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German Pages 400 [398] Year 1999
"ZERSTORT DIE WERKE DER WEIBLICHKEIT!"
NAG HAMMADI AND
MANICHAEAN STUDIES FORMERLY
NAG HAMMADI STUDIES
EDITED BY
S. EMMEL & H.]. KLIMKEIT
t
Editorial Board H . W. Attridge, R . Cameron, W.-P. Funk, C . W. Hedrick, H.Jackson, P. Nagei,j. van Oort, D.M. Parrott, B.A. Pearson,j.M. Robinson, K. Rudolph, H.-M. Schenke, W. Sundermann
XLVIII
"ZERSTORT DIE WERKE DER WEIBLICHKEIT!" Maria Magdalena) Salome und andere ]iingerinnen ]esu in christlich-gnostischen Schriften BY
SILKE PETERS EN
BRILL LEIDEN . BOSTON· KOLN 1999
This book is printed on acid-free paper. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Petersen, Silke. "Zerstort die Werke der Weiblichkeit!" : Maria Magdalena, Salorne, und andereJiingerinnenJesu in christlich-gnostischen Schriften / by Silke Petersen. p. cm. - (Nag Harnrnadi and Manichaean studies, ISSN 0929-2470 48) Includes bibliographical references. ISBN 9004114491 (cloth) I. Gnostic literature. 2. Jesus Christ-Disciples. 3. Women in Christianity-History--Early church, ca. 30-600. I. Title. ll. Series. BTI390.P44 1999 299'.932-dc21 99-33640 CIP
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Peters en, Silke: "Zerstort die Werke der Weiblichkeit!" : Maria Magdalena, Salorne und andereJiingerinnenJesu in christlich-gnostischen Schriften / by Silke Pctersen. Leiden ; Boston ; Koln : Brill, 1999 (N ag Harnrnadi and Manichaean studies : 48) ISBN 90-04-11449-1
ISSN 0929-2470 ISBN 9004 11449 1 © Copyright 1999 by Koninklijke Brill NV, Leiden, The Netherlands
All rights reserved. No part rf this publication may be reproduced, translated, stored in a retrieval system, or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording or otherwise, without prior written permission .from the publisher. Authorization to photocopy items for internal or personal use is granted by Brill provided that the appropriate .fees are paid directlY to The Copyright Clearance Center, 222 Rosewood Drive, Suite 910 Danvers MA 01923, USA. Fees are subject to change. PRINTED IN THE NETHERLANDS
VORWORT Die vorliegende Untersuehung wurde im Dezember 1997 abgesehlossen und im Sommersemester 1998 vom Faehbereieh Evangelisehe Theologie der Universitat Hamburg als Dissertation angenommen. FUr den Druek wurde sie Uberarbeitet und erganzt. Ich danke allen denjenigen, die mir geholfen und mieh unterstUtzt haben: Zuerst meinem Doktorvater, Eekhard Rau, fUr die riehtige Misehung von Anfragen, Hilfe und Freiraumen. Des weiteren danke ieh dem Zweitgutaeher der Arbeit, Gerhard Sellin, sowie Hans-Gebhard Bethge von der Humboldt-Universitat Berlin fUr die Anfertigung eines weiteren, primar die koptologisehen Fragen betreffenden Gutaehtens. Bei Stephen Emmel moehte ieh mieh fUr seine hilfreiehen Anmerkungen bedanken sowie dafUr, daB der die Aufnahme der vorliegenden Arbeit in die Reihe Nag Hammadi and Maniehaean Studies befUrwortet hat. Theo Joppe danke ieh fUr die umsiehtige Betreuung der Herausgabe bei Brill. Versehiedene Teile dieser Untersuehung wurden beim Berliner Arbeitskreis fUr koptiseh-gnostisehe Sehriften, beim Treffen der deutsehen Neutestamentlerinnen der Europaisehen Gesellsehaft fUr theologisehe Forsehung von Frauen, in der neutestamentliehen Sozietat der Universitat Hamburg sowie im Arbeitskreis der norddeutschen Neutestamentler und Neutestamentlerinnen vorgestellt und diskutiert; bei allen Beteiligten bedanke ich mieh fUr Anfragen und Anregungen. SchlieBlich mochte ieh noch allen jenen danken, die mir in unterschiedlichen Phasen der Arbeit mit zeitliehem Aufwand, Diskussionsfreude und spraehlicher Kompetenz sehr weitergeholfen haben; genannt seien hier Ute E. Eisen, Judith Hartenstein, Frank Hengsbach, Axel Horstmann, Daphna Horwitz, Charlotte Methuen, Jeannette Morgenstern, Uwe-Karsten Pliseh und Vivian Wendt.
