freundliche Aufnahme der Arbeit in die "Schriftenreihe zum Bürgerlichen Recht". Schließlich danke ich Frau Heike Weil für die geduldige Durchsicht des Manuskripts. Wiesbaden, im Februar 1988
Klaus-Jürgen Gölz
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil Probleme der Schadenshaftung bei Einleitung eines gesetzlich geregelten, staatlich eingerichteten Verfahrens § 1 Behandlung der unberechtigten Prozeßeinleitung in Rechtsprechung und
Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
21 21
A. Problemaufriß I. Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
22
11. Spannungsverhältnis zwischen Integritätsschutz und prozessualer Entschluß- und Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
111. Verhältnis von prozessualen und materiell-rechtlichen Wertungen ....
25
IV. Divergente Anknüpfungspunkte bei der Beurteilung der Eingangsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
B. Systematische Darstellung des Meinungsstandes in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
I. Zur Überlagerung des materiell-rechtlichen Rechtsgüterschutzes durch
prozessuale Wertungen
...............................
1. Darstellung der Entwicklung der Rechtsprechung
30
............
30
a) Die Konkursantragsentscheidung des BGH ..............
30
b) Die früheren Entscheidungen des BGH . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Die Judikatur des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 31
d) Die heutige Rechtsprechung des BGH und der Instanzgerichte ..
32
2. Prozessuale Verhaltenspflichten als abschließende Normierung prozessualen Parteiverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Die Auffassung Blomeyers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 34
b) Modifikationen
................................
35
aa) Das Gebot der redlichen Prozeßführung .............
35
bb) Die Begrenzung einer abschließenden Normierung durch die prozessuale Sonderbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
cc) Die Akzentuierung der prozessualen Parteipflichten
37
Inhaltsverzeichnis
10
11. Ausschluß der Anwendbarkeit des allgemeinen Schadensersatzrechts
c.
38
1. Die Lehre Häsemeyers .... . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
2. Korrektur der Sonderhaftung durch vorsätzlich schädigendes Streitverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
40
111. Zur Haftungsprivilegierung im Rahmen des deliktischen Haftungssystems . . . .. . ... .. ... .. . . ... . . . . . ..... ....... .. . .
40
1. Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs .. . . ... ....
41
a) Das "Recht auf Irrtum" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ...
41
b) Abweichung von der früheren Rechtsprechung ............
42
2. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.2. 1987 ..
43
3. Die Lehre Hopts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
44
4. Lösungen auf der Grundlage der Lehre vom Verhaltensunrecht
...
46
5. Lösungen auf der Grundlage der Lehre vom Erfolgsunrecht . . . . ..
47
a) Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen . . . ..... . . . .. . . ... ..... .... ..
47
b) Eingeschränkter Rechtfertigungsgrund der gerichtlichen Inanspruchnahme ........ . ....... . ........... . .....
48
6. Milderung der Sorgfaltsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
49
Die Haftung für Schutzrechtsberühmungen
51
a) Die Rechtsprechung des Reichsgerichts . . ....... .. . . . . . .
53 53 53
b) Die Rechtsprechung des BGH .. . ........ . ........ . . .
55
2. Diskrepanz zur Rechtsprechung bei sonstigen unberechtigten Leistungsbegehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
I. Rechtsprechung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .
1. Darstellung der Entscheidungsreihe
..... ... ..... . ...... .
a) Die unberechtigte Schutzrechtsberühmung als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb .... . ..... .. . . ... . . . .... ... . .
57 57
c) Kritische Analyse der Judikatur des BGH .. ............ .
58
b) Differenzierte dogmatische Einordnung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . .
60
1. Kritik an der Verknüpfung von Rechtswidrigkeit und Nichtbestehen des Schutzrechts . . . . ..... . . .. ... . ... . ...... . . ... . .
60
2. Wettbewerbsrechtliche Lösungen
62
3. Haftung aus culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . ... .. .
64
D. Die Haftung des Gläubigers in der Zwangsvollstreckung ..... . .... .. .
66
11. Die Stellungnahme der Literatur
I. Die Vollstreckungshaftung als Parallelproblern
.......... . .... .
66
Inhaltsverzeichnis
11
11. Die Wirkung der vollstreckungsrechtlichen Eingriffsbefugnisse
68
1. Die Vollstreckung fehlerhafter Urteile .. . . . . . . . . . . . . . . . . ..
69
a) Die Legitimität des staatlichen Vollstreckungsbetriebs .......
69
b) Das Verhältnis zwischen Vollstreckungsgläubiger und -schuldner
70
2. Die Vollstreckung in schuldnerfremde Gegenstände ...........
72
E. Zusammenfassende Analyse der haftungsrechtlichen Bewertung prozessualen Verhaltens und Ausblick auf den Gang der weiteren Untersuchung ......
74
I. Haftungsbeschränkung auf Grund der verfahrensrechtlichen Legalität der Verletzungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
11. Kriterien und Methode der Haftungseinschränkung .............
75
111. Gang der weiteren Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
Zweiter Teil Der Prozeß als soziale Institution: VerfassungsrechtIiche und prozessuale Wertentscheidungen im zivilrechtlichen Haftungssystem
79
§ 2 Verfassungsrechtliche Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes
81
A. Legislative Standortbestimmung der Rechtsschutzgarantie im Zivilrecht ...
81
I. Die Verfahrensgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)
2. Relevanz der Rechtsweggarantie des Art. 19 IV GG
......
82
..........
84
3. Grundrecht auf ein faires Verfahren?
11. Materielle Grundrechte und Rechtsstaatsprinzip ...............
84 86
B. Inhalt und Tragweite der Rechtsschutzgarantie
87
§ 3 Funktion des Prozesses und Integritätsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
A. Der Zweck des Zivilprozesses
..............................
90
I. Verwirklichung des Individualrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
11. Bewährung der objektiven Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
III. Sonstige Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
B. Kollision zwischen Institutionenschutz und Integritätsschutz . . . . . . . . . ..
93
I. Der Zivilprozeß als eigenständiger materiell-rechtlicher Konfliktstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
12
Inhaltsverzeichnis 11. Das allgemeine Prinzip des umfassenden Integritätsschutzes
95
1. Das Gebot des neminem laedere 2. Einschränkungen des Idealprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95 98
IH. Beeinträchtigung von Rechtsschutz und Rechtsstaatlichkeit durch drohende Schadensersatzsanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
1. Präventivwirkung drohender Schadensersatzklagen
99
a) Wertungsparallele: Wirkung und Funktion der prozessualen Kostentragungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
b) Einfluß der Rechtsschutzversicherung auf die Prozeßfreudigkeit und -häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 100 2. Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Effizienz des staatlichen Rechtsschutzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Phänomenologie möglicher Beeinträchtigungen
101
aa) Die Gefahr der Prozeßverschachtelung
101 104
bb) Die Aushöhlung der Urteilsrechtskraft b) Der Einfluß der materiellen Rechtskraft
105 aa) Begrenzung des Integritätsschutzes durch die objektiven Grenzen der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
bb) Die Fallgruppe der Rechtskraftdurchbrechung
.
106
Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108
§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materiell-rechtlicher Rechtsgüterschutz . .. 109
A. Spezialität der prozessualen Ausgleichsvorschriften
109
I. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Voraussetzung und Umfang der prozeßrechtlichen Kostenerstattung 110
a) Erstattungsfähige Kosten im Sinne von § 91 ZPO
.......... 110
b) Kostenerstattung im Mahn- und Beweissicherungsverfahren . . .. 111 2. Prozessualer und materieller Kostenerstattungsanspruch ........ 114 11. Die Haftung des Gläubigers aus der Vollziehung vorläufiger Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Die verschuldensunabhängigen Haftungstatbestände des Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
2. Die Konkurrenz zwischen prozessualer und materiell-rechtlicher Gläubigerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Subsidiarität des materiellen Haftungsrechts . . . . . . . . . . . . .. 118 b) Die analoge Anwendung der prozessualen Haftungsnormen . . .. 118 B. Der prozessuale Pflichtenkreis als Determinante zivilrechtlicher Haftungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I. Bestandsaufnahme zivilprozessualer Parteipflichten ............. 121
Inhaltsverzeichnis
13
1. Gesetzlich normierte Parteipflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Gewillkürte Parteipflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Ausdrückliche Prozeßvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Nebenpflichten zivilrechtlicher Verträge
. . . . . . . . . . . . . . . . 126
11. Haftungsrechtliche Anknüpfung an prozessuales Parteiverhalten . . . .. 127 1. Verletzung prozessualer Verhaltensnormen als selbständige Haftungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Verletzung positivierter Parteipflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Die prozessuale Sonderbeziehung als vertragsähnliche Haftungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Prozessuale Normen als Schutzgesetze
. . . . . . . . . . . . . . 131
b) Verletzung gewillkürter Parteipflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 aa) Verstoß gegen ausdrückliche Prozeßvereinbarungen
134
bb) Verstoß gegen zivilvertragliehe Nebenpflichten ......... 136 (1) Das Fortwirken der vorprozessual bestehenden vertraglichen Sonderbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 138
(2) Die Akzentuierung der vertraglichen Bindung
2. Primat der prozessualen vor den allgemein zivilrechtlichen Verhaltensanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Kritische Analyse der Rechtfertigungsthese des BGH
....... 140
aa) Stellungnahmen der Literatur zum Rechtfertigungsgrund der gerichtlichen Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Einwände gegen den Rechtfertigungsgrund der gerichtlichen Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (1) Unklare dogmatische Einordnung
. . . . . . . . . . . . . . 142
(2) Fehlender Integritätsschutz durch Verfahrensnormen . .. 145 b) Kollision positivierter Pflichtmaßstäbe verschiedener Rechtsgebiete 146
Dritter Teil
Einordnung der prozessualen Schutzfunktion im Spannungsfeld von Integritätsschutz und Handlungsfreiheit
149
§ 5 Kollisionslösung außerhalb der herkömmlichen Haftungsdogmatik - Einwände
gegen die Formel Häsemeyers von der Sonderhaftung für Durchsetzungsschäden - . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
§ 6 Der Tatbestand der vorsätzlich-sittenwidrigen Schädigung als Hajtungsgrenze 155
A. Die rechtshistorische Entwicklung der Haftung für unredliches Parteiverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
14
Inhaltsverzeichnis 1. Die Haftung für ungerechten Prozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 11. Folgerungen für das heutige Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 IH. Die Haftung des Anfechtungsklägers nach dem Aktien- und Genossenschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
B. Das Postulat der prozessualen Waffengleichheit
159
C. Zivilrechtliche Haftung anderer Prozeßbeteiligter
162
1. Die Sachverständigenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 162 1. Die Judikatur des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Ablehnung einer völligen Haftungsfreistellung 164 a) Die Stimmen der Literatur und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Partielle Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 11. Konsequenzen für die Haftung der Prozeßparteien . . . . . . . . . . . . .. 168 D. Der Gedanke der Sozialadäquanz ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 169 1. Die Lehre von der sozialen Adäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
171
H. Auswirkungen und Wert der Sozialadäquanz
§ 7 Kollisionslösung innerhalb der Systematik des geltenden Haftungsrechts . . .. 173
A. Die Tatbestandsmäßigkeit der schädigenden Verfahrenshandlung ....... 173
1. Das Enumerationsprinzip des § 823 Abs. 1 BGB
. . . . . . . . . . . . . . . 173
1. Das Erfordernis einer Rechtsgutsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Haftungsbeschränkungen unter Kausalitätsgesichtspunkten ...... 176 a) Unterbrechung des Kausalzusammenhangs
. . . . . . . . . . . . . . 178
b) Rechtmäßiges Alternativverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Haftung für Fernwirkungen
179
11. Ergänzung des Enumerationsprinzips durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Relevanz des Rechts am Unternehmen für den Schadensausgleich bei unberechtigten Leistungsbegehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Der Sonderfall der unberechtigten Schutzrechtsberühmung ...... 183 B. Die Zurechnung des tatbestandsmäßigen Erfolges . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Berücksichtigung der prozessualen Schutzfunktion bei der Bestimmung des deliktischen Unwerturteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Rechtfertigung des tatbestandsmäßigen Eingriffs . . . . . . . . . . . . . 186 a) Wahrnehmung berechtigter Interessen
. . . . . . . . . . . . . . . . . 186
Inhaltsverzeichnis
15
b) Ablehnung des eingeschränkten Rechtfertigungsgrundes der gerichtlichen Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 aa) Erweiterung vorhandener Rechtfertigungsgründe
....... 189
bb) Inkonsequenz der dogmatischen Einordnung .......... 189 2. Haftungsdifferenzierung durch Interessenabwägung ........... 191 a) Die Interessenabwägung bei den deliktischen Gneralklauseln . .. 191 b) Interessenabwägung als generelles Kriterium der Haftungsdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 192 aa) Die Problematik der konträren Unrechtslehren ........ 192 bb) Die Konzeption des BGH in der Bürovorsteherentscheidung 193 cc) Die These Mertens
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
11. Berücksichtigung der prozessualen Schutzfunktion im Rahmen der deliktischen Sorgfaltsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Einordnung der Problematik unberechtigter Leistungsbegehren in die Sorgfaltsmaßstäbe des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB ............... 197
2. Milderung der Sorgfaltsanforderungen für prozessuales Verhalten
198
Zusammenfassung
203
Schrifttumsverzeichnis
206
Stichwortverzeichnis
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abs. AcP a.E. a.F. AG AGBG AktG Anm. AnwB!. AP ARB ArbG ArbGG Art. AT AtomG Aufl. BAG BAGE BayOblG BB Bd. BetrVG BGB BGB!. BGH BGHZ BRAGO BSG BT BT-Drucks.
anderer Ansicht am angegebenen Ort Absatz Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Amtsgericht Gesetz zur Regelung der allgemeinen Geschäftsbedingungen Aktiengesetz Anmerkung Anwaltsblatt, Nachrichten für die Mitglieder des Deutschen Anwaltsvereins Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts; Arbeitsrechtliche Praxis Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Artikel Allgemeiner Teil Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) Auflage Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebsberater Band Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt der Bundesrepublik Deutschland Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung Bundessozialgericht Besonderer Teil Drucksache des Deutschen Bundestages
Abkürzungsverzeichnis BVerfG BVerfGE BVerfGG CPO DB ders. d.h. Diss. DJT DJZ DR DRiZ DVBl. Einl. FamRZ ff FGG Fn. GebrMG GenG GG GmbHG Gruch Grundz. GRUR GWB HaftpflG HGB HinterIO h.M. HRR HS i. Erg. INFAS i.V.m. JA JR 2 Götz
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17
18
Abkürzungsverzeichnis
JurA
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Juristische Ausbildung
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Juristische Schulung
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JZ
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KritJ
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m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Nr.
Nummer
OLG OLGE
Oberlandesgericht
OLGZ PatG RAG RdA
Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Patentgesetz Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts Recht der Arbeit, Zeitschrift für die Wissenschaft und Praxis des gesamten Arbeitsrechts
Rdnr.
Randnummer
re.Sp.
rechte Spalte
RG
Reichsgericht
RGBl.
Reichsgesetzblatt
RGRK
Reichsgerichtsrätekommentar
RGZ Rn.
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnote
Rpfl
Der Deutsche Rechtspfleger
RPflG
Rechtspflegergesetz
S.
Seite
SachhaftpflG Sachhaftpflichtgesetz
Abkürzungsverzeichnis SchlHA SGG SspLdr StGB StPO st.Rspr. StVG StVO u.a. Überbl. Übers.
Schleswig-Holsteinische Anzeigen Sozialgerichtsgesetz Sachsenspiegel Landrecht Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung ständige Rechtsprechung Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrsordnung unter anderem Überblick
UWG Verf. VersR vgl.
Übersicht Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Verfasser Versicherungsrecht vergleiche
Vorbem.
Vorbemerkung
VwGO
Verwaltungsgerichtsordnung
WHG WPM WRP WZG
Wasserhaushaltsgesetz Zeitschrift für Wirtschaft- und Bankrecht, Wertpapiermitteilungen
z.B. ZfA ZfRvgl ZfStrW ZHR ZIP ZPO ZPR ZRP ZwVR ZZP
2*
Wettbewerb in Recht und Praxis Warenzeichengesetz zum Beispiel Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Zeitschrift für die gesamte Insolvenzpraxis Zivilprozeßordnung Zivilprozeßrecht Zeitschrift für Rechtspolitik Zwangsvollstreckungsrecht Zeitschrift für Zivilprozeß
19
Erster Teil
Probleme der Schadenshaftung bei Einleitung eines gesetzlich geregelten, staatlich eingerichteten Verfahrens §
1 Behandlung der unberechtigten Prozeßeinleitung in Rechtsprechung und Lehre A. Problemaufriß
Die Erhebung einer Klage, die Einleitung eines Mahn- oder Beweissicherungsverfahrens sowie das Eingreifen anderer zivilprozessualer Rechtsbehelfe erscheint auf den ersten Blick indifferent für mit dem Verfahren einhergehende Beeinträchtigungen des Verfahrensgegners. Soweit überhaupt Schadensfolgen durch das Verfahren selbst vorstellbar sind, scheint das Verfahrensrecht ein Instrumentarium zur Verfügung zu stellen, das negative Folgen für den Rechtskreis des Betroffenen abwendet. Das zivilprozessuale Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren, Ersatz für die Selbsthilfe des einzelnen, ist als staatlich eingerichtetes Verfahren mit rechtsstaatlichen Garantien ausgerüstet. Dadurch und durch die Verfahrensvorschriften selbst - beispielhaft sei hier nur auf das Kostenerstattungsrecht hingewiesen - werden auch die rechtlichen Interessen des Verfahrensgegners berücksichtigt. Diesem oberflächlichen Befund widersprechen jedoch sowohl die zahlreichen obergerichtlichen Entscheidungen, die sich mit Schadensersatzansprüchen der Parteien aus der Einleitung von gesetzlich geregelten Verfahren befassen, als auch die lebhafte wissenschaftliche Auseinandersetzung um diese Frage, die in der bekannten Konkursantragsentscheidung des BGH aus dem Jahre 1961 1 ihren Ausgangspunkt hatte. Im folgenden soll zunächst anhand einiger typischer Beispielfälle die Problematik verdeutlicht werden.
1
BGHZ 36, 18.
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I. Fallbeispiele
Falll Die Klägerin verklagt ihren Sohn auf Rückzahlung dreier in den Jahren 1970, 1975 und 1980 gewährter Darlehen, deren Rückzahlung die Klägerin auf Grund ihrer unsorgfältigen Buchführung übersehen hat. Der Beklagte wird zur Rückzahlung der in den Jahren 1975 und 1980 gewährten Beträge verurteilt, da er die schon erfolgte Rückzahlung nicht beweisen kann. Hinsichtlich des Darlehens aus dem Jahre 1970 wird die Klage abgewiesen, da die Klägerin ihrerseits für die Darlehenshingabe beweisfällig blieb. Der Beklagte, der ein Kleinunternehmen betreibt, hat zu Beginn des Verfahrens einen Kredit in Höhe der gesamten Klagesumme aufgenommen, der zu einer erheblichen Zinsbelastung führt. Daneben führt die Rückzahlungsverpflichtung sowie der zeitaufwendige Prozeß zu einer Beeinträchtigung seines Geschäftsbetriebes.
Fall 2 Ein Architekt leitet gegen einen ehemaligen Geschäftspartner ein Mahnverfahren über 100.000 DM ein. Dieser läßt durch einen Rechtsanwalt Widerspruch gegen den Mahnbescheid einlegen. Danach wird das Mahnverfahren nicht mehr weiterbetrieben. Die Rechtsanwaltskosten belaufen sich auf etwa 5000 DM.
Fall 3 Ein Bauunternehmer erstellt einen Wohnkomplex mit Eigentumswohnungen. Die Gemeinschaft der Eigentümer leitet nach Fertigstellung der Bauleistungen ein Beweissicherungsverfahren wegen angeblich mangelhafter Dachdeckerarbeiten ein. Der Bauunternehmer beauftragt einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte im Beweissicherungsverfahren. Es kommt schließlich nicht zu einem Hauptprozeß, da sich die Mängelrüge als ungerechtfertigt herausgestellt hat. Dem Bauunternehmer sind durch die Einschaltung des Rechtsanwaltes erhebliche Kosten entstanden.
Fall 4 Der Gläubiger läßt durch seinen Rechtsanwalt erfolglos aus einem rechtskräftigen Titel gegen seinen Schuldner, einen selbständigen Versicherungsvertreter, vollstrecken. Er stellt daraufhin Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung beim Vollstreckungsgericht, obwohl die Rechtsschutzversicherung des Schuldners die Forderung inzwischen beglichen hatte und der
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Schuldner dies dem Büro des Rechtsanwaltes zweimal telefonisch mitgeteilt hat. Das Vollstreckungsgericht erläßt Haftbefehl, nachdem der Schuldner im Widerspruchstermin nicht erscheint. Der herzkranke Schuldner erleidet durch die Aufregung anläßlich der Verhaftung schwere gesundheitliche Schäden und außerdem durch die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis finanzielle Einbußen in seinem Geschäftsbetrieb 2 • Fall 5 Die Klägerin, Inhaberin eines Patents zur Herstellung von Spritzgießmaschinen, produziert und vertreibt diese Maschinen. Die Beklagte bietet eine Maschine d~r gleichen Verwendung an. Die Klägerin erhebt daraufhin Klage auf Unterlassung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen unzulässiger Benutzung ihres Patents. Nachdem die Klägerin in erster Instanz obsiegt hat, wird das Patent nach Einlegung der Berufung und auf die Nichtigkeitsklage der Beklagten hin vom Patentamt für nichtig erklärt. Die Klägerin nimmt daraufhin die Klage zurück. Die Beklagte verlangt von der Klägerin Schadensersatz wegen unberechtiger Verwarnung, da sie auf Grund der Verwarnung die Produktion und den Vertrieb der Maschinen eingestellt habe und ihr dadurch erhebliche Schäden entstanden seien3 . Fall 6 Ein Sportverein klagt gegen seine ehemalige Kassiererin auf Zahlung vereinnahmter Mitgliedsbeiträge und Herausgabe der Buchungsunterlagen mit der Behauptung, die Beklagte habe diese unterschlagen. Die Klage wird abgewiesen. Nachdem der Fall jedoch durch die Presse öffentlich bekannt geworden ist, wurde die Beklagte ihres Postens als Ortsbeirätin enthoben und von ihrer Stelle als Steuerprüferin beim Finanzamt suspendiert. Aus diesen Beispielen erhellt, daß das Ergreifen gerichtlicher Maßnahmen für den davon Betroffenen neben allgemeinen Unannehmlichkeiten wie Zeitversäumnis, Ärger oder nervlichen Belastungen zu spürbaren Schäden führen kann. Diese Beeinträchtigungen können sowohl den im Streit befindlichen Gegenstand selbst betreffen4 als auch an sonstigen Rechtsgütern außerhalb des Streitgegenstandes eintreten. Die Fallbeispiele zeigen dabei Verletzungen der absolut geschützten Rechtsgüter des Verfahrensgegners5 ebenso wie die Verletzung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbetriebs6 , des allgemei2
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abgewandelter Fall BGHZ 74, 9 leicht abgewandelter Fall BGH NJW 1976, 2162 siehe Fall 1 siehe Fall 4 siehe Fall 5
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nen Persönlichkeitsrechts7 sowie den Eintritt von allgemeinen Vermögensschäden8 . Darüber hinaus kann schon jetzt festgestellt werden, daß der Eintritt negativer Folgen nicht nur durch die zuletzt bindende Entscheidung des Gerichts bestimmt wird, sondern auch unabhängig vom Ausgang des Verfahrens sein kann. So besteht der Schaden des Darlehensschuldners9 gerade in der Verurteilung zur nochmaligen Rückzahlung der Darlehensvaluta. Demgegenüber ist aber die klagabweisende Entscheidung des Gerichts auf die Rufschädigung der Beklagten lO ohne jeden Einfluß. 11. Spannungsverhältnis zwischen Integritätsschutz und prozessualer Entschluß- und Handlungsfreiheit
Die Einleitung prozessualer Maßnahmen stellt mithin einen Eingriff in den Rechtskreis des Betroffenen dar. Das allgemeine Prinzip des umfassenden Integritätsschutzes des einzelnen, das Gebot des "neminem laedere ll ", geht dahin, die an den Rechtsgütern des Verfahrensbeteiligten eingetretenen Schäden auf Kosten des Verfahrensbetreibers auszugleichen. Dem Interesse an Rechtsgüterschutz und Schadensausgleich steht die prozessuale Entschluß- und Handlungsfreiheit des Verfahrenstreibers diametral entgegen. Sie beabsichtigt regelmäßig12 die Durchsetzung seines vermeintlichen Rechts. Da ihm dafür in aller Regel der Weg der Selbsthilfe versperrt ist, bleibt ihm nur die Möglichkeit, gerichtliche Schritte zu ergreifen und damit den Rechtskreis des Verfahrensgegners zu tangieren. Diese Möglichkeit der Rechtsgenossen ist durch die Einrichtung staatlicher Gerichte garantiert und stellt das Korrelat zum grundsätzlichen Verbot der Selbsthilfe dar. Muß der Verfahrensbetreiber jedoch befürchten, für den Fall des Prozeßverlustes oder sonstiger Rechtsgutsbeeinträchtigungen gelegentlich des Verfahrensablaufs mit Schadensersatzansprüchen des Verfahrensgegners überzogen zu werden, besteht die Gefahr, daß der vermeintliche Rechtsinhaber im Hinblick auf das gesteigerte Prozeßrisiko von vorneherein auf die Verwirklichung des Rechts verzichtet. Die prozessuale Entschluß- und Handlungsfreiheit, der Anspruch auf Rechtsschutz, kann dadurch in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werden, es kann zu einer Verkümmerung des Rechtsschutzes kommen. siehe Fall 6 siehe Fall 2 und 3 9 siehe Fall 1 10 siehe Fall 6 11 siehe dazu Deutsch, Erwin: Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, 1963, S. 314; Picker, Eduard: Positive Forderungsverletzung und culpa in contrahendo - zur Problematik der Haftungen "zwischen" Vertrag und Delikt, AcP 183 (1983), 369 ff 12 Die Fälle eines offensichtlichen Rechtsmißbrauchs prozessualer Rechtsbehelfe sollen hier zunächst aus der Betrachtung ausgeklammert werden 7
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111. Verhältnis von prozessualen und materien-rechtlichen Wertungen Neben der Kollision zwischen deliktischem Einzelrechtsgüterschutz und der prozessualen Entschlußfreiheit des Verfahrensbetreibers zeigt sich bei der Bewertung prozessualen Verhaltens noch ein weiteres Kernproblem. Ein prozessuales Verhalten - die Erhebung einer Klage, die Einleitung eines Mahnoder Beweissicherungsverfahrens, die Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Titel oder auch das Aufstellen ehrkränkender Parteibehauptungen - hat neben seiner Funktion als Prozeßhandlung Nachteile für den Rechtskreis des Verfahrensgegners zur Folge, die den prozessualen Bereich unberührt lassen. Auf Grund dieser zweifachen Relevanz der schädigenden Prozeßhandlung auf prozessualem und außerprozessualem Gebiet wird deutlich, daß ein und dieselbe Handlung Objekt verschiedener Wertkategorien sein kann. Zum einen findet eine Beurteilung nach prozeßrechtlichen Bewertungsmaßstäben statt: Es stellt sich die Frage nach der prozessualen Zulässigkeit oder Unzulässigkeit, der Begründet- oder Unbegründetheit der Klage, der Beachtlichkeit oder Unbeachtlichkeit der unwahren oder ehrkränkenden Parteibehauptung. Neben dieser vom Prozeßrecht determinierten Beurteilung zwingt aber die Frage nach materiell-rechtlichen Sanktionen zu einer materiellen Wertung der Verfahrenshandlung. Diese muß, ausgehend von der materiellen Güterzuordnung, auf ihre Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit hin untersucht werden. Damit stellt sich die Problematik haftungsrechtlicher Folgen prozessualen Verhaltens zugleich als Problem des Verhältnisses von Prozeßrecht und materiellem Recht dar. Es fragt sich nämlich, inwieweit prozessuales Verhalten im Hinblick auf seine außerprozessualen Wirkungen ausschließlich materiellrechtlichen oder zugleich auch prozessualen Wertungen unterworfen ist. Legt man als Prämisse die als "Emanzipation des Prozeßrechts aus den Fesseln zivilistischen Denkens 13 " bezeichnete Entwicklung der Zivilprozeßrechtslehre der letzten hundert Jahre zugrunde, ist es ausgeschlossen, daß materiellrechtliche Rechtsfolgen von prozeßrechtlichen Wertungen determiniert sind. Die schroffe Trennung der beiden Rechtsgebiete, die mit der begrifflichen Verselbständigung des materiellen Anspruchs von dessen gerichtlicher Verfolgbarkeit durch Windscheid ihren Ausgang nahm und am nachdrücklichsten von Goldschmidt 14 sowie in neuerer Zeit von Niese 15 akzentuiert wurde, führt zu isolierten materiell-rechtlichen und prozeßrechtlichen Wertungen. Grundlage dieser Betrachtungsweise, der heute vornehmlich didaktisches Gewicht zugemessen wird 16 , ist die Auffassung, das Prozeßrecht sei von eigenständigen so Jauernig, Othmar: Das fehlerhafte Zivilurteil, 1958, S. 1 Goldschmidt, James: Der Prozeß als Rechtslage - eine Kritik des prozessualen Denkens, 1925, passim 15 Niese, Wemer: Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen, ein Beitrag zur allgemeinen Prozeßrechtslehre, 1950, passim 16 Rimmelspacher, Bruno: Buchbesprechung von Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, ZZP 90 (1970), 321, 324 13
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Wertkategorien beherrscht, die den materiell-rechtlichen Kriterien der Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit eines Verhaltens nicht zugänglich seien 17 . Prozeßrechtliche Gesichtspunkte ließen danach keine Rückschlüsse auf die Rechtmäßigkeit einer Verhaltensweise zu. Zunehmend ist jedoch erkannt worden, daß sich zwar materielles Recht und Prozeßrecht nach den geregelten Lebensbereichen unterscheiden lassen 18 , jedoch ein striktes Trennungsdogma nicht durchzuhalten ist 19 • Vielmehr ist davon auszugehen, daß sich das Verhältnis der beiden Rechtsgebiete nicht als zwei getrennte Körper, sondern als zwei sich überschneidende Kreise darstellt. Übergreifende Wertungen, Wechselwirkungen zwischen Prozeßrecht und materiellem Recht sind, insbesondere im Hinblick auf die der Entscheidung von materiellen Streitigkeiten dienenden Funktion des Prozesses, keineswegs ausgeschlossen2o . Diese Verknüpfung von Prozeßrecht und materiellem Recht ist jedenfalls bei der Beurteilung prozessualer Fragen erkennbar, wie etwa aus der von Rechtsprechung21 und Lehre 22 anerkannten Abmilderung des prozessualen Formrigors durch die Anwendung der zivilrechtlichen Generalklausel von Treu und Glauben zu ersehen ist. Eine in dieser Weise erfolgte Durchbrechung der Trennungswertung führt konsequenterweise auch dazu, in die Beurteilung materiell-rechtlicher Fragen prozessuale Wertungen mit einfließen zu lassen. In diese Richtung geht jedenfalls die noch näher darzulegende Rechtsprechung des BGH mit der auf die Schutzfunktion des Verfahrens gestützten Haftungsfreistellung des Verfahrensbetreibers23 . Goldschmidt, S. 292; Niese, S. 57 ff Henckel, Wolfram: Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, S. 19 ff; zustimmend Bötticher, Eduard: Prozeßrecht und materielles Recht, in: ZZP 85 (1972),11 19 Konzen, Horst: Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, 1976, passim; Henckel, passim; Bötticher, ZZP 85 (1972),1 f; Sax, Walter: Das unrichtige Sachurteil als Zentralproblern der allgemeinen Prozeßrechtslehre, in: ZZP 67 (1954), 21 ff; Arens, Peter: Prozeßrecht und materielles Recht, in: AcP 173 (1973), 250 ff 20 Henckel, S. 25, 233 Konzen, S. 84 ff; Arens, AcP 173 (1973),255; Rimmelspaeher, ZZP 90 (1977), 325 21 BGHZ 30, 137, 140; BGH NJW 1963, 154, 155; 1978,426; LG Ffm NJW 1982, 1056 22 Zeiss, Walter: Die arglistige Prozeßpartei, 1967, passim; Bernhardt, Wolfgang: Auswirkungen von Treu und Glauben im Prozeß und in der Zwangsvollstreckung, in: ZZP 66 (1953), 77; Dölle, Hans: Pflicht zur redlichen Prozeßführung?, in: Festschrift für Dtto Riese, 1964, S. 279; Hopt, Klaus: Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, 1968, S. 175; Baumgärtel, Gottfried: Treu und Glauben, Gute Sitten und Schikaneverbot im Erkenntnisverfahren, in: ZZP 69 (1956), 89; ders.: Die Unverwirkbarkeit der Klagebefugnis, in: ZZP 75 (1962), 385; SteiniJonas/Schumann: Kommentar zur Zivilprozeßordnung, Ein!. Rn 242 ff; BaumbachlLauterbach: Kommentar zur Zivilprozeßordnung, Ein!. III 6 A a; ThomaslPutzo: Kommentar zur Zivilprozeßordnung, Ein!. III 3a; a.A. Baur, Fritz: Richtermacht und Formalismus im Verfahrensrecht, in: Summum ius summa iniuria, Individualgerechtigkeit und der Schutz allgemeiner Werte im Rechtsleben, Ringvorlesung, Tübinger rechtswissenschaftliche Abhandlungen Band 9, 1963, S. 113 17
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Hier wird deutlich, daß die materiell-rechtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verfahrenshandlung von prozessualen Wertungen bedingt ist. Warum dies jedoch der Fall ist und in welchem Umfang sich die Wertmaßstäbe der beiden Rechtsgebiete durchdringen, etwa in der Weise, daß das Prozeßrecht die Frage nach der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Verfahrenshandlung abschließend normiert, bleibt offen. IV. Divergente Anknüpfungspunkte bei der Beurteilung der Eingangsbeispiele
Die oben dargestellten Eingangsbeispiele erscheinen zunächst ohne jede Gemeinsamkeit: Es handelt sich um völlig unterschiedliche Verfahrens arten Klage, Mahnverfahren, Beweissicherung, Vollstreckung - und die Fallgestaltungen berühren die verschiedensten Rechtsgebiete. Gemeinsam ist jedoch allen Fällen die oben dargestellte Kollision zwischen dem Interesse des Verfahrensbetreibers an der Verwirklichung seines vermeintlichen Rechts und dem Interesse des Verfahrensgegners, vor Eingriffen Dritter in seinen Rechtskreis geschützt zu werden. Es ließe sich vermuten, daß die Lösung der Kollision in allen Fällen gleichermaßen erfolgt. Diese Vermutung ist indessen trügerisch. Das Fehlen eines einheitlichen Anknüpfungspunktes für den Ausgleich des Spannungsverhältnisses zwischen Verfahrensbetreiber und -gegner ist kennzeichnend sowohl für die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als auch für das Meinungsbild in der Lehre 24 • Die Judikatur des BGH spricht sich im Grundsatz für eine weitgehende Haftungsfreistellung des Verfahrensbetreibers aus, indem schon die Rechtswidrigkeit bei redlicher Verfahrenseinleitung ausgeschlossen wird 25 • Diesen Vorrang des Anspruchs auf Rechtsschutz praktiziert der BGH jedoch nicht in den Fällen der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung26 • Hier soll schon das Nichtbestehen des geltend gemachten Schutzrechts zur Rechtswidrigkeit der Verfahrenshandlung führen 27 • Ohne hier schon näher auf diese Rechtsprechung einzugehen, lassen sich jedenfalls erhebliche Wertungsunterschiede feststellen. Ein buntes Bild verschiedener Lösungsvorschläge findet sich auch in der Doktrin. Vorherrschend ist lediglich die Sorge um die Verkümmerung des Rechtsschutzes, die einer unbefangenen Anwendung des allgemeinen Schadensersatzrechts entgegenzustehen scheint. Erhebliche Meinungsverschieden23 24 25
1959 26 27
BGHZ 20, 169; 36, 18; 74, 9 Konzen, Rechtsverhältnisse S. 305 BGHZ 20, 169; 36, 18; 74, 9; 90, 113; NJW 1980, 180; NJW 1983, 284; NJW 1985, siehe Fall 5 BGHZ 38,200; BGH JZ 1974, 617; NJW 1976, 2162; NJW 1979, 916
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heiten bestehen jedoch über die dogmatische Einordnung des oben beschriebenen Spannungsverhältnisses in das vertragliche und deliktische Haftungssystem. Einige Autoren 28 wollen die Haftung auf rechtsmißbräuchliches Verhalten des Verfahrensbetreibers, mithin auf eine Haftung für sittenwidriges Verhalten im Sinne von § 826 BGB beschränken. Die Autoren, die eine generelle Haftungsfreistellung ablehnen, versuchen die Interessen des Verfahrensbetreibers durch eine Privilegierung des prozessualen Verhaltens zu gewährleisten. Dabei kommt dem Streit um die verschiedenen Unrechtslehren - Lehre vom Erfolgsunrecht und Lehre vom Verhaltensunrecht - scheinbar erhebliche Relevanz zu. Hopt29 stellt ausgehend von der Lehre vom Verhaltensunrecht einen Katalog von Verhaltenspflichten auf, die im Ergebnis zu einer Haftung des Verfahrensbetreibers auch für leicht fahrlässiges Fehlverhalten führen. Fenn 30 stimmt dem dogmatischen Ansatzpunkt Hopts zu, räumt aber den Interessen des Verfahrensbetreibers grundsätzlich den Vorrang ein unter Hinweis darauf, daß die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ein sozialadäquates Mittel zur Klärung von Streitigkeiten sei.
Ebenfalls auf der Grundlage der Verhaltensunrechtslehre kommt Esser31 zu einer weitgehenden Privilegierung der Sorgfaltsanforderungen. Unter Zugrundelegung der klassischen Unrechtsdoktrin vertritt Weitnauer32 eine Rechtfertigung des Klägerverhaltens über das Rechtsinstitut der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§§ 193 StGB, 824 Abs. 2 BGB). SchultzSüchting33 statuiert einen "eingeschränkten Rechtfertigungsgrund der gericht28 Häsemeyer, Ludwig: Schadenshaftung im Zivilrechtsstreit, 1979; Caemmerer, Rudolf von: Wandlungen des Deliktsrechts, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages 1860-1960, Band 11, 1960, S. 96; ErmanlDrees: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 1981, vor § 823 Rdnr. 5; Ferid, Murad: "Contempt of court" im Zivilprozeß und ähnliche Regelungen in anderen Rechten, in: Beiträge zum Bürgerlichen Recht. Dt. Landesreferate zum 3. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in London, 1950, S. 556; Vnger, Josef: Handeln auf eigene Gefahr, 1893, S. 104 ff; Helle, Ernst: Der Schutz der Persönlichkeit, der Ehre und des wirtschaftlichen Rufes im Privatrecht, 1969, S. 111; ders.: NJW 1961, 1896 29 Hopt, Schadensersatz, passim 30 Fenn, Herbert: Schadenshaftung aus unberechtigter Klage oder Rechtfertigungsgrund der Inanspruchnahme eines gesetzlich eingerichteten und geregelten Verfahrens, in: ZHR 132 (1969), 344 31 Esser, Josef: Buchbesprechung von Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, in: ZZP 83 (1970), 348 32 Weitnauer, Hermann: Der unbegründete Konkursantrag und das Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb, in: DB 1962, 461; ders.: Aktuelle Fragen des Haftungsrechts, in: VersR 1970, 585; ders.: Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, in: AcP 170 (1970), 437
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lichen Inanspruchnahme", indem er die Beachtung von Prüfungs- und Informationspflichten seitens des Verfahrensbetreibers fordert. Konzen 34 berücksichtigt den Zweck der Verfahrenshandlung, ohne sich für eine der Unrechtslehren zu entscheiden, im Rahmen der Bestimmung der verkehrserforderlichen Sorgfalt des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB.
Eine spezifisch prozeßrechtliche Lösung befürworten insbesondere Jürgen Blomeyer35 und modifizierend Zeiss 36 sowie Hans-Jürgen Hellwig 37 • Nach Blomeyer stellen die Verhaltensnormen des Verfahrensrechts eine materielle Schutzordnung dar, die das Prozeßparteiverhalten abschließend regeln. Damit beschränkt er im Ergebnis die Haftung auf prozeßzweckfremde oder dem Lügenverbot des § 138 Abs. 1 ZPO zuwiderlaufende Verfahrenseinleitungen. Zeiss und Hellwig halten die prozeßrechtlichen Wertungen ebenfalls für abschließend, beschränken diese Wirkung jedoch auf den innerprozessualen Bereich38 bzw. auf die zwischen den Parteien bestehende prozessuale Sonderbeziehung39 • Die kurze Analyse der vertretenen Meinungen läßt erkennen, daß die Haftung des Verfahrensbetreibers in den Eingangsbeispielen sowohl im Hinblick auf das Ergebnis als auch bezüglich des dogmatischen Anknüpfungspunktes durchaus unterschiedlich bewertet wird. Das Problem dieser Arbeit kann somit, ausgehend von den aufgezeigten Meinungsverschiedenheiten, folgendermaßen akzentuiert werden: Erfordert das Spannungsverhältnis zwischen Rechtsgüterschutz und prozessualer Entschluß- und Handlungsfreiheit den gänzlichen Ausschluß einer vertraglichen oder deliktischen Haftung des Verfahrensbetreibers? Besteht im Hinblick auf die prozessuale Funktion einer Verfahrenshandlung die Notwendigkeit einer Haftungsprivilegierung zugunsten des Verfahrensbetreibers? Welche Anknüpfungspunkte für eine solche Privilegierung lassen sich im System der geltenden Vertrags- und Deliktshaftung finden? Ist dabei die vertragliche und deliktische Haftung unterschiedlich zu bewerten? 33 Schultz-Süchting, Rolf-Eckart: Dogmatische Untersuchungen zur Frage eines Schadensersatzanspruches bei ungerechtfertigter Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens, Diss. 1971, passim 34 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 299 ff 35 Blomeyer, Jürgen: Schadensersatzansprüche des im Prozeß Unterlegenen wegen Fehlverhalten Dritter, 1972, S. 37 ff 36 Zeiss, Walter: Schadensersatzpflichten aus prozessualem Verhalten, in: NJW 1967,703 37 Hellwig, Hans-Jürgen: Schadensersatzpflichten aus prozessualem Verhalten, in: NJW 1968, 1072 38 Zeiss, NJW 1967, 707 Fn. 55 39 Hellwig, NJW 1968, 1074
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§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
Der Beantwortung dieser Fragen soll die nachfolgende Untersuchung dienen. Dazu bedarf es zunächst einer genaueren systematischen Darstellung des Meinungsbildes in Rechtsprechung und Lehre. B. Systematische Darstellung des Meinungsstandes in Rechtsprechung und Literatur I. Zur Überlagerung des materiell-rechtlichen Rechts-
güterschutzes durch prozessuale Wertungen
1. DarsteUung der Entwicklung der Rechtsprechung
a) Die Konkursantragsentscheidung des BGH
Grundlegend für die weitere Judikatur und Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Diskussion war die bekannte Konkursantragsentscheidung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 3.10.1961 40 • Gegenstand dieser Entscheidung waren Schadensersatzansprüche der Klägerin aus einem sachlich nicht gerechtfertigten Konkursantrag ihrer Vertragspartnerin, die diesen Antrag zur Durchsetzung offener Forderungen gestellt hatte. Der BGH folgte dem Standpunkt der unteren Instanzen, die in dem Verhalten der Beklagten einen Eingriff in den Gewerbebetrieb sahen, nicht. Der Kernsatz seiner Begründung lautet wie folgt 41 : "Wer sich zum Vorgehen gegen seinen Schuldner eines staatlichen, gesetzlich eingerichteten und geregelten Verfahrens bedient, greift auch dann nicht unmittelbar und rechtswidrig in den geschützten Rechtskreis des Schuldners ein, wenn sein Begehren sachlich nicht gerechtfertigt ist und dem anderen Teil aus dem Verfahren Nachteile erwachsen." Damit war der Rechtfertigungsgrund der gerichtlichen Inanspruchnahme geschaffen, der die Haftung des Verfahrensbetreibers im Ergebnis aufvorsätzlieh-sittenwidriges Verhalten beschränkte. b) Die früheren Entscheidungen des BGH
Der BGH bestätigte mit der Konkursantragsentscheidung zwei frühere Entscheidungen aus den Jahren 195442 und 195643 , in denen er ebenfalls Schadensersatzansprüche aus der Einleitung eines Verfahrens versagte. 40 41 42
43
BGHZ 36, 18 BGHZ 36, 18, 20 BGH LM Nr. 4 zu § 823 (Da) BGB BGHZ 20, 169
B. Systematische Darstellung
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Im Rückerstattungsantragsfa1l42 hatte die Beklagte einen unbegründeten Rückerstattungsantrag nach dem Militärregierungsgesetz 52 auf Rückgabe eines Mühlengrundstücks einschließlich des darauf befindlichen Gewerbebetriebes eingeleitet. Als gesetzliche Folge dieses Verfahrens verlängerten die Rückerstattungsbehörden die vorher schon bestehende Vermögenssperre über den Betrieb des Klägers. Der BGH sah darin keinen rechtswidrigen Eingriff in den Gewerbebetrieb, da die Beklagte in zulässiger Weise das Verfahren eingeleitet habe und im übrigen die Vermögenssperre nicht den Betrieb als solchen, sondern den Kläger persönlich betroffen habe. Mit der Frage, ob die Erhebung einer Klage schadensersatzpflichtig mache, hatte sich der BGH in der Entscheidung aus dem Jahre 1956 zu befassen43 • Die Beklagte hatte durch notariellen Vertrag ein Grundstück verkauft. Nach mehreren Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien wurde die Beklagte schließlich zur Auflassung verurteilt. Die Beklagte erhob daraufhin erneut Klage gegen die Klägerin auf Feststellung, daß diese nicht berechtigt sei, aus dem Auflassungsurteil Rechte herzuleiten. Diese Klage wurde in drei Rechtszügen abgewiesen. Die Klägerin hatte sich durch die Feststellungsklage jedoch von der Verwirklichung eines Bauvorhabens auf dem erworbenen Grundstück abhalten lassen. Den durch den Anstieg der Baukosten entstandenen Schaden verlangte sie von der Beklagten ersetzt. Der BGH sah in der Erhebung einer Klage weder eine schadensersatzauslösende Handlung noch einen Verstoß gegen die guten Sitten oder die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht44 • c) Die Judikatur des Reichsgerichts Die Judikatur des Bundesgerichtshofs läßt sich in der Rechtsprechung des Reichsgerichts auf Grund der spärlichen Entscheidungen zu diesem Problemkreis kaum nachzeichnen. Esser45 bezeichnet die Frage gar vor den Entscheidungen des BGH im 20. und 36. Band als weißen Fleck. In der Tat liegt der Schwerpunkt der reichsgerichtlichen Judikatur im Bereich der Haftung für ungerechtfertigte Vollstreckungsmaßnahmen - dort insbesondere im Hinblick auf unbegründete Arrestanträge, Vollstreckung aus vorläufig vollstreckbaren Titeln46 sowie bezüglich der Vollstreckung in schuldnerfremde Gegenstände47 - und im Bereich der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung. Erwähnenswert sind lediglich drei Entscheidungen des Reichsgerichts, die tendenziell in die gleiche Richtung gehen wie der vom BGH akzentuierte Rechtfertigungsgrund der gerichtlichen Inanspruchnahme. 44 45
46 47
BGHZ 20,169,172 Esser, ZZP 83 (1970),349 RGZ 7, 374; 11,415,418; 14,358,363; 26, 204 RGZ 61, 430; 143, 118; 156,395,400
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§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
Die erste Entscheidung aus dem Jahre 190648 hatte sich mit dem Ersatz von durch die Führung eines Prozesses entstandenen Gesundheitsschäden zu befassen. Das Reichsgericht versagte dem Kläger Schadensersatzansprüche mit dem Hinweis darauf, daß der Prozeß das gesetzliche Mittel zur Durchsetzung von Ansprüchen sei. Das Bestreiten des Klaganspruchs allein und die Fortführung des Prozesses stellten mithin keine rechtswidrige und schuldhafte Handlungsweise dar49 . Der zweiten Entscheidung aus dem Jahre 190950 lag die Stellung eines unberechtigten Konkursantrags zugrunde, der zu Beeinträchtigungen des Gutsbetriebes des Klägers geführt hatte. Das Reichsgericht hielt die Schäden nicht für ersatzfähig, da die Störung des Gutsbetriebes keinen Eingriff in ein sonstiges Recht des Klägers, sondern lediglich einen allgemeinen Vermögensschaden dargestellt habe. Hier liegt der Begründungsschwerpunkt in der Verneinung einer tatbestandlichen Rechtsgutsverletzung. Eine weitere Entscheidung aus dem Jahre 192451 berührt den untersuchten Problemkreis nur am Rande: Es ging um die Frage, ob die Drohung mit einem Zurückbehaltungsrecht rechtswidrig im Sinne von § 123 BGB sei. Das Reichsgericht verneinte diese Frage und schloß daher hier ebenso wie der BGH in der Konkursantragsentscheidung die Rechtswidrigkeit einer Vorgehensweise dann aus, wenn sich der Handelnde eines von der Rechtsordnung vorgesehenen Zwangsmittels bedient. d) Die heutige Rechtsprechung des BGH und der Instanzgerichte
Die in der Konkursantragsentscheidung akzentuierte weitgehende Haftungsfreistellung des Verfahrensbetreibers prägt die Rechtsprechung bis zum heutigen Tag. Abgesehen von den oben schon erwähnten Fällen der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung, für die der BGH auf Grund einer "besonderen Interessenlage" zwischen vermeintlichem Schutzrechtsinhaber und Verwarntem die strikte Anwendung allgemein deliktsrechtlicher Grundsätze für angemessen erachtet, begnügen sich die Instanzgerichte52 ebenso wie der BGH53 selbst mit der Bezugnahme auf die früheren Entscheidungen54 . Ein gewisser Wandel der Judikatur55 deutet sich freilich in einer Entscheidung des VI. Zivilsenats vom 13.3.197956 an, deren Grundsätze in einem 48
49 50
RG JW 1906, 231 Nr. 15 RG JW 1906, 231, 232
RG Recht 1909, Nr. 2800
51 RGZ 108, 102 52 OLG Hamm, NJW 1967, 855; KG NJW 1973, 860; OLG Düsseldorf, MDR 1982,
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53 BGH NJW 1980, 190; NJW 1983, 284 54 BGHZ 20, 169; BGHZ 36, 184
B. Systematische Darstellung
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neueren Urteil57 ausdrücklich bestätigt werden. Dabei wird an dessen Prämissen trotz eines differenzierten dogmatischen Ansatzpunktes, auf den in späterem Zusammenhang noch einzugehen sein wird, explizit festgehalten. 2. Prozessuale Verhaltenspmchten als abschließende Normierung prozessualen Parteiverhaltens
Normen, die in verschiedenen Rechtsgebieten aufgestellt werden, können miteinander kollidieren58 • Diese Feststellung, die kaum einer näheren Begründung bedarf, zeigt sich bei der Bewertung von Folgewirkungen prozessualen Verhaltens deutlich: Das Verfahrensrecht selbst stellt, ohne hier schon auf die in der Lehre traditionell umstrittene Unterscheidung zwischen prozessualen Lasten und Pflichten einzugehen59 , jedenfalls Verhaltensmaßstäbe für das prozessuale Verhalten der Parteien auf. Die Partei ist gehalten, auf Anordnung des Gerichts im Termin zu erscheinen (§ 146 ZPO), wahrheitsgemäß vorzutragen (§ 138 Abs.1 ZPO) oder den Prozeß nicht zu verzögern (§§ 282, 296 ZPO). Das Delikts- und Vertragsrecht schützt demgegenüber bestimmte, von der Rechtsordnung zugewiesene Rechte und Güter vor Eingriffen Dritter. Soweit ein prozessuales Verhalten auch außerprozessuale Wirkungen zeitigt, erhebt sich daher die Frage, ob das materielle Recht die Maßstäbe für den Verletzungstatbestand und die entsprechende Rechtsfolge selbst bestimmt oder an die, möglicherweise engeren, Voraussetzungen und Sanktionen im Verfahrensrecht gebunden ist. Letzteres und damit einen Vorrang des Prozeßrechts beschreibt den Standpunkt des BGH. In die gleiche Richtung tendieren, trotz der grundsätzlichen Kritik am Grundverständnis der Rechtsprechung, eine Reihe von Autoren. Sie sehen in der Prozeßordnung nicht nur innerprozessuale, auf das Verfahren beschränkte Regelungen, sondern verstehen das Verfahrensrecht zugleich als materielle Schutzordnung, die dazu bestimmt ist, den Verfahrensgegner auch vor außerprozessualen Nach~ teilen zu schützen. Damit werden nicht nur Schadensersatzpflichten aus der Verletzung prozessualer Vorschriften statuiert60 , sondern auch die deliktischen Verhaltensanforderungen von den positivierten Maßstäben des Prozeßrechts überlagert61 • Alisch, H.: Anmerkung zu BGHZ 74,9, in: JR 1979, 462 BGHZ 74,9 57 BGH NJW 1985,1959 58 Engisch, Karl: Die Einheit der Rechtsordnung, 1935, S. 46 ff, 55 ff 59 siehe dazu unten § 4 B I 60 Berges, August: Der Prozeß als Gefüge, in: NJW 1965, 1505 ff; Hellwig, H.-J.: Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages, 1968, S. 77; Rosenberg/Schwab, § 65 VIII 7c; Titze, Heinrich: Die Wahrheitspflicht im Zivilprozeß, Beiträge zum Recht des neuen Deutschland, in: Festschrift f. Schlegelberger, 1936, S. 184; Dölle, S. 290 61 Blomeyer, J.: Schadensersatzansprüche, S. 37 ff; Niederelz, Udo: Die Rechtswidrigkeit des Gläubiger- und Gerichtsvollzieherverhaltens in der Zwangsvollstreckung unter besonderer Berücksichtigung der Verhaltensunrechtslehre, Diss. 1974, S. 126 ff 55
56
3 Götz
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§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
a) Die Auffassung Blomeyers Blomeyer62 untersucht die Haftung des Zivilklägers als Parallelproblem zur Haftung des Staatsanwalts. Dabei geht es ihm ausschließlich um die Ansprüche des unterlegenen Beklagten wegen eines prozessualen Fehlverhaltens des Klägers. Anknüpfungspunkt für eine solche Haftung sind die deliktischen Anspruchsgrundlagen und dort insbesondere die Frage nach der Widerrechtlichkeit des prozessualen Verhaltens. Ausgehend von der Kontroverse zwischen Erfolgs- und Handlungsunrechtslehre kommt Blomeyer zum Ergebnis, daß jedenfalls dann, wenn das Gesetz Verhaltensregeln für die Beurteilung bestimmter Verhaltensweisen normiert, die Rechtswidrigkeitsprüfung unabhängig vom Theorienstreit allein an diesen speziellen Vorschriften auszurichten sei63 . Unter vergleichender Heranziehung der in der Straßenverkehrsordnung geregelten Ge- und Verbote und der dazu ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum "verkehrsrichtigen Verhalten 64 " konstatiert er, daß die Bewertung eines Prozeßverhaltens als erlaubt oder verboten allein unter Berücksichtigung der prozessualen Wertungen erfolgen könne 65 . Blomeyer hält daher die prozessualen Regelungen für abschließend, die Pflichtmaßstäbe für positiviert66 , so daß die im Prozeßrecht enthaltenen Verhaltensanforderungen gleichsam stellvertretend für alle anderen Verhaltensnormen untersucht werden müssen67 • Ausgehend von diesem dogmatischen Ansatzpunkt kommt Blomeyer ähnlich wie der Bundesgerichtshof zu einer sehr weitreichenden Haftungsfreistellung des Verfahrensbetreibers. Die auch den Schutz des Gegners bezweckende, jedoch nur bewußt unwahres Parteivorbringen sanktionierende Wahrheitspflicht68 aus § 138 Abs. 1 ZPO sowie das aus § 1004 BGB folgende Recht des Verfahrensgegners, vor Eingriffen in seine Rechtssphäre geschützt zu sein, seien im Hinblick auf das Recht des Klägers auf Rechtsschutz restriktiv auszulegen 69 • Anders als den Staatsanwalt im Ermittlungsverfahren (§ 170 StPO) treffe den Zivilkläger keinerlei Pflicht, die Erfolgsaussichten seiner Klage vorzuprüfen. Dieser habe grundSätzlich die "Vorhand" und daher auch das Recht, sich durch den Prozeß über eigene Zweifel Gewißheit verschaffen zu können. Die Haftung wird damit im Ergebnis auf bewußt unrichtige Parteibehauptungen und prozeßzweckfremde, schikanöse Prozeßführung beschränkt7o • Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 37 ff Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 39,149 64 BGHZ 24, 21 65 Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 39, 150 66 Ausdruck von Lorenz, Wemer: Fortschritte der Schuldrechtsdogmatik, in: JZ 1961,433,437 67 Deutsch, (I), S. 286 68 Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 43 Fn. 121 69 Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 44,45 70 Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 46 62 63
B. Systematische Darstellung
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b) Modifikationen
aa) Das Gebot der redlichen Prozeßführung Einen etwas modifizierenden Standpunkt nehmen Zeiss 71 und Dölle72 ein. Unter Widerlegung der Ansichten Goldschmidts73 und Nieses74 legt Zeiss dar, daß auch das Prozeßrecht Imperative und Rechtspflichten statuiert, mithin von einer "Moralinfreiheit des Prozeßrechts75 " nicht die Rede sein könne76 • Die materielle Rechtswidrigkeit eines prozessualen Verhaltens folge jedoch, anders als im Regelfall, nicht aus der Indizwirkung einer tatbestandsmäßigen Verletzung fremder Rechtsgüter. Vielmehr seien die Deliktsnormen, soweit es um die Bewertung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines prozessualen Verhaltens gehe, offene Tatbestände77 . Bei der somit erforderlichen positiven Begründung der Rechtswidrigkeit liegt der Akzent nach Ansicht von Zeiss auf der Pflicht zur redlichen Prozeßführung. Die ungeschriebene Generalklausel des "honeste procedere", die ein Verbot mutwilliger, mißbräuchlicher und schikanöser Prozeßführung statuiere, markiere die Grenzen des deliktischen Unwerturteils abschließend. Nur ein unredliches Prozeßverhalten und die darin liegende Verletzung des Gebotes zu redlicher Prozeßführung stelle mithin einen zum Schadensersatz verpflichtenden Tatbestand dar78 . Damit sind die Divergenzen zur Auffassung Blomeyers nur graduell. Während dieser den prozessualen Parteipflichten und dort insbesondere der prozessualen Wahrheitspflicht des § 138 Abs. 1 ZPO eine umfassende Schutzfunktion im Hinblick auf urteilsfinale und außerprozessuale Schäden zuerkennt79 , beschränkt sich Zeiss auf die Generalklausel des honeste procedere. Damit reglementieren auch nach dieser Ansicht die prozessualen Wertmaßstäbe, deren Konkretisierung Zeiss in einem Verbot der Prozeßverschleppung und in dem allgemeinen Kriterium der Mutwilligkeit im Sinne von § 114 ZPO erkenntSO, das Parteiprozeßverhalten abschließend. Eine Pflicht zu redlicher, loyaler Prozeßführung konstatiert auch Dölle in seiner eingehenden Analyse 81 einer Entscheidung des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 196382 • Im Gegensatz zu Zeiss berücksichtigt 71 72
73 74
75 76 77 78 79
80 81
82
3"
Zeiss, NJW 67, 703 ff Dölle, S. 279,290 ff Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen Goldschmidt, S. 292 Zeiss, NJW 1967, 703 f Zeiss, NJW 1967, 707 Zeiss, NJW 1967, 707, 708 Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 43, Fn. 121 Zeiss, NJW 1967, 708 Dölle, S. 279 BGHZ 40, 197
36
§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
Dölle die aus dem ubiquitären und damit auch in der Zivilprozeßordnung geltenden Postulat von Gerechtigkeit und Billigkeit zu folgernde Rechtspflicht der Prozeßparteien, den Prozeß redlich und anständig zu führen 83, jedoch nicht nur im Rahmen des deliktischen Haftungssystems, sondern knüpft unmittelbar an die Verletzung dieser Pflicht Schadensersatzansprüche des Prozeßgegners84 .
bb) Die Begrenzung einer abschließenden Normierung durch die prozessuale Sonderbeziehung Noch differenzierter ist die Auffassung Hans-Jürgen Hellwigs 85 , der der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs86 im Grundsatz zustimmt, jedoch die "rechtfertigende" Wirkung der gerichtlichen Inanspruchnahme zeitlich und gegenständlich begrenzt. Hans-Jürgen Hellwig knüpft an die schon von Bau,s7 vorgeschlagene Unterscheidung zwischen den mit der Klageerhebung verbundenen Lasten und Vermögenseinbußen einerseits und Schäden an sonstigen Rechtsgütern andererseits an88 • Soweit das Prozeßrecht durch den Streitgegenstand die prozessuale Sonderbeziehung der Parteien begrenze, reiche die Rechtfertigungswirkung der Inanspruchnahme der Gerichte. Eine Parteiprozeßhandlung sei daher nur dann als rechtswidrig zu bewerten, wenn das prozessuale Verhalten Schäden außerhalb der durch den Prozeß begründeten Sonderbeziehung der Parteien zueinander verursache. Beispielhaft nennt er in diesem Zusammenhang die durch eine unbegründete Schutzrechtsverwarnung erfolgende Verletzung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, die vom Streitgegenstand nicht erfaßt und daher grundsätzlich rechtswidrig sei89 . Demgegenüber seien durch den Prozeß selbst verursachte besondere Aufwendungen 90 oder Dispositionen91 der Parteien Teil der Sonderrechtsbeziehung und mithin nicht ersatzfähig. Die generelle Haftungsfreistellung des Verfahrens be treibers innerhalb der prozessualen Sonderbeziehung erfährt jedoch zwei Durchbrechungen: Das schädigende prozessuale Verhalten führt im Falle seiner Sittenwidrigkeit und bei einer schuldhaften Verletzung prozessualer Pflichten - Hellwig nennt die Pflicht zu redlicher Prozeßführung und die prozessuale Wahrheitspflicht - zu 83 84
8S 86 87 88 89
90
91
Dölle, S. 290 f Dölle, S. 292 Hellwig, H.-J., NJW 1968, 1072 ff BGHZ 20, 169; 36, 18; 38, 200 Bauf, JZ 1962, 96 Hellwig, H.-J., NJW 1968, 1073 Hellwig, H.-J., NJW 1968, 1074 RGZ 150, 37 BGHZ 20, 169
B. Systematische Darstellung
37
Schadensersatzansprüchen92 • Dabei soll die Schadensersatzpflicht nicht aus Delikt, sondern unmittelbar aus der Verletzung prozessualer Pflichten als vertraglicher oder vertragsähnlicher Anspruch folgen 93 • Begrenzt auf die durch den Streitgegenstand umrissene prozessuale Sonderbeziehung der Verfahrensbeteiligten betont somit auch Hans-Jürgen Hel/wig die Überlagerung der allgemeinen zivilrechtlichen Verhaltensanforderungen durch den prozessualen Pflichtenkreis. ce) Die Akzentuierung der prozessualen Parteipflichten Auch eine Reihe weiterer Autoren mißt den prozessualen Verhaltenspflichten besondere Relevanz bei der Beurteilung der außerprozessualen Rechtsbeziehungen der Verfahrensbeteiligten zu. Dabei geht es nicht nur um die am nachdrücklichsten von Blomeyer vertretene abschließende Wirkung der prozessualen Normen, sondern zugleich um eine Erweiterung des deliktischen Rechtsgüterschutzes durch die Zuerkennung von Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung prozessualer Verhaltenspflichten94 • Besondere Bedeutung kommt innerhalb beider Problemkreise der prozessualen Wahrheitspflicht des § 138 Abs. 1 ZPO zu. Niederelz, der die Rechtmäßigkeit prozessualen Verhaltens im Erkenntnisverfahren als Randfrage untersucht95 , versteht die prozessuale Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht als allgemeine Verhaltensnorm zur Bestimmung der materiellen Rechtswidrigkeit eines prozessualen Verhaltens. Ausgehend von der Lehre vom Verhaltensunrecht stimmt daher Niederelz insoweit im Ergebnis mit Blomeyer überein, ohne dabei die prozessualen Normen zugleich als materielle Schutzordnung zu kategorisieren. Im Gegensatz zur Auffassung Blomeyers96 folgert er allerdings aus der prozessualen Wahrheitspflicht eine Verpflichtung der Prozeßparteien, ihre Behauptungen im Prozeß zuvor auf ihren objektiven Wahrheitsgehalt zu untersuchen97 • Damit ist nicht nur eine Parteibehauptung wider besseres Wissen, sondern schon ein fahrlässig falsches Vorbringen im Prozeß haftungsrelevant98 • Zu einem erweiterten Vermögensschutz führt die im Schrifttum teilweise vertretene99 Auffassung, die Verletzung prozessualer Verhaltenspflichten, insHellwig, H.-J., NJW 1968,1074 Hellwig, H.-J., NJW 1968, 1076; ders.: Systematik, 76 ff 94 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 273 ff 95 Niederelz, S. 126 ff. 96 Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 45 Fn. 130 97 Niederelz, S. 135 f 98 Niederelz, S. 138 99 Berges, NJW 1965, 1505; Titze, S. 184 ff; RosenbergiSchwab, S. 378; wohl auch Dölle, S. 292 und Hellwig, H.-J., NJW 1968,1072 ff 92 93
§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
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besondere die gegen § 138 Abs. 1 ZPO verstoßende unwahre Parteibehauptung, begründe unmittelbar Schadensersatzansprüche vertragsähnlichen Charakters. Dabei liegt der Akzent der Argumentation auf der Statuierung einer mit umfänglichen Pflichten ausgestatteten prozessualen Sonderbeziehung, während die Schutzfunktion der Verfahrensnormen und das Verhältnis der allgemein zivilrechtlichen zu den speziellen prozessualen Verhaltensanforderungen vernachlässigt werden. Allein Schwab 100 konstatiert im Anschluß an Blomeyer und Hopt, § 138 ZPO bezwecke auch den Gegnerschutz. Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, daß eine Modifizierung des materiell-rechtlichen Rechtsgüterschutzes durch prozessuale Wertungen in zwei Richtungen stattfindet. Zum einen wird, wenn auch mit differenzierten dogmatischen Ansatzpunkten und unterschiedlicher Intensität, ein Vorrang der positivierten prozessualen Verhaltenspflichten befürwortet. Zum anderen kommt den prozessualen Parteipflichten insoweit besondere Relevanz zu, als an deren Verletzung über das Deliktsrecht hinausgehende Schadensersatzansprüche geknüpft werden. 11. Ausschluß der Anwendbarkeit des allgemeinen Schadensersatzrechts 1. Die Lehre Häsemeyers
Die Prämisse der Untersuchung Häsemeyers lOl ist die Unterscheidung zwischen sogenannten Durchsetzungs- und Begleitschäden. Durchsetzungsschäden seien dabei solche Schäden, die aus der Vorenthaltung des umstrittenen subjektiven Rechts dadurch erwachsen, daß dieses Recht dem wahren Berechtigten nicht zur Nutzung, zur Disposition stehe. Davon abzugrenzen seien die an streitunabhängigen Rechten oder Interessen der Parteien entstehenden Begleitschäden. Allerdings verläuft die Grenzlinie zwischen Durchsetzungsund Begleitschäden, anders als dies Baur 102 und Hellwig 103 postulieren, nicht entlang des Streitgegenstandes. Vielmehr faßt Häsemeyer den Begriff des Durchsetzungsschadens wesentlich weiter, indem er hier jede Änderung der Vermögensverhältnisse, die durch das unberechtigte Vorenthalten der geschuldeten Leistung oder den unberechtigt ausgeübten Zwang eingetreten ist, einordnet104 • Darunter fallen der bloße Zinsverlust ebenso wie der Verlust der geschäftlichen Existenz, die Einbuße an beliebigen Vermögensgütern im Rahmen der Zwangsvollstreckung in gleicher Weise wie die Bildung von 100
101
102 103
104
RosenbergiSchwab, S. 378 a.E. Häsemeyer, Schadenshaftung, passim Baur, JZ 1962, 96 Hellwig, H.-J., NJW 1968,1073 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 7 f
B. Systematische Darstellung
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Rücklagen oder Vermögensnachteile durch sonstige, im Hinblick auf das Streitrisiko getätigte Dispositionen. Begleitschäden hingegen sollen nur streitunabhängige Rechte und Interessen betreffen, wie etwa den Ruf, das geschäftliche Ansehen oder die Gesundheit, aber auch reine Vermögensschäden, zu denen Häsemeyer insbesondere die Verfahrenskosten rechnet. Ausgehend von dieser Prämisse hält Häsemeyer die allgemeinen Haftungsgrundsätze, insbesondere den deliktischen Grundtatbestand des § 823 Abs. 1 BGB, für den Bereich der Durchsetzungsschäden nicht für anwendbar105 . Stattdessen statuiert Häsemeyer einen selbständigen Typus der Durchsetzungshaftung, der weder rechtswidriges noch schuldhaftes Verhalten des Haftenden voraussetze, sondern allein vom Ausgang des zwischen den Parteien bestehenden Streits determiniert sei. Zur Begründung seiner Lehre knüpft Häsemeyer an die positiv-rechtlichen Regelungen der §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO einerseits und die Verzugshaftung des Schuldners andererseits an und konstatiert eine grundlegende Inkonsequenz dieser Haftungsvorschriften 106 • Während den Gläubiger bei der Durchsetzung seiner Ansprüche eine Risikohaftung treffe, unterliege der Schuldner lediglich einer verschärften Verschuldenshaftung. Auch die Anwendung des allgemeinen Haftungsrechts und dessen Unterscheidung zwischen relativen und absoluten Rechten führe zu einem sozialpolitisch nicht begründbaren Haftungsungleichgewicht zwischen Schuldner und Gläubiger. Dieser sei zur Verfolgung seines Anspruchs auf die Vollstreckung und damit stets auf Eingriffe in absolute Rechte des Schuldners angewiesen, während jener sich mit der bloßen Leistungsverweigerung "als Verletzung eines "nur" relativen Rechts zumeist auf deliktsrechtlich ungefährlichem Boden bewegt"l07. Anknüpfungspunkt der Durchsetzungshaftung sind somit nicht einzelne Haftungstatbestände, sondern typische Grundformen des Streitverhaltens, nämlich Zwang und Nachgeben. Der gegen den Gegner geübte Zwang im Widerspruch zum letztlich maßgebenden Streitstand soll haftungsbegründend sein 108 , das Nachgeben im Streit dagegen soll beide Parteien von der Haftung entbinden109 • Auch das prozessuale Parteiverhalten hält Häsemeyer für haftungsindifferent llO . Prozessuales Fehlverhalten könne immer nur innerprozessual ausgeglichen werden, um die Entscheidungsfindung ihren eigenen Regeln zu überlassen. Soweit dies nicht geschehe, stehe die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung einem Schadensersatzanspruch entgegen. 105 106
107 108 109
110
Häsemeyer, Häsemeyer, Häsemeyer, Häsemeyer, Häsemeyer, Häsemeyer,
Schadenshaftung, Schadenshaftung, Schadenshaftung, Schadenshaftung, Schadenshaftung, Schadenshaftung,
S. S. S. S. S. S.
15 ff 7-11 16 30 60 69 ff
40
§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
Häsemeyer befürwortet somit unter Ausschluß des allgemeinen Schadensersatzrechts eine Risikohaftung für beide am Streit beteiligten Parteien. Er führt dazu aus 111 :
"Nur mit Hilfe des Risikoprinzips, das an dem maßgeblichen Streitstand orientiert ist, können alle Erscheinungsformen des Streitverhaltens gleichmäßig und konsequent erfaßt werden: Eigenschädigung und Fremdschädigung stehen gleich. Allein das Risikoprinzip ermöglicht schließlich die Haftung in Verfolg einer maßgeblichen Entscheidung: Die Bestandskraft richterlicher Entscheidung verbietet es, im nachhinein erneut über die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit oder gar Richtigkeit einer Entscheidung zu streiten." 2. Korrektur der Sonderhaftung durch vorsätzlich schädigendes Streitverhalten
Eine
Ergänzung
und
Korrektur
der
Durchsetzungshaftung durch
§ 826 BGB soll dann erfolgen, wenn das Haftungsgleichgewicht zwischen den
Parteien durch ein vorsätzlich schädigendes Streitverhalten einer Partei gestört wird 112 . Häsemeyer betont jedoch den absoluten Ausnahmecharakter dieser Haftung für vorsätzlich sittenwidriges Verhalten, indem er sie auf drei Fallgruppen beschränkt: die vorsätzliche Manipulation des gegnerischen Streitverhaltens, das Erschleichen rechtskräftiger Entscheidungen und die unlautere Störung der prozessualen Waffengleichheit, insbesondere durch die Vereitelung innerprozessualer Sanktionen 113 • Die Haftung soll jedoch in allen Fallgruppen nur bei evident und bewußt unwahren Behauptungen eintreten und nicht im Widerspruch zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung stehen 114 •
III. Zur Haftungsprivilegierung im Rahmen des deliktischen Haftungssystems Im Gegensatz zu der generellen Haftungsbeschränkung auf rechtsmißbräuchliches Verhalten des Verfahrensbetreibers ll5 und dem teilweise befürworteten Primat der prozessualen Verhaltenspflichten 116 knüpft eine neuere Entscheidung des Bundesgerichtshofs und der wohl überwiegende Teil des Schrifttums bei der haftungsrechtlichen Bewertung außerprozessualer Folgewirkungen eines prozessualen Verhaltens an der herkömmlichen deliktischen Haftungssystematik an. Die prozessualen Komponenten, insbesondere der 111 112 113
114 115
116
Häsemeyer, Schadenshaftung, S. Häsemeyer, Schadenshaftung, S. Häsemeyer, Schadenshaftung, S. Häsemeyer, Schadenshaftung, S. siehe oben § 1 A IV siehe oben § 1 B I
97
129 129 ff
136 f
B. Systematische Darstellung
41
Zweck der Verfahrenshandlung, sollen jedoch keineswegs unberücksichtigt bleiben, sondern im Wege einer Rechtsfortbildung zu einer Haftungsprivilegierung der Parteiprozeßhandlung führen. Die unterschiedlichen Lösungsmodelle für eine solche Rechtsfortbildung sollen im folgenden aufgezeigt werden. 1. Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
Abgesehen von den recht zahlreichen Entscheidungen wegen unbegründeter Schutzrechtsverwarnungen befaßte sich der BGH seit der Konkursantragsentscheidung l17 und dem kurz danach ergangenen Urteil bezüglich ehrkränkender Parteibehauptungen 118 erstmals wieder in einer Entscheidung vom 13. März 1979119 mit der deliktischen Bewertung eines prozessualen Verhaltens. Gegenstand dieser Entscheidung waren gesundheits- und vermögensschädigende Auswirkungen unberechtigter Vollstreckungsmaßnahmen durch den Rechtsanwalt des Gläubigers 120 • a) Das "Recht auf Irrtum"
Der BGH schränkte die Ausschließlichkeit der im von ihm selbst als umstritten bezeichneten l21 KonkursantragsurteiI122 entwickelten Thesen vorsichtig ein. Zwar bestätigt der Senat im Grundsatz die von ihm intendierte Haftungsfreistellung des Verfahrensbetreibers, "wonach der Rechtsschutz Begehrende seinem Gegner nicht außerhalb der schon im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen nach dem sachlichen Recht der unerlaubten Handlung für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage haftet. Eine andere Beurteilung müßte die freie Zugänglichkeit der staatlichen Rechtspflegeverfahren, an der auch ein erhebliches öffentliches Interesse besteht ... in bedenklicher Weise einengen 123 ". Der BGH konzediert damit dem Verfahrensbetreiber ein "Recht auf Irrtum", einen Freiraum mit der Folge, daß denjenigen, der ein gerichtliches Verfahren zur Durchsetzung seiner vermeintlichen Rechte in Anspruch nimmt, weder bei der Einleitung noch im Laufe des Verfahrens eine Pflicht zur Prüfung seiner Berechtigung trifft. Ein lediglich fahrlässiger Irrtum über die Sach- und Rechtslage ist somit nach Ansicht des Senats haftungsirrelevant. BGHZ 36, 18 BGH NJW 1962, 243 119 BGHZ 74, 9 120 der Fall entspricht im wesentlichen dem Eingangsbeispiel4; auf eine eingehende nochmalige Darstellung des zugrundeliegenden Sachverhalts kann daher verzichtet werden 121 BGHZ 74, 9, 13 122 BGHZ 36, 18 123 BGHZ 74, 9,15 117
118
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§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
Argumentativ stützt sich der Senat erneut auf die Sorge um die Verkümmerung des Rechtsschutzes l23 . Im übrigen genieße eine Rechtsgutsverletzung durch das formal von der Rechtsordnung erlaubte Ingangsetzen eines gesetzlich geregelten Streitverfahrens auf Grund seiner verfahrensrechtlichen Legalität die Vermutung der Rechtmäßigkeit. Diese Vermutung rechtfertigt der BGH insbesondere durch einen Vergleich mit einer nicht nur formal, sondern auch materiell berechtigten Einleitung und Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens. Auch hier müsse der Verfahrensgegner über die bloße Rechtsdurchsetzung hinausgehende, typischerweise eintretende Schadensfolgen beispielhaft nennt der BGH psychisch vermittelte Gesundheitsbeeinträchtigungen und Kreditgefährdungen - ersatzlos hinnehmen l24 . Ausgenommen hiervon sei jedoch die - gerichtliche und außergerichtliche - gewerbliche Schutzrechtsverwarnung, für die der Senat an einem wesentlich strengeren Haftungsmaßstab festhält. Abgesehen von dieser Fallgruppe soll die Rechtmäßigkeitsvermutung jedes subjektiv redliche Verhalten in einem gesetzlich geregelten Rechtspflegeverfahren erfassen. Die abschließende Haftungsgrenze bildet mithin nach wie vor der Tatbestand der vorsätzlich-sittenwidrigen Schädigung im Sinne von § 826 BGB. Im Einzelfall könne darüber hinaus auch der Grundsatz von Treu und Glauben den prozessualen Befugnissen Grenzen setzen l24 • Diese, die Haftung des Verfahrensbetreibers restringierende Betrachtungsweise knüpft unmittelbar an die schon in der Konkursantragsentscheidung akzentuierte 125 Schutzfunktion der Verfahrensvorschriften an. Der Schutz des Gegners, der im konkreten Fall in der kontradiktorischen Ausgestaltung des Vollstreckungs- und Offenbarungsverfahrens zum Ausdruck komme, stelle gleichsam das Korrelat zu dem dem Verfahrensbetreiber konzedierten "Recht auf Irrtum" dar. b) Abweichung von der früheren Rechtsprechung Insoweit weicht die Entscheidung im Ergebnis von früheren Entscheidungen nicht ab. Im Gegensatz zu der noch im Konkursantragsurteil erfolgten generellen Haftungsfreistellung nimmt der BGH jedoch nunmehr eine wertende Begrenzung des "Rechts auf Irrtum" vor l26 • Entscheidendes Kriterium soll dabei die prozessuale Entschluß- und Handlungsfreiheit des Verfahrensbetreibers darstellen, die durch ein Haftungsrisiko nicht unzumutbar beeinträchtigt werden dürfe. Soweit eine solche Beeinträchtigung hingegen ausgeschlossen sei, ende auch das "Recht auf Irrtum". Die Grenze sah der BGH im konkreten Fall dadurch überschritten, daß die Bürovorsteherin des beklagten 124
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BGHZ 74,9, 15 BGHZ 36, 18, 22 BGHZ, 74, 9,17
B. Systematische Darstellung
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Rechtsanwalts mehrfache, leicht überprüfbare Hinweise des Schuldners bezüglich der erfolgten Rückzahlung der titulierten Forderung ignoriert und die Vollstreckung weiterbetrieben hatte. Damit statuiert der BGH im Ergebnis eine Haftung des Verfahrensbetreibers für grob fahrlässiges Fehlverhalten 127 und geht insoweit über seine bisherige Rechtsprechung hinaus. Als ersatzfähig sah der BGH jedoch nur den Gesundheits-, nicht aber den reinen Vermögensschaden an. Ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb liege mangels Betriebsbezogenheit nicht vor, da der Betrieb des Schuldners als selbständiger Vesicherungsvertreter kaum kapitalintensiv und damit eine Besserstellung des Gewerbetreibenden gegenüber anderen Berufsgruppen nicht gerechtfertigt sei 128. Eine Fortschreibung dieser Judikatur findet sich in einer Entscheidung des 9. Zivilsenats vom 23. 5.1985 129 , in der ausdrücklich eine Haftungsfreistellung für eine nur leicht fahrlässige Verkennung der Rechtslage ausgesprochen wird. Im zu entscheidenden Fall war dem Mobiliarvollstreckungsgläubiger durch einen ungerechtfertigten Einstellungsantrag eines vermeintlichen Drittberechtigten nach § 771 Abs. 3 ZPO erheblicher Schaden entstanden. Obwohl das Verfahrensrecht keine ausreichende Verteidigungsmöglichkeit gegen einen solchen Antrag eines Dritten bietet, bejaht der BGH auch hier ein Recht auf Irrtum. Er führt allerdings mit dem Postulat der prozessualen Waffengleichheit ein weiteres Wertungskriterium ein l30 . Da sich die Sorgfaltspflichten des Gläubigers nur auf eine Prüfung des Schuldnergewahrsams beschränkten, sei es dem potentiellen Drittberechtigten erlaubt, der Pfändung durch einen - nur einer summarischen Prüfung zugänglichen - Einstellungsantrag zu begegnen. 2. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.2.1987
Ausdrücklich bestätigt wird die Rechtsprechung des BGH durch eine neuere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts l3l . In dem zu entscheidenden Fall hatte eine Schülerin Strafanzeige gegen einen Arzt erstattet, mit der Behauptung, dieser habe sie sexuell mißbraucht. Das Strafverfahren wurde mangels Tatverdacht eingestellt. Der Beschuldigte verlangte nach Abschluß des Strafverfahrens Ersatz der ihm entstandenen Anwaltskosten. Das Bundesverfassungsgericht hob das amtsgerichtliehe Urteil, das der Klage des Beschuldigten stattgegeben hatte, weil der Anzeigerin der Wahrheitsbeweis ihrer Behauptung nicht gelungen war, auf. Die Zuerkennung von Scha127 Alisch, JR 1979, 462; Belke, RolflHenniges, Rolf-Hermann: Übungsklausur Zivilrecht, Schadensersatz bei unberechtigter Strafverfolgung, in: Jura 1979, 596, 601 128 BGHZ 74,9, 18, 19 129 BGH NJW 1985, 1959 130 BGH NJW 1985, 1959, 1961 131 BVerfG NJW 1987,1929
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§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
densersatzansprüchen stelle einen Vestoß gegen Art. 2 I GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot dar. Da die Erstattung einer Strafanzeige eine von der Rechtsordnung erlaubte und gebilligte Möglichkeit sei, die aus dem Verbot der Selbsthilfe und dem staatlichen Machtmonopol folge, könne der Anzeigeerstatter nicht mit dem Risiko der Erweislichkeit der von ihm aufgestellten Behauptung belastet werden. Darüber hinaus liege eine Strafanzeige, die nicht wissentlich unwahr oder leichtfertig erhoben werde, im allgemeinen Interesse an der Aufklärung von Straftaten und an der Erhaltung des Rechtsfriedens. 3. Die Lehre Hopts
Eine erste umfassende Darstellung der Problematik verfahrensbedingter Schädigungen findet sich bei Hopt 132 • Die rechtsvergleichende Untersuchung Hopts, die neben dem zivilrechtlichen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren auch das Straf-, Verwaltungs- und Kartellverfahren in die Analyse mit einbezieht, stellt der vom BGH in der Konkursantragsentscheidung 133 statuierten Haftungsfreistellung des Verfahrensbetreibers folgende These entgegen: "Auch wer sich zum Vorgehen gegen seinen Schuldner eines staatlichen, gesetzlich eingerichteten und geregelten Verfahrens bedient, macht sich schadensersatzpflichtig, wenn er bei Nichtbeachtung bestimmter, noch näher zu umreißender Sorgfaltspflichten den anderen in seinen Rechten verletzt 134". Kernpunkt der Konzeption Hopts ist dann auch die Herausbildung objektiver Verhaltensnormen, die der Verfahrensinitiator bei der Einleitung und Durchführung staatlicher Verfahren zu beachten hat 135. Entscheidendes Kriterium der entwickelten deliktischen Sorgfaltsmaßstäbe ist dabei eine nach den verschiedenen Verfahrensarten abgestufte und differenzierte Abwägung der beteiligten Interessen. Als solche sind nach Auffassung Hopts das Interesse des Verfahrensbetreibers am risikolosen Zugang zu Gericht und Behörden, das Interesse des Verfahrensgegners am Schutz seiner Rechtssphäre und schließlich auch das Interesse des Staates an der Mitwirkung Privater zur Erreichung und Verfolgung justitieller Zwecke zu berücksichtigen 136 • Ausgehend von dieser Interessenabwägung kommt er für die modellhaft 137 herangezogenen Straf- und Zivilverfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen. Unter Akzentuierung des als vorrangig bezeichneten öffentlichen Interesses an einer Strafverfolgung und der Pflicht des einzelnen Staatsbürgers, an der Verbrechensaufklärung mitzuwirken, stellt Hopt hinsichtlich der Erstattung von Strafanzeigen vergleichsweise geringere Verhaltensanforderungen als für das 132 133 134
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137
Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, München 1968 BGHZ 36, 18 Hopt, Schadensersatz, S. 2 Hopt, Schadensersatz, S. 243 ff Hopt, Schadensersatz, S. 160 ff, 180 Konzen Rechtsverhältnisse, S. 307
B. Systematische Darstellung
45
Ergreifen zivilprozessualer Maßnahmen 138 • Den Zivil kläger sollen demgegenüber weitaus strengere Verhaltensanforderungen treffen 139 • Dieser müsse die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsdurchsetzung zuvor - eventuell unter juristischer Beratung - prüfen und gewisse Anhaltspunkte für eine Rechtsverletzung durch den Gegner haben. Eine Klage "aufs Geratewohl" oder "infolge schlampiger Buchführung" sei pflichtwidrig und daher haftungsrelevant l40 . Darüber hinaus bestehe eine Verpflichtung zur vorherigen außergerichtlichen Streitbeilegung und zur Berücksichtigung der gegnerischen Interessen vor und während des Verfahrens. Der Kläger sei gehalten, seine eigene Rechtsposition mit den sich aus der Rechtsdurchsetzung für den Gegner ergebenden Folgen gegeneinander abzuwägen und auch bei der Wahl seiner Mittel auf den Gegner Rücksicht zu nehmen. Anhaltspunkte für diese, keineswegs für abschließend gehaltenen 141 Verhaltensnormen gewinnt Hopt aus den gesetzlichen Wertungen der §§ 193 StGB, 114 ZPO einschließlich der dazu ergangenen Judikatur, den von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätzen zum Rechtsschutzbedürfnis im Zivilprozeß sowie aus der umfangreichen Judikatur zu unberechtigten Klagen im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes. In dogmatischer Hinsicht berücksichtigt Hopt einen Verstoß gegen die von ihm statuierten Verhaltenspflichten generell bei der Begründung des deliktischen Unwerturteils l42 • In Anlehnung an v. Caemmerer143 und Larenz l44 vertritt er die Auffassung, daß nur vorsätzliche und unmittelbare Eingriffe in die geschützten Rechtsgüter des § 823 Abs. 1 BGB die Rechtswidrigkeit des Eingriffs indizierten. Im übrigen handele es sich jedoch bei § 823 Abs. 1 BGB um einen offenen Tatbestand, so daß, ebenso wie bei den deliktischen Generalklausein des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, eine rechtswidrige Verletzung nur bei einem Verstoß gegen Sorgfaltspflichten vorliege. Ausgehend von der Prämisse, daß verfahrens bedingte Schädigungen immer nur, soweit nicht ohnehin lediglich Rahmenrechte betroffen sind, mittelbare Eingriffe in den Rechtskreis Dritter darstellen, erlaßt Hopt sämtliche Fälle unberechtigter Verfahrenseinleitung mit ungeschriebenen Sorgfaltspflichten im Rahmen einer positiven Rechtswidrigkeitsprüfung. Sein die Lehre vom Verhaltensunrecht modifizierender Ansatzpunkt kommt daher, jedenfalls bezüglich der hier interessierenden Problematik verlahrensbedingter Schädigungen, nicht zum Tragen. 138 139 140 141
142 143
144
Hopt, Schadensersatz, S. 243 ff, 260 Hopt, Schadensersatz, S. 251 ff Hopt, Schadensersatz, S. 252 Hopt, Schadensersatz, S. 260 Hopt, Schadensersatz, S. 228 ff v. Caemmerer, Wandlungen, S. 77,80,131 Larenz, Karl: Lehrbuch des Schuldrechts, Band 11, Besonderer Teil, 1977, § 72 I
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§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung 4. Lösungen auf der Grundlage der Lehre vom VerhaItensunrecht
Die dem BGH entgegengestellte These Hopts, wonach auch verfahrensbedingte Schädigungen zivilrechtliche Haftungsfolgen auslösen können, ist auf breite Zustimmung gestoßen l45 . Abgehoben von dieser grundlegenden Aussage zeigt sich jedoch erneut die Kontroverse um die verschiedenen Unrechtskonzeptionen deutlich: Dem dogmatischen Anknüpfungspunkt Hopts, eine Haftungsdifferenzierung generell im Rahmen der Rechtswidrigkeit vorzunehmen, folgen nur diejenigen, die das Handlungsunrecht zur Begründung der Rechtswidrigkeit heranziehen. Auch hier bestehen jedoch im Einzelfall erhebliche Meinungsdivergenzen. Allein Fenn 146 und Kötz 147 akzeptieren die von Hopt entwickelten Sorgfaltspflichten auch inhaltlich. Fenn, der nicht zwischen unmittelbaren und mittelbaren Rechtsbeeinträchtigungen unterscheidet 148, bezeichnet allerdings das Beschreiten des Rechtsweges als sozialadäquat und daher nur in Ausnahmefällen als rechtswidrig. Diese Betrachtungsweise betont das Rechtsschutzinteresse des Verfahrensbetreibers und deutet zumindest auf eine Einschränkung der strengen Haftungsmaßstäbe Hopts hin. Auch Zeiss,149 der den Ergebnissen Hopts im übrigen unumschränkt zustimmt, empfindet die entwickelten Verhaltensanforderungen als zu weitgehend. Hier zeigt sich erneut die Sorge um die Verkümmerung des Rechtsschutzes, die einer Prüfungspflicht des Zivilklägers ähnlich der des Staatsanwalts im Ermittlungsverfahren entgegensteht. Insgesamt geht daher die Tendenz dahin, die Anforderungen an das Verhalten der Parteien des Zivilprozesses nicht zu überspannen, dem Kläger gleichsam die "Vorhand l50" zur Durchsetzung seines Rechts einzuräumen und damit die Haftung auf grobfahrlässige Sorgfaltspflichtverletzungen zu begrenzen i51 .