Hamburg, im Juni 1999
Silke Petersen
INHALTSVERZEICHNIS A. EINLElTUNG I. Zu dieser Arbeit II. Frühchristliche Frauen: Tendenzen und Probleme der Forschung I. Die VerfalIstheorie 2. Frauen und Häresie 3. Überlegungen zum Verhältnis von Text und Geschichte 4. Zur androzentrischen Sprache lIl. Gnosis und Christentum 1. Perspektiven der Forschungsgeschichte 2. Was ist Gnosis? 3. Gnostisches und Christliches in den ersten Jahrhunderten
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B. GNOSTISCHE DIALOGE UNO VERW ANOTE SCHRIFTEN
I. Zur Gattung "Gnostischer Dialog" 1. Bestimmung und Abgrenzung der Gattung 2. Sinn und Entstehung der Gattung II. Erscheinungsdialoge 1. Die Sophia Jesu Christi a) Bezeugung, Verhältnis zu Eug, Entstehungszeit und -ort b) lnhalt und Aufbau: Die Sophia Jesu Christi als typischer Erscheinungsdialog c) Weitere Erscheinungsdialoge 2. Das Evangelium nach Maria a) Bezeugung, Entstehungszeit und -ort b) lnhalt und Aufbau c) Literarkritische Hypothesen. Verhältnis zum Neuen Testament und zur Gnosis 3. Die erste Apokalypse des Jakobus a) Bezeugung, Entstehungszeit und -ort b) lnhalt und Aufbau 4. Die Pistis Sophia a) Bezeugung, Entstehungszeit und -ort b) Inhalt, Gattung und Verhältnis zu anderen Schriften III. SCHRIFTEN MIT DIALOGANTEILEN 1. Das Evangelium nach Thomas a) Bezeugung, Entstehungsort und Textsorte b) Datierung und Verhältnis zu den synoptischen Evangelien c) Theologische Einordnung 2. Die Fragmente des Ägypterevangeliums (bei Clemens von Alexandrien) 3. Der Dialog des Erlösers a) Formgeschichtliche Einordnung b) Gliederung. Hypothesen der Forschung zu Entstehung und Datierung c) Zitate im Dialog des Erlösers d) SchluBfolgerungen 4. Das Evangelium nach Philippus a) Bezeugung, Entstehungszeit und -ort b) lnhalt, Aufbau und Gattung
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INHALTSVERZEICHNIS
C. JüNGERINNEN JESU I. Maria Magdalena
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I. Maria Magdalena in frühchristlichen Überlieferungen. Ein Überblick a) Neues Testament b) Die westliche und die östliche Tradition c) Maria Magdalena in Texten der ersten Jahrhunderte 2. Maria und Jesus im Dialog a) Vorbemerkungen b) Die Frage nach den Anderen (EvThom; SJC) c) Maria versteht vollkommen (Dial) d) Maria als hervorragende Jüngerin (Pistis Sophia) e) Die groBen und die kleinen Fragen der Maria (bei Epiphanius) f) Maria übernimmt die Rolle Jesu (EvMar) 3. Maria und ihre Beziehung zu Jesus a) Maria wird von Jesus besonders geliebt (EvMar) b) Maria als Paargenossin Jesu (EvPhil) c) Maria begegnet Jesus in einer Vision (EvMar) d) Maria, der Seelenaufstieg und die Naassenerlnnen 4. Der Konflikt mit Petrus a) Petrus greift Maria an (EvMar) b) Levi verteidigt Maria (EvMar) c) Petrus will Maria wegschicken (EvThom) d) Petrus will Maria nicht reden lassen (Pistis Sophia) e) Der Hintergrund der Konfliktszenen 5. Maria als Geist der Weisheit und Apostelin in manichäischen Psalmen Ir. Salome I. Salome im Neuen Testament und weitere Frauen mit dem Namen Salome in frühchristlichen Schriften 2. Salome als Jüngerin (EvThom) 3. Salome und die Zerstörung der Werke des Weiblichen (EvÄg) a) Die vielfältige Rezeption des Ägypterevangeliums b) Der Text des Ägypterevangeliums und sein Verhältnis zu anderen frühchristlichen Schriften 4. Salome, die Karpokratianerlnnen und das geheime Markusevangelium a) Salome und die Karpokratianerinnen b) Das geheime Markuscvangelium c) Hinweise au!' eine verlorene Salome-Geschichte 5. Salome und Maria Magdalena (pistis Sophia) 6. Salome als vorbildliche Manichäerin Ill. Martha, Arsinoe und namenlose Jüngerinnen I. Neues Testament 2. Wer sind die sieben Frauen? 3. Die Namensliste der (ersten) Jakobusapokalypse 4. Martha (und Maria) 5. Arsinoe
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99 100 104 104 106 III
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INHALTSVERZEICHNIS IV. Die Mutter Maria
I. 2. 3. 4. 5. 6.
Maria im Neuen Testament Die Ablehnung der irdischen Mutter (EvThom) Muiter und Jüngerin (EvPhil; Pistis Sophia) Mutter und Jungfrau (EvPhil) Muiter und himmlisches Wesen Die Muiter Maria und Maria Magdalena
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261 261 263 274 281 286 291
D. ERGEBNISSE UND AUSBLICK
I. Jüngerinnen Jesu I. Maria Magdalena 2. Salome 3. Martha, Arsinoe und andere Jüngerinnen 4. Die Muiter Maria 5. SchluBfolgerungen Il. Weiblich sein und männlich werden I. Die Aufhebung der Geschlechterdifferenz a) Frühchristliche Tauftexte b) Genesisexegese in Alcxandria c) Spätere Verwendungen des Motivs 2. Die Aufhebung der Weiblichkeit a) Gnostische Texte b) Nicht-gnostische Texte c) Genesisauslcgungen 3. Zeugnisse von Frauen a) Die Frauen der apokryphen ApostelInnenakten b) Sara c) Perpetua d) Priskilla lIl. Epilog: Gedanken zur Geschlechterdifferenz
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E. LITERATURVERZEICHNIS
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I. Abkürzungen I. Koptisch-gnostische Schriften aus Nag-Hammadi 2. Koptisch-gnostische Schriften aus anderen Codices 3. Weitere Schriften Il. Quellen, Textausgaben und Übersetzungen I. Nag-Hammadi-Schriften und Vcrwandtes 2. Biblisches 3. Kirchenväter
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4. Sonstiges III. Hilfsmittel IV. Übrigc Literatur
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F. REGISTER ANTIKER SCHRIFfEN UND AUTORINNEN
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344 344
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A. EINLEITUNG I. Zu DIESER ARBEIT
Zu Beginn des dritten nachchristlichen Jahrhunderts verfaBte Origenes eine Schrift zur Widerlegung des Philosophen Celsus. Sie gait dem . AAT)Oit. Iq)[ sI tjy a1t llt~) zuruck. Sie wiirden den Menschen (avepOO7tO~) und den Sohn des Menschen (uio~ aVepol. 1:1 U)!l v OOKE~ ItE 7 pt 1:mv AaA1l6Ev'tCov; Z4 TTr4 iiiN€NT4CX1010Y EY )!EV I yap ou Itl[AE;] iiiTqcOTTTC NZOYO er,oN I 0 4qOYWCYB .3..€ iii61 4N.3..r€4C
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10 Andreas aber antwortete und sagte zu den Geschwistem: "Sagt, was ihr sagt 12 iiber die Dinge, die sie gesagt hat. Ich jedenfalls glaube nicht, daB 14 der Erliiser dies gesagt hat.
5 Andreas sagte: "Geschwister, was meint ihr iiber 7 das Gesagte? Ich jedenfalls glaube namlich nicht. daB dies der Er91iiser gesagt hat.
321 Griechischer Text nach Liihrmann, Fragmente, 328.
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JUNGERINNEN JESU
Denn diese Lehren sind sicherlich andere Gedanken". 16 Petrus antwortete und sagte iiber diese derartigen Dinge, er 18 fragte sie wegen des Erlosers: ,,sprach er etwa mit einer Frau heimlich 20 vor uns und nicht offentlich? Sollen wir selbst umkehren und alle auf sie horen? 22 Hat er sie mehr als uns erwahlt?"