145 Fenn, ZHR 132 (1969), 344 ff; Kötz, Hein: Deliktsrecht, 1983, S. 307 ff; Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., 1978-1986, Mertens, § 823 Rn. 483; Soergel, Hans Theodor: Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 1978-1985, Zeuner, § 823 Rn. 110; Esser, Josef: Buchbesprechung von Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, in: ZZP 83 (1970), 351; Weitnauer, AcP 170 (1970), 449 a.E.; Zeiss, Walter: Rezension zu Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, in: JZ 1970, 198; a.A. Sturm, Fritz: Buchbesprechung von Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, in: JZ 1972, 43; der eine Haftungsbeschränkung auf vorsätzlich-sittenwidriges Verhalten im Hinblick auf die drohende Beeinträchtigung des Rechtsschutzes befürwortet 146 Fenn, ZHR 132 (1969), 344 147 Kötz, S. 310 148 Fenn, 365 FN. 69 149 Zeiss, JZ 1970, 198 150 Ausdruck von Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 44 151 MünchKommlMertens, § 823 Rn. 483; SoergeUZeuner, § 823 Rn. 103
B. Systematische Darstellung
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S. Lösungen auf der Grundlage der Lehre vom Edolgsunrecht
Einen methodisch anderen Weg zur haftungsrechtlichen Erfassung verfahrensbedingter Schädigungen zeichnet die überkommene Lehre vom rein erfolgsbezogenen Unwerturteil vor. Hier findet, abgesehen von Eingriffen in Rahmenrechte, keine Interessenabwägung zur Begründung der Rechtswidrigkeit einer Rechtsverletzung statt. Vielmehr ist zu untersuchen, ob das schadensursächliche Verhalten ausnahmsweise durch besondere Umstände gerechtfertigt ist. Dabei wird zur Berücksichtigung der prozessualen Funktion der Verfahrenshandlung zum einen ein positivierter152 und zum anderen, in Anlehnung an die Konkursantragsentscheidung des BGHI53, ein "neuartiger" Rechtfertigungsgrund154 herangezogen. a) Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen Weitnauer sieht in der Problematik verfahrensbedingter Schädigungen ein "Kernproblem der Unrechtslehren" berührt l55 . Seine Analyse der Ergebnisse Hopts ist demgemäß auch geprägt von den divergenten Anschauungen zum deliktischen Unwerturteil. Dabei hält Weitnauer die Herausbildung von allgemein gültigen Verhaltensnormen nicht nur für dogmatisch verfehlt, sondern auch in praktischer Hinsicht für aussichtslos - er spricht insoweit von der Entwicklung einer "Fallethik156".
Gleichwohl hält auch er eine Abwägung der beiderseitigen Interessen für erforderlich, deren methodischen Ausgangspunkt jedoch die gesetzlich geregelten Rechtfertigungsgründe der §§ 193 StGB und 824 Abs. 2 BGB darstellen. Diese Betrachtungsweise verlagert die Frage der Verletzung von Sorgfaltspflichten und der Gutgläubigkeit des Verfahrensbetreibers bei Einleitung und Durchführung des Verfahrens in den Bereich der deliktischen Verschuldensanforderungen. Im Ergebnis führt damit auch diese Konzeption zu einer materiell-rechtlichen Privilegierung prozessualen Verhaltens 157 , indem der Rechtfertigungsgrund "Wahrnehmung berechtigter Interessen" in seiner Wirkung über den klassischen Anwendungsbereich des Ehrenschutzes und der Kreditgefährdung 152 Weitnauer, AcP 170 (1970), 437; ders., Anmerkung zu BGH NJW 1962, 243, in: . JZ 1962, 491 153 BGHZ 36, 18 154 Schultz-Süchting, S. 106 ff, 124 ff, 159 f 155 Weitnauer, AcP 170 (1970), 437 156 Weitnauer, AcP 170 (1970), 447 157 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 308, der allerdings die Vermutung äußert, Weitnauer beabsichtige eine solche Privilegierung nicht, S. 312 Fn. 90
48
§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
hinaus erweitert 158 und dessen rechtfertigender Schutz erst bei leichtfertigem Verhalten versagt wird l59 • Dieses, aus der Regelung des § 164 Abs. 5 StGB a. F. herangezogene Kriterium der Leichtfertigkeit soll auch nach der Streichung der Vorschrift durch das 1. Strafrechtsreformgesetz noch von Relevanz sein l60 • b) Eingeschränkter Rechtjertigungsgrund der gerichtlichen Inanspruchnahme Einen vom Standpunkt der Erfolgsunrechtslehre ungewöhnlichen methodischen Ansatzpunkt wählt Schultz-Süchting, der seine Untersuchung als theoretische Ergänzung der Arbeit Hopts versteht l61 • Zwar bekennt er sich nach ausführlicher Analyse der divergierenden Lehrmeinungen 162 zur klassischen Unrechtsdoktrin mit ihrer unrechtsindizierenden Wirkung durch den tatbestandlichen Verletzungserfolg l63 • Auf der Suche nach einem Rechtfertigungsgrund für deliktsrechtlich relevante Schädigungen des Verfahrensgegners hält er jedoch eine Interessenabwägung zwischen dem Anspruch eines jeden Bürgers auf Rechtsschutz und dem Integritätsinteresse des Inanspruchgenommenen für erforderlich l64 . Im Gegensatz zu einer positiven Begründung des deliktischen Unwerturteils handele es sich bei dieser Interessenabwägung aber um eine generell-abstrakte Subsumtion, bei der allerdings auch ausnahmsweise . subjektive Elemente rechtswidrigkeitskonstituierend sein könnten l65 . Damit wird die Möglichkeit eröffnet, Haftungsdifferenzierungen schon bei der Bestimmung der Rechtswidrigkeit vorzunehmen. Anknüpfungspunkt für den mittels Interessenabwägung zu entwickelnden Rechtfertigungsgrund bildet die jedermann zustehende Befugnis, sich rechtsschutzsuchend an Gerichte und Behörden zu wenden. Sie garantiere zwar die Erlaubtheit des Verhaltens grundsätzlich nur gegenüber dem Staat, nicht aber gegenüber anderen Privatrechtssubjekten l66 . Aus diesem einseitig unbeschränkbaren, öffentlich-rechtlichen Anspruch folge jedoch, gleichsam als dessen Reflexwirkung, ein beschränkter Rechtfertigungsgrund der gerichtlichen Inanspruchnahme gegenüber dem Verfahrensgegner l67 . Eine Restriktion der Berechtigung zur Einleitung und Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens gewinnt Schultz-Süchting durch die Berücksichtigung gesetzlicher 158 159
160 161 162 163 164 165
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167
Weitnauer, AcP 170 (1970), 447 Weitnauer, JZ 1962, 491 Weitnauer, AcP 170 (1970), 442 f Schultz-Süchting, S. 7 Schultz-Süchting, S. 56-105 Schultz-Süchting, S. 103 f Schultz-Süchting, S. 113, 124 f Schultz-Süchting, S. 115 ff, 123 Schultz-Süchting, S. 109 ff Schultz-Süchting, S. 111, 124, 159 f
B. Systematische Darstellung
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Wertungen, die er den Regelungen über die prozessuale Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO), die hinreichende Erfolgsaussicht im Prozeßkostenhilfeverfahren (§ 114 ZPO), die Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) und schließlich die Strafbarkeit falscher Anschuldigungen entnimmt l68 • Als Ergebnis seiner Analyse dieser Vorschriften statuiert er eine Nachforschungs- und Vorprüfungspflicht des Verfahrensbetreibers, die sich nicht nur auf den Sachvortrag, sondern auch auf dessen rechtliche Würdigung beziehen und zugleich die Interessen des Gegners berücksichtigen soll. Nur bei Beachtung dieser Erkundigungspflichten komme der Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens rechtfertigende Wirkung zu. Im Hinblick auf die streiterledigende Funktion des Prozesses ist jedoch nach Auffassung SchultzSüchtings nur die grob-fahrlässige Verletzung von Sorgfaltspflichten bei der Ermittlung der Sach- und Rechtslage haftungsrelevant. Auch auf der Basis dieser Konzeption tritt mithin eine Haftungsprivilegierung des Verfahrensbetreibers ein, dessen Fehlverhalten unterhalb der Schwelle grober Fahrlässigkeit keine Ersatzansprüche auslöst. 6. Milderung der Sorgfaltsanforderungen
Die oben 169 beschriebenen Lösungsmodelle zur Privilegierung prozessualen Verhaltens im Hinblick auf dessen prozessuale Funktion sind deutlich von den konträren Unrechtslehren beeinflußt. Konzen 170 weist demgegenüber auf den begrenzten Stellenwert der Unrechtslehren hin, die trotz gesetzes-systematischer Konstruktionsdivergenzen sowohl beim negatorischen Rechtsschutz als auch bei der deliktischen Verschuldenshaftung zu identischen Ergebnissen führten und damit inhaltlich keine Auswirkungen auf die von ihm entwickelte Konfliktlösung zeitigen. EinbruchsteIlen zur Berücksichtigung des Institutionenschutzes im Zivilrecht und eine damit einhergehende Beschneidung der deliktsrechtlich geschützten Rechtssphäre des Verfahrensgegners sind nach Auffassung Konzens zum einen der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen einschließlich der daraus methodisch entwickelten Interessenabwägung bei den deliktischen Generalklauseln des Persönlichkeitsrechts und Gewerbebetriebs sowie zum anderen die im Rahmen der deliktischen Verschuldenshaftung zu beachtenden Sorgfaltsmaßstäbe des § 276 BGB17l. Die Abwägung der beteiligten Interessen erfolge im Bereich ehrverletzender Parteibehauptungen unter dem Aspekt der Wahrnehmung berechtigter Interessen. Die Rechtfertigungswirkung des § 193 StGB sei begrenzt durch 168 169
170 171
Schultz-Süchting, S. 125 ff § 1 B III 1-3 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 312 ff Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 310 f
4 Götz
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§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
die - für den prozessualen Raum konkretisierten - Sorgfaltsmaßstäbe des § 276 BGB. Entscheidend sei dabei die Einhaltung der von einem rechtlich denkenden und besonnenen Menschen in der konkreten Prozeßsituation zu verlangende Sorgfalt 172 • Konzen postuliert damit im Gegensatz zu dem von Weitnauer vertretenen generellen Beurteilungsmaßstab173 eine flexible, einzelfallbezogene Bewertung des prozessualen Verhaltens, für die die Kategorie der groben Fahrlässigkeit nur einen Anhaltspunkt, nicht aber ein abschließendes Haftungskriterium darstellt. Zur Konkretisierung der Sorgfalts anforderungen knüpft er an die von Hopt174 detailliert entwickelten Verhaltensnormen - ohne jedoch wie dieser einen umfassenden Katalog solcher Pflichten zu statuieren - an, schränkt dessen teilweise sehr weitgehenden Formulierungen 175 aber inhaltlich erheblich ein 176 • Zwar müsse die Prozeßpartei ein Normalmaß an Sorgfalt aufbringen, um den Wahrheitsgehalt ihres Prozeßvortrags zu prüfen. Im Regelfall sei aber von einem juristischen Laien wohl nur der Verzicht auf offensichtlich unzulässige und unbegründete Klagen zu erwarten 177 • Auch hinsichtlich der Beeinträchtigung von Rahmenrechten und Gesundheitsverletzungen durch die Prozeßführung differenziert Konzen zwischen prozessualem und außerprozessualem Verhalten. Maßstab für die Bewertung verfahrensbedingter Schädigungen ist die speziell auf den prozessualen Raum bezogene, von den Prozeßparteien einzuhaltende Sorgfalt, so daß unter Berücksichtigung prozessualer Zwecke und Funktionen der Verfahrenshandlung diese milder zu beurteilen sein kann als eine den gleichen Erfolg herbeiführende, außerprozessuale Verletzungshandlung. Die strikten außerprozessualen Sorgfaltsanforderungen des § 276 BGB sollen demgegenüber in Übereinstimmung mit Henckel178 für Schutzrechtsberühmungen im Rechtsstreit wegen ihrer vollstreckungs ähnlichen Wirkung dann Anwendung finden, wenn der vermeintliche Schutzrechtsinhaber den Weg der Unterlassungsklage wählt 179 • Der Verwarner wird damit auf die weniger schadensträchtige Feststellungsklage verwiesen, für die dann ebenfalls die auf den Prozeß zugeschnittenen Sorgfaltsanforderungen maßgebend sind. Dogmatisch in die gleiche Richtung zielt der Vorschlag Essers l80 , die von den Prozeßparteien einzuhaltenden Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die 172 173 174 175 176 177 178 179
IBO
Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 318,320 Weitnauer, AcP 170 (1970), 442; JZ 1962, 491 Hopt, Schadensersatz, S. 243 ff siehe oben § 1 B III 2a Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 318 ff Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 320 Henckel, Prozeßrecht, S. 300 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 327 Esser, ZZP 83 (1970), 350
C. Die Haftung für Schutzrechtsberühmungen
51
justizmäßigen Schutzgarantien zu privilegieren. Dabei seien nicht nur die durch das Prozeßrechtsverhältnis begründeten, sondern auch die schon vor diesem Zeitpunkt entstandenen Pflichten zwischen den Parteien einzubeziehen. Eine Konkretisierung der Sorgfaltspflichten und des Umfangs ihrer potentiellen Reduzierung im prozessualen Raum erfolgt jedoch nicht. Der Hinweis auf "die Gebote redlicher Benutzung der verfügbaren JustizbeheIte 18l " deutet darauf hin, dem Verfahrensbetreiber einen weitgehenden Handlungsspielraum einzuräumen. Esser läßt allerdings offen, ob ein Unrechtsvorwurf auch unterhalb der Schwelle mißbräuchlicher Verfahrenseinleitung erhoben werden kann.
c. Die Haftung für Schutzrechtsberühmungen Einen Sonderfall unberechtigter Leistungsbegehren stellen die wegen ihrer großen wirtschaftlichen Bedeutung in der Praxis besonders relevanten 182 Anspruchsberühmungen im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes dar 183 . Die unberechtigte Schutzrechtsberühmung, deren gerichtlicher Durchsetzung mittels Unterlassungsklage regelmäßig eine außergerichtliche Schutzrechtsverwarnung vorausgeht, ist charakterisiert durch die unzutreffende Behauptung des vermeintlichen Anspruchsinhabers, der Verwarnte, in der Regel der Inhaber eines Gewerbebetriebes, verstoße durch seine gewerbliche Tätigkeit gegen dessen gewerbliche Schutzrechte l84 • Als potentiell verletzte Schutzrechte und damit Gegenstand von Schutzrechtsberühmungen kommen dabei das Patent, Gebrauchs- und Geschmacksmuster sowie Sortenschutz-, Warenzeichen-, Ausstattungs-, Urheber- und Verlagsrechte in Betracht185 . Diese gewerblichen Schutzrechte sind in ihrer Funktion nicht beschränkt auf reine Benutzungsbefugnisse l86 . Vielmehr handelt es sich um Immaterialgüterrechte, die den Inhaber vor Nachahmung und Ausbeutung schützen und zugleich die Befugnis gewähren, Dritte von einer Benutzung auszuschließen. Die Einordnung als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB führt zu einem delikEsser, ZZP 83 (1970), 350 re Sp. Reimer, Dietrich/Ulmer, Eugen: Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedsstaaten in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Bd. I1I, 1968, Rn. 489 183 BGHZ 38, 200, 204 184 Staudinger, Julius von: Kommentar zum BGB mit EG und Nebengesetzen, 19781985, Schäfer, § 823 Rn. 165; MünchKommlMertens, § 823 Rn. 496; Ohl, Albert: Der Rechtsschutz gegenüber unberechtigter Geltendmachung gewerblicher Schutzrechte, in: GRUR 1966, 172; siehe auch Eingangsbeispiel5 185 Buchner, Herbert: Die Bedeutung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb für den deliktsrechtlichen Unternehmensschutz, 1971, S. 183; Ohl, GRUR 1966, 172; Horn, Wieland: Die unberechtigte Verwarnung aus gewerblichen Schutzrechten, Diss. 1971, passim; ReimerfUlmer, Rn. 491 186 Lindacher, Walter: Die Haftung wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung oder Schutzrechtsklage, in: ZHR 144 (1980), 350 181
182
4*
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§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
tischen Schutz, der bei drohenden Verletzungen Unterlassungs- und bei eingetretenen Verletzungen Schadensersatzansprüche begründet. Besteht das zum Gegenstand einer vorbeugenden Unterlassungsklage gemachte gewerbliche Schutzrecht hingegen nicht, entsteht auch hier - wie bei jeder anderen ungerechtfertigten Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens - der oben 187 beschriebene Konflikt zwischen der prozessualen Handlungsfreiheit des vermeintlichen Schutzrechtsinhabers und dem Integritätsinteresse des potentiellen Verletzers. Dieses Spannungsverhältnis wird jedoch durch eine Reihe von Besonderheiten im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes verstärkt und hebt daher die Fallgruppe unberechtigter Leistungsbegehren von sonstigen Rechtsverletzungen durch Verfahren ab. Dies manifestiert sich zunächst einmal in der besonderen Unsicherheit über die Rechtsbeständigkeit eines Schutzrechts l88 . Dabei ist das Risiko des Schutzrechtsinhabers nicht nur auf den Umfang seines Schutzrechts beschränkt, der häufig von subjektiven Bewertungsmaßstäben eines Prüfers oder Verletzungsrichters bestimmt wird l88 . Durch zuvor unbekannte Neuveröffentlichungen kann das Schutzrecht selbst während des Unterlassungs- oder Schadensersatzprozesses wegfallen. Bei einem Patent geschieht dies im Wege der Nichtigkeitsklage (§ 81 PatG) ebenso wie bei einem Gebrauchsmuster mit rückwirkender Kraft 189. Daneben greift eine SchutzrechtsbeTÜhmung in besonders intensiver Weise in den Rechtskreis des Betroffenen ein. Leistet der angebliche Verletzer nämlich einem Unterlassungsgebot nicht Folge, läuft er Gefahr, erheblichen SchadensersatzanspTÜchen ausgesetzt zu sein, deren Umfang sich aus der gewohnheitsrechtlich anerkannten Wahltrias - tatsächlicher Schaden, fiktive Lizenzgebühr, entgangener Gewinn - berechnet l90 • Der in Anspruch Genommene wird dabei möglicherweise geneigt sein, die Produktion bis zum Ende des Unterlassungsprozesses einzustellen, was als vorweggenommene Rechtsdurchsetzung bezeichnet 191 und mit der Vollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Titel verglichen 192 wird, oder zumindest unter Aufwendung erheblicher Mühen und Kosten Bestand und Umfang des Schutzrechts prüfen lassen. Schließlich sind im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes über die Beziehungen zweier Privatrechtssubjekte hinaus öffentliche Interessen in viel stärkerem Maße berührt, als dies bei zivilrechtlichen Auseinandersetzungen sonst der Fall ist. Dies folgt aus dem unmittelbaren Wettbewerbsbezug 187 188
189 190
191 192
§ 1 A 11 Blaurock, Uwe: Die Schutzrechtsverwamung, Diss. 1970, S. 2 siehe Eingangsbeispiel 5 BGHZ 38, 200, 205; 57,116,118; DB 1980,2505 Henckel, Prozeßrecht, S. 300 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 327
C. Die Haftung für Schutzrechtsberühmungen
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technischer Schutzrechte, deren unberechtigte Geltendmachung zwar Wettbewerb behindern kann, zum anderen aber in ihrer Qualität als Ausschlußrechte zu Innovation und Invention 193 ermutigen. Der Streit um gewerbliche Schutzrechte tangiert daher zugleich den Wettbewerb als Institution, dessen Schutz - auch durch privatrechtliehe Mittel, wie aus § 13 UWG ersichtlich - sozial erwünscht ist 194 und mithin im öffentlichen Interesse liegt. Es ist daher nicht verwunderlich, daß sowohl die Rechtsprechung als auch Teile der Literatur trotz der grundsätzlichen Vergleichbarkeit mit sonstigen prozeßbedingten Schädigungen für die Fallgruppe der unberechtigten Schutzrechtsberühmung nach differenzierten Lösungsmodellen suchen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob allein die besondere Schadensträchtigkeit und Intensität der Schutzrechtsberühmung eine gesonderte Betrachtungsweise bedingt. Bevor hierauf jedoch näher eingegangen wird, soll zunächst ein Überblick über den Meinungsstand die unterschiedlichen Ansatzpunkte verdeutlichen. I. Rechtsprechung 1. DarsteUung der Entscheidungsreihe
Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH stellt die Beeinträchtigung der gewerblichen Tätigkeit anderer durch die unrichtige Behauptung eines gewerblichen Schutzrechts - sofern dies durch ein ernsthaftes und endgültiges Unterlassungsbegehren erfolgt - einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar195 • Diese, § 823 Abs. 1 BGB als zentrale Anspruchsnorm heranziehende Judikatur des BGH kann sich, im Gegensatz zu der raren Kasuistik des Reichsgerichts in Fällen sonstiger unberechtigter Leistungsbegehren l96 , auf eine tradierte und umfangreiche reichsgerichtliehe Rechtsprechung stützen. a) Die Rechtsprechung des Reichsgerichts
Schon vor Inkrafttreten des BGB gewährte das Reichsgericht in einer Reihe von Entscheidungen Rechtsschutz gegenüber der ungerechtfertigten Berühmung von gewerblichen Schutzrechtenl97 . Argumentativ wurde der dem zu Lindacher, ZHR 144 (1980), 358 Ahrens, Hans-Jürgen: Zum Ersatz der Verteidigungsaufwendungen bei ungerechtfertigter Abmahnung, in: NJW 1982, 2479 195 BGHZ 1,194; 2, 387, 393; GRUR 1955,150; BGHZ 38,200,204; JZ 1974, 617, 618 = BGHZ 62, 29; NJW 1976, 2162; 1979, 916 196 siehe oben § 1 B I 1 a aa 197 RGZ 8, 16 betreffend den Sonderfall einer Strafanzeige auf Grund des Musterschutzgesetzes wegen der vermeintlichen Verletzung eines eingetragenen Musters; RGZ 22,93; 45, 59; Bolze 8, NT. 147; 9, NT. 110; 11, Nr. 112; JW 1894, 520; 1899,749 193 194
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§ I Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
Unrecht Verwarnten zugebilligte negatorische Rechtsschutz auf ein aus § 1 GewO folgendes "Recht auf freie gewerbliche Betätigung" gegründet 198 . Dieser Gedanke wurde jedoch nach Inkrafttreten des BGB im Jahre 1900 aufgegeben. Statt dessen wurde versucht, den Schutz des Unternehmers durch §§ 823 Abs. 2, 824 und 826 BGB sowie über die Vorschriften des UWG vom 27. 5. 1896 zu statuieren l99 . Die Lückenhaftigkeit der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften sowie das Fehlen einer deliktischen Generalklausel führten jedoch insbesondere in Fällen fahrlässig unberechtigter Schutzrechtsberühmungen zu einem Schutzdefizit des Gewerbetreibenden. In der grundlegenden, für die gesamte nachfolgende Rechtsprechung richtungsweisenden "Juteplüsch"- Entscheidung vom 27. 2. 1904200 sah das Reichsgericht daher in einer auf der Grundlage eines nicht schutzfähigen Gebrauchsmusters verlangten Fabrikationseinstellung eine zum Schadensersatz verpflichtende Rechtsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB: "Dadurch, daß es sich bei dem bestehenden selbständigen Gewerbebetrieb nicht bloß um die freie Willensbetätigung des Gewerbetreibenden handelt, sondern dieser Wille darin bereits seine gegenständliche Verkörperung gefunden hat, ist die feste Grundlage für die Annahme eines subjektiven Rechts an diesem Betriebe gegeben. Störungen und Beeinträchtigungen, welche sich unmittelbar gegen den Gewerbebetrieb richten, dürfen deshalb als eine unter § 823 Abs. 1 fallende Rechtsverletzung angesehen werden201 ." Damit wurde die unberechtigte Anmaßung gewerblicher Ausschlußrechte gleichsam zum "Urfall202 " der Entwicklung des deliktisch geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, dessen Einordnung als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB trotz gewisser Modifikationen von der Judikatur bis heute nicht angezweifelt wird203 . Auch nach Inkrafttreten des UWG vom 7. 6. 1909 qualifizierte die reichsgerichtliehe Judikatur die Fälle unberechtigter Schutzrechtsberühmungen als deliktischen Eingriff in den Gewerbebetrieb 204 • Dabei wurde das deliktische Unwerturteil allein an das Nichtbestehen des behaupteten Schutzrechts RGZ 45,59,62 v. Caemmerer, Wandlungen, S. 83 f; Buchner, S. 184 200 RGZ 58, 24 201 RGZ 58,24,29,30 202 Ausdruck von v. Caemmerer, Wandlungen, S. 85 203 BGHZ 3, 270, 278 ff; 8, 142, 144; 24, 200, 205; 29, 65, 67; 38, 200, 202; 45, 296, 306; 62,29; 65, 325, 328; 69, 128, 138; BB 1983,464; NJW 1984, 1956; siehe zur Entwicklung auch v. Caemmerer, Wandlungen, 83 ff; Fikentscher, Wolfgang: Das Recht am Gewerbebetrieb (Unternehmen) als "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, eine kritische Übersicht, in: Das Unternehmen in der Rechtsordnung, Festgabe für Heinrich Kronstein, 1967, S. 261 204 JW 1905,174, Nr. 15; 1905, 430; 1915,327, Nr. 4; 1917,712; RGZ 94,271; 141, 336; GRUR 1939, 787, 789; 1942,54 198 199
c. Die Haftung für Schutzrechtsberühmungen
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geknüpft, ohne subjektive Gesichtspunkte - etwa die Gutgläubigkeit des vermeintlichen Schutzrechtsinhabers - zu berücksichtigen. Ein dahingehendes Urteil des 2. Zivilsenats205 , der auf Grund der sorgfältigen Prüfung der Rechtslage vor Ausspruch der Patentwarnung die Rechtswidrigkeit des Eingriffs verneinte, ist vereinzelt geblieben und hat in einer späteren Entscheidung des 1. Zivilsenats ausdrücklich Widerspruch gefunden206 . b) Die Rechtsprechung des BGH
Trotz des verstärkten Bemühens um eine Restriktion des generalklauselartigen Rechts am Gewerbebetrieb durch die Kriterien der "Unmittelbarkeit"207 und "Betriebsbezogenheit208" sowie der akzentuierten Subsidiarität des Tatbestandes209 hält auch der BGH an der reichsgerichtlichen Rubrizierung der unberechtigten Schutzrechtsberühmung ausdrücklich fest. Dies geschah zunächst ohne eigene argumentative Begründung allein unter Verweisung auf die einheitliche Judikatur des Reichsgerichts. Erst in den Entscheidungen vom 5. 11. 1962 - "Kindernähmaschinen21O" - und vom 11. 12. 1973 - "Maschenfester Strumpf2 11 " - setzt sich der BGH ausführlich mit der Frage der Anwendbarkeit des § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auf die Fälle unberechtigter Schutzrechtsberühmungen auseinander. Dabei kommt er zum Ergebnis, daß der Gewerbetreibende weder durch § 826 BGB noch durch die wettbewerblichen Vorschriften des UWG hinreichend geschützt und daher im Wege der Lückenausfüllung und Rechtsfortentwicklung die Heranziehung des § 823 Abs. 1 BGB geboten sei212 • Schließlich folgt der BGH auch dem vom Reichsgericht vorgezeichneten Automatismus, nach dem das deliktische Unwerturteil allein auf der Grundlage der objektiven Rechtslage zu fällen sei213 • Besteht das vermeintliche Schutzrecht nicht oder nicht in dem behaupteten Umfang, ergibt sich daraus nach Auffassung des BGH per se die Rechtswidrigkeit des Eingriffs. Während ursprünglich bei der Bestimmung der Rechtswidrigkeit nicht zwischen außergerichtlicher Schutzrechtsverwarnung und gerichtlichem UnterRG MuW 1930, 441, 443 RGZ 141, 336, 339 2m BGHZ 29, 65, 69 208 BGHZ 29,65,74; 55, 153, 161; 69, 128, 130; NJW 1974, 1503, 1505 209 BGHZ 38,200,204; 65, 325, 328; 69,128,138; NJW 1980, 881, 882; GRUR 1983, 467,468; BB 1983,464 210 BGHZ 38, 200 211 BGHZ 62, 29 = JZ 1974, 617 212 BGHZ 38, 200, 205; 62, 29 213 BGHZ 38, 200, 206; 62, 29, 36 205
206
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§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
lassungsbegehren differenziert wurde214 , stellte der BGH in der Kindernähmaschinenentscheidung215 erstmals explizit die außerhalb des Rechtsstreits erklärte Verwarnung der auf ein vermeintliches Schutzrecht gestützten Klage gleich. Eine Privilegierung der mittels Klage erfolgenden Schutzrechtsberühmung verbiete sich im Hinblick auf die klärende und streitvermeidende Funktion der außerprozessualen Verwarnung216 • Mit der Verknüpfung von Rechtswidrigkeit und Nichtbestand des geltend gemachten Schutzrechts ging zugleich eine strenge Verschuldenshaftung einher, die zu einer nahezu lückenlosen Haftung des Verwarners führte 217 und einer Gefährdungshaftung gleichkam218 • Nachdem der BGH noch in der Kindernähmaschinenentscheidung219 trotz einer sorgfältigen Prüfung der Rechtslage durch einen fachkundigen Patentanwalt und einer vorgängigen positiven Entscheidung des Patentamtes ein Verschulden für gegeben erachtete220 , kehrte er in einer späteren Entscheidung221 zu einem wesentlich abgemilderten, auf das Reichsgericht zurückgehenden Verschuldensmaßstab zurück. Danach trifft den Verwarner dann kein Verschulden, wenn er sich bei seinem Vorgehen von vernünftigen und billigen Überlegungen habe leiten lassen und er die Sach- und Rechtslage gewissenhaft geprüft habe222 • Mögliche Zweifel an der Berechtigung seien nur dann haftungsrelevant, wenn sie auf Grund eines konkreten Beziehungspunktes vom Verwarner hätten beachtet werden müssen223 . 2. Diskrepanz zur Rechtsprechung bei sonstigen unberechtigten Leistungsbegehren
Bei einer vergleichenden Analyse der Judikatur zu verfahrensdeterminierten Rechtsverletzungen im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes224 einerseits und durch sonstige Verfahrenshandlungen225 andererseits fallen zunächst zwei Gesichtspunkte besonders ins Auge. Buchner, S. 187 f BGHZ 38, 200, 206 f 216 BGHZ 38, 200, 207 217 OhI, GRUR 1966,179 218 Hopt, Schadensersatz, S. 240 f; Filseck, Moser, von: Anmerkung zu BGH GRUR 1963, 255, in: GRUR 1963, 201; Horn, Wieland: Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur unberechtigten Verwarnung, in: GRUR 1971, 448; ders.: Unberechtigte Verwarnung, 124 ff 219 BGHZ 38, 200 220 BGH NJW 1963, 531, 534, insoweit nicht in der amtlichen Sammlung abgedruckt 221 BGHZ 62, 29 222 BGH JZ 1974, 617, 618 a.E. = BGHZ 62, 29, 36, 37 223 BGHZ 62,29,36,37; NJW 1976, 2162; 1979,916 224 siehe Eingangsbeispiel 5 225 siehe Eingangsbeispiele 1-4,6 214
215
C. Die Haftung für Schutzrechtsberühmungen
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a) Die unberechtigte Schutzrechtsberühmung als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
Bei der Konkurrentenklage auf Grund eines behaupteten gewerblichen Ausschlußrechts findet sich durch Rekurrierung auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB stets ein deliktsrechtlich relevanter Tatbestand - Häsemeyer bezeichnet dies - allerdings im Hinblick auf die 80-jährige Tradition der Rechtsprechung wohl zu Unrecht - als "ad-hoc-Erfindung eines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 226 ". Diese Einordnung ermöglicht gerade für die durch Schutzrechtsberühmungen typischerweise eintretenden Vermögensschäden - zu denken ist hier in erster Linie an Produktionseinstellungen oder besondere Aufwendungen zur Prüfung des behaupteten Schutzrechts als Folge eines Unterlassungsbegehrens - eine haftungsrechtliche Anknüpfung, die bei der Beteiligung von Nicht-Gewerbetreibenden227 mangels Rechtsgutsverletzung stets auszuscheiden hat. Darüber hinaus lehnt der BGH interessanterweise außerhalb der Fallgruppe unberechtigter Schutzrechtsberühmungen einen Eingriff in das Recht am Unternehmen wegen fehlender Betriebsbezogenheit ab, wenn der Gewerbebetrieb durch sonstige Verfahrenshandlungen - beispielsweise Vollstreckungsmaßnahmen - beeinträchtigt wird228 • b) Differenzierte dogmatische Einordnung
Zum anderen ist neben diesen tatbestandlichen Besonderheiten229 , die, soweit man ein deliktisch geschütztes "Recht am Unternehmen" überhaupt anerkennt, vom deliktischen Enumerationsprinzip vorgegeben sind, die divergente dogmatische Einordnung von Schutzrechtsberühmung und sonstigen Leistungsbegehren auffallend. Während der BGH bei diesen Fahrlässigkeitskriterien schon im Bereich des deliktischen Unwerturteils berücksichtigt und eine Haftungsfreistellung jedenfalls für fahrlässiges Fehlverhalten postuliert230 , folgert er bei jenen allein aus der objektiven Rechtslage auf die Rechtswidrigkeit des Eingriffs. Durch die Gleichstellung von prozessualem und außerprozessualem Unterlassungsbegehren findet eine Zäsur durch die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens und damit eine deliktsrechtliche Privilegierung der Verfahrenshandlung im Blick auf ihre prozessuale Funktion nicht statt. Die in der Konkursantragsentscheidung 231 und im Bürovorsteher226 227 228
229 230 231
Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 12 siehe Eingangsbeispiele 2 und 3 BGH LM Nr. 4 zu § 823 (Da); BGHZ 74,9, 18 siehe dazu auch Buchner, S. 188 f siehe oben § 1 B IV 1 BGHZ 36, 18
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§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
urtei[l32 bemühte Sorge um eine Verkümmerung des Rechtsschutzes bleibt hier gänzlich unberücksichtigt, wenngleich die Reduktion der vormals strikten Verschuldensanforderungen durch die neuere Judikatur des BGH233 zugleich zu einer Abmilderung der schroffen Gegensätzlichkeit beider Fallgruppen geführt hat. Dennoch verbleibt es dabei, daß dem potentiellen Schutzrechtsinhaber eine Pflicht zur Prüfung des geltend gemachten Rechts auferlegt wird, von der ein Vollstreckungsgläubiger oder Zivilkläger in vergleichbarer Situation durch das ihm konzedierte "Recht auf Irrtum 234" gerade befreit ist. Hinzu kommt, daß das Dogma von der "per se-Rechtswidrigkeit" der Schutzrechtsberühmung die Folgewirkung negatorischer Ansprüche nach § 823 Abs.1, 1004 BGB auch bei sorgfaltsgemäßem Verhalten des potentiellen Schutzrechtsinhabers zeitigt, während eine Differenzierung bei der Statuierung des deliktischen Unwerturteils negatorischen Rechtsschutz gegen die Verfahrenshandlung nur ausnahmsweise zuläßt.
c) Kritische Analyse der Judikatur des BGH
Diese Diskrepanz in der Judikatur des BGH wird ebenso von den Autoren, die sich vornehmlich mit der haftungsrechtlichen und weubewerbsspezifischen Problematik der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung befassen, beanstandet235 , wie von denjenigen, die allgemein die deliktsrechtliche Relevanz prozessualen Verhaltens untersuchen236 • Die Ausdehnung der traditionell strengen Haftung für außerprozessuale Schutzrechtsverwarnungen auf die Unterlassungsklage ohne die in sonstigen Fällen übliche deliktsrechtliche Privilegierung des Parteiprozeßverhaltens begründet der BGH mit der dort bestehenden besonderen Interessenlage237 . Dazu weist er auf die strenge Verschuldenshaftung des in Anspruch Genommenen hin, falls dieser die Produktion trotz Bestehens des behaupteten Schutzrechts fortsetzt: 232 BGHZ 74, 9
BGHZ 62, 29, 36 f; NJW 1976, 2162; NJW 1979, 916 BGHZ 74,9; NJW 1985, 1961 235 Baumbach, AdolflHefermehl, Wolfgang: Wettbewerbsrecht, 1981, Allg. Rn. 136; Blaurock, Uwe, Anmerkung zu BGH JZ 1974, 617, in: JZ 1974, 620; Blaurock, (I), S. 60 f; Horn, Unberechtigte Verwarnung, S. 87 ff; ders.; Anmerkung zu BGH GRUR 1976, 715, in: GRUR 1976, 781; Rogge, Dirk: Zur rechtlichen Bewertung der unberechtigten Verwarnung, in: WRP 1965, 7; Sack, Rolf: Die Haftung für unbegründete Schutzrechtsverwarnungen, in: WRP 1976, 733; ReimerlUlmer Rn. 489 ff 236 Baur, JZ 1962, 94; Fenn, ZHR 132 (1969), 444 f; Hopt, Schadensersatz, S. 241; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 91 ff; Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Reihe Alternativkommentare, Herausgeber Wassermann, Rudolf, Band 3, 1979, § 823 Rn. 42; Schnug, Rüdiger: Das Recht am Gewerbebetrieb - eine notwendige Rechtsfigur?, in: JA 1985, 619; SoergeVZeuner, § 823 Rn. 102; Zeiss, NJW 1967, 703, 705, Fn.33 237 BGHZ 38, 200, 208 233
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c. Die Haftung für Schutzrechtsberühmungen
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"Namentlich diese letztgenannte, gewohnheitsrechtlich begründete Schadensberechnung stellt den Verwarnten in diesen Fällen in ganz anderer Weise als sonst einen zu Unrecht als Schuldner in Anspruch Genommenen vor die Frage, ob er dem Unterlassungsbegehren Folge leisten soll; sie nötigt ihn zu einem weitreichenden, unmittelbar die Fortsetzung des Betriebs im Ganzen oder auf einem Teilgebiet betreffenden Entschluß.238" Leuchtet die identische Bewertung von Verwarnung und Klage sowohl unter prozeßökonomischen Gesichtspunkten als auch unter Berücksichtigung der Interessenlage ein, trägt die Akzentuierung der besonderen Zwangslage des Verwarnten keine gesonderte Beurteilung der unberechtigten Schutzrechtsberühmung. Auch die Qualifizierung als vorweggenommene Rechtsdurchsetzung239 , die das Unterlassungsbegehren als vollstreckungs ähnlichen Eingriff erscheinen läßt, rechtfertigt nicht die fehlende Berücksichtigung des Rechtsdurchsetzungs- und Klärungsinteresses des potentiellen Schutzrechtsinhabers. Die Androhung und nachfolgende Stellung eines Konkursantrags übt ebenfalls erheblichen Zwang auf die Willens- und Entschließungsfreiheit eines Schuldners aus und kann, nicht nur beschränkt auf einen Produktionszweig, erhebliche, möglicherweise existenzbedrohende Auswirkungen auf dessen Betrieb haben. Diese Auswirkungen sind weder prognostizier- oder kalkulierbar noch von einer eigenen Entscheidung des in Anspruch Genommenen zu beeinflussen. Demgegenüber beruht die Produktionseinstellung eines vermeintlichen Verletzers zum einen immerhin auf seiner eigenen unternehmerischen Entscheidung, zum anderen kann er die Höhe möglicher Schadensersatzansprüche übersehen und diesen durch steuerliche Rückstellungen begegnen240 . Noch deutlicher ist die Situation des im Offenbarungsverfahren verhafteten Schuldners, der auf Grund des Verlustes seiner persönlichen Freiheit sein Unternehmen nicht mehr weiterbetreiben kann. Neben dieser durchaus vergleichbaren Schadensträchtigkeit von Schutzrechtsberühmung und sonstigen prozessualen Maßnahmen können spezifisch wettbewerbliche Gesichtspunkte für eine Berücksichtigung der Rechtsdurchsetzungsinteressen des vermeintlichen Schutzrechtsinhabers sprechen, auf die Lindacher241 nachdrücklich hinweist. Der Streit um Bestand und Umfang eines Schutzrechts berührt nämlich nicht nur unternehmerische Interessen der Beteiligten, sondern zugleich auch die Funktionsfähigkeit der Institution des Wettbewerbs selbst und damit öffentliche Interessen. Gerade die Besonderheit gewerblicher Schutzrechte, Konkurrenten von der Nutzung solcher BGHZ 38, 200, 205 Henckel, Prozeßrecht, S. 300 240 Horn, Unberechtigte Verwarnung, S. 157; ders.: GRUR 1971, 442, 445; Blaurock, JZ 1974,620,621; Sack, WRP 1976, 737; differenzierend Fischer, Friedrich- Wilhelm: Abnehmer-Verwarnung aus Patenten und Gebrauchsmustern (I), in: DB 1976, 85,86 241 Lindacher, ZHR 144 (1980), 357 ff 238 239
§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
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Rechte ausschließen zu können, bildet Grundlage und Ansporn zu Investitionen, wirtschaftlicher Entwicklung und Qualitätswettbewerb. Eine strenge Haftung des vermeintlichen Schutzrechtsinhabers, die allein die objektive Rechtslage beachtet und eine gerichtliche Überprüfung des Schutzrechts erschwert, kann zu einer erheblichen Entwertung des Ausschlußrechts und einer Abschwächung des marktwirtschaftlich erwünschten Wettbewerbs führen. Diese Wertungsgesichtspunkte rechtfertigten eine haftungsrechtliche Privilegierung des Verwarners in gleicher Weise wie für sonstiges Parteiprozeßverhalten und ließe sich dann auf die außerprozessuale Schutzrechtsverwarnung ausdehnen. Die wenig überzeugende inhaltliche Begründung des BGH für eine divergente Beurteilung der beiden Fallgruppen wird durch dogmatische Zweifel verstärkt. Das alleinige Abstellen auf die objektive Rechtslage steht im schroffen Gegensatz zu der bei den deliktischen Generalklauseln im Rahmen der Rechtswidrigkeit stets erfolgenden umfassenden Güter- und Interessenabwägung. Eine Begründung für die Abweichung von dieser Systematik bei unberechtigten Schutzrechtsberühmungen, die regelmäßig an den Tatbestand des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs geknüpft werden, ist der BGH bisher schuldig geblieben. Die Intention geht wohl dahin, dem Verwarnten im Wege der Unterlassungsklage durchsetzbare negatorische Ansprüche aus § 1004 BGB an die Hand zu geben und ihn nicht auf die weniger effektive negative Feststellungsklage zu verweisen242 • Diese pragmatischen Gesichtspunkte 243 bedürften allerdings auch einer methodischen Absicherung.
11. Die Stellungnahme der Literatur 1. Kritik an der Verknüpfung von Rechtswidrigkeit und Nichtbestehen des Schutzrechts
Hauptsächlicher Gegenstand der Kritik ist der Ansatzpunkt der Rechtsprechung, die Schutzrechtsberühmung sei ohne Hinzutreten besonderer Umstände immer schon dann rechtswidrig, wenn das geltend gemachte Schutzrecht nicht oder nicht in dem behaupteten Umfang bestehe. Dabei sind die Bedenken nicht allein rechtstheoretischer Natur, sondern richten sich auch gegen die vom BGH zur Begründung herangezogenen Wertungsgesichtspunkte. In methodischer Hinsicht wird zunächst auf das oben schon angedeutete Fehlen einer positiven Rechtswidrigkeitsprüfung und die daraus folgende Diskrepanz zu der bei Unternehmensverletzungen sonst im Rahmen des deliktischen Unwerturteils vorzunehmenden Interessenabwägung hingewiesen 244 • 242 243
244
Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 309 BGHZ 38, 200, 206 Horn, GRUR 1974, 236; Sack, WRP 1976, 736; ReimerlUlmer, Rn. 494
c. Die Haftung für Schutzrechtsberühmungen
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Sack 245 sieht darüber hinaus in der Judikatur zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung einen Widerspruch zu der schon erwähnten Entscheidung des Großen Zivilsenats des BGH vom 4. März 1957246 , wonach "bei verkehrsrichtigem (ordnungsgemäßem) Verhalten eines Teilnehmers am Straßen- oder Eisenbahnverkehr eine rechtswidrige Schädigung nicht vorliegt". Die nach Ansicht Sacks in dieser Entscheidung verallgemeinernd postulierte Berücksichtigung der Sorgfaltsmaßstäbe des § 276 BGB bei der Begründung des deliktischen Unwerturteils sei auf das Gebiet der unberechtigten Schutzrechtsberühmung zu übertragen. Diese Betrachtungsweise - von Sack auch lediglich als "zusätzliches Argument" herangezogen - ist allerdings in mehrfacher Hinsicht nicht stichhaltig. Zum einen hat die spätere Rechtsprechung die Grundsätze der Entscheidung zum verkehrsrichtigen Verhalten stillschweigend aufgegeben 247 und ausdrücklich an einer erfolgsbezogenen Unrechtsauffassung festgehalten 248 • Zum anderen lassen sich die speziell zum Verhältnis von Straßenverkehrsrecht und Deliktsrecht angestellten Erwägungen nicht ohne weiteres verallgemeinern, da der BGH hier offensichtlich den abschließend positivierten Pflichtmaßstäben der Straßenverkehrsordnung Rechnung getragen hat249 •
Über diese, die Kontroverse um das deliktische Unwerturteil tangierenden Ansatzpunkte hinaus kritisiert Horn 250 das Dogma von der per se-Rechtswidrigkeit unberechtigter Schutzrechtsberühmungen unter rechtssystematischen Gesichtspunkten. Ausgehend von der Prämisse, die Schutzrechtsberühmung stelle als bloßes Leistungsbegehren lediglich einen Eingriff in die Willens- und Entschließungsfreiheit des Verwarnten dar, hält er eine Verwerflichkeitsprüfung analog den Vorschriften der §§ 123 BGB, 240 Abs. 2, 253 Abs. 2,263 StGB zur Statuierung der Rechtswidrigkeit für erforderlich 251 • Horn rekurriert damit auf den Gedanken von der Einheit der Rechtsordnung252 , indem er Rechtswidrigkeitskriterien aus anderen Teilbereichen auf das deliktische Unwerturteil überträgt und insoweit eine Gesamtabwägung der beteiligten Interessen ermöglicht. Sack, WRP 1976, 739 BGHZ 24, 21 247 MünchKommlHanau, § 276 Rn. 26, 35 Fn. 49 248 BGHZ 74,9, 14 249 Deutsch, (I), S. 284 ff; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 282 ff; ders.: Privatrechtssystem und Betriebsverfassung, in: ZfA 1985,495 250 Horn, Unberechtigte Verwarnung, S. 102 ff; ders., GRUR 1974, 235 ff 25\ Horn, Unberechtigte Verwarnung, S. 102; ders., GRUR 1974, 236; ähnliche Gedanken klingen auch bei Dyckerhoff, Robert: Ist die unberechtigte Aufforderung zur Unterlassung einer Warenzeichen- oder Patentverletzung ein schadensersatzpflichtiger Eingriff in den Gewerbebetrieb, in: WuW 1957, 628, an, der die Schutzrechtsverwarnung mangels Täuschung oder unzulässiger Drohung nicht als Eingriff in den Gewerbebetrieb bewertet 252 dazu instruktiv Canaris, Claus-Wilhelm: Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 11 ff, 46 ff 245
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§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
Die von der Rechtsprechung zur Abweichung von sonstigen Rechtsberühmungen und Leistungsbegehren herangezogene Interessenbewertung und Risikoverteilung findet weitgehende Ablehnung253 • Eine allein auf die objektive Rechtslage abstellende, generalisierende Betrachtungsweise verlagere das Risiko einer Fehlbeurteilung der Sach- und Rechtslage einseitig auf den vermeintlichen Schutzrechtsinhaber. Damit werde nicht nur die Funktion und der Zweck von Rechtsverfolgungsmaßnahmen schlechthin vernachlässigt254 , sondern auch die "besondere Zwangslage" des aus einem Schutzrecht in Anspruch Genommenen überbetont255 • In diesem Zusammenhang wird auf die vergleichbare Schadensgeneigtheit anderer prozessualer Maßnahmen, die Kalkulierbarkeit des möglicherweise eintretenden Schadens sowie auf das technischen Schutzrechten immanente und beide Parteien gleichermaßen treffende - Prognoserisiko hingewiesen. Zu bevorzugen sei daher eine individualisierende Betrachtungsweise, die die Rechtsverfolgungsinteressen des potentiellen Schutzrechtsinhabers durch eine Abwägung der antinomischen Interessen bei der Begründung der Rechtswidrigkeit berücksichtigt. Diese führt dann zu dem vom BGH nicht gewünschten Ergebnis, daß negatorische Ansprüche des zu Unrecht Verwarnten ausscheiden, falls die gebotene Sorgfalt bei der Überprüfung der Schutzrechtslage beachtet wurde. Dem Betroffenen verbleibt als prozessuales Abwehrmittel allein die negative Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO. 2. Wettbewerbsrechtliche Lqsungen
Nicht erst bei der Frage der Rechtswidrigkeit, sondern schon bei der Anwendbarkeit des Deliktsrechts unter Heranziehung der Figur des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes setzen diejenigen Autoren an, die für eine spezifisch wettbewerbsrechtliche Kategorisierung der unberechtigten Schutzrechtsberühmung plädieren256 . 253 BaumbachIHefermehl, Allg. Rn. 136; § 14 Rn. 8; Blaurock, JZ 1974, 620; Moser v. Filseck, GRUR 1963, 260; Sack, WRP 1976, 737; SoergeUZeuner, § 823 Rn. 103 ff; Staudinger/Schäfer, § 823 Rn. 174; ReimerlUlmer, Rn. 494; Zeuner, Albrecht: Gedanken zur Unterlassungs- und Feststellungsklage, in: Vom deutschen Recht zum Europäischen Recht, Bd. I, Festschrift für Hans Dölle, 1963, S. 323 f; a.A. Bruchhausen, Anmerkung zu BGHZ 62,29, in: LM Nr. 8 zu § 823 (Ag); Henckel, Prozeßrecht, S. 299 f; MünchKommlMertens, § 823 Rn. 500; Ohl, GRUR 1966, 175; LErg. auch Buchner, S. 191 254 Zeuner, (I), S. 323; ReimerlUlmer, Rn 494; Blaurock, JZ 1974, 620 255 Buchner, S. 191; Horn, Unberechtigte Verwarnung, 157; ders., GRUR 1971, 444; Sack, WRP 1976, 737; Tilmann, Winfried: Das Haftungsrisiko der Verbraucherverbände, in: NJW 1975, 1914 Fn. 11,1917; Moser v. Filseck, GRUR 1963, 260, qualifiziert die Gefahr, Ansprüchen Dritter ausgesetzt zu sein, gar als normales Unternehmerrisiko 256 BaumbachlHefermehl, § 14, Rn. 8; Blaurock, (I), S. 70 ff; ders., JZ 1974, 620; Emmerich, Volker: BGB Schuldrecht, Besonderer Teil, 1985, S. 209 f; Hermann,
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Anknüpfungspunkt für eine, die Vorschriften des Wettbewerbsrechts heranziehende Haftungsregelung ist die allgemein anerkannte Subsidiarität des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 257 . Die von der ludikatur258 zur Begründung heraufbeschworene Lückenhaftigkeit des Rechtsschutzes gegenüber unberechtigten Schutzrechtsberühmungen, die eine Anwendung des § 823 Abs.l BGB im Wege der Rechtsfortbildung gebiete, wird unter Hinweis auf das vorrangige Wettbewerbsrecht negiert. Als Haftungsgrundlage komme ausschließlich § 1 UWG in Betracht. Die Problematik dieser Lösungskonzeption liegt weniger in der Qualifizierung der Schutzrechtsberühmung als Wettbewerbshandlung als vielmehr in der Begründung des subjektiven Tatbestandes des § 1 UWG. Soweit nämlich nur das Hinzutreten besonderer, gegen das Anstandsgefühl eines verständigen Gewerbetreibenden verstoßender Umstände die Sittenwidrigkeit eines objektiv unberechtigten Unterlassungsbegehrens im Sinne von § 1 UWG statuiert259 , stellt sich in der Tat die Frage nach einem erweiterten Schutz des zu Unrecht Verwarnten über die deliktische Generalklausel. Diesem, eine restriktive Auslegung der Gute-Sitten-Klausel des § 1 UWG bedingenden Ansatzpunkt begegnen die Verfechter eines wettbewerbsspezifischen Lösungsmodells durch ein objektives Verständnis der Sittenwidrigkeit, das die positive Kenntnis aller Tatumstände nicht für tatbestandskonstituierend hält260 . Dies wird unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der wettbewerblichen Generalklausel261 und mit einer funktionellen Betrachtungsweise des Sittenwidrigkeitsverdikts, welches richterliche Normbildung durch Interessenbewertung ermöglichen so1l262, begründet. Ohne auf diese Kontroverse einzugehen, kommt Horn 263 über die Verletzung von Verhaltensnormen ebenfalls Harald: Interessenverbände und Wettbewerbsrecht, 1984, S. 176 ff; Horn, Unberechtigte Verwarnung, S. 188 ff; Kunze, Gerd: Zum Rechtsschutz gegen ungerechtfertigte Schutzrechtsverwarnungen, in: WRP 1965, 8; Lindacher, ZHR 144 (1980), 355 ff; Rogge, WRP 1965, 44; Schnug, JA 1985, 619; kritisch auch Wiethölter, Rudolf: Zur politischen Funktion des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, in: KritJ 1970, 125, der eine funktionale und inhaltliche Ausgliederung wirtschaftsrechtlicher Tatbestände aus dem privaten Deliktsrecht für erforderlich hält 257 zur Rspr. oben Fn 209; aus der Lit.: v. Caemmerer, Wandlungen, S. 90 ff; SoergeVZeuner, § 823, Rn. 100 258 BGHZ 38, 200, 205; 62, 29 259 BGH GRUR 1963, 255, 257; WRP 1965, 97, 98, GRUR 1968, 382; OLG Karlsruhe, WRP 1974, 215, 219; Ohl GRUR 1966,177 260 Blaurock, (I), S. 80 ff; Lindacher, ZHR 144 (1980), 356; differenzierend Kunze, WRP 1965, 11, der bedingten Vorsatz auf Seiten des potentiellen Schutzrechtsinhabers für ausreichend erachtet; ihm folgend Rogge, WRP 1965, 44 261 Blaurock, (I), S. 82 262 Lindacher, ZHR 144 (1980), 356 263 Horn, Unberechtigte Verwarnung, S. 188 f
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§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
zu einer Subsumtion unberechtigter Schutzrechtsberühmungen unter den Tatbestand des § 1 UWG. Danach verbleibt für die Anwendung der Figur des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs kein Raum. Vielmehr folgen allein aus der - mittels Interessenabwägung festzustellenden - fehlenden Berechtigung des potentiellen Schutzrechtsinhabers die Sittenwidrigkeit seines Verhaltens und damit Schadensersatz- und Unterlassungs ansprüche aus § 1 UWG. 3. Haftung aus cuIpa in contrahendo
Eine zwischen außergerichtlicher Schutzrechtsverwarnung und mittels Klage erfolgendem Unterlassungsbegehren differenzierende Auffassung vertritt Quiring264 • Ausgangspunkt seines Lösungsansatzes bildet eine vergleichende Analyse von Verwarnungen aus gewerblichen Schutzrechten, für die die Judikatur eine strenge Verschuldenshaftung statuiert265 , und Abmahnungen auf Grund von Wettbewerbsverstößen, die lediglich bei sittenwidrigem Verhalten unter den Voraussetzungen der §§ 1 UWG und 826 BGB Schadensersatzund Unterlassungsansprüche auslösen266 • Quiring postuliert demgegenüber eine einheitliche Haftungsregelung bei der Bereiche nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo267 • Methodischer Anknüpfungspunkt ist hierbei der Gedanke einer Haftung aus rechtsgeschäftlichem Kontakt, der durch die auf rechtsgeschäftliche Unterwerfung des Adressaten zielende Verwarnung hergestellt werde und dem Verwarner gesteigerte Verhaltens- und Sorgfaltspflichten auferlege. Diese Konzeption führt jedoch zu Ungereimtheiten bei der Schutzrechtsklage, bei der Quiring mangels rechtsgeschäftlichem Kontakt eine Haftung aus culpa in contrahendo ablehnt, mit der Folge, daß für die außergerichtliche Drohung mit einer Klage eine schärfere Haftung als für die Klage selbst Platz greift. Über diesen Wertungswiderspruch hilft weder die - empirisch kaum nachweisbare - geringe Praxisrelevanz unberechtigter Schutzrechtsklagen, noch weniger aber die Begründung einer Verwarnungs- und Abmahnverpflichtung des vermeintlichen Rechtsinhabers hinweg. Gerade der Schutzzweck des § 93 ZPO, der dem Kläger die Kosten einer überstürzten Klage auferlegen und auf diese Weise den leistungswilligen Beklagten schützen will268 , spricht gegen eine vorgerichtliche Streitklärungs264 Quiring, Andreas: Zur Haftung wegen unbegründeter Verwarnungen, in: WRP 1983,317 265 siehe oben 1 Teil C I 266 Ahrens, NJW 1982, 2478 267 Quiring, WRP 1983, 322 f 268 Thomas, HeinzlPutzo, Hans: Zivilprozeßordnung mit GVG und Einführungsgesetzen, 1986, § 93 Anm. 1
C. Die Haftung für Schutzrechtsberühmungen
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pflicht. Vielmehr ist der Anspruchsteller im eigenen (Kosten-)Interesse gehalten, vor Erhebung der Klage eine Verwarnung auszusprechen 269 • Das vorschnelle Ergreifen gerichtlicher Maßnahmen stellt, übertragen auf zivilrechtliche Maßstäbe, allenfalls eine Obliegenheitsverletzung, keinesfalls aber eine sanktionierbare Pflichtverletzung des Klägers dar. Die Konstruktionsschwäche manifestiert sich dann auch deutlich in dem Bemühen, die Pflicht zu außergerichtlicher Klärung durch Abweisung einer sofortigen Klage unter Berufung auf ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis zu sanktionieren27o • Hier wird die Generalklausel des Rechtsschutzbedürfnisses funktionswidrig zur Lösung materiell-rechtlicher Probleme eingesetzt271 und nicht auf seine eigentliche Aufgabe, die Gerichte vor überflüssiger und sinnloser Belastung zu schützen272 , beschränkt. Der potentielle Schutzrechtsinhaber hat schon deshalb ein schutzwürdiges Interesse an der Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens, weil nur ein gerichtliches Urteil die zur Rechtsdurchsetzung erforderliche Vollstreckungsmöglichkeit schafft273 • Demgemäß schließt auch die Sicherung des Unterlassungsanspruchs durch ein Vertragsstrafeversprechen das Rechtsschutzinteresse für eine Unterlassungsklage nicht aus274 • Der von Quiring explizit auf die außergerichtliche Verwarnung beschränkte Vorschlag einer vertraglichen oder vertragsähnlichen Haftung ließe sich aber möglicherweise ohne den Kunstgriff über das fehlende Rechtsschutzbedürfnis auf andere Weise auch für den Bereich der Schutzrechtsklage fruchtbar machen. Erwägenswert erscheint nämlich hier gerade die von Quiring nicht vollzogene Übertragung außerdeliktischer Haftungsregelungen auf das Verhältnis zweier Prozeßparteien. Einen Anknüpfungspunkt bietet dabei die vom Bundesgerichtshof im Vollstreckungsrecht zwischen Vollstreckungsgläubiger und -schuldner einerseits sowie zwischen Gläubiger und Drittberechtigtem andererseits akzentuierte gesetzliche Sonderverbindung privatrechtlicher Art275 , als deren Fundament das Prozeßrechtsverhältnis in Betracht kommt. Die der SchutzrechtsbeTÜhmung immanente Gefahr einer vorweggenommenen Rechtsverwirklichung und die daraus folgende vollstreckungsähnliche Wirkung legt eine solche Wertungsparallele besonders nah. Die in der Doktrin teilweise befürwortete Anwendung vertraglicher oder vertragsähnlicher Zöller, Richard: Zivilprozeßordnung, 1984, Schneider, § 93 Anm. 6 Quiring, WRP 1983, 324 Fn . .108 271 hier bestätigt sich einmal mehr die Befürchtung Böttichers, (Bötticher, Eduard: Zur Lehre vom Streitgegenstand im Eheprozeß, in: Beiträge zum Zivilprozeßrecht, Festgabe zum 70. Geb. von Leo Rosenberg, 1949, S. 74), das Rechtsschutzbedürfnis diene als Unterschlupf ungelöster dogmatischer Probleme 272 Arens, Peter, Zivilprozeßrecht, 1984, Rn. 158; Grunsky, Wolfgang: Grundlagen des Verfahrensrechts, 1974, S. 392 273 Grunsky, Verfahrensrecht, S. 394; ZöllerlStephan, vor § 253 Anm. 18 274 BGH NJW 1980, 1843 275 BGHZ 58,207,212 = JZ 1973, 29, 31; BGHZ 74,9,11 269
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§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
Grundsätze in Anlehnung an das Institut der culpa in contrahendo276 bedingt allerdings die Klärung der Vorfrage, inwieweit der Zivilprozeß überhaupt gegenseitige Rechte und Pflichten auferlegt, an die eine der c. i. c. ähnliche Haftung angeknüpft werden kann und welche Schutzrichtung solchen möglichen ~flichten zukommt277 • Dies ist jedoch kein spezifisches Problem unberechtigter Schutzrechtsklagen und soll daher hier zunächst offen bleiben 278 • D. Die Haftung des Gläubigers in der Zwangsvollstreckung
J. Die VoUstreckungshaftung als ParaUelproblem Auch die Haftung des Gläubigers für schadens auslösende Vollstreckungsmaßnahmen wirft die Problematik der unberechtigten Inanspruchnahme staatlicher Machtmittel auf. Dabei ist im Bereich der Einzelzwangsvollstrekkung das Integritätsinteresse von Verfahrensgegner und unbeteiligten Dritten wegen des unmittelbar auf die Rechtssphäre des Schuldners zielenden Eingriffs und dessen Formalisierung, die eine Prüfung der materiellen Rechtslage durch die Vollstreckungsorgane ausschließt, weitaus stärker tangiert als im Erkenntnisverfahren. Hinzu kommt, daß im Vollstreckungsverfahren die Antinomie zwischen Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit besonders deutlich zu Tage tritt und die Vollstreckung aus einem prozessual ordnungsgemäßen, rechtskräftigen, gleichwohl aber inhaltlich "fehlerhaften" Titel als mit dem Rechtsgefühl schlechterdings unvereinbar erscheint279 . Die auch in der Lehre regelmäßig gezogene Wertungsparallele280 besteht in der Wechselwirkung zwischen materiellem Recht und Prozeßrecht, die Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren gleichermaßen betrifft. Hier wie dort macht der Verfahrensbetreiber von einer prozessualen Befugnis, von einer verfassungsrechtlich gewährleisteten und zudem im Bereich der Vollstreckung im Vollstreckungstitel selbst ausgesprochenen Legitimation Gebrauch, deren Auswirkung auf die materiell-rechtlichen Beziehungen der beteiligten Privatrechtssubjekte klärungsbedürftig ist. Dabei muß die in Frage stehende Berücksichtigung prozessualer Zwecke und Funktionen im zivil276 Titze, S. 184; Berges, NJW 1965, 1505; Hellwig, H.-J., NJW 1968, 1072; ders., Systematik, S. 77; Dölle, S. 292; Rosenberg, Leo/Schwab, Kar! Heinz: Zivilprozeßrecht, 1987, § 65 VIII 7 277 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 275 278 siehe dazu unten § 4 B I 279 Sax, ZZP 67 (1954), 229 bezeichnet dies als Zentralproblem der allgemeinen Prozeßtheorie 280 Henckel, Prozeßrecht, S. 233 ff; Niederelz, S. 126; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 153 ff; Pecher, Hans Peter: Die Schadensersatzansprüche aus ungerechtfertigter Vollstreckung, 1967, S. 72 Fn. 83; Soergel/Zeuner, § 823, Rn. 105; SteinlJonaslMünzberg, § 771, Rn. 77 Fn. 258
D. Die Haftung des Gläubigers in der Zwangsvollstreckung
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rechtlichen Haftungssystem für beide Bereiche nicht identisch ausfallen. Zwar hat der BGH - jedenfalls soweit Schäden als Nebenfolgen einer prozessualen Maßnahme eingetreten sind - zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren nicht differenziert. Gegenstand des Bürovorsteherurteils 281 , mit dem der BGH das "Recht auf Irrtum" entwickelt hat, waren gerade schädigende Vollstreckungsmaßnahmen. Dies hat der Judikatur nicht zu Unrecht den Vorwurf eingetragen, sie vernachlässige spezifisch vollstreckungsrechtliche Gesichtspunkte282 • In der Tat liegt die Funktion des Vollstreckungsverfahrens in der Befriedigung des Gläubigers und erlaubt deshalb zielgerichtet Eingriffe in die Rechtsgüter des Schuldners283 • Zu diesem Zweck trifft die Verfahrensordnung dezidierte Regelungen über Voraussetzungen, Art und Umfang staatlicher Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner. Zugleich wird aber auch den Interessen und dem Schutz des Schuldners durch Sicherheitsleistungen (§§ 708 f ZPO) und Schadensersatzansprüche (§ 717 Abs. 2,3 ZPO) bei der Vollstreckung aus noch nicht rechtskräftigen Titeln, durch besondere Vollstreckungsschutzvorschriften (§§ 765a, 817a, 811, 850-850k ZPO) sowie durch ein System vollstreckungsrechtlicher Rechtsbehelfe (§§ 732, 766, 767, 768, 769, 793 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG) Rechnung getragen. Die Frage nach einer Überlagerung materiell-rechtlicher Wertungen durch prozessuale Vorschriften und damit eine abschließende Regelung der Vollstreckungsmaßnahme durch die Verfahrensordnung selbst stellt sich hier in besonderem Maße. Dabei läßt sich die Vollstreckungshaftung in zwei Fallgruppen untergliedern. Während sich die schon angedeutete Problematik der Vollstreckung unrichtiger, "fehlerhafter" Sachurteile auf das Verhältnis von Vollstreckungsgläubiger und -schuldner beschränkt, wird bei einer Vollstreckung in schuldnerfremde Gegenstände der Rechtskreis eines Dritten, eines vermeintlichen oder tatsächlichen Drittberechtigten, tangiert. Bei der ersten Fallgruppe, der Vollstreckung "fehlerhafter" Urteile, liegt die Crux in der Tragweite der vollstreckungsrechtlichen Eingriffsbefugnisse und der Notwendigkeit einer differenzierenden Bewertung des Verhaltens von Gläubiger und Vollstreckungsorgan. Von praktischer Relevanz ist dabei weniger das rechtskräftige, als vielmehr das nur vorläufig vollstreckbare Urteil. Denn unabhängig von der materiell-rechtlichen Bewertung des Gläubigerverhaltens kommt dessen Sanktionierung bei einer Vollstreckung aus rechtskräftigen Titeln ohnehin stets nur unter den engen Voraussetzungen der von der Judikatur284 ganz ausnahmsweise zugelassenen Rechtskraftdurchbrechung durch § 826 BGB in Betracht. BGHZ 74, 9; Eingangsbeispiel4 Lippross, Otto-Gerd: Schadensersatzhaftung aus privatrechtswidrigen Zwangsvollstreckungsakten, in: JA 1980, 16 283 Bötticher, ZZP 85 (1972), 8; Henckel, Prozeßrecht, S. 237 284 BGHZ 26,396; BGH WM 1969,474; BGHZ 40, 130 281
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§ I Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
Auch die zweite Fallgruppe, die Vollstreckung in schuldnerfremde Gegenstände, ist Rechtsverletzungen durch sonstige Parteiprozeßhandlungen strukturell vergleichbar. Zwar gibt die Verfahrensordnung dem Gläubiger gerade keine Befugnis, auf schuldnerfremdes Vermögen Zugriff zu nehmen285 • Auf Grund der formalisierten Vollstreckungsvoraussetzungen, die eine Prüfung der eigentumsrechtlichen Situation durch den Gerichtsvollzieher nicht zuläßt (§ 808 ZPO beschränkt die Prüfungsbefugnis des Gerichtsvollziehers auf den Schuldnergewahrsam ) und den Drittberechtigten auf die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) verweist, stellt sich der Eingriff in Dritteigentum gleichsam als Nebenfolge, als Reflexwirkung der prozessual zulässigen und damit aus der Sicht des Vollstreckungsorgans auch rechtmäßigen VOllstreckung dar. Die prozessuale Befugnis des Klägers im Erkenntnisverfahren beschränkt sich zunächst auch auf die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe und berechtigt nicht ohne weiteres zu Eingriffen in den deliktisch geschützten Rechtskreis des Verfahrensgegners. Solche Beeinträchtigungen sind ebenso wie Eingriffe in Dritteigentum im Rahmen der Vollstreckung nicht notwendige Folgewirkungen eines prozessual zulässigen Verhaltens. Der Einfluß der Vollstreckungsvoraussetzungen auf die materiell- rechtliche Bewertung der Rechtslage spielt also auch hier eine hervorgehobene Rolle. 11. Die Wirkung der voUstreckungsrechtlichen
Eingriffsbefugnis~e
Im Grenzbereich zwischen materiellem Recht und Prozeßrecht stand insbesondere die Frage nach einer Haftung des Vollstreckungsgläubigers bei ungerechtfertigter Zwangsvollstreckung von jeher im Mittelpunkt wissenschaftlicher Auseinandersetzungen 286 • Schwierigkeiten bereitet dabei zum einen die Einordnung des als Unterfall des Justizgewährungsanspruchs verstandenen287 , gegen den Staat gerichteten Vollstreckungsanspruchs sowie die Reichweite 285 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 165, der daraus eine divergente Beurteilung beider Fallgruppen folgert; gegen eine Vergleichbarkeit auch: Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, herausgegeben von Mitgliedern des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, 12. Auf!. seit 1974, RGRKlSteffen, vor § 823 Rdnr. 53 286 siehe die grundlegenden Abhandlungen von Geib, Otto: Rechtsschutzbegehren und Anspruchsbetätigung im deutschen Zivilprozeß, in: Abhandlungen zum Privatrecht und Zivilprozeß des deutschen Reichs, XVIII. Band, Heft 1, 1909, S. 67 ff; 99; Goldschmidt, James: Ungerechtfertigter Vollstreckungsbetrieb, Ein Beitrag zur Lehre von den Vollstreckungsgrundlagen, in Abhandlungen zum Privatrecht und Zivilprozeß, XX. Band, 1910, passim; Hellwig, Konrad: Anspruch und Klagrecht, Beiträge zum Bürgerlichen Recht und Prozeßrecht, Neudruck der Ausgabe 1924, 1967, S. 149; ders., Klagrecht und Klagmöglichkeit, 1905, S. 16 ff; Stein, Friedrich: Grundfragen der Zwangsvollstreckung, 1913, passim; in neuerer Zeit Niese, S. 121 ff; Pecher, passim; Henckel, Prozeßrecht, S. 248 ff; Böhm, Harald: Ungerechtfertigte Zwangsvollstrekkung und materielle Ausgleichsansprüche, 1971, passim; Niederelz, passim; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 153 ff 287 Böhm, S. 88; Stein/JonaslMünzberg, ZPO, vor § 704 Rdnr. 16
D. Die Haftung des Gläubigers in der Zwangsvollstreckung
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der formalisierten Eingriffsvoraussetzungen des Vollstreckungsrechts. Sofern dem Zwangsvollstreckungsrecht die Funktion einer endgültigen Güterverteilung zukommt, scheiden materielle Ausgleichsansprüche aus. Andererseits kann ein Konflikt zwischen prozessualer Lage und materiellem Recht eine divergente Bewertung des Verhaltens von Gläubiger und Vollstreckungsorgan unter dem Gesichtspunkt einer relativen, auf das Verhältnis von Gläubiger und Schuldner beschränkten Rechtswidrigkeit erfordern. Es stellt sich dann die Anschlußfrage, welche Kriterien eine solche "Privatrechtswidrigkeit" konstituieren. 1. Die Vollstreckung fehlerhafter Urteile
a) Die Legitimität des staatlichen Vollstreckungsbetriebes
Die Vollstreckung ist - im Hinblick auf die Effektivität und Schnelligkeit des Verfahrens288 - geprägt von einer Abstraktion des ihr zugrunde liegenden materiellen Anspruchs289 • Nicht dieser, sondern allein die unter den Schlagworten Titel (§§ 704 Abs. 1, 794 ZPO), Klausel (§§ 724, 725 ZPO) und Zustellung (§ 750 ZPO) kategorisierten Formalien sind Voraussetzung der staatlichen Vollstreckung. Diese Struktur des Vollstreckungsverfahrens entspricht der Funktionsteilung zwischen Prozeßgericht und Vollstreckungsorganen, deren Prüfungskompetenzen auf die Verfahrensvorschriften beschränkt sind. Es kann daher heute als gesicherte Erkenntnis gelten, daß jedenfalls die Vollstreckung als Staatstätigkeit immer dann rechtmäßig ist, wenn die einzelne Vollstreckungsmaßnahme durch den Titel legitimiert ist290 • Der Pflichtenkreis der Vollstreckungsorgane ist daher durch die Verfahrensvorschriften abschließend beschrieben, so daß dem Schuldner bei einer der materiellen Rechtslage widersprechenden Beitreibung weder Abwehrrechte noch Amtshaftungsansprüche gegen den Staat291 zustehen. Nicht geklärt ist aber das Verhältnis von Vollstreckungsgläubiger und -schuldner im Falle einer materiell unberechtigten Vollstreckung.