Denn es schien zu widersprechen seiner Ein II sicht"322. Uber diese Dinge urteilend sagtc Petrus 323 : "Hat der ErlOser 13 heimlich zu einer Frau gesprochen und nicht 324 offentlich, auf daB wir alle es horen? 15lWollte er sie etwa] als wiirdiger als uns [erweisen P"
Andreas bezweifelt die Authentizitat des von Maria Vorgetragenen. Er halt Marias Lehren fiir fremdes Gedankengut, das nicht auf Jesus zuriiekzufiihren ist. Der Einspruch des Andreas erinnert an die oben erwahnte Abgrenzung, die Origenes (gegenliber Celsus) zwischen originar christlichem Gedankengut einerseits und den ophitischen AufstiegsvorsteUungen andererseits vomimmt. Das Streitgesprach des EvMar spiegelt hier wohl eine tatsachliehe Kontroverse des zweiten Jahrhunderts wider, wobei die Frage nach der Echtheit von Jesusworten sehon damals eine RoUe fiir die theologischen Auseinandersetzungen spielte. Im EvMar bekommt der Einwand des Andreas keine direkte Antwort. Im Hinblick auf die Ubereinstimmungen zwischen dem, was Jesus den 1lingerInnen im ersten Teil des EvMar mitgeteilt hatte, und der Rede Marias, ist jedoch hinreiehend deutlieh, daB der Ansieht des Andreas im Horizont des EvMar nicht zuzustimmen ist 325 . Mit dem Beitrag des Petrus weehselt das Thema der Auseinandersetzung. Petrus bezweifelt, daB Jesus ausgereehnet einer Frau geheime Offenbarungen hat zukommen lassen 326 . Dabei ist der Protest des Petrus anseheinend nieht nur gegen die Existenz geheimer Uberlieferung an sieh gerichtet 327 , sondem vor allem dagegen, daB geheimes Wissen einer unwlirdigen Frau mitgeteilt
322 Diese Formulierung ist wohl eher als Gen. subj. denn als Gcn. obj. zu verstehen, da es zuvor urn die Abweichung von Marias Rede von den Worten, die Jesus sclbst gesagt hat, geht. 323 Im griechischen Text fehlt die Redeeinleitung fUr Petrus. Sie ist abcr deshalb zu erganzen, weil Petrus (und nicht Andreas) anschlieBend von Levi angesprochen wird. 324 Im griechischen Text fehlt die Verneinung; sie ist aber nicht nur vom koptischen Text, sondern schon vom Sinn her unbedingt zu erganzen; vg\. Liihrmann, Fragmente, :\28. 325 Vg\. King, Gospel, 614f; Marjanen, Woman, 114. 326 Frauen als Offenbarungsempfangerinnen sind nicht nur im Neuen Testament und in gnostischen Texten, sondern auch in jiidischen Schriften belegt; vg\. Chesnutt, Experiences, passim. 327 Nicht nur im Neuen Testament (vg\. Mk 4,11 parr), sondern auch bei antignostischen Schriftstellern des friihen Christentums (z.B. Irenaus, Clemens und Origenes) wird mit geheimer, nicht alien zuganglicher Uberlieferung gerechnet; vg\. oben C I 3a.
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MARIA MAGDALENA
wurde - und nicht ihm selbst. Personliche Kdinkung und Eifersucht sind deutlich 328 . Obwohl Petrus selbst Maria zuvor ausdrucklich aufgefordert hatte, Jesusworte mitzuteilen, die nur sie kennt (vg!. BG p.1O,4-6), bezweifelt er jetzt ihren Wissensvorsprung. Petrus will Marias Uberiegenheit nicht anerkennen, und erweist sich damit fUr die LeserInnen des EvMar als geistioser Ignorant 329 . Vor allem zeigt sich an seiner Argumentation mit dem Frau-Sein Marias, daB er die im EvMar mehrfach vertretene Vorstellung vom wahren Menschsein jenseits geschlechtlicher Differenzierungen nicht begriffen hat. Maria reagiert mit Trauer auf den Angriff des Petrus (BG p.18, 1_5)330: 1 TOT€ €K
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1 Da weinte Mariham, sie sagte zu Petrus: "Mein Bruder Petrus, was 3 denkst du denn? Denkst du, daB ich sie selbst ausgedacht habe in meinem ) Herzen oder daB ich Uber den ErlOser IUgeT
Das hier verwendete Motiv des Weinens der Maria konnte aus Joh 20,11 stammen, auch wenn es dort in einem anderen Zuammenhang begegnet331 . Da Maria zuvor als vollkommene Gnostikerin dargestellt wurde, ware hier eigentlich eine weniger erschiitterte Reaktion auf die Vorwiirfe der anderen zu erwarten gewesen 332 . Nach King verbleibt Maria hier in der "traditional role of female modesty and passivity"333; die eigentliche Erwiderung auf den Angriff des Petrus bleibt Levi iiberiassen. b) Levi verteidigt Maria (EvMar) Wahrend im EvThom und der Pistis Sophia Jesus auf die Angriffe des Petrus antwortet, erhaIt im EvMar, in dem Jesus bei dem Streit def JiingerInnen
328 Vg!. Marjanen, Woman, 114f. King, Gospel, 615, stellt rest: "Peter's second complaint ( ... ) clearly indicates his own personal jealousy and concern for maintaining privileged male status". 329 LUhrmann, Fragmente, 332[, bemerkt zu der entsprechendcn Szene im griechischen Text: "Vor dem Hintergrund von Mk 4, II und mehr noch von Mt 13, II waren die Jlinger also at ESro, nicht diejenigen, die die Geheimnisse kennen, Maria hingegen in der Position, die dort die lUnger einnehmen ( ... ) nun ( ... ) ergibt sich eine Diskrepanz zwischen iiffentlicher VerkUndigung des Erliisers gegenUber den lUngern und esoterischer Belehrung der Maria - fUr gnostische Leser ist klar, wer hier im Recht ist und wer im Unrecht!" 330 Im PRyl befindet sich die entsprechende Passage genau am Seitenwechsel, so daB von Marias Antwort nur noch das abschlieBende "tOU oOl"tiipa~; (verso I) erhaIten is!. 331 Vg!. Hartenstein, Lehre, 131. 332 Vg!. Hartenstein, Lehre, I 24f. 333 King, Gospel, 615.
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JUNGERINNEN JESU
nicht mehr anwesend ist, Levi diese Aufgabe (BG p.18,5-21; PRy1 verso 1-
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In beiden Texten wird anscheinend auf eine Geschichte angespielt, die wir nicht kennen l7 3, die aber zur Zeit der Entstehung des Textes in Agypten bekannt gewesen sein muB. Neben den Fragmenten des Ev Ag und den Beziigen der KarpokratianerInnen auf Salome sind die se Texte ein weiterer Beleg fUr die Popularitat Salomes im friihen Christentum Agyptens l74 . Diese im Neuen Testament nur zweimal erwahnte Jiingerin Jesu genoB anscheinend ein hohes Ansehen in verschiedenen gnostischen Richtungen nicht nur in Agypten, sondern auch in Syrien. Die Bedeutung Salomes als "second most prominent woman disciple"175 nach Maria Magdalena verdankt sich dabei weniger dem Neuen Testament als vielmehr friihen auBerkanonischen Traditionen. Der Beginn dieser Uberlieferungen bleibt im Dunkeln. FUr die WeiterfUhrung dieser Traditionen gibt es dagegen sowohl fUr Agypten (PS) als auch fUr Syrien (Thomaspsalmen) Belege. 166 Vg!. Scheidweiler, a.a.O., 425; Haase, Rekonstruktion, I m. 167 Schneemelcher in: Scheidweiler / Schneemelcher, Bartholomausevangelium, 440. 168 Vg!. Haase, Rekonstruktion, passim. 169 Brit. Libr. MS. Or. 6804; koptischcr Text und englische Ubersetzung bei Budge, Apocrypha, 1-48 bzw. 179-215. 170 Als Substantivierung des griechischen ltElpaSEIV. Im Text der Handschrift mit fehlerhaften r statt TT; Budge kommentiert: sic (Apocrypha, 187). 171 Es handelt sich urn ein Fragment aus der Bibliotheque Nationale, Paris; abgedruckt bei Budge, Apocrypha, 216-230. Nach Haase, Rekonstruktion, 99, ist diese Rezension die altere Fassung, die von der anderen paraphrasiert wird. 172 Budge, Apocrypha, 219. 173 Bauckham, Salome, 251, ist der Ansicht, es handle sich urn eine Stelle aus dem ProtevJak (20, I) - aber dort wird keine Versuchung Jesu durch Salome erzahlt. 174 Vg!. Bauckham, Jude, 252: "In earlier Egyptian Christianity Salome was a better known figure than she was in most other early christian traditions". 175 Bauckham, Salome, 262. Bauckharn betont, daB nach den neutestamentlichen Zeugnissen dies eher von Martha zu erwarten gewesen ware.