Blomeyer, Arwed: Rechtskraft- und Gestaltungswirkung, in: AcP 165 (1965),485 OLG München, Rpfleger 1974, 29; BaumbachILauterbachIHartmann, § 767 Anm. 1a; Bötticher, ZZP 85 (1972), 8; Gaul, Hans Friedhelm: Zur Struktur der Zwangsvollstreckung, in: Rpfleger 1971, 90; SteiniJonaslMünzberg, vor § 704 Rdnr. 22; Thomas/Putzo, Vorbem. § 704 Anm. VII 5 290 BGHZ 55, 26; Blomeyer, A., AcP 165 (1965), 483; Henckel, Prozeßrecht, S. 236 ff; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 157 f; Niederelz, S. 99 ff; SteiniJonaslMünzberg, vor § 704 Rdnr. 22; wegen der heute nicht mehr vertretenen Auffassungen von Goldschmidt, Vollstreckungsbetrieb, S. 75; Niese, S. 121 ff, die, wenngleich mit unterschiedlichen Begründungen, auch die Vollstreckung des Staates ohne materiellen Anspruch des Gläubigers für rechtswidrig halten, wird auf die Ausführungen bei Henckel, Prozeßrecht, S. 236 ff und Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 154 ff verwiesen. 291 BGH NJW 1960, 1461 28!!
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§ I Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
b) Das Verhältnis zwischen Vollstreckungsgläubiger und -schuldner Den generellen Ausschluß materiell-rechtlicher Ausgleichsansprüche bis zur Grenze einer vorsätzlich-sittenwidrigen Schädigung vertritt Böhm unter Hinweis auf die Spezialität der vOllstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe, die auch nach Abschluß des Vollstreckungsverfahrens weiterbestehe292 . Böhm verkennt die der Durchsetzung der materiellen Rechtsposition des Gläubigers dienende Funktion des Vollstreckungsverfahrens, das gerade nicht auf eine endgültige Güterverteilung ausgerichtet ist293 . Die Formalisierung auch der vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe dient ausschließlich der Effektivität des Verfahrens und trägt dem Prinzip der Funktionsteilung Rechnung. Dieser Zweck reicht jedenfalls nicht über das Ende des Vollstreckungsverfahrens hinaus und kann auch durch die Erfindung einer dem Institut der materiellen Rechtskraft vergleichbaren "Vollstreckungskraft294" nicht den Rückgriff auf materielle Wertungen verhindern. Von der Präferenz der vollstreckungsrechtlichen Eingriffsbefugnisse geht auch Bötticher 295 aus, wenn er die gesetzliche Ordnung des Vollstreckungsbetriebs mit der materiell-rechtlichen Erlaubnis für den Gläubiger gleichsetzt. Konsequenterweise stellt sich für ihn die Haftungsregelung des § 717 Abs. 2 ZPO nicht als Haftung für rechtswidriges Verhalten des Geläubigers, sondern als "Zwangsversicherung" zugunsten des Schuldners dar296 . Demgegenüber wird die grundsätzliche Möglichkeit einer deliktischen oder vertraglichen Haftung des ohne vollstreckbaren Anspruch vollstreckenden Gläubigers einhellig bejaht 297 • Kontrovers geblieben ist hingegen die Frage, ob allein das Fehlen oder der Wegfall des materiellen Anspruchs zur Rechtswidrigkeit des Vollstreckungsantrags des Gläubigers führt 298 oder ob der Verstoß gegen eine objektive Verhaltenspflicht hinzukommen muß299. 292 Böhm, S. 85 ff 293 Gaul, Hans Friedhelm: Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung und materielle Ausgleichsansprüche, in: AcP 173 (1973),340 294 Böhm, S. 68, 89 295 Bötticher, ZZP 85 (1972), 11 296 Bötticher, ZZP 85 (1972), 9 297 RGZ55, 194; 97, 42; BGHZ4, 284; BGHWM 1977,656,657; BaumbachILauterbachIHartmann, § 767 Anm. 1 B; Blomeyer, Arwed: Zur Lehre vom Pfändungspfandrecht, in: Sein und Werden im Recht, Festgabe für Ulrich von Lübtow, 1970, S. 815; ders., AcP 165 (1965), 484; Baur, FritzlStürner, Rolf: Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, 1983, Rdnr. 791, 792; SteiniJonas/Münzberg, vor § 704 Rdnr. 24; Thomas/Putzo, § 767 Anm. 5b 298 Blomeyer, Arwed: Zivilprozeßrecht, Vollstreckungsverfahren, 1975, § 33 IX; Gerhardt, Walter: Vollstreckungsrecht, 1982, § 8 11 3a; Henckel, Prozeßrecht, S. 248 ff, 262, der zur Bestimmung der Rechtmäßigkeit des Gläubigerverhaltens neben dem materiellen Anspruch auch dessen prozessual ordnungsgemäße Feststellung heranzieht und damit die Rechtsnatur des § 717 Abs. 2 ZPO auch bei einer Vollstreckung aus einem unzulässigen Urteil in einer Haftung für rechtswidriges Verhalten erblickt 299 Niederelz, S. 144 ff; SteiniJonas/Münzberg, vor § 704 Rdnr. 24
D. Die Haftung des Gläubigers in der Zwangsvollstreckung
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Dogmatisches Fundament einer Haftung des Vollstreckungsgläubigers trotz rechtmäßigem Handeln der Vollstreckungsorgane ist eine strikte Trennung der Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner einerseits sowie zwischen Gläubiger und Staat andererseits. Um eine Dichotomie des gegen den Schuldner gerichteten Vollstreckungsakts haben sich in der älteren Lehre300 schon Konrad Hellwig 301 und Geib 3!Y2 bemüht. Im Ergebnis bewerten beide Autoren trotz differenzierender Begründungen die Betreibung der Zwangsvollstreckung durch den Gläubiger ohne materiellen Anspruch als publizistisch - dem Staat gegenüber - rechtmäßig, privatrechtlich - dem Schuldner gegenüber - hingegen als rechtswidrig303 • Geib trennt dabei zwischen einem Rechtsschutzbegehren gegen den Staat und der materiell-rechtlichen Anspruchsbetätigung gegenüber dem Schuldner. Hellwig hingegen projiziert den öffentlich-rechtlichen Vollstreckungsanspruch nicht auf das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner. Es ist das Verdienst Henckels 304 , in überzeugender Weise nachgewiesen zu haben, daß der von den Kritikern 305 Hellwigs und Geibs erhobene Vorwurf eines unzulässigen, weil relativen Rechtswidrigkeitsverdikts einer getrennten Bewertung des Verhaltens von Gläubiger und Vollstreckungsorgan nicht entgegensteht. Die Zwangsvollstreckung wird nämlich nicht als Einheit behandelt, mit der sicherlich widersprüchlichen Folge, daß ein und dieselbe Handlung gleichzeitig als rechtmäßig und rechtswidrig qualifiziert wird. Vielmehr werden unterschiedliche Handlungen verschiedener Personen - Vollstrekkungsantrag des Gläubigers und konkrete Vollstreckungsmaßnahme des Vollstreckungsorgans - zum Gegenstand voneinander abweichender rechtlicher Bewertungen306 • Dabei ist mit Henckel 307 grundsätzlich davon auszugehen, daß weder die zivilprozessualen Vollstreckungsvoraussetzungen noch der von der h.M. anerkannte Vollstreckungsanspruch308 eine materiell-rechtliche 300 siehe dazu die übersichtliche Darstellung bei Marcuse, Hans Wemer: Die Haftung für ungerechtfertigten Vollstreckungsbetrieb, Diss. 1933, S. 49 ff; Niederelz, S. 28 ff; Henckel, Prozeßrecht, S. 248 ff; Pecher, S. 68 ff; Vockenberg, Friedrich Wilhelm: Die Schadensersatzpflicht des Vollstreckungsgläubigers nach § 717 Abs. 2 ZPO, Diss. 1966, S. 32 ff 301 Hellwig, K., Anspruch, S. 149,507; ders., Klagrecht und Klagmöglichkeit, 1905, S. 23 f; ders.: System des deutschen Zivilprozeßrechts, 1. Teil, Ordentliches Verfahren, ausschließlich besondere Prozeßarten und Zwangsvollstreckung, Neudruck der Ausgabe 1912, 1968, S. 667 f 302 Geib, Rechtsschutzbegehren, S. 67 f, 95, 97 303 Geib, Rechtsschutzbegehren, S. 67 f, 120,237; Hellwig, K., Klagrecht, S. 23,24 304 Henckel, Prozeßrecht, S. 250 ff 305 Goldschmidt, Vollstreckungsbetrieb, S. 9 ff; Niese, S. 121; Marcuse, S. 51; Stein, Friedrich, Grundfragen, S. 1 f 306 SteinlJonasfMünzberg, vor § 704 Rdnr. 24 307 Henckel, Prozeßrecht, S. 250, 254 308 hierauf wird im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes noch zurückzukommen sein, unten § 2
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§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
Befugnis des Gläubigers zu Eingriffen in Rechtsgüter des Schuldners statuieren. Der Gesichtspunkt der Funktions- und Verantwortungsteilung zwischen Erkenntnisgericht und Vollstreckungsorgan, der eine weitgehende Formalisierung und Vereinfachung der Vollstreckungsvoraussetzungen bedingt, hebt nicht die unverändert zwischen den Parteien bestehende materielle Rechtsbeziehung auf. Gegen eine solche Trennungswertung spricht nicht, daß eine isolierte Bewertung des Gläubigerverhaltens die Berücksichtigung vollstrekkungsrechtlicher Besonderheiten und die Inanspruchnahme legaler staatlicher Machtmittel nicht ausreichend gewährleisten könne 309 . Auch Henckel 310 berücksichtigt prozessuale Zwecke im Rahmen der Beweislastverteilung zulasten des Schuldners. Diese Frage berührt jedoch allein die Anschlußproblematik, inwieweit prozessuale oder gar verfassungsrechtliche Wertmaßstäbe eine allgemein-zivilrechtliche Haftung des Vollstreckungsgläubigers modifizieren können. Sie widerlegt aber nicht die aufgezeigte Trennungswertung. Damit schließt sich der Kreis zu Rechtsverletzungen durch sonstige Parteiprozeßhandlungen, deren materiell-rechtliche Bewertung ebenfalls von prozessualen Funktionen determiniert sein kann. Ein Teilbefund steht jedenfalls im Bereich des Vollstreckungsrechts fest: Die formalen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung berühren zunächst nur das Rechtsverhältnis zwischen Vollstreckungsorgan und -gläubiger im Hinblick auf die prozessuale Zulässigkeit und Begründetheit des Vollstreckungsantrags und zum anderen das Verhältnis zwischen Vollstreckungsorgan und -schuldner hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des staatlichen Eingriffs. Sie stellen hingegen keine materielle Erlaubnis für den ohne materiellen Anspruch vollstreckenden Gläubiger im Verhältnis zum Schuldner dar. Die prozessualen Wertungen können jedoch im Wege der Rechtsfortbildung eine Haftungsmodifizierung bedingen. Dies geschieht teilweise durch die Statuierung besonderer Verhaltenspflichten311 und teilweise durch eine zugunsten des Gläubigers wirkende Rechtmäßigkeitsvermutung, die der Schuldner widerlegen muß312. 2. Die Vollstreckung in schuldnerfremde Gegenstände
Eine der Vollstreckung von Fehlurteilen verwandte Problematik stellt die Vollstreckung in schuldnerfremde Gegenstände dar313 . Hier führen die formalisierten Zugriffstatbestände des Vollstreckungsrechts zu einer mit der materiellen Güterzuordnung nicht zu vereinbarenden Beeinträchtigung des Vermögens nicht am Vollstreckungsverfahren beteiligter Dritter. Bei dieser KonNiederelz, S. 35 f Henckel, Prozeßrecht, S. 286 ff 3Il Niederelz, S. 144 ff; SteinlJonaslMünzberg, ZPO, vor § 704, Rn. 24 312 Henckel, Prozeßrecht, S. 286 ff 313 Blomeyer, A., (I), S. 815; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 163; Lippross, JA 1980, 17 309 310
D. Die Haftung des Gläubigers in der Zwangsvollstreckung
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stellation bestanden niemals ernsthafte Zweifel, die Vollstreckungsmaßnahme des Vollstreckungsorgans und das Verhalten des Gläubigers einer differenzierenden Bewertung zu unterwerfen. Soweit nicht die speziellere Drittwiderspruchsklage während oder deren Rechtskraft nach Abschluß des Vollstrekkungsverfahrens entgegensteht, greift die h.M. trotz Rechtmäßigkeit des staatlichen Vollstreckungsaktes auf die allgemeine Deliktshaftung zurück314 • Der BGH wertet dabei die Zwangsvollstreckung in schuldnerfremdes Vermögen von Anfang an als eine Störung der privaten Rechtslage, da nur das Vermögen des Schuldners, nicht aber Eigentum Dritter dem Zugriff des Gläubigers unterliege. Das bei der Inanspruchnahme gerichtlicher Verfahren entwikkelte "Recht auf Irrtum315 " wird dem Vollstreckungsgläubiger insoweit nicht konzediert. Vielmehr ist er verpflichtet, das Freigabeverlangen eines Dritten sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls auf die Rechte aus der Pfändung zu verzichten 316 , wobei er nicht nur für eigenes, sondern nach § 278 BGB auch für fremdes Verschulden bei der Prüfung des Freigabeverlangens haften soll. Die Anwendung der grundsätzlich auf - gesetzliche und vertragliche - Schuldverhältnisse beschränkten Gehilfenhaftung rechtfertigt der BGH mit einer zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden privatrechtlichen Sonderbeziehung, die auf die Freigabeverpflichtung des Gläubigers gegründet wird 317 • Damit wird dem Gläubiger, soweit Rechte Dritter betroffen sind, eine Haftung schon für eine leicht fahrlässige Verkennung der Sach- und Rechtslage auferlegt und zudem über § 831 BGB hinaus auch das Verschulden des für ihn handelnden Anwalts zugerechnet. Den Wertungswiderspruch zu der bei sonstigen Prozeßparteihandlungen akzentuierten Haftungsprivilegierung des Verfahrensbetreibers sucht Münzberg 318 durch eine Anwendung der §§ 989, 990 Abs. 1 BGB zu vermeiden. Die Anwendung der Schadensersatzregelungen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses hätte in der Tat über das Kriterium der Bösgläubigkeit in § 990 Abs. 1 BGB eine Haftungsrestriktion gegenüber der Deliktshaftung zur Folge319 • Systematisch wirft diese Lösungskonzeption 314 st. Rspr. seit RG Gruch 25, 1014; ferner RG JW 1911, 978 Nr. 10; JR 1924, Nr. 141; RGZ 61,430,432; 108,262; 156,395,400; Hamm, JW 1906, 89, 90; Colmar, OLGE 9, 39, 40; KG JW 1929, 149 Nr. 69; BGHZ 55,20,26; 58, 207, 213; 67, 379, 383; BaumbachILauterbachIHartmann, Einf. 2B vor §§ 771; Betterrnann, Karl-August: Die Interventionsklage als zivile Negatoria, in: Festschrift für Friedrich Weber, 1975, S. 88; Bruns, Rudolf/Peters, Egbert: Zwangsvollstreckungsrecht, 1979, § 15 IV 3; Blomeyer, A., (11), S. 817; ders., AcP 165 (1965), 486; Jauernig, Othmar: Zwangsvollstreckungsund Konkursrecht, 1983, § 13 11; RGRKlSteffen, vor § 823 Rdnr. 53; BaurlStürner, Rdnr. 791; SoergellZeuner, § 823 Rdnr. 39; StaudingerlSchäfer, § 823 Rdnr. 53; ThomaslPutzo, § 771 Anm. 2c; ZöllerlSchneider, § 771 Rdnr. 232 315 BGHZ 74, 9 316 BGHZ 58, 207,213; 67, 379, 383 317 BGHZ 58, 207,213 = JZ 1973, 29 mit Anm. Henckel 318 SteinlJonasIMünzberg, § 771 Rdnr. 77; partiell auch LG Berlin NJW 1972, 1675 mit abI. Anm. Berg, NJW 1972, 1996; a.A. ausdrücklich RGZ 61,430,431; 108,260 319 siehe aber Berg, NJW 1972, 1996
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§ I Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
jedoch die Schwierigkeit auf, daß jedenfalls während des Vollstreckungsverfahrens die Klage aus sachlichem Recht - Herausgabeklage aus § 985 BGB gestützt auf das Eigentum des Drittberechtigten - durch die vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe verdrängt ist320 und damit zugleich eine Vindikationslage zwischen Gläubiger und Drittberechtigtem ausgeschlossen sein kann. Diese Folgerung ist allerdings nicht zwingend. Denn auch mit der Drittwiderspruchsklage wird ein Eingriff in die materielle Rechtsgüterordnung ausgeglichen, so daß sie, trotz ihrer vollstreckungsrechtlichen Besonderheiten, einer Beseitigungs- oder Unterlassungsklage aus materiellem Recht nahe kommt321 • Das Vollstreckungsrecht stellt lediglich einen besonderen Rechtsbehelf in Form einer prozessualen Gestaltungsklage zur Verfügung, ohne zugleich eine Modifikation des materiellen Rechts zu bewirken322 • Unabhängig von der Frage nach der Anspruchsgrundlage, die zugleich den Streit um die Rechtsnatur der Drittwiderspruchsklage berührt323 , ist jedenfalls festzustellen, daß die vollstreckungsrechtlichen Eingriffsbefugnisse auch hier allein dem Vollstreckungsorgan, nicht aber dem Gläubiger entlastend zugute kommen. Darüber hinaus werden dessen Rechtsdurchsetzungsinteressen von der h.M. auch nicht haftungsmildernd berücksichtigt. Allein Münzberg erreicht über die Anwendung der §§ 989, 990 Abs. 1 BGB partiell eine materiellrechtliche Privilegierung des Gläubigerverhaltens. E. Zusammenfassende Analyse der haftungsrechtlichen Bewertung prozessualen Verhaltens und Ausblick auf den Gang der weiteren Untersuchung I. Haftungsbeschränkung auf Grund der verfahrensrechtlichen Legalität der Verletzungshandlung
Die systematische Darlegung der Standpunkte in Lehre und Rechtsprechung zu den aufgezeigten Fallgruppen hat die Problematik verfahrensdeterminierter Schädigungen verdeutlicht. Es erhebt sich die Frage, ob ein schädigendes Verhalten, das im außerprozessualen Raum Schadensersatzansprüche vertraglicher oder deliktischer Art zur Folge hätte, sanktionslos bleibt, wenn es im Zuge einer gerichtlichen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung geschieht. Trotz aller Meinungsdivergenzen im Detail wird eine solche haftungsrechtliche Zäsur durch die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens im Grundsatz angenommen und eine deliktische Haftung nur unter erschwerten Voraussetzungen zugelassen. Stützpfeiler dieser Haftungsbeschränkung ist 320 allg. M. siehe nur SteinlJonaslMünzberg, § 771 Rdnr. 67 m.w.N.; Zöller/Schneider, § 771 Rdnr. 4 321 SchönkelBaur, § 44 A I 322 SteinlJonasIMünzberg, § 771 Rdnr. 77 323 siehe dazu SteinlJonaslMünzberg, § 771 Rdnr. 4 m.w.N.
E. Zusammenfassende Analyse und Ausblick auf die weitere Untersuchung
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der Gesichtspunkt der verfahrensrechtlichen Legalität des schädigenden Verhaltens. Eine Parteiprozeßhandlung, die nach der jeweiligen Verfahrensordnung erlaubt ist, soll nicht gleichzeitig einem materiell- rechtlichen Rechtswidrigkeitsverdikt unterfallen können. Hier wird unbewußt dem Gedanken von der Einheit der Rechtsordnung Tribut gezollt, die einer divergenten Bewertung eines schadensauslösenden Verhaltens durch Prozeßrecht und materielles Haftungsrecht entgegenzustehen scheint. Dabei werden jedoch zumeist die unterschiedlichen Regelungs- und Schutzzwecke der beiden Rechtsgebiete nicht genügend beachtet. Im übrigen wird die Präferenz verfahrensrechtlicher Ordnungsmäßigkeit auch nicht konsequent durchgehalten. Sowohl in den Fällen unberechtigter Schutzrechtsberühmungen als auch bei der Vollstreckung in schuldnerfremde Gegenstände wirkt die prozessuale Zulässigkeit der Verfahrenshandlung nicht haftungsprivilegierend. Daneben führt eine haftungsrechtliche Sonderbewertung prozessualen Verhaltens zu einer nur bei der unberechtigten Schutzrechtsberühmung beachteten Wertungsdivergenz zu außerprozessualen Leistungsbegehren. Die außergerichtliche Geltendmachung von Gestaltungsrechten sowie die außergerichtliche Anspruchsberühmung werden unbefangen als Verletzung der vertraglichen Leistungstreuepflicht qualifiziert324 und lösen unter dem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung Schadensersatzansprüche aus. Neben der prozeßrechtlichen Komponente ist auch der jedem Rechtsgenossen garantierte staatliche Rechtsschutz Bestandteil der verfahrensrechtlichen Legalität der Verfahrenshandlung. Dabei wird ein zunächst nur gegen den Staat gerichteter Anspruch unter dem Schlagwort der Verkümmerung des Rechtsschutzes auf das Verhältnis zweier Privatrechtssubjekte projiziert und so zum tragenden Argument einer Haftungsreduzierung. Hier fehlt es sowohl an der dogmatisch überzeugenden Einbettung verfassungsrechtlicher Kriterien im zivilistischen Haftungssystem als auch an der Klärung der Vorfrage, inwieweit drohenden Schadensersatzklagen überhaupt eine Präventivfunktion beizumessen ist.
n. Kriterien und Methode der Haftungseinschränkung Das Ziel einer Haftungsreduzierung geht dahin, dem Verfahrensbetreiber einen gewissen Spielraum bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage einzuräumen. Der methodische Weg zur Erreichung dieses Ziels ist jedoch keineswegs einheitlich. Die Spannbreite der vorgeschlagenen Lösungskonzeptionen reicht von einem völligen Abweichen von der herkömmlichen zivilrechtlichen Haftungssystematik bis zu deren vorsichtiger Modifikation im Wege einer Rechtsfortbildung. Dabei scheint die gänzliche Herausnahme verfahrensbe324 Becker-Eberhard, Ekkehard: Grundlagen der Kostenerstattung bei der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche, 1985, S. 69,70 m.w.N.
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§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
dingter Schädigungen aus der vertraglichen oder deliktischen Haftung im Hinblick auf die prozessualen Besonderheiten bestechend. Das geschlossene System einer Streithaftung, die allein an der zuletzt maßgeblichen gerichtlichen Entscheidung orientiert ist, führt nicht nur zu einer Vereinheitlichung und Vereinfachung der bestehenden Rechtslage, sondern läßt auch die Integration prozessualer Wertungen im Rahmen materieller Ausgleichsansprüche ohne weiteres zu. Zumindest fraglich ist aber, ob sich eine solche Sonderhaftung de lege lata begründen läßt. Im übrigen wird das Integritätsinteresse des Betroffenen, jedenfalls soweit es um Folgeschäden prozessualen Handeins geht, in bedenklicher Weise hintangestellt. Den gleichen Vorwurf trifft die Rechtfertigungsthese der Judikatur, die zudem ohne Not die traditionelle Haftungsdogmatik aus den Angeln hebt. Neben den methodischen Divergenzen bestehen auch bei den zur Abgrenzung der beteiligten Interessen herangezogenen Wertungskriterien erhebliche Unterschiede. Während einerseits im Hinblick auf die Rechtsdurchsetzungsinteressen für eine generelle Haftungsfreistellung des Verfahrensbetreibers plädiert wird, postuliert man andererseits eine strikte Fahrlässigkeitshaftung, die eine Privilegierung nur im Einzelfall zulassen soll. Auffallend ist, daß sich die Diskussion um eine materiell-rechtliche Privilegierung prozessualen Verhaltens - von wenigen Ausnahmen abgesehen - fast ausschließlich im Bereich der deliktischen Haftungstatbestände bewegt. Die außerdeliktische Haftung wird zumeist mit dem Hinweis vernachlässigt, sie werfe gegenüber den Tatbeständen des Deliktsrechts keine Besonderheiten auf. Häufig bestehen jedoch zwischen den Prozeßparteien vertragliche Beziehungen, für die der Prozeß jedenfalls keine Zäsur darstellt. Dabei ist es angesichts des im Vergleich zum Deliktsrecht erheblich erweiterten und konkretisierten Pflichtenkreises im Rahmen vertraglicher Beziehungen durchaus nicht selbstverständlich, eine im deliktischen Bereich statuierte Haftungsprivilegierung auf das Vertragsrecht zu transponieren. Vielmehr kann eine mit gesteigerten Rechten und Pflichten ausgestattete Sonderverbindung zwischen den Parteien eine ausschließlich am materiellen Recht orientierte Betrachtungsweise zur Folge haben und damit das Streitverhalten in gleicher Weise wie außerprozessuales Verhalten sanktionieren. Die Konzentration auf das Deliktsrecht hat zugleich den Schwerpunkt der Problematik im Bereich der Rechtswidrigkeit zentralisiert. Fast zwangsläufig ergeben sich dann die angeschnittenen Fragen, inwieweit die Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens rechtfertigend wirkt, ob der Vollstrekkungsgläubiger trotz rechtmäßigem Vollstreckungsakt dem Schuldner gegenüber rechtswidrig handelt, welcher Rechtsnatur die Vollstreckungshaftung aus vorläufig vollstreckbaren Urteilen ist und schließlich ob die unberechtigte Schutzrechtsberühmung per se oder nur bei Hinzutreten besonderer Umstände rechtswidrig ist.
E. Zusammenfassende Analyse und Ausblick auf die weitere Untersuchung
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Diese exzeptionelle Einordnung der auftretenden Streitfragen in die Kategorie des deliktischen Unwerturteils stellt nicht nur eine verkürzte Problemsicht dar, die von anderen Teilaspekten - Tatbestandsmäßigkeit des Eingriffs, Adäquanzgesichtspunkte und Mitverschulden des in Anspruch Genommenen - eher ablenkt und diese überlagert. Hinzu kommt, daß die speziell deliktsrechtlich relevante Kontroverse um die divergenten Unrechtslehren allzu häufig im Mittelpunkt der Diskussion steht und entscheidende Weichen bei der Problemlösung stellt. Ohne den Begriffen Erfolgs- und Handlungsunrecht mangelnde logische Gegensätzlichkeit vorwerfen zu wollen 325 , erscheinen jedenfalls erhebliche Zweifel angebracht, ob allein hier der Stein der Weisen zu suchen ist. Beschränken sich doch die divergierenden Auffassungen in erster Linie auf die systematische Einordnung der Sorgfaltsmaßstäbe des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB in den Deliktsaufbau und lassen das Spannungsfeld zwischen materiellen und prozessualen Wertungen als Grundproblem - jedenfalls soweit es um Schadensersatzansprüche geht - unberührt. IH. Gang der weiteren Untersuchung
Der aufgezeigte Meinungsstand weist zugleich das weitere Vorgehen auf. Der zweite Teil der Arbeit befaßt sich zunächst mit dem Spannungsverhältnis zwischen dem verfassungsrechtlich verorteten und von der Prozeßordnung gewährleisteten Individualrechtsschutz einerseits und dem vom materiellen Haftungsrecht intendierten umfassenden Integritätsinteressen andererseits. Hier ist insbesondere das allseits akzentuierte Verdikt gegen eine drohende Verkümmerung des Rechtsschutzes auf seine Stringenz zu untersuchen. Anknüpfungspunkt sind hierfür zum einen die verfassungsrechtlichen Vorgaben und deren Relevanz für den materiell-rechtlichen Schadensausgleich (§ 2) und zum anderen die Funktion des Zivilprozesses mit seinem auf die Verwirklichung des Individualrechtsschutzes ausgerichteten Zweck (§ 3). Dabei ist insbesondere die bisher nur höchst unzureichend angesprochene Frage zu klären, inwieweit ein drohender Schadensersatzanspruch den Individualrechtsschutz überhaupt tangiert (§ 3 B). Ausgehend von der Konkursantragsentscheidung326 und der in der Literatur teilweise vertretenen Auffassung327 ist sodann auf das Verhältnis zwischen den prozeßrechtlichen und materiell-rechtlichen Normen einzugehen (§ 4). Dabei können sowohl die prozessualen Spezialtatbestände als auch das von der Prozeßordnung vorgegebene Pflichtengefüge einen Ausschluß oder eine Modifizierung des materiellen Haftungsrechts bewirken. 325 326 327
Pecher, S. 70 BGHZ 36, 18 siehe oben § 1 B I 2
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§ 1 Unberechtigte Prozeßeinleitung in Lehre und Rechtsprechung
Im dritten und letzten Teil der Arbeit soll schließlich versucht werden, unter Zugrundelegung der aufgezeigten Lösungsmodelle328 und unter systemgerechter Einordnung der Sonderfälle unberechtigter Schutzrechtsberühmungen und der Vollstreckungshaftung, eine Kollisionslösung zu entwickeln. Dabei stehen die Statuierung einer Sonderhaftung (§ 5), die Begrenzung auf vorsätzlich- sittenwidriges Fehlverhalten (§ 6) und schließlich eine Haftungsprivilegierung innerhalb der herkömmlichen Haftungssystematik (§ 7) zur Debatte.
328
siehe oben § 1 B Il, III
Zweiter Teil
Der Prozeß als soziale Institution: Verfassungsrechtliche und prozessuale Wertentscheidungen im zivürechtlichen Haftungssystem Die Arbeit befaßt sich mit der Frage nach Schadensersatzansprüchen aus der unberechtigten Einleitung eines Verfahrens. Anknüpfungspunkt zur Lösung dieses Problems ist zunächst das zivilrechtliche Haftungssystem, das augenscheinlich nicht nach der Art der schädigenden Handlung differenziert und mithin bei der verfahrensdeterminierten Verletzung de1iktisch geschützter Rechtsgüter oder vertraglicher Pflichten eine strikte Verschuldenshaftung statuiert. Die Alternative ist eine ergänzende und korrigierende Auslegung und Rechtsfortbildung der bestehenden Zivilrechtsnormen im Hinblick auf eine Haftungsrestriktion, deren externe Grenze eine Beschränkung auf die vereinzelten Ausgleichsvorschriften der Zivilprozeßordnung darstellte. Inwieweit die Zwischenschaltung einer staatlichen Streitentscheidungsinstitution in die Beziehungen zweier Privatrechtssubjekte eine solche Korrektur gebietet, ist eine Wertungsfrage. Richtschnur dieser am positiven Recht ausgerichteten Wertung ist neben der Funktion des Prozesses, die sich in der Ausgestaltung der Verfahrensordnung manifestiert, vornehmlich die Verfassung, deren objektive Wertordnung auch auf die Privatrechtsordnung ausstrahlt!. Damit ist der Doppelcharakter der Grundrechte als Abwehrrechte gegenüber der Staatsgewalt und objektive Elemente der Gesamtrechtsordnung angesprochen, der eine differenzierte Grundrechtswirkung im Verhältnis Staat-Bürger einerseits und Bürger-Bürger andererseits bedingt2 • Dabei ist allerdings bei einer Überlagerung des materiellen Rechts und des Prozeßrechts durch die lediglich einen Rahmen absteckende Verfassung3 größtmögliche Zurückhaltung geboten4 . Andererseits 1 BVerfGE 25, 256, 263; BVerfGE 30, 173, 188; 52, 131, 165 f; Dürig in Maunz, TheodorlDürig, GünterlHerzog, Roman: Grundgesetz, Band 1, Präambel-Art. 19 GG, Art. 1 Rn. 132; Hesse, Konrad: Grundzüge des Verfassungsrechts, 1982, Rn. 290 ff; Stein, Ekkehard, Staatsrecht, 1976, S. 247 2 Hesse, K., Rn. 279 ff; Dürig in MaunzIDürig, Art. 1 Rn. 131 ff; Lorenz, Dieter: Grundrechte und Verfahrensordnungen, in: NJW 1977, 869 3 Stein, E., 46, 252; Hesse, K., Rn. 19 ff 4 Benda, Ernst: Formerfordernisse im Zivilprozeß und das Prinzip der Fairness, in: ZZP 98 (1985), 373; Stürner, Rolf: Die Einwirkungen der Verfassung auf das Zivilrecht und den Zivilprozeß, in: NJW 1979, 2338, der sehr plastisch von einem wenig ratsamen
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Vorbemerkung zum 2. Teil
kann eine mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsschutzgewährleistung im Privatrecht nicht ohne Einfluß auf die Auslegung und Konkretisierung der zivilrechtlichen Haftungsvorschriften sein. Vielmehr kommt eine im Wege der Rechtsfortbildung zu erreichende Haftungsprivilegierung dann in Betracht, wenn eine strikte Anwendung des Haftungsrechts eine derartige Zugangshürde zu den staatlichen Rechtspflegeinstitutionen errichtet, daß das verfassungsmäßige Recht faktisch ausgehöhlt und damit inhaltsleer ist. Dies ist der berechtigte Kern und der dogmatische Anknüpfungspunkt der zumeist nur vom Rechtsgefühl5 getragenen Sorge um eine Verkümmerung des Rechtsschutzes. Es wird daher zu untersuchen sein, inwieweit die Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes verfassungsrechtlich verankert ist und von drohenden Schadensersatzsanktionen tangiert wird. Neben der Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Wertsystems sind auch Zweck und Funktion des Zivilprozesses als Wertungsbasis mit heranzuziehen. Eine solche teleologische Betrachtungsweise ist nicht nur für die Auslegung zivilprozessualer Vorschriften überwiegend anerkannt6 , sondern beeinflußt auch Wertentscheidungen des materiellen Rechts7 . Insoweit können sowohl das auf Rechtsverwirklichung gerichtete Ziel des Prozesses als auch die beschränkten und möglicherweise abschließenden Schadensausgleichsvorschriften des Verfahrensrechts (§§ 91 ff, 302 Abs. 4 S. 2, 600 Abs. 2, 641 g, 717 Abs. 2, 3, 945, 840, 1042 c Abs. 2 S. 2 ZPO) materiell-rechtliche Schadensersatzansprüche ausschließen oder diese mindestens modifizieren.
Eingriff in das dogmatisch hoch entwickelte und filigrane System des Zivil- und Zivilprozeßrechts mit dem groben Raster der Verfassung spricht 5 siehe oben § 1 B 1a, bb 6 Rimmelspacher, Bruno: Zur Prüfung von Amts wegen im Zivilprozeß, 1966, S. 10; Gaul, Hans Friedhelm: Zur Frage nach dem Zweck des Zivilprozesses, in: AcP 168 (1968),44; Stümer, Rolf: Die Aufklärungspficht der Parteien des Zivilprozesses, 1976, S. 30; Arens, Peter: Prozeßrecht und materielles Recht, in: AcP 173 (1973), 254; a.A. Hippel, Fritz von: Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozeß, 1939, S. 170 ff; ders.: Zur modemen konstruktiven Epoche der "deutschen Prozeßrechtswissenschaft", in: ZZP 65 (1952), 424 ff, der dort eine Orientierung am Zweck des Prozesses polemisch als "prozessuale Rechtsphilosophie im Westentaschenformat" bezeichnet 7 Henckel, Prozeßrecht, S. 41,62
§ 2 Verfassungsrechtliche Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes A. Legislative Standortbestimmung der Rechtsschutzgarantie im Zivilrecht
In einem rechtsstaatlichen Gemeinwesen ist privater Zwang zur Durchsetzung von Rechten grundsätzlich verboten!. Zwar ist ein solches Selbsthilfeverbot nicht unabdingbare Voraussetzung einer stabil existierenden Gesellschaft, wenngleich mit zunehmender Komplexität und Differenziertheit jeder Gesellschaftsform eine Strukturierung und Kanalisierung der entstehenden Konflikte erforderlich ist2 . Eine von Recht und Gerechtigkeit getragene Konfliktlösung, die ein faktisches Recht des Stärkeren ausschließt, bedingt hingegen zwingend die Zuweisung auch privatrechtlicher Streitigkeiten an den sachlich und persönlich unabhängigen Richter. Das Verbot privater Selbsthilfe ist daher nur partiell eingeschränkt. Gegenüber der Anrufung der Staatsgewalt in dem dafür vorgesehenen Verfahren ist die Selbsthilfe subsidiär (" ... soweit obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist", § 229 BGB). Dem staatlichen Zwangsmonopol und dem Verbot der Selbsthilfe entspringt zugleich eine Pflicht des Staates und ein entsprechender Anspruch des Bürgers auf Rechtsschutzgewährung durch ein rechtsstaatlich-förmliches Verfahren. Der Justizgewährungs- oder Justizanspruch ist ein subjektiv öffentliches Recht3 gegen den Staat und wird von diesem durch das Bereitstellen von Rechtspflegeorganen erfüllt 4 • Dieses jedermann zustehende Recht ist rein formaler NaturS, das nicht die inhaltliche Richtigkeit der begehrten Entschei1 Baur, Fritz: Der Anspruch auf rechtliches Gehör, in: AcP 153 (1954), 396; Stein! Jonas/Schumann, Einl Rn. 201; ders., JA 1974, 97; Palandt, Otto: Das Bürgerliche Gesetzbuch, 1988, Überbl v § 226 Anm. 1 2 Luhmann, Niklas: Legitimation durch Verfahren, S. 100 ff 3 Baumgärtel, Gottfried: Die Unverwirkbarkeit der Klagebefugnis, in: ZZP 75 (1962), 392; Blomeyer, Arwed: Der Rechtsschutzanspruch im Zivilprozeß, in: Festschrift für Eduard Bötticher, 1969, S. 67; Groh, Wilhelm: Der Anspruch auf Rechtspflege, in: ZZP 51 (1926), 158; Goldschmidt, S. 78, 138,263; Hellwig, K., System I, S. 296; Stein!Jonas/Schumann, Einl Rn. 211; a.A. Habscheid, Walter: Der Anspruch auf Rechtspflege, in: ZZP 67 (1954), 194, der den Justizanspruch als "Reflexrecht" des objektiven Rechts darstellt 4 BGHZ 37,113,120 5 dadurch unterscheidet sich der Justizanspruch von dem auf Wach [Handbuch des Civilprozeßrechts, Bd. I, 19 ff) zurückgehenden sogenannten Rechtsschutzanspruch, der nicht nur auf eine Entscheidung, auf ein gerichtliches Tätigwerden schlechthin, sondern vielmehr auf eine der Prozeßpartei günstige Entscheidung gerichtet ist. Eine Aus6 Gölz
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§ 2 Verfassungsrechtliche Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes
dung, sondern ausschließlich das äußere Verhalten der Rechtspflegeorgane umfaßt6 • Während sowohl die Existenz des Justizanspruchs als auch seine prinzipielle verfassungsrechtliche Verankerung heute nicht mehr bestritten sind7 , besteht immer noch Ungewißheit darüber, welche Normen der Verfassung im einzelnen den Anspruch sichern8 •
I. Die Verfahrensgrundrechte 1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)
Den seit jeher geltenden Grundsatz der "Gewährung rechtlichen Gehörs9 " hat das Grundgesetz in Verfassungsrang erhoben und damit für die Pareinandersetzung mit dem von Blomeyer, A., (III), S. 61 ff; ders., Zivilprozeßrecht, Erkenntnisverfahren, 1985, § 1 III und Pohle [Stein/Jonas/Pohle, Ein!. E I 3 wörtlich wiedergegeben bei Stein/Jonas/Schumann, Einl Rn. 216-222] wiederbelebten Anspruch ist vorliegend entbehrlich, da allein die Frage nach der Zugangsgarantie zum Gericht überhaupt und deren verfassungsrechtliche Verankerung für eine Auslegung und Rechtsfortbildung materiell-rechtlicher Vorschriften von Bedeutung ist; vg!. aus der umfangreichen Literatur zu Inhalt und Natur des Rechtsschutzanspruchs Rosenbergl Schwab, ZPR, § 3 11; Schwab, Karl Heinz: Zur Wiederbelebung des Rechtsschutzanspruchs, in: ZZP 81 (1968), 412 ff; Stürner, Aufklärungspflicht, S. 31 Fn. 5; Vollkommer, Max: Der Anspruch der Parteien auf ein faires Verfahren im Zivilprozeß, in: Gedächtnisschrift für Rudolf Bruns, 1980, S. 198; Mes, Peter: Der Rechtsschutzanspruch, 1970, S. 27 ff 6 Schwab, ZZP 81 (1968),412 7 BGHZ 37,113,120; Baur, AcP 153 (1954), 396; Baumgärtel, ZZP 75 (1962),385; Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 1 III; ders., (III), 61 ff; Bötticher, Eduard: Buchbesprechung von Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, in: ZZP 74 (1961), 317; Dütz, Wilhelm: Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, 1970, S. 59 f; Häsemeyer, Ludwig: Die Erzwingung richterlicher Entscheidungen, mögliche Reaktionen auf Justizverweigerungen, in: Festschrift für Karl Michaelis, 1972, S. 135; Herzog in MaunzlDürig, Art. 20 Rn. 11; Lorenz, Dieter: Grundrechte und Verfahrensordnungen, in: NJW 1977,870; RosenberglSchwab, § 3 I; Stein/Jonas/Schumann, Ein!. Rn. 204; Stürner, Aufklärungspflicht, S. 31 ff; ders.: Die Einwirkungen der Verfassung auf das Zivilrecht und den Zivilprozeß, in: NJW 1979, 2336; Vollkommer, (I), S. 198; ZöllerNollkommer, Ein!. Rn. 49 8 Zur Herleitung herangezogen werden zum einen die Verfahrensgrundrechte, zum anderen das Rechtsstaatsprinzip i.V.m. den im Einzelfall betroffenen materiellen Grundrechten; siehe zum Meinungsstand Vollkommer, (I), S. 198 ff, der den Justizanspruch durch ein umfassendes Recht auf ein faires Verfahren überlagert sieht und daher für obsolet hält; siehe auch Stürner, Aufklärungspflicht, S. 31 ff; die Bestimmmung des Art. 6 Abs.l S. 1 der europäischen Menschenrechtskonvention (MRK), die über Art. 103 GG hinaus einen umfassenden Anspruch auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren garantiert und damit auch den Zugang zu Gericht umfaßt, soll bei der Untersuchung außer Betracht bleiben, da der MRK kein Verfassungsrang, sonder nur der Rang einfachen Bundesgesetzes zukommt [Dürig in MaunzIDürig, Art. 1 Rn. 59; Hesse, Konrad, Rn. 278; Kleinknecht, TheodorlMeyer, Karlheinz: Strafprozeßordnung, 1987, vor Art. 1 MRK Anm. 2] 9 Baur, AcP 153 (1954), 393; Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 16; Zeuner, Albrecht: Der Anspruch auf rechtliches Gehör, in: Festschrift für Hans earl Nipperdey, Bd. I, 1965, S. 1013; siehe schon Ssp. Ldr. 162, § 7
A. Legislative Standortbestimmung der Rechtsschutzgarantie
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teien des Zivilprozesses ein echtes - mit der Verfassungsbeschwerde (§ 90 BVerfGG) verfolgbares - Verfahrensgrundrecht geschaffen. Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den am Rechtsstreit beteiligten Parteien nicht nur ein Recht auf Äußerung, sondern verpflichtet das Gericht auch zur Kenntnisnahme und entsprechenden Berücksichtigung des Parteivortrags lO • Die zunehmende Anzahl der Entscheidungen, mit denen das Bundesverfassungsgericht fachgerichtliche Urteile und Beschlüsse wegen Verletzung des Art. 103 GG aufhebt ll , zeigen die besondere Relevanz dieses aus der Achtung der Würde der menschlichen Persönlichkeit folgenden Grundrechts 12 • Umstritten ist allerdings, ob hier der Justizanspruch seine Grundlage findet, oder ob Art. 103 Abs. 1 GG lediglich in einem schon eröffneten Verfahren Mindestgarantien schafft, mithin den freien Zugang zu Gericht voraussetzt oder hingegen selbst garantiert. Ein Teil der Lehre sieht den öffentlich-rechtlichen Justizanspruch in dem Grundrecht des rechtlichen Gehörs verankert 13 . Danach steht einem umfassenden Rechtsprechungsmonopol der Gerichte eine fehlende verfassungsrechtliche Anerkennung des Justizanspruchs gegenüber. Diese Lücke will Baur 14 durch die Anwendung des Art. 103 Abs. 1 GG schließen. Diese Auffassung wird überwiegend unter Hinweis auf den Wortlaut der Bestimmung und die historische Entwicklung - mit dem schon vor konstitutionell bestehenden Anspruch auf rechtliches Gehör sei ein Anspruch auf Zugang zu Gericht niemals in Verbindung gebracht worden 15 - abgelehnt 16 • In der Tat spricht mehr dafür, in Art. 103 Abs. 1 GG keine allgemeine Rechtsschutz-, sondern vielmehr eine rechtsstaatliehe Verfahrensgarantie zu sehen, die nur das Wie des Verfahrensablaufs, nicht aber das Ob des Zugangs zu Gericht beinhaltet. Dies spricht allerdings nur gegen eine isolierte Begründung des Justizanspruchs durch Art. 103 Abs. 1 GG, nicht aber gegen dessen ergänzende Her-
10 BVerfGE 42, 364, 367 f; 46,185,187; 46, 315, 319; 47,182,187; 51,126,129; 52, 131,203; MDR 1986, 23 11 siehe dazu Schumann, Ekkehard: Die Wahrung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs, in: NJW 1985, 1134; ders.: Bundesverfassungsgericht, Grundgesetz und Zivilprozeß, in: ZZP 96 (1983), 140 ff, 148; Zuck, Rüdiger: Die Beseitigung groben prozessualen Unrechts, in: NJW 1985, 921 12 RosenberglSchwab, § 85 I; SteiniJonas/Schumann, Einl Rn. 504 13 Baur, AcP 153 (1954), 393 ff; ihm folgend Däubler, Wolfgang: Bürger ohne Rechtsschutz, in: BB 1969, 550; Nakano, Teiechino: Das Prozeßrechtsverhältnis, in: ZZP 79 (1966), 109 f 14 Baur, AcP 153 (1954), 398 15 Dütz, (I), S. 77 16 Zeuner, (11), S. 1017; Lerche, Peter: "Zum Anspruch auf rechtliches Gehör", in: ZZP 78 (1965), 6 f; MaunzIDürigJHerzog, Art. 103 Rn. 88, 97; Dütz, (I), S. 76; Hummer, Rüdiger: Justizgewährung und Justizverweigerung, Diss. 1972, S. 100 ff; Lorenz, Dieter: Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, S. 238; Rosenbergl Schwab, § 85 I
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§ 2 Verfassungsrechtliche Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes
anziehung 17 • Im übrigen wird bei der strikten Ablehnung der Lehre Baurs ein Teilaspekt übersehen. Der Inhalt des Justizanspruchs ist dynamisch ausgestaltet und unterliegt einer der Prozeßentwicklung typischen Veränderung 18 • Die im Laufe des Verfahrens entstehenden Rechte auf Anberaumung von Terminen, auf Durchführung von Beweiserhebungen und Berücksichtigung des jeweiligen Parteivortrags auch in der Entscheidung sind jedenfalls als Teilbereich des Justizanspruchs von Art. 103 Abs. 1 GG gedeckt. 2. Relevanz der Rechtsweggarantie des Art. 19 IV GG
Art. 19 IV GG statuiert das Prinzip individuellen, subjektiven Rechtsschutzes. Dabei geht diese Garantie effektiven Rechtsschutzes 19 insoweit über den Justizgewährungsanspruch hinaus, als sie nicht nur formaler, abstrakter Natur ist, sondern einen Anspruch auf eine Entscheidung in der Hauptsache begTÜndet2o • Art. 19 IV GG ist jedoch im Verhältnis Bürger-Bürger schlechthin nicht anwendbar, da er ausdrücklich auf den Teilbereich des Subjektionsverhältnisses öffentliche Gewalt-Bürger beschränkt ist. Der Begriff öffentliche Gewalt im Sinne des Art. 19 IV GG umfaßt dabei grundsätzlich nur die vollziehende Gewalt in der Ausübung hoheitlicher Befugnisse, nicht aber die rechtsprechende Gewalt21 . Aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 IV GG läßt sich daher ein verfassungsrechtlich gewährleisteter gerichtlicher Rechtsschutz im Bereich des Privatrechts nicht folgern 22 • 3. Gmndrecht auf ein faires Verfahren?
In neuerer Zeit ist der Versuch unternommen worden, den Justizanspruch durch ein allgemeines Rechtsschutzgrundrecht auf Durchführung eines fairen Verfahrens zu absorbieren23 . In der Tat hat das Bundesverfassungsgericht das Recht auf einen fairen Prozeß, zunächst im Strafverfahren, später auch im Zwangsversteigerungsrecht in den sogenannten Zuschlagsfällen anerkannt24 • Stümer, Aufklämngspflicht, S. 42 Groh, Wilhelm, ZZP 51 (1926), 148 ff; Vollkommer, (I), S. 197 19 BVerfGE 40, 272, 275 20 Bettermann, Kar! August, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Grundrechte, Bd. 111/2, Rechtspflege und Grundrechtsschutz, 1959, S. 784 21 Art. 19 IV GG gewährt nur Schutz durch, nicht gegen den Richter; BVerfGE 10, 264,267;24,33,49;49,329,340 22 Lerche, ZZP 78 (1965), 8; Lorenz, Dieter, NJW 1977, 870; Kloepfer, Michael: Verfahrensdauer und Verfassungsrecht, in: JZ 1979, 212, 215; Dütz, (I), S. 71 f; Herzog in MaunzlDürig, Art. 20 Rn. 11; Stümer, Aufklärungspflicht, S. 41; Fechner, Erich: Kostenrisiko und Rechtswegsperre, in: JZ 1969, 349; Schumann, Ekkehard: Der Zivilprozeß als Rechtsverhältnis, in: JA 1974, 99; Baur, AcP 153 (1954), 398; a.A. Bötticher, ZZP 74 (1961), 317 23 Vollkommer, (I), S. 212 ff 17
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A. Legislative Standortbestimmung der Rechtsschutzgarantie
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Diese Rechtsprechung gewährleistet die rechtsstaatliche Ausgestaltung des Verfahrens dort, wo der hoheitlich handelnde Staat dem Bürger im grundrechtsrelevanten Bereich gegenübertritt. Der Anspruch auf ein faires Verfahren konkretisiert damit das Rechtsstaatsprinzip mit der Folge, daß der einzelne nicht Objekt staatlichen Handeins ist, sondern sein Recht eigenverantwortlich wahrnehmen und durchsetzen kann. Vollkommer kehrt die These des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Pflicht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes einen Anspruch auf ein faires Verfahren einschließe, um und folgert aus dem Recht auf faire Verfahrensführung ein grundrechtlieh abgesichertes Recht auf Zugang zu Gericht für den gesamten Bereich des Zivilprozesses25 . Diese Argumentation begegnet Bedenken. Zum einen setzt die von Vol/kommer herangezogene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in den betroffenen Teilbereichen hoheitliche Eingriffe des Staates in grundrechtlieh geschützte Positionen des einzelnen - eine Garantie effektiven Rechtsschutzes, der sich dort aus Art. 19 IV GG ergibt, bereits voraus. Es kann daher nicht aus dem derart entwickelten Recht auf ein faires Verfahren zurückgeschlossen werden auf eine einheitliche, für den gesamten Zivilprozeß geltende Gerichtsschutzgarantie, die es erst noch zu beweisen gilt. Im übrigen erscheint es fraglich, ob das Recht auf ein faires Verfahren überhaupt das Ob des Verfahrenszugangs und nicht vielmehr, ähnlich wie der Anspruch auf rechtliches Gehör, primär das Wie der Verfahrensgestaltung gewährleistet. Gewichtiger ist jedoch, daß das Bundesverfassungsgericht in der Arzthaftungsentscheidung26 die für die Verfahren der Zwangsversteigerung gezogenen Folgerungen gerade nicht verallgemeinernd auf das zivilrechtliehe Erkenntnisverfahren ausgedehnt hat27 . Dies erklärt sich daraus, daß der Konflikt im Zivilprozeß ausschließlich zwischen den Privatrechtssubjekten stattfindet und dem Staat nur die Rolle des Vermittlers zukommt. Soweit daher unmittelbar grundrechtliehe Positionen der Verfahrensbeteiligten nicht tangiert sind, beschränkt sich das Recht auf ein faires Verfahren im Zivilprozeß auf eine objektive und unparteiische Verhandlungsführung und Verwertung des beiderseitigen Parteivorbringens28 • Kommt man schon lediglich durch eine undifferenzierte Aneinanderreihung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu einem allgemeinen verfassungsrechtlichen Prozeßgrundsatz des fairen Verfahrens, kann jeden24 BVerfGE 10, 164,268; 42, 64, 73; 46, 202, 210; 46,325,334; 49, 220, 225; 51,150, 156; siehe zur Entwicklung der Judikatur des BVerfG ausführlich Schumann, ZZP 96 (1983), 166 ff 25 Vollkommer, (I), S. 218 26 BVerfGE 52, 131, 155 27 Die vier dissentierenden Richter des 2. Senats haben allerdings eine Verpflichtung des Gerichts, für ein faires Verfahren Sorge zu tragen, auch auf das zivilprozessuale Erkenntnisverfahren erstreckt, BVerfGE 52,113,145 28 Benda, ZZP 98 (1985), 375
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§ 2 Verfassungsrechtliche Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes
falls ein allgemeiner, grundrechtlich gewährleisteter Anspruch auf Zugang zu Gericht daraus nicht geschlossen werden. Aus den Verfahrensgrundrechten läßt sich damit ein verfassungsrechtlich verankerter Justizanspruch im Privatrecht nicht herleiten 29 • Es stellt sich damit abschließend die Frage, ob der Justizanspruch allein objektiv verfassungsrechtlich oder auch grundrechtlich abgesichert ist.
11. Materielle Grundrechte und Rechtsstaatsprinzip Ein wesentliches Element des in Art. 20 Abs. 2,3, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG verbürgten Rechtsstaatsprinzips ist die Rechtsweggarantie 30 . Die Anerkennung rechtsstaatlicher Prinzipien durch das Grundgesetz schließt damit zugleich auch einen umfassenden Gerichtsschutz im Bereich des Privatrechts ein31 . Jede Rechtsposition gewinnt erst durch die dahinter stehende Möglichkeit ihrer jederzeitigen Durchsetzung an Bedeutung. Vor dem Hintergrund des staatlichen Selbsthilfeverbots geschieht die Rechtsverwirklichung ausschließlich mittels legalem Zwang - im Privatrecht durch Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren -, den jeder Rechtsgenosse für sich in Anspruch nehmen können muß. Eine weiterentwickelte, moderne Grundrechtsinterpretation führt nunmehr zu der Einsicht, den Gerichtsschutz unmittelbar den materiellen Grundrechten zu entnehmen32 • Dieses vom Bundesverfassungsgericht zunächst anhand der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG entwickelte Grundrechtsverständnis33 ist inzwischen auf breiter Basis auch auf andere grundrechtsrelevante Bereiche ausgedehnt worden34 • Dabei ist diese Judikatur nicht auf das Staat-BürgerVerhältnis beschränkt. Vielmehr folgerte das Bundesverfassungsgericht die Garantie effektiven Rechtsschutzes auch in einem Zivilrechtsstreit zweier 29 Auch Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, die Garantie des gesetzlichen Richters, setzt die Rechtswegeröffnung voraus; Kloepfer, JZ 1979, 213; Dütz, (I), S. 74; das BVerfG hat einmal in der Nichterledigung einer Sache einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG gesehen, BVerfGE 3, 359, 364, dies jedoch in einer späteren Entscheidung wieder relativiert, BVerfGE 13, 132, 144 30 Benda, Ernst: Handbuch des Verfassungsrechts, S. 482,494 31 h.M. Dütz, (I), S. 97 ff, 113; Bettermann in BettermannlNipperdey/Scheuner, S. 559, 788; Fechner, JZ 1979, 349; Stürner, Aufklärungspflicht, S. 39; Rosenberg/ Schwab, § 85 I; Schumann, ZZP 96 (1983), 170; Herzog in MaunzlDürig, Art. 20 Rn. 11 32 Benda, Handbuch des Verfassungsrechts, 494; Lorenz, Dieter, NJW 1977, 870; Vollkommer, (I), S. 204 f; Hili, Hermann: Rechtsschutz des Bürgers und Überlastung der Gerichte, in: JZ 1981, 808 33 BVerfGE 35,348,361; 37,132,148; 42, 325, 334; 49, 220, 225; Schumann, ZZP 96 (1983),220 ff m.w.N. 34 BVerfGE 51, 150, 156; 53, 25, 28; 53, 352, 357; 54, 277, 291; 55, 171, 182; 57, 117,120
B. Inhalt und Tragweite der Rechtsschutzgarantie
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Privatrechtssubjekte um die Zulässigkeit einer Mieterhöhung nach dem Wohnraumkündigungsschutzgesetz aus dem materiellen Grundrecht des Art. 14 GG. Die partielle, aktionenrechtliche Betrachtung der Grundrechte nimmt ein Teil der Lehre zum Anlaß, den Justizanspruch über die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG insgesamt subjektiv-verfassungsrechtlich abzusichern 35 • Diese grundrechtliche Fundierung über die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie erscheint zu weitgehend. Der Gerichtsschutz ist nur dort grundrechtsimmanent, wo das Verfahren unmittelbar der Durchsetzung grundrechtlich geschützter Positionen dient36 . Dies ist weder bei einer auf Zahlung gerichteten Leistungsklage noch in nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten der Fall. Dabei besteht auch nicht die Notwendigkeit, dem einzelnen über Art. 2 Abs. 1 GG ein originäres Teilhaberecht an der staatlichen Konfliktlösung einzuräumen. Der Rechtsschutz suchende Bürger ist vielmehr im Wege derivativer Teilhabe über den Gleichheitssatz des Art. 3 GG vor einem Ausschluß des Rechtsweges geschützt. Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, daß ein Justizanspruch im Privatrecht zwar unumschränkt anzuerkennen ist, dessen verfassungsrechtliche Herleitung jedoch nicht einheitlich beantwortet werden kann. Während eine subjektiv-verfassungsrechtliche Absicherung aus dem konkret betroffenen materiellen Grundrecht erfolgt, soweit mit dem Verfahren diesem Grundrecht unmittelbar zur Durchsetzung verholfen werden soll, bleibt es im übrigen bei einer objektiv-verfassungsrechtlichen Verankerung des Justizanspruchs im Rechtsstaatsprinzip. B. Inhalt und Tragweite der Rechtsschutzgarantie
Die verfassungsrechtliche, partiell sogar grundrechtliche Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes wirft die Frage nach ihrer Relevanz für die privatrechtlichen Beziehungen der am Zivilrechtsstreit beteiligten Prozeßparteien auf. Unabhängig von hier nicht interessierenden Unklarheiten über den exakten Inhalt des Justizanspruchs im einzelnen37 , besteht heute kein Zweifel mehr darüber, daß Anspruchsverpflichteter ausschließlich der Staat ist, die vom Begriff der Rechtsschutzgarantie umfaßten Rechtsbeziehungen mithin allein öffentlich- rechtlicher Natur sind und das Verhältnis der Privatrechtssubjekte 35 Stümer, Aufklärungspflicht, S. 39 f; ders., NJW 1979, 2336; ders.: Parteipflichten bei der Sachverhaltsaufklärung, in: ZZP 98 (1985), 249; Lorenz, Dieter, NJW 1977, 870 36 vgJ. auch BVerfGE 52, 113, 156 f 37 hier sind insbesondere das im Zusammenhang mit der zunehmenden Überlastung der Gerichte diskutierte Postulat des Rechtsschutzes in angemessener Zeit zu erwähnen, siehe zu Kloepfer, JZ 1979, 209; Hili, JZ 1976, 805, sowie die Kontroverse um die prozessuale Aufklärungspflicht der Parteien, die Stümer, Aufklärungspflicht, S. 43,61, der auf erschöpfende Wahrheitsprüfung gerichteten Rechtsschutzgewährleistung entnimmt; dagegen Arens, ZZP 96 (1983) 1 ff
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§ 2 Verfassungsrechtliche Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes
unmittelbar nicht tangieren. Die Judikatur des BGH, die im Hinblick auf die freie Zugänglichkeit der staatlichen Rechtspflege eine Haftungsfreistellung statuiert38 , erinnert allerdings an die von Degenkolb entwickelte, heute jedoch nicht mehr erörterte Klagebefugnis 39 , die über den rechtsschutzgewährenden Staat hinaus auch auf den Verfahrensgegner projiziert ist. Obwohl der Justizanspruch nach heutigem Verständnis ein solches Klagerecht gegenüber dem Beklagten gerade nicht gewährt, läßt sich sicher nicht leugnen, daß das eine staatliche Konfliktentscheidung garantierende Rechtsstaatsprinzip zugleich das Risiko bedingt, mit einem Verfahren überzogen zu werden. Das Verbot der Selbsthilfe, das einen nicht kanalisierten "Kampf der Parteien" ausschließt, kommt auch dem Beklagten zugute. Die Gefahr, in einen nervenund zeitraubenden Prozeß verwickelt zu werden, ist gleichsam der Preis für die rechtsstaatlich gebotene Vermittlerrolle des Staates zur möglichst schonenden Konfliktlösung. Indessen ist damit noch nichts über die Zulässigkeit verfahrensdeterminierter Eingriffe in Rechtsgüter der jeweils anderen Prozeßpartei ausgesagt. Denn der gegen den Staat gerichtete Justizanspruch stellt keine materiell-rechtliche Erlaubnis für Beeinträchtigungen zivilrechtlich geschützter Positionen anderer dar. Die Verfassung trifft damit durch den Justizanspruch unmittelbar keine Entscheidung gegen eine Haftung des Klägers im Zivilprozeß40. Der Sorge um die Verkümmerung des Rechtsschutzes kann nicht dadurch begegnet werden, daß zivilrechtliche Sanktionen im prozessualen Bereich unter Hinweis auf den verfassungsrechtlich garantierten Zugang zu Gericht ausgeschlossen werden. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, daß das Verfahren selbst für den Gegner ebenfalls Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen zur Folge haben kann41 • Handgreiflich ist dies in besonderem Maße im Mobiliar- und Immobiliarvollstreckungsrecht, wo jede Vollstreckungsmaßnahme zugleich die unter dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG stehende Rechtsposition des Schuldners tangiert. Daneben sind, wie die Eingangsbeispiele verdeutlichen, über das oben angesprochene Rechtsstaatsrisiko hinaus Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. S. 1 GG), der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG) denkbar. Hier ließe sich, umgekehrt argumentiert, eine Beschränkung haftungsrechtlicher Sanktionen mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen kaum vereinbaren. Damit sind allerdings Ausstrahlungen der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgewährleistung auf das zivilrechtliche Haftungssystem keineswegs aussiehe oben 1. Teil, § 1 B I 1 u. IV 1 Degenkolb, Heinrich: Einlassungszwang und Urteilsnorm, Neudruck der Ausgabe 1877,1969, S. 1 ff,41 40 so auch Hopt, Schadensersatz, S. 193 ff 41 Kloepfer, JZ 1979, 214 38
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B. Inhalt und Tragweite der Rechtsschutzgarantie
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geschlossen. Soweit der Justizanspruch grundrechtlieh verortet ist42 , wird der Bereich der sogenannten mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte tangiert. Diese haben zwar keine absolute Wirkung in das Privatrecht hinein. Der Richter hat jedoch bei der Auslegung und Konkretisierung wertausfüllungsfähiger und -bedürftiger Begriffe dem Einfluß der Grundrechte Rechnung zu tragen43 . Einbruchstelle einer solchen mittelbaren Grundrechtswirkung sind dabei die im Haftungsrecht zur Bestimmung von Rechtswidrigkeit oder Schuld zu beachtenden Sorgfaltsmaßstäbe des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Anforderungen an das Verhalten der Prozeßpartei können dann im Einzelfall mit Rücksicht auf das zu verwirklichende Grundrecht im Wege der Rechtsfortbildung graduell gemildert werden. Insoweit ist es dann allerdings weniger der Justizanspruch als das zugrunde liegende materielle Grundrecht, das eine Haftungsmodifizierung bedingen kann. Im übrigen gebietet der das Rechtsstaatsprinzip konkretisierende Justizanspruch nur dann eine Rechtsfortbildung im Zivilrecht, wenn das Haftungsrisiko des Verfahrensinitiators eine faktische Rechtswegsperre schafft. Darauf wird noch zurückzukommen sein. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß die auch im Zivilrecht bestehende Rechtsschutzgarantie allenfalls mittelbar auf das materielle Haftungsrecht Einfluß nimmt. Dabei ist jedoch stets auch die Rechtsposition des Verfahrensgegners zu beachten, die eine völlige Verdrängung deliktischer oder vertraglicher Haftungsnormen nicht zuläßt und im Einzelfall auch einer mit Rücksicht auf den Justizanspruch erfolgenden Haftungsprivilegierung entgegenstehen kann.
siehe oben § 2 A II Hesse, Konrad, Rn. 356; Dürig in Maunz/Dürig, Art. 1 Rn. 132; Stein, E., S. 249 ff; Lorenz, Dieter, NJW 1977, 869; grundlegend das Lüth-Urteil, BVerfGE 7, 198; BVerfGE 25, 256, 263; 30,173,188; NJW 1987,1929 42 43
§ 3 Funktion des Prozesses und Integritätsschutz Die funktionelle Verknüpfung von sachlichem Recht und Verfahrensrecht ist schon mehrfach angesprochen worden. Während jenes das menschliche Zusammenleben durch die Statuierung subjektiver Rechte und Pflichten als ihm typische Strukturform regeltI, ist dieses auf die Verwirklichung der Privatrechte durch Gewährung staatlicher Rechtspflege ausgerichtet. Zivil- und Prozeßrecht sind dabei - ohne einer monistischen Betrachtungsweise das Wort zu reden 2 - keine in sich geschlossenen Systeme, sondern Objekte übergreifender, verbindender Wertungen 3 • Dies führt nicht nur zu einer Transformation materiell-rechtlicher Wertungen in das Verfahrensrecht, die dann Kriterium der Auslegung und Fortbildung prozessualer Normen darstellen 4 • Umgekehrt kann die Funktion des Zivilprozesses auch Einschränkungen des materiellen Rechts bedingen. Für eine solche Einschränkung zivilrechtlicher Haftungsnormen plädiert die Judikatur, indem im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der - auch im öffentlichen Interesse - bestehenden RechtspflegeverfahrenS für prozessuales Verhalten eine rechtliche Sonderregelung geschaffen wird. Die Reduzierung des Zivilprozesses auf die ausschließliche Beteiligung subjektiver Interessen führt demgegenüber zu einer unterschiedslosen Beurteilung prozessualen und außerprozessualen Verhaltens6 . Im folgenden soll daher der Zweck des Zivilprozesses und seine Implikationen auf den materiell-rechtlichen Ausgleich verfahrensdeterminierter Schädigungen untersucht werden.
A. Der Zweck des Zivilprozesses J. Verwirklichung des Individualrechtsschutzes
Bei der Bestimmung der Zwecke des Zivilprozesses kann unmittelbar an die oben7 aufgezeigten verfassungsrechtlichen Komponenten angeknüpft werden. Vordringlichste Aufgabe des Zivilprozesses ist - vor dem Hintergrund des 1 Enneccerus, Ludwig/Nipperdey, Hans earl: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1960, 1. Halbband, § 3 V I, S. 196; Henckel, Prozeßrecht, S. 11 2 siehe zu dieser von Binder und Neuner vertretenen Identität von Rechtsordnung und Rechtsschutzordnung Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 46 3 siehe oben schon 1. Teil A III 4 siehe oben 1. Teil A III; Schumann bezeichnet dies als materiellrechtsfreundliche Auslegung des Verfahrensrechts, SteinlJonas/Schumann, Ein!. Rn. 68 ff 5 BGHZ 74,9, 15 6 Hopt, Schadensersatz, S. 195,251; Baumgärtei, Festschrift für Schima, S. 57 7 § 2 A
A. Der Zweck des Zivilprozesses
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Selbsthilfeverbots und der verfassungsrechtlich verankerten Pflicht des Staates zur Rechtsschutzgewährung - der Schutz der dem einzelnen von der Rechtsordnung zugewiesenen subjektiven Rechtes. Dem Prozeßrecht kommt damit eine dienende Funktion gegenüber dem materiellen Recht zu, das im konkreten Einzelfall das Mittel zur Verwirklichung subjektiver Privatrechte und - im grundrechtsrelevanten Bereich - der Grundrechte darstellt9 • Eine Abstrahierung des Prozesses vom materiellen Recht, die dazu führt, daß sich der Prozeß durch sich selbst legitimiertlO , ist ebenso abzulehnen wie seine Einordnung als rein technisches, ausschließlich von Zweckmäßigkeitsvorstellungen beherrschtes Recht ll . Die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts läßt heute keinen Zweifel an einer dienenden Funktion des Prozesses, der verfassungsrechtliche Vorgaben konkretisiert 12 • Gegen die Akzentuierung des Schutzes subjektiver Privatrechte als Zweck des Prozesses sprechen auch nicht die von Henckel 13 erhobenen Bedenken, eine Vielzahl prozessualer Institute setzten der Verwirklichung des materiellen Rechts Schranken mit der Folge, daß das Urteil von der wirklichen materiellen Rechtslage abweiche. Zum einen trägt die Ausgestaltung der Prozeßordnung den antinomischen Interessen der Parteien Rechnung. Zwar führt beispielsweise die Präklusion verspäteten Vorbringens zweifellos zu einer Beeinträchtigung materieller Rechtspositionen der betroffenen Partei. Zugleich jedoch geWährleistet gerade die Beschleunigung des Verfahrens die Durchsetzung der mit dem Prozeß verfolgten subjektiven Rechte des Gegners. Denn die sanktionslose Ver8 SteiniJonaslSchumann, Ein!. Rn. 7; Henckel, Prozeßrecht, S. 62 Rosenbergl Schwab, § 1, 1; Grunsky, Verfahrensrecht, § 111; Arens, ZZP 96 (1983), 11; Gaul, AcP 168 (1968), 46 ff; Rimmelspacher, (I), S. 13; Stürner, Aufklärungspflicht, S. 49; Blomeyer, Erkenntnisverfahren, S. 2; ZöllerNolikommer, Ein!. Rn. 39 ff 9 BVerfGE 42,64,73; 46, 325, 333; 52,131,164; Arens, AcP 173 (1973), 255; BGHZ 10,350,359 10 so der Systemtheoretiker Luhmann, der die Funktion des Prozesses auf die faktische Hinnahme der staatlichen Entscheidung reduziert; ähnlich Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 150 f, der die Herbeiführung von Rechtskraft zum Prozeßzweck erhebt. Diese rein formale Betrachtungsweise ist mit den Wertungen der Verfassung, die den einzelnen dem staatlichen Machtausspruch nicht lediglich als Objekt unterwirft, sondern im Rahmen der Gesetzmäßigkeit auch das Postulat gerechter Entscheidungen beinhaltet, nicht zu vereinbaren; zur Theorie Luhmanns kritisch Zippelius, Reinhold: Legitimation durch Verfahren?, in: Festschrift für Kar! Larenz, 1973, S. 293; Gilles, Peter: Verfahrensfunktionen und Legitimationsprobleme richterlicher Entscheidungen im Zivilprozeß, in: Festschrift für Gerhard Schiedermair, 1976, S. 183; SteiniJonas/ Schumann, Ein!. Rn. 23; Arens, Peter: Die Grundprinzipien des Zivilprozeßrechts, in: Humane Justiz, S. 2 f; Esser, Josef: Vorverständnis und Methodenwahl; 1970, S. 202 ff; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 47 f 11 zu dem berühmten Ausspruch Friedrich Steins, der Prozeß sei das technische Recht in seiner allerschärfsten Ausprägung, und dessen historischer Analyse siehe Gaul AcP 168 (1968), 28 ff 12 Schumann, ZZP 96 (1983),153; Stürner, Aufklärungspflicht, S. 48 f; Gilles, Festschrift für Schiedermair, S. 192 \3 Henckel, Prozeßrecht, S. 58
§ 3 Funktion des Prozesses und Integritätsschutz
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schleppung des Prozesses hat im Ergebnis deren Vereitelung zur Folge. Das Ordnungsgefüge des Prozesses steht damit im Spannungsverhältnis der konträren Parteiinteressen, ohne die externen Grenzen der aufgezeigten Prozeßtheorie zu verlassen. Zum anderen weist die Prozeßordnung den Parteien des Zivilprozesses im Rahmen der Dispositionsmaxime eine aktive Rolle im Verfahren ZU 14 . Anerkenntnis-, Verzichts- oder Versäumnisentscheidungen, die Diskrepanzen zur tatsächlichen materiellen Rechtslage aufweisen, stehen dann der Verwirklichung subjektiver Rechte nicht institutionell entgegen. Vielmehr zeigt sich darin die - freilich eingeschränkte - Fortgeltung des verfassungsrechtlich verankerten Prinzips der Privatautonomie auch im Prozeß. D. Bewährung der objektiven Rechtsordnung
In der Betonung des subjektiven Rechtsschutzes liegt freilich kein Rückfall in den Individualismus der liberalen Prozeßauffassung der Zivilprozeßordnung des Jahres 1877. Während diesem Modell die Vorstellung eines Parteienzweikampfs 15 zugrunde lag, ist unter der Geltung des Grundgesetzes heute weitgehend anerkannt, daß dem Zivilprozeß auch eine erhebliche soziale Bedeutung zukommt16 • Die Gesellschaft hat ein evidentes Interesse an einer staatlich vermittelten Konfliktlösung, die berechenbare Entscheidungen schafft und damit eine Garantie für die Einhaltung der Privatrechtsordnung bietet. Der Zivilprozeß schützt mithin als Institution zugleich das objektive Recht, er dient der Bewährung der objektiven Rechtsordnung17 . Dieser Bezug zur Gesamtrechtsordnung steht nicht im Widerspruch zur Betonung des subjektiven Rechtsschutzes. Schwerpunkt der Zweckrichtung ist der individuelle Rechtsschutz, den der einzelne mit dem Prozeß erstrebt. Die Wahrung objektiver Rechte ist lediglich Folgeerscheinung des Schutzes subjektiver Rechte und damit ohne isolierte Bedeutung18 •
Arens, ZZP 96 (1983), 11 Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 292, vergleicht den Prozeß mit dem Krieg; zur historischen Entwicklung instruktiv Gaul, AcP 168 (1968), 47 ff; Wassermann, Rudolf: Der soziale Zivilprozeß, 1978, S. 27 ff, 49 ff 16 Wassermann, Der soziale Zivilprozeß, S. 84 f, 190; Pawlowski, Hans-Marin: Zur Funktion der Prozeßkosten, in: JZ 1975, 199 f 17 SteinlJonas/Schumann, Ein!. Rn. 10; Gaul, AcP 168 (1968), 48; Bernhardt, Wolfgang: Auswirkungen von Treu und Glauben im Prozeß und in der Zwangsvollstrekkung, in: ZZP 66 (1953), 77; Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, S. 2; Rosenbergl Schwab, § 1 III 18 SteinlJonas/Schumann, Ein!. Rn. 10; Grunsky, Verfahrensrecht, § 1 11; Baur, summum ius, S. 103; Rimmelspacher, (I), S. 13; Stürner, Aufklärungspflicht, S. 52 f; Schumann, ZZP 96 (1983), 153 unter Hinweis auf die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere auf die Arzthaftungsentscheidung, BVerfGE 52, 131 ff 14 IS
B. Kollision zwischen Institutionenschutz und Integritätsschutz
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111. Sonstige Zwecke
Neben der Durchsetzung subjektiver Privatrechte und der daraus folgenden Bewährung der objektiven Rechtsordnung kommen dem Zivilprozeß eine Reihe weiterer, institutioneller Aufgaben zu. Die verbindliche richterliche Entscheidung schafft insbesondere Rechtsgewißheit und Rechtsfrieden zwischen den Parteien. Bestehende Gesetzeslücken werden von den Gerichten im Wege der Rechtsfortbildung geschlossen, das geltende Recht wird ergänzt und verfeinert. Diese und die darüber hinaus von der Wissenschaft angeführten Zweckrichtungen19 werden jedoch überlagert von den subjektiv-individuellen Interessen des einzelnen. B. Kollision zwischen Institutionenschutz und Integritätsschutz
Zu der aufgezeigten zentralen und notwendigen Position des subjektiven Rechts in einer freiheitlich konzipierten Privatrechtsordnung tritt ergänzend die Gemeinschaftsbezogenheit des Individuums hinzu. Die Beziehungen der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft zueinander sind durch Strukturen und Regeln institutionell vernetzt. Eine solche Institution in rechtlicher und soziologischer Hinsicht stellt auch das zivilprozessuale Erkenntnis- und Vollstrekkungsverfahren dar, dessen Schutzbedürfnis neben die Sicherung der privaten Herrschaftssphäre tritt. Dabei geht es im folgenden weniger um die von Raiser20 und Löwisch 21 postulierte Einordnung des Gedankens des Institutionenschutzes in die subjektiv-rechtlich ausgestalteten Deliktstatbe&tände, mit der Folge, die Abwehr- und Ausgleichsrechte des einzelnen als Reflexrechte aus dem Institutsschutz abzuleiten. Während nämlich dadurch institutionelle Elemente selbst dem Schutz der Privatrechtsordnung unterstellt werden, interessiert hier allein die Wechselwirkung zwischen der Institution Prozeßordnung einerseits und den Rechtsschutzinteressen der beteiligten Privatrechtssubjekte andererseits. I. Der Zivilprozeß als eigenständiger materiell-rechtlicher KonOiktstatbestand
Die verfassungsrechtliche und teleologische Analyse des Zivilprozesses lenkt den Blick vornehmlich auf dessen Rechtsschutzfunktion. Der leistungs19 siehe die Darstellung bei SteiniJonas/Schumann, Einl. Rn. 4 ff; Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 2 20 Raiser, Rechtsschutz und Institutionenschutz, in: summum ius summa iniuria, Individualgerechtigkeit und der Schutz allgemeiner Werte im Rechtsleben, Tübinger rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Band 9, 1963, S. 145 ff 21 Löwisch, Manfred: Der Deliktsschutz relativer Rechte, 1970, S. 122
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§ 3 Funktion des Prozesses und Integritätsschutz
unwillige Schuldner, der untreue Vertragspartner müssen mit Hilfe der staatlichen Konfliktlösungsmechanismen zu der von der Rechtsordnung oder der jeweiligen vertraglichen Gestaltung geforderten Leistung gezwungen werden können. Dabei ist der Zivilprozeß keineswegs nur auf die Durchsetzung wirklich bestehender, gleichsam zwischen den Parteien unstreitiger Rechtspositionen ausgerichtet. Diese Funktion des Prozesses mag zwar angesichts der überproportional hohen Anzahl von Mahnverfahren - 1979 waren es 4,3 Millionen22 -, von denen etwa 80 % ohne Widerspruch über den Vollstreckungsbescheid in die Zwangsvollstreckung übergeleitet wurden, insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Degression quantitativ überwiegen. Daneben ist jedoch gerade die Klärung entgegengesetzter Standpunkte dem kontradiktorisch ausgestalteten zivilprozessualen Erkenntnisverfahren wesensimmanent23 , mit der Folge, daß der Verfahrensinitiator auch vermeintliche Rechte zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens machen darf. Dafür spricht nicht nur, daß eine zuverlässige Prognoseentscheidung über den Ausgang eines Rechtsstreits angesichts eines immer komplizierter werdenden Rechtssystems häufig nicht möglich sein wird. Hinzu kommt auch, daß in vielen Fällen die Unsicherheit zwischen den Parteien über eine streitige Rechtsposition durch ein gerichtliches Verfahren bereinigt wird. Können nämlich Rechtsbehauptungen im außergerichtlichen Bereich weitgehend sanktionslos ignoriert werden, wird der Verfahrensgegner jedenfalls im Prozeß bestehende Angriffs- oder Verteidigungsmittel - möglicherweise erstmals - vorbringen und zur Entscheidung stellen. Die Herbeiführung einer für beide Parteien verbindlichen Konfliktlösung ändert jedoch nichts daran, daß die Einleitung eines Verfahrens selbst einen neuen materiell-rechtlichen Konfliktstatbestand schaffen kann. Bei Straf-, Verwaltungsgerichts- oder Disziplinarverfahren, bei denen der Staat dem einzelnen als Verfahrensbeteiligter gegenübertritt, sind Beeinträchtigungen der Rechtssphäre des Betroffenen besonders deutlich. Hier können sich die Belastungen gar als Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen auswirken 24 • Aber auch die einseitige Interessenverfolgung durch ein zivilprozessuales Erkenntnis- oder Vollstreckungsverfahren kann in vielfältiger Weise in den Rechtskreis der Verfahrensbeteiligten eingreifen. Neben den schon durch die Eingangsbeispiele verdeutlichten, über die eigentliche Anspruchsdurchsetzung hinausgehenden Beeinträchtigungen des psychischen und physischen Wohlbefindens, der Kreditwürdigkeit und des beruflichen Fortkommens, ist auch die streitige Rechtsposition selbst der wirtschaftlichen Disposition beider Parteien für die Dauer des Rechtsstreits entzogen. Beruft sich beispielsweise 22 Nachweis bei Steinbach, Elmar/Kniffka, Rolf: Strukturen des amtsgerichtlichen Zivilprozesses, 1982, S. 76 23 Zeuner, (I), S. 321; Pecher, S. 75 24 Kloepfer, JZ 1979, 214; ders.: Urteilsanmerkung zum Urteil des VG Berlin vom 25. 1. 1977, in: DVBI. 1977, 741
B. Kollision zwischen Institutionenschutz und Integritätsschutz
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der Werkunternehmer gegenüber der Herausgabeklage des Eigentümers auf ein vermeintliches Besitzrecht, ist dem Eigentümer die Nutzung seines Eigentums während eines möglicherweise durch umfängliche Beweisaufnahmen langwierigen Prozesses entzogen. Nimmt man hinzu, daß es sich dabei um einen Gegenstand (z.B. um einen Traktor) handelt, den der Kläger dringend für seinen (landwirtschaftlichen) Betrieb benötigt, sind existenzbedrohende wirtschaftliche Nachteile leicht vorstellbar. Eine solche, durch das Verfahren selbst entstehende neue Konfliktsituation, die von einem Mißbrauch der Rechtsverfolgung oder deren Berechtigung unabhängig ist, negiert auch der Bundesgerichtshof nicht25 • Er trennt jedoch bei deren Bewertung nicht sorgfältig zwischen der einseitigen, ausschließlich von egoistischen Motiven getragenen Interessenwahrnehmung der Prozeßpartei26 und den Folgen einer zur Konfliktlösung zwischengeschalteten staatlichen Institution. D. Das allgemeine Prinzip des umfassenden Integritätsschutzes 1. Das Gebot des neminem laedere
Die isolierte Betrachtung eines schädigenden Parteiverhaltens, sei es die Einleitung eines Verfahrens, sei es eine Prozeßparteihandlung während des Verfahrens, die die Mitwirkung staatlicher Rechtspflegeorgane zunächst vernachlässigt, führt zu einer individualistischen, auch den Schutz der Herrschaftssphäre des Verfahrensgegners berücksichtigenden Sichtweise. Hier ist es das Postulat eines umfänglichen Integritätsschutzes des einzelnen, auf dessen Verwirklichung die materiellen Regelungen des Vertrags- und Deliktsrechts gerichtet sind. Danach ist es ein allgemeines Grundprinzip, ein Elementarsatz unserer Rechtsanschauung27 , daß ein zurechenbares, schaden auslösendes Verhalten zur Wiedergutmachung des eingetretenen Nachteils oder Verlustes verpflichtet. Als Idealprinzip, das sich in dem Gebot des neminem laedere manifestiert, gewährleistet es die Abgrenzung der Rechtssphäre des einzelnen in der Gesellschaft und schützt präventiv und repressiv vor Eingriffen Dritter. Die Grundrichtung des materiellen Haftungsrechts geht demnach im Grundsatz dahin, jedem Privatrechtssubjekt einen Freiraum zu schaffen, der Beeinträchtigungen der Person oder des Vermögens durch schädigendes Verhalten gleich welcher Art ausschließt.