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JUNGERINNEN JESU
5. Salome und Maria Magdalena (Pistis Sophia)
An den beiden Stellen, wo der Name Salome im Neuen Testament genannt wird (Mk 15,40; 16,1), steht er am Ende einer Frauenliste, die mit Maria Magdalena beginnt. Im Mt, Lk, Joh, EvPetr und der EpAp fehlt der Name Salome an entsprechender Stelle. In einigen anderen Schriften 176, die - oft im Zusammenhang der Nacherzahlung einer Ostergeschichte - Frauenlisten enthalten, wird neben Maria Magdalena auch Salome genannt: - In Tatians Diatessaron werden (in Harmonisierung der synoptischen Listen) als Kreuzigungszeuginnen Maria Magdalena, Maria, die Mutter des Jakobus des Jiingeren, die Mutter der Sohne des Zebedaus, Salome und viele andere angefiihrt 177. - In der ersten Jakobusapokalypse werden in einer Aufzahlung nacheinander Salome, Maria, Martha und Arsinoe genannt l78 . - Aufzahlungen von ltingerinnen lesu in Kirchenordnungen nennen Maria Magdalena, eine andere Maria und Salome, daneben teilweise noch andere Frauen 179 . - Die koptischen Bartholomaustexte nennen Maria Magdalena, Maria, die Mutter des lakobus, Salome, Maria und Martha, Susanna bzw. lohanna und noch weitere neutestamentliche Frauen 180. - Ein manichaisches Turfan-Fragment zahlt nacheinander Maria, Salome und Maria auf, in einer zweiten Liste Maria, Salome und Arsinoe 181. - In zwei manichaischen Psalmen werden nacheinander Maria, Martha, Salome und Arsinoe genannt 182. Mit einer Ausnahme l83 nennen alle Schriften Salome erst nach Maria Magdalena, die meistens zu Beginn der Listen steht. Salome wird also - wenn sie tiberhaupt erscheint - Maria Magdalena nachgeordnet. Dies entspricht der wichtigeren Position, die Maria Magdalena auch sonst in den gnostischen Schriften hat. Dieselbe Rangfolge findet sich auch in der Pistis Sophia: Dort
176 !ch erhebe hier keinen Anspruch auf Vollstiindigkeit. 177 Kap. 52, bei Preuschen / POtl, Diatessaron, 230. 178 Die Namen sind teilweise ergiinzt, vg!. unten C III 3. 179 Bauckham, Salome, 265f, referiert verschiedene Namenslisten u.a. aus der syrischen und der iithiopischen Didaskalia und den Apostolischen Konstitutionen. 180 Zu diesen Texten vg!. oben C II 4c. 181 Text bei Puech / Blatz, Evangelien, 321; eventuell abhiingig vom Diatessaron (vg!. Bauckham. Salome, 258). 182 Zu diesen Texten vg!. untcn C III 3. 183 Die einzige Ausnahme von dicser Reihenfolge findet sich in der 1ApcJac; diese Abweichung ist ein Grund zu vermuten, daB bei der dort gcnannten Maria nicht an Maria Magdalena zu den ken ist. Zu weiteren Grtinden fUr diese Annahme vg!. unten C III 3.
SALOME
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hat Salome noch nicht den gleichen Stand der Vollkommenheit erreicht wie Maria Magdalena und wird von ihr belehrt. Salome ist eine von vier Frauen, die in der PS Gesprache mit dem Auferstandenen flihren. Im Vergleich zu dem dominierenden Auftreten Maria Magdalenas kommen die anderen Frauen (ebenso wie die Manner) relativ selten zu Wort. Salome ist in den Btichem der PS insgesamt viermal am Gesprach beteiligt, dreimal kommt sie in den Btichem I-Ill, einmal in Buch IV (einem ursprtinglich nicht zu den anderen Btichem gehorenden Teil) zu Wort. Die beiden ersten Gesprachsbeitrage Salomes finden sich gegen Ende des ersten Buches der PS. Hier geht es urn die Geschichte des Falls und der Erlosung der Sophia, die von Jesus mitgeteilt wird, worauf jeweils ein Jiinger oder eine Jtingerin die "Auflosung" des vorher Erzahlten vortragt. In den Kapiteln 54 und 58 tut dies Salome, sie wird anschlieBend von Jesus gelobt. Die Abfolge der Reden und das Lob Jesu am Ende unterscheiden sich nicht von dem, was auch von den meisten anderen JungerInnen berichtet wird, nur Maria Magdalena wird hoher gepriesenl84. Interessanter ist der Auftritt Salomes im dritten Buch. In diesem Teil der PS wird geschildert, wie die Archonten negative Krafte an die Seele der Menschen gebunden haben, urn sie zum Stindigen zu zwingen. Jesus sagt von sich, er habe die Mysterien in die Welt gebracht, urn die Seele von ihren Fesseln zu IOsen, sie zu befreien von ihren Eltem, den Archonten, und sie zum reinen Licht zu machen und hinaufzuftihren in das Reich ihres Vaters. Jesus zitiert anschlieBend sich selbst, d.h. der auferstandene Jesus der PS verweist auf einen Ausspruch des irdischen Jesus, der in ahnlicher Form aus den synoptischen Evangelien und dem EvThom bekannt ist: "Deswegen habe ich einst zu euch gesagt: Wer nicht Vater und Mutter verlaBt und kommt und mir nachfolgen wird, ist meiner nicht wtirdig"185. Dieser Spruch wird jetzt auf die Archonten gedeutet: Jesus fordert die JtingerInnen auf, ihre Vater, die Archonten zu verlassen, damit er sie zu "Kindem des ersten Mysterium in Ewigkeit" machen konne l86 . Darauf schaltet sich Salome in das Gesprach mit einer exegetische Frage ein: Sie fragt, wie es zu verstehen sei - wenn unsere Vater die Archonten sind - daB das Gesetz des Mose sage, wer seinen Vater und seine Mutter verlassen wird, solle des Todes sterben 187. Jetzt ergreift Maria Magdalena die Initiative: 184 Vg!. z.B. Kap. 19; S.o. C I 2d. 185 PS, Kap. 131; Schmidt / MacDermot, Pistis, 337. Vg!. Mk 10,28-30; Mt 10,37f; Lk 14,26f; 18,29, EvThom 55; 101. 186 PS, Kap. 131; Schmidt / MacDennot, Pistis, 337. Die "Kinder des ersten Mysteriums" (WB NT€I
19
MNTZOOYT
13
[ ..... ] damit erscheinen [moge] die Kraft [GoUes]. Oas Vergangliche ging [hinaufl zum Unverganglichcn und [das] Werk dcr Wciblichkeit gclangle hinauf zum Wcrk dieser Mannlichkeit.
15 17 19
15 Marjanen, Woman, 1341', slellt fest, daB in der I ApcJac und anderen Nag-HammadiSchriften €CSHCIC als Aquivalent fUr rNWCIC gebraucht werde und nicht im Sinne der platonischen Philosophie "where it is the equivalent of a lower cognitive faculty and refers to the observation of the visible world by the senses". Letzterer Gebrauch liegt LB. auch bei Philo vor, der alaeT]oi steht auch 16 Zur Frage des Verhaltnisses von EvThom und synoptischer Tradition s.o. B III lb. 17 Der koptische Pluralartikel N unterscheidet nicht zwischen mannlichen und weiblichen Personen und der Gebrauch des Wortes CON ist auch fUr Schwestern belegt. Vg!. Crum, Dictionary, 342f. 18 Vg!. dazu die oben diskutierten Logien 61 und 114 (C 11 2 bzw. C 14c). 19 Vg!. Mt 12,50; Mk 3,32.35. 20 Die Unsicherheit des Textes in Mk 3,32 zeigt, daB schon bei der Uberlieferung des markinischen Textes nicht einheitlich verfahren wurde.