25 26 27
BGHZ 74,9, 15
Pecher, S. 76 Picker, AcP 183 (1983), 462
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§ 3 Funktion des Prozesses und Integritätsschutz
2. Einschränkungen des IdeaIprinzips
Das Haftungsrecht kann andererseits keine absolute Garantie der Person und des Vermögens gewährleisten28 • In einer Gesellschaft, die nicht nur die Herrschaftssphäre des einzelnen respektiert, sondern auch eine möglichst weitgehende Handlungsfreiheit postuliert, sind Überschneidungen und damit auch Schadensfolgen unvermeidbar. Der Satz neminem laedere ist daher zwar für eine rechtlich und rechtsstaatlich verfaßte Gesellschaft unverzichtbar, zugleich jedoch nur ein ideales Prinzip, das vielfältigen Einschränkungen unterworfen ist. Durch die Verknüpfung der Wiedergutmachungspflicht mit einem rechtswidrigen zurechenbaren Handeln, werden eine Reihe von schädigenden Verhaltensweisen im Hinblick auf die Sicherung vorrangiger Werte a priori von jeder Haftung ausgeschlossen29 • So erlaubt der Grundsatz des freien Wettbewerbs die Schädigung geschäftlicher Positionen von Mitbewerbern ebenso wie der Verbraucherschutz eine den Gewerbebetrieb beeinträchtigende Warenkritik oder der politische Wettbewerb Ehrverletzungen partiell zulassen. Eine solche apriorische Haftungsfreistellung ließe sich auch auf schadensstiftende Handlungen im prozessualen Raum wegen der Unverzichtbarkeit staatlicher Rechtspflege und insbesondere im Hinblick auf die prozessuale Entschluß- und Handlungsfreiheit des Einzelnen ausdehnen. Die Entschlußund Handlungsfreiheit sieht der BGHJO und auch das BVerfG31 durch eine drohende Schadensersatzpflicht der Prozeßpartei in unzumutbarer Weise beeinträchtigt, mit der Konsequenz, Schädigungen der jeweils anderen Partei weitgehend sanktionslos zu lassen. Dabei ist allerdings zu bedenken, daß Eingriffe in den Rechtskreis Dritter nur dann von vornherein haftungsirrelevant bleiben, wenn die schädigende Handlung Ausdruck eines besonderen subjektiven Rechts und nicht lediglich Ausfluß der allgemeinen, jedermann zustehenden natürlichen Freiheit ist32 . Die aufgezeigten verfassungsrechtlichen Wertungen können jedoch ein besonderes Recht zur Schädigung anderer Verfahrensbeteiligter schwerlich begründen, da diese primär im Verhältnis StaatBürger wirken und - unabhängig von möglichen Ausstrahlungen in den privatrechtlichen Bereich - jedenfalls keine materiellen Rechts- und Güterzuweisungen vornehmen. Die, der allgemeinen Handlungsfreiheit entspringende, prozessuale Entschluß- und Handlungsfreiheit kann demgegenüber das Prinzip des neminem laedere nicht verdrängen. Deutsch, Haftungsrecht, S. 4 Picker, AcP 183 (1983), 463 30 BGHZ 74,9, 17 31 BVerfG NJW 1987,1929 32 Protokolle der 1. Kommission, Prot. 1966 bei Jakobs, HeinrichlSchubert, Werner: Die Beratungen des Bürgerlichen Gesetzbuches in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichen Quellen, 1978-1983; Picker, AcP 183 (1983), 463 28
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Ob darüber hinaus dem Schutz der staatlichen Rechtspflege ein solcher Wertigkeitsvorrang zukommt, erscheint ebenfalls fraglich. Zum einen trifft die Zivilprozeßordnung anders als beispielsweise das Wettbewerbsrecht, mit Ausnahme der Haftung aus der Vollziehung vorläufiger, noch nicht bestandskräftiger Entscheidungen, keine dezidierten Regelungen über die Erlaubtheit und das Verbot schädigender Eingriffe in die Rechtssphäre des Verfahrensgegners. Im übrigen bedarf es zuvor einer Untersuchung der zumeist stillschweigend zugrunde gelegten Prämisse einer Präventivfunktion drohender Schadensersatzklagen und einer damit einhergehenden Beeinträchtigung staatlicher Rechtsschutzfunktionen. Das Postulat des neminem laedere bleibt damit zwar auch im verfahrensrechtlichen Bereich unberührt, steht jedoch zugleich in einem Spannungsverhältnis zur prozessualen Entschluß- und Handlungsfreiheit der Prozeßpartei und zum institutionellen Schutz des staatlichen Rechtsschutzverfahrens. 111. Beeinträchtigung von Rechtsschutz und RechtsstaatIichkeit durch drohende Schadensersatzsanktionen
Die Modifizierung haftungsrechtlicher Regelungen in Richtung auf eine Reduzierung des Integritätsschutzes des Verfahrensgegners wird regelmäßig auf die notwendige Aufrechterhaltung prozessualer Zwecke gegründet und mit dem Schlagwort der Verkümmerung des Rechtsschutzes auf eine griffige und nicht in Zweifel gestellte Formel gebracht33 • Die Vorstellung, der Kläger verzichte angesichts drohender, dem Umfang nach schwer prognostizierbarer Schadenssanktionen auf sein gutes Recht (respektive der Beklagte auf eine aussichtsreiche Rechtsverteidigung) ist in der Tat mit dem Primat des Rechts (-staates) nicht ohne weiteres vereinbar und tangiert daneben auch die Funktionsfähigkeit staatlicher Rechtspflegeeinrichtungen. Derartige Konsequenzen unbeschränkter Schadensersatzansprüche sind indessen kaum zu erwarten. Sie sind auch nicht empirisch nachzuweisen. 1. Präventivwirkung drohender Schadensersatzklagen
a) Wertungsparallele: Wirkung und Funktion der prozessualen Kostentragungspflicht
Die allseitig akzentuierte Sorge um eine Verkürzung der verfassungsrechtlich verankerten Rechtsschutzgewährleistung im Privatrecht impliziert eine Abschreckungswirkung durch eine undifferenzierte Anwendung vertraglicher oder deliktischer Haftungsnormen. Eine solche präventive Wirkung läßt sich 33
siehe oben 1. Teil, § 1 A IV
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jedoch angesichts fehlender Rechtstatsachenforschung allenfalls vermuten. Anhaltspunkte für eine Betonung oder Abmilderung der These können allerdings durch eine vergleichende Analyse mit anderen Zugangsschranken zu staatlichen Rechtspflegeinstitutionen gewonnen werden. Hierfür bietet sich die prozessuale Kostenerstattungspflicht des im Prozeß Unterlegenen an, die neben anderen Bedingungsfaktoren des Zugangs zum Gericht - psychologische, intellektuelle, zeitliche oder organisatorische Schwellen34 - gerade eine finanzielle Schranke errichtet und damit einer Schadensersatzpflicht wegen einer materiell ungerechtfertigten Prozeßführung durchaus vergleichbar ist. Auch der Angst vor der prozessualen Kostenlast, die mit Ausnahme der Sonderregelungen der §§ 93, 97 ZPO regelmäßig der zuletzt unterlegenen Prozeßpartei überbürdet wird, wird stillschweigend - ohne exakten Beleg35 eine die Prozeßfreudigkeit hemmende Wirkung beigemessen36 • Das präventive Moment, das für die Prozeßstrafen des römischen Formularprozesses und den Kalumnieneid des gemeinen Zivilprozesses typisch war37 , hat sich demnach auch für die verschuldensunabhängige Kostenhaftung des modernen Zivilprozesses scheinbar erhalten. Dabei wird eine solche Präventivwirkung gar für wünschenswert und notwendig erachtet, um unerwünschte Prozesse zu vermeiden38 und die Parteien auf die ökonomisch sinnvollere außergerichtliche Streiterledigung zu verweisen 39 • Den Prozeßkosten wird damit eine Präventivfunktion jedenfalls für aussichtsloses, mißbräuchliches oder leichtfertiges Prozessieren zugewiesen. Daneben hat eine von FechnerW eingeleitete Diskussion jedoch verfassungsrechtliche Bedenken an einem übermäßigen prozessualen Kostenrisiko hervorgerufen. Dabei wird eine erhebliche relative Kostenlast bei niedrigen und eine große absolute Kostenlast bei hohen Streit34 siehe dazu Wassermann, Rudolf: Justiz im sozialen Rechtsstaat, 1974, passim; ders. (I), passim; Bender, RolflSchumacher, Rolf: Erfolgsbarrieren vor Gericht, 1980, passim 35 Eine Umfrage des WDR im Jahre 1973 hat allerdings ergeben, daß sich mehr als die Hälfte der Befragten durch die Kosten von der Führung eines Prozesses abhalten lassen; Wassermann, (11), S. 135 36 Grunsky, Wolfgang: Empfehlen sich im Interesse einer effektiven Rechtsverwirklichung für alle Bürger Änderungen des Systems des Kosten- und Gebührensrechts? , Gutachten A für den 51. DJT, 1976, S. 9; Weitnauer, AcP 170 (1970), 439; Fechner, JZ 1975, 350; Hill, JZ 1981, 812; Baumgärtei, Gottfried: Chancengleichheit vor Gericht durch Pflichtrechtsschutzversicherung oder Prozeßhilfe?, in: JZ 1975, 426; ders., ZZP 86 (1973), 369; Pawlowski, JZ 1975, 198; Bokelmann, Erika: "Rechtswegsperre" durch Prozeßkosten, in: ZRP 1973, 164 37 Zeiss, Arglistige Prozeßpartei, S. 25 ff 38 BVerfGE 10, 264, 268; RosenbergiSchwab, § 87 V 5; SteiniJonaslLeipold, vor § 91 Rn. 4 a.E.; Görres, Kar! Heinrich: Haftung für Kosten und Schäden, in: ZZP 35 (1906), 339; Baumgärtei, ZZP 86 (1973), 369; Pawlowski, JZ 1975, 198; Hill, JZ 1981, 812 39 Blankenburg, ErhardlFiedler, Jann: Die Rechtsschutzversicherungen und der steigende Geschäftsanfall der Gerichte, 1981, S. 1 40 Fechner, JZ 1969, 349 ff
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werten konstatiert41 , die - insbesondere für die wirtschaftlich schwächere Prozeßpartei - zu einer faktischen Rechtswegsperre führe und deshalb mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar sei42 • Hier zeigt sich die Parallele zu den Vorbehalten gegenüber einer unbeschränkten Schadenshaftung der Prozeßpartei, allerdings mit dem Unterschied, daß die kostenrechtlichen Regelungen unmittelbar das Verhältnis Staat -Bürger betreffen. Die kritische These Fechners von der Verfassungswidrigkeit der prozessualen Kostenerstattungspflicht42 löste eine Flut von Lösungsvorschlägen aus, die von einer generellen43 oder teilweisen 44 Kostenbefreiung zulasten des Staates über die Einführung einer Pflichtrechtsschutzversicherung45 bis hin zu einer geänderten, flexibleren Streitwertfestsetzung und der Abschaffung des Anwaltszwanges 46 reichten. Durch die Änderung der Vorschriften über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zum 1. 1. 1981 und die gleichzeitige Harmonisierung der außergerichtlichen Rechtsberatung durch das Beratungshilfegesetz ist die Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit des Kostenrechts zunächst weitgehend zum Erliegen gekommen. Die Vehemenz der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, die auch breite Kreise der Öffentlichkeit für das Thema sensibilisierte, ist allerdings ein Indikator dafür, daß die Kostenangst nicht nur eine Zugangs barriere für "unerwünschte", d. h. mißbräuchliche oder querulatorische, sondern auch für solche Prozesse darstellt, die möglicherweise mit einem Sieg der Partei geendet hätten. Die Aussicht, nach einem verlorenen Prozeß nicht nur die eigenen, sondern auch die Kosten des Gegners sowie die Gerichtskosten und mögliche Zeugen- und Sachverständigenauslagen tragen zu müssen, kann für eine wirtschaftlich kalkulierende Partei durchaus ausschlaggebend sein, von einem Prozeß Abstand zu nehmen. Ohne die Machtposition völlig leugnen zu wollen, die das geltende Kostenrecht insbesondere in Prozessen zwischen dem "Normal bürger" und einem finanzstarken Gegner, vornehmlich einem Unternehmen, durch hohe Streitwertfestsetzung und die Möglichkeit eines mehrinstanzlichen Verfahrens schaffen kann47 , seien an einer allgemeinen Präventivwirkung kostenrechtlicher Regelungen Zweifel erlaubt48 • Eine gezielte Abschreckungswirkung setzt zumindest eine ungefähre Vorstellung über den Umfang der entstehenden Kosten seitens des Rechtsschutzsuchenden voraus, Grunsky, (I), S. 7 f; Wassermann, (11), S. 136 f Fechner, JZ 1969, 352 43 Schneider, Egon: Kostenentscheidung und Streitwert im Zivilprozeß, in: Juristische Analysen 1971,111; !sola, Horst: Schwierigkeiten beim Zugang zur Rechtspflege, in: Recht und Politik, 1974, S. 67 44 Schmidt, Eike, JZ 1972, 679; Pawlowski, JZ 1975, 197 45 Baur, JZ 1972, 75 46 Sauer, Gisbert: Postulationsfähigkeit und Grundgesetz, in: DRiZ 1970, 293; Schneider, JurA 1971, 111 47 darauf hat Fechner, JZ 1969, 352, nachdrücklich hingewiesen 48 Vor einer Überbetonung der Präventivfunktion warnen auch Bokelmann, ZRP 1973,168 und Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 150 41
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um sie zur Grundlage einer Kalkulation machen zu können. Zwar gibt es einer modischen Zeitströmung folgend - inzwischen gar eine "Prozeßkostenrisikotabelle". Dennoch ist, angesichts einer unsicheren Streitwertbestimmung, die häufig im Ermessen des Gerichts liegt (§ 3 ZPO), und eines komplizierten Gebührenrechts eine ausreichend sichere Voraussage über die Kostenbelastung auch einem forensisch tätigen Juristen nur schwer möglich, noch weniger aber dem juristischen Laien. Eine Repräsentativumfrage aus dem Jahre 1971 zeigt deutlich, daß ein großer Teil der Befragten die Kosten erheblich zu niedrig geschätzt hat49 . Hinzu kommt, daß die Entscheidung über die Kostenverteilung in der Mehrzahl der Fälle der Entscheidung in der Hauptsache folgt, die jedoch ihrerseits noch weniger sicher prognostizierbar erscheint. Exakt kalkulierbar ist hingegen zunächst die Kostenvorschußpflicht des Klägers nach § 65 Abs. 1 Satz 1 GKG. Auch für diese läßt sich jedoch eine Präventivwirkung keinesfalls feststellen. Die Erledigungsquote durch die Nichtzahlung des Kostenvorschusses lag im Jahr 1981 nur noch bei 0,4 % (Amtsgericht) und 0,5 % (Landgericht)5o. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß - jedenfalls in Fällen anwaltlicher Vertretung - die Frage des Kostenvorschusses vor Einreichung der Klageschrift abgeklärt und die Klage zumeist nur dann anhängig gemacht wird, wenn die Zahlung des Kostenvorschusses sichergestellt ist. Die Zweifel an einer allgemeinen Präventivwirkung der Kostentragungspflicht werden jedoch indiziell bestätigt durch ein Umfrageergebnis des Instituts für angewandte Sozialforschung, nach dem lediglich 6 % der erwachsenen Bevölkerung schon einmal auf einen Prozeß verzichtet hat, weil er zu teuer geworden wäre 51 • Auch die im Jahre 1986 zur Entlastung des Bundesverfassungsgerichts vor aussichtslosen Verfassungsbeschwerden eingeführte Unterliegensgebühr zwischen 20 DM und 2000 DM hat nicht den erwarteten Erfolg herbeigeführt. Die Praxis hat vielmehr gezeigt, daß die Beschwerdeführer durch eine Vorschußanforderung nur ganz ausnahmsweise zur Rücknahme der Verfassungsbeschwerde bewegt werden konnten 52 • b) Einfluß der Rechtsschutzversicherung auf die Prozeßfreudigkeit und -häufigkeit
Der Abschluß einer Rechtsschutzversicherung führt zu einer Minimierung des Prozeßrisikos. Die vor Durchführung eines Rechtsstreites erteilte Dekkungszusage des Versicherers hat zur Folge, daß nicht nur die eigenen Auf49 Kaupen, Wolfgang: Bevölkerung und Rechtspflege in der Bundesrepublik Bericht über eine repräsentative Bevölkerungsumfrage, in: AnwBI. 1971,63 50 Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.1 51 Kniffka, Rolf: Der amtsgerichtliche Zivilprozeß - ein bürgemahes Verfahren, in: DRiZ 1982, 16 52 Frankfurter Rundschau v. 9.2.87, Jg. 43 Nr. 33/7
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wendungen, sondern auch die des Gegners und die anfallenden Gerichtskosten im Falle einer Niederlage von der Versicherung übernommen werden. Stimmte die These von der Präventivwirkung des Kostenrisikos, müßte der Wegfall der Kostensperre durch den Abschluß einer Rechtsschutzversicherung zu einer erhöhten Prozeßfreudigkeit führen. In der Tat wird dies in Justizkreisen häufig angenommen, indem eine Korrelation zwischen dem steigenden Geschäftsanfall der Gerichte und der Zunahme von Rechtsschutzversicherungen hergestellt wird. Diese Annahme wird allerdings durch eine empirische Untersuchung von Blankenburg / Fiedler53 widerlegt. Die Autoren zeigen auf, daß der Wegfall des Kostenrisikos weder die Prozeßbereitschaft erhöht noch ein besonders hartnäckiges Prozessieren zur Folge hat 54 . Die Studie stützt damit die Zweifel an einer ökonomischen Abschreckung durch die Kostentragungspflicht im Zivilprozeß. Die angeführten Bedenken gegen eine Präventivwirkung der prozessualen Kostenregelungen gelten in verstärktem Maße für eine drohende Schadensersatzverpflichtung der Prozeßpartei. Hier ist nicht nur der Ausgang des Rechtsstreits, sondern darüber hinaus die Entstehung und der Umfang eines verfahrensbedingten Schadens beim Gegner völlig ungewiß, zumal die Partei im Regelfall- mit Ausnahme der rechtsmißbräuchlichen Verfahrenseinleitung - von ihrem Recht überzeugt sein wird. Eventuelle Schadensersatzsanktionen können daher wohl nur in seltenen Fällen in die wirtschaftliche Bewertung des Prozeßrisikos mit einbezogen werden. 2. Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit und Effizienz des staatlichen Rechtsschutzverfahrens
Neben der Verkürzung individueller Rechtsschutzinteressen können potentielle Sanktionen der Prozeßpartei auch Auswirkungen auf die Gesamtrechtsordnung zeitigen. Hier ist es insbesondere die Aufrechterhaltung und Wahrung des staatlichen Rechtspflegeverfahrens, mithin der staatlichen Ordnung schlechthin, deren Beeinträchtigung befürchtet wird 55 • a) Phänomenologie möglicher Beeinträchtigungen
aa) Die Gefahr der Prozeßverschachtelung Vor oder während des Ausgangsprozesses erhobene, auf ein schädigendes Parteiverhalten gestützte Schadensersatzansprüche lassen Störungen des staatBlankenburg/Fiedler, passim Blankenburg/Fiedler, S. 113 55 Diesen Gesichtspunkt betont auch das BVerfG, NJW 1987, 1929 für den Bereich der Schädigung durch eine unberechtigte Strafanzeige; dort sind allerdings staatliche Interessen in viel stärkerem Maße tangiert, als dies bei zivilrechtlichen Streitigkeiten der Fall ist 53
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lichen Rechtspflegeapparates zunächst nicht ohne weiteres vermuten. Augenscheinlich werden jedoch solche Befürchtungen, wenn die jeweilige Partei statt der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im Wege einer Widerrufs- oder Unterlassungsklage den Gegner gerichtlich an der Durchführung des Verfahrens überhaupt hindern oder - praktisch wesentlich relevanter - einen möglicherweise ehrverletzenden Parteivortrag unterbinden will. Soweit nämlich Schadensersatzsanktionen aus einem schädigenden prozessualen Verhalten anerkannt werden, folgen daraus auf Grund der allgemein gebilligten Ausdehnung der Rechtsfolgen des § 1004 BGB auf alle unerlaubten Handlungen im Sinne des § 823 BGB56 ohne weiteres negatorische Ansprüche der betroffenen Prozeßpartei. Verlangt daher beispielsweise eine Partei in einem Parallelverfahren den Widerruf eines vom Gegner im Erstprozeß aufgestellten, beleidigenden Parteivortrags, tritt der Konflikt zwischen Integritätsinteresse und dem sachgerechten Funktionieren der Rechtspflege deutlich zutage. Die Notwendigkeit, die Wahrheit der im Ausgangsprozeß erhobenen Behauptung auch im Widerrufsprozeß prüfen zu müssen, hat einen Doppelprozeß, eine wenig wünschenswerte Prozeßverschachtelung 57 zur Folge. Auf Grund der Verlagerung des Prozeßstoffes vom Ausgangs- in den Widerrufsprozeß werden überwiegend Bedenken im Hinblick auf die Umgehung der zwingend ausgestalteten Zuständigkeitsnormen erhoben, sofern die gesetzliche Zuständigkeit der Gerichte des Ausgangs- und Widerrufsprozesses auseinanderfällt58 . Daneben sieht insbesondere die Judikatur in der Zulassung eines Parallelverfahrens einen Vorgriff auf das Ausgangsverfahren, der dessen ordnungsgemäße Durchführung in unerträglicher Weise störe59 . Schließlich besteht bei einer Mehrgleisigkeit des Verfahrens die Gefahr divergierender gerichtlicher Entscheidungen, die das Vertrauen des rechtsschutzsuchenden Bürgers in die staatliche Rechtspflege erschüttern können. Der BGH kommt daher zum Ergebnis, daß negatorische Ansprüche dieser Art mit der rechtsstaatlichen Ordnung nicht vereinbar seien. Ohne dabei auf den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) zu rekurrieren, werden an prozessuale Schriftsätze besonders großzügige Maßstäbe 56 MünchKommlMertens, § 823, Rn. 49, 49a; PalandtfThomas, Einf. v. § 823, Anm. 8; SoergellMühl, § 1004, Rn. 2; Staudinger/Schäfer, § 823 Rn. 49, 49a 57 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 321 58 BGH NJW 1962, 243, 244; MDR 1971, 205; VersR 1977, 836, 837; NJW 1977, 1681; Helle, Ernst: Die Rechtswidrigkeit der ehrenrührigen Behauptung, in: NJW 1961,1899; Helle, Jürgen: Die Begrenzung des zivilrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit und der Ehre gegenüber Äußerungen in einem rechtlich geordneten Verfahren, in: GRUR 1982, 207; Hopt, Schadensersatz, S. 300; Michel, Die negatorische Ehrenschutzklage gegen den Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigten, in: MDR 1959, 711; MünchKomrnlSchwerdtner, § 12, Rn. 357; a.A. Wa1chshöfer, Alfred: Ehrverletzende Äußerungen in Schriftsätzen, in: MDR 1975, 11, 14; modifizierend Wdtnauer, JZ 1962, 489 und Baumgärtel, Festschrift für Schirna, S. 55, die auf Grund einer großzügigen Anwendung des § 193 StGB dem Problem keine große Bedeutung beimessen 59 BGH NJW 1962, 243, 244; MDR 1971, 205; BGH JZ 1986,1057 m. Anm. Walter
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angelegt, die den Ehrenschutz bis zur Grenze bewußt unwahrer Parteibehauptungen zurücktreten lassen. In einer neueren Entscheidung60 verneint der BGH gar das Rechtsschutzbedürfnis für eine Widerrufsklage gegen Beschuldigungen in einem Strafverfahren, da den Belangen des Beschuldigten im Strafverfahren ausreichend Rechnung getragen werden könne. Diese Rechtsprechung korrespondiert mit der praktizierten weitgehenden Haftungsfreistellung des Verfahrensinitiators. Allerdings liegt der Begründungsschwerpunkt nicht wie dort auf der Beeinträchtigung individueller Rechtsschutzinteressen, sondern auf der Störung der Rechtspflege. Auch hier ist jedoch das Bestreben erkennbar, den prozessualen Raum möglichst von materiellen Ansprüchen, seien diese repressiver oder präventiver Natur, freizuhalten, ohne dies dogmatisch überzeugend zu begründen. Der Ausschluß negatorischer Ansprüche gegen ein prozessuales Verhalten unter dem Gesichtspunkt der Unvereinbarkeit mit der rechtsstaatlichen Ordnung stellt jedenfalls eine unnötige Dramatisierung der Problematik dar. Auch in anderen Fallgestaltungen ist eine Mehrgleisigkeit des Verfahrens leicht vorstellbar, ohne daß derartige Erwägungen überhaupt angestellt werden. Klagt beispielsweise der Auftragnehmer gegen den Werkunternehmer auf Herausgabe der in Reparatur befindlichen, im Eigentum des Auftraggebers stehenden Sache, ist der Werkunternehmer nicht genötigt, seine Restwerklohnforderung im Wege der Widerklage geltend zu machen. Er kann dies ebenso gut in einem gesonderten Prozeß tun, für den je nach Wohnort der Parteien durchaus verschiedene Gerichte zuständig sein können. In beiden Prozessen ist dabei die Frage nach der Berechtigung der geltendgemachten Werklohnforderung entscheidungserheblich. Einen Eingriff in die gesetzliche Kompetenzregelung stellt dies jedenfalls nicht dar, zumal, ebenso wie oben für Haupt- und Unterlassungsprozeß, die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Der Gefahr widersprechender Entscheidungen kann durchaus mit den prozessualen Mitteln der Verbindung (§ 147 ZPO), die allerdings auf die bei einem Gericht anhängigen Prozesse beschränkt ist, sowie der Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit (§ 148 ZPO) begegnet werden. Noch weniger überzeugend ist die nun vom BGH akzentuierte Begründung des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses. Walter6 1 weist zurecht darauf hin, daß mit Hilfe des Rechtsschutzbedürfnisses lediglich das individuelle Rechtsschutzinteresse gefiltert, nicht aber die rechtsstaatliche Ordnung geschützt werden soll. Ergänzend ist anzumerken, daß das Rechtsschutzbedürfnis ganz ausnahmsweise nur dann entfällt, wenn dem Rechtssuchenden ein einfacherer, billigerer, jedoch gleichwertiger und zum gleichen Ziel führender Weg offen steht. Dies ist jedoch im Verhältnis von zivilrechtlichem Ehrenschutzund Strafverfahren höchst zweifelhaft, insbesondere dann, wenn die ehrverletzenden Behauptungen Auswirkungen über den Prozeß hinaus haben62 . 60 61
BGH JZ 1986, 1057 Walter, Gerhard: Anmerkung zu BGH Urteil vom 10. 6. 1986, in: JZ 1986,1059
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bb) Die Aushöhlung der Urteilsrechtskraft Neben den oben aufgezeigten, auf den defensiven Rechtsschutz beschränkten Konflikten zwischen prozessualen und materiellen Wertungen, werden im Hinblick auf eine Störung der Rechtspflege weitere Bedenken erhoben, die für negatorische und Schadensersatzansprüche gleichermaßen gelten. Hier wird die Befürchtung geäußert, die Zulassung materieller, auf ein prozessuales Fehlverhalten des Gegners gestützter Ansprüche nach dem rechtskräftigen Abschluß des Ausgangsverfahrens führe zu einem Wiederaufrollen des Erstprozesses63 . Dadurch seien die Bestandskraft der richterlichen Entscheidung und damit zugleich Rechtsfrieden und Rechtssicherheit tangiert64 • J. Helle zieht dabei aus der restriktiven Ausgestaltung des Amtshaftungsprozesses, die ein Wiederaufrollen des Prozesses vermeiden soll, Rückschlüsse auf die materiellen Rechtsbeziehungen der Verfahrensparteien63 . Dies ist jedoch nicht überzeugend. Das Spruchrichterprivileg des § 839 Abs. 2 BGB trägt nämlich gerade dem Umstand Rechnung, daß die Wirkung der materiellen Rechtskraft auf die Parteien beschränkt ist und den Urteilsautor bzw. den Staat nicht mit einbezieht. Diese Lücke wird durch eine weitgehende Haftungsbeschränkung geschlossen, die verhindert, daß die zwischen den Parteien verwirklichte Rechtskraft auf kaltem Wege ausgehöhlt wird 65 • Dieser Grundgedanke läßt sich daher schon systematisch nicht auf die Rechtsbeziehungen der Prozeßparteien ausdehnen, da zwischen ihnen ja gerade das Institut der Rechtskraft Wirkungen entfaltet. Das Argument versagt jedoch völlig, wenn man den Blick auf den Anwaltsregreßprozeß lenkt. In dem zwischen der im Erstprozeß unterlegenen Partei und ihrem Prozeßbevollmächtigten geführten Rechtsstreit ist ein Wiederaufrollen des Prozeßstoffes geradezu typisch. Denn im Rahmen der Kausalität des anwaltlichen Verschuldens muß das Gericht des Regreßprozesses auch den Gegenstand des Ausgangsverfahrens in seine Entscheidung einbeziehen. Hier findet also eine Kompensation rechtskräftiger Urteile statt, indem die unterlegene Prozeßpartei den durch das Ausgangsverfahren erlittenen Schaden auf den Anwalt überwälzt, ohne daß eine Restriktion der materiellen Haftung vorgenommen wird. Es besteht demnach auch kein Anlaß, das Integritätsinteresse des geschädigten Verfahrensgegners im Hinblick auf öffentliche Interessen einzuschränken. Einen befriedigenden Ausgleich zwischen Rechtsgüterschutz und der erforderlichen Rechtssicherheit schafft vielmehr die materielle Rechtskraft der Entscheidung im Erstprozeß. 62 Walter, Gerhard: Ehrenschutz gegenüber Parteivorbringen im Zivilprozeß, in: JZ 1986,618 63 Helle, J., GRUR 1982, 211 64 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 70 f; Helle, J., GRUR 1982, 211; Henckel, Prozeßrecht, S. 298,299 65 Blomeyer, J., SchadensersatzanspTÜche, S. 96 m.w.N.
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b) Der Einfluß der materiellen Rechtskraft
aa) Begrenzung des Integritätsschutzes durch die objektiven Grenzen der Rechtskraft Die Beeinträchtigung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden durch ein Wiederaufrollen des Erstprozesses wäre nur dann ernsthaft zu gewärtigen, wenn die unterlegene Partei den Prozeßverlust durch materiell-zivilrechtliche, auf ein prozessuales Fehlverhalten gestützte Ansprüche in einem zweiten Prozeß abgelten könnte. In der Tat vertritt Dölle66 die Auffassung, dem aus der Verletzung der Pflicht zur redlichen Prozeßführung folgenden Schadensersatzanspruch stehe die Rechtskraft der Entscheidung auch dann nicht entgegen, wenn das Gericht das beanstandete prozessuale Verhalten im Erstprozeß zugelassen habe. In dem von Dölle besprochenen Fall der Jugoslawischen Militärmission 67 hat der BGH jedoch durch die Zulassung der Vertretungsrüge inzident auch darüber entschieden, daß ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten nicht vorlag. Dieses vorgreifliche, prozessuale Rechtsverhältnis entfaltet damit auch Bindungswirkung für den nachfolgenden Schadensersatzprozeß68. Die Ansicht Dölles ist daher mit den vom Prozeßrecht in § 322 Abs.1 ZPO vorgegebenen Schranken der Rechtskraft nicht vereinbar69 . Dazu bedarf es allerdings keines Rückgriffs auf die Sinnzusammenhänge zwischen Erst- und Folgeprozeß7o. Vielmehr ist danach zu unterscheiden, welche Ansprüche die unterlegene Partei im zweiten Prozeß durchzusetzen erstrebt. Der Ersatz des Urteilsschadens, d.h. der aus der Verurteilung folgende Entzug der streitigen Rechtsposition, kann nach dem Eintritt der materiellen Rechtskraft nicht mehr geltend gemacht werden71 • So kann der Beklagte im Eingangsfalll 72 der Rückzahlungsverpflichtung für die Darlehen aus den Jahren 1975 und 1980 auch dann nicht begegnen, wenn die Klägerin im Erstprozeß fahrlässig gegen die prozessuale Wahrheitspflicht verstoßen hat. Denn zwischen den Parteien steht die Rückzahlungspflicht verbindlich fest. Häsemeyer lehnt deshalb eine isolierte Anknüpfung von Schadensersatzansprüchen an ein prozessuales Fehlverhalten ab73 . Ihm ist sicher insoweit zuzustimmen, als eine Korrektur der Erstentscheidung außerhalb des gesetzlichen RechtsDölle, S. 293 BGHZ 40, 197 68 Henckel, Prozeßrecht, S. 292 Fn. 187 69 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 287 70 so aber Schröder, Jochen: Unredliche Prozeßführung und Schadensersatz, in: JZ 1965,310 unter Berufung auf Zeuner, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge 71 Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 50; Hopt, Schadensersatz, S. 294; Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 70 f 72 siehe oben § 1 I 73 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 70 66
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mittelsystems ausgeschlossen bleiben muß, Folgeansprüche mithin dann präkludiert sind, wenn sie den Streitgegenstand des Erstprozesses betreffen. Dazu ist es hingegen nicht erforderlich, generell jegliches Rechtswidrigkeitsverdikt hinsichtlich eines prozessualen Verhaltens auszuschließen. Inwieweit die unterlegene Partei materielle Folgeansprüche in einem Zweitprozeß durchzusetzen vermag, entscheidet allein die materielle Rechtskraft der Entscheidung des Erstprozesses. Demgemäß schließt Häsemeyer74 auch Folgeansprüche dann nicht aus, wenn das prozessuale Fehlverhalten sogenannte Begleitschäden, also außerhalb des Streitgegenstandes liegende Rechtsgutsbeeinträchtigungen auslöst. Soweit Häsemeyer in der isolierten Zulassung eines an prozessuales Fehlverhalten geknüpften Rechtswidrigkeitsurteils einen Eingriff in die innerprozessualen Entscheidungsgrundlagen befürchtet75 , ist zu berücksichtigen, daß das Fehlverhalten einer Partei gerade nicht immer mit den Mitteln des Prozeßrechts aufgefangen werden kann. Die Zurückweisung eines Vorbringens wegen Verspätung erfaßt nur einen Teilbereich schädigender Verhaltensweisen. Das oben aufgezeigte Beispiel einer - wenn auch nur fahrlässigen - Verletzung der Wahrheitspflicht verdeutlicht, daß die verfahrensrechtlichen Regelungen ein prozessuales Fehlverhalten nur beschränkt auszugleichen vermögen. Es ist allerdings zutreffend, daß ein Rechtswidrigkeitsurteil dann funktionslos ist, wenn die unterlegene Partei keine über den Streitgegenstand des Erstprozesses hinausgehenden Schädigungen erlitten hat. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, daß das Integritätsinteresse der jeweiligen Prozeßpartei, einen Ausgleich für verfahrensdeterminierte Schädigungen zu erhalten, jedenfalls seine Grenze in der materiellen Rechtskraft der Entscheidung im Vorprozeß findet. Hingegen stellt die grundsätzliche Anerkennung materiell-rechtlicher Folgeansprüche aus einem prozessualen Verhalten im Hinblick auf außerhalb des Streitgegenstandes liegende Schädigungen weder eine Tangierung der Rechtskraft noch ein den prozessualen Wertungen widersprechendes Wiederaufrollen des Erstprozesses dar. bb) Die Fallgruppe der Rechtskraftdurchbrechung Eine Ausnahme von der aufgezeigten Beschränkung materieller Folgeansprüche stellen die von der Rechtsprechung im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung entwickelten Schadensersatzansprüche wegen der sittenwidrigen Herbeiführung oder Ausnutzung eines unrichtigen Urteils dar. Unter Fortführung der reichsgerichtlichen Judikatur76 gewährt der BGH77 einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB, der die formalen Wirkungen 74 75 76
Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 141 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 71 RGZ 36,249; 39,142; 46, 75; 61, 359; 78, 390; 67,152
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der Rechtskraft neutralisiert. Eine solche, auf das materielle Recht gestützte Klage, die auf Rückzahlung des auf Grund der Verurteilung Geleisteten oder auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Herausgabe des Titels gerichtet ist78 , steht in der Tat in einem Spannungsverhältnis zu der durch die Rechtskraft garantierten Rechtssicherheit. Die Judikatur des BGH wird daher auch wegen eines Verstoßes gegen die Rechtskraft und der Umgehung der in §§ 578ft ZPO abschließend normierten Wiederaufnahmetatbestände von der Literatur überwiegend abgelehnt79 • In neuerer Zeit gewinnt die Thematik dadurch an Aktualität, daß die Judikatur in zunehmendem Maße Teilzahlungskreditverträge für sittenwidrig erachtetso. Hier werden dem Darlehensschuldner häufig Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB zuerkannt, wenn die Teilzahlungsbank auf der Grundlage eines sittenwidrigen Kreditvertrages einen rechtskräftigen Vollstreckungstitel erwirkt und aus diesem die Vollstreckung betreibt81 • Ohne hier näher auf die sicherlich berechtigte Kritik an der Aufweichung der Rechtskraft einzugehen, bleibt festzuhalten, daß die Klage aus § 826 BGB als ultima ratio einem Mißbrauch des staatlichen Rechtspflegeverfahrens begegnen soll. Dabei geht es auschließlich um die Beseitigung der Urteilswirkungen im engeren Sinne, d. h. um die Durchsetzung der rechtskräftig zuerkannten Rechtsposition. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist hingegen ein unterhalb der Sittenwidrigkeit und des Verfahrensmißbrauchs liegendes, schädigendes Parteiverhalten, das über den Streitgegenstand hinaus negative Auswirkungen auf die Rechtssphäre der Parteien hat.
77 BGH NJW 1951, 759; BGHZ 13, 71; 26, 391; 40,130; 50,115; LM Nr. 3 zu § 826 (Fa); NJW 1963, 1606; 1974, 557 78 BaumbachILauterbachIHartmann, Einf. §§ 322-327, Anm. 6 B; ThomaslPutzo, § 322 Anm. 9 79 RosenbergiSchwab, § 163 11; BaumbachILauterbachIHartmann, Einf. §§ 322-327, Anm. 6 B; Gaul, Hans Friedhelm: Die Grundlagen des Wiederaufnahmerechts und die Ausdehnung der Wiederaufnahmegründe, 1956, S. 99 ff; ders., AcP 168 (1968), 40 f; Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 107 11; Jauemig, Othmar: Zivilprozeßrecht, 1985, § 64 11; zustimmend Grunsky, Verfahrensrecht, § 47 III 3; Bernhardt, ZZP 66 (1966), 77 ff 80 Die auf das Jahr 1978 zurückgehende, inzwischen gefestigte Rechtsprechung des BGH und der Instanzgerichte begründet die Sittenwidrigkeit von Ratenkreditverträgen mit der Ausnutzung eines einseitigen Machtgefälles, das dadurch zum Ausdruck kommt, daß der geschäftsungewandte Kunde über die unverhältnismäßig hohen Belastungen im Unklaren gelassen und durch Art und Umfang der Kreditbedingungen überfordert wird; siehe zur Rspr. BGH NJW 1979, 805, 807; 1979,2089,2091; 1982, 1023; 1982,2433; 1983, 1420;2692;2317 81 OLG Stuttgart, NJW 1985, 2272; OLG Hamm, NJW 1985, 2275; LG Hannover, NJW 1985, 2273; LG Paderborn, NJW 1985, 2274; dazu Kothe, Wolfhard: Rechtsschutz gegen die Vollstreckung des wucherähnlichen Rechtsgeschäfts nach § 826 BGB, in: NJW 1985, 2217 m.w.N. auf die teilweise ablehnende, teilweise zustimmende Judikatur in Fn. 2 und 3
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§ 3 Funktion des Prozesses und Integritätsschutz
Zwischenergebnis Weder die verfassungsrechtlich verankerte Garantie staatlichen Rechtsschutzes noch die zur Durchsetzung subjektiver Rechte erforderliche Aufrechterhaltung ordnungsgemäßer staatlicher Rechtspflege bedingen eine apriorische Haftungsfreistellung für schädigendes prozessuales Verhalten. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben entfalten unmittelbare Wirkung nur zwischen dem Staat und dem rechtsschutzsuchenden Bürger. Soweit mittelbare Auswirkungen im Rahmen einer Rechtsfortbildung im Zivilrecht zu einer Haftungsreduzierung führen können, ist das Integritätsinteresse der geschädigten Partei in gleicher Weise zu berücksichtigen. Die von Rechtsprechung und Lehre einhellig befürchtete Verkümmerung des Rechtsschutzes führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Eine generelle Präventivwirkung drohender Schadensersatzklagen, die den verfassungsrechtlich gesicherten Justizanspruch leerlaufen ließe, ist nicht nachzuweisen. Eine Störung der Rechtspflege und damit ein Eingriff in die rechtsstaatliche Ordnung kann mit prozessualen Mitteln, insbesondere durch das Institut der materiellen Rechtskraft, verhindert werden.
§ 4 Prozessuale WertungsmodeUe und materieU-rechtlicher Rechtsgüterschutz Neben den verfassungsrechtlichen Vorgaben und dem öffentlichen Interesse an der Funktionsfähigkeit staatlicher Rechtspflegeinstitutionen sind es die Normen des Prozeßrechts selbst, die den Ausschluß oder eine Modifizierung zivilrechtlicher Haftungsregelungen bedingen können. Soweit nämlich das Verfahrensrecht Vorschriften über den Ausgleich von verfahrensdeterminierten Schäden und Beeinträchtigungen enthält oder das prozessuale Verhalten der Parteien ausdrücklich normiert, können materielle Regelungen zumindest partiell - verdrängt sein. Hiermit sind insbesondere die prozessuale Kostenerstattung, die Schadensersatzansprüche aus der unberechtigten Vollziehung vorläufiger Entscheidungen sowie die Bedeutung der prozessualen Parteipflichten angesprochen, die eine abschließende Wertungsgrenze darstellen können. A. Spezialität der prozessualen Ausgleichsvorschriften I. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch
Unter Zugrundelegung einer isolierten materiell-rechtlichen Betrachtungsweise sind der mit einem sachlich nicht gerechtfertigten Verfahren überzogenen Partei sämtliche Vermögensnachteile - Kosten der Rechtsverfolgung, Zeitversäumnis, Finanzierungskosten, entgangener Gewinn oder Schäden an absolut geschützten Rechtsgütern - zu ersetzen, soweit das schädigende prozessuale Verhalten einen vertraglichen oder deliktischen Haftungstatbestand erfüllt. Einen Teilausschnitt der entstehenden Vermögensnachteile, nämlich die zur Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung notwendigen Kosten werden von der im Urteil gemäß § 308 Abs. 2 ZPO stets zu treffenden gerichtliche~ Kostenentscheidung erfaßt. Hier treffen die §§ 91 ff ZPOI eine prozessuale Sonderregelung, die weitere Ersatzansprüche ausschließen kann. Die damit akzentuierte Kollision zwischen prozessualem und materiellem Kostenerstattungsanspruch war in jüngerer Zeit Gegenstand zweier umfangreicher Monographien2 • Die regelmäßig auftretenden Zweifelsfragen sollen daher nur 1 Für das Vollstreckungsverfahren findet sich in § 788 ZPO eine entsprechende Vorschrift, die nach Wortlaut und Voraussetzungen weitgehend der Regelung des § 91 ZPO angenähert ist und daher keiner gesonderten Untersuchung bedarf 2 Loritz, Karl-Georg: Die Konkurrenz materiellrechtIicher Ersatzansprüche und prozessualer Kostenerstattungsansprüche und -normen bei Anspruchsentstehung und
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§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materieller Rechtsgüterschutz
kurz angedeutet werden. Zuvor bedarf es jedoch einer inhaltlichen Darstellung der prozessualen Kostenregelung. 1. Voraussetzung und Umfang der prozeßrechtlichen Kostenerstattung
a) ErstattungsJähige Kosten im Sinne von § 91 ZPO
Anknüpfungspunkt der prozessualen Kostenerstattungspflicht ist das Unterliegen im Rechtsstreit. Es handelt sich dabei um eine rechtswidrigkeitsund verschuldensunabhängige Veranlassungshaftung3 , die im Hinblick auf Effizienz und beschleunigte Durchsetzung des Erstattungsanspruchs auf Vereinfachung ausgerichtet ist4 • Die Erstattungspflicht der unterlegenen Partei ist jedoch beschränkt auf die notwendigen Kosten des Rechtsstreits. Ausgehend von dem zentralen Kriterium der Prozeßkosten fallen damit von der Prozeßpartei erlittene Schäden aus dem Regelungsbereich des § 91 ZPO heraus. Denn trotz aller Unklarheiten im Einzelfall, die einer Konkretisierung durch die Kasuistik breiten Raum geben, ist jedenfalls nicht zweifelhaft, daß der Begriff der Prozeßkosten nur Aufwendungen, mithin freiwillige Vermögensopfer , aus Anlaß oder zum Zwecke der Prozeßführung umfaßt5. Die anläßlich der Prozeßführung erlittene Ruf- oder Ehrschädigung, die Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs, der Gesundheit und anderer absoluter Rechtsgüter sind durch die prozessuale Kostenerstattung nicht kompensierbar. Auch sonstige, über die verfahrensbedingten Aufwendungen hinaus entstehenden Vermögensnachteile im Hinblick auf die Finanzierung des Prozesses, die Bildung von Rücklagen oder Einbußen durch prozeßbedingte Zeitversäumnis6 , stellen keine erstattungsfähigen Kosten im Sinne von § 91 ZPO dar7 • Daneben erfolgt eine weitere Restriktion durch das Erfordernis der Notwendigkeit der Aufwendungen. Ohne hier näher auf die mit diesem Kriterium außerhalb -durchsetzung, 1979, passim; dazu Buchbesprechung Konzen, Horst, in: ZZP 97 (1984), 502; Becker-Eberhard, passim; dazu Loritz, Karl-Georg, Buchbesprechung, in: ZZP 99 (1986), 112 3 BGHZ 60, 337, 343; Becker-Eberhard, S. 35, der sich ausführlich mit der im älteren Schrifttum vertretenen Unrechtshaftungslehre auseinandersetzt; auf diesen Gesichtspunkt wird unten, § 6 B I, in anderem Zusammenhang noch einzugehen·sein; zustimmend Loritz, Karl-Georg, ZZP 99 (1986), 112; ablehnend Siebert, Axel: Die Prinzipien des Kostenerstattungsrechts und der Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Kosten des Rechtsstreits, 1985, S. 87 ff, der den Zurechnungsgrund in einer Aufopferungshaftung sieht 4 SteiniJonaslLeipold, vor § 91 Rn. 6 5 RGZ 150, 37, 40; Thomas/Putzo, vor § 91 Anm. 11; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 206 f; Becker-Eberhard, S. 43; Loritz, Die Konkurrenz, S. 51; SteiniJonaslLeipold, § 91 Rn. 36 6 siehe Eingangsbeispiel 1 1 RGZ 150, 37; OLG Schleswig, RPfleger 1962, 426; OLG Nürnberg, MDR 1966, 1012; OLG Nürnberg, RPfieger 1972, 179; OLG Koblenz, RPfieger 1976, 408
A. Spezialität der prozessualen Ausgleichsvorschriften
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der klassischen Aufwendungen - Gerichtskosten und gesetzliche Gebühren sowie Auslagen des Prozeßbevollmächtigten - verbundenen Unwägbarkeiten einzugehen8 , ist jedenfalls festzustellen, daß die zahlreichen negativen Auswirkungen eines Prozesses mittels des Kostenrechts nur sehr eingeschränkt ausgleichsfähig sind. b) Kostenerstattung im Mahn- und Beweissicherungsverjahren
Per definitionem erfolgt eine prozessuale Kostenerstattung nur innerhalb eines gerichtlichen Erkenntnisverfahrens. Kommt es zwischen den Parteien zu einem Prozeß, können auch sogenannte Vorbereitungskosten, d.h. vorprozessuale Aufwendungen, den Kosten des Rechtsstreits zuzurechnen sein, sofern die Aufwendungen der Vorbereitung des Prozesses gedient und in unmittelbarer Beziehung zu diesem gestanden haben9 • Hierzu zählen auch die Kosten gewisser vorbereitender Verfahren. Für das Mahnverfahren (§ 688 ZPO) bedarf es insoweit keiner besonderen Erwägungen. Es verliert durch die Abgabe an das Gericht des streitigen Verfahrens seine Selbständigkeit. Zusätzliche Kosten entstehen dadurch nicht. Vielmehr kommt dem Mahnverfahren dann nur die Funktion einer speziellen Art der Verfahrenseinleitung zu. Ebenso gehören die Kosten eines Beweissicherungsverfahrens nach § 485 ZPO regelmäßig zu den Kosten eines nachfolgenden Rechtsstreits und sind mithin vom prozessualen Kostenerstattungsanspruch umfaßt lO • Folgt dem vorbereitenden Verfahren hingegen kein Hauptprozeß, kann ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch nicht Platz greifen. Im Mahnverfahren bleibt der Antragsgegner auf seinen Kosten sitzen, sofern der Antragsteller nach Einlegung des Widerspruchs keinen Antrag auf Abgabe an das Streitgericht (§ 696 Abs. 1 ZPO) stellt oder die zweite Hälfte des Gerichtskostenvorschusses (§ 65 Abs. 1 S. 2 GKG) nicht einzahlt. Ein Wegfall der Wirkungen des Mahnbescheides in direkter oder analoger Anwendung des § 701 ZPO kommt nicht in Betrachtll und hätte im übrigen auch nicht zur 8 siehe zu den einzelnen Fallgruppen und der umfangreichen Judikatur Stein/Jonas/ Leipold, § 91 Rn. 51 ff 9 BaumbachlLauterbachIHartmann, Übers. 2 B vor § 91; Stein!JonaslLeipold, § 91 Rn. 38; Zöller/Schneider, § 91 Rn. 13 \0 h.M.; RGZ 13,319,325; 66, 186, 198; BGHZ 20,4,15; OLG Hamm, JurBüro 1982,326; OLG Bamberg, MDR 1982, 941; OLG Hamm, JurBüro 1983, 933; OLG Köln, NJW 1983, 2779; OLG Frankfurt, JurBüro 1984, 285; Altenmüller, Reinhard: Die Entscheidung über die Kosten des Beweissicherungsverfahrens, in: NJW 1976, 92; Bank, Helmut: Hinweise für die Prozeß-Praxis, Stillstand des Mahnverfahrens, in: JurBüro 1982, 187; BaumbachILauterbachIHartmann, Übers. vor § 485 Anm. 2; Stein! JonaslLeipold, § 91 Rn. 20; ThomaslPutzo, Vorbem § 485 Anm. 2; Wieczorek, Bernhard: Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, 1958, § 490 Anm. DIa 4; Zöller/Stephan, § 490 Rn. 7 11 Bank, JurBüro 1982, 187
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§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materieller Rechtsgüterschutz
Folge, daß der Antragsgegner die entstandenen Kosten auf den Antragsteller überwälzen könnte. Vielmehr kommt das Mahnverfahren durch die Passivität des Antragstellers zum Stillstand 12 . Der Antragsgegner hat nur die Möglichkeit, seinerseits einen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens nach § 696 Abs. 1 ZPO zu stellen l3 und dadurch eine Kostenentscheidung im Hauptverfahren herbeizuführen. Dabei läuft er jedoch Gefahr, nunmehr als Antragsteller im Sinne von § 49 GKG wegen der zweiten Hälfte der Prozeßgebühr dann in Anspruch genommen zu werden, wenn der Gläubiger vermögenslos ist. Auch für die Kosten eines isolierten Beweissicherungsverfahrens kommt eine Erstattung nach prozessualen Normen nicht in Betracht, da eine eigene Kostenentscheidung in diesem Verfahren gerade nicht vorgesehen ist l4 • In der Literatur wird allerdings teilweise vorgeschlagen, den prozessualen Kostenerstattungsanspruch in analoger Anwendung der §§ 91 ff ZPO auf das isolierte Beweissicherungsverfahren auszudehnen 15. Der Antragsgegner könnte danach seine Aufwendungen dann geltend machen, wenn - auf der Grundlage einer hypothetischen Prüfung - im Falle einer Klage die Kosten der anderen Partei aufzuerlegen gewesen wären. Eine generelle Erstreckung der prozessualen Erstattungspflicht in den außerprozessualen Raum wird jedoch zu Recht überwiegend abgelehnt l6 . Die rechtswidrigkeits- und verschuldensunabhängigen Sonderregelungen der §§ 91 ff ZPO, die den prozessualen Besonderheiten Rechnung tragen und die Kostenlast ausschließlich an prozessuale Vorgänge knüpfen, können in der Tat mangels vergleichbarer Situation im außerverfahrensrechtlichen Bereich Erstattungsansprüche nicht begründen. Insoweit ist ein Analogieschluß schon mangels ausfüllungsbedürftiger Lücke im Hinblick auf die durch den Prozeßbeginn erfolgende Zäsur nicht möglich l7 • Eine analoge Anwendung der §§ 91ff ZPO liefe im übrigen auf eine Gefährdungshaftung hinaus, für die jede innere Rechtfertigung feh1t1 8 • Die besondere Lage des Prozesses, die das Entstehen von Kosten unvermeidlich werden läßt und sich dadurch von der außergerichtlichen Kostensituation grundlegend unterscheidet, kann im isolierten Beweissicherungsverfahren hingegen argumentativ nur beschränkt angeführt werden. Zwar muß der Antragsgegner anders als ein Beklagter im Hauptprozeß keine Kosten aufSteiniJonas/Schlosser, § 696 Rn. 7; ZöllerNollkommer, § 694, Anm. V 1 Thomas/Putzo, § 696 Anm. 2 bb; SteiniJonas/Schlosser, § 694 Anm. V 1 14 RGZ 13, 319, 325; OLG Düsseldorf MDR 1982, 414, 415 15 RosenbergiSchwab, § 120 V 3; III 2; Bruns, Rn. 203 b; Wieczorek, § 490 Anm. All b 3 16 SteiniJonas/Leipold, vor § 91 Rn. 14; LG Essen, NJW 1974, 997, 999; Mümmler, JurBüro 1981, 1640; OLG Düsseldorf, MDR 1982, 415; Schneider, Egon: Der materielle Kostenerstattungsanspruch, in: MDR 1981, 353 f; Altenmüller, NJW 1976, 92 f; Becker-Eberhard, S. 128 ff; offengelassen BGH NJW 1983, 284 17 Becker-Eberhard, S. 131 18 OLG Düsseldorf, MDR 1982, 413, 414; Schneider, MDR 1981, 353; Altenmüller, NJW 1976, 92, 96 12 13
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wenden, um den nachteiligen Säumnisfolgen des § 331 ZPO zu begegnen. Er ist jedoch, im Unterschied zum außergerichtlichen Streit, der Förmlichkeit des gerichtlichen Beweissicherungsverfahrens unterworfen. Es erfolgt in der Regel eine Ladung des Gegners zur Beweisaufnahme (§ 491 ZPO), der der Antragsgegner unter Aufwendung von Kosten Folge leisten wird, um seine Rechte geltend machen zu können. Hierzu kann auch schon im vorbereitenden Verfahren die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts, insbesondere im Hinblick auf die Präjudizialität des Ergebnisses einer Beweisaufnahme für den späteren Hauptprozeß (§ 493 ZPO), angezeigt sein. Der isolierten Beweissicherung kommt damit auch ohne Hauptprozeß die Qualität eines gerichtlichen Verfahrens zu, die eine Relativierung der grundsätzlich begrüßenswerten Ablehnung einer allgemeinen Analogie prozessualer Kostenvorschriften nahelegt. Dabei sind zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden. Wird dem Beweissicherungsantrag stattgegeben und erfolgt die Beweisaufnahme, ohne daß später ein Hauptprozeß eingeleitet wird, kommt eine Kostenentscheidung in entsprechender Anwendung der §§ 91 ff ZPO nicht in Betracht. Eine solche, an § 91 ZPO angelehnte Kostenentscheidung scheidet schon deshalb aus, weil das Ergebnis einer Beweissicherung keine zuverlässige Prognose entscheidung über die Erfolgsaussichten einer späteren Klage zuläßt 19 • Sind beispielsweise sämtliche, vom Antragsteller behaupteten Baumängel im Beweissicherungsverfahren festgestellt, kann eine auf Schadensersatz oder Nachbesserung gerichtete Klage gleichwohl unter anderen Aspekten (fehlende Fristsetzung, Verjährung) unbegründet sein. Für den Fall eines tatsächlich durchgeführten Beweissicherungsverfahrens verbleibt es mithin bei der Ablehnung einer Analogie. Etwas anderes gilt jedoch für den Fall der Rücknahme und der Zurückweisung des Antrages auf Beweissicherung wegen Unzuständigkeit des Gerichts oder wegen Fehlens der Voraussetzungen der §§ 485-487 ZPO. Hier können die dem Gegner entstandenen Kosten bei Antragsrücknahme analog § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO dem Antragsteller auferlegt werden, während bei Zurückweisung des Antrags ausnahmsweise mit dem Zurückweisungsbeschluß eine Kostengrundentscheidung ergehen kann2o • Die oben aufgezeigte, notwendige Restriktion des prozessualen Kostenerstattungsprinzips läßt sich in diesem, freilich eng umgrenzten Sonderfall nicht einwenden. Durch Zurückweisung OLG Düsseldorf, MDR 1982, 413, 414; Altenmüller, NJW 1976, 92, 97 Altenmüller, NJW 1976, 92, 97; Siebert, S. 270; Wieczorek, ZPO, § 490 Anm. All b 41; OLG Schleswig, SchlHA 1975, 88; LG Aachen, AnwBI. 1983,256; LG Hanau, AnwBI. 1984, 378; LG Kassel, AnwBI. 1981, 448; wohl auch BGH NJW 1983, 284, 285, der im konkreten Fall einen im Wege der Leistungsklage verfolgbaren materiellen Kostenerstattungsanspruch ablehnt und den Antragsgegner auf die Kostengrundentscheidung im Beweissicherungsverfahren und ein dadurch eröffnetes Kostenfestsetzungsverfahren verweist 19
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§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materieller Rechtsgüterschutz
des Antrags steht das Unterliegen des Antragstellers in einem gerichtlichen Verfahren ohne weiteres fest. Die Kostentragungspflicht kann daher, wie auch im Klageverfahren, an den prozessualen Vorgang des Unterliegens bzw. Obsiegens geknüpft werden. 2. Prozessualer und materieUer Kostenerstattungsanspruch
Die aufgezeigte Lückenhaftigkeit der prozessualen Kostenerstattung, die auf prozeßbedingte freiwillige Vermögensaufwendungen der Parteien beschränkt ist und im nicht weiterbetriebenen Mahnverfahren 21 sowie im isolierten Beweissicherungsverfahren22 selbst diese nur ausnahmsweise ausgleicht, wirft die Frage nach weitergehenden, auf das materielle Recht gestützten Ersatzansprüchen auf. Die angeschnittene Problematik wird gemeinhin unter dem Aspekt eines materiellen Kostenerstattungsanspruches und dessen Relation zur prozessualen Kostenerstattung erörtert. Die Terminologie ist jedoch in zweifacher Hinsicht ungenau. Zum einen deshalb, weil es einen den prozessualen Vorschriften vergleichbaren, einheitlichen Kostenerstattungsanspruch im materiellen Recht nicht gibt 23 • Vielmehr richtet sich der Ersatz prozeßbedingter Aufwendungen und Schäden hinsichtlich Umfang und Voraussetzungen nach einzelnen materiellen Anspruchsnormen - Verzug, positive Vertragsverletzung, culpa in contrahendo, Geschäftsführung ohne Auftrag oder Delikt -, die angesichts ihrer unterschiedlichen Ausgestaltung eine Anknüpfung an einen einheitlichen Tatbestand nicht zulassen. Zum anderen sind die Anspruchsnormen des materiellen Rechts nicht auf den Ersatz von Rechtsverteidigungs- oder Rechtsverfolgungskosten beschränkt, sondern umfassen naturgemäß auch den Ersatz darüber hinausgehender Schäden. Diese, nicht auf Kostenersatz gerichteten Ansprüche sind aber von der Konkurrenz zwischen prozessualen Erstattungs- und materiellen Ersatzansprüchen keineswegs von vornherein ausgeschlossen. Auch hier kann den prozessualen Vorschriften hinsichtlich aller Vermögensnachteile eine exklusive oder mindestens dem Umfang nach abschließende Wirkung zukommen24 • Die Kollision prozeßrechtlicher Kostenerstattungs- und materieller Ersatzansprüche basiert auf deren strikter Trennung, die sich auch in ihrer unterschiedlichen prozessualen Durchsetzbarkeit - Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103ff ZPO einerseits und Leistungsklage andererseits - manifestiert. Häsemeyer hält dagegen die aufgeworfenen Konkurrenzfragen für obsolet, indem er die Prozeßkosten den sogenannten Begleitschäden25 zuordnet, für 21 22 23
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Eingangsfall 2 Eingangsfall 3 Becker-Eberhard, S. 50 Becker-Eberhard, S. 141; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 206 siehe oben § 1 BIll
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die eine Haftung nur bei vorsätzlich-sittenwidrigem Verhalten eintreten so1l26. Solange jedoch einem einheitlichen verfahrensrechtlich geregelten Kostenerstattungsanspruch mit seinem speziellen Kostenfestsetzungsverfahren eine Vielzahl einzelner materieller Ersatzansprüche gegenüber stehen, sind Überschneidungen und damit zugleich Kollisionen nicht auszuschließen. Die Konkurrenzfrage stellt sich allerdings dann nicht, wenn es überhaupt nicht zum Prozeß kommt, mithin eine prozessuale Kostentragungspflicht nicht entstanden ist27 . Namentlich für den Fall des nicht weiterbetriebenen Mahnund des isolierten Beweissicherungsverfahrens28 finden die materiellen Vorschriften uneingeschränkt Anwendung, unabhängig davon, ob der Antragsgegner den Ersatz verfahrens bedingter Aufwendungen oder Schäden beansprucht. Daneben ist allgemein anerkannt, daß der Ausgleich von Schäden, die über die bloße Aufwendung von Kosten hinausgehen, durch die gleichzeitige Begründung einer prozessualen Erstattungspflicht nicht schlechthin ausgeschlossen ist29 . Zur Begründung dieser Auffassung werden regelmäßig die Motive des Gesetzes herangezogen, die weitergehende Schadensersatzansprüche ausdrücklich vom Prozeßkostenersatz ausnehmen und in einen besonderen Prozeß verweisen 30 • Dabei steht der Durchsetzbarkeit solcher Ansprüche mangels Kongruenz von materiellem und prozessualem Anspruch weder die materielle Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses noch diejenige der Kostengrundentscheidung im Urteil entgegen. Während im Kostenfestsetzungsverfahren nur über die Zugehörigkeit der Kosten zum konkreten Rechtsstreit und deren Notwendigkeit befunden wird, geht auch die im Verhältnis zur Hauptsache akzessorische Kostengrundentscheidung nicht über den eng begrenzten Streitgegenstand hinaus und erfaßt nicht sonstige, schadensersatzrechtlich relevante Verhaltensweisen der Prozeßparteien. Problematischer und bis heute in Einzelheiten umstritten ist das Nebeneinander von materiellem und Prozeßrecht dann, wenn der Ersatz verfahrensbedingter Kosten in Frage steht und der prozessuale Anspruch hinter dem materiell-rechtlichen zurückbleibt. Inwieweit hier materielle Anspruchsnormen durch prozessuale Kostenvorschriften präkludiert oder korrigiert werden, Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 152 Becker-Eberhard, S. 137; SteinlJonaslLeipold; vor § 91 Rn. 17 28 mit Ausnahme der Antragsrücknahme oder -zurückweisung, siehe dazu oben §4AIla 29 RGZ 150, 37, 41; BGHZ 45, 251, 256; 66, 112, 114; LM Nr. 18 zu § 252 BGB; BaumbachILauterbachIHartmann, Übers. vor § 91 Anm. 4; SteinlJonaslLeipold, vor § 91 Rn. 17; ThomasiPutzo, vor § 91 Anm. IV 2; Zöller/Schneider, vor § 91 Rn. 11; Becker-Eberhard, S. 166 ff; Hopt, Schadensersatzansprüche, S. 198; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 207 f; Loritz, Die Konkurrenz, S. 132 Fn. 147; RosenbergiSchwab, § 87 V 4; Zeiss, NJW 1967, 708 30 zur Begründung des § 85, später § 87 CPO, heute § 91 ZPO siehe Hahn, Materialien, 197 26 27
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§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materieller Rechtsgüterschutz
richtet sich ausschließlich nach deren Normzweck 31 . Eine solche teleologische Betrachtungsweise führt zu dem Ergebnis, daß auch in diesem Bereich eine Verdrängung oder Beschränkung materieller Normen nicht erfolgt. Gegen ersteres sprechen wiederum die Motive des Gesetzes, die eine Subsidiarität der zivilrechtlichen Haftungsnormen gerade nicht vorsehen. Aber auch die dem Prozeßkostenrecht immanenten Wertungsprinzipien mit ihrer auf Vereinfachung ausgerichteten und ausschließlich an objektive Kriterien anknüpfenden Haftung lassen sich nicht auf die rechtswidrigkeits- und verschuldensabhängigen Haftungstatbestände des materiellen Rechts projizieren32 • Eine Restriktion der materiellen Ersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit der Kosten i. S. des § 91 ZPO erfolgt daher nicht33 • Eine Ausnahme hiervon bildet lediglich die restriktive Prozeßkostennorm des § 12a Abs.1 S.l ArbGG n.F., deren soziale Zweckbestimmung als Arbeitnehmerschutzvorschrift den Ersatz von Zeitversäumnis und Anwalts- bzw. Rechtsbeistandskosten auch durch materielle Anspruchsnormen verwehrt34 • Schließlich scheidet die Geltendmachung materieller Ersatzansprüche insoweit aus, als sich der prozessuale Kostenerstattungsanspruch mit dem materiellen deckt und der Anspruchsteller in das Kostenfestsetzungsverfahren verwiesen werden kann. Für eine auf Kostenersatz gerichtete Leistungsklage fehlt dann das Rechtsschutzbedürfnis, da das Kostenfestsetzungsverfahren der billigere und schnellere Weg zur Erreichung desselben Zieles isP5.
31 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 208; ders., ZZP 97 (1984), 503; Loritz, Die Konkurrenz, S. 106 ff 32 Becker-Eberhard, S. 166 f; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 208 33 BGH LM Nr. 18 zu § 839 BGB (D); Becker-Eberhard, S. 193; Hopt, Schadensersatz, S. 199; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 208; ders., ZZP 97 (1984), 504; Thomas/ Putzo, vor § 91 ZPO Anm. IV 2; Zeiss, NJW 1967, 708; a.A. Loritz, Die Konkurrenz, S. 115 f; ders., ZZP 99 (1986), 113; SteiniJonaslLeipold, vor § 91 Rn. 18 34 BAG AP Nr. 3, 10, 13, 14 zu § 61 ArbGG 1953, Kosten; Becker-Eberhard, S. 207 ff; Hopt, Schadensersatz, S. 198 Fn. 6; Konzen, ZZP 97 (1984), 504; Palandtl Heinrichs, § 249 Anm. 2e; Schneider, E., MDR 1981, 354; SteiniJonaslLeipold, § 91 Rn. 113; a.A. Loritz, Die Konkurrenz, S. 68 f; BaumbachILauterbachIHartmann, § 840Anm. 3 35 BGHZ 75,230,235; BaumbachILauterbachIHartmann, Übers. vor § 91 Anm. 5; Hopt, Schadensersatz, S. 198 Fn. 9; Konzen, ZZP 97 (1984), 505; Loritz, Die Konkurrenz, S. 100; RosenbergiSchwab, § 93 IV 2a; SteiniJonas/Leipold, vor § 91 Rn. 20; ThomaslPutzo, vor § 91 Anm. IV 2; ZöllerlMühlbauer, vor § 91 Rn. 6; Zeiss, NJW 1967,708; ausführlich Becker-Eberhard, S. 141 ff m.w.N. in Fn. 9,400 ff
A. Spezialität der prozessualen Ausgleichsvorschriften
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11. Die Haftung des Gläubigers aus der VoUziehung vorläufiger Rechtsbehelfe 1. Die verscbuldensunabbängigen Haftungstatbestände des Verfabrensrecbts
Das Prozeßrecht statuiert in den §§ 302 Abs. 4, 600 Abs. 2, 717 Abs. 2, 945 und 1042c Abs. 2 S. 3 ZPO eine verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung des Gläubigers, der eine vorläufige, noch nicht bestandskräftige, später aber aufgehobene gerichtliche Entscheidung vollzieht und dem Schuldner damit Schaden zufügt. Von besonderer praktischer Bedeutung sind dabei die Vollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Endurteil im Erkenntnisverfahren (§§ 704,708 NI. 1 - 11 ZPO) sowie - in noch weit stärkerem Maße im Hinblick auf die lediglich summarische Prüfung der Rechtslage und der damit einhergehenden Gefahr der späteren Aufhebung - die Vollziehung eines Arrestes (§ 916 ZPO) oder einer einstweiligen Verfügung (§§ 935, 940 ZPO). Trotz ihrer systematischen Einordnung im Verfahrensrecht handelt es sich bei den genannten Vorschriften um materiell-rechtliche Haftungsregelungen 36 , die weitergehend als das Prozeßkostenrecht auf den Ersatz des nach §§ 249ff BGB zu bemessenden Vollstreckungsschadens gerichtet sind 37 . Das Prozeßrecht gewährt damit zwar dem Gläubiger einerseits eine Rechtsdurchsetzung schon vor verbindlicher Feststellung der materiellen Rechtslage, schützt aber zugleich den Schuldner vor den vermögensrechtlichen Folgen einer derartigen, im Widerspruch zur letztlich maßgebenden Endentscheidung stehenden Vollstreckung. 2. Konkurrenz zwiscben prozessualer und materiellrecbtlicber Gläubigerbaftung
Der partielle Schutz des Vollstreckungsschuldners durch die verfahrensrechtlich geregelten Schadensersatzansprüche kann ebenso wie der prozessuale Kostenerstattungsanspruch mit verschuldensabhängigen vertraglichen oder deliktischen Haftungsnormen konkurrieren. Dabei können die Haftungskriterien der §§ 717 Abs. 2,945 ZPO eine abschließende Regelung enthalten und damit jegliche Verschuldenshaftung generell ausschließen oder mindestens einen Maßstab für schädigendes Parteiverhalten in der Zwangsvollstrekkung oder sogar darüber hinaus im gesamten Zivilprozeßrecht entfalten. Daneben ist zu erwägen, ob der den §§ 717, 945 ZPO zugrundeliegende 36 BaumbachILauterbach, § 717 Anm.4; Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 9; Pecher, S. 44 fm.w.N. in Fn. 10; SteinlJonaslMünzberg, § 717 Rn. 11; ThomaslPutzo, § 717 Anm. 2; Zöller/Schneider, § 717 Rn. 3 37 SteinlJonaslMünzberg, § 717 Rn. 25; Zöller/Schneider, § 717 Rn. 6; Vockenberg, S. 145 ff
118
§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materieller Rechtsgüterschutz
Rechtsgedanke auf andere Tatbestände schädigenden Parteiverhaltens im Wege der Analogie erstreckt werden kann. a) Subsidiarität des materiellen Haftungsrechts
Der zunächst angesprochene Themenbereich wirft freilich keine nennenswerten Probleme auf. Eine Ausschlußfunktion im Hinblick auf verschuldensabhängige Haftungstatbestände kommt der Gläubigerhaftung aus den §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO nicht zu. Vielmehr ist allgemein anerkannt, daß materiellrechtliche Anspruchsnormen jedenfalls subsidiär neben der Vollstreckungshaftung zur Anwendung kommen 38 • Dafür spricht die restriktive Ausgestaltung der Vollstreckungshaftung sowohl von ihrem Tatbestand als auch von der Rechtsfolge her. Sie reagiert ausschließlich auf die Diskrepanz zwischen vorläufiger und endgültiger gerichtlicher Entscheidung, wobei der gewährte Ausgleich - um die Terminologie Häsemeyers zu gebrauchen - nur die Durchsetzungsschäden, d. h. die mit der Durchsetzung des vorläufig zugesprochenen Anspruchs zusammenhängenden Nachteile, nicht aber Folgeschäden erfaßt39 • Soweit Häsemeyer einen Rückgriff auf die Deliktshaftung für unstatthaft hält40 , geschieht dies nicht mit Blick auf eine eventuelle Ausschlußwirkung der gesetzlich normierten Gläubigerhaftung, wie schon die partielle Zulassung deliktischer Ansprüche für Folgeschäden aufzeigt. Er tritt vielmehr in Anlehnung an die Haftungstatbestände der §§ 717 Abs. 2,945 ZPO generell für eine Risikohaftung für Durchsetzungsschäden ein, die sich ausschließlich nach der zuletzt zwischen den Parteien bindend festgestellten Rechtslage richten soll. Die insoweit auf Vereinheitlichung der Gläubiger- und Schuldnerhaftung gerichtete Konzeption Häsemeyers 41 tendiert daher eher zu einer Ausweitung der in den §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO zum Ausdruck kommenden Risikohaftung. b) Die analoge Anwendung der prozessualen Haftungsnormen
Neben dem Aspekt einer abschließenden Wirkung der Gläubigerhaftung steht die von Niederelz 42 akzentuierte Erwägung einer Überlagerung der Haf38 Jauemig, Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht, S. 16 ff; Schönke, Adolfl Baur, Fritz: Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, 1978, S. 64 ff; SteiniJonasIMünzberg, § 717 Rn. 66; ThomaslPutzo, § 590 Anm. 3 39 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 164; Henckel, Prozeßrecht, S. 316; Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 141; siehe weitere Nachweise oben S. 151 Fn. 2; die Entscheidung RGZ 143, 120, wonach auch die vermögensrechtlichen Folgen einer psychogenen Erkrankung durch den erlittenen Vollstreckungsschock zugesprochen wurde, ist vereinzelt geblieben und wird zurecht kritisiert; siehe dazu BaumbachILauterbachIHartmann, § 717 Anm. 2 F; Häsemeyer, Schadenshaftung, S.141 40 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 37 41 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 10 ff; 36 ff 42 Niederelz, Rechtswidrigkeit, S. 49 ff
A. Spezialität der prozessualen Ausgleichsvorschriften
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tung für schädigendes Parteiverhalten insgesamt durch die Haftungskriterien der prozessualen Schadensersatzansprüche. Unter der - von Niederelz allerdings abgelehnten - Prämisse, daß deren Haftungsgrund in der Rechtswidrigkeit des Gläubigerverhaltens zu suchen sei, müsse jede Vollstreckungsmaßnahme eines materiell nicht berechtigten Gläubigers und jede unbegründete Klageerhebung gleichfalls rechtswidrig sein und Schadensersatzsanktionen auslösen, da dem Verschulden insoweit eine Korrektivfunktion nicht zukomme43 • Diese Argumentation läßt den in der besonderen Vollstreckungssituation liegenden Zweck der Gläubigerhaftung unbeachtet. Unabhängig von der Kontroverse um die innere Rechtfertigung der Gläubigerhaftung44 wird jedenfalls dem Gläubiger das Risiko dafür überbürdet, daß er mithilfe der staatlichen Zwangsmittel schon aufgrund einer vorläufigen Entscheidung in den Rechtskreis des Schuldners eingreifen kann. Dem Schuldner ist dabei wegen der die staatliche Vollstreckungsmaßnahme legitimierenden gerichtlichen Entscheidung jegliche Abwehrmöglichkeit unmittelbar gegen den Vollstreckungsakt verwehrt45 . Die gesetzliche Regelung verzichtet daher auf ein Verschulden und knüpft die Haftung des Gläubigers an den objektiven Tatbestand der Titelaufhebung. Ganz anders ist die Situation bei der Erhebung einer unbegründeten Klage. Hier greift nicht der Staat unmittelbar in den Rechtskreis des Beklagten ein. Es fehlt insoweit gerade an einem legitimierenden staatlichen Machtausspruch. Die spezifischen Haftungskriterien der Gläubigerhaftung lassen sich daher auch dann nicht auf andere Fallgruppen schädigenden Parteiverhaltens übertragen, wenn man die Ersatzpflicht der §§ 717, 945 ZPO als Folge der Widerrechtlichkeit des Vollstreckungsantrags des Gläubigers versteht. An ähnlichen Erwägungen scheitert auch eine entsprechende Anwendung der verschuldensunabhängigen Gläubigerhaftung auf vergleichbare Fallstrukturen. Zum einen ist schon fraglich, ob überhaupt die für eine Analogie vorauszusetzende Regelungslücke im materiellen Recht gegeben ist, die durch eine - im übrigen Zivilrecht durchaus seltene - Haftung ohne Verschulden geschlossen werden müßte. Zum anderen kommt eine analoge Anwendung der Vollstreckungshaftung ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn der Schuldner trotz der Bestandsunsicherheit der gerichtlichen Entscheidung der staatlichen Vollstreckungsmacht unterworfen ist46 • Dies ist bei Rechtsgutsbeeinträchtigungen durch Klagen und andere schädigende prozessuale Verhaltensweisen gerade nicht der Fall. Im übrigen ist, worauf KonNiederelz, S. 49 ff, 73 Fn. 1 Hier stehen sich die insbesondere von Henckel, Prozeßrecht, S. 262, 265, 270 ff vertretene These von der Rechtswidrigkeit des Gläubigerverhaltens und diejenige einer Risikohaftung gegenüber, BGHZ 54,76; 85, 110; SteiniJonaslMünzberg, § 717 Rn. 9; Zöller/Schneider, § 717 Rn. 1; Bötticher, ZZP 85 (1972), 7 ff, der von einer Zwangsversicherung des Schuldners spricht; siehe dazu auch oben § 1 D 11 45 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 158; Henckel, Prozeßrecht, S. 245 ff 46 SteiniJonaslMünzberg, § 717 Rn. 59,66; BaumbachILauterbachIHartmann, § 717 Anm. 5 a-k mit Beispielen für die seltenen Anwendungsfälle einer Analogie 43 44
120
§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materieller Rechtsgüterschutz
zen 47 zurecht hinweist, die Interessenlage durchaus unterschiedlich. Während es der Vollstreckungsgläubiger in der Hand hat, die Bestandskraft der Entscheidung abzuwarten, hat der Kläger nur die Wahl zwischen einer eventuellen Rechtsverletzung oder dem endgültigen Rechtsverzicht. Es besteht daher kein Grund, dem Kläger in gleicher Weise wie dem Vollstreckungsgläubiger das Risiko der Begründetheit des klagweise geltend gemachten Anspruchs aufzuerlegen. Auch die von Baur 48 erwogene Übertragung des Rechtsgedankens der §§ 300 Abs. 4 S. 3, 600 Abs. 2, 717 Abs. 2, 945 ZPO auf die schädigenden Folgen eines Konkursantrags überzeugen nicht. Die von Baur befürchtete, mit den gesetzlichen Wertungen nicht zu vereinbarende SchlechtersteIlung des titulierten Gläubigers in der Einzelzwangsvollstreckung im Vergleich zum nicht-titulierten Gläubiger im Konkursverfahren ist nicht ersichtlich. Zwar ist das Insolvenzverfahren eine besondere Form der Zwangsvollstreckung, die eine Wertungsparallele nahelegt. Dennoch bestehen zwischen Einzel- und Gesamtvollstreckung Strukturunterschiede, die eine Risikohaftung des Konkursgläubigers ausscheiden lassen. Während nämlich der Gläubiger in der Einzelzwangsvollstreckung mittels der staatlichen Vollstrekkungsorgane seine individuelle Rechtsposition durchsetzt, herrscht im Konkursverfahren das Prinzip der Gesamtabwicklung, der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger vor49 . Der Konkursantrag ist daher auch zunächst gar nicht auf die Durchsetzung eines einzelnen Anspruchs des Antragstellers ausgerichtet. Dementsprechend sind die verfahrensdeterminierten Schädigungen regelmäßig nur Folgewirkungen50 , die mit der der AntragsteIlung zugrundeliegenden Forderung nicht zusammenhängen. Für eine entsprechende Anwendung der allein die Schäden einer sofortigen Anspruchsdurchsetzung sanktionierenden Schadensersatzansprüche des Prozeßrechts bleibt mithin kein Raum. B. Der prozessuale pmchtenkreis als Determinante zivilrechtlicher Haftungskriterien Kann somit den speziellen prozessualen Ausgleichsvorschriften keine Ausschlußfunktion beigemessen werden, steht der Anwendung zivilrechtlicher Haftungsnormen zur Sanktionierung schädigenden Parteiverhaltens im Prozeß grundsätzlich nichts mehr entgegen. Damit ist jedoch die weitergehende Frage nach einer Einschränkung oder Modifizierung der zivilrechtlichen Schadensersatzhaftung nicht abschließend geklärt. Hier ist eine zu sonstigen schäKonzen, Rechtsverhältnisse, S. 164 f Baur, JZ 1962, 95; ihm folgend Fenn, ZHR 132 (1969), 344, 352 49 Böhle-Stammschräder, A./Kilger, Joachim: Konkursordnung, 1984, § 3 Anm. la; Jäger, ErnstlHenckel, Wolfram: Konkursordnung mit Einführungsgesetz, 1977, § 3 47
48
Rn.
2
In der Konkursantragsentscheidung BGHZ 36, 18 machte der Antragsgegner die Verletzung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs geltend 50
B. Prozessualer Pflichtenkreis und zivilrechtliehe Haftungskriterien
121
digenden Verhaltensweisen abweichende Beurteilung im Hinblick darauf denkbar, daß das Prozeßrecht selbst in vielfältiger Weise Voraussetzungen, Zulässigkeit und Wirkungen des Parteiprozeßverhaltens regelt. Eine erhebliche Erweiterung erfahren diese positivierten Maßstäbe durch individualvertragliche Vereinbarungen, die unmittelbar auf die Herbeiführung prozessualer Rechtsfolgen gerichtet oder diese mindestens mittelbar herbeizuführen geeignet sind. Sowohl das Normgefüge des Prozeßrechts als auch individualrechtliehe Abreden über prozessuales Verhalten können dabei für den durch das materielle Recht zu gewährleistenden Integritätsschutz der geschädigten Prozeßpartei unter zwei Aspekten Relevanz gewinnen. Zum einen ist die Begründung einer selbständigen, materiell-rechtlichen Haftung wegen der Verletzung einer prozessualen Norm oder einer entsprechenden Prozeßvereinbarung denkbar. Dies kann im Wege einer Transformation prozessualer Pflichten in das materielle Zivilrecht durch deren Einordnung als Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ebenso geschehen wie durch die Statuierung vertraglicher oder quasivertraglicher Ansprüche unter Heranziehung der Rechtsinstitute der positiven Forderungsverletzung und der cu/pa in contrahendo. Zum anderen kommt im Rahmen bestehender Haftungsnormen aus Delikt und Vertrag eine abschließende Beschreibung der Haftungskriterien Rechtswidrigkeit und Schuld durch gesetzlich normierte oder vertraglich vereinbarte Verhaltensanforderungen im Prozeß in Betracht. Bevor jedoch hierauf näher eingegangen wird, ist zunächst zu untersuchen, inwieweit überhaupt prozessuale Pflichten statuiert werden können. Dabei soll der oben angedeuteten Dichotomie zwischen gesetzlich und vertraglich begründeten Parteipflichten gefolgt werden. I. Bestandsaufnahme zivilprozessualer Parteipflichten 1. GesetzUcb normierte Parteipffichten
Die Einordnung der rechtlichen Beziehungen der am Prozeß Beteiligten bereitet seit jeher Schwierigkeiten. Die Transformation vom das materielle Zivilrecht beherrschenden Prinzip korrespondierender subjektiver Rechte und Pflichten in das Prozeßrecht scheint im Hinblick auf die Mitwirkung des Staates und die damit einhergehende Dreiseitigkeit des Rechtsverhältnisses51 51 Die Dreiseitigkeit des Prozeßrechtsverhältnisses, unter dem die Gesamtheit aller rechtlichen Beziehungen zwischen den am Prozeß Beteiligten verstanden wird, ist heute allgemeine Meinung, Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 11; Bruns, S. 7 ff; Jauernig, Zivilprozeßrecht, § 32; RosenberglSchwab, § 211 1; Thomas/Putzo, Vorbem. § 50, Anm. I; SteinlJonas/Schumann, Ein!. Rn. 228; Zeiss, Walter, Zivilprozeßrecht, 1985, § 21; ZöllerNollkommer, Ein!. Rn. 52; a.A. BaumbachILauterbach/Hartmann, Grundz. vor § 128 Anm. 2 B, die, der Ansicht Kohlers, Josef: Der Prozeß als Rechtsverhältnis, Neudruck der Ausgabe 1888, 1969, folgend, das Prozeßrechtsverhältnis nur zwischen den Parteien begründet sehen
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§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materieller Rechtsgüterschutz
nicht ohne weiteres möglich. Weitgehend Klarheit besteht lediglich über dasvon dem Rechtsverhältnis zwischen den Prozeßparteien streng zu unterscheidende - Verhältnis der Parteien zum Gericht. Hierbei handelt es sich um ein echtes öffentlich-rechtliches Pflichtenverhältnis52 : Dem verfassungsrechtlich verankerten53 Justizanspruch des einzelnen steht die Amtspflicht der Gerichte auf Beachtung der Verfahrensvorschriften gegenüber, deren Verletzung - im Hinblick auf das Spruchrichterprivileg allerdings nur selten durchsetzbare Amtshaftungsansprüche auslösen kann. Divergenzen bestehen dagegen nach wie vor über Inhalt und Umfang der zwischen den Parteien bestehenden Verhaltensanforderungen im Prozeß. Obwohl die "Einheitslasttheorie" Goldschmidts, der, ausgehend von einem liberalistischen Prozeßrechtsverständnis, jegliche prozessualen Parteipflichten leugnete54 , heute als überholt gilt, differenziert auch die moderne Prozeßrechtsdoktrin zwischen Aussichten und Lasten einerseits und Rechten und Pflichten andererseits55 . Dabei wird allgemein die Dominanz der Last als prozessuale Regelungstechnik akzentuiert 56 , ohne jedoch das Vorhandensein echter prozessualer Pflichten gänzlich auszuschließen. Als solche werden aus der Vielzahl verfahrensrechtlicher Regelungen des Prozeßparteiverhaltens lediglich die Pflicht der Partei zum persönlichen Erscheinen nach den §§ 141, 279 Abs. 2, 613 ZP057, die prozessuale Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZP058, die Pflicht zur Duldung körperlicher Untersuchungen im Abstammungsprozeß nach § 372 a ZPO, die Urkundeneditionspflicht nach den §§ 422, 423, 441 Abs. 3 ZP059, das aus § 444 ZPO folgende Verbot der absichtlichen Urkundenvernichtung und Schumann, JA 1976, 218 siehe oben § 2 A 54 Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 107 f; ihm folgend Niese, S. 64 ff; Sax, ZZP 67 (1954), 21 5S Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 30 VII; Henckel, Prozeßrecht, S. 12 ff; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 57 ff; Lent, Friedrich: Zur Unterscheidung von Lasten und Pflichten der Parteien im Zivilprozeß, in: ZZP 67 (1954), 344; Jauemig, Zivilprozeßrecht, § 26; Leipold, Dieter: Prozeßförderungspflicht der Parteien und richterliche Verantwortung, in: ZZP 93 (1980), 240; RosenbergiSchwab, § 2 III 1; Stein! Jonas/Schumann, Ein!. Rn. 235 ff; Stümer, Aufklärungspflicht, S. 71 ff; ZöllerNollkommer, Ein!. Rn. 52 56 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 71; RosenbergiSchwab, § 2111; Henckel, Prozeßrecht, S. 17; Stümer, Aufklärungspflicht, S. 74; Stein!Jonas/Schumann, Ein!. 52
53
Rn. 241
57 Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 30 VII 1; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 282; Lent, ZZP 67 (1954), 351; Jauemig, Zivilprozeßrecht, § 26; RosenbergiSchwab, § 2 111; Thomas/Putzo, § 141, Anm. 4; Schumann, JA 1976, 217; Baumbach/LauterbachIHartmann, § 138 Anm. 1 I B 58 Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 30 VII 3; Hopt, Schadensersatz, S. 269 ff; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 282; Lent, ZZP 67 (1954), 352; Jauernig, Zivilprozeßrecht, § 26, 2; RosenbergiSchwab, § 2 III 2; Stein!Jonas/Leipold, § 138 Rn. 2; Zeiss, Zivilprozeßrecht, § 33 V 59 Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 30 VII 2; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 282; RosenbergiSchwab, § 2 III 2
B. Prozessualer Pflichtenkreis und zivilrechtliehe Haftungskriterien
123
schließlich die oben60 schon angesprochene, aus dem ubiquitären Grundsatz von Treu und Glauben folgende Pflicht zu redlicher Prozeßführung61 anerkannt. Ob daneben weitere Rechtspflichten der Parteien, insbesondere die in neuerer Zeit von Stürner62 postulierte allgemeine Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Prozeßpartei oder eine mit der Vereinfachungsnovelle 1976 in die ZPO eingeführte Prozeßförderungspflicht bestehen, ist umstritten. Es verbleibt hier der schroffe Gegensatz zwischen der am zivilrechtlichen Begriff der Obliegenheit angelehnten und ein Fehlverhalten lediglich durch einen prozessualen Nachteil sanktionierenden Last und dem mit Erfüllungszwang, Schadensersatzpflicht oder Strafe belegten echten Sollensgebot einer prozessualen Vorschrift. Dabei handelt es sich nach der herkömmlichen Betrachtungsweise bei einer Norm dann um eine prozessuale Last, wenn deren Verletzung vom Verfahrensrecht lediglich als Verstoß gegen eigene Interessen gewertet und daher mit einem lediglich innerprozessual wirkenden Rechtsnachteil sanktioniert wird. Typisches Beispiel hierfür ist die Säumnis der Parteien, deren Nachteile für den Gegner durch den Prozeßveriust der säumigen Partei (§§ 330,331 Abs. 1 ZPO) ausgeglichen werden. Als Abgrenzungskriterien zwischen wertneutraler Last und echter prozessualer Pflicht dienen zum einen die Rechtsfolge, mit der die jeweilige Norm ein prozessuales Fehlverhalten sanktioniert63 , zum anderen die innere Wertung der betreffenden Norm64 • Beide Kriterien lassen eine klare Trennung von Lasten und Pflichten nur bedingt zu. Einerseits nimmt die Beschränkung auf eine innerprozessuale Sanktion einer Norm nicht den Pflichtcharakter65 . Auch hier stellt der Gesetzgeber, etwa für den Fall der Säumnis oder des Gebots rechtzeitigen Vorbringens (§ 282 ZPO), konkrete Verhaltensanforderungen an die Prozeßparteien. Dabei wählt er lediglich die wesentlich wirksamere und intensivere Form des innerprozessualen Ausgleichs eines Fehlverhaltens - Prozeßveriust, Präklusion oder Erfüllungsfiktion -, statt dem Gegner primäre Erfüllungs- oder sekundäre Schadensersatzansprüche an die Hand zu geben. Andererseits ist die Mißbilligung eines Fehlverhaltens durch den Gesetzgeber nicht auf die oben beschriebenen und von der ZPO ausdrücklich bezeichneten Handlungspflichten beschränkt66 • Vielmehr kann sich die Verhaltensmißbilligung auch in der Sanktionierung mit einem prozessualen Nachteil manifestieren, wofür auch hier die Säumnis- (§ 330 ff ZPO) und Verspätungsvorschriften (§§ 282, 6O§IBl2baa 61 BaumbachILauterbachIHartmann, § 138 Anm. 1 I D; Dölle, S. 279, 290; Lent, ZZP 67 (1954), 352 f; Rosenberg/Schwab, § 2 IV; Schumann, JA 1976, 217; Zeiss, NJW 1967, 707 62 Stürner, Aufklärungspflicht, passim 63 Henckel, Prozeßrecht, S. 12 f; SteinlJonas/Schumann, Einl. Rn. 239 64 Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 30 VII; Leipold, ZZP 93 (1980), 240 f; Lent, ZZP 67 (1954), 350, Schumann, JA 1976, 217 65 Stürner, Aufklärungspflicht, S. 76 ff; Henckel, Prozeßrecht, S. 14 Fn. 26 66 Henckel, Prozeßrecht, S. 13 f
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§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materieller Rechtsgüterschutz
296 ZPO) zu nennen sind. Zeitliche Verzögerungen werden zwar innerprozessual geahndet, sind aber zugleich vom Gesetzgeber mißbilligt und daher dem prozessualen Pflichtenbereich zuzuordnen67 . Der Begriff der Last behält gleichwohl seinen Sinn; er sollte jedoch der prozessualen Pflicht nicht antithetisch gegenübergestellt und damit jeglichen Pflichtelementes beraubt werden. Die innerprozessuale Reaktion auf ein prozessuales Fehlverhalten eliminiert nicht den Pflichtcharakter der betreffenden Norm. Sie hat jedoch zur Folge, daß dieser Pflicht keine selbständige Relevanz mehr zukommt. Soweit das Prozeßrecht den verspäteten Parteivortrag präkludiert oder die Verletzung der von Stürner entwickelten Aufklärungspflicht durch eine Wahrheitsfiktion der behaupteten Tatsache ausgleicht68 , ist für eine selbständige Anknüpfung an das pflichtwidrige Parteiprozeßverhalten - etwa in Form von Erfüllungsoder Schadensersatzansprüchen - kein Raum. Ein Pflichtwidrigkeits- bzw. Rechtswidrigkeitsurteil ist dann in der Tat funktionslos 69 • Dies gilt für die allgemein behauptete Prozeßförderungspflicht10 in gleicher Weise wie für eine allgemeine Mitwirkungs- oder Aufklärungspflicht der Parteien71 • 2. Gewillkürte Parteipmchten
Neben den vom Gesetzgeber normierten Handlungspflichten können die Prozeßparteien selbst durch individualvertragliche Vereinbarungen die Herbeiführung bestimmter prozessualer Rechtsfolgen begründen. Dies kann auf zweierlei Art und Weise geschehen. Die Parteien eines streitigen Rechtsverhältnisses können vor oder während eines Rechtsstreits einen auf prozessuale Wirkungen gerichteten Vertrag schließen. Die Verpflichtung zu einem prozessualen Verhalten kann sich jedoch auch als Nebenwirkung eines materiellrechtlichen, schon vorprozessual bestehenden Rechtsverhältnisses der Parteien ergeben.
67 Leipold, ZZP 93 (1980),241; Stümer, Aufklärungspflicht, S. 76; Materialien zur Vereinfachungsnovelle BT-Drucksache 7/5250, 4 68 Stümer, Rolf: Parteipflichten bei der Sachverhaltsaufklärung im Zivilprozeß, in: ZZP 98 (1985), 253 69 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 73 70 Die Vereinfachungsnovelle 1976 ist mit einer solchen Prozeßförderungspflicht begründet worden, siehe BT-Drucksache 7/5250,5 71 Es kann daher hier offen bleiben, ob die von Stümer, Aufklärungspflicht, S. 77 ; ders., ZZP 98 (1985), 253, in analoger Anwendung der §§ 138,445, ff, 422, 423, 426, 427 ZPO konstruierte Aufklärungspflicht mit dem von den antinomischen Interessen der Prozeßparteien geprägten System des Zivilprozesses vereinbar ist; jedenfalls bleibt deren Verletzung auf innerprozessualen Ausgleich beschränkt und bietet für die hier allein interessierende Frage nach Schadensersatzansprüchen keinen Anknüpfungspunkt
B. Prozessualer PfIichtenkreis und zivilrechtliche Haftungskriterien
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a) Ausdrückliche Prozeßvereinbarungen Die einzelvertragliche, vom Normgefüge des Verfahrensrechtes abweichende Statuierung von gegenseitigen Verhaltenspflichten erfolgt typischerweise durch die sogenannten Prozeßverträge72 • Sie sind zum einen abzugrenzen von außergerichtlich geschlossenen Verträgen, die lediglich auf eine Änderung der materiellen Rechtslage gerichtet sind. Hier ist die betroffene Partei gehalten, auf die Änderung der materiellen Rechtslage, etwa im Fall einer Stundung oder des Abschlusses eines außergerichtlichen Vergleichs, durch eine entsprechende einseitige Prozeßhandlung - Erledigterklärung, Klagrücknahme oder Verzicht - innerprozessual zu reagieren73 • Zu unterscheiden ist der Prozeßvertrag zum anderen von der bloß einseitigen Parteiprozeßhandlung und dem sogenannten Gesamtakt, der lediglich eine übereinstimmende Erklärung der Parteien gegenüber dem Gericht, nicht jedoch eine echte vertragliche Verpflichtung zum Inhalt hat74 . Ausdrückliche Regelungen über die privatautonome Gestaltung des Verfahrens finden sich im Gesetz nur ganz spärlich und zudem in engen Grenzen. Von praktischer Relevanz ist hierbei primär der Prorogationsvertrag (§§ 38 ff ZPO). Daneben anerkennt das Verfahrensrecht im Erkenntnisverfahren Verträge über die Art der Sicherheitsleistung (§ 108 ZPO), die Abkürzung von Fristen (§ 224 Abs. 1 ZPO), die Benennung eines Sachverständigen (§ 404 Abs. 4 ZPO) sowie die Vereinbarung eines Schiedsgerichts (§§ 1025 ff ZPO). Hinzu kommen im Vollstreckungsrecht Abreden über Ort und Zeit der Versteigerung (§ 816 ZPO), über den Teilungsplan (§§ 876, 115 ZPO) und schließlich die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§§ 794 Abs. 1 Nr. 5,799,800 ZPO). Soweit das Gesetz in den genannten Fällen den Prozeßparteien Dispositionsbefugnis einräumt, kommt diesen Verträgen eine unmittelbare prozessuale Wirkung zu75 . Neben den gesetzlich normierten Vereinbarungen finden sich in der Praxis eine Vielzahl weiterer Verträge, die auf die Gestaltung der prozessualen Rechtsbeziehungen der Parteien gerichtet sind. Gegenstand solcher Verträge können die Verpflichtung zur Klage- oder Rechtsmittelrücknahme76 , zum 72 Baumgärtei, Gottfried: Wesen und Begriff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilprozeß, 1972, S. 184; Hellwig, H.-J., (I), S. 27; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 65 73 Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 30 VIII 74 Baumgärtei, Wesen, S. 186; SteiniJonaslLeipold, vor § 128 Rn. 171; als Beispiel seien hier die übereinstimmende Erledigterklärung nach § 91 a ZPO und die übereinstimmende Zustimmungserklärung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO genannt 75 Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 30 VIII 1; Hellwig, H.-J., (I), S. 35; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 189; Rosenberg/Schwab, § 66 11; SteiniJonaslLeipold, vor § 128 Rn. 171,246 76 RGZ 102, 217; BGHZ 20, 205; BGH NJW 1984, 805; Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 30 VIII 2; BaumbachILauterbachIHartmann, Grundz. § 128 Anm. 5c; SteiniJonaslLeipold, vor § 128 Rn. 236
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§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materieller Rechtsgüterschutz
Rechtsmittelverzicht77 , zur Wahl einer bestimmten Verfahrensart18 oder schließlich Vereinbarungen über die Art der Beweisführung und die Beweislast sowie über Beschränkungen und Erweiterungen der Zwangsvollstreckung sein. Während in der älteren Literatur die Zulässigkeit von Prozeßverträgen im Hinblick auf das Verbot des Konventionalprozesses teilweise bezweifelt wurde79 , werden diese heute allgemein für zulässig erachtet, sofern sie nicht gegen zwingende Prozeßrechtsnormen verstoßenso. Problematisch ist hingegen die Wirkung dieser Prozeßvereinbarungen. Sie sollen im Gegensatz zur oben beschriebenen unmittelbaren Wirkung der gesetzlich geregelten Vereinbarungen lediglich eine Verpflichtung der betroffenen Partei zur Vornahme einer Prozeßhandlung begründen, deren Verletzung allerdings als Verstoß gegen Treu und Glauben auch im Prozeß als Einrede beachtlich sein S01l81. Diese Differenzierung zwischen Verfügungs- und Verpflichtungswirkung in Anlehnung an das Abstraktionsprinzip und ihre gleichzeitige Einebnung durch die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben ist allerdings nicht unbestritten82 • Von Interesse für die vorliegende Untersuchung ist dabei insbesondere die Frage nach dem Verhältnis von prozessualer Wirkung und materieller Schadensersatzpflicht aus der Verletzung einer Prozeßvereinbarung. Darauf wird unten83 zurückzukommen sein. b) Nebenpflichten zivi/rechtlicher Verträge
Das Gebot zur Vornahme oder Unterlassung eines bestimmten Parteiprozeßverhaltens kann sich jedoch nicht nur aus den unmittelbar oder mittelbar wirkenden Prozeßverträgen, sondern auch als zivilvertragliche Nebenpflicht ergeben. Die prozessuale Wirkung kommt der Prozeßvereinbarung mit Verpflichtungswirkung gleich, mit dem Unterschied, daß bei dieser die beabsichtigte Wirkung kraft ausdrücklicher Vereinbarung eintritt, während sie bei BGHZ 2, 112; 28, 45; FamRZ 1982, 784 Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 30 VIII 2; SteiniJonaslLeipold, vor § 128 Rn. 236 79 Baumgärtei, Wesen, S. 187 Fn. 21 m.w.N. auf das umfangreiche Schrifttum 80 BGH DB 1973, 1451; BGHZ 38, 258; FamRZ 1982, 782, 784; Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 30 VIII 4; Baumgärtel, Wesen, S. 268; BaumbachILauterbachi Hartmann, Grundz. § 1228 Anm. 5c; Hellwig, H.-J., (I), S. 88 ff; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 191 f; RosenberglSchwab, § 66 III; Schellhammer, Kurt: Der Zivilprozeß, 1984, Rn. 1135; SteiniJonaslLeipold, vor § 128 Rn. 162, 237; Zeiss, Zivilprozeßrecht, §35112b 81 BGHZ 28, 45; NJW 1964, 1072; BaumbachILauterbachIHartmann, Grundz. § 128 Anm. 5c; RosenberglSchwab, § 66 11; Stein/JonaslLeipold, vor § 128 Rn 247; Zeiss, Zivilprozeßrecht, § 35 11 2 b 82 Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 30 VIII 4; Hellwig, H.-J., (I), S. 62 ff; Schlosser, Peter: Einverständliches Parteihandeln im Zivilprozeß, 1968, S. 62; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 188 ff, 195 83 §4BII 77
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B. Prozessualer Pflichtenkreis und zivilrechtliche Haftungskriterien
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jener nur eine Reflexwirkung eines zivilrechtlichen Vertrages darstellt84 • Die vertragliche Pflichtverletzung kann dabei insbesondere bei dem aus Treu und Glauben folgenden, weitgefaßten Verbot, den Vertragszweck nicht zu gefährden oder den Vertragspartner zu schädigen, in jeder Parteiprozeßhandlung liegen. Der prozessuale Angriff oder die Verteidigung fällt dann mit der vertraglichen Pflichtverletzung zusammen85 • Prozessuale Relevanz wird insoweit regelmäßig der vertragswidrig erhobenen Patentnichtigkeitsklage des Lizenznehmers zuerkannt86 : Auch ohne ausdrückliche Nichtangriffsabrede (§ 20 Abs. 2 Nr. 4 GWB) wird die Patentnichtigkeitsklage unter Hinweis auf die aus Treu und Glauben folgende Vertragswidrigkeit als prozessual unzulässig abgewiesen. Diese Betrachtungsweise ist jedoch nicht auf den Sonderfall des Lizenzvertrages beschränkt. Auch bei sonstigen, vorprozessual existierenden vertraglichen Beziehungen der Parteien kann in der Erhebung einer Klage oder der prozessualen Verteidigung ein sanktionierbarer Verstoß gegen die vertragliche Lei-. stungstreuepflicht liegen. Diesen Gedanken spricht auch der BGH in der Bauverzögerungsentscheidung87 an, ohne jedoch die Parallele zur vertragswidrig erhobenen Patentnichtigkeitsklage zu ziehen. Während nämlich im letzten Fall die Nebenpflichtverletzung prozessuale Bedeutung erlangen soll, versagt der BGH in der Bauverzögerungsentscheidung sowohl materiell-rechtliche als auch prozessuale Rechtsfolgen. Eine solche Differenzierung ist dogmatisch nicht zu begründen: Soweit zwischen den Parteien zivilvertragliche Bindungen bestehen, kann die Vornahme einer konkreten Prozeßparteihandlung das Leistungs- und Vertragsinteresse der jeweils anderen Partei tangieren. Entscheidend ist allein der Umfang und die Reichweite der vertraglichen Neben- und Schutzpflichten, die im Einzelfall je nach Vertragstyp höchst unterschiedlich sein können. Außerdem stellt sich auch hier die Frage, inwieweit bei einer Pflichtverletzung materiell-rechtliche Rechtsfolgen, gerichtet auf Erfüllung oder Schadensersatz, mit prozessualen Wirkungen konkurrieren. D. Haftungsrechtliche Anknüpfung an prozessuales Parteiverhalten Die Analyse eines prozessualen Verhaltens unter haftungsrechtlichen Aspekten führt zu zwei divergenten Ansatzpunkten. Zum einen kann die Verletzung positivierter oder privat autonom begründeter prozessualer Verhaltensnormen Grundlage selbständiger Haftungsansprüche bilden. Im Falle der Verletzung gesetzlicher Parteipflichten kommen dabei vertragliche Ansprüche in Anlehnung an das Rechtsinstitut der cu/pa in contrahendo sowie deliktische 84
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Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 218 Becker-Eberhard, S. 94 BGH NJW 1965, 491, 492; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 218 BGHZ 20,169,172
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§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materieller Rechtsgüterschutz
Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB in Betracht, sofern die prozessualen Vorschriften als Schutzgesetze einzuordnen sind. Der Verstoß gegen gewillkürte Parteipflichten kann unter dem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung sanktionierbar sein. Neben dieser unmittelbaren Haftungsanknüpfung kann der prozessuale Pflichtenkreis die materiellen Haftungskriterien abschließend beschreiben. 1. Verletzung prozessualer Verhaltensnormen als selbständige Haftungsgrundlage
a) Verletzung positivierter Parteipflichten
aa) Die prozessuale Sonderbeziehung als vertragsähnliche Haftungsgrundlage Durch die Aufnahme eines Prozesses entstehen unbestreitbar eine Vielzahl rechtlicher Beziehungen zwischen den Parteien. Dabei ist heute anerkannt, daß sich diese Beziehungen nicht auf das öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen Gericht und Partei beschränken, sondern auch unmittelbar zwischen den Prozeßparteien Rechte und Pflichten begründet werden88 • Aus dieser mit dem konstruktiven Begriff des Prozeßrechtsverhältnisses89 beschriebenen prozessualen Sonderbeziehung werden haftungsrechtliche Konsequenzen gefolgert90 , die auch der BGH in zwei Entscheidungen im Bereich der Zwangsvollstreckung andeutet91 • Dabei wird jedoch, abgesehen von der grundlegenden Frage der Vergleichbarkeit von Schuldverhältnis und prozessualer Sonderbeziehung, zumeist nicht scharf genug unterschieden: Bestand zwischen den Prozeßparteien schon vor Eintritt in den Prozeß eine rechtliche Sonder beziehung, sei es aus Vertrag oder aufgrund eines gesetzlichen Schuldverhältnisses, kann allein schon diese vorprozessuale Sonderbeziehung die Anwendung schuldrechtlicher Institute rechtfertigen, ohne daß es dazu eines Rückgriffs auf das Prozeßrechtsverhältnis bedarf. Hier stellt sich allein die Frage, inwieweit materiell-rechtlich begründete Rechte und Pflichten im Prozeß fortwirken 92 , mit der Folge, daß Prozeßparteihandlungen als Vertragsverstoß bewertet werden und Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung ebenso wie die Anwendung der Erfüllungsgehilfenhaftung (§ 278 BGB) rechtfertigen können. Die zitierten Judikate des BGH lassen sich daher nicht als Beleg für eine Haftung aus der Verletzung des Prozeßrechtsverhältnisses anführen. Beide Entscheidungen gewinnen die Heranziehung schuldrechtlicher Grundsätze aus dem 88 89 90
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siehe oben § 4 B I vgl. oben § 4 B I 1 siehe oben § 4 B I 2 b BGHZ 58, 207; 74, 9 Berges, NJW 1965, 1505
B. Prozessualer Pflichtenkreis und zivilrechtliche Haftungskriterien
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Rückgriff auf das zwischen den Prozeßparteien bestehende materielle Rechtsverhältnis: Während es sich dabei im Urteil aus dem Jahre 197393 um ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis handelte 94 , bestanden in der Bürovorsteherentscheidung95 zwischen Vollstreckungsgläubiger und -schuldner vertragliche Beziehungen. Nur soweit zwischen den Parteien kein vorprozessuales materielles Rechtsverhältnis besteht, gleichsam der Prozeß erstmalig den Kontakt der Parteien begründet, kommt eine Haftung aus culpa in procedendo überhaupt in Betracht. Dabei fehlt es schon an der von den Befürwortern einer solchen Haftung vorausgesetzten Gleichstellung von Schuldverhältnis und Prozeßrechtsverhältnis96 . Während dieses durch die Gewährung von Ansprüchen auf eine Veränderung der Vermögenszuordnung gerichtet ist97 und die Gleichgerichtetheit der beteiligten Interessen durch die die Leistungspflichten flankierenden Schutzpflichten manifestiert wird, herrscht bei jenem eine Antinomie, eine Gegensätzlichkeit der verfolgten Ziele vor. Die das Rechtsverhältnis der Parteien untereinander und zwischen Parteien und Gericht reglementierenden Rechtssätze lassen sich mit den ein System von Leistungspflichten statuierenden Vorschriften des Schuldrechtes nicht vergleichen. Sie sind im übrigen sowohl von ihren tatbestandlichen Voraussetzungen als auch von den Rechtsfolgen her im Gegensatz zu dem typischerweise zweiseitigen Schuldverhältnis von der Beteiligung des zwischen den Parteien als Vermittler auftretenden Staates geprägt. Trotz dieser fehlenden Parallelität von Schuld- und Prozeßrechtsverhältnis ist die Möglichkeit einer über den deliktsrechtlichen Schutz hinausgehenden Sonderhaftung kraft Sonderverbindung nicht gänzlich ausgeräumt. Zwar wurzeln die zwischen Vertrags- und Deliktsrecht angesiedelten, gewohnheitsrechtlich aner~annten Haftungsinstitute der positiven Vertragsverletzung und der cu/pa in contrahendo dogmatisch nach überwiegender Ansicht in der allgemeinen vertraglichen Pflicht, den Vertragspartner nicht zu schädigen98 • Diese Überbetonung des Vertragsrechts wird jedoch nicht nur in zunehmendem Maße kritisiert99; einen Rückgriff auf eine rechts geschäftliche Beziehung der BGHZ 58, 207 = JZ 1973, 28 Henckel, Wolfram: Anmerkung zu BGHZ 58, 207, in: JZ 1973, 32; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 290 95 BGHZ74, 9 96 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 289 97 Esser, Josef/Schmidt, Eike: Schuldrecht Allgemeiner Teil, Teilband 1, 1976, § 3 I 98 Larenz, Karl: Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, Allgemeiner Teil, 1979, § 24 I a; PalandtlHeinrichs, § 276 Anm. 7 a bb; Soergel/Schmidt, vor § 275 Rn. 37; StaudingerlLöwisch, vor §§ 275 - 283 Rn. 22; Kreuzer, Karl: Anmerkung zu BGH Urteil vom 28. 1. 1976, in: JZ 1976, 779 m.w.N. 99 Kreuzer, JZ 1976, 778; v. Caemmerer, Wandlungen, S. 56 ff; Deutsch, Erwin: Zum Verhältnis von vertraglicher und deliktischer Haftung, in: Festschrift für Karl 93
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§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materieller Rechtsgüterschutz
Parteien kann daneben jedenfalls für den Bereich der cu/pa in contrahendo, eine das Deliktsrecht verstärkende Sonderhaftung schon mangels rechtsgeschäftlichen Erklärungstatbestandes nicht rechtfertigen. Die vom bloßen Zufallskontakt des allgemeinen Rechtsverkehrs abweichende besondere Verantwortlichkeit des Schuldners wird daher einerseits mit einem gesteigerten sozialen Kontakt lOO und andererseits mit der Gewährung und Inanspruchnahme von Vertrauen 101 begründet. Diese, das konsensuale Denken 102 abstreifenden dogmatischen Ansätze sehen ebenso wie die von Picker entwickelte Sonderhaftung kraft Sonderverbindung103 den Grund für eine den Integritätsschutz erweiternde Haftung in der erleichterten und erweiterten Einwirkungsmöglichkeit der Parteien und ihrer Hilfskräfte auf die Rechtssphäre des anderen Teils. Durch eine Kanalisierung der Beziehungen auf einen von vornherein individualisierten Partner erfolgt eine Offenlegung der jeweiligen Vermögensinteressen, mit der die Gefahr von Rechtsgutsbeeinträchtigungen zunimmt 104 • Diese der Haftung aus cu/pa in contrahendo zugrunde liegenden Kriterien lassen sich auf den durch den Prozeß begründeten Kontakt der Parteien nicht transformieren. Zwar ist auch hier der Kreis der Beteiligten von vornherein zahlenmäßig beschränkt und individualisiert. Durch den Prozeß entsteht aber weder eine über den allgemeinen Verkehr hinausgehende besondere Vertrauenslage zwischen den Prozeßparteien 105 , noch wird durch ihn eine intensivere Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechtsgüter und das Vermögen der jeweils anderen Partei eröffnet. Der Prozeß, der durch seine Beschränkung auf den Streitgegenstand stets nur einen kleinen Ausschnitt der Rechtssphäre der Beteiligten unmittelbar erfaßt, führt gerade nicht zu einer Offenlegung der beiderseitigen Vermögensinteressen. Hinzu kommt, daß ein ungehinderter Zugriff auf die fremde VerMichaelis, 1972, S. 30 ff; Fikentscher, Wolfgang: Schuldrecht, 1985, § 102 V 6; MünchKommIKramer, vor § 241 Rn. 83; Picker, AcP 183 (1983), 393 ff 100 EsserlSchmidt, (I), Teilband 2, § 29 I; MünchKommlEmmerich, vor § 275 Rn. 87; Sto11, Hans: Die Beweislastverteilung bei positiven Vertragsverletzungen, in: Festschrift für Fritz v. Hippel, 1967, S. 525 ff; Blomeyer, Arwed: Allgemeines Schuldrecht, 1969, § 17 III 1 b 101 Ballerstedt, Kurt: Zur Haftung für culpa in contrahendo bei Geschäftsabschluß durch Stellvertreter, in: AcP 151 (1951), 507; EsserlSchmidt, (I); Teilband 2, § 29 I; Canaris, Claus-Wilhelm: Ansprüche wegen "positiver Vertragsverletzung" und "Schutzwirkung für Dritte" bei nichtigen Verträgen, in: JZ 1965, 478; Deutsch, (I), S. 321; Schmidt, Eike, in: Jhering, Rudolf von, Culpa in Contrahendo, Staub, Hermann, Die positiven Vertragsverletzungen, 1969, S. 144 ff; Soergel/Schmidt, vor § 275 Rn. 5; MünchKommlKramer, vor § 241 Rn. 78; Erman, Walter: Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 1981, Bearbeiter Battes, § 276 Rn. 110, 137; Honsell, HeinrichIHarrer, Friedrich: Entwicklungstendenzen im Schadensersatzrecht, in: JuS 1976, 626 102 Begriff von Picker, AcP 183 (1983), 490 103 Picker, AcP 183 (1983), 489 ff 104 EsserlSchmidt, (I), Teilband 2, § 29 1 1; Picker, AcP 183 (1983), 491 105 Schultz-Süchting, S. 24
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mögenssphäre durch das prozessuale Regelungsinstrumentarium und durch das zwischen den Parteien vermittelnde Gericht verhindert wird. Soweit dadurch Schädigungen nicht ausgeschlossen werden können, rechtfertigt dies jedenfalls nicht die Statuierung einer Sonderhaftung, sondern kann durch die Ordnungskraft des Deliktsrechts aufgefangen werden. Auch die teilweise herangezogene Generalklausel des honeste procedere 106 führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Zwar sind die Prozeßparteien in ergänzender Anwendung des § 242 BGB im Rahmen des prozessualen Formrigors zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Loyalität verpflichtet 107 • Daraus folgt aber ebensowenig wie im materiellen RechtlOS eine haftungsreGhtliche Generalklausel für jede fahrlässige Vermögensschädigung. Die allgemeine Treuepflicht schafft für sich gesehen keinen Haftungstatbestand, sondern setzt einen bestehenden bereits voraus. Die prozessuale Beziehung der Parteien mit ihren positivierten Verhaltensnormen begründet daher keine das Deliktsrecht verstärkende, der cu/pa in contrahendo vergleichbare Haftung für prozessuales Fehlverhalten. bb) Prozessuale Normen als Schutzgesetze Läßt sich an das zwischen den Parteien bestehende Prozeßrechtsverhältnis eine vertragsähnliche Sonderhaftung nicht knüpfen, verbleibt die Sanktionierung eines prozessualen Fehlverhaltens über die Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB. Gegen die haftungsrechtliche Erfassung eines Parteiverhaltens durch einen gesonderten Schadensersatzanspruch wendet sich grundlegend Häsemeyer 109 • Im Vordergrund steht dabei die Befürchtung um eine Aufweichung der Urteilsrechtskraft und einen Eingriff in die der Entscheidungsfindung zugrunde liegenden Regeln. Letzterem ist für alle oben llO aufgezeigten Pflichten mit Ausnahme der prozessualen Wahrheitspflicht rückhaltlos zuzustimmen: Soweit das Prozeßrecht selbst Pflichtverstöße durch Ordnungsgeld (§ 141 Abs. 3 i.V.m. § 280 ZPO), Wahrheitsfiktion (§ 138 Abs. III ZPO) oder Präklusion (§§ 296, 528 ZPO) sanktioniert, stellt dies eine abschließende Regelung, dar; für ergänzende Schadensersatzansprüche bleibt kein Raum. Der Schutzzweck der prozessualen Vorschriften ist insoweit auf den prozessualen Bereich beschränkt und nicht auf eine Erweiterung des Rechtsgüterschutzes der Parteien gerichtet 111 • Zeiss, NJW 1967, 707; Dölle, S. 279 zur Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Prozeß siehe oben § 1 A III Fn. 21,22 108 Esser/Schmidt, (I), Teilband 2, § 29 1 109 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 29,70,72 110 siehe § 4 B 1 1 111 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 284, 286 ff, ausführlich für das vor der Vereinfachungsnovelle 1976 aus Treu und Glauben folgende Verbot der Prozeßverschleppung 106 107
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Schon aus diesem Grund scheidet eine Einordnung dieser prozessualen Normen als Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB aus 1l2 . Als Bezugspunkt einer Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB kommt danach allein die Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht in Betracht. Dort greifen die von Häsemeyer erhobenen Bedenken nicht durch: Zum einen ordnet das Gesetz selbst keine Sanktion für eine Verletzung des § 138 Abs. 1 ZPO an. Zum anderen wird die Unwahrhaftigkeit einer Parteibehauptung häufig nicht durch die Entscheidung in der Hauptsache ausgeglichen werden können 113 , wenn eine Aufklärung des wahren, den Parteibeziehungen zugrunde liegenden Sachverhaltes nicht möglich ist. Gerade diese Fälle waren aber - trotz der fragwürdigen Provenienz der 1933 eingeführten Regelung 1l4 - ein Motiv für die Aufnahme des Wahrheitsgebotes in die Prozeßordnung1l5 . Es ist daher, statt die zivilrechtliche Haftung aufgrund der Konkurrenz innerprozessualer Normen generell auszuschließen, konkret nach der Schutzgesetzeigenschaft der Wahrheitspflicht zu fragen. Dabei wird im Zivilrecht einer Norm Schutzgesetzcharakter dann zuerkannt, wenn sie nicht nur der Allgemeinheit dient, sondern daneben auch den Individualschutz eines Geschädigten bezweckt 1l6 . Dieses Erfordernis läßt sich für die Wahrheitspflicht ebenso wie für andere Rechtsinstitute problemlos nachweisen. Zwar zeigen die Motive zur Gesetzesnovelle 1933 117 , daß der Schutz der Gerichte vor Irreführung, mithin der Institutionen des Prozesses, im Vordergrund stand, daß daneben jedoch auch der Schutz der Parteien, der Individualschutz, bezweckt wurde 118 • Denn der beabsichtigte Institutionenschutz ist nicht Selbstzweck, sondern soll die Parteien auch vor einem für sie mit weitreichenden vermögensrechtlichen Folgen verbundenen Fehlurteil bewahren. Diese häufig zu beobachtende Parallelität von Institutionen- und Individualschutz 119 fordert daher eine einschränkende Bestimmung des Schutzgesetzes. Ausschlaggebend für die Bewertung einer Norm als Schutzgesetz ist die Schadensausgleichsfunktion des § 823 Abs. 2 BGB120. 112 siehe BGHZ 46, 23, wonach die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruches erkennbar und vom Gesetz erstrebt sein muß; daran fehlt es bei einer innerprozessualen Ahndung eines Pflichtverstoßes 113 so aber Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 29,70 114 Hopt, Schadensersatz, S. 271 weist darauf hin, daß die Gemeinschafts- und Volksganzheitsideologie Pate gestanden habe; siehe auch Vorspruch zu der Novelle vom 27. 10. 1933, RGBI. 1,780 115 Henckel, Prozeßrecht, S. 296 116 BGHZ 46,17,23; DB 1976, 1665; BGHZ 84,312,314; Palandt, § 823 Anm. 9b; Hopt, Schadensersatz, S. 270; Konzen, ZfA 1985, 493; RGRK-Steffen, § 823 Rn. 538, 541; Soergel/Zeuner, § 823 Rn. 52 mit umfangreichen Nachweisen auf die Rspr. des RG und des BGH; StaudingerlSchäfer, § 823 Rn. 585 ff 117 Vorspruch RGBI. I, 780 118 Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 30 VII 1; Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 49; Hopt, Schadensersatz, S. 271; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 286; Rosenberg/Schwab, § 65 VIII 2; Schultz-Süchting, S. 129 119 Canaris, Festschrift für Larenz, S.46
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Die Schutzgesetzeigenschaft kann daher nur dann angenommen werden, wenn die betreffende Norm für den Fall ihrer Verletzung einen individuellen Schadensersatzanspruch bezweckt oder dies aus dem haftungsrechtlichen Gesamtsystem verständlich erscheint 121 • Dem Normzweck muß im konkreten Fall zu entnehmen sein, daß der Schutz des Betroffenen vor der verwirklichten Gefahr intendiert ist1 22 • Daran fehlt es jedoch, wie sogleich ein Blick auf die prozessualen Wertungen und insbesondere auf das Zusammenspiel der §§ 138 Abs. 1, 322 ff, 580 Nr. 4 ZPO zeigen wird. Ein auf die Verletzung der Wahrheitspflicht gestützter Schadensersatzanspruch läßt sich nämlich nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache durchsetzen 123 , da einern solchen Anspruch die materielle Rechtskraft dieser Entscheidung entgegensteht. Es bedürfte daher zuvor einer Aufhebung der bestandskräftigen 124 Entscheidung. Dies kann jedoch nur durch eine Wiederaufnahme des Verfahrens unter den Voraussetzungen des § 580 Nr. 4 ZPO geschehen, setzt mithin voraus, daß das Urteil durch eine Straftat der Partei oder ihres Vertreters erwirkt worden ist. Nur für diesen Fall schließen sich an die Wiederaufnahme des Verfahrens Schadensersatzansprüche der geschädigten Partei an, die sich allerdings dann auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB stützen können. Die Wertungen des Prozeßrechts ergeben daher, daß ein individueller Schadensersatzanspruch aus der Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht nur unter den qualifizierten Voraussetzungen einer Straftat, etwa eines Betruges, begründet werden soll. Dann kommt dieser Norm aber auch keine Schutzgesetzeigenschaft zu; vielmehr ist diese dann der jeweils einschlägigen strafrechtlichen Vorschrift zu entnehmen 125 • Dabei wird auch nicht die Frage nach dem Schutzcharakter der Norm in unzulässiger Weise mit prozessualen Erwägungen, namentlich der einem Schadensersatzsiehe Konzen, ZfA 1985, 494 für die Vorschriften des BetrVG BGHZ 46, 23; DB 1976, 1665 122 MünchKommlMertens, § 823 Rn. 141; Schmidt, Karsten: KartellverfahrensrechtKartellverwaltungsrecht-Bürgerliches Recht, 1977, S. 359 ff; SoergellZeuner, § 823 Rn. 252,253 123 Die ohnehin fragwürdige Rechtskraftdurchbrechung durch § 826 BGB bleibt hier außer Betracht, siehe dazu oben § 3 B III 2 b bb 124 Ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, stehen der unterlegenen Partei die vom Prozeßrecht vorgesehenen Rechtsmittel zur Verfügung; hebt die nächste Instanz im Hinblick auf die Wahrheitspflichtverletzung der zuvor obsiegenden Partei die Erstentscheidung auf, fehlt es an einem materiellen Schaden 125 BGHZ 42,313; NJW 1968, 787 zu §§ 79 StPO, 410 ZPO; BaumbachILauterbachl Hartmann, § 138 Anm. 1 G; Henckel, Prozeßrecht, S. 298 ff; Lorenz, Kurt: Rechtsfolgen der Verletzung der Wahrheitspflicht im Zivilprozeß, in: JW 1934, 875, 876; Weimar, VersR 1955, 263 f; ZöllerlStephan, § 138 Rn. 7; a.A. Benkendorff: Die Folgen einer Verletzung der Wahrheitspflicht in Zivilprozeß, in: DRiZ 1934, 205; Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 49; Hopt, Schadensersatz, S. 270 ff; ihm folgend Niederelz, S. 143; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 286; Staab, Gerhard Walter: Die Wahrheitspflicht im Zivilprozeß, Diss. 1973, S. 94; SteinlJonaslLeipold, § 138 Rn. 19 120
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anspruch entgegenstehenden Rechtskraft vermengt 126 • Vielmehr sind die aufgezeigten Wertungen des Prozeßrechts entscheidender Prüfstein für die Einordnung des § 138 Abs. 1 ZPO als Schutzgesetz im haftungsrechtlichen Sinne. Da diese einen Schadensersatzanspruch nur bei strafrechtlicher Relevanz des Verhaltens zulassen, ist die prozessuale Wahrheitspflicht trotz ihrer subjektiven Schutzrichtung kein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB. Diese Argumentation ist jedoch beschränkt auf die durch eine ungerechtfertigte Verurteilung entstehenden, nach der Terminologie Häsemeyers als Durchsetzungsschäden zu qualifizierenden Rechtsgutsbeeinträchtigungen. Führt eine unwahre Prozeßbehauptung hingegen zu Ehr- und Persönlichkeitsverletzungen oder sonstigen Vermögensschäden, steht dem Schutz des Integritätsinteresses der betroffenen Partei jedenfalls die Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache nicht entgegen, da Folgeschäden eines prozessualen Verhaltens außerhalb des Streitgegenstandes liegen und von der materiellen Rechtskraft nicht umfaßt werden. Hier führt gleichwohl der eingeschränkte Schutzzweck des § 138 Abs. 1 ZPO zum gleichen Ergebnis. Er wird auf den prozessualen Bereich ausgerichtet, indem er den Gegner vor einer von der tatsächlichen materiellen Rechtslage abweichenden Entscheidung, vor einem Fehlurteil, bewahren will. Solche Schäden einer Partei, die unabhängig vom Ausgang des Verfahrens eintreten und damit im außerprozessualen Raum liegen, sind vom Schutzzweck der Norm nicht umfaßt 127 • Insoweit sind die Prozeßparteien vor schädigenden unwahren Behauptungen wie im außerprozessualen Bereich deliktisch durch § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB LV.m. §§ 185 ff, 263 StGB, 1004 BGB geschützt. Es bleibt daher auch für verfahrensdeterminierte Folgeschäden dabei: Die prozessuale Wahrheitspflicht ist kein Schutzgesetz, dessen Verletzung Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB auszulösen vermag. b) Verletzung gewillkürter Parteipflichten
aa) Verstoß gegen ausdrückliche Prozeßvereinbarungen Die für die gesetzlichen Parteipflichten beschriebene l28 Konkurrenz von innerprozessualer und materiell-rechtlicher Sanktion eines Fehlverhaltens besteht bei der schuldhaften Verletzung einer Prozeßvereinbarung nicht. Diese sind nämlich im Gegensatz zu den vom Prozeßrecht statuierten Pflichten nicht auf den prozessualen Bereich beschränkt. Vielmehr bestimmt sich ihr Wirkungsgrad allein nach dem der Vereinbarung zugrunde liegenden Parso aber Blomeyer, J., SchadensersatzanspTÜche, S. 49 Fn. 142 Henckel, Prozeßrecht, S.297 f; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 286; a.A. Blomeyer, J., SchadensersatzanspTÜche, S. 43 Fn. 121 128 siehe oben § 4 B II 1 a bb 126 127
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teiwillen. Die intendierte Vertragsbindung reicht jedoch über eine Berücksichtigung des vereinbarten prozessualen Verhaltens im Prozeß hinaus und begründet daneben eine Verpflichtung der Parteien zu einer vertragsgemäßen Handlungsweise 129 • Die vertragswidrig erhobene Klage oder das vertragswidrig eingelegte Rechtsmittel lösen daher außer der verfügenden, d.h. unmittelbar verfahrensgestaltenden Wirkung kumulativ Schadensersatzansprüche der von der Prozeßvereinbarung begünstigten Partei aus 130 • Regulativ solcher Ersatzansprüche ist freilich die materielle Rechtskraft der Entscheidung im Vorprozeß: Führt das vertragswidrig eingelegte Rechtsmittel zu einer Verurteilung der begünstigten Partei, weil das Gericht des Erstprozesses die Abrede aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht beachtet hat, kann der Verurteilungsschaden durch einen Schadensersatzanspruch im Zweitprozeß nicht ausgeglichen werden l31 • Einem Schadensersatzanspruch aus der Verletzung einer Prozeßvereinbarung sind hingegen Folgeschäden zugänglich, die außerhalb des vom Streitgegenstand des Erstprozesses umrissenen Bereichs eintreten. Legt beispielsweise der Beklagte entgegen einer vertraglichen Abrede Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil ein, durch das er verurteilt worden ist, der Freigabe eines hinterlegten Betrages zuzustimmen, muß er dem Vertragspartner den wegen der fehlenden vorläufigen Vollstreckungsmöglichkeit (§§ 894 ZPO, 12 HinterlO) entstehenden Verzögerungsschaden, der im Hinblick auf die niedrigen Hinterlegungszinsen erheblich sein kann, ersetzen. Dabei ist dieser materielle Schadensersatzanspruch unabhängig davon, ob die Prozeßvereinbarung im Erstprozeß Beachtung findet oder nicht. Mangels überschaubarem Zusammenhang mit dem prozessualen Anspruch erwächst die Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen des präjudiziellen Rechtsverhältnisses einer Prozeßvereinbarung nicht in Rechtskraft l32 • Hier zeigt sich im übrigen, daß die von Häsemeyer 133 postulierte Trennung zwischen Durchsetzungs- und Begleitschäden willkürlich und mit den prozessualen Wertungen nicht in Einklang steht. Nach der Terminologie Häsemeyers handelt es sich nämlich bei dem oben beschriebenen Verzögerungsschaden lediglich um einen Durchsetzungsschaden, da er aus der Vorent129 Hellwig, H.-J., (I), S. 64 ff; ders., NJW 1968, 1075; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 211; Rosenberg/Schwab, § 66 11 130 Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, § 30 VIII 4; Becker-Eberhard, S. 104 Fn. 54; Hellwig, H.-J., NJW 1968, 1075; Konzen, Rechtsverhältnisse, S.215; Rosenberg/ Schwab, § 66 11; a.A. noch Rosenberg/Schwab, 11. Aufl. § 66 11 2; Schiedermair, Gerhard: Vereinbarungen im Zivilprozeß, 1935, S. 96; SteiniJonas/Leipold, vor § 138 Rn. 247; Zeiss, NJW 1967, 706 13l Hellwig, H.-J., NJW 1968, 1075; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 204 132 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 215; präjudizielle Rechtsverhältnisse werden nur dann rechtskräftig festgestellt, wenn sie vom Streitgegenstand erfaßt werden, BGHZ 85, 367, 374; BaumbachILauterbachIHartmann, § 322 Anm. 2 C e; ZöllerNollkommer, vor § 322 Rn. 34 133 Häsemeyer, Schadenshaftung, passim
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§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materieller Rechtsgüterschutz
haltung der streitbefangenen Sache resultiert. Isolierte Schadensersatzansprüche könnten daher nach der Auffassung Häsemeyers aus der Verletzung einer prozessualen Abrede nicht folgen, sondern richteten sich ausschließlich nach der Entscheidung zur Hauptsache, obwohl der Schaden unabhängig von dieser eintritt. Das Prozeßrecht hingegen richtet die Trennung nach dem Begriff des prozessualen Anspruches, des Streitgegenstandes, aus: Nur soweit dieser reicht, scheitern materielle Ersatzansprüche an dem prozessualen Institut der materiellen Rechtskraft. bb) Verstoß gegen zivilvertragliche Nebenpflichten (1) Das Fortwirken der vorprozessual bestehenden
vertraglichen Sonderbeziehung
Fällt die Vornahme einer Prozeßparteihandlung mit der Verletzung einer zivilvertraglichen Pflicht zusammen, liegt der Schwerpunkt der Fragestellung im Bereich materiell-rechtlicher Ausgleichsansprüche. Die klagweise Verfolgung unbegründeter Ansprüche kann, soweit zwischen den Parteien schon vorprozessual eine vertragliche Sonderbeziehung bestand, gegen den Bestand des Vertrages gerichtet sein oder mindestens dessen Zwecke gefährden und damit Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung auslösen. Weiterführend ist dabei ein Vergleich mit der Rechtslage im Falle der außergerichtlichen, im Ergebnis unberechtigten Rechtsverfolgung. Als solche wird der mittels unbegründeter Einwendungen oder Gestaltungsrechten - Kündigung, Rücktritt, Zurückbehaltungsrecht, Aufrechnung - geführte Angriff einer Vertragspartei gegen den Bestand des Vertrages regelmäßig als eine zum Schadensersatz verpflichtende Forderungsverletzung bewertet 134 • Auch außerhalb dieser in ihrer Wirkungsweise unmittelbar auf den Bestand des Vertrages gerichteten Gestaltungsrechte wird eine vertragliche Nebenpflicht statuiert, keine unbegründeten Ansprüche gegen den Vertragspartner geltend zu machen 135 • Der Schutz vor unbegründeten Anspruchsberühmungen folgt dabei aus den, auf das Prinzip von Treu und Glauben begründeten, für alle Sonderverbindungen geltenden Verhaltenspflichten, diejenige Sorgfalt und Mühe aufzuwenden, die notwendig ist, um den Vertragszweck zu erreichen und die Rechtsgüter des Vertragspartners nicht zu beeinträchtigen. 134 RGZ 67,313; 109,281; OLG Naumburg, JW 1938, 3111; BGHZ 51,190; 53,150; NJW 1977, 580; MünchKommlEmmerich, vor § 275 Rn. 226; PalandtlHeinrichs, § 276 Anm. 7 C a; Staudinger/Kaduk, § 326 Rn. 188 f; besonders umfangreich ist hier die Judikatur zur unberechtigten Wohnraumkündigung, die, sofern der Vermieter einen zur Kündigung erforderlichen Eigenbedarf gern. § 564 b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB nur vortäuscht, zum Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung verpflichtet, MünchKommlEmmerich, vor § 275 Rn. 205 m.w.N. 135 OLG Düsseldorf, AnwBI. 1969,446; AG Herford, JurBüro 1981, 425; Schneider, Egon, MDR 1981, 353; PalandtlHeinrichs, § 276 Anm. 7 C a
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Diese, die Vertragsbindung akzentuierenden Erwägungen lassen sich auf die - jedenfalls rein äußerlich - identische Prozeßsituation durchaus übertragen. Bestand und Zweck des Vertrages sind beispielsweise bei einer gerichtlich verfolgten Wohnraumkündigung in gleicher Weise tangiert wie bei einer außergerichtlich erklärten Kündigung. Eine differenzierte Beurteilung beider Fallgruppen käme nur dann in Betracht, wenn die Inanspruchnahme staatlicher Hilfe zur Durchsetzung vermeintlicher Ansprüche eine Zäsur darstellte, die die schuldrechtlichen Beziehungen der Parteien jedenfalls für die Dauer des Prozesses suspendierte und durch das Prozeßrechtsverhältnis überlagert würde. Die außerdeliktische Haftung der Prozeßparteien wäre bei einer isolierten Betrachtung der Prozeßsituation und unter dem schon mehrfach erwähnten Verdikt gegen die Verkümmerung des Rechtsschutzes ebenso ausgeschlossen oder jedenfalls privilegiert wie dies für die deliktische Haftung überwiegend vertreten wird. Für die vertragliche Haftung erwähnt lediglich Zeiss 136 ausdrücklich diesen Gedanken. Im übrigen liegt der Schwerpunkt der Untersuchungen bei den deliktischen Tatbeständen, deren Ergebnisse zumeist stillschweigend und ohne nähere Differenzierung auf die vertragliche Haftung übertragen werden. Bei dieser Betrachtungsweise bleiben freilich die durch eine privatautonom begründete Sonderverbindung geschaffenen gesteigerten Sorgfalts- und Schutzpflichten der Parteien unberücksichtigt. Zwar ist das Maß der zu beachtenden Sorgfalt generell und ohne Differenzierung nach dem jeweiligen Haftungsgrund § 276 BGB zu entnehmen 137 • Dennoch wird dem vertraglichen Pflichtengefüge eine andere, nämlich intensivere Qualität als den auf bloßem Zufallskontakt beruhenden deliktischen Pflichten zuerkannt 138 • Diese materiell-rechtliche, besonders enge Beziehung der Parteien dauert auch nach dem Eintritt in einen Rechtsstreit fort!39. Sie wird auch nicht durch die prozessualen Normen verdrängt; diese regeln lediglich das jeweilige prozessuale Verhalten im Hinblick auf die Entscheidungsfindung für einen konkreten Streitgegenstand, lassen jedoch die Vermögensinteressen der Parteien im übrigen vollständig außer Betracht. Gestützt wird diese Sichtweise durch die Regelungen des Schuldnerverzugs, die durch den Beginn eines Prozesses keine Zäsur erfahren, sondern den Schuldner weiterhin mit den nachteiligen Folgen seiner schuldhaften Leistungsverzögerung belasten l40 . Zeiss, NJW 1967, 707 Picker, AcP 183 (1983), 416; MünchKommIHanau, § 276 Rn. 2; PalandtIHeinrichs, § 276 Anm. 1 b; SoergelfWoH, § 276 Rn. 9 138 Esser/Schmidt, (I), Teilband 1, § 3 I 1; ders., Teilband 2, § 29 I; Fikentscher, Schuldrecht, § 20 I; Larenz, Schuldrecht I, § 9 I; SoergeVSchmidt, vor § 275 Rn. 2; a.A. Picker, AcP 183 (1983), 416 f, der eine Verschärfung der Vertragshaftung gegenüber der Deliktshaftung nicht in den geänderten Sorgfaltsmaßstäben, sondern in der Erfassung reiner Vermögensschäden erblickt 139 Berges, NJW 1965, 1505; Becker-Eberhard, S. 100; Henckel, JZ 1973, 32 140 Henckel, Prozeßrecht, S. 296; Hopt, Schadensersatz, S. 265; Zeiss, NJW 1967, 705 136 137
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Auch der BGH rekurriert bei der Zurechnung des Anwaltsverhaltens über § 278 BGB auf das zwischen den Prozeßparteien bestehende materiell-rechtliche Rechtsverhältnis 141 und erwägt im übrigen in der Bürovorsteherentscheidung 142 trotz der Haftungsfreistellung im deliktischen Bereich mehrfach die Möglichkeit einer unmittelbaren vertraglichen Haftung zwischen Gläubiger und Schuldner. (2) Die Akzentuierung der vertraglichen Bindung
Unabhängig von der ohnehin fragwürdigen Haftungsfreistellung für schädigendes prozessuales Verhalten im Bereich des Deliktsrechts, können deren Prämissen jedenfalls schwerlich auf die vertragliche Haftung der Prozeßparteien übertragen werden. Entscheidendes Kriterium ist hier nicht der Gedanke der Verkümmerung des Rechtsschutzes, sondern der Umfang und die Reichweite der vertraglichen Bindung, die sich im außer- und innerprozessualen Bereich nicht unterscheidet. Anknüpfungspunkt einer Haftung aus positiver Vertragsverletzung wegen einer unbegründeten gerichtlichen Rechtsverfolgung sind die bei einer Sonderverbindung der Parteien neben den eigentlichen Leistungspflichten bestehenden weiteren Verhaltenspflichten, die - allgemein ausgedrückt - beiden Vertragspartnern wechselseitige Rücksichtnahme abverlangen 143 • Damit folgt aber keineswegs aus jeder sachlich unbegründeten Rechtsverfolgung ein vertragswidriges Verhalten 144 • Vielmehr richten sich die vertraglichen Schutz- und Loyalitätspflichten ausschließlich nach dem konkreten Vertragszweck 145 • Dieser begrenzt das Maß der von den Parteien zu beachtenden Sorgfalt. Der gesteigerte Pflichtenkreis von Gläubiger und Schuldner ist auf die Durchführung des Schuldverhältnisses ausgerichtet und wird daher von der Intensität der jeweiligen Sonderverbindung determiniert. Dementsprechend kann aus dem den Nebenpflichten zugrunde liegenden Prinzip von Treu und Glauben keine allgemeine, für alle Vertragstypen gleichermaßen geltende Verpflichtung entnommen werden, unbegründete Rechtsverfolgungen oder Anspruchsberühmungen zu unterlassen. Bekker-Eberhard 146 differenziert insoweit zwischen einem schädigenden prozessualen Verhalten, das unmittelbar gegen den Bestand des Vertrages gerichtet 141 BGHZ 58,207; dazu ausführlich Henckel JZ 1973, 32; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 290; oben § 4 BIll a aa 142 BGHZ 74,9 143 Larenz, Schuldrecht (I), § 2 I; PalandtlHeinrichs, vor § 241 Anm. 1 e 144 so aber Zeiss, NJW 1967, 706 f, allerdings unter dem Gesichtspunkt einer möglichen einredeweisen Geltendmachung der Vertragswidrigkeit im anhängigen Rechtsstreit; Zeiss reduziert die vertraglichen Pflichten daher auf eine Pflicht zur redlichen Prozeßführung, dazu Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 220 ff 145 BGH BB 1969, 383; Esser/Schmidt, (I), Teilband 1, § 4 III; Larenz, Schuldrecht AT, § 2 1 146 Becker-Eberhard, S. 94 ff, 102
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ist, und einem bloßen unberechtigten Klagebegehren. Ersteres soll als Verletzung der vertraglichen Leistungstreuepflicht ohne weiteres vertragswidrig sein und Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung auslösen, während letzteres lediglich gegen sonstige Neben- und Schutzpflichten verstoße. Hier sei die Prozeßpartei im Regelfall nicht verpflichtet, den geltend gemachten Anspruch zuvor sorgfältig zu prüfen. Den Schutz vor einem unberechtigten Begehren übernehme in diesem Fall das erkennende Gericht l47 . Diese abstufende Differenzierung zwischen einer vertraglichen Leistungstreuepflicht und sonstigen Nebenpflichten überzeugt indessen nicht. Inhaltlich geht es in beiden Fällen um den Schutz des Erhaltungs- und Integritätsinteresses des Vertragspartners, das durch die vertragliche Beziehung der Parteien in erhöhtem Maße Störungen und Beeinträchtigungen ausgesetzt ist. Dabei kann in der bloßen Anspruchsberühmung das Erhaltungs- und Integritätsinteresse in gleicher Weise tangiert sein wie bei der prozessualen Geltendmachung eines Gestaltungsrechtes. De facto werden jedenfalls regelmäßig die Vertragsbeziehungen der Parteien bei jeder einseitigen Einleitung gerichtlicher Schritte gestört sein. Soweit Becker-Eberhard im übrigen für die Privilegierung der unberechtigten Klageerhebung auf den Schutz des Anspruchsgegners durch das erkennende Gericht verweist 148, rekurriert er wieder auf die von ihm selbst zurecht kritisierte Judikatur des BGH. Es erscheint daher nicht sachgerecht, apriori nach verschiedenen schädigenden prozessualen Verhaltensweisen - prozessuale Geltendmachung eines Gestaltungsrechtes, Feststellungs- oder einfache Leistungsklage - zu trennen. Eine Pflichtwidrigkeit ist vielmehr immer dann gegeben, wenn die Parteiprozeßhandlung im konkreten Fall gegen die von einer vernünftigen Vertragspartei zu beachtenden Sorgfaltspflichten verstößt. Daran sind naturgemäß umso höhere Anforderungen zu stellen, desto enger und intensiver die zwischen den Parteien bestehende Sonderverbindung ist. Ein Dauerschuldverhältnis etwa bindet nicht nur Vermögensinteressen der Parteien in weit größerem Umfang als ein auf einen einmaligen Leistungsaustausch gerichtetes Rechtsverhältnis, sondern setzt diese auch in verstärktem Maße der Einwirkungsmöglichkeit des Vertragspartners aus. Das gesteigerte Erhaltungs- und Integritätsinteresse des Gegners erfordert daher eine sorgfältigere Prüfung jeder Rechtsverfolgungsmaßnahme. Die allgemeine Fixierung eines Sorgfaltsmaßstabes ist jedoch nicht möglich. Hierauf wird im Rahmen der deliktischen Sorgfaltsanforderungen noch zurückzukommen sein. Es reicht hier festzuhalten, daß die zwischen den Parteien durch eine vertragliche Sonderverbindung geschaffenen Rechte und Pflichten auch nach Eintritt in einen Prozeß fortbestehen und ihre Verletzung durch eine Prozeßparteihandlung über das allgemeine Deliktsrecht hinaus147 148
Becker-Eberhard, S. 102 Becker-Eberhard, S. 104
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§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materieller Rechtsgüterschutz
gehende Schadensersatzsanktionen unter dem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung auslösen kann. 2. Primat der prozessualen vor den allgemein zivilrechtlichen Verhaltensanforderungen
Die Verletzung einer Verfahrensnorm begründet auch dann keine selbständige Haftung der Prozeßpartei, wenn die verletzte Norm eine echte Rechtspflicht enthält 149 . Die durch die Verfahrens norm begründete Schutzfunktion kann jedoch die Rechtswidrigkeit eines schädigenden Verhaltens ausschließen oder durch die Regelungen des prozessualen Geschehensablaufs und die an die Partei gerichteten Ge- und Verbote die im Rahmen von Rechtswidrigkeit oder Schuld zu beachtenden deliktischen Sorgfaltsanforderungen abschließend beschreiben. Diese in letzter Konsequenz vom BGH150 und Blomeyer 151 vertretene Konzeption begegnet jedoch Bedenken. a) Kritische Analyse der Rechtfertigungsthese des BGH
aa) Stellungnahmen der Literatur zum Rechtfertigungsgrund der gerichtlichen Inanspruchnahme So differenzierend die in der Doktrin vertretenen Lösungsmodelle auch sein mögen, so nahezu einheitlich ist demgegenüber die Ablehnung der vom BGH intendierten globalen Haftungsfreistellung des Rechtsschutzsuchenden. Zustimmung findet sich, unter Referieren der vom BGH argumentativ herangezogenen Kriterien, nur ausnahmsweise l52 . Die breite Front der Gegenstimmen konzentriert sich, abgesehen von der schon aufgezeigten Wertungsdivergenz zur Fallgruppe der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung, auf den in der Konkursantragsentscheidung akzentuierten Primat der prozessualen Schutzvorschriften153 . Als erster wies Baur 154 in seiner eingehenden Besprechung der Konkursantragsentscheidung nach, daß die Erhebung einer Klage auch außerprozessuale Wirkungen auf den siehe oben § 4 BIll a siehe oben § 1 B I 1 151 siehe oben § 1 B I 2 a 152 Hauss, Anmerkung zu BGHZ 36, 18, in: LM Nr. 18 zu § 823 (Ai) BGB; Ermanl Drees, Rn. 105 vor § 823; Mohrbutter, Jürgen: Handbuch des gesamten Vollstrekkungs- und Insolvenzrechts, 1974, § 4 V 6; SchönkelBaur, § 1 VI 5 b; Helle, E., NJW 1961, 1896; ders., Schutz der Persönlichkeit, S. 112 ff; Buchner, S. 188 f, der dem BGH im Ergebnis zustimmt, die gewählte Terminologie allerdings für irreführend hält 153 Baur, JZ 1962, 95; Weitnauer, DB, 62, 461; ders., JZ 1962, 489; Hopt, Schadensersatz, S. 239; Fenn, ZHR 132 (1969), 344; Esser, ZZP (1970), 348; Schultz-Süchting, S. 106 ff; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 92, 281 ff; Lippross, JA 1980, 16 154 Baur, JZ 1962, 95, 96 149
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Rechtskreis des Verfahrensgegners zeitigt, die durch die Prüfung der Rechtsschutzbitte seitens des Gerichts nicht verhindert werden können. Das Gesetz selbst zeige im übrigen durch die Haftung des rechtshängigen Besitzers nach § 989 BGB, daß es außerprozessuale Wirkungen prozessualen Verhaltens anerkenne. Einer materiell-rechtlichen Indifferenz der Klageerhebung könne mithin nicht das Wort geredet werden. Baur schlägt daher eine unterschiedliche Beurteilung der mit dem Prozeß unmittelbar verknüpften Vermögenseinbußen einerseits und den Schäden an sonstigen Rechtsgütern andererseits vor. Hopt 155 bezweifelt ebenfalls die Gewährleistung ausreichenden Schutzes des Verfahrensgegners durch die Ausgestaltung des Verfahrens. Dies demonstriert Hopt durch die Darstellung einer Palette möglicher Schäden, die aus der Einleitung gerichtlicher Verfahren folgen können. Eine Bestätigung seiner Ansicht findet er im übrigen in der Konkursantragsentscheidung des BGH selbst, die den lückenhaften Schutz der Verfahrensvorschriften illustriere 155 .
Zweifel richten sich in diesem Zusammenhang auch gegen die vom BGH erwogene abschließende Wirkung der prozessualen Schadensersatzregelungen der §§ 717 Abs. 2,945 ZP0156. Die speziell für die Inanspruchnahme vorläufiger Rechtsdurchsetzung statuierten Gefährdungshaftungstatbestände könnten einen Rückgriff auf die deliktische Verschuldenshaftung nicht ausschließen. Vom begrenzten Schutzzweck der Verfahrensvorschriften her argumentieren Konzen 157 und Henckel 158 • Zum einen übersehe der BGH, daß der Anspruch auf Rechtsschutz kein Recht gewähre, dem Gegner Schädigungen zuzufügen. Im übrigen sei der Schutz der verfahrensrechtlichen Regelungen auf den innerprozessualen Bereich beschränkt. Außerprozessuale schädliche Folgen einer Verfahrenshandlung lägen außerhalb der Schutzfunktion des Prozeßrechts und könnten daher materiellrechtliche Sanktionen nicht schlechthin ausschließen. Henckel 159 postuliert gar im Blick auf die Außenwirkungen prozessualen Verhaltens - beispielsweise Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Nebenfolge des Prozesses - die unterschiedslose Ausgestaltung der deliktischen Verhaltensanforderungen innerhalb und außerhalb des Prozesses. Schließlich wird noch gegen die Ansicht des BGH angeführt, daß der Schutz durch das Verfahrensrecht erst nach der Einleitung des Verfahrens einsetze; wirksamer Gerichtsschutz bestehe daher nicht vor den schon mit der Verfahrenseinleitung selbst zusammenhängenden schädlichen Folgen l60 • 155 156 157 158 159 160
Hopt, Schadensersatz, S. 239 Hopt, S. 239 f; Fenn, ZHR 132 (1969), 344 ff Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 91 ff, 281 ff Henckel, Prozeßrecht, S. 293, 306 Henckel, Prozeßrecht, S. 306; zustimmend Bötticher, ZZP 85 (1972),11 Schultz-Süchting, S. 106 f
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§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materieller Rechtsgüterschutz
bb) Einwände gegen den Rechtfertigungsgrund der gerichtlichen Inanspruchnahme (1) Unklare dogmatische Einordnung
Die Intention der Judikatur des BGH scheint klar: Die soziale Institution des Prozesses, die der Rechtsgemeinschaft die Lösung von Interessenkonflikten ermöglichen und erleichtern soll, darf nicht unter dem Damoklesschwert einer deliktischen Haftung stehen. Die Sorge um die drohende Verkümmerung des Rechtsschutzes und die Entwertung der Funktion des Prozesses, deren Berechtigung auch von der überwiegenden Ansicht in der Lehre nicht angezweifelt wird, soll die Anwendung allgemeiner deliktsrechtlicher Verhaltensnormen ausschließen. Abgesehen von der schon angesprochenen VordergTÜndigkeit dieser Argumentation, enthebt jedoch eine allein auf das Rechtsgefühl rekurrierende Begründung 161 nicht von der Notwendigkeit, ein wünschens- oder billigenswertes Ergebnis auch dogmatisch und methodisch zu verfestigen. Hier zeigen die obigen Eingangsbeispiele ebenso wie die referierten Entscheidungen des BGH die Schwierigkeit auf, die hoheitliche Beteiligung am privatrechtlichen Interessenkonflikt, die Institutionalisierung des Prozeßgeschehens, in das lediglich auf die Beteiligung zweier Privatrechtssubjekte gerichtete zivilrechtliehe Haftungssystem zu integrieren. Es stellt sich die Frage, ob eine Lösung mit Hilfe der herkömmlichen zivilrechtlichen Dogmatik erreicht werden kann 162 oder ob es nicht vielmehr neuartiger Anknüpfungspunkte bedarf. In letztere Richtung weist wohl der Vorschlag Häsemeyers 163 , die Haftung aus einem Streitverhalten eigenen Regeln zu unterstellen. So eindeutig einerseits der oben bezeichnete gedankliche Ausgangspunkt der Rechtsprechung des BGH ist, so unsicher ist andererseits dessen dogmatische Einordnung. Es soll daher hier zunächst versucht werden, den methodischen Weg, den der BGH gewählt hat, nachzuzeichnen. Da der Schwerpunkt der Entscheidungen trotz der sowohl bei der Konkursantragsentscheidung l64 als auch in der Entscheidung zur unberechtigten Feststellungsklage165 bestehenden vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien im Bereich der deliktischen Haftung liegt, kann die vertragliche Haftung, auf die der BGH in einem Nebensatz eingehtl66 , zunächst vernachlässigt werden. 161 so Dyckerhoff, WuW 1957, 629; ReimerlUlmer, Rdnr. 494; Zeiss, NJW 1967, 703 ff 162 Pecher, S. 74 163 Häsemeyer, Schadenshaftung, passim 164 BGHZ 36, 18 165 BGHZ 20, 169 166 BGHZ 20,169,172
B. Prozessualer Pflichtenkreis und zivilrechtliche Haftungskriterien
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Zur Verunsicherung Anlaß geben schon die vom BGH gewählten Formulierungen. So wird im RückerstattungsantragsJall 167 die Widerrechtlichkeit der Antragsstellung durch die Beklagte unter Hinweis auf die fehlende Unmittelbarkeit des Eingriffs verneint. Hier hätte es jedenfalls näher gelegen, schon den objektiven Tatbestand einer Verletzung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes auszuschließen. Denn soweit man überhaupt den Unmittelbarkeitsbegriff und dessen moderne Ausprägung in Form der Betriebsbezogenheit des Eingriffs l68 als taugliches haftungseinschränkendes Kriterium anerkennen Will 169 , führt dessen Anwendung konsequenterweiser schon zur Begrenzung der Rechtserheblichkeit von Verletzungshandlungen und damit zum Haftungsausschluß auf Tatbestandsebene. Eines Rückgriffs auf die Frage der Rechtswidrigkeit hätte es nicht mehr bedurft; jedenfalls trägt die Feststellung der fehlenden Unmittelbarkeit nicht die Negierung der Rechtswidrigkeit. Auch die Bauverzögerungsentscheidung170 spiegelt lediglich den oben beschriebenen, vom Rechtsgefühl getragenen Institutionenschutz wider, ohne jedoch Rückschlüsse auf dessen dogmatische Begründung zuzulassen. Der BGH beläßt es bei der apodiktischen Feststellung, daß die Erhebung einer Klage weder verbotene Eigenrnacht noch eine widerrechtliche Verletzung eines Rechts darstelle. Es fragt sich allerdings, wie der BGH zu einem Ausschluß der Rechtswidrigkeit gelangt: Vom Ausgangspunkt der vom BGH vertretenen klassischen Unrechtsdoktrin l7l hätte die tatbestandliche Verletzung des Besitz- oder Eigentumsrechts der Klägerin zu einer Indizierung der Rechtswidrigkeit geführt und allenfalls im Bereich des Verschuldens eine Haftungsreduzierung ermöglicht. Einen Hinweis auf die methodische Einbettung in das deliktische Haftungssystem kann sich aus der in der Konkursantragsentscheidung des BGH172 gewählten Formulierung Rechtfertigungsgrund der gerichtlichen Inanspruchnahme ergeben: Unter der Prämisse der Erfolgsunrechtslehre, die die BestimBGH LM Nr. 4 zu § 823 (Da) BGB BGHZ 55, 153, 161; 66, 388, 393; BGH BB 1983,464,465 169 ablehnend in der Lit.: Glückert, Jürgen: Schadensersatzansprüche bei Stromleitungsbeschädigungen, in: AcP 166 (1966), 311, 322; Fabricius, Fritz: Der Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, in: JuS 1961, 151; Preusche, Rainer: Unternehmensschutz und Haftungsbeschränkung im Deliktsrecht, 1974, S. 86; Buchner, S. 82; MünchKommlMertens, § 823 Rn. 494; Wiethölter, Rudolf: Zur politischen Funktion des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, in: KritJ 1970, 121; Fikentscher, Schuldrecht, S. 735; BaumbachlHefermehl, Allg. Rdnr. 12; Emmerich, Schuldrecht, S. 184; zustimmend: Larenz, Schuldrecht 11, S. 635; NeumannDuesberg, Horst: Zum Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, in: NJW 1972,133; Staudinger/Schäfer, § 823 Rdnr. 135 170 BGHZ 20, 169 171 BGHZ 74, 9,11 172 BGHZ 36, 18 167
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mung der Rechtswidrigkeit einer Verhaltensweise allein durch die tatbestandliche Verletzung eines der durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter vornimmt, bedarf es zum Ausschluß des Unwerturteils eines speziellen Eingriffsrechts des Schädigers in den Rechtskreis des Betroffenen. Um ein solches spezielles Eingriffsrecht kann es sich bei der Einleitung eines gesetzlich geregelten Verfahrens handeln. Neben die klassischen Rechtfertigungsgründe Notwehr, Notstand, erlaubte Selbsthilfe und Einwilligung des Verletzten träte ein weiterer hinzu. Es bestehen jedoch Zweifel, ob der BGH tatsächlich einen neuen Rechtfertigungsgrund schaffen wollte l73 . In der Entscheidung selbst ist von einem Rechtfertigungsgrund herkömmlicher Prägung nicht die Rede. Weit gewichtiger ist jedoch die Tatsache, daß Anknüpfungspunkt der Haftung der Antragstellerin ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin war. Bei der Verletzung dieses von der Rechtsprechung entwikkelten, unter die "sonstigen Rechte" des § 823 Abs. 1 BGB eingeordneten Generaltatbestandes ist anerkannt, daß das tatbestandliche Vorliegen eines Eingriffs die Rechtswidrigkeit nicht indiziert l74 • Es handelt sich vielmehr um einen offenen Tatbestand, dessen Rechtswidrigkeit im Einzelfall durch eine Güter- und Pflichtenabwägung positiv festgestellt werden muß. Die Anwendung eines Rechtfertigungsgrundes setzt demgegenüber gedanklich voraus, daß eine rechtswidrige Verletzung fremder Rechtsgüter zwar vorliegt, jedoch durch ein besonderes Eingriffsrecht ausnahmsweise ausgeschlossen wird. Für eine ex-post Bewertung des schädigenden Verhaltens mittels eines Rechtfertigungsgrundes war daher in der Konkursantragsentscheidung kein Raum. Diese Betrachtungsweise deutet auch der BGH an, indem er die grundsätzliche Erforderlichkeit einer Interessenabwägung bei einem Eingriff in die gewerbliche Freiheit eines anderen betont l75 . Im Unterschied zu den sonstigen Fällen hält der BGH eine Interessenabwägung und damit eine positive Feststellung der Rechtswidrigkeit hier deshalb nicht für angezeigt, weil der Schädiger nicht selbst und unmittelbar in die freie gewerbliche Betätigung eines anderen eingreife, sondern sich eines staatlichen Verfahrens bediene. Diese Begründung rechtfertigt freilich kaum die Abweichung von der herkömmlichen Haftungssystematik und spricht zudem eher dafür, schon tatbestandlich einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auszuschließen. Gegen die Qualifikation der Verfahrenseinleitung als ungeschriebener Rechtfertigungsgrund spricht im übrigen die vom BGH bejahte uneinge173 zweifeld auch StolI, Hans: Buchbesprechung von Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, in: ZfRvgl. 71, 208; BelkelHenniges, Jura 1981, 596, Hauß, LM Nr. 18 zu § 823 (Ai) 174 BGHZ 45, 296, 307; 65, 325, 331; 59, 30, 34; NJW 1980, 881, 882; 1984, 1956, 1957 175 BGHZ 36, 18, 22 unter Hinweis auf BGHZ 3, 270 und 8, 142
B. Prozessualer Pflichtenkreis und zivilrechtliehe Haftungskriterien
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schränkte Haftung für vorsätzlich sittenwidriges Fehlverhalten und unbegründete Schutzrechtsberühmungen. Denn das Vorliegen eines - geschriebenen oder ungeschriebenen - Rechtfertigungsgrundes führt allgemein und für alle Haftungstatbestände zu einem Ausschluß der Rechtswidrigkeit 176 und müßte mithin auch auf den Tatbestand des § 826 BGB und den Bereich der Schutzrechtsberühmungen ausgedehnt werden. Ein gleichsam "geteilter" Rechtfertigungsgrund wäre jedenfalls systemwidrig. (2) Fehlender Integritätsschutz durch Verfahrensnormen
Weiterführend sind allein die Ausführungen des BGH in der Konkursantragsentscheidungln. Zwar ließe sich auch hier nach der gegebenen Begründung ein Ausschluß der Tatbestandsmäßigkeit vertreten; denn der BGH verneint gleichermaßen die Unmittelbarkeit und die Rechtswidrigkeit des Eingriffs in den Gewerbebetrieb. Der Schwerpunkt der Entscheidung liegt aber offensichtlich im Bereich des deliktischen Unwerturteils 178 • Letzteres schließt der BGH deshalb aus, weil der Schutz des Schuldners durch die Verfahrensvorschriften selbst hinreichend gewährleistet sei. Soweit verfahrensrechtliche Sanktionen über die Regelungen der §§ 91 ff, 717 11 und 945 ZPO hinaus fehlten, sei ein Rückgriff auf materiell-rechtliche Ausgleichsvorschriften versagt 179 • Der BGH räumt zwar ein, daß dem Betroffenen außerprozessuale Nachteile aus dem Prozeßgeschehen erwachsen können, der Prozeß somit einen eigenständigen Konfliktstatbestand darstellen kann l80 • Er redet jedoch einer Spezialität, einem Primat des Prozeßrechts vor den allgemeinen zivilrechtlichen Verhaltensanforderungen das Wort. Eine Einschränkung des materiellen Haftungsrechts läßt sich unter diesem Gesichtspunkt nicht begründen. Hiergegen spricht, daß schon in tatsächlicher Hinsicht der Rechtsgüterschutz des Gegners durch die Verfahrensnormen nicht möglich ist. Ausschlaggebend ist jedoch, daß ein solcher Schutz nicht nur de facto nicht ersichtlich, sondern darüber hinaus auch vom Normzweck überhaupt nicht umfaßt ist. Hier kann unmittelbar an die Ausführungen zur Schutzgesetzeigenschaft der prozessualen Normen angeknüpft werden 181 • Die prozeßrechtlichen Verhaltensanforderungen sind ausschließlich auf den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens, auf die sachgerechte Entscheidungsfindung ausgerichtet. Außerprozessuale Wirkungen und schädliche Folgen eines Parteiprozeßverhaltens, die auch unabhängig von einem gestörten Pro176
Larenz, Schuldrecht 11, S. 527
178
Weitnauer, DB 1962,461 BGHZ 36, 18, 21 Pecher, S. 74 siehe oben § 4 Bill b bb
177 BGHZ 36, 18 179 180 181
10 Gölz
146
§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materieller Rechtsgüterschutz
zeßablauf eintreten, liegen außerhalb der prozessualen Schutzfunktion182 • Der Rechtsgüterschutz der Prozeßparteien soll durch die Normierung des Prozeßparteiverhaltens weder gesichert noch erweitert werden. Von einer Ausschlußfunktion des Prozeßrechts im Hinblick auf außerprozessuale Schädigungen der Parteien kann somit keine Rede sein. Das Integritätsinteresse des geschädigten Verfahrensgegners bleibt durch die Regelungen des materiellen Haftungsrechtes gewahrt. Ein solches Auseinanderfallen von prozessualem Können und materiellrechtlichem Dürfen bejahte schon das Reichsgericht 183 , das selbst dem Berechtigten aus einer vorläufig vollstreckbaren Entscheidung zumutete, seine Berechtigung gewissenhaft (Berichtigung des fälschlich verwendeten Begriffs "gewissermaßen" in RGZ 13 a.E.) zu prüfen. Ein vorläufiger Befund steht damit fest: Der BGH schließt ein deliktisches Unwerturteil über eine prozeßeinleitende Maßnahme aus, auch wenn diese außerprozessuale Wirkungen zeitigt. Dieses Ergebnis gewinnt er weder auf der Grundlage der klassischen Unrechtsdoktrin durch Statuierung eines speziellen Eingriffsrechts noch mittels Interessenabwägung, die der Verhaltensunrechtslehre und bei Eingriffen in die deliktischen Generalklauseln zur Bestimmung der Rechtswidrigkeit eines Verhaltens dienen. b) Kollision positivierter Pflichtmaßstäbe verschiedener Rechtsgebiete
Die Frage nach einer Einschränkung des deliktischen Rechtsgüterschutzes stellt sich immer dann, wenn das schädigende oder rechtsgutsgefährdende Verhalten in einem anderen Rechtsgebiet dezidierten Regelungen unterworfen ist. Es entsteht dann regelmäßig das Problem, ob Maßstab und Rechtsfolge des Verletzungstatbestandes ausschließlich der spezialgesetzlichen Norm oder weitergehend dem allgemeinen Deliktsrecht zu entnehmen sind. Diese Konkurrenz zwischen deliktischer Grundnorm und spezialgesetzlichen Verhaltensnormen ist nicht auf das Verhältnis Prozeßrecht-materielles Haftungsrecht beschränkt. Es ist vielmehr typisch für die Lebensbereiche, in denen der Gesetzgeber im Interesse einer möglichst weitgehenden Handlungsfreiheit ein gefährliches Verhalten nicht grundsätzlich verbieten, es jedoch gewissen einschränkenden Regeln unterwerfen wollte 184 • Prägnantes Beispiel hierfür ist das Straßenverkehrsrecht, für das der Bundesgesetzgeber in der Straßenverkehrsordnung detaillierte Verhaltensmaßregeln getroffen hat. Eine vergleichbare Problematik findet sich im Betriebsverfassungsrecht bei der Haftung des 182 Henckel, Prozeßrecht, S. 293 ff, 299, 306; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 91 ff, 281 ff 183 RGZ 11, 415, 418 184 Deutsch, (I), S. 286
B. Prozessualer Pflichtenkreis und zivilrechtliche Haftungskriterien
147
Betriebsratmitgliedes für Pflichtverletzungen nach den §§ 74 ff BetrVG. Dort alterniert der Primat der betriebsverfassungsrechtlichen Sanktion der Amtsenthebung nach § 23 Abs. 1 BetrVG mit einer deliktischen Haftung des Betriebsrates unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 185 • Für den Bereich des Eisenbahn- und Straßenverkehrs richtungsweisend ist die schon l86 angesprochene Entscheidung des Großen Zivilsenats des BGH aus dem Jahre 1957, der bei einer Einhaltung der Verkehrsregeln eine rechtswidrige Schädigung im Sinne des Deliktsrechtes ausschließt 187 • Durchaus bestechend erscheint daher die Auffassung J. Blomeyers l88 , der den Grundgedanken der Entscheidung zum verkehrsrichtigen Verhalten in den Bereich des Prozesses transformiert und ein Prozeßverhalten hinsichtlich seiner materiellen Rechtswidrigkeit ausschließlich an den prozessualen Wertungen mißt 189 • Blomeyer verkennt allerdings, daß auch die Einhaltung des Straßenverkehrsrechts trotz ihrer umfangreichen und durch die Generalklausel des § 1 StVO ergänzten Regelungen kein Eingriffsrecht in die deliktisch geschützten Rechtsgüter des Verletzten darstellt l90 . Dementsprechend hat der Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens auch überwiegend Kritik erfahren, deren Ursache allerdings zumeist in den konträren Unrechtslehren begründet lag 191 • Daneben ist aber überhaupt fraglich, ob eine Verallgemeinerung der auf die Gefährlichkeit des modemen Massenverkehrs ausgerichteten Begründung des BGH auf den prozessualen Bereich möglich ist. Selbst wenn man jedoch die Frage der Vergleichbarkeit übergeht und von der mit dem Deliktsrecht konkret kollidierenden Regelungsmaterie abstrahiert, kommt eine Restriktion des deliktischen Rechtsgüterschutzes in der von Blomeyer vorgeschlagenen Form nicht in Betracht. Ausschlaggebend für eine Einschränkung des privatrechtlichen Integritätsschutzes durch spezialgesetzliche Regelungen sind nämlich deren Ordnungsaufgaben und Normzwecke l92 • Eine Norm, die nicht vordringlich private Rechtsbeziehungen regelt, stellt nur dann 185 siehe dazu Derleder, Peter: Betriebliche Mitbestimmung ohne vorbeugenden Rechtsschutz, in: AuR 1983, 301; Hanau, Peter: Repräsentation des Arbeitgebers und der leitenden Angestellten durch den Betriebsrat, in: RdA 1979, 326; Konzen, ZfA 1985,494; Weiss, Manfred: Zur Haftung des Betriebsrats, in: RdA 1974,277 ff 186 siehe oben § 1 D 11 1 187 BGHZ 24,21,26 188 Blomeyer, J., SchadensersatzanspfÜche, S. 39 189 siehe oben § 1 B 1 2 190 Deutsch, Haftungsrecht, S. 199 191 Bettermann, Karl-August: Anmerkung zu BGH NJW 1957, 785, in: NJW 1957, 986; v. Caemmerer, Wandlungen, S. 125; Deutsch, (I), S. 179 ff; ders., Haftungsrecht, S. 179 ff; StoII, Hans: Zurn Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens, in: JZ 1958, 140 f; Wiethölter, Rudolf: Der Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens, 1960, passim 192 Deutsch, (I), S. 292
10"
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§ 4 Prozessuale Wertungsmodelle und materieller Rechtsgüterschutz
gegenüber dem Deliktsrecht eine erschöpfende Sonderregelung dar, wenn der Zweck der Norm auf die Verdrängung des absoluten privatrechtlichen Güterschutzes gerichtet ist. Eine solche Zweckrichtung kommt den prozeßrechtlichen Vorschriften nicht zu. Das Ordnungsgefüge des Prozeßrechts wird vom Streitgegenstand begrenzt. Außerhalb dieses Bereiches stellen die Vorschriften, die das Prozeßparteiverhalten normieren, keine erschöpfende Sonderregelung dar. Insoweit kann auch hier auf die Ausführungen zur Schutzgesetzeigenschaft der gesetzlichen Parteipflichten 193 und auf die gegen die Judikatur des BGH erhobenen Bedenken194 verwiesen werden. Der differenzierte Ansatzpunkt Blomeyers führt daher zu keinem anderen Ergebnis. Mangels übereinstimmender Regelungszwecke werden die deliktischen Sorgfaltsanforderungen nicht durch das Prozeßrecht überlagert. Es besteht keine Identität zwischen prozeßordnungsgemäßem und materiell-rechtlich sorgfältigem Verhalten.
193
194
siehe oben § 4 BIll a bb siehe oben § 4 B 2 a
Dritter Teil
Einordnung der prozessualen Schutzfunktion im Spannungsfeld von Integritätsschutz und Handlungsfreiheit Im vorangegangenen zweiten Teil der Arbeit wurde die Antinomie zwischen verfassungsrechtlichen und prozessualen Wertungsmodellen einerseits und dem materiellen Haftungsrecht andererseits aufgezeigt. Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß weder die Verfassung ein Eingriffsrecht in die Rechtssphäre des einzelnen statuiert noch die prozessualen Regelungszwecke die materiellen Haftungsvorschriften des Vertrags- und Deliktsrechtes in der Weise überlagern, daß sie selbst den Rechtsgüterschutz des Betroffenen unter Ausschluß des materiellen Rechts erschöpfend normieren. Das schließt jedoch nicht aus, daß die Prozeduralisierung eines privatrechtlichen Konfliktes zu einer Modifizierung des materiellen Schadensausgleichs führt. Hierfür sind unterschiedliche Lösungsmodelle denkbar, die im folgenden, dritten Teil der Arbeit untersucht werden sollen: Die besondere Streitsituation kann in Abweichung von der herkömmlichen Zivilrechtsdogmatik die Statuierung einer Sonderhaftung (§ 5) oder die Limitierung der Haftung auf vorsätzlichsittenwidriges Fehlverhalten (§ 6) bedingen. Schließlich ist eine Berücksichtigung des Institutionenschutzes und der prozessualen Handlungsfreiheit innerhalb der Systematik des geltenden Haftungsrechts erwägenswert (§ 7).
§ 5 Kollisionslösung außerhalb der herkömmlichen Haftungsdogmatik Einwände gegen die Formel Häsemeyers von der Sonderhaftung für Durchsetzungsschäden
In dem Bestreben nach Rechtsvereinheitlichung und sozialpolitischer Gleichbehandlung von Schuldner und Gläubiger will Häsemeyer jegliche rechtswidrigkeits- oder verschuldensabhängige Haftung für schädigendes Streitverhalten ausschließen!. Die von Häsemeyer stattdessen statuierte Risikohaftung beruht erkennbar auf einer Verallgemeinerung der Gläubigerhaftung aus §§ 717 Abs. 2,945 ZPO. Jede Partei soll dabei das volle Risiko für die schädlichen Folgen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung tragen, die sich aus der Vorenthaltung des streitigen Rechts oder Anspruches in der Vermögenssphäre des Gegners ergeben. Charakteristisch ist dabei nicht nur der Verzicht auf die Rechtswidrigkeits- und Verschuldenskomponente der Haftung, sondern auch die ganzheitliche Betrachtung der Streitsituation, die eine haftungsrechtliche Anknüpfung an konkrete Verhaltensweisen - außergerichtliche Mahnung, Klageerhebung, Vollstreckung - nicht zuläßt. Die intendierte Harmonisierung der Haftungskriterien für schädigendes Streitverhalten ist sicherlich zu begrüßen. Die außergerichtliche weicht von der forensischen Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme inhaltlich nicht in einer Weise ab, daß die Anwendung differenzierter Haftungsmaßstäbe gerechtfertigt ist. Dies ist jedenfalls für den Bereich der ungerechtfertigten Schutzrechtsverwarnung auch von der Judikatur anerkannt. Hier wird die außergerichtlich verfolgte Schutzrechtsverwarnung der entsprechenden Unterlassungsklage ausdrücklich gleichgestellt2 • Dennoch begegnet die Statuierung einer verschuldensunabhängigen Risikohaftung erheblichen Bedenken. Zweifelhaft ist schon, ob allein die Besonderheit der Streitsituation und die von Häsemeyer zur Begründung herangezogene Uneinheitlichkeit des geltenden Rechtszustandes die Schaffung eines neuen Haftungstatbestandes rechtfertigen können. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Gläubiger- und Schuldnerhaftung läßt sich zwar nicht bestreiten. So haftet der vollstreckende Gläubiger unter den Voraussetzungen der §§ 717 Abs. 2,945 ZPO für die Folgen einer nicht gerechtfertigten Vollstreckungsmaßnahme ohne Verschulden, während die korrespondierende Verzugshaftung des Schuldners I
2
Häsemeyer, Schadenshaftung, passim; siehe oben § 1 BIll BGHZ 38, 200,205; siehe auch oben § 1 eIl
§ 5 Einwände gegen die Formel Häsemeyers
151
ein schuldhaftes Verhalten bedingt. Andererseits kann der Gläubiger die anläßlich der Rechtsdurchsetzung entstehenden Kosten - Anwaltsgebühren3 , Sachverständigenkosten4 , Aufwendungen zur Ermittlung des Schädigers oder Kosten eines Inkassobüros5 - regelmäßig als vom Normzweck des vertraglichen oder deliktischen Anspruches gedeckten Folgeschaden liquidieren, während der Schuldner einen entsprechenden Anspruch auf Ersatz seiner Rechtsverteidigungskosten nur ausnahmsweise unter den Voraussetzungen einer positiven Vertragsverletzung geltend machen kann6 • Das von Häsemeyer heraufbeschworene Haftungsungleichgewicht zwischen Gläubiger und Schuldner wird jedoch schon dadurch erheblich gemildert, daß an die Sorgfaltspflichten des Schuldners im Rahmen der Verzugshaftung strenge Anforderungen gestellt werden. Der Schuldner darf nicht auf seinem Rechtsstandpunkt beharren, ohne diesen zuvor einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung unterzogen zu haben7 • Zum anderen bestehen zwischen der Haftung des Gläubigers nach den §§ 717,945 ZPO und der Verzugshaftung des Schuldners auch Wertungsdivergenzen, die eine Haftungsidentität nicht zwingend erscheinen lassen. Der staatlich unterstützte Vollstreckungseingriff, mit dem der Gläubiger auf das gesamte Schuldnervermögen Zugriff erhält, geht in seiner Intensität weit über eine bloße Leistungsverweigerung des Schuldners hinaus. Hinzu kommt, daß sich die von Häsemeyer zugrunde gelegte ausschließliche Handlungsalternative von Zwang und Nachgeben, von Eigen- und Fremdschädigung8 für Gläubiger und Schuldner nicht in gleicher Weise darstellt. Während dem Schuldner in der Tat nur die Wahl zwischen einer Leistungsverweigerung auf Kosten des Gläubigers und einem endgültigen eigenschädigenden Nachgeben bleibt, kann der Gläubiger mit der Vollstreckung bis zur Bestandskraft der gerichtlichen Entscheidung zuwarten und seinen Schaden auf einen Zeitverlust reduzieren. Häsemeyer verkennt im übrigen, daß die Vorschriften der §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO nur einen Teilausschnitt der Gläubigerhaftung erfassen. Außerhalb der Vollstreckung eines noch nicht bestandskräftigen Titels haftet der Gläubiger ebenso wie der Schuldner nur für schuldhaftes Fehlverhalten. Die Gläubigerhaftung aus den §§ 717 Abs. 2,945 ZPO stellt daher eine Spezialregelung 3 BGHZ 24, 263; 30,154; 39, 73; LM § 823 BGB (Ha) Nr. 15; BGH NJW 1963, 460; NJW 1968, 2384; VersR 1970, 41, 42; NJW 1986, 2243, 2244; Loritz, Die Konkurrenz, S. 25 ff; PalandtIHeinrichs, vor § 249 Anm. 5d bb 4 Staudinger/Medicus, § 251 Rn. 92; MünchKommlGrunsky, vor § 249 Rn. 67 5 BGH NJW 1971, 134; OLG Stuttgart, AnwBI. 1973, 46; OLG Hamm, JurBüro 1984, Sp. 1534; Löwisch, Manfred: Inkassokosten als Verzugszinsen, in: NJW 1986, 1725; Jäckle, Wolfgang: Nochmals: Inkassokosten als Verzugsschaden, in: NJW 1986, 2692 6 siehe dazu oben § 4 BIll b bb 7 BGH NJW 1972, 1045; 1974, 1903; BGHZ 62,29,36; MünchKommIWalchshöfer, § 285 Rn. 7 ff; MünchKommIHanau, § 276 Rn. 127 f 8 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 15 ff; ders.: Endgültige Zuweisung des Vollstrekkungsschadens durch einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung?, in: NJW 1986, 1029
152
§ 5 Einwände gegen die Fonnel Häsemeyers
dar, die auf sonstiges schädigendes Parteiverhalten nicht übertragbar ist. Die gesetzliche Wertung entspricht einer sachgerechten Risikoverteilung, die eine Haftung allein an die Unbegründetheit eines vorläufig titulierten Rechts knüpft9 . Die Verdrängung der deliktischen Verschuldenshaftung durch eine beiderseitige Risikohaftung ist auch durch die Besonderheit der Streitsituation weder geboten noch dogmatisch begründbar. Allein die Tatsache, daß Gläubiger und Schuldner um ein identisches subjektives Recht streiten lO , kann nicht dazu führen, den deliktischen Rechtsgüterschutz durch eine Risikohaftung zu substituieren und von den allgemeinen Haftungsprinzipien abzuweichen. Das Integritätsinteresse des einzelnen wird außerhalb vertraglicher oder vertragsähnlicher Sonderbeziehungen eben nicht durch eine umfassende Generalklausel gewahrt. Vielmehr erfolgt der Schutz der Rechtssphäre durch eine Kombination von konkretem Rechtsgüterschutz und der Statuierung von Verhaltensnormen ll . Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers muß auch vor dem Hintergrund eines Streites um subjektive Rechte Bestand haben. Die vermeintliche Privilegierung des Schuldners korrespondiert mit der Befugnis des Gläubigers, mit Hilfe des staatlichen Vollstreckungsapparates auf die gesamte Vermögenssphäre des Schuldners zuzugreifen und diesem dadurch auch außerhalb des Streitgegenstandes unmittelbar Schaden zuzufügen. Ungereimtheiten der Gläubiger- und Schuldnerhaftung lassen sich eher als durch eine Risikohaftung dadurch auflösen, daß richterrechtlich entwickelte deliktische Tatbestände wie der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb konkretisiert und ihre uferlose Anwendung eingegrenzt werden. Die zur Abkehr von den allgemeinen Haftungsgrundsätzen herangezogenen, für die Streitsituation geleugneten Haftungszwecke der Schadensabnahme und Schadensstreuung12 überzeugen ebenfalls nicht. Der Hauptzweck des Schadensersatzrechtes, einen eingetretenen Schaden kraft besonderer Verantwortlichkeit auf einen Dritten überwälzen zu können 13 , gilt in gleicher Weise für die Tatbestände der Gefährdungshaftung 14 • Es ist daher kein Grund dafür ersichtlich, die verschuldensabhängigen Haftungstatbestände bei der Haftung für schädigendes Streitverhalten auszugrenzen. Hierdurch würden außerdem die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung erkennbar überschritten. Das geltende Haftungsrecht kennt zwar das Prinzip der Risikozurechnung 15 . Die gesetzlichen Haftungstatbestände - §§ 1 a HaftpflG, 1 SachBGH NJW 1985, 1959, 1960 Häsemeyer spricht insoweit von der Identität des Streitinteresses bei wechselseitiger Schadensbedingtheit, Schadenshaftung, S. 12 ff 11 Deutsch, Haftungsrecht, S. 51 12 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 13 f 13 siehe hierzu Deutsch, Haftungsrecht, S. 68 ff 14 Deutsch, Haftungsrecht, S. 365 IS Larenz, Kar!: Die Prinzipien der Schadenszurechnung, in: JuS 1965, 374 9
10
§ 5 Einwände gegen die Fonnel Häsemeyers
153
haftpflG, 7 StVG, 33 LuftVG, 25, 26 AtomG, 22 WHG, 833 BGB - tragen dabei der besonderen Sach- oder Betriebsgefahr einer bestimmten Anlage oder Maschine Rechnung 16 • Die grundsätzliche Anerkennung dieses Haftungsgrundes kann jedoch keinen selbständigen neuen Haftungsgrund schaffen 15 , sondern bedarf der Ausgestaltung durch eine gesetzliche Regelung. Die als verschuldensunabhängige Haftung ausgestalteten Tatbestände der Gläubigerhaftung für Vollstreckungseingriffe und Maßnahmen der Anspruchssicherung lassen sich aus den oben genannten Gründen nicht auf sonstiges schädigendes Streitverhalten übertragen. Eine aus diesen Vorschriften herzuleitende allgemeine Risikozurechnung kraft unsicherer Rechtslage ist damit abzulehnen. Schließlich ist auch die von Häsemeyer intendierte sozialpolitische Gleichbehandlung von Gläubiger und Schuldner durch eine Risikohaftung nicht gewährleistet. An einer allgemeinen Präventivfunktion des Schadensersatzrechtes im Hinblick auf die gerichtliche Durchsetzung vermeintlicher Ansprüche wurden zwar oben 17 Bedenken angemeldet. Eine Haftung, die der handelnden Partei auch bei sorgfältigem Verhalten regelmäßig das Risiko einer abweichenden gerichtlichen Entscheidung überbürdet, greift aber in viel stärkerem Maße in die von wirtschaftlichen Überlegungen getragene Entscheidung einer prozessualen Rechtsverfolgung ein. Berücksichtigt man weiterhin, daß Häsemeyer andererseits die Erstattung der Prozeßkosten, die er unter dem Topos der Begleitschäden erfaßt, auf die Fälle vorsätzlich-sittenwidrigen Fehlverhaltens des Prozeßgegners beschränkt 18 , werden den Parteien Steine statt Brot gegeben. An die Stelle der ebenfalls verschuldensunabhängig ausgestalteten Kostentragungspflicht trifft die unterlegene Partei die erheblich weitergehende Verpflichtung, sämtliche aus der Vorenthaltung oder Durchsetzung des streitigen Rechtes beim Gegner entstandenen Schäden zu tragen. Diese Verpflichtung belastet naturgemäß die wirtschaftlich schwächere weit stärker als die begüterte Partei. Eine allgemeine Risikostreithaftung konterkariert im übrigen die im Kostenrecht diskutierten und teilweise verwirklichten Reformen 19 zur Kostenentlastung der sozial schwächeren Partei, da jedenfalls insoweit die Möglichkeit einer Regulierung durch die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe versagt. Das für den Bereich der Begleithaftung herangezogene Argument der Rechtsschutzsperre20 müßte daher konsequenterweise für die Durchsetzungshaftung mindestens in gleichem Umfang Geltung erhalten21 • Während Häsemeyer jedoch für jene eine Haftungsreduzierung auf vorsätz16
17
Larenz, JuS 1965, 374; Deutsch, Haftungsrecht, S. 363 ff § 3 B III 1
Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 149 19 Grunsky, (I); oben § 3 B III 1 a 20 Häsemeyer, NJW 1986,1029; ders., Schadenshaftung, S. 143 21 Hopt, Schadensersatz, S. 155, der bei einer verschuldensunabhängigen Haftung die Relativierung und Aushöhlung des subjektiven Rechtes auf Rechtsschutz befürchtet 18
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§ 5 Einwände gegen die Fonnel Häsemeyers
lieh-sittenwidriges Fehlverhalten vornimmt, akzentuiert er bei dieser die Gleichwertigkeit von Eigen- und Fremdschädigung22 • Diese Differenzierung überzeugt ebensowenig wie die grundlegende Trennung von Durchsetzungsund Begleitschäden23 • Die Nebenfolgen eines Streitverhaltens wie z.B. Ehroder Gesundheitsverletzungen sind ebenso wie die aus der zwanghaften Vorenthaltung oder Durchsetzung des Streitobjektes folgenden Schäden durch die streitige Auseinandersetzung selbst bedingt. Das Konzept Häsemeyers beseitigt daher nicht die vermeintliche Uneinheitlichkeit des geltenden Rechtszustandes, sondern statuiert im Gegenteil für vergleichbare Schadensfolgen grundlegend divergente Haftungsvoraussetzungen: Einer verschuldensunabhängigen Haftung der letztlich unterlegenen Partei für sogenannte Durchsetzungsschäden steht ein nahezu völliger Haftungsausschluß im Hinblick auf verfahrensdeterminierte Folgeschäden einschließlich der Prozeßkosten gegenüber. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, daß eine Kollisionslösung außerhalb der herkömmlichen Haftungsdogmatik nicht anzuerkennen ist. Sie überschreitet nicht nur die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, sondern ist auch de lege ferenda unter dogmatischen und sozialpolitischen Aspekten abzulehnen. Durch die prozeßbedingte Institutionalisierung des Eingriffs in einen fremden Rechtskreis wird nicht das zivilrechtliehe Haftungssystem durch eine besondere prozessuale Risikozuordnung substituiert. Vielmehr muß die Funktion des Prozesses im bestehenden Haftungssystem Berücksichtigung finden 24 •
Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 15 ff; ders., NJW 1986,1029 siehe oben § 14 B 11 1 b aa 24 siehe zu der ganz ähnlichen Überlagerung von Arbeitskampfrecht und allgemeinem Haftungsrecht: Richardi, Reinhard: Die Bedeutung des zivilrechtlichen Haftungssystems für den Arbeitskampf, in: ZfA 1985, 101, 125 22 23
§ 6 Der Tatbestand der vorsätzlich-sittenwidrigen Schädigung als Haftungsgrenze Die Frage nach Schadensersatzansprüchen infolge eines prozessualen Fehlverhaltens lenkt stets auch den Blick auf die für rechtsmißbräuchliche Prozeßführung entwickelte actio doli 1• Die auf § 826 BGB gestützte Klage erfaßt dabei das sittenwidrige Erschleichen einer gerichtlichen Entscheidung durch bewußt unwahren Parteivortrag oder durch ein sonstiges arglistiges Fehlverhalten, etwa durch das arglistige Erschleichen einer Zustellung, sowie durch die Aufrechterhaltung und Vollstreckung einer unrichtigen Entscheidung in Kenntnis ihrer Unrichtigkeit. Entscheidender Gesichtspunkt für die Anerkennung dieser Fallgruppe einer Haftung für prozessuales Fehlverhalten ist der Gebrauch der staatlichen Rechtspflegeinstitutionen zu verfahrensfremden Zwecken. Streitpunkt ist hier nicht die grundsätzliche Legitimation der Prozeßpartei durch ein gesetzlich eingerichtetes und geregeltes Verfahren, sondern allein das Spannungsverhältnis zwischen Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit2 . Gerade der Aspekt des Verfahrensmißbrauchs, der Zweckentfremdung prozessualer Rechte zeigt den Unterschied zur hier interessierenden Fragestellung auf: Die Schädigung des Verfahrensgegners tritt ein, obwohl das schädigende prozessuale Verhalten die jeder Rechtsausübung immanente Schranke redlichen Verhaltens nicht überschreitet. Daraus wird teilweise ohne die notwendige Differenzierung der beiden Fallgruppen2 zu beachten gefolgert, daß außerhalb der ohnehin nur in ganz seltenen Ausnahmefällen angewendeten Haftung aus § 826 BGB weitere Schadensersatzansprüche einer geschädigten Prozeßpartei ausscheiden3 . Hierfür spreche neben dem schon mehrfach kritisierten Verdikt gegen die Verkümmerung des Rechtsschutzes die rechtshistorische Entwicklung4, das Postulat der Waffengleichheit5 sowie der Gedanke der Sozialadäquanz6. Inwieweit dies eine Haftungslimitierung auf vorsätzlich-sittenwidriges Fehlverhalten rechtfertigt, soll im folgenden - auch unter vergleichender Berücksichtigung der Haftung anderer zur Judikatur des RG urid des BGH ausführlich oben § 3 B III 2 b bb siehe oben § 3 B III 2 b bb 3 v. Caemmerer, Wandlungen, S. 96; ErmanlDrees, vor § 823 Rn. 5; Ferid, S. 557; Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 140 ff; Helle, E., NJW 1961, 1896; ders., Der Schutz der Persönlichkeit, S. 111; Sturm, Buchbesprechung von Hopt, Schadensersatz aus unberechtiger Verfahrenseinleitung, in: JR 1972, 44; BGHZ 36, 18, 21 4 Sturm, JR 1972, 44 5 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 142 6 Deutsch, Haftungsrecht, S. 231 ff; ders.: Finalität, Sozialadäqanz und Schuldtheorie als zivilrechtliche Strukturbegriffe, in: Festschrift für Hans Welzel, 1974, S. 227,241 1
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§ 6 Vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung als Haftungsgrenze
Prozeßbeteiligter - durch eine kritische Analyse der intendierten Haftungsfreistellung untersucht werden. .
A. Die rechtshistorische Entwicklung der Haftung für unredliches Parteiverhalten
Die Abwehr arglistigen, unredlichen prozessualen Parteiverhaltens ist im geltenden Prozeßrecht ausdrücklich nicht normiert? Auch die aus den Einzelregelungen der §§ 256 ZPO, 43 Abs. 1 VwGO, 41 FGO und 55 SGG hergeleitete allgemeine Prozeßvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses8 bietet insoweit keinen ausreichenden Schutz der betroffenen Partei. Zum einen ist der Zweck dieser von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung vornehmlich auf den Schutz der Gerichte vor überflüssiger, unnützer Arbeitsbelastung gerichtet9 . Zum anderen läßt die generalklauselartige Ausgestaltung des Rechtsschutzbedürfnisses 10 und die damit stets zu befürchtende Kollision mit der Justizgewährungspflicht des Staates den Ausschluß eines Parteivorbringens nur ganz ausnahmsweise zu ll . Schließlich kann die unter dem Gesichtspunkt fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses erfolgte Klageabweisung von vorneherein nicht solche Folgeschäden verhindern, die dem Verfahrensgegner schon allein durch die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens erwachsen. I. Die Haftung für ungerechten Prozeß Auch das materielle Recht kennt keinen allgemeinen Haftungstatbestand für unberechtigte Prozeßführung 12 • Hingegen finden sich im römischen Recht zur Zeit der legis actiones ebenso wie im Formularprozeß eine Reihe von Maßnahmen zur Abwehr von mißbräuchlichem, leichtsinnigem und schikanösem Prozessieren. Ein besonderes Bedürfnis für eine Haftung aus ungerechtem Prozeß13 ergab sich aus der grundsätzlichen Unentgeltlichkeit des Rechtswegs 14 und der Tatsache, daß auch fremde Rechte ohne Ermächtigung eingeZeiss, Arglistige Prozeßpartei, S. 24 Grunsky, Verfahrensrecht, § 39 I; Thomas/Putzo, vor § 253 Anm. III A I; Stein! Jonas/Schumann, Ein!. Rn. 314,333 9 Grunsky, Verfahrensrecht, § 39 I 2; Arens, Zivilprozeßrecht, Rn. 158; Stein! Jonas/Schumann, Ein. Rn. 333; a.A. Schönke/Kuchinke, § 40 11 3; Henckel, Wolfram: Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1961, S. 193 10 Zeiss, Arglistige Prozeßpartei, S. 162 11 Stümer, Rolf: Rechtsprobleme der verbandsmäßig organisierten Massenklage, in: JZ 1978, 500 12 StolI, ZfRvgI1971, 210 13 Ausdruck von WindscheidlKipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, 1906, § 471 14 v. Bethmann-Hollweg: Das römische Cilvilprozeßrecht, Band 2, 1865, S. 533; Zeiss, Arglistige Prozeßpartei, S. 29 7
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A. Die rechtshistorische Entwicklung
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klagt werden konnten 15 . Die intendierte Präventivwirkung wurde durch die Prozeßstrafen (poena temere litigantium) und den Calumnieneid verwirklicht, der bis in die Zeit des gemeinen Zivilprozesses im 19. Jahrhundert seine Bedeutung behielt. Prozeßstrafen waren das sacramentum, ein von beiden Parteien zur Bekräftigung ihrer Behauptungen zu hinterlegendes Pfand, das der Sieger zurückerhielt, das jedoch im übrigen als Strafe des Unterlegenen den Göttern verfiep6, sowie die litiskreszenz, eine besondere Haftung des Beklagten, der auf das Doppelte haftete, wenn er ein berechtigtes Klagebegehren nicht anerkannte 17 • Nach Abschaffung der legis actiones trat an die Stelle des sacramentum der Calumnieneid (Gefährdeeid), mit dem die Parteien die Redlichkeit ihres Begehrens beeiden mußten 18 . Daneben verstand man unter der calumnia eine im Bewußtsein der fehlenden Berechtigung erhobene Klage, für die der unterlegene Kläger an den Beklagten ein Zehntel der Klagesumme als Strafe zu zahlen hatte 19 • Auch die Kostenerstattungspflicht beruhte im römischen Recht auf dem Gedanken der calumnia und erforderte mithin Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit20 • Diese vornehmlich pönalen Charakter aufweisenden Regelungen sind in die Zivilprozeßordnung von 1877 nicht aufgenommen worden. 11. Folgerungen rur das heutige Recht
Sturm 21 entnimmt dieser historischen Entwicklung eine rechtspolitische Absage an eine Ersatzpflicht für rechtsmißbräuchliches Prozessieren. Das geltende Recht gehe vielmehr davon aus, daß verfahrensdeterminierte Schädigungen durch die Kostenerstattungspflicht und die materielle Norm des § 826 BGB erschöpfend geregelt sei. Dabei bleibt jedoch die moderne Entwicklung des Deliktsrechts unberücksichtigt, die etwa durch die Statuierung weitgehender Verkehrs(sicherungs)pflichten und die im Wege richterlicher Rechtsfortbildung konstituierten Schutzgüter des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes, auf einen möglichst umfassenden Integritätsschutz gerichtet ist. Diese Entwicklung zeigt sich in besonderem Maße auf der Rechtsfolgeseite, indem der Grundsatz der Totalreparation zu einer immer lückenloseren Schadensausgleichung führt. Der Wegfall der Prozeßstrafen in den modernen Prozeßordnungen zeigt lediglich, daß das in früherer Zeit bestehende Bedürfnis für eine Kaser, Max: Das römische Zivilprozeßrecht, 1956, S. 212 Kaser, S. 213; v. Bethmann-Hollweg, Band 1, 1864, S. 121, Band 2, S. 533; Zeiss, Arglistige Prozeßpartei, S. 25 17 Kaser, S. 213; Zeiss, Arglistige Prozeßpartei, S. 26 18 Kaser, S. 214; v. Bethmann-Hollweg, Band 2, S. 514; Zeiss, Arglistige Prozeßpartei, S. 26 19 Kaser, S. 314; v. Bethmann-Hollweg, S. 535 20 Wilburg, Walter: Die Elemente des Schadensrechts, 1941, S. 165, Fn. 3 21 JR 1972, 44 15
16
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§ 6 Vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung als Haftungsgrenze
Abschreckung der Prozeßparteien vor einem unbegründeten Prozeß mit Hilfe
staatlicher Strafen durch die verschuldensunabhängig ausgestaltete Kostener-
stattungspflicht weitgehend obsolet geworden ist und solche staatlich verfügten Zugangssperren vor dem Hintergrund des Selbsthilfeverbotes und des verfassungsrechtlich verankerten Justizgewährungsanspruchs keinen Bestand haben können. Die Absage an das Erfordernis und die Zulässigkeit öffentlicher Strafen für unredliches prozessuales Verhalten ist jedoch keineswegs identisch mit der Absage an eine zivilrechtliehe Ersatzpflicht der schädigenden Prozeßpartei. Denn die deliktische oder vertragliche Haftung einer Prozeßpartei intendiert nicht die Abschreckung der unredlichen Prozeßpartei, sondern ist auf den Schutz der Rechts- und Vermögenssphäre der Betroffenen gerichtet. Diese ist durch die zunehmende Komplexität des heutigen Zivilverfahrens und den damit verbundenen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand wesentlich stärker tangiert als zu Zeiten des gemeinen Zivilprozesses. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang die Entwicklung des Mahnverfahrens genannt. Die Neuregelung des Mahnverfahrens durch die Vereinfachungsnovelle 1976 hat die Voraussetzungen geschaffen, die Möglichkeiten der automatisierten Datenverarbeitung nutzbar zu machen. Mit der maschinellen Lesbarkeit des Mahnantrages wurde zugleich auf die Angabe eines bestimmten Anspruchsgrundes und eine Schlüssigkeitsprüfung durch das Gericht verzichtet (§ 692 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Allein die Technisierung des Verfahrens läßt daher die erleichterte Titulierung unbegründeter oder zweifelhafter Ansprüche zu. Diese Tendenz wird durch die häufig zu beobachtende Hilflosigkeit oder unwissende Passivität der Antragsgegner durchaus verstärkt. Bezeichnenderweise hat der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Neuregelung die Erforderlichkeit eines verstärkten strafrechtlichen Schutzes der Antragsgegner vor einer unbegründeten Inanspruchnahme überprüft22 , eine solche Notwendigkeit aber schließlich im Hinblick auf einen ausreichenden Schutz durch die Verfahrensvorschriften abgelehnt23 • 111. Die Haftung des Anfechtungsklägers nach dem Aktien- und Genossenschaftsgesetz
Schließlich spricht auch die Entwicklung der Haftung des Anfechtungsklägers im Aktienrecht, die Sturm 24 argumentativ für eine Haftungsbeschränkung auf vorsätzlich sittenwidriges Fehlverhalten heranzieht, nicht für eine Haftungslimitierung auf rechtsmißbräuchliches Verhalten. Der anläßlich der 22 BT-Drucks. 8/4347, Bericht über die Frage der Notwendigkeit der Einführung eines neuen Straftatbestandes zum Schutz der im gerichtlichen Mahnverfahren in Anspruch genommenen Partei 23 BT-Drucks. 8/4347,7 24 Sturm, JR 1972, 44
B. Das Postulat der prozessualen Waffengleichheit
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Reform des Aktienrechts gestrichene § 200 Abs. 2 AktG 1937 statuierte eine Schadensersatzhaftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit bei unberechtigten Anfechtungsklagen der Aktionäre gegen Hauptversammlungsbeschlüsse der Gesellschaft25 • Eine identische Haftung für Anträge der Aktionärsminderheit auf Bestellung von Sonderprüfem und für die gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstand und Aufsichtsrat begründeten die §§ 121 Abs. 4 S. 2 und 123 Abs. 5 AktG 1937. Eine entsprechende Vorschrift wurde in das Aktiengesetz 1965 nicht aufgenommen, weil man in dieser Regelung eine sachlich ungerechtfertigte Benachteiligung des Anfechtungsklägers gegenüber sonstigen Klagen erblickte26 . Fenn weist unter kritischer Analyse der Streichung der Vorschriften und der dafür herangezogenen Begründung nach, daß neben den aktienrechtlichen Spezialtatbeständen eine gesellschaftsvertragliche Haftung sowie Ersatzansprüche aus §§ 824 und 823 Abs. 1 BGB auch unter der Geltung des § 200 Abs. 2 AktG 1937 ebenso wie nach dessen Wegfall nicht ausgeschlossen waren27 • Darüber hinaus kann vor dem Hintergrund eines ausgedehnten deliktischen Schutzes des Gewerbebetriebes von einer Haftungsverschärfung durch die aktienrechtlichen Haftungsnormen nicht die Rede sein 28 • Das rechtshistorische Argument Sturms überdeckt einmal mehr das allgemeine Unbehagen an einer materiell-rechtlichen Haftung der Prozeßpartei im Hinblick auf die befürchtete Beeinträchtigung von Rechtsschutz und Rechtsstaatlichkeit. B. Das Postulat der prozessualen Waffengleichheit
Im Gegensatz zur oben beschriebenen Haftung für Durchsetzungsschäden, für die Häsemeyer eine Sonderhaftung statuiert, befürwortet er im Bereich der Begleitschäden die Anwendung der allgemeinen deliktischen Schadenshaftung29 • Im Rahmen der allgemeinen Deliktshaftung kommt Häsemeyer jedoch zu einer Beschränkung der Haftung des Verfahrensbetreibers auf vor25 Eine entsprechende Haftungsvorschrift findet sich noch heute in § 52 GenG; Voraussetzung ist allerdings eine bösliche Handlungsweise der anfechtenden Genossen 26 Begründung des Regierungsentwurfes bei Kropff, Bruno: Aktiengesetz, Textausgabe des Aktiengesetzes vom 6. 9. 1965 mit Begründung des Regierungsentwurfes, 1965, S. 335; Baumbach, AdolflHueck, AlfredlHueck, Götz: Aktiengesetz, 1968, § 248 Anm. 1; Godin, Hans Freiherr vonIWilhelrni, Hans: Aktiengesetz, 1971, § 248 Rn. 1; Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 1976, Bearbeiter Zöllner, § 248 Rn. 1; § 243, Rn. 49 27 Fenn, ZHR 132 (1969), 344, 353 ff; siehe auch die aktienrechtliche Literatur oben Fn. 1 28 Fenn, ZHR 132 (1969), 353 ff; Bedenken gegen die Regierungsbegründung äußert auch KölnerKommlZöllner, § 243 Rn. 49 im Hinblick auf die besonderen Auswirkungen einer Anfechtungsklage 29 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 97
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§ 6 Vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung als Haftungsgrenze
sätzlich-sittenwidriges Verhalten, mithin zur Beschränkung auf Ansprüche aus § 826 BGB30. Die Notwendigkeit einer solchen weitgehenden Haftungsbeschränkung folgert er zum einen daraus, daß die Einleitung eines Rechtsstreits den einzigen Weg zur verbindlichen Konfliktsentscheidung darstelle und dabei Verletzungen des Gegners im Streit selbst angelegt seien. Zum anderen befürchtet Häsemeyer durch eine unbefangene Anwendung der allgemeinen Deliktshaftung auch im Bereich der sogenannten Begleitschäden eine empfindliche Störung des Haftungsgleichgewichts und damit der prozessualen Waffengleichheit zu Lasten des Klägers/Gläubigers31 , der nur durch eine Haftungsreduzierung auf vorsätzlich-sittenwidriges Fehlverhalten begegnet werden könne. Ein Automatismus, der an den Prozeßverlust regelmäßig eine Haftung für Folgeschäden knüpft, stelle eine streitwidrige Belastung der unterlegenen Partei dar. Dabei treffe das Haftungsrisiko stets nur den Gläubiger, da dieser regelmäßig in die Angreiferrolle verwiesen sei. Schließlich führe die Anwendung der allgemeinen Verschuldenshaftung zu Haftungsdifferenzierungen nach nicht streitbefangenen Interessen, was ebenfalls Störungen des Haftungsgleichgewichtes zur Folge habe. Die Partei haftet daher nur dann für die dem Gegner entstandenen Begleitschäden, wenn ihr ein durch ein Evidenz.urteil festzustellendes, vorsätzlichsittenwidriges Fehlverhalten vorzuwerfen ist32 . Diese für sich gesehen durchaus einleuchtenden Thesen rechtfertigen bei näherer Überprüfung nicht den Ausschluß der allgemeinen Deliktshaftung zu Gunsten einer reinen Vorsatzhaftung. Zwar genießt der Begriff der prozessualen Waffengleichheit auch im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, welches die Lösung privater Interessenkonflikte zum Gegenstand hat, uneingeschränkt Geltung. Der Grundsatz der Waffengleichheit im Prozeß stellt sich dabei als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 GG dar33 . Den Parteien des Zivilprozesses ist damit die verfassungsrechtlich gewährleistete Gleichwertigkeit ihrer prozessualen Stellung im Hinblick auf gleiche Angriffs- und Verteidigungsmittel garantiert34 • Dieses verfassungsrechtliche, in den zivilprozessualen Bereich ausstrahlende Postulat läßt sich durch das Schlagwort von der "Gleichheit vor dem Richter" beschreiben. Eine solche Verfahrensgarantie ist jedoch vornehmlich, wie dies schon für den Justizanspruch dargelegt wurde, auf das Verhältnis von Staat und Prozeßpartei gerichtet. Sie kann keinesfalls Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 142 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 143 f 32 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 144 33 BVerfGE 52, 131, 156; Arens, Zivilprozeßrecht, Rn. 103; Jauernig, Zivilprozeßrecht, § 18 VI; RosenbergiSchwab, § 40 VI; Stein/Jonas/Schumann, Ein!. Rn. 506 34 BVerfGE 52, 156; Stein/Jonas/Schumann, Ein!. Rn. 506; Stürner, NJW 1979, 2337; Arens, Peter: Die Grundprinzipien des Zivilprozeßrechts, in: Peter Gilles (Hrsg.), Humane Justiz, 1977, S. 7 ff 30 31
B. Das Postulat der prozessualen Waffengleichheit
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dazu dienen, materiell-rechtliche Haftungsvorschriften in einer Weise zu modifizieren, daß der vom Deliktsrecht intendierte Rechtsgüterschutz weitgehend ausgeschlossen wird. Eine unbillige Benachteiligung des Klägers in seiner Rolle als Angreifer liegt nicht vor. Zum einen ist eine Schädigung verfahrensfremder Rechtsgüter zur Durchsetzung eines angeblichen Anspruches nicht zwingend und unabdingbar. Zum anderen trifft in diesem Bereich den Schuldner ein identisches Haftungsrisiko, da er durch sein Verteidigungsvorbringen ebenfalls in sonstige Rechte des Klägers eingreifen kann. Der Schuldner bewegt sich daher nicht immer auf "deliktsrechtlich sicherem Boden"35. Beispielhaft sei hier die Haftung des angeblichen Schutzrechtsverletzers genannt, der durch die Fortsetzung der Produktion nicht nur das Schutzrecht, sondern auch den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Schutzrechtsinhabers verletzt. Soweit der SchuldnerIBeklagte durch eine schlichte Leistungsverweigerung keine deliktsrechtlich relevanten Rechtsgüter des GläubigerslKlägers beeinträchtigt und deshalb auch nicht haftet, liegt hierin keine Störung des Haftungsgleichgewichts. Vielmehr ist diese Konsequenz in den vom Gesetzgeber vorgegebenen Wertungen des Deliktsrechtes begründet, die das Enumerationsprinzip einer allgemeinen deliktischen Generalklausel vorgezogen haben. Diese Wertvorstellungen können nicht unter dem Deckmantel einer verfassungsrechtlich gewährleisteten Verfahrensgarantie eingeebnet werden und dadurch den Rechtsgüterschutz der Betroffenen verkürzen. Bezeichnenderweise statuiert Häsemeyer, ebenfalls unter Hinweis auf das Erfordernis eines Haftungsgleichgewichtes, im Bereich der Durchsetzungsschäden eine verschuldensunabhängige Risikohaftung der Parteien36 . Auch der BGH spricht in einer neuen Entscheidung zur Vollstreckungshaftung37 das Prinzip des Haftungsgleichgewichts zwischen Vollstreckungsgläubiger und einem Drittberechtigten an. Dabei geht es aber zum einen ausschließlich um die Risikozuweisung bezüglich des Vollstreckungsgegenstandes selbst und nicht um verfahrensfremde Rechtsgüter. Zum anderen dient dieses Argument lediglich der Ablehnung einer analogen Anwendung der verschuldensunabhängigen Gläubigerhaftung auf die aus einem einstweiligen Einstellungsbeschluß nach § 771 Abs. 3 ZPO begünstigte Partei. Im Rahmen einer solchen, für eine Analogie stets gebotenen Interessenbewertung, ist es durchaus sachgerecht, die entsprechende Haftung des Vollstreckungsgläubigers vergleichend heranzuziehen. Letztlich schließt der BGH eine Übertragung des den §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO zugrunde liegenden Rechtsgedankens zu Recht deshalb aus, weil eine verschuldensunabhängige Haftung des Drittberechtigten den von § 771 ZPO intendierten Interessenausgleich zwischen VollstrekHäsemeyer, Schadenshaftung, S. 144 Häsemeyer, NJW 1986,1028 f 37 BGH NJW 1985,1959,1960; siehe zu dieser Entscheidung oben § 1 B III 1 a und die Urteilsbesprechung von Häsemeyer, NJW 1986,1028 35
36
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§ 6 Vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung als Haftungsgrenze
kungsgläubiger und Drittberechtigtem konterkariert. Das Erfordernis des Haftungsgleichgewichts basiert hier also auf dem Prinzip der Formalisierung der Zwangsvollstreckung. Die fehlende Prüfung der materiellen Rechtslage beim Vollstreckungszugriff muß durch einen gleichwertigen Rechtsschutz des betroffenen Drittberechtigten kompensiert werden. Diese spezifisch vollstrekkungsrechtliche Erwägung rechtfertigt hingegen nicht den Ausschluß des deliktischen Rechtsgüterschutzes in sonstigen Fällen verfahrensbedingter Folgeschäden einer Prozeßpartei.
c. Die zivilrechtliche Haftung anderer Prozeßbeteiligter Die vielfach postulierte Haftungslimitierung der Prozeßpartei für schädigende Verfahrenshandlungen findet ihre Parallele in der Haftung von am Verfahren nicht unmittelbar beteiligten Dritten, insbesondere Zeugen und gerichtlichen Sachverständigen, für die die Rechtsprechung ebenfalls zu einer weitgehenden Haftungsfreistellung tendiert.
J. Die Sachverständigenhaftung Bei der Haftung Dritter für ein fehlerhaftes Urteil oder dessen schädigenden Folgewirkungen liegt das Hauptaugenmerk auf dem in Literatur und Rechtsprechung vehement diskutierten Regreß des gerichtlichen Sachverständigen, der durch eine fahrlässig 38 fehlerhafte Begutachtung eine Verurteilung herbeiführt und dadurch der unterlegenen Partei oft nicht unerheblichen Schaden zufügt. Die entsprechende Haftung des unvereidigt falschaussagenden Zeugen, die in Literatur und Rechtsprechung, wenn überhaupt, nur ganz beiläufig im Zusammenhang mit der Problematik der Sachverständigenhaftung angesprochen wird39 , kann auch hier vernachlässigt werden. Denn die grundsätzliche Frage, inwieweit der fahrlässig handelnde Zeuge nach allgemeinem Deliktsrecht oder lediglich unter den Voraussetzungen des § 826 BGB verantwortlich ist, muß in gleicher Weise wie für den Bereich der Sachverständigenhaftung beantwortet werden. Auf Grund der differenzierten prozessualen Stellung von Zeugen und Sachverständigen kommt dann allenfalls, soweit man eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB nicht generell aus38 Kein Streit besteht über die Haftung von Sachverständigen und Zeugen dann, wenn eine strafbare Falschaussage nach den §§ 153, 154, 155, 156 und 163 StGB vorliegt; die Haftung folgt dann aus § 823 Abs. 2 BGB, da den entsprechenden Straftatbeständen allgemein Schutzgesetzcharakter beigemessen wird, ausführlich Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 121 ff m.w.N. 39 ausführlich jedoch Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 136, 223 ff, der eine Privilegierung der Zeugenhaftung gegenüber der Sachverständigenhaftung in Anlehnung an § 839 Abs. 2 BGB befürwortet; aus der Rspr. OLG Hamm, MDR 1950, 221; OLG Celle, NJW 1960, 387
C. Die zivilrechtliche Haftung anderer Prozeßbeteiligter
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schließt, eine Privilegierung der deliktischen Sorgfaltsanforderungen des Zeugen in Betracht40 . Die Folgen eines objektiv unrichtigen Gutachtens sind keineswegs auf den reinen Verurteilungsschaden begrenzt; vielmehr sind nicht selten darüber hinausgehende Einwirkungen auf den Lebensbereich des Betroffenen zu beobachten 41 . Dieser Problem komplex berührt ebenso wie die Haftung der Prozeßpartei selbst die Grundsatzfrage, inwieweit der Bereich des staatlichen Rechtsschutzes von einer materiell-rechtlichen Haftung freizuhalten ist42 . 1. Die Judikatur des HGH
Der BGH schließt bei der Beantwortung dieser Frage nahtlos an seine Rechtsprechung zur Haftung für schädigendes Parteiverhalten an, ohne allerdings diese Querverbindung beider Fallgruppen bewußt herzustellen. In einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 197343, die an zwei frühere Entscheidungen 44 anknüpft, lehnt der BGH jegliche deliktische Haftung des lediglich fahrlässig handelnden gerichtlichen Sachverständigen ab. Lag der Begründungsschwerpunkt der beiden früheren Entscheidungen in der Verneinung der Schutzgesetzeigenschaft der §§ 410 ZPO, 79 Abs. 2 StP045, die die Pflicht des Sachverständigen zur Erstattung seines Gutachtens nach bestem Wissen und Gewissen statuieren, wird nunmehr eine Haftung auch aus § 823 Abs. 1 BGB bei der Verletzung absoluter Rechtsgüter ausdrücklich ausgeschlossen und auf vorsätzlich-sittenwidriges Fehlverhalten nach § 826 BGB beschränkt46 • Argumentativ stützt der BGH diese Ansicht auf drei Aspekte 46 : Die Stellung des Sachverständigen als Gehilfe des Richters erfordere den Schutz seiner Unabhängigkeit und verbiete daher ein so weitgehendes Haftungsrisiko. Daneben bestehe bei einer Haftung für jede fahrlässige Pflichtverletzung die Gefahr eines Wideraufrollens des Verfahrens. Schließlich handele der Sachverständige in Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht, hinter der die privatrechtlichen Belange des Geschädigten zurückstehen müßten.
so OLG Hamm, MDR 1950, 221 BGHZ 62, 64 hatte über die Folgen eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu befinden, auf Grund dessen der Betroffene mehrere Monate in eine geschlossene Anstalt verbracht wurde; in BGH JZ 1978, 102 machte die Betroffene die Verletzung ihrer Ehre und ihres Persönlichkeitsrechtes aus dem Bekanntwerden eines unrichtigen graphologischen Gutachtens geltend 42 Damm, Reinhard: Die zivilrechtliche Haftung des gerichtlichen Sachverständigen - BGHZ 62, 54, in: JuS 1976, 360 43 BGHZ 62, 54 = BGH NJW 1974, 312 = BGH JZ 1974, 548 m.Anm. Hopt 44 BGHZ 42, 313; BGH NJW 1968, 436 45 BGHZ 42,313,317; BGH NJW 1965, 298; 1968,787,788 46 BGHZ 62, 54, 56 40 41
11"
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§ 6 Vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung als Haftungsgrenze
2. Ablehnung einer völligen HaftungsfreisteUung
a) Die Stimmen der Literatur und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes
Während die ersten Entscheidungen des BGH zur Sachverständigenhaftung47 trotz der wenig einleuchtenden Ungleichbehandlung des vereidigten und unvereidigten Sachverständigen breite Zustimmung fanden 48 und der damals herrschenden Meinung entsprachen49 , hat die völlige Haftungsfreistellung des Sachverständigen auch für die Verletzung absoluter Rechtsgüter in dogmatischer und rechtspoliticher Hinsicht massive Kritik erfahrenso. Dieser Kritik hat sich schließlich auch das BundesverfassungsgerichtS! angeschlossen und die Entscheidung insoweit aufgehoben, als der BGH eine Haftung auch für grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen hat. Das Bundesverfassungsgericht sah darin nicht nur eine Überschreitung der Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, sondern insbesondere eine Verletzung des Grundrechtes aus Art. 2 Abs. 2 GGS2. b) Eigene Stellungnahme
Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes zu den Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung im Deliktsrecht können keinesfalls auf die im Weigand-Falls3 betroffene, auch verfassungsrechtlich geschützte Unverletzlichkeit der persönlichen Freiheit beschränkt werden. Das Deliktsrecht statuiert einen umfassenden Rechtsgüterschutz. Die Ausgestaltung als Jedermann-Haftung schließt es daher aus, die Rechtsstellung des Geschädigten zu verschlechtern BGHZ 42,313; BGH NJW 1965, 298; 1968, 787 Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 131 unter bb, m.w.N. auf die Kommentarliteratur; aus heutiger Sicht Jessnitzer, Kurt: Der gerichtliche Sachverständige, 1980, S. 314; BaumbachILauterbachiHartmann, Übers. § 402, Anm. 3 B; Rosenbergl Schwab, § 123 V 5; Thomas/Putzo, Vorb. § 402, Anm. 4 49 LG Stuttgart, NJW 1954, 1411; OLG Celle, NJW 1960, 387; OLG Köln, NJW 1962, 1773; Weimar, Wilhelm: Haftung des Sachverständigen bei fehlerhaften Gutachten, in: VersR 1955, 263; a.A. LG Ansbach, NJW 1956, 1205; OLG Hamm, MDR 1950,221 50 Arndt, Herbert: Anmerkung zu BGHZ 62,54, in: DRiZ 1974,185; Blomeyer, A., Erkenntnisverfahren, 1974, S. 214; Damm, JuS 1976,359; Hellmer, Joachim: Anmerkung zu BGH NJW 1974, 312, in: NJW 1974, 556; Hopt, Klaus: Anmerkung zu BGH JZ 1974, 548, in: JZ 1974, 551; Rasehorn, Theo: Zur Haftung für fehlerhafte Sachverständigengutachten, in: NJW 1974, 1172; Schneider, Egon: Haftungsausschluß für falsche Gutachten gerichtlicher Sachverständiger, in: JurBüro 1975, 434; Speckmann, Werner: Haftungsfreiheit für gerichtliche Sachverständige auf Kosten des Geschädigten, in: MDR 1975, 461 51 BVerfGE 49,304 = NJW 1979, 305 52 BVerfG NJW 1979, 305, 306; kritisch hierzu Anmerkung Starck, Christian, in: JZ 1979,60 53 BGHZ 62, 54 47
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C. Die zivilrechtliche Haftung anderer Prozeßbeteiligter
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und die Haftung für einzelne Personenkreise gänzlich auszuschließen 54 • Die vom BGH hierfür aufgestellten Thesen überzeugen nicht. Dem Sachverständigen kommt zwar in einer zunehmend technisierten Welt mit fortschreitender Komplexität der Beweisfragen nicht nur die Stellung als Gehilfe des Richters, sondern häufig gar die eines judex facti zu, dessen Gutachten der Richter fachlich nicht überprüfen kann55 • Gleichwohl sind die Aufgaben des Sachverständigen funktionell von spruchrichterlicher Tätigkeit zu unterscheiden 56. Die im Hinblick auf ein ordnungsgemäßes Funktionieren der Rechtspflege postulierte Haftungsfreizeichnung des Sachverständigen zum Schutze seiner inneren Unabhängigkeit läßt sich daher nicht auf eine entsprechende Heranziehung des Spruchrichterprivilegs nach § 839 Abs. 2 BGB stützen. Abgesehen davon, daß der Verlust der inneren Unabhängigkeit durch mögliche Regreßansprüche der Beteiligten sozial wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist57 , fehlt es im übrigen bezüglich des Sachverständigen an den vom Gesetz intendierten Unabhängigkeitsgarantien für die richterliche Tätigkeit, die mit dem Spruchrichterprivileg korrespondieren 58 • Rasehorn 59 weist darüber hinaus zu Recht darauf hin, daß der Sachverständige im Gegensatz zum Richter eine Übernahme der Tätigkeit wegen fehlender Sachkunde oder unter Vorschützen von Arbeitsüberlastung ablehnen kann. Auch wenn man, wie dies Häsemeyer fIJ jüngst fordert, den alleinigen Zweck des Spruchrichterprivilegs in der Sicherung der Bestandskraft richterlicher Entscheidungen sieht61 , kommt eine völlige Haftungsfreizeichnung des gerichtlichen Sachverständigen nicht in Betracht. Häsemeyer, der im übrigen die Haftung Dritter nicht der von ihm für das Verhältnis der Prozeßparteien entwickelten Sonderhaftung, sondern dem allgemeinen Vertrags- und Delikts54 BVerfG NJW 1979, 306; zu weitgehend allerdings Wasner, Gerd: Die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen, in: NJW 1986, 119, der auch reine Vermögensschäden über § 823 Abs. 1 BGB erfassen will, da insoweit der Schutzbereich des Art. 14 GG tangiert sei 55 Franzki, Harald: Die Reform des Sachverständigenbeweises in Zivilsachen, in: DRiZ 1976, 97; zur gewandelten Rolle des Sachverständigen auch ausführlich Pieper in Pieper, HelmutIBreuning, Leonie/Stahlmann, Günther: Sachverständige im Zivilprozeß, 1982, S. 36 f 56 Hopt, JZ 1974, 552; Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 226 f; im Grundsatz auch Pieper, S. 46 ff, der jedoch im Hinblick auf die Entscheidungserheblichkeit der gutachterlichen Feststellungen de lege ferenda eine Staatshaftung bevorzugt 57 Hopt, JZ 1974, 553; Damm, JuS 1976, 361 Fn. 25 58 Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 226; Damm, JuS 1976,361 59 Rasehorn, NJW 1974, 1173 60 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 159 61 nach heute h.M. liegt der primäre Zweck des Richterprivilegs in der Sicherung des Rechtsfriedens, dient jedoch daneben auch der richterlichen Unabhängigkeit, BGHZ 50, 14, 19; 57, 33, 45; RGRKlSchäfer, § 839 Rn. 514; MünchKommIPapier, § 839 Rn. 277 f; Soergel/Glaser, § 839 Rn. 217; Staudinger/Schäfer, § 839 Rn. 424; Leipold, Dieter: Anmerkung zu BGH JZ 1968, 463, in: JZ 1968,737,739; B1omeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 92 ff
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§ 6 Vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung als Haftungsgrenze
recht zuordnet 62 , postuliert eine umfassende, über die inter-partes Wirkung der Rechtskraft hinausgehende Sicherung der Verbindlichkeit einer Entscheidung, die eine Haftung Dritter nur dann zulassen soll, wenn diese Entscheidung auf Grund des Fehlverhaltens des Dritten keinen Bestand hat63 • Dies führt im Ergebnis ebenfalls zu einer Haftungslimitierung für vorsätzlich-sittenwidriges Fehlverhalten. Unverständlich bleibt freilich, warum die umfassend verstandene Sicherung des Rechtsfriedens nichts mit den subjektiven und objektiven Grenzen der Rechtskraft zu tun haben soll64. Das Erfordernis von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit hat gerade in dem prozessualen Regelungsinstrument der formellen und materiellen Rechtskraft seinen Niederschlag gefunden. Eine Haftungsbeschränkung des Sachverständigen im Hinblick auf die Bestandskraft der richterlichen Endentscheidung ließe sich daher allenfalls durch eine Erweiterung der subjektiven Grenzen der Rechtskraft erreichen65, für die sich jedoch im Gesetz keine Stütze findet 66 • Eine solche Betrachtungsweise würde im übrigen zu nicht sachgerechten Haftungsdivergenzen je nach Art der richterlichen Entscheidung, in die das Gutachten des Sachverständigen einfließt, führen. Die Sorglosigkeit des Sachverständigen bliebe in erhöhtem Maße sanktionslos, wenn das Gutachten der Vorbereitung einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung zu dienen bestimmt wäre. Durch eine Verknüpfung der Haftung Dritter mit der Bestandskraft der richterlichen Entscheidung ließe sich zwar der vom BGH akzentuierten Gefahr einer Wiederaufrollung des Verfahrens nach dessen rechtskräftigen Abschlusses erfolgreich begegnen. Eine nochmalige Entscheidungsfindung über einen identischen Streitstoff im Rahmen eines Sekundärprozesses ist jedoch, worauf oben schon hingewiesen wurde67 , kein Spezifikum der Sachverständigen- oder Zeugenhaftung68 . Insbesondere die von zunehmend strengeren Sorgfaltspflichten geprägte Anwalts- und Notarhaftung, die von einer Haftungsfreistellung weit entfernt ist69 , zeigt deutlich, inwieweit das Kriterium der Rechtssicherheit ein flexibles Instrument zur Erreichung rechtspolitisch erwünschter Ziele darstellt7o • Der Regreß des Mandanten gegen seinen Prozeßbevollmächtigten wegen schlechter Prozeßführung läßt sich dabei auch keineswegs als Ausnahme abtun, die die Bestandskraft der Entscheidung zwiHäsemeyer, Schadenshaftung, S. 157 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 160 64 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 159 65 Hopt, Schadensersatz, S. 296; ders., IZ 1974, 553 66 ausführlich Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 210 ff 67 siehe oben § 3 B III 2 a 68 Hopt, IZ 1974, 553; Schneider, IurBüro 1976, 435 69 zu den strengen Sorgfaltspflichten des Rechtsanwaltes Soergel/Wolf, § 276 Rn. 173 ff 70 Hellmer, NIW 1974, 557, hält gerade aus Gründen der Rechtssicherheit eine soziale Kontrolle der Macht des Sachverständigen für erforderlich 62
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c. Die zivilrechtliche Haftung anderer Prozeßbeteiligter
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schen den Prozeßparteien nicht berühre7l • Denn auch im Regreßprozeß wird der Sachstreit des Erstverfahrens wieder aufgerollt, mit der Konsequenz, daß die unterlegene Partei sich bei einem am Rechtsstreit Unbeteiligten schadlos halten kann. Schließlich ist auch der Hinweis auf die Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten bei der gutachterlichen Tätigkeit ein höchst fragwürdiges Argument für eine Haftungsfreizeichnung. Nicht nur, daß sich der Sachverständige allzu leicht von diesen Pflichten lösen kannn . Hinzu kommt, daß viele Sachverständige, etwa im Bereich der Kraftfahrzeugtechnik und des Bauwesens, die gerichtliche Gutachtertätigkeit zu ihrem Beruf machen und ein Haftungsrisiko daher ebenso wie in anderen Berufszweigen in zumutbarer Weise versicherbar ist 73 • 3. PartieUe Haftungsbeschränkung
Das Interesse an einer geordneten Rechtspflege gebietet es somit nicht, den zivilprozessualen Bereich durch einen völligen Ausschluß der allgemeinen Deliktshaftung zu einem Freigelände für sorglose Gutachter74 auszugestalten. Gerade die schwerwiegenden Folgen, die ein fehlerhaftes Gutachten für die Rechtsstellung des Betroffenen zeitigt, erfordert erhöhte Sorgfaltsanforderungen an das Verhalten des Sachverständigen und schließt die von der Judikatur des BGH im Ergebnis erreichte Rechtlosstellung des Geschädigten aus. Erwägenswert erscheint allein die von der Kommission für das Zivilprozeßrecht vorgeschlagene Haftungsbeschränkung auf grob fahrlässiges Verhalten des Sachverständigen, die durch Einfügung eines § 839 a BGB verwirklicht werden sollte75 • Ob eine solche Haftungslimitierung, für die die Kommission bemerkenswerterweise vollständig die Argumentation des BGH heranzieht, de lege ferenda wünschenswert ist und der materiellen Gerechtigkeit entspricht, mag hier dahinstehen. Solange jedenfalls der Gesetzgeber selbst eine solche Entscheidung nicht getroffen hat, ist auch eine Haftungsfreizeichnung für leicht fahrlässiges Fehlverhalten nicht unbedenklich76 • Zum einen bleibt dadurch die Diskrepanz zur Haftung des vereidigten Sachverständigen aufrecht erhalten, der auch für leichte Fahrlässigkeit und damit unbeschränkt haftet. Zum anderen entsteht ein Haftungsprivileg, das anderen Prozeßbeteiligten nicht zukommt. Hier ist nicht nur die Haftung des Anwalts zu nennen, der als Organ der Rechtspflege ebenfalls in Erfüllung einer staatsbürgerlichen Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 160,165 Rasehorn, NJW 1974,1172 13 Amdt, DRiZ 1974, 185; Hopt, JZ 1974, 553; Franzki, DRiZ 1976, 100 f; Schneider, JurBüro 1976, 435; Wasner, NJW 1986, 120 74 BVerfG NJW 1979, 305 75 siehe zu den Vorschlägen der Komission ausführlich Franzki, DRiZ 1976, 97 ff, 101 76 so wohl auch Pieper, S. 46 11
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§ 6 Vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung als Haftungsgrenze
Pflicht handelt - man denke nur an den Fall der Pflichtverteidigung (§ 140 StPO) oder die Beiordnung im Prozeßkostenhilfeverfahren (§§ 114 ff ZPO) -, sondern auch die Haftung aus der Wahrnehmung richterlicher Aufgaben. Die Haftungsbegrenzung des § 839 Abs. 2 BGB besteht nämlich ausschließlich für den Bereich spruchrichterlicher Tätigkeit, also für Urteile und diesen gleichstehende rechtskraftfähige Entscheidungen. Außerhalb dieses Kernbereiches haftet der Richter oder Rechtspfleger jedoch auch für leichte Fahrlässigkeit. Für den Zeugen hingegen ist eine solche partielle Haftungsbeschränkung auf Fälle grob fahrlässiger Wahrheitspflichtverletzung angezeigt. Die Stellung des Zeugen im Zivilrechtsstreit unterscheidet sich, wie oben schon angedeutet, deutlich von der des gerichtlichen Sachverständigen: Anders als dieser erhält er kein Entgelt für seine Aussage, sofern man einmal von der mehr als dürftigen Auslagenentschädigung absieht. Hinzu kommt, daß der Zeuge zumeist auf Grund zufälliger Wahrnehmungen, häufig sogar gegen seinen Willen mit der Prozeßsituation konfrontiert wird. Der Zeuge wird, wie das der BGH für den Sachverständigen ausführt, in der Tat in Erfüllung einer jedermann obliegenden staatsbürgerlichen Pflicht tätig. Er übernimmt daher unfreiwillig ein Haftungsrisiko, gegen das er sich in keiner Weise absichern kann. Dennoch sollte die Haftung nicht, auch nicht in Anlehnung an die Regelung des § 839 Abs. 2 BGB77 oder im Wege einer Rechtskrafterstreckung78 , völlig ausgeschlossen werden. Dem, auch im Interesse einer geordneten Rechtspflege erforderlichen Schutz des Zeugen ist ausreichend Genüge getan, wenn die persönliche Verantwortung des Zeugen gegenüber den Parteien des Zivilprozesses auf solche Wahrheitspflichtverletzungen beschränkt ist, die ein ungewöhnlich großes Maß erreichen.
u. Konsequenzen für die Haftung der Prozeßparteien Die Judikatur des BGH zur Sachverständigenhaftung, die im übrigen trotz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts79 keinesfalls als überholt gelten kannBO , zeigt abschließend die Tendenz der Rechtsprechung, den zivilprozessualen Raum von jeglicher materiell-rechtlichen Haftung freizustellen. Hopt spricht hier daher völlig zu Recht von einem Teil einer einheitlichen so Blomeyer, J., Schadensersatzansprüche, S. 223 Hopt, Schadensersatz, S. 294 ff; in der Sache ebenso Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 167 ff 79 BVerfG NJW 1979, 305 80 Eine Haftung des unvereidigten Sachverständigen für fahrlässiges Fehlverhalten schließen nach wie vor aus BambachlLauterbachIHartmann, Übers. § 402 Anm. 3 B; Rosenberg/Schwab, § 124 IV 3 e; ThomaslPutzo, Vorb. § 402 Anm. 4; offengelassen Jessnitzer, S. 313 TI
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D. Der Gedanke der SoziaIadäquanz
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Rechtsprechung81 . Auffallend ist dabei, daß der BGH sich sowohl im Bereich der Haftung der Parteien als auch im Bereich der Sachverständigenhaftung nicht um eine dogmatische Lösung der Problematik bemüht und eine Subsumtion unter die Kriterien der allgemeinen Deliktshaftung unternimmt. Vielmehr akzentuiert er in beiden Fallgruppen mit dem Ziel einer rechtspolitisch erwünschten Haftungsfreistellung sogenannte Alltagstheorien, die er weder sozialwissenschaftlich noch rechtstatsächlich erforscht und belegt. Das gilt für das bei der Haftung der Prozeßparteien ins Feld geführte Verdikt gegen die Verkümmerung des Rechtsschutzes in gleicher Weise wie für den intendierten Schutz der Rechtssicherheit und der inneren Unabhängigkeit des Sachverständigen. Die Ausführungen des BVerfG79 zeigen deutlich, daß der BGH hierdurch die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreitet und die Deliktshaftung in einer Weise einschränkt, die sie ihrer Funktion nicht gerecht werden läßt. Die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen bestätigt somit das oben schon aufgezeigte Ergebnis: Die allgemeine Deliktshaftung wird nicht dadurch verdrängt, daß ein schädigendes Fehlverhalten in den Bereich eines gerichtlichen Verfahrens hineinreicht. Eine Schädigungshandlung ist inner- und außerprozessual gleichermaßen nach deliktsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. D. Der Gedanke der SoziaIadäquanz J. Die Lehre von der sozialen Adäquanz
Der Begriff der Sozialadäquanz wurde, zunächst beschränkt auf den Bereich der Strafrechtswissenschaften, Ende der dreißiger Jahre von Welzel 82 entwickelt. Ausgangspunkt seiner Lehre war eine funktionale Betrachtungsweise, die das zu schützende Rechtsgut nicht isoliert im sozialen Lebensraum, sondern ausschließlich in seiner Funktion für ein sittlich-geordnetes Gemeinschaftsleben einordnete. Rechtsgüterschutz sollte daher nach der Auffassung Welzels erst dort beginnen, wo das Maß der in einem geordneten Gemeinschaftsleben als notwendig vorauszusetzenden Beeinträchtigungen überschritten sei. Damit schied Welzel "alle Handlungen für den Unrechtsbegriff aus, die sich funktionell innerhalb der geschichtlich gewordenen Ordnung des Gemeinschaftslebens eines Volkes bewegen"83. Sozialadäquate Handlungen waren somit definiert als solche "Beeinträchtigungen, die sich völlig im Rahmen der normalen, geschichtlich gewordenen sozialethischen Ordnung des Gemeinschaftslebens bewegen und von ihr gestattet werden"84. Hopt, JZ 1974, 554 Welzel, Hans: Studien zum System des Strafrechts, in: ZfStW 58, 514 ff; ders.: Das deutsche Strafrecht, 1. Aufl., 1940, S. 33 ff 83 Welzel, ZfStW 58, 516 84 Welzel, Das deutsche Strafrecht, 7. Aufl., 1960,76; ders., ZfStW 58, 517 81
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§ 6 Vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung als Haftungsgrenze
Während Welzel ursprünglich schon die Tatbestandsmäßigkeit eines sozialgerechten Verhaltens ausschloßs5, sah er später in der sozialen Adäquanz einen gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtfertigungsgrund86 • Unter dem Einfluß seines Schülers Hirsch s7 modifizierte er seine Auffassung schließlich noch einmal88 : Die Sozialadäquanz sei ein allgemeines Prinzip, das der Erfassung und Auslegung zu weit gefaßter Tatbestände diene. Der Rechtsgedanke der Sozialadäquanz hat schließlich auch im Zivilrecht Anklang gefunden. Hier war es zuerst NipperdeyS9, der die Lehre Welzels in das zivilrechtliche Haftungssystem transponierte. Der modifizierenden Einordnung Welzels folgend erkannte Nipperdey das sozialgerechte Verhalten als Rechtfertigungsgrund im Zivilrecht an90 • Ein sozial adäquates Verhalten schließe eine Haftung aus unerlaubter Handlung mangels Rechtswidrigkeit aus91 . Im Hinblick auf die fehlende Bestimmtheit des Kriteriums der sozialen Adäquanz, seine nur geringe Problemlösungsfähigkeit und nicht zuletzt wegen der Unsicherheit über seine Einordnung im System von Tatbestand und Rechtswidrigkeit hat die Sozialadäquanz in der Zivilrechtsdoktrin überwiegend Kritik erfahren92 und ist nicht in das Haftungsrecht übernommen worden. Im Bereich des Arbeitskampfrechtes hat sich allerdings die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lange Zeit an der Konzeption Nipperdeys orientiert. Danach stellt zwar ein Streik der Arbeitnehmer grundSätzlich einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des bestreikten Unternehmens dar und erfüllt damit den Tatbestand einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 823 BGB93. Der von einer Gewerkschaft organisierte und Welzel, ZfStW 58,516 f; ders., Das deutsche Strafrecht, 1. Aufl., 1940, 33 ff Welzel, Das deutsche Strafrecht, 6. Aufl., 1958, S. 73 f, 112 ff; siehe zu dieser Entwicklung Hirsch, Hans: Soziale Adäquanz und Unrechtslehre, in: ZfStW 74, 78 f; Deutsch, (I), S. 243 f; ders., Festschrift für Welzel, S. 238 f 87 Hirsch, Hans: Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, 1960, passim; ders., ZfStW 74,78 f 88 Welzel, Das deutsche Strafrecht, 7. Aufl., 1960,76 89 Nipperdey, Hans earl: Die Ersatzansprüche für die Schäden, die durch den von den Gewerkschaften gegen das geplante Betriebsverfassungsgesetz geführten Zeitungsstreik vom 27.-29.5. 1952 entstanden sind. Rechtsgutachten, 1953, S. 39 f; Enneccerus, LudwiglNipperdey, Hans earl: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 14. Aufl., § 209 11; Nipperdey, Hans earl: Rechtswidrigkeit, Sozialadäquanz, Fahrlässigkeit, Schuld im Zivilrecht, in: NJW 1957, 1777, ders.: Tatbestandsaufbau und Systematik der deliktischen Grundtatbestände, in: NJW 1967, 1985 90 Nipperdey, NJW 1957, 1779 Fn. 9, wo er seine frühere Auffassung von einem Ausschluß der Tatbestandsmäßigkeit ausdrücklich aufgibt; siehe auch EnnecceruslNipperdey, 15. Aufl., § 209 V 91 Nipperdey, NJW 1957, 1779 92 Deutsch, (I), S. 243 ff; Enneccerus/Lehmann, § 231 III 6; Esser/Schmidt, (I), Teilband 2, § 25 IV 1.2.1.; Fikentscher, Schuldrecht § 97 V; Münzberg, Wolfgang: Verhalten und Erfolg als Grundlage der Rechtswidrigkeit und Haftung, 1966, S. 272 Fn. 532; SoergellSchmidt, § 276 Rn. 19 ff; Wiethöiter, Der Rechtfertigungsgrund, S. 56 f; ders., KritJ 1972, 132; zustimmend außer Nipperdey auch Wieacker, Franz: Rechtswidrigkeit und Fahrlässigkeit im Bürgerlichen Recht, in: JZ 1957, 535 85
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D. Der Gedanke der Sozialadäquanz
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von den Arbeitnehmern durchgeführte Streik um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sei jedoch sozialadäquat und mithin nicht rechtswidrig94 . In der Folgezeit wird jedoch das Kriterium der Sozialadäquanz durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit substituiert95 und auch sprachlich stufenweise abgebaut96 . Auch der BGH spricht in der schon mehrfach zitierten Entscheidung zum verkehrsrichtigen Verhalten97 den Gedanken der Sozialadäquanz an. Er läßt es freilich dahinstehen, ob der Ausschluß der Rechtswidrigkeit im Hinblick auf das verkehrsgerechte Verhalten des Schädigers einen Anwendungsfall der Lehre Welzels darstelle, wenngleich er sich der Parallele zweifellos bewußt war98 • 11. Auswirkungen und Wert der Sozialadäquanz Den Hauptanwendungsfall der Sozialadäquanzlehre stellen die geringfügigen Einschränkungen der Persönlichkeit, der Freiheit oder des Eigentums dar, die gemeinhin mit dem Satz minima non curat praetor bezeichnet werden99 • Hierunter fallen etwa Beeinträchtigungen der Bewegungsfreiheit im Verkehrsgedränge oder bei der Benutzung öffentlicher Massenverkehrsmittel, die von den Betroffenen überhaupt nicht als Eingriff in die eigene Rechtssphäre empfunden werden. Relevanz gewinnt die Sozialadäquanz darüber hinaus beim ärztlichen Heileingriff und bei der Haftung für regelgerechte Sportverletzungen lOO • In diesen Fällen wird es jedoch zumeist eines Rückgriffes auf die Lehre von der Sozialadäquanz nicht bedürfen, da mit den Instituten der Einwilligung und des HandeIns auf eigene Gefahr sachgerechte Ergebnisse zu erzielen sind. Trotz genereller Bedenken an dessen Effizienz101 überträgt Deutsch unter Berufung auf Siebert 102 den Gedanken der Sozialadäquanz auf die Fälle der Einleitung eines mit rechtsstaatlichen Garantien ausgerüsteten Verfahrens l03 . 93 BAGE 2, 75, 76 = AP Nr. 2 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAGE 15, 211, 215 = AP Nr. 34 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAGE 1, 291, 300 = AP Nr. 1 zu Art. 9 GG Arbeitskampf 94 BAG NJW 1955, 882, 884 95 BAGE 23, 292 96 Seiter, Hugo: Streikrecht und Aussperrungsrecht, 1975, S. 451 97 BGHZ 24, 21 98 Deutsch, (11), S. 242; nach Auffassung Nipperdeys, NJW 1957, 1777, hat der BGH eindeutig den Gedanken der Sozialadäquanz angewandt; ebenso Wieacker, JZ 1957,535 99 Deutsch, Haftungsrecht, S. 231; ders., (11), S. 240 100 Deutsch, Haftungsrecht, S. 231; Esser/Schmidt, (I), Teilbd.2, § 25 IV 1.2.1.; Fikentscher, Schuldrecht, § 97 V 101 Deutsch, (I), S. 249 f 102 Soergel/Siebert, 9. Aufl., § 227 Rn. 9 103 Deutsch, Haftungsrecht, S. 231; ders., (11), S. 241; ihm folgend Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 143
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§ 6 Vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung als Haftungsgrenze
Danach handele es sich bei der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ebenso wie bei regelgerecht herbeigeführten Sportverletzungen oder dem Bereich der harmlosen Handlungen um ein sozialnormales, verkehrsübliches Verhalten, das die tatbestandsmäßige oder jedenfalls rechtswidrige Beeinträchtigung fremder Rechtsgüter ausschließt. Es kann daher festgestellt werden, daß Deutsch durch die Anwendung dieses Gedankens die Haftung ebenfalls auf vorsätzlich-sittenwidriges Verhalten im Sinne von § 826 BGB einschränkt, da nur prozeßzweckfremdes, rechtsmißbräuchliches Gebrauchmachen eines staatlichen Verfahrens aus dem Bereich der Verkehrsüblichkeit, der Sozialnormalität, herausfällt. Es ist zwar durchaus zutreffend, daß vor dem Hintergrund des Selbsthilfeverbotes die Einleitung gerichtlicher Schritte zur Durchsetzung der eigenen Rechtsposition erforderlich ist und dabei auch der Angriff auf den Gegner als streitimmanent bezeichnet werden kann 104 • Mit der Verfahrenseinleitung einhergehende Verletzungen des Gegners, wie etwa Rufschädigungen oder Beleidigungen, sind jedoch keineswegs sozial-normal und streitinhärent. Allein die grundsätzliche Gestattung einer Verhaltensweise durch die Rechtsordnung kann nicht zu einer völligen Subsidiarität des Bestands- und Rechtsgüterschutzes führen. Dafür bietet der Gedanke der sozialen Adäquanz auch in dogmatischer Hinsicht keine Handhabe. Denn letztlich kommt der Sozialadäquanz keine selbständige Relevanz bei der Lösung neu auftauchender Interessenkonflikte zu. Vielmehr handelt es sich dabei nur um eine Breviloquenz der vom geltenden Recht anerkannten Prinzipien der Interessenabwägung und des erlaubten RisikoS 105 • Die Kategorisierung der Verfahrenseinleitung als sozialgerechtes Verhalten setzt gedanklich schon die Vornahme einer Interessenabwägung zwischen prozessualer Handlungsfreiheit und Einzelrechtsgüterschutz zuungunsten des letzteren voraus. Die Anwendung des Kriteriums der Sozialadäquanz verdeckt daher lediglich eine der Sache nach erfolgende Interessenabwägung, die jedoch nicht den von Deutsch und Häsemeyer intendierten apriorischen Ausschluß der allgemeinen Deliktshaftung zur Folge hat. Widersprüchlich sind insoweit die Ausführungen Häsemeyers, der einerseits dem Gedanken der Sozialadäquanz als tragendem Argument einer Haftungsbeschränkung das Wort redet, andererseits jedoch ausdrücklich eine Haftungsreduzierung qua Interessenabwägung ablehnt 106 • Die Lehre von der Sozialadäquanz ist daher kein taugliches Mittel zur sachgerechten Lösung des Konfliktes zwischen prozessualer Handlungsfreiheit und zivilrechtlichem Rechtsgüterschutz. Sie führt eher zu einer Verschleierung der Problematik, indem sie ein gedanklich schon vorausgesetztes, vorprogrammiertes und rechtspolitisch erwünschtes Ergebnis begründet. 104 105
106
Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 143 Münzberg, S. 274 Fn. 536; Nipperdey, NJW 1967,1992 Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 145
§ 7 Kollisionslösung innerhalb der Systematik
des geltenden Haftungsrechts
Nachdem das allgemeine Deliktsrecht für den Bereich schädigender Verfahrenshandlungen weder durch eine Sonderhaftung noch durch die ausschließliche Anwendung des § 826 BGB substituiert wird und auch die bei der Verletzung prozessualer Vorschriften erwogene Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB nur ausnahmsweise eingreift!, stellt sich abschließend die Frage, in welcher Weise der im dreigliedrigen Aufbau der Deliktstatbestände des deutschen Rechts2 verbleibende Grundtatbestand des § 823 Abs. 1 BGB einen sachgerechten Ausgleich zwischen Bestandsschutz einerseits und prozessualer Handlungsfreiheit andererseits herbeizuführen vermag. Dabei soll methodisch zwischen der Tatbestandsmäßigkeit des prozessualen Verhaltens und dessen Zurechnung im Rahmen von Rechtswidrigkeit und Verschulden differenziert werden.
A. Die Tatbestandsmäßigkeit der schädigenden Verfahrenshandlung J. Das Enumerationsprinzip des § 823 Abs. 1 BGB 1. Das Erfordernis einer Rechtsgutsverletzung
Ausgangspunkt einer Subsumtion schädigender Verfahrenshandlungen unter den wichtigsten deliktischen Grundtatbestand ist die grundsätzliche Entscheidung des historischen Gesetzgebers gegen eine deliktische GeneralklauseP. Während das französische 4 , das österreichische5 und das schweizerische6 Recht eine Haftung für jede widerrechtliche und schuldhafte SchadenszufUgung statuieren und auch der deutsche Entwurf eines BGB eine solche Generalklausel vorsah7 , hat sich im deutschen Recht ein kombiniertes System zwischen der Zuordnung subjektiver, absoluter Rechtsgüter und der Aufstellung siehe oben § 4 BIll a bb v. Caemmerer, Wandlungen, S. 66; Deutsch, Haftungsrecht, S. 107 3 v. Caemmerer, Wandlungen, S. 65; Deutsch, Haftungsrecht, S. 106 ff; ders.: Entwicklung und Entwicklungstendenzen der Deliktstatbestände, in: JZ 1963, 385 ff; Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte, S.6; Fikentscher, Schuldrecht, § 97 III 2 d; Larenz, Schuldrecht 11, § 71 I b ; EnnecceruslLehmann, § 229 I 4 Code Civil, Art. 1382, 1383 5 § 1295 ABGB 6 Art. 41 OR 7 § 704 des Entwurfes; Motive 11, 724 ff 1
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§ 7 Kollisionslösung innerhalb des geltenden Haftungsrechts
von Schutzgesetzen durchgesetzt. Die Fixierung bestimmter, deliktisch relevanter Handlungen im Wege des Enumerationsprinzips läßt eine Reihe verfahrensdeterminierter Schädigungen aus dem Netz des deliktischen Integritätsschutzes apriori herausfallen. So sind die Schäden des Architekten und des Bauunternehmers in den obigen Fallbeispielen8 reine Vermögensschäden, die schon tatbestandlich mangels Rechtsgutsverletzung von § 823 Abs. 1 BGB nicht erfaßt werden. Da auch die prozessualen Kostenerstattungsnormen - im unterbrochenen Mahnverfahren überhaupt nicht und im isolierten Beweissicherungsverfahren nur für den Sonderfall der Antragsrücknahme bzw. -zurückweisung - Anwendung finden, erhält der Geschädigte keinen Ausgleich für die Kosten seiner Rechtsverteidigung9 • Hopt sieht in dem Fehlen einer deliktischen Generalklausel bedenkliche Rechtsschutzlücken für den von ihm geprägten Gesamtkomplex der unberechtigten Anschuldigungen begründet 1o. Die entstehenden Lücken sucht er durch die Herausbildung allgemeiner Verhaltensnormen zu schließen ll und verlagert dadurch die Problematik methodisch vollständig auf die Ebene der Rechtswidrigkeit 12 • Dabei übersieht Hopt jedoch, daß die Herausbildung objektiver Verhaltensnormen für den Verfahrensinitiator zunächst logisch vorrangig die Verletzung eines tatbestandlich geschützten Rechtes oder Rechtsgutes voraussetzt 13 • Der Architekt im obigen Beispielfall mag zwar das Mahnverfahren völlig ohne Rechtsgrund, auf Grund schlampiger Buchführung oder sogar gegen den falschen Anspruchsgegner eingeleitet und damit gegen die von Hopt für das Zivilprozeßverfahren statuierten Verhaltensnormen 14 verstoßen haben. Dennoch scheidet eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB aus, solange der beim Gegner eingetretene Schaden nicht über die finanziellen Aufwendungen der Rechtsverteidigung hinausgeht und daher auf einen reinen Vermögensschaden beschränkt bleibt. Die Konzeption Hopts, die das Problem der Tatbestandsmäßigkeit eines deliktischen Verhaltens vollständig durch ein Pflichtengefüge überlagert, schafft einen allgemeinen Haftungstatbestand der unberechtigten Prozeßführung 13 . Eine solche Generalklausel widerspricht nicht nur dem historisch verfestigten deliktsrechtlichen Enumerationssystem, sondern findet auch in den gesetzlichen Wertungen keine Grundlage. Eine Vielzahl verfahrensrechtlicher Kostenvorschriften zeigt nämlich, daß es im deutschen Recht kein allgemeines Kostenerstattungs- und Aufwendungsersatzprinzip zu Lasten des in einer rechtlichen Auseinandersetzung Unterlegenen gibt 15 . Zu Eingangsfälle 2 und 3, oben § 1 A 1 siehe oben § 4 All b \0 Hopt, Schadensersatz, S. 225 ff 11 Hopt, Schadensersatz, S. 243 ff 12 Hopt, Schadensersatz, S. 242 13 StoII, ZfRvgI1972, 210 14 Hopt, Schadensersatz, S. 251 ff 15 Bank, JurBüro 1982, 980
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A. Die Tatbestandsmäßigkeit der schädigenden Verfahrenshandlung
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nennen ist hier in erster Linie die Billigkeitsregelung des § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG, die über Teilbereiche des familienrechtlichen Verfahrens (Sorge-, Umgangsrecht, Hausratsverteilung) hinaus insbesondere in den quantitativ zunehmenden Auseinandersetzungen zwischen Wohnungseigentümern nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) an Bedeutung gewinnt. In diesen Verfahren kommt eine Kostenerstattung ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn das erkennende Gericht dies auf Grund einer Ermessensentscheidung für billig erachtet. Eine ähnliche Vorschrift findet sich für das patentgerichtliche Verfahren in § 36 q PatG. Auch im Verfahren zur Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nach den §§ 114 ff ZPO und im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 19 BRAGO, in denen der Antragsgegner regelmäßig angehört wird und dadurch möglicherweise Aufwendungen tätigt, gibt es keine Kostenerstattung. Lehnt das angerufene Gericht die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ab und führt der Antragsteller aus diesem Grunde das Verfahren nicht weiter, muß der Antragsgegner die Kosten für den von ihm beauftragten Rechtsanwalt selbst tragen (§ 118 Abs. 1 S. 4 ZPO). Dem von Hopt im Ergebnis erreichten deliktischen Vermögensschutz wird allerdings in neuerer Zeit von Teilen der Literatur im Zusammenhang mit den von der Rechtsprechung entwickelten Verkehrspflichten das Wort geredet 16 • Insbesondere Mertens 17 postuliert einen erweiterten deliktischen Vermögensschutz durch die Anerkennung von deliktisch relevanten Verkehrspflichten im Hinblick auf fremde Vermögensinteressen. Bei der Herausbildung von Schutzpflichten durch verallgemeinerungsfähige Haftungselemente akzentuiert Mertens vor allem die Fallgruppe des funktionswidrigen Machtgebrauchs, der auch die Inanspruchnahme eines staatlichen Verfahrens zu unsachlichen Zwecken unterfallen könne 18 • Eine Abkoppelung der Verkehrspflichten von den Rechten und Rechtsgütern des § 823 Abs. 1 BGB und ihre Projektion auf den Verhaltensunrechtstatbestand des Abs. 2 ist jedoch de lege lata abzulehnen 19 • Die Judikatur hat die Verkehrspflichten entwickelt, um den Bestandsschutz der Rechtsgüter des § 823 Abs. 1 BGB vorzuverlagem und auch solche Schadensursachen in seinen Schutzbereich zu integrieren, für die wegen ihrer 16 Bar, Christian von: Verkehrspflichten, 1980, § 811; ders.: Anmerkung zu BGH JZ 1979, 725, in: JZ 1979, 728; Huber, Konrad: Verkehrspflichten zum Schutz fremden Vermögens, in: Festschrift für Ernst von Caemmerer, S. 359; Mertens, Hans- Joachim: Verkehrspflichten und Deliktsrecht, in: VersR 1980, 397 ff; ders.: Deliktsrecht und Sonderprivatrecht - zur Rechtsfortbildung des deliktischen Schutzes von Vermögensinteressen, in: AcP 178 (1978), 227; MünchKommIMertens, § 823 Rn. 469 ff 17 Mertens, AcP 178 (1978), 227; MünchKommIMertens, § 823 Rn. 469 18 Münch/KommIMertens, § 823 Rn. 483 19 h.M.: Canaris, Claus-Wilhelm: Schutzgesetze-Verkehrspflichten-Schutzpflichten, in: Festschrift für Karl Larenz, 1983, S. 77 ff; Larenz, Schuldrecht II, § 72 I d; Picker, AcP 183 (1983), 496; RGRK-Steffen, § 823 Rn. 140; Soergel/Zeuner, § 823 Rn. 4,42, 251; Steffen, Erich: Verkehrspflichten im Spannungsfeld von Bestandsschutz und Handlungsfreiheit, in: VersR 1980,409; StaudingerlSchäfer, § 823 Rn. 320
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§ 7 Kollisionslösung innerhalb des geltenden Haftungsrechts
Entfernung von Handlung und Erfolg eine Unrechtsindizierung nicht in Betracht kommt20 • Ein darüber hinausgehender allgemeiner Vermögensschutz ist mit der Systematik des geltenden Deliktsrechtes unvereinbar und läßt sich auch nicht durch eine Hochstilisierung des Abs. 2 des § 823 zum deliktischen Grundtatbestand begründen 21 • Schließlich führt der Vorschlag Mertens auch in der Sache nicht zu einer Haftungserweiterung. Die Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens zu unsachlichen, d.h. funktionswidrigen Zwecken erfüllt regelmäßig den Tatbestand des § 826 BGB. Soweit der Verfahrensinitiator verfahrensfremde, mit dem Interesse an Rechtsverteidigung und Rechtsverfolgung nicht zusammenhängende Zwecke verfolgt, liegt darin stets ein sittenwidriges Fehlverhalten, das durch § 826 BGB ausreichend sanktioniert wird22 • Die von Hopt konstatierte Lückenhaftigkeit des Rechtsschutzes läßt sich mithin nicht durch die Herausbildung von Verhaltensnormen schließen. Ein weitergehender, partieller Vermögensschutz kann allenfalls durch die von der Judikatur im Wege richterlicher Rechtsfortbildung entwickelten deliktischen Generalklauseln des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes sowie des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes erreicht werden. Darauf wird im folgenden noch einzugehen sein23 . Daneben schließt die allgemein zu wenig beachtete Heranziehung des Vertragsrechtes bestehende Haftungslücken. In den deliktisch nicht relevanten Eingangsbeispielen24 bestehen jeweils zwischen den Parteien vertragliche Beziehungen, die auch durch den Eintritt in das prozessuale Stadium nicht zäsiert werden 25 und Ansprüche aus p VV nahelegen. 2. Haftungsbeschränkungen unter KausaIitätsgesichtspunkten
Während schon durch das deliktsrechtliche Enumerationsprinzip eine gewisse Filterwirkung für verfahrensdeterminierte Schädigungen geschaffen wird, stellt sich darüber hinaus die Frage, ob eine weitergehende Haftungsbegrenzung auf Tatbestandsebene auch dann in Betracht kommt, wenn durch das prozessuale Fehlverhalten ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut tangiert ist. Stoll postuliert eine konkrete Begrenzung des Schutzbereiches dieser Rechte26 im Hinblick darauf, daß der deliktsrechtlich intendierte Integritätsschutz nicht auf einen allgemeinen Schutz vor Ärger, Kummer oder sonstigen Beschwernissen des Lebens gerichtet ist. Daran ist sicher zutreffend, 20
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Fikentscher, Schuldrecht, § 97 IV e B; Steffen, VersR 1980, 409 Picker, AcP 183 (1983),496 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 327; Hopt, Schadensersatz, S. 257; siehe oben § 6 siehe unten § 7 A I 2 Eingangsfälle 2 und 3, siehe oben § 1 A 1 siehe oben § 4 B 11 1 a, aa StoII, ZfRvgl. 1972, 210
A. Die Tatbestandsmäßigkeit der schädigenden Verfahrenshandlung
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daß der Grundsatz des neminem laedere nicht dazu dienen darf, ein allgemeines Lebensrisiko auf Dritte abzuwälzen 27 • Eine solche normative Begrenzung des Schutzbereiches läßt sich jedoch dann nicht mehr erreichen, wenn die mit jedem Verfahren einhergehenden allgemeinen Belastungen der Verfahrensbeteiligten - etwa auf Grund einer besonderen psychischen oder physischen Labilität des Betroffenen28 - sich zu einer tatsächlichen Gesundheitsbeschädigung verdichten oder - regelmäßig für den Bereich der Zwangsvollstreckung - in einer Eigentumsverletzung begründet sind. Die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung wird hingegen unter dem Aspekt des Kausalzusammenhangs diskutiert. Bei der haftungsrechtlichen Zurechnung eines schädigenden Verhaltens wird - trotz kritischer Gegenstimmen 29 - nach wie vor an der Unterscheidung zwischen haftungsbegründender Kausalität, die den Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem eingetretenen Verletzungserfolg beschreibt, und der haftungsausfüllenden Kausalität, die allein den Schadensumfang begrenzen soll, festgehalten30 • Dabei ist zur Vermeidung einer unbegrenzten Erfolgshaftung des Schädigers unter der Geltung des Alles-oder-Nichts-Prinzips des deutschen Haftungsrechtes im Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität eine Einschränkung durch die Adäquanztheorie sowie alternativ3! oder kumulativ32 durch die Lehre vom Schutzzweck der Norm entwickelt worden. Während Hopt dem adäquaten Kausalzusammenhang für verfahrensbedingte Schäden eine haftungsdifferenzierende Funktion generell absprichP3, befürworten Belke 34 unter Hinweis auf die Unterbrechung des Kausalzusammenhanges durch eine richterliche Entscheidung und die Lehre vom Schutzzweck der Norm sowie Stoll unter vergleichender Heranziehung der Fälle einer lediglich psychisch vermittelten Gesundheitsbeschädigung35 eine kausalitätsbedingte Haftungsbegrenzung. Auch der BGH spricht in der Bürovorsteherentscheidung36 den Gedanken der Kausalität an, wenngleich dies durch die EsserlSchmidt, (I), § 33; HonselllHarrer, JuS 1985, 161 siehe BGHZ 74, 9; siehe oben Eingangsfall4 29 MünchKommJGrunsky, vor § 249 Rn. 39; HonselllHarrer, JuS 1985, 161, Fn. 7 30 Deutsch, Haftungsrecht, S. 140 ff; EsserlSchmidt, (I), § 33; Lange, Hermann, Schadensersatz, 1979, § 3 11; Larenz, Schuldrecht I, § 27 III a; MünchKommlGrunsky, vor § 249 Rn. 37 31 Rabel, Ernst: Das Recht des Warenkaufs, Bd. 1, 1957, S. 495 ff; Caemmerer, Ernst von: Das Problem des Kausalzusammenhangs im Privatrecht, 1956 32 BGHZ 27, 137, 139, NJW 1958, 1041; BGHZ 57, 245, 256; Deutsch, Haftungsrecht, S. 244; EsserlSchmidt, (I), § 45 I, Fikentscher, Schuldrecht, § 49 III 3 c; Lange, Hermann: Adäquanztheorie, Rechtswidrigkeitszusammenhang, Schutzzwecklehre und selbständige Zurechnungsmomente, in: JZ 1976, 198 33 Hopt, Schadensersatz, S. 222; kritisch hierzu Weitnauer, AcP 170 (1970),444 f 34 BelkelHenniges, Jura 1981,596,605 35 Stoll, ZfRvgI1972, 210 f 36 BGHZ 74,9, 15 27 28
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im Zusammenhang mit der Rechtswidrigkeit angestellten Erwägungen nicht deutlich wird. Die Vermutung der Rechtmäßigkeit verfahrensbedingter Schädigungen wird nämlich vom BGH damit gestützt, daß auch die materiell berechtigte Einleitung und Durchführung eines Verfahrens Schädigungen des Verfahrensgegners zur Folge haben kann, die dieser ersatzlos hinnehmen müsse. Diesem Argument kann unter dem als Sonderform der Kausalität anerkannten Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens37 Relevanz zukommen. a) Unterbrechung des Kausalzusammenhangs
Die objektive Zurechnung eines Schadens kommt dann nicht in Betracht, wenn die Schadensfolgen letztlich auf einer freiwilligen und selbständigen Entscheidung eines Dritten beruhen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß der Erstschädiger durch sein Verhalten die Gefahrenlage für das betroffene Rechtsgut nicht erhöht und das Risiko einer Verletzung gleichsam herausgefordert hat38 • Diese Voraussetzung bejaht Be/ke 39 im Hinblick auf die Haftung des Anzeigeerstatters für eine richterlich verfügte, im Ergebnis unberechtigte Freiheitsentziehung des Beschuldigten. Die Freiheitsentziehung beruhe nicht auf der Anzeige, sondern allein auf der selbständigen Entscheidung des Richters oder der Staatsanwaltschaft. Es kann hier dahinstehen, ob diese Erwägungen wegen des Legalitätsprinzips und des Amtsermittlungsgrundsatzes im Strafverfahren Bestand haben können. Jedenfalls lassen sie sich nicht auf das Zivilprozeßverfahren übertragen. Hier ist es unter der Geltung der Dispositionsmaxime allein der Kläger, der über die Verfahrenseinleitung entscheidet und den Streitstoff begrenzt. Dabei sind die von der eigentlichen Urteilsfindung unabhängigen Folgeschäden des Verfahrensgegners ohne weiteres dem Verfahrensinitiator zuzurechnen, da sie nicht auf einer späteren richterlichen Entscheidung beruhen. Aber auch der Urteilsschaden als solcher kann von einer Haftungszurechnung nicht ausgeschlossen werden. Die richterliche Entscheidung, die ausschließlich auf der Grundlage der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen beruht, stellt kein für die Unterbrechnung des Kausalzusammenhanges erforderliches überragendes und vom Schädiger völlig unabhängiges Ereignis dar. Hierfür spricht auch, daß Kausalitätsgesichtspunkte dieser Art weder bei der Rückgriffshaftung des Sachverständigen40 noch bei der Haftung des Rechtsanwaltes für den durch das Urteil eingetretenen Schaden erwogen werden. Deutsch, Haftungsrecht, S. 173 ff; MünchKommlGrunsky, vor § 249, Rn. 87 ff Larenz, Schuldrecht I, § 27 III 4; MünchKommlGrunsky, Rn. 57; Esser/Schmidt, (I), § 33 11 2; Deutsch, Haftungsrecht, S. 141 39 BelkelHenniges, Jura 1981, 605 40 siehe oben § 6 C 37 38
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b) Rechtmäßiges Alternativverhalten
Bei der Fallgruppe des rechtmäßigen Alternativverhaltens wird die objektive Zurechnung eines tatbestandsmäßig-rechtswidrig herbeigeführten Verletzungserfolges ausgeschlossen, wenn der Schaden auch bei einem entsprechenden normgerechten Verhalten des Schädigers eingetreten wäre41 • Es fehlt mithin an der Kausalität der Pflichtwidrigkeit42 • Dieser in der Doktrin überwiegend für beachtlich gehaltene Einwand43 schließt jedoch die objektive Zurechnung eines schädigenden prozessualen Fehlverhaltens nicht aus. Zwar kann auch eine formell ordnungsgemäße und materiell rechtmäßige Rechtsverfolgung zu Rechtsgutsverletzungen des Verfahrensgegners führen. Dennoch können der Gläubiger, der wegen einer schon erfüllten Forderung die Vollstreckung fortsetzt 44 , oder der Kläger, der objektiv unrichtige ehrenrührige Prozeßbehauptungen aufstellt und damit Gesundheit oder Ehre ihrer Verfahrensgegner verletzen, sich nicht auf ein normgerechtes Alternativverhalten berufen. Bei ordnungsgemäßem, normgerechtem Verhalten hätte nämlich der Gläubiger die Vollstreckung nicht weiterbetreiben, der Kläger die ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen nicht in den Prozeß einführen dürfen. Mit dem konkreten prozessualen Fehlverhalten korrespondiert daher kein rechtmäßiges schadensgeneigtes Alternativverhalten. Schon diese wenigen Ausführungen zeigen im übrigen, daß es dem Grunde nach bei der Frage eines rechtmäßigen Alternativverhaltens weniger um den Ausschluß der Kausalität als um den Schutz durch einen Rechtfertigungsgrund geht45 • Der Hinweis des BGH auf identische Folgen einer materiell rechtmäßigen Verfahrenseinleitung46 deutet dabei wieder auf den nicht anzuerkennenden Rechtfertigungsgrund der gerichtlichen Inanspruchnahme, dessen zugrunde liegenden Wertungen jedenfalls im Rahmen der Kausalität irrelevant sind. c) Haftung für Fernwirkungen
Die durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter werden durch prozessuales Fehlverhalten nur ausnahmsweise, etwa im Bereich der Zwangsvollstreckung, unmittelbar verletzt. Insbesondere die auf Grund einer Verfahrenseinleitung eingetretene Gesundheitsbeschädigung wird entweder psychisch vermittelt, weil der Verfahrensgegner den Belastungen des Verfahrens MünchKomm/Grunsky, vor § 249 Rn. 87; Deutsch, Haftungsrecht, S. 173 Esser/Schmidt, (I), § 33 III 2 43 Esser/Schmidt, (I), § 33 III 2; Deutsch, Haftungsrecht, S. 173 ff; PalandtIHeinrichs, vor § 249, Anm. 5 f bb; MünchKomm/Grunsky, vor § 249 Rn. 90; einschränkend Fikentscher, Schuldrecht, § 55 V 44 Eingangsbeispiel 4 45 Deutsch, Haftungsrecht, S. 174 a.E. 46 BGHZ 74, 9, 15 41
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nicht gewachsen ist oder erfolgt auf Grund einer vorausgegangenen Ehrverletzung und einem damit einhergehenden diskriminierenden Verhalten der Öffentlichkeit47 • Stoll 48 hält daher den Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB nicht für einschlägig und rekurriert dabei auf die im Rahmen der Kausalität anerkannte Fallgruppe der Haftung für Schockschäden. Damit verkennt Stoll jedoch, daß die Unmittelbarkeit des Schadenseintritts nicht notwendige Voraussetzung der Ersatzfähigkeit ist49 • Bei den sogenannten Schockschäden geht es um den Ausgleich von Gesundheitsschäden, die außer bei dem unmittelbaren Opfer bei einem Dritten auf Grund dessen psychischer Reaktion eintreten. Hier ist in der Tat eine Beschränkung des Kreises der Ersatzberechtigten erforderlich, um den Schädiger nicht mit einem grenzenlosen Schadensrisiko zu belasten5o . Eine solche Drittbeteiligung am Kausalverlauf liegt aber bei verfahrensbedingten Gesundheitsbeschädigungen nicht vor. Zum anderen besteht auch in diesen Fällen kein Zweifel mehr, daß zwischen einer psychischen und physischen Ursachenverknüpfung unter Kausalitätsaspekten nicht zu differenzieren ist 51 . Auch der von Belke 52 herangezogene Normzweckgedanke führt nicht zu einer Haftungsreduzierung auf Tatbestandsebene. Wird der Verfahrensgegner auf Grund des gegen ihn zu Unrecht eingeleiteten Verfahrens an seiner Ehre verletzt und in der öffentlichen Meinung herabgesetzt, sind auch vermögensrechtliche Folgewirkungen ausgleichspflichtig. Zwar ist auch im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt, daß der geltend gemachte Schaden innerhalb des Schutzzwecks der verletzten Rechtsnorm liegen muß53. Die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfaßte Ehre der Person wird jedoch nicht um ihrer selbst willen geschützt. Sie erfaßt vielmehr die Stellung des einzelnen in der Gesellschaft und die Beziehungen zu seinen Mitmenschen. Dazu gehören selbstverständlich auch die wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zur Umwelt, die nicht zuletzt vom Ruf und der Position in der Gesellschaft bedingt sind. Indem das Gesetz in § 823 Abs. 1 BGB die Unversehrtheit der Ehre schützt, sind damit zugleich die mit einem Ehrverlust einhergehenden Vermögensbeeinträchtigungen eingeschlossen.
47 siehe Eingangsbeispiel 6; auch Weitnauer, AcP 170 (1970), 444; unrichtig daher Fenn, ZHR 132 (1969), 365 Fn. 69, der bei einer solchen verfahrensbedingten Gesundheitsbeschädigung eine unmittelbare Rechtsverletzung annimmt 48 Stoll, ZfRvgI1972, 210 49 BGHZ 41,123,125; MünchKommlGrunsky, vor § 249 Rn. 53; PalandtlHeinrichs, vor § 249 Anm. 5 d aa 50 BGHZ 56, 163; Deutsch, (I), S. 481; PalandtIHeinrichs, vor § 249 Anm. 5 c dd; kritisch MünchKommlGrunsky, vor § 249 Rn. 54 51 Esser/Schmidt, (I), § 34 I 1 52 BelkelHenniges, Jura 1981, 596, 605 53 BGHZ 27,137,140
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11. Ergänzung des Enumerationsprinzips durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 1. Relevanz des Rechts am Unternehmen für den Schadens· ausgleich bei unberechtigten Leistungsbegehren
Die Entwicklung des von der Judikatur im Wege richterlicher Rechtsfortbildung begründeten Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, oder moderner: des Rechtes am Unternehmen, wurde im Zusammenhang mit der Darstellung der Rechtsprechung zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung schon angedeutet54 . Nachdem das Reichsgericht vor dem Hintergrund der lückenhaften wettbewerbsrechtlichen Vorschriften zunächst die Fallgruppe der unberechtigten Anmaßung von Schutzrechten und sonstigen absoluten Rechten - der Sonderfall eines unberechtigten Leistungsbegehrens - als deliktischen Eingriff bewertete55 , unterfällt nach heutiger Praxis die gesamte unternehmerische Tätigkeit dem Schutzbereich des Rechts am Unternehmen, das dem Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht zugeordnet wird 56 • Damit hat die Rechtsprechung trotz der Entscheidung des historischen Gesetzgebers gegen eine deliktische Generalklausel einen erweiterten Vermögensschutz durch eine partielle Generalklausel geschaffen, die Vermögensinteressen institutionalisiert und unter Schutz stellt, sofern diese in eine organisatorische und wirtschaftliche Einheit eingebettet sind57 • Die Bedeutung dieses erweiterten Vermögensschutzes für Schäden aus unberechtigten Rechtsverfolgungsmaßnahmen liegt auf der Hand. Es ist kein Zufall, daß gerade der Sonderfall eines unberechtigten Leistungsbegehrens Auslöser des deliktischen Unternehmensschutzes war. Die bei der gerichtlichen Durchsetzung vermeintlicher Ansprüche entstehenden Beeinträchtigungen des Gegners beschränken sich nämlich häufig auf reine Vermögensschäden: Der Betroffene tätigt Aufwendungen zur Rechtsverteidigung58 , unterläßt gewinnbringende Investitionen59 oder vernachlässigt seine sonstigen Pflichten60 • Hier kann bei Anwendung der deliktischen Grundtatbestände leicht der Eindruck eines mit dem Rechtsgefühl nicht zu vereinbarenden Rechtsschutzdefizits entstehen, das mit einem generalklauselartigen Recht überwindbar erscheint. Dabei soll die grundSätzliche Diskussion darüber, ob das Recht am Unternehmer auf Grund seiner fehlenden Bestimmtheit und ungenügenden siehe oben § 1 C I 1 RGZ 58,24; oben § 1 CI 1 m.w.N. auf die reichsgerichtliche Judikatur 56 siehe oben § 1 C I 1 m.w.N. auf die umfangreiche Judikatur des BGH 57 v. Caemmerer, Wandlungen, S. 90; Emmerich, § 1911 4; Deutsch, JZ 1963, 386; Larenz, Schuldrecht 11, § 72 III 7 b; Fikentscher, (11), S. 287 58 Eingangsbeispiele 1, 2, 3 59 Eingangsbeispiel 5 60 Eingangsbeispiele 1, 4 54
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dogmatischen Erfassung einen Fremdkörper im deliktischen Haftungssystem darstellt und deshalb absterbereiJ ist61 , ausgespart bleiben. Denn obwohl die tatbestandliehe Ausgestaltung durch die Judikatur im Schrifttum vielfach Anlaß zu Kritik gibt, ist die Notwendigkeit eines deliktischen Schutzes des Freiraums unternehmerischer, wirtschaftlicher Tätigkeit weitgehend anerkannt62 und kann deshalb angesichts der Lückenlosigkeit der Rechtsprechung schon als gewohnheitsrechtlieh verfestigt gelten63 . Die dogmatischen und tatbestandsspezifischen Ungereimtheiten des Rechts am Unternehmen treten jedoch auch und gerade in Fällen verfahrensbedingter Schädigungen des Gegners deutlich zutage. Die Gegenüberstellung von unberechtigten Schutzrechtsanmaßungen, bei denen regelmäßig der Geschädigte Gewerbetreibender ist, und sonstigen unberechtigten Leistungsbegehren, zeigt zunächst eine mit dem Gebot der materiellen Gerechtigkeit nicht zu vereinbarende Privilegierung des Unternehmers gegenüber anderweitiger wirtschaftlicher Betätigung. Während der von einer im Ergebnis unbegründeten Patentberühmung betroffene Beklagte seinen Vermögensschaden nach ständiger Rechtsprechung64 vollständig auf den Angreifer abwälzen kann65 , bleibt der Handelsvertreter, der auf Grund einer ungerechtfertigten Vollstrekkung Einbußen in seinem Gewerbebetrieb erleidet, auf seinem Vermögensschaden sitzen66 • Der BGH sollte dieser sachwidrigen Differenzierung begegnen und - der überwiegenden Ansicht in der Literatur folgend 67 - auch die freiberufliche Tätigkeit in den Schutzbereich der Generalklausel miteinbeziehen. Auch die Vermögensinteressen eines freiberuflich Tätigen, der nicht unter den engen Gewerbebegriff des Handels- und Gewerberechts fällt, sind in eine organisatorische und wirtschaftliche Einheit eingefügt und daher in gleicher Weise schützenswert. Schließlich führt auch das zur Eingrenzung des Deliktsschutzes herangezogene Erfordernis der Unmittelbarkeit des Eingriffs, das die Rechtsprechung durch das Kriterium der Betriebsbezogenheit konkretisiert68 , zu widersprüchlichen Ergebnissen. Eine Eingriffshandlung soll danach nur dann deliktsrechtWiethölter, KritJ 1970, 128; ihm folgend Schnug JA 1985, 622 EnnecceruslLehmann, § 243 I 1 b; Fikentscher, Schuldrecht, § 10311 1; MünchKommIMertens, § 823 Rn. 484; Staudinger/Schäfer, § 823 Rn. 126; Soergel/Zeuner, § 823 Rn. 97 63 zu dieser Frage ausführlich Buchner, S. 30 ff 64 siehe oben § 1 C I 1 65 Eingangsbeispiel 5 66 Eingangsbeispiel4; BGHZ 74,9, 16 67 Alisch, H.: Anmerkung ZU BGHZ 74, 9, in: JR 1979, 462; Buchner, S. 125 f; v. Caemmerer, Wandlungen, S. 90; BaumbachIHefermehl, Allg. Rn. 116; Esser, JosefIWeyers, Hans-Leo: Schuldrecht, Bd. 11, Besonderer Teil, S. 468; Fikentscher, Schuldrecht, § 10311 1 b; Larenz, Schuldrecht 11, § 72 III 7 b; MünchKommIMertens, § 823 Rn. 491; Soergel/Zeuner, § 823 Rn. 90 68 BGHZ 29,65,74; 55,153,161; 66, 388, 393; 69,128,139; 90, 113, 123 61
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lich relevant sein, wenn sie sich irgendwie gegen den Betrieb als solchen richtet und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte betrifft. Die fehlende Bestimmtheit und Abgrenzbarkeit dieses Kriteriums zeigt sich wiederum nur allzu deutlich in den vom BGH entschiedenen Fällen unberechtigter Leistungsbegehren. Die gerichtliche oder außergerichtliche Verfolgung vermeintlicher Ausschlußrechte wird regelmäßig und ohne nähere Prüfung als unmittelbarer Eingriff gewertet69 , obwohl gerade hier die Unmittelbarkeit äußerst fraglich erscheint70 . Denn der Schaden tritt auf seiten des Betroffenen erst dadurch ein, daß er auf Grund einer eigenständigen unternehmerischen Entscheidung die Produktion einstellt und keine weiteren Gewinne erzielt. Demgegenüber soll es bei der Stellung eines ungerechtfertigten Rückerstattungsantrages71 trotz weitreichender wirtschaftlicher Folgen für den betroffenen Betrieb an der Unmittelbarkeit des Eingriffs ebenso fehlen wie bei der unbegründeten Stellung eines Konkursantrages72 • Die vom BGH auf diese Weise intendierte Haftungsbeschränkung stößt daher in der Literatur zu Recht überwiegend auf Kritik73 . Das Kriterium der Betriebsbezogenheit ist eine LeerformeF4, die zu willkürlichen Ergebnissen führt. Die sicherlich erforderliche Begrenzung des Schadensrisikos sollte nicht durch eine Einschränkung der Eingriffshandlung, sondern im Rahmen der bei den beschränkten deliktischen Generalklauseln stets erforderlichen umfassenden Güter- und Interessenabwägung erfolgen. Soweit der BGH im Bürovorsteherurteil die Betriebsbezogenheit deshalb verneint, weil dem Gewerbetreibenden der Ersatz eines reinen Vermögensschadens, den jeder andere Rechtsträger entschädigungslos hinnehmen müsse, nicht zuerkannt werden könne75 , ist dies ebenfalls nicht überzeugend. Unter Zugrundelegung dieser Argumentation wäre von dem Recht am Unternehmen in der Tat gänzlich Abschied zu nehmen. Denn der erweiterte Vermögensschutz ist gerade deshalb entwickelt worden, um die wirtschaftliche, gewerbliche Tätigkeit zu privilegieren und ihr einen Freiraum zu schaffen. 2. Der Sonderfall der unberechtigten Schutzrechtsberübmung
Obwohl ausgerechnet die Berufung auf ein in Wirklichkeit nicht bestehendes gewerbliches Schutzrecht - ohne Unterscheidung zwischen der außergesiehe oben § 1 eil Blaurock, JZ 1974, 620; ders., (I), S.59 7! BGH LM Nr. 4 zu § 823 (Da) BGB 72 BGHZ 36, 18, 20 73 Glückert, AcP 166 (1966), 322; Fabricius, JuS 1961, 153; BaumbachIHeferrnehl, Allg. Rn. 123, MünchKommIMertens, § 823 Rn. 494; Emmerich, § 19 11 4; Esser/ Weyers, S. 466; zustimmend Staudinger/Schäfer, § 823 Rn. 135; Neumann- Duesberg, NJW 1972, 134 74 EsserlWeyers, S. 466 75 BGHZ 74, 9,16; ebenso BGH NJW 1977, 2264, 2265 69
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richtlichen und der gerichtlichen Geltendmachung - das Institut des Unternehmensrechtes als deliktisches Schutzrecht ins Leben gerufen hat, bestehen gerade hier erhebliche Bedenken an einer Einordnung dieser Fallgruppe im allgemeinen Deliktsrecht. Der deliktische Unternehmensschutz dient nämlich - und das ist in Rechtsprechung und Literatur gleichermaßen zweifelsfrei lediglich als Auffangtatbestand, um bestehende Haftungslücken auszufüllen und den Deliktsschutz zu ergänzen 76 • Einer solchen Ergänzung durch die deliktische Generalklausel bedarf es konsequenterweise dann nicht, wenn der intendierte Rechtsschutz spezialgesetzlichen Regelungen entnommen werden kann. Während dies vor der UWG-Novelle des Jahres 1909 auf Grund des Fehlens einer wettbewerbsrechtlichen Generalklausel durchaus zweifelhaft war, bieten nunmehr die wettbewerbsrechtlichen Sondervorschriften, insbesondere die Generalklausel des § 1 UWG, hinreichende Möglichkeiten für eine Haftungsanknüpfung. Eine Schutzrechtsberühmung geschieht regelmäßig im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs und stellt mithin eine Wettbewerbshandlung dar, deren Folgen an § 1 UWG zu messen sind. Dabei erfordert die Einordnung der nicht gerechtfertigten Schutzrechtsberühmung als Fall des Behinderungswettbewerbs keinesfalls eine unangemessene Erweiterung des Begriffes der guten Sitten. Ein subjektiver Sittenwidrigkeitsbegriff, der die Kenntnis aller Tatumstände voraussetzt und dadurch die Haftung für eine in gutem Glauben erfolgte Schutzrechtsberühmung ausschließen würde, ist nach einem gewandelten Beurteilungsmaßstab der guten Sitten im Wettbewerbsrecht funktionswidrig und daher nicht anzuerkennen77 . Das dennoch fortbestehende Festhalten der Rechtsprechung an der deliktsrechtlichen Generalklausel begegnet - selbst unter Zugrundelegung eines restriktiven Verständnisses der Gute-Sitten-Klausel des § 1 UWG - dogmatischen Bedenken und steht im krassen Widerspruch zur Beurteilung sonstiger ungerechtfertigter Leistungsbegehren. In der Konkursantragsentscheidung78 räumt der BGH dem Prozeß- und Konkursrecht den Vorrang vor den deliktsrechtlichen Normen ein, obwohl der Zweck der prozessualen und konkursrechtlichen Vorschriften gerade nicht auf einen materiellen Schadensausgleich gerichtet ist. Demgegenüber zielen die wettbewerbsrechtlichen Sondervorschriften neben dem Schutz der übrigen Marktbeteiligten und der Institution des freien Wettbewerbes primär auf den Schutz der Integritätsinteressen des Konkurrenten79 • 76 BGHZ 65,325,328; 69, 128, 138; NJW 1977, 2264; 2265; 1980,881,882; GRUR 1983, 467, 468; BB 1983, 464, 465; Buchner, S. 34 ff; v. Caemmerer, Wandlungen, S. 90; Fikentscher, (11), 287; MünchKomm/Mertens, § 823 Rn. 487; Soergel/Zeuner, § 823 Rn. 100; Wiethölter, KritJ 1970, 121 77 BaumbachIHefermehl, Ein!. Rn. 124; Godin, Hans Freiherr von: Wettbewerbsrecht, 1974, § 1 Rn. 77; Kraft, Alfons: Interessenabwägung und gute Sitten im Wettbewerbsrecht, 1963, S. 147; Reimer/Ulmer, Rn. 65; Lindacher, ZHR 144 (1980), 356; Blaurock, (I), S. 80 ff 78 BGHZ 36, 18
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Die ungerechtfertigte Schutzrechtsberühmung ist somit am Maßstab des für
§ 1 UWG zentralen Begriffes der Sittenwidrigkeit zu messen. Dabei wird das
Kriterium der Sittenwidrigkeit weder per se durch die Feststellung des Nichtbestehens des vermeintlichen Schutzrechtes begründet noch durch das subjektiv-redliche Verhalten des vermeintlichen Schutzrechtsinhabers generell ausgeschlossen. Vielmehr impliziert die Sanktionierung einer im Ergebnis unberechtigten Schutzrechtsberühmung, unabhängig davon, ob sie außergerichtlich oder gerichtlich erfolgt, eine umfassende Abwägung der beteiligten Interessen. Dadurch wird die vom BGH vorgenommene Überbetonung der Zwangslage des Verwarnten, die einseitig auf dessen Schutz abstellt und die Rechtsdurchsetzungsinteressen des potentiellen Schutzrechtsinhabers vernachlässigt, vermieden und eine Annäherung an sonstige Fälle unberechtigter Leistungsbegehren erreicht. Andererseits lassen sich spezifisch wettbewerbliche GesichtspunkteBO in die Wertung mit einbeziehen. Letztere zeigen zum einen, daß die Besonderheiten der gewerblichen Ausschlußrechte, die Triebfeder zu Innovation und Invention bilden, die völlige Vernachlässigung der Rechtsverfolgungsinteressen des Verwarners durch die vom BGH postulierte Haftungsautomatik verbieten. Zum anderen ist freilich zugleich die wettbewerbshemmende Wirkung der Schutzrechtsberühmung zu berücksichtigen81 , die einer weitgehenden Privilegierung des Verwarners ebenfalls entgegensteht. Richtschnur der vorzunehmenden Interessenabwägung kann die vom BGH im Rahmen des Verschuldenselementes der Deliktshaftung regelmäßig statuierte Prüfungspflicht des potentiellen Schutzrechtsinhabers82 bilden. Entscheidend sind daher die vom Verwarner im Einzelfall vor Ausspruch der Verwarnung zu beachtenden Sorgfalts anforderungen bei der Prüfung des geltend gemachten Rechtes. Die Haftung für unberechtigte Schutzrechtsberühmungen unterscheidet sich insoweit nicht von Fällen sonstiger unberechtigter Leistungsbegehren. Auf die dort83 zu untersuchenden Sorgfaltspflichten kann mithin verwiesen werden. Durch die vorzunehmende Gesamtabwägung, die auch Allgemeininteressen berücksichtigt, wird der Konkurrenzschutz durch das Wettbewerbsrecht abschließend geregelt. Der für das Verhältnis zweier Regelungskomplexe entscheidende Normzweck spricht gegen eine ergänzende Heranziehung des deliktischen Unternehmensschutzes neben dem wettbewerblichen Lauterkeitsrecht.
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BaumbachlHefermehl, Ein!. Rn. 48 ff siehe oben § 1 C I 2 Lindacher, ZHR 144 (1980), 359 BOHZ 62, 29,36 f; NJW 1976, 2162; 1979, 916 siehe unten § 7 B 11 2
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B. Die Zurechnung des tatbestandsmäßigen Erfolges Der Haftungstatbestand hat sich sowohl bei den absolut geschützten Rechtsgütern als auch hinsichtlich des Rechts am Unternehmen nur als bedingt geeignet erwiesen, notwendige Haftungsdifferenzierungen zu erreichen und der Kollision zwischen Bestandsschutz und prozessualer Handlungsfreiheit gerecht zu werden. Die Kompensation der Schutzfunktion der absoluten Rechte und der Eingriffsfunktion der prozessualen und verfassungsrechtlichen Normen 84 konzentriert sich damit auf die Ebene von Rechtswidrigkeit und Verschulden eines schädigenden prozessualen Verhaltens. Dabei soll zum Abschluß der Untersuchung der Frage nachgegangen werden, inwieweit die prozessualen und verfassungsrechtlichen Wertungen die deliktischen Sorgfaltsmaßstäbe des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB determinieren. Unabhängig von dem überlebten Streit um deren Einordnung im Deliktsaufbau wird zuvor untersucht, ob der Bestimmung des deliktischen Unwerturteils, das im Rahmen der Verschuldenshaftung regelmäßig nur eine unselbständige Funktion aufweist85 , für die Fälle unberechtigter Leistungsbegehren ausnahmsweise eine selbständige Funktion zukommt. Anknüpfungspunkt hierfür ist zum einen die Suche nach einem speziellen Rechtfertigungsgrund und zum anderen das Prinzip der Interessenabwägung. J. Berücksichtigung der prozessualen Schutzfunktion bei der Bestimmung des deliktischen Unwerturteils 1. Rechtfertigung des tatbestandsmäßigen Eingriffs
a) Wahrnehmung berechtigter Interessen
Zweifelhafte Prozeßbehauptungen begründen häufig eine Ehrverletzung des Betroffenen oder stellen eine gewerbe- und erwerbsschädigende Äußerung dar. Die auf eine angebliche Unterschlagung gestützte zivilrechtliche Klage des Vereins gegen seine Kassiererin 86 enthält inzident einen strafrechtlich relevanten Vorwurf, der den guten Ruf der Betroffenen beeinträchtigt und im Ergebnis auch eine Diskriminierung in der Öffentlichkeit zur Folge hat. Die unbegründete Stellung eines Antrages auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zur Vermögensoffenbarung oder auf Eröffnung des Konkurses umfaßt zugleich die unzutreffende Behauptung eines beim Antragsgegner eingetretenen Vermögensverfalls und erfüllt damit als kreditschädigende Äußerung den Tatbestand des § 824 Abs. 1 BGB87. 84 zu diesen grundlegenden Funktionen absoluter Rechte siehe Adomeit, Klaus: Wahrnehmung berechtigter Interessen und Notwehrrecht, in: JZ 1970, 498 85 Deutsch, (I), S. 251 86 Eingangsfall 6
B. Die Zurechnung des tatbestandsmäßigen Erfolges
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Ein Ausschluß von Schadensersatz- oder Unterlassungsansprüchen aus einem solchermaßen unerlaubten, tatbestandsmäßigen Verhalten kommt jedoch vornehmlich unter dem sich aus den §§ 193 StGB und 824 Abs. 2 BGB ergebenden Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen in Betracht. Dabei handelt es sich bei der Wahrnehmung berechtigter Interessen nach überwiegender Auffassung um einen Rechtfertigungsgrund88 • Der Anwendungsbereich dieses Gegenrechtes ist jedoch erheblich eingeschränkt. Zum einen findet ein Ausschluß der Rechtswidrigkeit nur im Bereich der Ehrverletzungen, nicht jedoch für die übrigen absoluten Rechte und Rechtsgüter des § 823 Abs. 1 BGB, statt89 . Zum anderen hat es seine Funktion als Rechtfertigungsgrund dort verloren, wo die Judikatur die Persönlichkeitsrechte und die gewerbliche und berufliche Tätigkeit durch beschränkte deliktische Generalklauseln schützt. Hier muß auf Grund der generalklauselartigen Weite dieser Tatbestände die Rechtswidrigkeit durch eine Güter- und Interessenabwägung positiv festgestellt werden, so daß für die Anwendung eines Rechtfertigungsgrundes systematisch kein Raum bleibt90 • Für den verbleibenden Teilausschnitt des ehrverletzenden Parteivortrags bietet jedoch das Institut der Wahrnehmung berechtigter Interessen einen sachgerechten Anknüpfungspunkt zur Problemlösung. Die Konzeption der Judikatur, die Äußerungen in gerichtlichen Verfahren bis zur Grenze bewußt unwahren Parteivortrags sanktionslos zuläßt91 und damit - ohne auf den Gedanken der Wahrnehmung berechtigter Interessen zurückzugreifen gleichsam einen materiell-rechtsfreien Raum schafft, ist nicht anzuerkennen. Auf die Überbetonung der Gefahr eines unerwünschten Parallelprozesses durch die Geltendmachung von Widerrufsansprüchen und ihrer Begegnung mit prozessualen Mitteln wurde schon hingewiesen92 • Entscheidend ist jedoch, daß die Prozeßpartei auch in einem kontradiktorischen, auf einseitige Interessenwahrnehmung ausgerichteten Verfahren ihrer Verantwortung für den Wahrheitsgehalt ihres Vortrages und dessen Folgen für den Gegner nicht völlig entbunden werden darf. Hierfür spricht schon die gewandelte Auffassung Weitnauer, DB 1962,462 BGHZ 3, 270, 280; BVerfGE 12, 113, 125; Baumgärtel, Handbuch, § 824 Rn. 4; RGRKlHaager, § 823 Rn. 41; Fikentscher, Schuldrecht, § 52 III 8; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 303; SoergeVZeuner, § 823 Rn. 218 89 ErmanIDrees, § 823 Rn. 10; SoergeVZeuner, § 823 Rn. 218; Fikentscher, Schuldrecht, § 52 III 8; Hopt, Schadensersatz, S. 234 f 90 Adomeit, JZ 1970, 496 91 RGZ 140, 392, 397; 142, 116, 121; BGH NJW 1962, 243; 1971, 284, 285; 1977, 1681; 1981, 2117, 2120, OLG Hamburg, MDR 1969,142; OLG Köln, MDR 1968, 941 m. Anm. Baumgärtel: OLG Karlsruhe, MDR 1969, 574, 575; MDR 1972,1033; zustimmend ErmanIHefermehl, § 1004, Rn. 23; Helle, E., NJW 1961, 1896; ders., Schutz der Persönlichkeit, S. 124 f; Helle, J., GRUR 1982, 207; MünchKommIMertens, § 824 Rn. 54 f; StaudingerlSchäfer, § 824 Rn. 60 92 siehe oben § 3 B III 2 a 87 88
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§ 7 Kollisionslösung innerhalb des geltenden Haftungsrechts
von der Funktion des Zivilprozesses, der nicht mehr als Kampf der Parteien geführt wird, sondern auch - zumindest partiell- die verständigen Belange des jeweiligen Verfahrensgegners berücksichtigt. Denn auch eine einseitige Interessenwahrnehmung findet stets an den schutzwürdigen Rechtspositionen anderer ihre Grenzen und darf nicht apriori höher bewertet werden als das Interesse des Betroffenen an der Vermeidung einer Ehrverletzung. Hier gibt die für die Feststellung eines berechtigten Interesses erforderliche Güter- und Interessenabwägung93 ein systemgerechtes Instrumentarium zur Abwägung zwischen den Rechtsverfolgungsinteressen einerseits und dem Bestandsschutzinteresse des Betroffenen andererseits an die Hand. Die Prozeßpartei trifft daher dem Grunde nach ebenso wie für Äußerungen im außerprozessualen Raum94 eine Prüfungspflicht im Hinblick auf den Wahrheitsgehalt ihres Vorbringens. Bei der Bestimmung dieser Prüfungspflicht sind jedoch der verfassungsrechtlich verfestigte Justizanspruch und der Anspruch auf rechtliches Gehör95 ebenso zu berücksichtigen wie die Tatsache, daß ein Prozeßvortrag trotz der Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung regelmäßig nur dem beschränkten Kreis der Prozeßbeteiligten zugänglich wird und der Verfahrensgegner stets Gelegenheit zur eigenen Stellungnahme auch dann erhält, wenn das erkennende Gericht den ehrverletzenden Prozeßvortrag nicht für entscheidungserheblich hält. Im Ergebnis wird der Umfang der Rechtfertigungswirkung trotz der systematischen Trennung der Sorgfaltsanforderungen des § 193 StGB und des § 276 BGB96 in der Sache durch die Sorgfaltsmaßstäbe des § 276 Abs. 2 S. 1 BGB begrenzt97 und stimmt daher mit den Wertungen bei sonstigen verfahrensbedingten Schädigungen außerhalb des Ehrenschutzes überein. Inwieweit die besondere Prozeßsituation eine graduelle Milderung der Sorgfalts anforderungen erfordert, soll hier zunächst offenbleiben98 .
93 MünchKommlMertens, § 824 Rn. 41; Soergel/Zeuner, § 823 Rn. 219; Staudinger/ Schäfer, § 824 Rn. 52 94 MünchKommIMertens, § 824 Rn. 41; Soergel/Zeuner, § 824 Rn. 28; Staudinger/ Schäfer, § 824, Rn. 53 95 Art. 103 GG wird dabei zu Unrecht als Rechtfertigungsgrund qualifiziert, Walchshöfer, MDR 1975, 11, 14; das Verfahrensgrundrecht entfaltet unmittelbare Wirkung aber lediglich zwischen Staat und Bürger und kann daher nur über wertausfüllungsbedürftige Begriffe des Zivilrechts mittelbar Einfluß auf das Verhältnis der Prozeßparteien gewinnen 96 Soergel/Zeuner, § 824 Rn. 28; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 311,314 97 Esser/Schmidt, (I), Teilbd. 2, § 25 IV 2.1.8.; Hopt, Schadensersatz, S. 233; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 318 98 siehe dazu unten § 7 B 11 2
B. Die Zurechnung des tatbestandsmäßigen Erfolges
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b) Ablehnung des eingeschränkten Rechtfertigungsgrundes der gerichtlichen Inanspruchnahme
aa) Erweiterung vorhandener Rechtfertigungsgründe Ausgehend von der Erfolgsunrechtslehre sucht Schultz-Süchting das Unbehagen an einer Qualifizierung der Verfahrenseinleitung als rechtswidriges Verhalten durch die Herausbildung eines Rechtfertigungsgrundes zu überbrücken. Er statuiert dabei unter erkennbarer Modifizierung der Konkursantragsentscheidung des BGH99 einen eingechränkten Rechtfertigungsgrund der gerichtlichen Inanspruchnahme 1OO • Die Erfindung eines neuen Rechtfertigungsgrundes wirft zunächst die Frage auf, inwieweit die Heranziehung eines der Rechtsordnung bisher unbekannten Rechtfertigungsgrundes überhaupt möglich ist. Der Eingriff in ein absolut geschütztes Recht oder Rechtsgut ist ausnahmsweise dann erlaubt, wenn zugunsten des Schädigers eine von der Rechtsordnung exakt umschriebene Befugnis zum Handeln Platz greift. Dabei ist jedoch nicht nur die rechtsordnungsübergreifende Wirkung der Rechtfertigungsgründe anerkannt 101 • Es gibt darüber hinaus keinen abgeschlossenen gesetzlichen Katalog von Rechtfertigungsgründen 102 • Vielmehr haben Rechtsprechung und Lehre auch eine Reihe heute anerkannter Rechtfertigungsgründe (Wahrnehmung berechtigter Interessen, mutmaßliche Einwilligung, berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag) aus verwandten oder ähnlichen Regelungen entwickelt und herausgebildet103 • Diese Befugnis hat der historische Gesetzgeber der Rechtsanwendung ausdrücklich eingeräumt 102 • Dem von Schultz-Süchting konstituierten Rechtfertigungsgrund stehen daher insoweit keine Bedenken entgegen. bb) Inkonsequenz der dogmatischen Einordnung Da Schultz-Süchting eine positive Rechtswidrigkeitsprüfung auf der Grundlage der erfolgsbezogenen Unrechtslehre konsequenterweise ablehnt, sieht er sich gezwungen, die Unrechtsindizierung durch einen speziellen Rechtfertigungsgrund auszuschließen. Dabei verwirft er jedoch nicht nur die Konzeption des BGH, der er im Anschluß an Hopt 104 die Qualität einer RechtfertiBGHZ 36, 18 Schultz-Süchting, S. 111, 124 f; siehe dazu oben § 1 C III 3 b 101 Deutsch, Haftungsrecht, S. 213; Fikentscher, Schuldrecht, § 52 III; Staudinger/ Schäfer, § 823 Rn. 446 102 BGHZ 24, 21, 25 103 BGHZ 24,21,25; Staudinger/Schäfer, § 823 Rn. 446 104 Hopt, Schadensersatz, S. 2 99
100
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§ 7 KolIisionslösung innerhalb des geltenden Haftungsrechts
gungslehre zuerkenntlOs. Er sieht auch im Justizanspruch 106 , als ausschließlich gegen den Staat gerichtetes Recht, keine Grundlage für eine Eingriffsberechtigung gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten. Diese zutreffende Feststellung korrigiert jedoch Schultz-Süchting, indem er dem Justizanspruch dann eine Rechtfertigungswirkung beimißt, wenn der Verfahrensinitiator vorgerichtliche Erkundigungspflichten nicht verletzt. Indessen stellt der Justizanspruch auch dann kein Gegenrecht im Sinne eines privatrechtlichen Rechtfertigungsgrundes dar, wenn er in angemessener, schonender oder sorgfältiger Weise ausgeübt wird. Die Projektion auf das Verhältnis Staat-Bürger bleibt dadurch gleichwohl erhalten. Auch hier schimmert wieder deutlich die Sorge um die Verkümmerung des Rechtsschutzes durch. Die öffentlich-rechtliche Befugnis, ein gerichtliches Verfahren einzuleiten, soll nicht durch die Gefahr drohender Schadensersatzansprüche in unzulässiger Weise beschränkt werden. Die Konzeption eines eingeschränkten Rechtfertigungsgrundes vermag jedoch insbesondere in dogmatischer Hinsicht nicht zu überzeugen. Die herkömmlichen Rechtfertigungsgründe dienen dazu, ein generell verbotenes Verhalten auf Grund besonderer Umstände vom Integritätsschutz auszunehmen. Hier liegt aber die Problematik darin, daß die Rechtsordnung die außergerichtliche oder gerichtliche Rechtsverfolgung allgemein billigt. Es stellt sich deshalb die Frage, ob eine solche Verhaltensweise für den Fall einer Beeinträchtigung oder Gefährdung fremder Rechtsgüter mit dem Etikett der Rechtswidrigkeit zu versehen ist. Dies nimmt die Lehre vom Verhaltensunrecht zum Anlaß, jeweils im Einzelfall positiv festzustellen, welche rechtsgutsgefährdenden Verhaltensweisen von der Rechtsordnung erlaubt oder nicht erlaubt sind. Folgt man hingegen der klassischen Unrechtsdoktrin, kommt eine Güter- und Interessenabwägung im Rahmen einer positiven Rechtswidrigkeitsprüfung nur ausnahmsweise in Betracht und bedarf - als Abweichung von der gesetzlichen Systematik - einer subtilen Begründung. Ohne eine solche Begründung vermischt Schultz-Süchting die divergenten Ansatzpunkte und führt unter dem Deckmantel eines Rechtfertigungsgrundes eine positive Rechtswidrigkeitsprüfung durch. Die Problemortung durch Heranziehung eines neuen Rechtfertigungsgrundes erscheint insgesamt zweifelhaft. Demgemäß ist auch der BGH in der Bürovorsteherentscheidung Hr7 bei seiner dogmatischen Begründung von einem Rechtfertigungsgrund der gerichtlichen Inanspruchnahme weit entfernt und von dem für den Bereich des Straßen- und Eisenbahnverkehrs entwickelten, von der Literatur überwiegend kritisierten Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens 108 stillschweigend abgerückt 109. 105 106 107
Schultz-Süchting, S. 106 Schultz-Süchting, S. 108, spricht hier terminologisch ungenau von Klagebefugnis BGHZ 74, 9
B. Die Zurechnung des tatbestandsmäßigen Erfolges
191
2. Haftungsdifferenziemng durch Interessenabwägung
a) Die Interessenabwägung bei den deliktischen Generalklauseln
Während nach der Konzeption der herkömmlichen, heute noch als vorherrschend zu bezeichnenden Unrechtsdoktrin ein Eingriff in eines der klassischen Rechtsgüter des § 823 Abs. 1 BGB ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit führt, besteht bei der Beeinträchtigung der gewerblichen, unternehmerischen Betätigung sowie einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ungeachtet der divergierenden Unrechtslehren Einigkeit über das Erfordernis einer Interessenabwägung l1o . Auf Grund des fehlenden Zuweisungsgehaltes dieser Rechte und ihrer daraus folgenden generalklauselartigen Weise ist die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in jedem Einzelfall positiv durch eine Bewertung und Abwägung der beteiligten Interessen festzustellen. Soweit daher eine verfahrenseinleitende Maßnahme oder ein prozessuales Fehlverhalten den Sektor des Unternehmens- 111 oder Persönlichkeitsschutzes 1l2 tangiert, ist das Gebot des neminem laedere apriori durch die anzuerkennenden Interessen und Belange des potentiellen Schädigers eingeschränkt. Hier ist die Eingrenzung rechtswidriger Verhaltensweisen durch eine positive Rechtswidrigkeitsprüfung der systemgerechte Standort zur Berücksichtigung der besonderen prozessualen Situation. Dabei sind im Rahmen dieser Güterund Pflichtenabwägung - wie dies für andere Fallgruppen allgemein anerkannt ist - insbesondere die verfassungsrechtlichen Vorgaben wertend zu berücksichtigen. So sind gewerbeschädigende oder ehrverletzende Werturteile an der in Art. 5 GG verbürgten Meinungsfreiheit 1l3 , Störungen durch einen gewerkschaftlich organisierten Streik an der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG114 und Beeinträchtigungen eines Gewerbebetriebes durch eine Demonstration an Art. 5 und 8 GG115 zu messen. Auf diese Weise gewinnt bei der Beurteilung verfahrensbedingter Schädigungen des Unternehmens- oder Persönlichkeitsrechts der verfassungsrechtlich verankerte Justizanspruch mittelbar Einfluß auf die Beziehungen der Prozeßparteien. Es läßt sich daher ähnBGHZ 24,21,26 MünchKommlHanau, § 276 Rn. 30,39 Fn. 65; offengelassen allerdings in BGH NJW 1981, 570 110 BGHZ 45, 296, 307 ff; 65, 325, 331; 91, 117, 121; v. Caemmerer, Wandlungen, S. 90 ff; Emmerich, § 1911 4; Fikentscher, Schuldrecht, § 10311 2; Larenz, Schuldrecht 11, § 72 III b; MünchKommIMertens, § 823 Rn. 484; SoergeVWolf, § 276 Rn. 27; Soergel/Zeuner, § 823 Rn. 101; StaudingerlSchäfer, § 823 Rn. 148 111 Eingangsfälle 1,4,5 112 Eingangsfall 6 113 BVerfGE 12, 113, 128 ff; 24, 278; 42,163; 54,129; 61,1,11; BGHZ 45,296,308; 65,325,331 114 Soergel/Zeuner, § 823 Rn. 118 ff; MünchKommIMertens, § 823 Rn. 512 115 BGHZ 59,30,36; NJW 1972,1571,1572 108 109
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§ 7 Kollisionslösung innerhalb des geltenden Haftungsrechts
lieh wie für die grundlegende Bedeutung des Art. 5 GG bei herabsetzenden Werturteilen im öffentlich geführten geistigen Meinungskampf1 16 eine Vermutung für die Rechtmäßigkeit der Verfahrenshandlung statuieren. Dies gilt in erhöhtem Maße dann, wenn mit dem Verfahren eine grundrechtlieh geschützte Rechtsposition durchgesetzt werden soll und dadurch der Justizanspruch subjektiv-verfassungsrechtlich verortet ist 117 • Diese weitgehende Einschränkung des Integritätsschutzes des Betroffenen kann jedoch nur dann Geltung beanspruchen, wenn dem Verfahrensgegner adäquate Mittel der Rechtsverteidigung zur Verfügung stehen. Je geringer diese Abwehrmöglichkeiten - etwa im nicht-kontradiktorischen Verfahren zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherungll8 - sind, desto höher sind die an den Verfahrensinitiator zu richtenden Sorgfaltsanforderungen und umso geringer ist der ihm zu belassende verbotsfreie Raum. Darauf wird im einzelnen unter Berücksichtigung aller relevanten Wertungskriterien noch einzugehen sein 119 • Im Ergebnis kann hier festgehalten werden, daß der von Teilen der Literatur120 postulierten Herausbildung von Verhaltensnormen zur Feststellung der Rechtswidrigkeit jedenfalls für den Bereich der beschränkten deliktischen Generalklauseln zuzustimmen ist. b) Interessenabwägung als generelles Kriterium der Haftungsdifferenzierung
aa) Die Problematik der konträren Unrechtslehren Es erhebt sich jedoch weitergehend die Frage, ob über den Bereich der offenen Verletzungstatbestände des Unternehmens- und Persönlichkeitsrechts hinaus das Prinzip der Interessenabwägung zur Bestimmung des deliktischen Unwerturteils von Relevanz sein kann. Das Postulat Wiethölters l2l , der im privaten Deliktsrecht, "in dem es um Macht, Kampf, Geld und Freiheit gleichermaßen gehe", kein Rechtsgut als absolut geschützt ansieht und deshalb generell auf eine Interessenabwägung zurückgreift, ist in dieser Allgemeinheit sicher zu weitgehend. Nach der Konzeption der deliktischen Haftungstatbestände ist jede Verletzung der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Lebensgüter und subjektiven Rechte mißbilligenswert und führt ohne weiteres zur objektiven Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens, sofern nicht ausnahms116
117 118
16 ff 119
120 121
BVerfGE 7,198,212; 54,129,139; 54, 208, 219; 61,1,7,12; 66,116,150 siehe oben § 2 A 11 bedenklich insoweit BGHZ 74, 9, 16; dazu mit Recht kritisch Lippross, JA 1980, siehe unten § 7 B 11 2 siehe oben § 1 B IV 2 Wiethölter, KritJ 1970, 126, 127
B. Die Zurechnung des tatbestandsmäßigen Erfolges
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weise ein Rechtfertigungsgrund eingreift 122 • Diese in der Doktrin lange Zeit vorherrschende und in der Judikatur noch heute praktizierte Lehre vom rein erfolgsbezogenen Unrechtsurteil läßt auf Grund der indizierenden Wirkung einer tatbestandlichen Rechtsverletzung keine Haftungsdifferenzierungen im Bereich der Rechtswidrigkeit zu. Diese Problematik zeigt sich, bezogen auf die Haftungsfolgen prozessualen Verhaltens, in der Kasuistik des BGH deutlich: Die Gesundheitsbeeinträchtigung des Schuldners als Folge eines formal in zulässiger Weise eingeleiteten Offenbarungsverfahrens 123 und die gegen den Grundstückseigentümer gerichtete Feststellungsklage 124 stellen eine Verletzung der in § 823 Abs. 1 BGB geschützten absoluten Rechtsgüter "Gesundheit" und "Eigentum" dar. Damit steht, auf der Grundlage der klassischen Unrechtskonzeption, zugleich deren Rechtswidrigkeit fest. Als Regulativ zur Berücksichtigung der prozessualen Funktion der Verfahrenshandlung kommt daher, sofern man nicht einem Rechtfertigungsgrund der gerichtlichen Inanspruchnahme das Wort redet, nur das Verschuldenselement in Betracht. Unabhängig von der grundlegenden Kritik an der klassischen Unrechtsdoktrin, wonach Anknüpfungspunkt des Unrechtsurteils nicht ein Erfolg, sondern ausschließlich ein menschliches Verhalten sein könne und mithin die Sorgfaltsmaßstäbe des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB den Rechtswidrigkeitsmaßstab im Rahmen der deliktischen Verschuldenshaftung bildeten 125, wird dieses Ergebnis jedenfalls für die materiell-rechtliche Bewertung prozessualen Verhaltens für nicht akzeptabel gehalten. Allein eine positive Begründung der Rechtswidrigkeit und die damit einhergehende Güter- und Interessenabwägung - Grundlage der Lehre vom Verhaltensunrecht - erlaube eine dem Institutionenschutz gerecht werdende adäquate Haftungsprivilegierung des Verfahrensbetreibers und führe zu sachgerechten Ergebnissen 126 • bb)Die Konzeption des BGH in der Bürovorsteherentscheidung Es soll hier jedoch nicht erneut in die grundlegende Diskussion zwischen Verhaltens- und Erfolgsunrecht, der keine Argumente mehr hinzugefügt werden können, eingegriffen werden. Vielmehr soll untersucht werden, ob gerade die Besonderheiten der prozessualen Funktion einer Verfahrenshandlung die Abweichung von der rechtswidrigkeitsindizierenden Wirkung des Tatbestan122 EnnecceruslLehmann, S. 942; EsserlSchmidt, (I), Teilbd. 11, § 107 I; Esserl Weyers, § 55 11 3; Larenz, Schuldrecht 11, § 72 I c; Motive 11, 725; Prot. 11,567 f 123 BGHZ 74,9; Eingangsfa1l4 124 BGHZ 20, 169 125 Münzberg, passim; Nipperdey, NJW 1957, 1777; v. Caemmerer, Wandlungen, S. 49 ff 126 Fenn, ZHR 132 (1969), 344, 363 f; Hopt, Schadensersatz, S. 228 ff; Kötz, F IV; MünchKommIMertens, § 823 Rn. 483; Zeiss, JZ 1970, 198; SoergeIlZeuner, § 823 Rn. 110; Zeuner, (I), S. 321 ff; StaudingerlSchäfer, § 823 Rn. 257 ff
13 Götz
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§ 7 Kollisionslösung innerhalb des geltenden Haftungsrechts
des rechtfertigen. Dies beschreibt die Konzeption der neueren Rechtsprechung des BGH127, der wegen der verfahrensrechtlichen Legalität der schädigenden Handlung eine positive Rechtswidrigkeitsprüfung für erforderlich hält. Während in der Konkursantragsentscheidung 128 die dogmatische Einordnung der Haftungsfreistellung des Verfahrensbetreibers im deliktischen Haftungssystem noch weitgehend unklar geblieben war 129 , knüpft der Bundesgerichtshof nunmehr an der Unterscheidung zwischen Erfolgs- und Handlungsunrecht an. Dabei bestätigt er zunächst die oben 130 schon aufgeworfenen Zweifel daran, ob der Einleitung eines gesetzlich geregelten staatlichen Rechtspflegeverfahrens die Bedeutung eines Rechtfertigungsgrundes zukommt. Der Senat lehnt, insbesondere im Hinblick auf die Tatbestände der vorsätzlich-sittenwidrigen Schädigung und der gewerblichen Schutzrechtsverwarnung, eine solche, den Vorwurf der Rechtswidrigkeit schlechthin ausschließende Wirkung ab. Die gleichwohl für notwendig erachtete Haftungsprivilegierung des Verfahrensbetreibers wird demgegenüber durch das Erfordernis einer positiven Begründung des deliktischen Unwerturteils erreicht. Eine Rechtsgutsverletzung durch ein gesetzlich geregeltes Streitverfahren führe, anders als in sonstigen Fällen der Beeinträchtigung deliktisch geschützter Rechtsgüter , nicht zu einer Indizierung der Rechtswidrigkeit l31 . Der BGH hält damit zwar im Grundsatz ausdrücklich an der Vorstellung des Erfolgsunrechts fest und folgt nicht der im Schrifttum 132 zunehmend vertretenen Auffassung, wonach entscheidendes Element der Rechtswidrigkeit das Handlungsunrecht sei. Er dehnt jedoch die im Bereich der deliktisch geschützten Rahmenrechte des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur Statuierung der Rechtswidrigkeit ausnahmsweise erforderliche Güter- und Interessenabwägung auf die Rechtsgutsverletzung durch ein prozessuales Verhalten aus. Grund für die Übertragung dieser Grundsätze ist aber nicht die eine Einschränkung erfordernde generalklauselartige Weite der nur relativ geschützten Rahmenrechte. Vielmehr folgt diese, eine Wertung des schädigenden Verhaltens im Rahmen der Rechtswidrigkeit berücksichtigende Betrachtungsweise nach Auffassung des Senats aus der verfahrensrechtlichen Legalität des schadensursächlichen prozessualen Verhaltens 133 . BGHZ 74,9; BGH NJW 1985, 1959 BGHZ 36, 18 129 siehe oben § 4 B 11 3 a bb 130 § 4 B 11 a bb 13l BGHZ 74,9, 14 132 Ennecerus/Nipperdey, S. 1317 ff; KÖlz, S. 57, 88; Münzberg, S. 176 ff, 348 f; Nipperdey, NJW 1957, 1777; 1967, 1895; StaudingerlLöwisch, § 276, Rn. 6; Wiethölter, Der Rechtfertigungsgrund, S. 15 ff; Esser/Schmidt, (I), Teilbd. I, § 9113, 4; v. Caemmerer, Wandlungen, S. 49 ff 133 BGHZ 74,9, 15 127 128
B. Die Zurechnung des tatbestandsmäßigen Erfolges
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Der BGH läßt auf diese Weise Kriterien der Fahrlässigkeit in den Bereich der Rechtswidrigkeit einfließen und stimmt damit in dem Sonderfall einer verfahrensbedingten Schädigung des Prozeßgegners mit den Vertretern der Lehre vom Verhaltensunrecht überein. Diese dogmatische Einordnung ermöglicht der Judikatur im Gegensatz zu der generalisierenden Betrachtungsweise früherer Entscheidungen eine einzelfallbezogene Bewertung von Rechtsgutsverletzungen, die durch ein gesetzlich geregeltes Verfahren bedingt sind. Zwar ist das Prinzip der Interessenabwägung durchaus geeignet und erscheint sogar als der ideale Ansatzpunkt zur Vornahme einer Haftungsdifferenzierung. Der verschiedentlich hiergegen erhobene grundlegende Einwand, eine Interessenabwägung berücksichtige nicht genügend die prozessualen Besonderheiten l34 , vermag deshalb auch nicht zu überzeugen. Zum einen muß eine Interessenabwägung keineswegs an streitfremde Parteiinteressen anknüpfen 135 • Gegenstand der Abwägung ist nämlich nicht nur die Verhältnismäßigkeit zwischen der Intensität des Angriffs sowie Ausmaß und Umfang der eingetretenen Verletzung des Verfahrensgegners. Entscheidend sind vielmehr die positivierten Wertungen des Verfassungs- und Prozeßrechts sowie das grundlegende Interesse an der Bewegungsfreiheit des einzelnen, ohne deren Aufrechterhaltung das Funktionieren der geltenden Rechtsordnung gefährdet wäre 136 • Dies sind durchaus streitspezifische Erwägungen, die in eine Interessenabwägung einzufließen hätten. Auch der Vorwurf von Niederelz, auf der Basis einer Interessenabwägung könne lediglich eine undurchsichtige Kasuistik geschaffen werden 137 , ist nur bedingt anzuerkennen. Dieser Vorwurf gilt nämlich in gleicher Weise für die von Niederelz befürwortete Herausbildung von Verhaltensnormen und ist im übrigen das Schicksal aller unbestimmten Rechtsbegriffe 138 • Dennoch bestehen gegen eine ausnahmsweise positive Rechtswidrigkeitsprüfung bei schädigendem prozessualen Verhalten Bedenken. Zunächst gelten die gegen den Rechtjertigungsgrund des verkehrs richtigen Verhaltens 139 erhobenen Einwände auch hier. Der BGH weicht ohne Not von der gesetzlichen Systematik ab und schafft dadurch für den prozessualen Bereich einen vom übrigen Haftungsrecht divergierenden Begriff der Rechtswidrigkeit. Die verfahrensrechtliche Legalität kann argumentativ nicht herangezogen werden. Die fehlende Identität zwischen prozessualer Ordnungsmäßigkeit und materieller Rechtswidrigkeit wurde schon an anderer Stelle ausführlich darge134 135 136
137 138 139
13*
Niederelz, S. 14 ff; Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 144 so Häsemeyer, Schadenshaftung, S. 144 Münzberg, S. 274 f Niederelz, S. 14 unter Berufung auf Weitnauer, AcP 170 (1970), 437, 447 Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 320 BGHZ 24,21,26
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§ 7 Kollisionslösung innerhalb des geltenden Haftungsrechts
legt l40 . Schließlich ist auch der Hinweis auf die typischen Schadensfolgen einer materiell berechtigten Verfahrenseinleitung nicht zwingend. Die mit einer materiell berechtigten Rechtsverfolgung einhergehenden Folgeschäden fallen ausschließlich in den Verantwortungsbereich des Geschädigten selbst, da dieser die Einleitung der prozessualen Maßnahmen durch seine unberechtigte Passivität selbst verursacht hat. Den Verfahrensgegner trifft in diesem Fall lediglich ein allgemeines Lebensrisiko, das er nicht auf den Verfahrensinitiator überwälzen kann. Allerdings hat die instanzgerichtliche Judikatur, wenn auch restriktiv und beschränkt auf den prozessualen Aspekt des Rechtsschutzbedürfnisses, im Bereich der Zwangsvollstreckung selbst bei einer materiell berechtigten Vollstreckungsmaßnahme die Belange des Schuldners unter Verhältnismäßigkeitsgesich tspunkten berücksichtigt 141. cc) Die These Mertens Einen weiteren Anknüpfungspunkt bietet Mertens 142 , der die Verkehrspflichtkonzeption auf andere schädigende Eingriffe - ärztliche Kunstfehler, unvermeidliche Sportverletzungen - ausdehnen will. Die Verkehrspflichten sind neben dem Unternehmens- und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der dritte Komplex, bei dem die Bestimmung des deliktischen Unwerturteils regelmäßig durch eine wertende Abwägung erfolgt. Mertens postuliert eine Ausdehnung dieser Konzeption auf solche unmittelbaren Eingriffe, die durch die Indikationswirkung des Tatbestandes nicht adäquat bewältigt werden können l43 • Dies sei bei Eingriffen der Fall, die im Rahmen sozialadäquaten Verhaltens unvermeidlich seien. Dabei ließen sich die von Mertens für den ärztlichen Heileingriff, den Kampfsport und für unmittelbare Eingriffe in den Gewerbebetrieb gezogenen Schlußfolgerungen gedanklich ohpe weiteres auf den Bereich prozessualen Fehlverhaltens erstrecken, da der Zivilprozeß unter der Geltung des Selbsthilfeverbotes den von der Gesellschaft erwünschten Weg der Konfliktlösung darstellt. Jedoch führt auch dieser Weg zu einer Spaltung des Rechtswidrigkeitsverdikts für verschiedene Teilbereiche. Während bei sozialadäquatem Verhalten Verhaltensnormen zur Feststellung der Rechtswidrigkeit statuiert werden, soll es im übrigen bei der gesetzlichen Eingriffskonzeption verbleiben. Hinzu kommt, daß eine solche Unterscheidung nach der Sozialadäquanz im Einzelfall nicht nur höchst schwierig, sondern ihrerseits zunächst eine inzident erfolgende Interessenabwägung voraussetzt l44 • Schließlich ist auch der der Herausbildung der Verkehrspflichten zugrunde liegende siehe oben § 4 B 2 LG Wuppertal NJW 1980, 297; LG Konstanz, NJW 1980, 297; OLG Düsseldorf, NJW 1980, 1171; OLG Schleswig, Rpfl1979, 470; LG Frankenthai, Rpfl1979, 433 142 Mertens, VersR 1980, 400, 401 143 Mertens, VersR 1980, 400 144 siehe dazu oben § 6 D 11 140 141
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Gedanke eines Ausbaus der Haftung für Unterlassen und einer Erstreckung des deliktischen Schutzes auf weiter entfernt liegende Handlungen nicht auf den Bereich verfahrensbedingter Schädigungen übertragbar. Hier liegen jedoch Erfolg und Handlung nicht derart voneinander entfernt, daß die Eingriffskonzeption nicht Platz greifen könnte. Die von den Verkehrspflichten erfaßten Verhaltensweisen sind nicht typischerweise, sondern erst dann rechtsgutsgefährdend, wenn in bestimmten Situationen besondere Verhaltenspflichten verletzt werden und der Verletzungserfolg deshalb kein ausreichendes Indiz für die Rechtswidrigkeit des Handeins darstellt 145 • Die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens führt jedoch typischerweise zu Eingriffen in den Rechtskreis des Verfahrensgegners, wenn auch in institutionalisierter Form.
D. Berücksichtigung der prozessualen Schutzfunktion im Rahmen der deliktischen Sorgfaltsanfordemngen 1. Einordnung der Problematik unberechtigter Leistungsbegehren in die Sorgfaltsmaßstäbe des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB
Die bisherige" Untersuchung hat gezeigt, daß die außergerichtliche oder gerichtliche Rechtsverfolgung trotz ihrer Institutionalisierung einen eigenständigen materiell-rechtlichen Konfliktstatbestand begründen kann. Das Verhältnis der streitenden Parteien ist daher nicht auf das Prozeßrecht oder auf eine spezifische Streitsituation beschränkt, sondern ist ganz allgemein im Zivilrecht von Relevanz. Es ist mithin weder möglich, für den prozessualen Bereich apriori einen Haftungsfreiraum - gleichsam einen prozessualen Sonderrechtskreis - zu schaffen, noch läßt sich das System vertraglicher und deliktischer Haftung durch eine streitspezifische Risikozuordnung substituieren. Gleichwohl müssen die Besonderheiten der Prozeßsituation, muß die Kollision zwischen der prozessualen Handlungsfreiheit des Rechtsschutzsuchenden und dem Integritätsinteresse des Betroffenen im zivilrechtlichen Haftungssystem angemessene Berücksichtigung finden. Dies geschieht jedoch nicht außerhalb der herkömmlichen Dogmatik des Zivilrechts. Während bei den deliktischen Rahmenrechten eine Interessenabwägung zur positiven Statuierung der Rechtswidrigkeit die Funktion staatlicher Rechtsschutzgewährung in den materiell-rechtlichen Konflikt der Prozeßparteien einordnet, findet die Problemortung im Rahmen der vertraglichen Haftung und im Falle der Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter bei der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB statt. Die Legaldefinition der Fahrlässigkeit bildet stets den Maßstab der Zurechnung für die vertragliche und deliktische Verschuldenshaftung. Dieser Haftungsmaßstab gibt die Anforderungen vor, die an das Verhalten des Vertragspartners oder des potentiellen Schädi145
SoergellWolf, § 276 Rn. 28
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§ 7 Kollisionslösung innerhalb des geltenden Haftungsrechts
gers zu richten sind. Die Sorgfaltspflichten des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB, die auf die Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit des schädigenden Erfolges abstellen, begründen jedoch lediglich eine Generalklausel, die richterlicher Konkretisierung bedarf1 46 • Bestimmungsfaktor einer solchen Konkretisierung ist dabei neben den positivierten Wertungen und der Verkehrssitte die grundlegende Abwägung zwischen dem Interesse an der Wahrung der Handlungsfreiheit und dem Rechtsgüterschutz des einzelnen 147 • Die für den Bereich der Rechtsverfolgung aufgezeigte Kollision zwischen Institutionenschutz, prozessualer Handlungsfreiheit und Einzelrechtsgüterschutz ist daher kein Spezifikum verfahrensdeterminierter Schädigungen. Auch hier ist der Sorgfaltsmaßstab grundsätzlich durch Abwägung zu ermitteln. Sie wird primär bestimmt durch die soziale Funktion staatlicher Rechtspflege und ihre verfassungsrechtlichen und prozessualen Wertungsmodelle. Daneben hat jedoch ebenfalls die Schutzwürdigkeit der bedrohten Rechtsgüter des Verfahrensgegners in die Abwägung mit einzufließen. Die Konkretisierung der Sorgfaltsmaßstäbe des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB bildet daher einen geeigneten Anknüpfungspunkt für die erstrebte Kollisionslösung. 2. Milderung der Sorgfaltsanforderungen für prozessuales Verhalten
Die Einordnung der Problematik im Rahmen der Sorgfaltsanforderungen des § 276 BGB verdeutlicht zugleich, daß das Unterliegen im Rechtsstreit allein kein Anknüpfungspunkt für eine Schadenshaftung der Prozeßpartei darstellen kann. Ein solches Postulat liefe auf eine Gefährdungshaftung für materiell unbegründete Verfahrenseinleitungen hinaus, die außerhalb der prozessualen Risikohaftungstatbestände der §§ 302 Abs. 4 S. 3, 600 Abs. 2, 717 Abs. 2 und 945 ZPO besonderer gesetzlicher Ausgestaltung bedürfte. Die Rechtsordnung statuiert im übrigen kein Prinzip grundSätzlicher Vermeidbarkeit potentiell rechtsgutsgefährdender Verhaltensweisen l48 . Damit würden nicht nur die Bewegungsfreiheit des einzelnen, sondern zugleich die sozialen Grundlagen menschlichen Zusammenlebens, die auf einer weitgehenden Handlungsfreiheit aufbauen, ad absurdum geführt. Die Grenze dieses von der Rechtsordnung gebilligten, unter der Kategorie des erlaubten Risikos einzuordnenden Freiraums wird von den sich aus den Umständen des Einzelfalls ergebenden Sorgfaltsanforderungen abgesteckt. Ein prozessuales Fehlverhalten ist daher nur dann haftungsrelevant, wenn die Prozeßpartei den drohenden Schadenseintritt sorgfaltswidrig nicht erkannt und vermieden hat. Dabei ist sowohl das intellektuelle Moment der ErkennKötz, S. 60; MünchKommIHanau, § 276 Rn. 99; SoergeUWolf, § 276 Rn. 74 Kötz, S. 60 ff; MünchKommIHanau, § 276 Rn. 90 148 v. Caemmerer, Wandlungen, S. 78; Münzberg, S. 274 f; MünchKommIHanau, § 276 Rn. 134 146 147
B. Die Zurechnung des tatbestandsmäßigen Erfolges
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barkeit als auch das voluntative Element der Vermeidbarkeit den bereichsspezifischen Erfordernissen, d.h. den Besonderheiten der prozessualen Situation anzupassen 149 • Diese bereichsspezifischen Besonderheiten, die im zweiten Teil der Arbeit anhand der verfassungsrechtlichen und prozessualen Wertmodelle aufgezeigt wurden150 , sprechen eher für eine Privilegierung, für eine Milderung der Sorgfaltsanforderungen zugunsten der prozessualen Handlungsfreiheit und zu Lasten des Integritätsinteresses. Erkennt man die Funktion der fahrlässigkeitskonstituierenden Kriterien in der Gewährung eines Spielraums, eines Freiheitsraumes menschlicher Verhaltensweisen, kommt den Werten, die die prozessuale Handlungsfreiheit ermöglichen oder fördern sollen, bei der Konkretisierung der Sorgfalts anforderungen entscheidende Bedeutung ZUlsl. Zentraler Projektionspunkt der Konkretisierung ist damit im prozessualen Bereich die von der Rechtsordnung grundsätzlich für zulässig erachtete Anrufung der Gerichte, die durch den Justizanspruch objektiv verfassungsrechtlich und partiell sogar materiell grundrechtlieh gewährleistet ist. Dies ist jedoch nur der Ausgangspunkt der vorzunehmenden Abwägung, der eine Überspannung der an die Prozeßpartei zu stellenden Sorgfaltsanforderungen verbietet. Die grundlegende Bedeutung des Justizanspruchs, der über die Generalklausel der verkehrserforderlichen Sorgfalt mittelbar auf die Beziehungen der Parteien einwirkt, führt freilich nicht zu einer pauschalen Haftungsbegrenzung auf den Maßstab der groben Fahrlässigkeit oder der Leichtfertigkeit des prozessualen Verhaltens. Eine solche generalisierende Betrachtungsweise würde nicht nur die Umstände des Einzelfalls zu wenig berücksichtigen, sondern auch das anzuerkennende Integritätsinteresse des Verfahrensgegners vernachlässigen. Für eine generelle Begrenzung des Haftungsmaßstabes spricht auch nicht die strafrechtliche Bestimmung des § 164 StGB, die nur wider besseres Wissen oder - vor der Streichung des § 164 Abs. 5 StGB - in leichtfertiger Weise vorgenommene falsche Behauptungen unter Strafe stellt l52 • Zum einen unterfällt die Anrufung eines Zivilgerichtes nicht der Regelung des § 164 StGB. Zum anderen sind die Gesichtspunkte, die den Gesetzgeber zur Normierung der Strafbarkeit eines Verhaltens veranlassen, auf die Voraussetzungen des zivilrechtlichen Schadensausgleichs nicht ohne weiteres übertragbar. Das Integritätsinteresse des Geschädigten kann hier in weit größerem Maße eine Herabsetzung der Haftungsanforderungen - wie dies etwa im Bereich der zivilrechtlichen Gefährdungshaftung geschieht bedingen, als dies der staatliche Strafanspruch rechtfertigt.
149 zu den besonderen Fahrlässigkeitsanforderungen z.B. bei Sportverletzungen BGHZ 58, 40; 63,140; im Arbeitsrecht Soergel/Kraft, § 611 Rn. 67 ff; allgemein hierzu Deutsch, I), S. 128 ff; SoergellWolf, § 276 Rn. 80 150 siehe oben 2. Teil §§ 2, 3 151 Deutsch, (I), S. 130 152 so Weitnauer, AcP 170 (1970), 447; Schultz-Süchting, S. 147 ff, 159
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§ 7 Kollisionslösung innerhalb des geltenden Haftungsrechts
Der Umfang der Erkennbarkeit der Tatbestandsverwirklichung wird durch die Begründung von Prüfungspflichten bestimmt 1S3 , während das Kriterium der Vermeidbarkeit auf die Fähigkeit und Zumutbarkeit zu sorgfältigem Handeln abstelIt i54 . Die Prozeßpartei trifft daher im Rahmen des intellektuellen Fahrlässigkeitsmoments eine PrüfungspflichtiSS im Hinblick auf die Berechtigung ihres Begehrens, die den Schwerpunkt der Betrachtung in den vorprozessualen Bereich verlagert. Dabei ist jedoch zunächst zwischen den tatsächlichen Grundlagen eines Parteivortrags und dessen rechtlicher Würdigung zu unterscheiden. Den Wahrheitsgehalt ihres Tatsachenvortrags muß die Prozeßpartei stets in sorgfältiger Weise prüfen. Dabei stellt der auf die subjektive Wahrhaftigkeit abstellende § 138 Abs. 1 ZP0156 keinen geeigneten Maßstab dar. Zwar dient der Zivilprozeß der Verwirklichung des Individualrechtsschutzes 157 und ist auf Wahrheitsfindung ausgerichtet. Auf Grund der einseitigen Interessenwahrnehmung durch die Prozeßpartei können daher gewisse Zweifel an der Richtigkeit des Vortrags unschädlich sein l58 . Andererseits sind die Garantien des Verfahrens - je nach der Verteilung der Beweislast - häufig nicht geeignet, der objektiven Wahrheit zum Erfolg zu verhelfen l59 . Entscheidend ist daher zu berücksichtigen, aus wessen Verantwortungsbereich mögliche Zweifel und Einwendungen gegen die Richtigkeit des Vortrages erwachsen. Der Verfahrensinitiator muß Einwendungen des Verfahrensgegners nur dann berücksichtigen, wenn diese ihm bekannt sind und seinem Vortrag offensichtlich entgegenstehen. Er kann nicht alle möglichen Einwendungen des Gegners voraussehen und ins Kalkül ziehen. Daß eine Pflicht zu einem vorprozessualen Informationsaustausch und zu einer außergerichtlichen Streitbeilegung nicht besteht l60 , wurde oben 161 schon dargelegt. Ist die Prozeßpartei dennoch von der Richtigkeit ihres Tatsachenvortrags überzeugt, kann es ihr nicht verwehrt werden, diesen in den Prozeß einzuführen· und es auf eine Beweisaufnahme ankommen zu lassen. Hier ist im Hinblick auf die geringe Prognostizierbarkeit des Ergebnisses einer Beweisaufnahme der Maßstab der groben Fahrlässigkeit sicher angebracht. Anders verhält es sich bei Zweifeln aus dem eigenen Verantwortungsbereich. Es stellt keine unzumutbare Einschränkung der prozessualen Handlungsfreiheit dar, dem Kläger, 153 MünchKommlHanau, § 276 Rn. 107; Soergel/Wolf, § 276 Rn. 108 154
Münzberg, S. 191 ff
155 siehe zu einer solchen Prüfungspflicht schon RGZ 11, 415, 418
156 BGH MDR 1980, 214; VersR 1985, 545; Otzen, Dirk: Die Wahrheitspflicht der Parteien im Zivilprozeß, in: ZZP 98,(1985),415 157 siehe oben § 3 A I 158 Hopt, Schadensersatz, S. 255; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 318 159 siehe Eingangsfall1, in dem der Beklagte trotz Rückzahlung des Darlehens verurteilt wird 160 so aber Hopt, Schadensersatz, S. 253; dagegen Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 320, Sturm, IR 1972, 44; Zeiss, IZ 1970, 198 161 siehe oben § 1 C 11 3
B. Die Zurechnung des tatbestandsmäßigen Erfolges
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seine eigene Sphäre betreffend, eine umfassende und strenge Vorprüfungspflicht aufzulegen. Hier kann auch ein lediglich leicht fahrlässiges Verhalten haftungsrelevant sein. Im Eingangsfall 1 handelt die Klägerin pflichtwidrig, wenn sie das Darlehen ohne sorgfältige Überprüfung ihrer Buchführung zur Rückzahlung fordert. Dem Vollstreckungsgläubiger im Eingangsfa1l4 fällt ein Sorgfaltsverstoß auch dann zur Last, wenn er ohne den telefonischen Hinweis des Vollstreckungsschuldners die Tilgung der titulierten Forderung nicht sorgfältig kontrolliert und gleichwohl die Vollstreckung fortsetzt. Auch der klagende Verein im Eingangsfa1l6 muß die Besitzverhältnisse an dem herausverlangten Sparbuch überprüfen, bevor er den Vorwurf eines strafrechtlich relevanten Verhaltens seiner Kassiererin behauptet und in den Prozeß einführt. Der Umfang der Prüfungspflichten korrespondiert mit den Verteidigungsmöglichkeiten, die das jeweilige Verfahren dem Verfahrensgegner bietet, sowie mit der Schutzwürdigkeit der betroffenen Rechtsgüter . Das kontradiktorische Verfahren ist durch die jederzeitige Erwiderungsmöglichkeit, die nur durch die Verspätungsvorschriften partiell eingeschränkt ist, und die Durchführung einer Beweisaufnahme durch das Gericht in viel stärkerem Maße geeignet, Schädigungen der Parteien zu vermeiden, als dies im Rahmen eines formalisierten Vollstreckungszugriffs möglich ist. Hinzu kommt, daß die Vollstrekkung zumeist einen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht des Schuldners ermöglicht. Soweit allerdings auch das Erkenntnisverfahren Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Ehrverletzungen des Verfahrensgegners zur Folge hat, die durch die prozessualen Schutzvorschriften nicht vermieden werden können, muß die Partei ihren Vortrag ähnlich sorgfältig auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Durch die Einbeziehung der Schutzwürdigkeit der betroffenen Rechtsgüter in die Abwägung wird jedoch nicht einer generellen Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zwischen der Rechtsposition des Rechtsschutzsuchenden und dem Eingriff in den Rechtskreis des Betroffenen das Wort geredet. Der Kläger wird häufig die Folgen für den Verfahrensgegner nicht überblicken können, weil er nicht einmal im Rahmen vertraglicher Beziehungen die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Gegners kennt. Er wird im übrigen in der Regel davon ausgehen dürfen, daß der Verfahrensgegner die üblichen verfahrensbedingten Beeinträchtigungen wie Ärger, Zeitversäumnis oder Aufregung durch Einschaltung eines Rechtsanwaltes auf ein Minimum reduziert. Gleichwohl ist in der Intensität zwischen der Stellung eines Konkursantrages, der Beantragung eines Hafttermins im Offenbarungsverfahren oder der Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens ein auch für den Verfahrensinitiator erkennbarer gradueller Unterschied, der bei den ex post zu beurteilenden Sorgfaltsanforderungen von Relevanz ist. Die an den Tatsachenvortrag zu stellenden Sorgfaltsanforderungen sind von deren rechtlicher Würdigung durch die Prozeßpartei strikt zu trennen. Hier steht der prozessuale Grundsatz des da mihi facta, dabo tibi ius einer umfäng-
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§ 7 Kollisionslösung innerhalb des geltenden Haftungsrechts
lichen Prüfungspflicht der Prozeßpartei entgegen 162 • Die Naturalpartei ist außerhalb des Anwaltszwanges nicht einmal gehalten, rechtliche Wertungen vorzunehmen. Dies obliegt allein dem erkennenden Gericht. Würde man im übrigen der Prozeßpartei das Rechtsrisiko ihres Vortrags in vollem Umfang überbürden, unterliefe das den Rechtsfortbildungszweck des Zivilprozesses 163 • Die Partei handelt daher nicht pflichtwidrig, wenn sie in Grenzbereiche vordringt, über die zuvor überhaupt noch nicht, gegenteilig oder widersprechend entschieden wurde. Nur solche Grenzinitiativen l64 ermöglichen die Weiterentwicklung und Ergänzung der rechtlichen Begriffe und Wertungen. Gleichwohl kann hier die Naturalpartei nicht von jeglicher Verantwortlichkeit entbunden werden. Zum einen läßt sich das tatsächliche vom rechtlichen Vorbringen häufig nicht exakt trennen, da eines vom anderen determiniert ist. Zum anderen finden auch rechtliche Begriffe und Wertungen Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch und sind daher dem juristischen Laien verständlich. Gewisse Anhaltspunkte für den Haftungsmaßstab können den Anforderungen für die Vorprüfung des Prozeßkostenhilfegesuchs entnommen werden, die im Rahmen der vorausgesetzten hinreichenden Erfolgsaussicht auch eine rechtliche Würdigung erfordert. Die dort maßgebenden Gesichtspunkte sind hier durchaus verwertbar, da die Vorprüfung im Prozeßkostenhilfeverfahren nicht nur die Staatsfinanzen schützen soll, sondern auch den Gegnerschutz im Auge hat 165 • Die Prozeßpartei muß daher aus ihrer Sicht ihren Rechtsstandpunkt für zumindest vertretbar halten, womit lediglich ein Verbot offenkundig unzulässiger oder unbegründeter Anträge und Klagebegehren statuiert werden kann l66 • Die Partei hat somit unterhalb der Grenze grober Fahrlässigkeit ein Rechtsrisiko nicht zu tragen.
Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 319; Sturm, JR 1972, 44 siehe dazu oben § 3 A III; ausführlich auch SteinlJonas/Schumann, Ein!. Rn. 24 ff 164 Ausdruck von Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte, S. 217, zu dem ähnlich gelagerten Problem der Haftungsbegrenzung für Arbeitskampfmaßnahmen 165 SteinlJonas/Schumann, § 114 Rn. 29 166 Hopt, Schadensersatz, S. 253; Konzen, Rechtsverhältnisse, S. 320 162 163
Zusammenfassung Die Haftung der Schäden, die im Rahmen von Rechtsverfolgungsmaßnahmen entstehen, wirft ein Spannungsverhältnis zwischen der prozessualen Handlungsfreiheit des Verfahrensinitiators und dem Integritätsinteresse des geschädigten Verfahrensgegners auf!. Im Vordergrund der Diskussion steht dabei die allseits befürchtete Sorge um die Verkümmerung des Rechtsschutzes durch drohende Schadensersatzansprüche. Jedoch bedingen weder die verfassungsrechtlich verankerte Garantie staatlichen Rechtsschutzes noch die zur Durchsetzung subjektiver Rechte erforderliche Aufrechterhaltung der staatlichen Rechtspflege eine apriorische oder jedenfalls bis zur Grenze vorsätzlich-sittenwidrigen Fehlverhaltens reichende Haftungsfreistellung für schädigendes prozessuales Verhalten. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben entfalten unmittelbare Wirkung nur zwischen dem Staat und dem rechtsschutzsuchenden Bürger2 . Der von der Rechtsprechung und Lehre favorisierte Gedanke von der Verkümmerung des Rechtsschutzes führt ebenfalls zu keiner anderen Betrachtungsweise. Eine generelle Präventivwirkung drohender Schadensersatzklagen, die zu einer Aushöhlung des Justizanspruches führen könnten, ist nicht nachweisbar3 • Gerade die Haftung anderer Prozeßbeteiligter zeigt, daß die allgemeine Delikts- und Vertragshaftung nicht dadurch verdrängt wird, daß ein schädigendes Fehlverhalten in den Bereich eines gerichtlichen Verfahrens hineinreicht4 • Eine Störung der Rechtspflege kann mit prozessualen Mitteln verhindert werden5 . Auch die verfahrensrechtlichen Vorschriften und die prozessualen Wertungsmodelle schaffen außerhalb des materiellen Haftungsrechts keinen Sonderrechtskreis6 • Die Durchsetzung materiell-rechtlicher Schadensersatzansprüche ist, mit Ausnahme der Spezialnorm des § 12 a ArbGG, weder durch die Kostenerstattungsnormen7 noch durch die verschuldensunabhängigen Haftungstatbestände bei der Vollziehung noch nicht bestandskräftiger gerichtlicher Entscheidungen ausgeschlossen 8 • 1 2
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siehe oben § 1 A 11 siehe oben § 2 B siehe oben § 3 B III 1 siehe oben § 5 C siehe oben § 3 III 2 siehe oben § 3 B 111 2 a aa siehe oben § 4 A I siehe oben § 4 A 11
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Zusammenfassung
Die haftungsrechtliche Anknüpfung an prozessuales Parteiverhalten ist nur partiell möglich. Die prozessuale Beziehung der Parteien mit ihren positivierten Verhaltensnormen begründet keine, das Deliktsrecht verstärkende, der culpa in contrahendo vergleichbare Haftung für prozessuales Fehlverhalten9 • Ebensowenig handelt es sich bei den prozessualen Vorschriften um Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. Der auf den prozessualen Bereich ausgerichtete Schutzzweck der prozessualen Vorschriften bleibt hinter der Schadensausgleichsfunktion des Deliktsrechts zurück 10. Eine Verletzung gewillkürter Parteipflichten kann hingegen Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung auslösen. Sie sind allerdings durch das Institut der materiellen Rechtskraft begrenzt und inhaltlich von Umfang und Reichweite der vertraglichen Bindung determiniert 11. Die an die Prozeßparteien gerichteten Ge- und Verbote beschreiben schließlich auch die deliktischen Sorgfaltsanforderungen nicht abschließend. Durch die Verfahrensnormen wird weder tatsächlich ein ausreichender Rechtsgüterschutz erreicht noch von deren Normzweck umfaßt12 . Eine Kollisionslösung außerhalb der herkömmlichen Haftungsdogmatik durch eine, besonderen Regeln folgende Streithaftung ist ebenfalls nicht anzuerkennen. Das zivilrechtliche Haftungssystem ist auch bei prozeßbedingten Eingriffen in einen fremden Rechtskreis nicht durch eine spezifisch prozessuale Risikozuordnung substituiert13. Der sachgerechte Ausgleich zwischen dem Integritätsinteresse des Verfahrensgegners und der prozessualen Handlungsfreiheit des Rechtsschutzsuchenden findet vielmehr innerhalb der Systematik des geltenden Haftungsrechts statt. Eine beschränkte Haftungsanknüpfung bewirkt bereits auf Tatbestandsebene das deliktische Enumerationsprinzip14. Einen allgemeinen Generaltatbestand der unberechtigten Rechtsverfolgung durch die Herausbildung von Verhaltensnormen gibt es nicht15 . Ein partieller Vermögensschutz kann lediglich durch die deliktischen Generalklauseln des Rechts am Unternehmen und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts statuiert werden. Dabei stellt jedoch das Recht am Unternehmen keinen Anknüpfungspunkt für den Sonderfall der unberechtigten Schutzrechtsberühmung dar. Vielmehr unterfällt diese als Wettbewerbshandlung ausschließlich dem Spezialtatbestand des § 1 UWG. siehe oben § 4 BIll a bb siehe oben § 4 BIll a bb 11 siehe oben § 4 BIll b 12 siehe oben § 4 B II 2 b 13 siehe oben § 5 14 siehe oben § 7 A I 15 siehe oben § 7 A II 1
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Zusammenfassung
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Bei der Begründung der Sittenwidrigkeit des Wettbewerbsverhaltens hat dort eine umfassende Güter- und Interessenabwägung unter Berücksichtigung auch spezifisch wettbewerblicher Gesichtspunkte zu erfolgen l6 • Die Kompensation der Schutzfunktion der absoluten Rechte und der Eingriffsfunktion der prozessualen und verfassungsrechtlichen Normen konzentriert sich jedoch auf die Ebene der Rechtswidrigkeit und des Verschuldens einer schädigenden Rechtsverfolgungsmaßnahme. Dabei kommt der Bestimmung des deliktischen Unwerturteils keine selbständige Bedeutung zu. Der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen ist auf den Teilausschnitt der Ehrverletzung beschränkt und geht über die Sorgfaltsmaßstäbe des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB nicht hinaus l7 . Ein eingeschränkter Rechtfertigungsgrund der gerichtlichen Inanspruchnahme ist aus dogmatischen Gründen abzulehnen l8 • Schließlich kommt eine Güter- und Interessenabwägung zur Begründung des deliktischen Unwerturteils nur bei den deliktischen Generalklauseln in Betracht. Die Besonderheiten der Funktion einer Rechtsverfolgungsmaßnahme rechtfertigen nicht die Abweichung von der rechtswidrigkeitsindizierenden Wirkung des Tatbestandes und lassen daher eine Haftungsdifferenzierung durch eine positive Statuierung der Rechtswidrigkeit nicht ZU I9 . Einen geeigneten Anknüpfungspunkt für die erstrebte Kollisionslösung bildet daher die Konkretisierung der Sorgfaltsmaßstäbe des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB2o. Ein prozessuales Fehlverhalten ist dann haftungsrelevant, wenn der Verfahrensinitiator den Schadenseintritt sorgfaltswidrig nicht erkannt und vermieden hat. Ausgangspunkt des den bereichsspezifischen Erfordernissen anzupassenden Sorgfaltsmaßstabes ist der verfassungsrechtlich gewährleistete Justizanspruch, der eine Überspannung der Sorgfaltsanforderungen verbietet. Der Verfahrensinitiator ist jedoch zu einer sorgfältigen Überprüfung des Wahrheitsgehaltes seines Vortrages verpflichtet und muß dabei insbesondere Zweifeln aus seinem eigenen Verantwortungsbereich Rechnung tragen. Der Umfang der Prüfungspflichten korrespondiert mit den dem Verfahrensgegner zur Verfügung stehenden Verteidigungsmitteln und der Schutzwürdigkeit der betroffenen Rechtsgüter. Ein Rechtsrisiko hat der Verfahrensinitiator hingegen unterhalb der Grenze grober Fahrlässigkeit nicht zu tragen21 .
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siehe oben § 7 A 11 2 siehe oben § 7 B I 1 a siehe oben § 7 B I 1 b siehe oben § 7 B I 2 b siehe oben § 7 BIll siehe oben § 7 B 11
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Böhle-Stammschräder, A.; Kilger, Joachim: Konkursordnung, 14. Aufl., München 1984. Böhm, Harald: Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung und materiellrechtliche Ausgleichsansprüche, Bielefeld 1971. Bötticher, Eduard: Zur Lehre vom Streitgegenstand im Eheprozeß, in: Beiträge zum Zivilprozeßrecht, Festgabe zum 70. Geburtstag von Leo Rosenberg, München und Berlin 1949, 73.
-
Anmerkung zu BAG AP Nr. 1 zu § 242 BGB Prozeßverwirkung.
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Buchbesprechung von BettermannINipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, ZZP 74 (1961),315.
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Unzulässigkeit richterlicher Rechtsfindung bei gesetzlich vorbehaltener Materie, ZZP 75 (1962), 28.
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Prozeßrecht und materielles Recht, ZZP 85 (1972), 1.
Bakelmann, Erika: "Rechtswegsperre" durch Prozeßkosten, ZRP 1973, 164. BrilI, Werner: Zur zivilrechtlichen Haftung des Betriebsrats und seiner Mitglieder, AuR 1980, 353.
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Bruchhausen, N.N.: Anmerkung zu BGHZ 62,29, LM Nr. 8 zu § 823 BGB (AG). Bruns, Rudolf: Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., München 1979. -; Peters, Egbert: Zwangsvollstreckungsrecht, 2. Aufl., München 1976. Buchner, Herbert: Die Bedeutung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb für den deliktsrechtlichen Unternehmensschutz, München 1971. Büchmann, Knud: Grenzen der Abwehr prozessualer Manipulationen in der Zwangsversteigerung, ZIP 1986, 7.
Das Bürgerliche Gesetzbuch: Kommentar, herausgegeben von Mitgliedern des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, 12. neubearbeitete Aufl., Berlin, New York seit 1974 (Zitierweise: RGRKlBearbeiter). Caemmerer, Ernst v.: Das Problem des Kausalzusammenhangs im Privatrecht, Freiburg 1956 [Zitierweise: von Caemmerer, (I)].
-
Wandlungen des Deliktrechts, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages 1860-1960, Band 11, Karlsruhe 1960,49-136 (Zitierweise: Wandlungen).
Canaris, Claus-Wilhelm: Ansprüche wegen "positiver Vertragsverletzung" und "Schutzwirkung für Dritte" bei nichtigen Verträgen, JZ 1965, 475.
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Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, Berlin 1969 (Zitierweise: Systemdenken ).
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Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, München 1981.
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Schutzgesetze-Verkehrspflichten-Schutzpflichten, Festschrift für Karl Larenz zum 80. Geburtstag am 23. 4. 1983, München 1983.
Coing, Helmut: Anmerkung zu BGH Urt. v. 08.03.1951,11 ZR 44/50 (NJW 1951, 396), NJW 1951, 596. Däubler, Wolfgang: Bürger ohne Rechtsschutz, BB 1969,545. Damm, Reinhard: Die zivilrechtliche Haftung des gerichtlichen Sachverständigen BGHZ 62,54 -, JuS 1976, 359. Degenkolb, Heinrich: Einlassungszwang und Urteilsnorm, Neudruck der Ausgabe Leipzig 1877, Aalen 1969, zit.: Einlassungszwang. Derleder, Peter: Betriebliche Mitbestimmung ohne vorbeugenden Rechtsschutz, AuR 1983,289. Deubner, Karl: Die Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als Rechtsbehelf im Zivilprozeß, NJW 1980, 263. Deutsch, Erwin: Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, Kiel 1963 [Zitierweise: Deutsch, (I)].
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Entwicklung und Entwicklungstendenzen der Deliktstatbestände, JZ 1963, 385.
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Zum Verhältnis von vertraglicher und deliktischer Haltung, Festschrift für Karl Michaelis, Göttingen 1972, 26.
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Finalität, Sozialadäquanz und Schuldtheorie als zivilrechtliche Strukturbegriffe, in: Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geb., Berlin, New York 1974 [Zitierweise: Deutsch, (11)]. 14 Gölz
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Haftungsrecht, 1. Band, Allg. Lehren 1976.
Dittmar, Rolf: Die Berücksichtigung vorprozessual entstandener Anwaltskosten, NJW 1986,2088. Dölle, Hans: Pflicht zur redlichen Prozeßführung?, in: Festschrift für Otto Riese zum 70. Geb., 1964. Dütz, Wilhelm: Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, Bad Homburg v.d.H., Berlin, Zürich 1970 [Zitierweise: Dütz, (I)].
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Verwirkung des Rechts auf Anrufung der Gerichte, NJW 1972,1025.
Dyckerhoff, Robert: Ist die unberechtigte Aufforderung zur Unterlassung einer Warenzeichen- oder Patentverletzung ein schadensersatzpflichtiger Eingriff in den Gewerbebetrieb?, WuW 1957,626. Emmerich, Volker: BGB Schuldrecht, Besonderer Teil, 4. Aufl. Heidelberg 1985. Engisch, Karl: Die Einheit der Rechtsordnung, Heidelberg 1935. Enneccerus, Ludwig; Lehmann, Heinrich: Recht der Schuldverhältnisse, 15. Bearbeitung, Tübingen 1958. -; Nipperdey, Hans Carl: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 14. Aufl., Tübingen 1955; 15. Aufl., 1960. Erman, Walter: Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 1. u. 2. Band, 7. Aufl., Münster 1981 (Zitierweise: ErrnanlBearbeiter). Esser, Josef: Buchbesprechung von Hopt, Schadensersatz aus unberechtiger Verfahrenseinleitung, in: ZZP 83 (1970), 348.
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Vorverständnis und Methodenwahl, Frankfurt 1970 (Zitierweise: Esser, Vorverständnis).
-; Schmidt, Eike: Schuldrecht, Allgemeiner Teil, Teilbände 1 und 2, Uni- Taschenbücher 592, 5. Aufl., Heidelberg, Karlsruhe 1976 (Zitierweise: Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Teilband). -; Schmidt, Eike: Schuldrecht Bd I, Allgemeiner Teil, 6. Aufl., Heidelberg 1984 (Zitierweise: Esser/Schmidt, Schuldrecht AT). -; Weyers, Hans-Leo: Schuldrecht, Bd. 11, Besonderer Teil, 6. Aufl., Heidelberg 1984. Fabricius, Fritz: Der Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, JuS 1961, 151. Fechner, Erich: Kostenrisiko und Rechtswegsperre - Steht der Rechtsweg offen?, JZ 1969,349. Fenn, Herbert: Schadenshaftung aus unberechtigter Klage oder Rechtfertigungsgrund der Inanspruchnahme eines gesetzlich eingerichteten und geregelten Verfahrens, ZHR 132 (1969) 344. Ferid, Murad: "Contempt of Court" im Zivilprozeß und ähnliche Regelungen in anderen Rechten, in: Beiträge zum Bürgerlichen Recht. Dt. Landesreferate zum 3. internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in London, 1950, 542.
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Fikentscher, Wolfgang: Das Recht am Gewerbebetrieb (Unternehmen) als "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, eine kritische Übersicht,in: Das Unternehmen in der Rechtsordnung, Festgabe für Heinrich Kronstein, Karlsruhe 1967 [Zitierweise: Fikentscher, (11)].
-
Schuldrecht, 7. Aufl., Berlin, New York 1985.
Filseck, Moser v.: Anmerkung zu BGH Urt. v. 05.11.1962 (GRUR 1963, 255), GRUR 1963,260. Finger, Peter: Buchbesprechung von Preusche, Rainer, Unternehmensschutz und Haftungsbeschränkung im Deliktsrecht, Berlin 1974, JZ 1976, 653. Fischer, Friedrich-Wilhelm: Abnehmer-Verwarnung aus Patenten und Gebrauchsmustern (I), DB 1976,85. Fischer-Fischerhof, N.N.: Die Schadensersatzpflicht des Vollstreckungsgläubigers bei ungerechtfertigter Zwangsvollstreckung, Berlin, Leipzig 1934. Franzki, Harald: Die Reform des Sachverständigenbeweises in Zivilsachen, DRiZ 1976,97. Gaul, Hans Friedhelm: Die Grundlagen des Wiederaufnahmerechts und die Ausdehnung der Wiederaufnahmegründe, Bielefeld 1956.
-
Zur Struktur der Zwangsvollstreckung, Rpfl 1971, 81.
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Zur Frage nach dem Zweck des Zivilprozesses, AcP 168 (1968), 27.
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Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung und materielle Ausgleichsansprüche, AcP 173 (1973), 323.
Geib, Otto: Rechtsschutzbegehren und Anspruchsbetätigung im deutschen ZivilprozeB, Abhandlungen zum Privatrecht und ZivilprozeB des Deutschen Reichs, XVIII. Band, Heft 1, München 1909 (Zitierweise: Geib, Rechtsschutzbegehren). Gerhard, Walter: Vollstreckungsrecht, 2. Aufl., Berlin, New York 1982. Gilles, Peter: Verfahrensfunktionen und Legitimationsprobleme richterlicher Entscheidungen im ZivilprozeB, in: Festschrift für Gerhard Schiedermair, München 1976. Glückert, Jürgen: Schadensersatzansprüche bei Stromleitungsbeschädigungen, AcP 166 (1966),311. Godin, Hans Freiherr von: Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., Berlin, New York 1974. -; Wilhelmi, Hans: Aktiengesetz, Band 11, 4. Aufl., Berlin, New York 1971. Görres, Karl Heinrich: Haftung für Kosten und Schäden, ZZP 35 (1906), 338. Goldschmidt, James: Der Prozeß als Rechtslage - eine Kritik des prozessualen Denkens, Neudruck der Ausgabe Berlin 1925, Aalen 1962.
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Ungerechtfertigter Vollstreckungsbetrieb. Ein Beitrag zur Lehre von den Vollstrekkungsgrundlagen, Abhandlungen zum Privatrecht und ZivilprozeB, 20. Band, München 1910 (Zitierweise: Goldschmidt, Vollstreckungsbetrieb).
Groh, Wilhelm: Der Anspruch auf Rechtspflege, ZZP 51 (1926), 145.
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Grunsky, Wolfgang: Empfehlen sich im Interesse einer effektiven Rechtsverwirklichung für alle Bürger Änderungen des Systems des Kosten- und Gebührenrechts? , Gutachten A für den 51. Deutschen Juristentag, München 1976 [Zitierweise: Grunsky, (I)].
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Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl., Bielefeld 1974 (Zitierweise: Grunsky, Verfahrensrecht ).
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Grundzüge des Zwangsvollstreckungs- und Konkursrechts, 3. Aufl., Tübingen 1983.
Günther, Klaus-Jürgen: Abermals: Mobiliarzwangsvollstreckung in schuldnerfremde Sachen und Bereicherungsausgleich, AcP 178 (1978), 456. Habscheid, Walter: Der Anspruch auf Rechtspflege, ZZP 67 (1954), 188. Häsemeyer, Ludwig: Schadenshaftung im Zivilrechtsstreit, Heidelberg, Hamburg 1979 (Zitierweise: Häsemeyer, Schadenshaftung) .
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Endgültige Zuweisung des Vollstreckungsschadens durch einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung?, NJW 1986, 1028.
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Die Erzwingung richterlicher Entscheidungen, mögliche Reaktionen auf Justizverweigerungen, Festschrift für Karl Michaelis, Göttingen 1972, 134 [Zitierweise: Häsemeyer, (11)].
Hager, Günther: Zum Begriff der Rechtswidrigkeit im Zivilrecht, in: Recht und Rechtserkenntnis, Festschrift für Ernst Wolf zum 70. Geb., Köln, Berlin, Bonn, München 1985.
Hahn, c.: Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2, 1.2. Die gesamten Materialien zur Civilprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu demselben vom 30.1.1877, Berlin 1880 (Zitierweise: Hahn, Materialien).
Hanau, Peter: Repräsentation des Arbeitgebers und der leitenden Angestellten durch den Betriebsrat, RdA 1979, 324. Hauss, N.N.: Anmerkung zu BGHZ 36,18, LM Nr. 18 zu § 823 BGB (Ai). Helle, Ernst: Die Rechtswidrigkeit der ehrenrührigen Behauptung, NJW 1961, 1896.
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Der Schutz der Persönlichkeit, der Ehre und des wirtschaftlichen Rufes im Privatrecht, 2. Aufl., Tübingen 1969 (Zitierweise: Helle, E., Schutz der Persönlichkeit).
Helle, Jürgen: Die Begrenzung des zivilrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit und der Ehre gegenüber Äußerungen in rechtlich geordneten Verfahren, GRUR 1982, 207. Hellmer, Joachim: Anmerkung zu BGH NJW 1974, 312, NJW 1974, 556. Hellwig, Hans-Jürgen: Schadensersatzpflichten aus prozessualem Verhalten, NJW 1968,1072.
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Zur Systematik des zivilprozeßrechtlichen Vertrages, Bonn 1968 (Zitierweise: Hellwig, H.-J., Systematik).
Hellwig, Konrad: Anspruch und Klagerecht, Beiträge zum Bürgerlichen Recht und zum Prozeßrecht, Neudruck der Ausgabe Leipzig 1924, Aalen 1967 (Zitierweise: Hellwig, K., Anspruch).
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System des deutschen Zivilprozeßrechts in zwei Teilen, Neudruck der Ausgabe Leipzig 1912, Aalen 1968, Teil 1: Ordentliches Verfahren, ausschließlich besondere Prozeßarten und Zwangsvollstreckung (Zitierweise: Hellwig, K., System I).
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Klagrecht und Klagmöglichkeit. Eine Auseinandersetzung über die Grundfragen des heutigen Civilprozeßrechts, Leipzig 1905 (Zitierweise: Hellwig, K., Klagrecht).
Henckel, Wolfram: Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß, Heidelberg 1961. -
Prozeßrecht und materielles Recht, Göttingen 1970 (Zitierweise: Henckel, Prozeßrecht).
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Anmerkung zu BGHZ 58, 207 (JZ 1973, 29), JZ 1973, 32.
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Buchbesprechung von Rolf Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, ZZP 92 (1979),100.
Henssler, N.N.: Anmerkung zu BGH Urt. v. 30.09.1964 (GRUR 1965, 198), GRUR 1965, 202, 204. Hermann, Harald: Interessenverbände und Wettbewerbsrecht, Baden-Baden 1984. Hesse, Hans Gerd: Verlust des Entschädigungsanspruches des gerichtlichen Sachverständigen, NJW 1969, 2263. Hesse, Konrad: Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 13. Auf!. , Heidelberg 1982. Hili, Hermann: Rechtsschutz des Bürgers und Überlastung der Gerichte, JZ 1976, 805. Hippel, Fritz v.: Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozeß, Frankfurt 1939. -
Zur modemen konstruktiven Epoche der "deutschen Prozeßrechtswissenschaft", ZZP 65 (1952), 424.
Hirsch, Hans: Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, Bonn 1960. -
Soziale Adäquanz und Unrechtslehre, ZfStW 74 (1962), 78.
Honsell, Heinrich; Harrer, Friedrich: Entwicklungstendenzen im Schadensersatzrecht, JuS 1985, 16l. Hopt, Klaus: Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, München 1968 (Zitierweise: Hopt, Schadensersatz). -
Anmerkung zu BGH JZ 1974, 548, JZ 1974, 55l.
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Nichtvertragliche Haftung außerhalb von Schadens- und Bereicherungsausgleich, AcP 183 (1983), 608.
Horn, Wieland: Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur unberechtigten Verwarnung, GRUR 1971, 442. -
Die unberechtigte Verwarnung aus gewerblichen Schutzrechten, Diss., München 1971 (Zitierweise: Unberechtigte Verwarnung).
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Das Urteil des Bundesgerichtshofs im Fall "Maschenfester Strumpf", Anmerkungen und Konsequenzen, GRUR 1974,235.
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Anmerkung zu BGH GRUR 1976, 715 (Spitzgießmaschine), GRUR 1976,718.
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Huber, Konrad: Verkehrspflichten zum Schutz fremden Vermögens, in: Festschrift für Ernst von Caemmerer zum 70. Geburtstag, Tübingen 1978, 359. Hummer, Rüdiger: Justizgewährung und Justizverweigerung in verfassungsrechtlicher Sicht, Diss., Marburg 1972 [sola, Horst: Schwierigkeiten beim Zugang zur Rechtspflege, Recht und Politik 1974,64. Jäckle, Wolfgang: Nochmals: Inkassokosten als Verzugsschaden, NJW 1986, 2692. Jäger, Ernst: Konkursordnung mit Einführungsgesetz, §§ 1-9,9. Aufl., bearbeitet von Henckel, Wolfram, Berlin, New York 1977. Jakobs, Heinrich; Schubert, Werner: Die Beratungen des Bürgerlichen Gesetzbuches in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, Berlin, New York 1978-1983. Jauernig, Othmar: Das fehlerhafte Zivilurteil, FrankfurtIM. 1958.
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Materielles Recht und Prozeßrecht, JuS 1971, 329.
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Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht, 16. Aufl., München 1983.
-
Zivilprozeßrecht,21. Aufl., München 1985.
Jessnitzer, Kurt: Der gerichtliche Sachverständige, 8. Aufl., Köln, Berlin, Bonn, München 1980. Jhering, Rudolf von: Culpa in contrahendol Staub, Hermann: Die positiven Vertragsverletzungen, Bad Homburg v.d.H., Berlin, Zürich 1969. Kaser, Max: Das römische Zivilprozeßrecht, 3. Teil, 4. Bd., München 1956. Kaupen, Wolfgang: Bevölkerung und Rechtspflege in der Bundesrepublik - Bericht über eine repräsentative Bevölkerungsumfrage, AnwBI1971, 63. Klag, Kurt-Dieter: Die Querulantenklage in der Sozialgerichtsbarkeit, Köln, Berlin, Bonn, München 1980. Kleinknecht, Theodor; Meyer, Karlheinz: Strafprozeßordnung, München 1987. Kloepfer, Michael: Verfahrensdauer und Verfassungsrecht, JZ 1979, 209.
-
Urteilsanmerkung zum Urteil des VG Berlin vom 25. 1. 1977, DVBI. 1977, 740.
Klug, Ulrich: Sozialkongruenz und Sozialadäquanz im Strafrechtssystem, Festschrift für Eberhard Schmidt zum 70. Geb., Göttingen 1961,249. -; Kniffka, Rolf: Der amtsgerichtliche Zivilprozeß - ein bürgernahes Verfahren, DRiZ 1982, 13.
Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, herausgegeben von Zöllner, Wolfgang, bearbeitet von Biedenkopf, Kurt; Claussen, Carsten P.; Geilen, Gerd; Koppensteiner, Hans-Georg; Kraft, Alfons; Kronstein, Heinrich; Lutter, Marcus, Mertens, HansJoachim; Zöllner, Wolfgang, Band 2, 4. Lieferung, Köln, Berlin, Bern, München 1976 (Zitierweise: Kölner KommIBearbeiter). Kötz, Hein: Deliktsrecht, 3. Aufl., Frankfurt 1983. Kohler, Josef: Der Prozeß als Rechtsverhältnis, Neudruck der Ausgabe Mannheim 1888, Aalen 1969.
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Kohler, Jürgen: Überholte Vollstreckungsabwehr und verschärfte Bereicherungshaftung, ZZP 99 (1986), 34. Kohte, Wolfhard: Rechtsschutz gegen die Vollstreckung des wucherähnlichen Rechtsgeschäftes nach § 826 BGB, NJW 1986, 2217. Konzen, Horst: Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, Berlin 1976 (Zitierweise: Konzen, Rechtsverhältnisse ). -
Buchbesprechung von Loritz, Die Konkurrenz materiell-rechtlicher und prozessualer Kostenerstattung, ZZP 97 (1984), 502.
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Privatrechtssystem und Betriebsverfassung, ZfA 1985, 469.
Kraft, Alfons: Interessenabwägung und gute Sitten im Wettbewerbsrecht, München und Berlin 1963. Kreuzer, Kar!: Anmerkung zu BGH Urteil vom 28. 1. 1976, JZ 1976, 778. Kropf!, Bruno: Aktiengesetz, Textausgabe des Aktiengesetzes vom 6.9.1965 mit Begründung des Regierungsentwurfes, Düsseldorf 1965. Kunze, Gerd: Zum Rechtsschutz gegen ungerechtfertigte Schutzrechtsverwarnungen, WRP 1965, 7. Lange, Hermann: Adäquanztheorie, Rechtswidrigkeitszusammenhang, Schutzzwecklehre und selbständige Zurechnungsmomente, JZ 1976, 198. -
Schadensersatz, Tübingen 1979.
Larenz, Kar!: Die Prinzipien der Schadenszurechnung, JuS 1965,373. -
Rechtswidrigkeit und Handlungsbegriff im Zivilrecht, in: Vom deutschen zum europäischen Recht, Festschrift für Hans Dölle, Band I, Tübingen 1963, 169.
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Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, Allgemeiner Teil, 12. Aufl., München 1979 (Zitierweise: Larenz, Schuldrecht I).
Lehrbuch des Schuldrechts, Band 11, Besonderer Teil, 11. Aufl., München 1977 (Zitierweise: Larenz, Schuldrecht 11). Leipold, Dieter: Anmerkung zu BGH JZ 1968, 463, JZ 1968, 465. -
Prozeßförderungspflicht der Parteien und richterliche Verantwortung, ZZP 93 (1980),237.
Lent, Friedrich: Zur Unterscheidung von Lasten und Pflichten der Parteien im Zivilprozeß, ZZP 65 (1954), 344. Lerche, Peter: Zum "Anspruch auf rechtliches Gehör", ZZP 78 (1965), 1. Leser, Hans: Zu den Instrumenten des Rechtsgüterschutzes im Delikts- und Gefährdungshaftungsrecht, AcP 183 (1983), 568. Lindacher, Walter: Die Haftung wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung oder Schutzrechtsklage, ZHR 144 (1980), 350. Lippross, Otto-Gerd: Schadensersatzhaftung aus privatrechtswidrigen Zwangsvollstreckungsakten, JA 1980, 16. Löwisch, Manfred: Rechtswidrigkeit und Rechtfertigung von Forderungsver!etzungen, AcP 165 (1965), 421.
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Der Deliktsschutz relativer Rechte, Berlin 1970.
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Inkassokosten als Verzugszinsen, NJW 1986,1725.
-; Meier-Rudalph, N.N.: Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in der Rechtsprechung, JuS 1982, 240. Larenz, Dieter: Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, München 1973. -
Grundrechte und Verfahrensordnungen, NJW 1977, 865.
Larenz, Kurt: Rechtsfolgen der Verletzung der Wahrheitspflicht im Zivilprozeß, JW 1934,875. Larenz, Werner: Fortschritte der Schuldrechtsdogmatik, JZ 1961, 433. Loritz, Karl-Georg: Die Konkurrenz materiellrechtlicher Ersatzansprüche und Kostenerstattungsansprüche und - Normen bei Anspruchsentstehung und - Durchsetzung, Diss., Konstanz 1979 (Zitierweise: Loritz, K.-G., Die Konkurrenz). -
Buchbesprechung von Becker-Eberhard, Grundlagen der Kostenerstattung bei der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche, ZZP 99 (1986), 112.
Luhmann, Niklas: Legitimation durch Verfahren. 1. Aufl., Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1983, text- und seitenidentisch mit Luchterhand Verlag, 3. Aufl., 1978. Marcuse, Hans Werner: Die Haftung für ungerechtfertigten Vollstreckungsbetrieb, Diss., Berlin 1933. Maunz, Theodor; Dürig, Günter; Herzog, Roman: Grundgesetz, Bd. 1, PräambelArt. 19 GG; Bd. 2, Art. 20-91 b GG, Loseblattsammlung, München. Medicus, Dieter: Schuldrecht 11, Besonderer Teil, München 1983. Mertens, Hans-Joachim: Deliktsrecht und Sonderprivatrecht - Zur Rechtsfortbildung des deliktischen Schutzes von Vermögensinteressen, AcP 178 (1978), 227. -
Verkehrspflichten und Deliktsrecht, VersR 1980, 397.
Mes, Peter: Der Rechtsschutzanspruch, Köln 1970. Meyer, E.H.; Meulenbergh, Gottfried; Beuthien, Volker: Genossenschaftsgesetz, 12. Aufl., München 1983. Michel, N.N.: Die negatorische Ehrenschutzklage gegen den Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigten, MDR 1959, 709. Mohrbutter, Jürgen: Handbuch des gesamten Vollstreckungs- und Insolvenzrechts, 2. völlig neu überarbeitete Aufl., Berlin 1974. Motive zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, 2. Aufl., Bände 1-5, Berlin 1896. Mümmler, A.: Der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch, JurBüro 1982, Sp. 987. -
Aus der Kostenpraxis des Rechtsanwalts - für die Praxis, JurBüro 1981, 1635.
Münchner Kommentar zum BGB, 2. Aufl., München 1978-1986 (Zitierweise: MünchKommlBearbeiter) .
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Münzberg, Wolfgang: Verhalten und Erfolg als Grundlage der Rechtswidrigkeit und Haftung, Frankfurt 1966. Mugdan, Benno: Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Neudruck der Ausgabe Berlin 1890, Aalen 1979. Nakano, Teiechino: Das Prozeßrechtsverhältnis, ZZP 79 (1966), 99. Neumann-Duesberg, Horst: Zum Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, NJW 1972, 133. Niederelz, Udo: Die Rechtswidrigkeit des Gläubiger- und Gerichtsvollzieherverhaltens in der Zwangsvollstreckung unter besonderer Berücksichtigung der Verhaltensunrechtslehre, Diss., Bonn 1974. Niese, Werner: Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen, ein Beitrag zur allgemeinen Prozeßrechtslehre, Göttingen 1950. Niklisch, N.N.: Der verbandsrechtliche Aufnahmezwang, JZ 1976,105. Nipperdey, Hans earl: Die Ersatzansprüche für die Schäden, die durch den von den Gewerkschaften gegen das geplante Betriebsverfassungsgesetz geführten Zeitungsstreik vom 27.-29. Mai 1952 entstanden sind. Rechtsgutachten, Köln 1953.
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Rechtswidrigkeit, Sozialadäquanz, Fahrlässigkeit, Schuld im Zivilrecht, NJW 1957, 1777.
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Tatbestandsaufbau und Systematik der deliktischen Grundtatbestände, NJW 1967, 1985.
Ohl, Albert: Der Rechtsschutz gegenüber unberechtigter Geltendmachung gewerblicher Schutzrechte, GRUR 1966, 172. Olzen, Dirk: Die Wahrheitspflicht der Parteien im Zivilprozeß, ZZP 98 (1985), 403. Palandt, Dtto: Bürgerliches Gesetzbuch, 47. Auf!., München 1988 (Zitierweise: PalandtlBearbeiter) . Pawlowski, Hans-Martin: Aufgabe des Zivilprozesses, ZZP 80 (1967), 345.
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Zur Funktion der Prozeßkosten, JZ 1975,197.
Pecher, Hans Peter: Die Schadensersatzansprüche aus ungerechtfertigter Vollstrekkung, Berlin 1967. Pehle, N.N.: Anmerkung zu BGHZ 38, 200, LM Nr. 19 zu § 823 BGB (Ai). Picker, Eduard: Positive Forderungsverletzung und culpa in contrahendo - zur Problematik der Haftungen "zwischen" Vertrag und Delikt, AcP 183 (1983), 369. Pieper, Helmut; Breunung, Leonie; Stahlmann, Günther: Sachverständige im Zivilprozeß, München 1982. Preusche, Rainer: Unternehmensschutz und Haftungsbeschränkung im Deliktsrecht, Berlin 1974. Puttfarken, Hans-Jürgen: Gegenwartsprobleme der deutschen Zivilprozeßrechtswissenschaft, JuS 1977,493. Quiring, Andreas: Zur Haftung wegen unbegründeter Verwarnungen, WRP 1983, 317. Rabel, Ernst: Das Recht des Warenkaufs, Band 1, Tübingen 1957.
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Schrifttumsverzeichnis
Raiser: Rechtsschutz und Institutionenschutz, in: Summum ius summa iniuria, Individualgerechtigkeit und der Schutz allgemeiner Werte im Rechtsleben, Ringvor!esung, Tübinger rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Band 9, Tübingen 1963, 145. Rasehorn, Theo: Zur Haftung für fehlerhafte Sachverständigengutachten, NJW 1974, 1172. Reimer, Dietrich; Ulmer, Eugen: Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Bd. III, München 1968. Richardi, Reinhard: Arbeitskampfbegriff und Arbeitskampfrecht, in: Recht und Rechtserkenntnis, Festschrift für Ernst Wolf, Köln, Berlin, Bonn, München 1985.
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Die Bedeutung des zivilrechtlichen Haftungssystems für den Arbeitskampf, ZfA 1985, 101.
Rimmelspacher, Bruno: Zur Prüfung von Amts wegen im Zivilprozeß, Göttingen 1966 [Zitierweise: Rimmelspacher, (I)].
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Buchbesprechung von Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, ZZP 90 (1977), 321.
Rogge, Dirk: Zur rechtlichen Bewertung der unberechtigten Verwarnung, WRP 1965, 40. Rosenberg, Leo; Schwab, Kar! Heinz: Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., München 1987. Sack, Rolf: Die Haftung für unbegründete Schutzrechtsverwarnungen, WRP 1976, 733.
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Mißbrauch der wettbewerblichen Klagebefugnis und der geplante Wegfall der ersten Abmahngebühr, BB 1986, 953.
Sauer, Gisbert: Postulationsfähigkeit und Grundgesetz, DRiZ 1970, 293. Sax, Walter: Das unrichtige Sachurteil als Zentralproblem der allgemeinen Prozeßrechtslehre, ZZP 67 (1954), 21. Schaffstein, Friedrich: Soziale Adäquanz und Tatbestandslehre, ZfStW 72 (1960), 369. Schellhammer, Kurt: Der Zivilprozeß, 2. Aufl., Heidelberg 1984. Schiedermair, Gerhard: Vereinbarungen im Zivilprozeß, Bonn 1935. Schiffhauer, Horst: Die Geltendmachung von Bagatellforderungen in der Zwangsversteigerung, ZIP 1981, 832. Schlosser, Peter: Einverständliches Parteihandeln im Zivilprozeß, Tübingen 1968. Schmidt, Eike: Der Zweck des Zivilprozesses und seine Ökonomie, Frankfurt 1973.
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Der Arme und sein Recht, JZ 1972, 679.
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Haftungsausschluß für falsche Gutachten gerichtlicher Sachverständiger, JurBüro 1975,434.
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Der materielle Kostenerstattungsanspruch, MDR 1981, 353.
Schrifnumsverzeichnis
219
Schnug, Rüdiger: Das Recht am Gewerbebetrieb, JA 1985, 440.
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Das Recht am Gewerbebetrieb - eine notwendige Rechtsfigur? , JA 1985, 614.
Schänke, Adolf; Baur, Fritz: Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, 10. Aufl., Heidelberg, Karlsruhe 1978. Schräder, Jochen: Unredliche Prozeßführung und Schadensersatz, JZ 1965, 310. Schultz-Süchting, Rolf-Eckart: Dogmatische Untersuchungen zur Frage eines Schadensersatzanspruches bei ungerechtfertigter Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens, Diss., Hamburg 1971. Schumann, Ekkehard: Der Zivilprozeß als Rechtsverhältnis, JA 1976, 637.
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Die Wahrung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs - Dauerauftrag für das BVerfG?, NJW 1985,1134.
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Zur Wiederbelebung des Rechtsschutzanspruchs, ZZP 81 (1968),412.
Schwerdtner, Peter: Anmerkung zu BGH JZ 1984,1099, JZ 1984, 1103. Seiter, Hugo: Streikrecht und Aussperrungsrecht, Tübingen 1975. Siebert, Axel: Die Prinzipien des Kostenerstattungsrechts und der Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Kosten des Rechtsstreits, Frankfurt, Bem, New York 1985. Soergel, Hans Theodor; Siebert, W.: Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Kommentar, 11. Aufl., Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 19781985 (Zitierweise: SoergellBearbeiter). Speckmann, Wemer: Haftungsfreiheit für gerichtliche Sachverständige auf Kosten des Geschädigten, MDR 1975, 461. Staab, Gerhard Walter: Die Wahrheitspflicht im Zivilprozeß, Diss., Würzburg 1973. Stahlmann, Günther: Zur Theorie des Zivilprozesses, Königstein 1979. Starck, Christian: Anmerkung zu BVerfG JZ 1979, 60, JZ 1979, 63. Staudinger, Julius von: Kommentar zum BGB mit EG und Nebengesetzen, 12. Aufl., 1978-1985 (Zitierweise: StaudingerlBearbeiter). Steffen, Erich: Verkehrspflichten im Spannungsfeld von Bestandsschutz und Handlungsfreiheit, VersR 1980, 409. Stein, Ekkehard: Staatsrecht, 5. Aufl., Tübingen 1976. Stein, Friedrich: Grundfragen der Zwangsvollstreckung, Tübingen '1913, zit.: Grundfragen. Stein/Jonas: Kommentar zur Zivilprozeßordnung, Tübingen, 20. Aufl., 5. Lieferung 1980, Ein!. und §§ 1-37 ZPO; 3. Lieferung 1978, § 38-127 a ZPO; 4. Lieferung 1978, §§ 704-763 ZPO; 6. Lieferung 1981, §§ 916-1043 ZPO; 8. Lieferung 1983, §§ 128147 ZPO; 9. Lieferung, §§ 827-850 i ZPO (Zitierweise: SteinlJonaslBearbeiter).
220
Schrifttumsverzeichnis
Steinbach, Elmar; Kniffka, Rolf: Strukturen des amtsgerichtlichen Zivilprozesses, München 1982. StoII, Hans: Unrechtstypen bei Verletzung absoluter Rechte, AcP 162 (1963),203. -
Buchbesprechung von Klaus Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, in: Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 1970/1971,208.
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Zum Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens, JZ 1958, 137.
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Die Beweislastverteilung bei positiven Vertragsverletzungen, in: Festschrift für Fritz von Hippel, Tübingen 1967, 517.
Stürner, Rolf: Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, Tübingen 1976 (Zitierweise: Stümer, Aufklärungspflicht ). -
Rechtsprobleme der verbandsmäßig organisierten Massenklage, JZ 1978, 499.
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Die Einwirkungen der Verfassung auf das Zivilrecht und den Zivilprozeß, NJW 1979,2334.
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Parteipflichten bei der Sachverhaltsaufklärung im Zivilprozeß, ZZP 98 (1985), 237.
Sturm, Fritz: Buchbesprechung von Klaus Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, JR 1972, 43. Thomas, Heinz; Putzo, Hans: Zivilprozeßordnung mit GVG und Einführungsgesetzen, 14. Aufl., München 1986. Ti/mann, Winfried: Haftungsbegrenzung im Äußerungsdeliktsrecht, NJW 1975, 758. -
Das Haftungsrisiko der Verbraucherverbände, NJW 1975,1913.
Titze, Heinrich: Die Wahrheitspflicht im Zivilprozeß, Beiträge zum Recht des neuen Deutschland. Festschrift für Franz Schlegelberger zum 60. Geb., Berlin 1936, 165. Unger, Josef: Handeln auf eigene Gefahr, 2. Aufl., Jena 1893. Vockenberg, Friedrich Wilhelm: Die Schadensersatzpflicht des Vollstreckungsgläubigers nach § 717 Abs. 2 ZPO, Diss., Göttingen 1966. Vollkommer, Max: Die lange Dauer des Zivilprozesses und ihre Ursachen, ZZP 81 (1968), 119. -
Der Anspruch der Parteien auf ein faires Verfahren im Zivilprozeß, Gedächtnisschrift für Rudolf Bruns, München 1980, 195 [Zitierweise: Vollkommer, (I)].
Walchshöfer, Alfred: Ehrverletzende Äußerungen in Schriftsätzen, MDR 1975,11. Walter, Gerhard: Ehrenschutz gegenüber Parteivorbringen im Zivilprozeß, JZ 1986, 614. -
Anmerkung zu BGH Urteil vom 10.06.1986 - VI ZR 154/85, JZ 1986,1057.
Wasner, Gert: Die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen, NJW 1986,119. Wassermann, Rudolf (Gesamtherausgeber): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Reihe Alternativkommentare, Bd. 3, Besonderes Schuldrecht, Neuwied, Darmstadt 1979. -
Der soziale Zivilprozeß, Darmstadt, Neuwied 1978 [Zitierweise: Wassermann, (I)].
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Justiz im sozialen Rechtsstaat, Darmstadt, Neuwied 1974 [Zitierweise: Wassermann, (11)].
Schrifttumsverzeichnis
221
Weimar, Wilhelm: Haftung des Sachverständigen bei fehlerhaften Gutachten, VersR 1955,263. Weiss, Manfred: Zur Haftung des Betriebsrats, RdA 1974, 269. Weitnauer, Hermann: Anmerkung zu BGH Urt. v. 14. 11. 1961, VI ZR 89/59 (NJW 1962,243), JZ 1962, 489. -
Der unbegründete Konkursantrag und das Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb, DB 1962, 461.
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Aktuelle Fragen des Haftungsrechts, VersR 1970, 585.
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Schadensersatz aus unberechtiger Verfahrenseinleitung, AcP 170 (1970), 437.
Welzel, Hans: Studien zum System des Strafrechts, ZfStW 58 (1939), 491. -
Das deutsche Strafrecht, 1. Aufl., 1940; 6. Aufl., 1958; 7. Aufl., 1960; 10. Aufl., 1967; 11. Aufl., Berlin 1969.
Wieacker, Franz: Rechtswidrigkeit und Fahrlässigkeit im Bürgerlichen Recht, JZ 1957, 535. Wieczorek, Bemhard: Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, Bd. IV, Teil 1, Berlin 1958. Wiethölter, Rudolf: Der Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens, Karlsruhe 1960 (Zitierweise: Wiethölter, Der Rechtfertigungsgrund). -
Zur politischen Funktion des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, KritJ 1970, 121.
Wilburg, Walter: Die Elemente des Schadensrechts, Marburg 1941. Windscheid, Bemhard; Kipp, Theodor: Lehrbuch des Pandektenrechts, 2. Band, 9. Aufl., FrankfurtlM. 1906. Wurzer, Gustav: Die Lüge im Prozeß, ZZP 48 (1920), 463. Zeiss, Walter: Die arglistige Prozeßpartei, Berlin 1967 (Zitierweise: Zeiss, Arglistige Prozeßpartei). -
Schadensersatzpflichten aus prozessualem Verhalten, NJW 1967, 703.
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Rezension zu Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, JZ 1970,198.
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Zivilprozeßrecht, 6. Aufl., Tübingen 1985.
Zeuner, Albrecht: Gedanken zur Unterlassungs- und Feststellungsklage, in: Vom Deutschen zum Europäischen Recht, Bd. I, Festschrift für Hans Dölle, Tübingen 1963 [Zitierweise: Zeuner, (I)]. -
Der Anspruch auf rechtliches Gehör, in: Festschrift für Hans earl Nipperdey, Bd. I, München und Berlin 1965,1013 [Zitierweise: Zeuner, (11)].
Zippelius, Reinhold: Legitimation durch Verfahren?, in: Festschrift für Karl Larenz, München 1973. Zöller, Richard: Zivilprozeßordnung, 14. Aufl., Köln 1984 (Zitierweise: ZöllerlBearbeiter). Zuck, Rüdiger: Die Beseitigung groben prozessualen Unrechts, JZ 1985, 921.
Stichworiverzeichnis Abmahnung, 64 Abstraktionsprinzip, 126 actio doli, 155 Adäquanz, 77, 177 Alternativverhalten, rechtmäßiges, 178f. Amtshaftung, 69, 104, 122 Analogie - zu § 91 ZPO, 112 - zu § 717 Abs. 2 ZPO, 118ff, 161 Anerkenntnis, 64 Antragsrücknahme, im Beweissicherungsverfahren, 113, 115 Fn. 28, 174 Anwaltshaftung, 104, 166f., 174 Arrest, Haftung bei Vollziehung eines A., s. a. Vollstreckungshaftung, 117 Aufklärungspflicht, 123f. Außergerichtliche Rechtsverfolgung, 75 Aussetzung, 103 Begleitschaden, s. Schaden Betriebsbezogenheit, 43, 55, 57,143, 182f. Beweisaufnahme, 113, 200f. Beweislast, 72, 126,200 Beweissicherungsverfahren, 27, 111f., 114f., 174,201 culpa in contrahendo, 64ff., 114, 121, 127, 129f., 131 culpa in procedendo, 129 Dispositionsmaxime, 92, 125, 178 Drittwiderspruchsklage, 68, 73f. Durchsetzungshaftung,38fJ., 153 Durchsetzungsschaden, s. Schaden Ehrenschutz, s. a. Wahrnehmung berechtigter Interessen, 103 Ehrverletzungen, durch Prozeßbehauptungen,96, 102, 134, 154, 180, 186jf., 201
Einstweilige Verfügung, Haftung bei Vollziehung, s. Vollstreckungshaftung Entschlußfreiheit, s. Handlungsfreiheit Enumerationsprinzip, 57,161, 173f, 176, 181 Erfolgsunrecht, s. Unrechtslehren Erfüllungsgehilfe, 128, 138 Feststellungsklage, negative, 50, 60, 62 Gefährdungshaftung, 56, 112, 141, 152, 198f. Generalklausel - deliktische, 45, 47, 49, 54, 60, 63, 146, 161, 173fJ., 181ff., 187, 191f. - zivilrechtliche, s. Treu und Glauben - wettbewerbsrechtliche, 184 Gerichtskostenvorschußpflicht, 100, 111 Gestaltungsrechte, unberechtigte Geltendmachung von, 136ff. Gewerbebetrieb, Recht am eingerichteten und ausgeübten, 45, 53ff., 62f., 152, 157, 176, 181, 194 - Eingriff in den, 30f., 36, 43, 53, 143ff., 147, 170, 196 - und unberechtigte Leistungsbegehren, 23,53, 57ff., 181f - und unberechtigte Schutzrechtsberühmung, 53ff., 161 Gläubigerhaftung, 66ff., 117fJ., 150f., 153, 161 Grundrecht - auf faires Verfahren, 84ff. - Drittwirkung der, 79, 89 - und zivilrechtliche Schadensersatzansprüche, 89 Haftung - bei Vollziehung vorläufiger Rechtsbehelfe, s. Vollstreckungshaftung
Stichwortverzeichnis - bei vorsätzlich-sittenwidrigem Fehlverhalten, 40ff., 70,115,145,149, 153f., 155ft., 163,166 - des Anfechtungsklägers im Aktienrecht, 158f. - in der Zwangsvollstreckung, s. Vollstreckungshaftung - Privilegierung der H. für prozessuales Verhalten, 28f., 40f., 47ff., 56ff., 73, 76, 193f. - von gericht!. Sachverständigen, 162ft., 178 - von Zeugen, 162,178 Haftungsfreistellung, 26ff., 32ff., 41ff., 59,76,88,96,103,108, 138ff., 164, 169,173 Handlungsfreiheit, 24, 42, 52, 61, 87, 96, 146, 159, 172, 186, 197ff. honeste procedere, 35, 131 Individualschutz, 132 Institutionenschutz, 49, 93ff., 132, 143, 149, 193, 198 Integritätsinteresse, 24, 48, 52, 66, 76f., 90, 93ff., 102ff., 121, 134, 139, 146, 152, 184, 197, 199 Interessenabwägung, 47ff., 60, 144, 146, 172,183, 185ff., 190, 191ft., 194ff. Justizanspruch, 68, 81ft., 108, 122, 156, 158,160,188, 190ff., 199 Justizgewährungsanspruch, s. Justizanspruch Kausalität, 104, 176ft. Kausalzusammenhang - Unterbrechung des, 177, 178f. Klage- recht, 88 - rücknahme, Vertragliche Verpflichtung zur, 125 Konkursantrag - Entscheidung des BGH, 21, 30ft., 41f., 57,77,140ft., 184,189,194 - Haftung für, 30, 32, 59,120,183,201 Kosten - als Schaden, 110 - der Rechtsverfolgunglverteidigung, 100, 109, 114, 151, 174, 181
223
- des Rechtsstreits, 39, 100, 115 - Notwendigkeit der, 110, 116 Kostenentscheidung, 109, 112f., 115 Kostenerstattungsanspruch, 109ft., 174f. - im Mahn- und Beweissicherungsverfahren, 111ff. - materieller, 109, 114ft. - prozessualer, 109 , 114ft., 117 Kostenfestsetzungsverfahren, 114 f., 175 Last, prozessuale, 33 Leistungstreuepflicht, 127, 139 Mahnverfahren, 27, 94,111, 114f., 158, 174 Materielles Recht - Abgrenzung zum Prozeßrecht, 25ft., 66,68,75,90,115,146 Mißbrauch der Gerichte, 107, 155 Negatorischer Rechtsschutz, s. Rechtsschutz Neminem laedere, 24, 95ft., 177,191 Normzweck s. a. Schutzzweck der Norm, 116,133,145,147,150,180,185 Parteipflichten - Abgrenzung zur prozessualen Last, 33, 122ft. - als abschließende Normierung prozessualer Sorgfaltspflichten, 29, 33, 36f. - gesetzlich normierte, 121ff. - gewillkürte, 124ff. - Verletzung von; haftungsrechtliche Anknüpfung, 28, 36f., 70, 105, 126ft., 140ft. Parteiprozeßverhalten, 25, 35, 41, 58, 72, 75,95, 121ft., 124ff., 136, 145f., 148 Patentnichtigkeitsklage, 52, 127 Persönlichkeitsrecht, 25, 45, 49, 88, 141, 157,176,180,187, 191f., 194, 196 Pflichtmaßstäbe, positivierte, 33f., 61, 121, 146f. Positive Vertragsverletzung, 75, 114, 121, 128f., 136, 138f., 140, 150, 176 Präklusion, 91,106,115, 123f., 131 Präventivfunktion - der Kosten, 98ff., 101
224
Stichwortverzeichnis
- drohender Schadensersatzklagen, 75, 97ft., 108, 153 Privatautonomie, 92, 125, 137 Prognoserisiko, 62, 94, 113 Prorogation, 125 Prozeß- förderungspflicht, 123f. - führung, 34f., 98, 156 - kostenhilfe, 49, 99,153,168,175,202 - ökonomie, 59 - recht, Abgrenzung zum materiellen Recht, s. dort - rechtsverhältnis, 51, 65,121 Fn. 51, 128J., 137 - risiko, 24, 100f. - schachtelung, 101f. - strafen, 98, 157 - vertrag, 124 - zweck, 26, 41, 50, 77, 80, 90ft., 202 Rahmenrecht, s. a. Generalklausel, deliktische, 50, 194, 197 Recht - absolutes/relatives, 39, 50, 163, 181, 186,189 - auf Irrtum, 41ff., 58, 67, 73 - objektives, 92 - sonstiges, 51, 54, 57,144,161, 181 - subjektives, 91, 121, 152, 192 Rechtfertigungsgrund - der gerichtlichen Inanspruchnahme, 28, 30f., 36, 48f., 140ft., 179, 189J., 193 - des verkehrsrichtigen Verhaltens, 34, 61,147, 171,190,195 Rechtliches Gehör, Anspruch auf, 82f., 188 Rechts- durchsetzung, 45, 52, 59, 65, 74,117 - fortbildung, 41, 55, 63, 72, 75, 79f., 89, 93, 106, 108, 152, 154, 157, 164, 169, 176,181 - fortentwicklung s. Rechtsfortbildung - frieden, l04f., 107, 155, 166, 169 - kraft, Durchbrechung der, 106ft., 131 - kraft, materielle R.; objektive Grenzen der R., 39f., 67, 70, 73, 104ft., 133f., 135f., 166 - schutz, gewerblicher, 45, 51ff.
- schutz, negatorischer, 49ff., 54, 58, 60, 62, 74, 102ff., 150 - schutzanspruch, 24, 27, 48, 141 - schutzbedürfnis, 45, 65, 103, 156, 196 - schutzgarantie, staatliche, 81ff., 97,108 - schutzinteresse, 46, 65, 103 - schutzversicherung, 99, 100ft. - sicherheit s. Rechtsfrieden - staatsprinzip, 44, 85ff., 97, 99,160 - weggarantie, 84, 86 - widrigkeit, Begriff, 60f., 69, 76,106, 143f., 174, 187, 190f., 193/.,195 Risikohaftung, 39f., 118, 120, 150, 152ft., 161, 198 Rufschädigung, s. a. Rechtsschutz, negatorischer, 110, 172, 186 Sachverständigenhaftung, s. Haftung Säumnis, im Prozeß, 113, 123 Schaden - Begleitschaden, 38ff., 106, 114, 135, 153f., 159f. - durch gerichtliche Inanspruchnahme, 24,42,44,94,109,114 - Durchsetzungsschaden, 38ff., 118, 134f., 150, 154, 159, 161 - Schockschaden, 180 - Urteilsschaden, 105, 135, 163, 178 - Verzögerungsschaden, 135 Schadensersatzansprüche - deliktische, 24, 37f., 43, 52, 74,101, 104, 106, 133 - prozeßrechtliche, 109, 117ft., 141 - vertragliche, 38, 74, 135 Schutzgesetz, 121, 128, 131ft., 145, 148, 163, 174 Schutzordnung, Verfahrensnorm als materielle, 33, 37 Schutzrecht - Begriff, 51 Schutzrechts-berühmung, 50ft., 75f., 145, 183ft. -verwarnung, 27, 31f., 36, 42, 51,140, 150, 181, 194 Schutzzweck der Norm, 131, 134, 141, 177,180 Selbsthilfe, 21, 24, 44, 81, 86, 88, 91, 159, 172, 196
Stichwortverzeichnis Sittenwidrigkeit - im Wettbewerbsrecht, 184f. - von prozessualem Verhalten, 40,107, 115, 155ft., 176,194 - von Ratenkreditverträgen, 107 Sonderbeziehung - materiell-rechtliche, 73, 76, 128, 136, 152 - prozessuale, 29, 36ff., 65, 128f. Sorgfaltspflichten - Anforderungen an deliktische, 44, 46, 50, 136ff., 140, 148, 163, 167, 185, 188, 192,197ff. - Privilegierung der, 46 - Verletzung von, 44f., 47, 49 - vertragliche, 138f. Sozialadäquanz, 28, 46, 155, 169ft., 196 Spruchrichterprivileg, 104, 122, 165 Strafanzeige, unberechtigte, 44, 101 Fn. 55 Streitgegenstand, 23, 36ff., 106f., 115, 130, 134ff., 137, 148, 152 Streithaftung, 76, 153 Streitwert, 99f. Treu und Glauben - im materiellen Recht, 26, 136, 138 - im Prozeßrecht, 26, 42,123, 126f., 131 Unmittelbarkeit, des Eingriffs in den Gewerbebetrieb, 45, 55, 143, 145, 182f. Unrechtslehren, Erfolgsunrecht; Verhaltensunrecht, 28, 34, 37, 45 ff., 48f., 77, 143f., 146f., 175, 189, 191ft. Unterlassungsanspruch, deliktischer, s. Rechtsschutz, negatorischer Unwerturteil, deliktisches, 35, 45, 47, 54f., 58, 60, 144ff., 186, 196 Urteilsschaden s. Schaden Verbindung, von Prozessen, 103 Vereinfachungsnovelle, 123, 158 Verfahrenseinleitung - mißbräuchliche, 29, 51, 95, 101
IS GölZ
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Verhältnismäßigkeit, im Zivilrecht, 171, 195f.,201 Verhaltenspflichten s. Parteipflichten Verhaltensunrecht, s. Unrechtslehren Verkehrserforderliche Sorgfalt, s. a. Rechtfertigungsgrund der, 199 Verkehrs(sicherungs)pflicht, 157, 175, 196f. Verkümmerung des Rechtsschutzes, 24, 27,42,46,58,75,77,80,88,97,108, 137f., 142, 155, 160, 190 Vermögensschaden, 24, 32, 39, 43, 110, 114,134,137 Fn.138, 174, 181ff. Verschuldenshaftung, deliktische, 39, 49, 56,58,64,79, 116f.,141,152,160, 186, 193, 197 Verzögerungsschaden, s. Schaden Verzugshaftung, 39, 114, 137, 150f. Vollstreckungs- anspruch, s. a. Justizanspruch, 68, 71 - haftung, 31, 43, 66ft., 97, 118, 161 - schaden, 117 Vorbereitungskosten, 111 Vorgreiflichkeit, 103, 105 Waffengleichheit, 40, 43, 155, 159ft. Wahrheitspflicht, 29, 33ff., 49, 105f., 122, 131ft., 168 Wahrnehmung berechtigter Interessen, 28,47,49, 102, 186ft., 189 Wettbewerb - Institution, 59, 96, 184 - unlauterer, 53f., 62ff., 184 Widerrufsklage, s. a. Rechtsschutz, negatorischer , 102f., 187 Widerspruch, im Mahnverfahren, 111 Wiederaufnahme des Verfahrens, 107, 133 Zeugenhaftung, s. Haftung Zugang zum Gericht, 41, 44, 83, 85f., 88, 98f.