DIE MUTIER MARIA
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hier fUr Menschen beider Geschlechter, erst durch die HinzufUgung der aOEAq,ai werden die aOEAq,oi ausschlieBlich als Bruder bestimmt.
Im Vergleich zu den Fassungen bei Mk und Mt erzahlt das EvThom eine ktirzere Geschichte. Es fehlt eine narrative Einleitung (wie sie alle synoptischen Fassungen haben) oder eine Verankerung im Kontext, wie sie Mk vornimmt21 . Beides ist typisch fUr das EvThom22 . Dariiber hinaus fehlt bei Thomas wie auch bei Lk die Rtickfrage (n" ECJ'ttV iJ ).lTJTI1P ).lot> Kat 'tiVE" EiO"tv oi aOEA;), und der bei Mt und Mk zweiteilige Antwortsatz ist bei Lk und Thomas zu einem Satz zusammengezogen. In der Formulierung vom "Willen meines Vaters" (TTOYWCY MTT~.eIW" = 'to 8€A1]).la 'tou 7ta'tp6" ).lot» gleichen sich Mt und Thomas. Diese Ubereinstimmungen sind als Beweise fUr die Kenntnis der synoptischen Evangelien gelesen worden 23 . Daneben wurde auch tiber eine hier zugrunde liegende Evangelien-Harmonie spekuliert24 , da noch drei weitere Versionen der Geschichte (im EvEbion 25 , bei Clemens Alexandrinus 26 und 2Clem 9,11) den letzten Satz verktirzen und vom Willen des Vaters reden. Gegen eine Evangelien-Harmonie spricht - neben den doch vorhandenen Abweichungen der Fassungen - schon die Tatsache, daB das EvEbion durch die Ubemahme eines Satzes, der zur redaktionellen Schicht des Mt gehort (Kat £K'tEtVa" 't~V XEipa £7tt toV" ).la81]ta,,), seine Abhiingigkeit von diesem Evangelium zeigt. Aber auch die Annahme einer literarischen Abhangigkeit des EvThom von den Synoptikem kann nicht ganz befriedigen. Wilson bemerkt zu dieser Stelle: "Here, and elsewhere, it would probably be wrong to think of direct literary dependence; for an author to piece together the Synoptic material in this way, for no apparent purpose, would be a monumental waste of time and trouble. The most probable explanations are either the use of a Gospel harmony of some kind, free quotation from memory, or independent tradition"27. Am plausibelsten scheint mir die Annahme eines freien Zitates aus der Erinnerung zu sein. Die Ktirzungen im zweiten Teil der Geschichte sind angesichts der markinischen (und matthaischen) Wiederholungen eine durchaus nachvollziehbare Veriinderung bei einer freien Wiedergabe der Geschichte 28 , und der Ausdruck "Wille 21 Naeh Dibelius, Fonngesehiehte, 44, ist ..Mk 3,20.21 die pragmatisehe Vorbereitung der Gesehiehte 3,31 ff dureh den Evangelisten". 22 Giirtner, Theology, 33. 23 Naeh Sehrage, Verhiiltnis, 186, .. verriit Th wieder sehr deutlieh seine Bekanntsehaft mit den synoptisehen Evangelien" ( =Fieger, Thomasevangelium, 250). 24 Wilson, Studies, 116; Sehrage, Verhiiltnis, 187; Fieger, Thomasevangelium, 252: Patterson, Gospel, 68. Koster, Synoptisehe Oberlieferung, 79, vennutete dies sehon ohne Kenntnis des EvThom. Aueh wenn alle diese Autoren von einer Evangelien-Hannonie reden, so stellen sie sieh doeh jeweils etwas sehr Untersehiedliehes vor und lassen damit de ut!ieh werden, daB diese Annahme das Problem nur verlagert. 25 Bei Epiphanius, Pan 30,14,5. 26 Eel Proph 20,3. 27 Wilson, Studies, 115f.
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JUNGERINNEN JESU
meines Vaters" kann im EvThom nicht iiberraschen, da "Vater" dort der durchgehend gebrauchte Ausdruck fUr Gott ist 29 . Redaktionelle Wendungen von Mt oder Lk 30 (wie etwa die vom EvEbion gebrauchte) sind im EvThom nicht zu finden. Neben dem Fehlen der narrativen Elemente gibt es in Logion 99 weitere fiir das EvThom typische Ziige: Am Anfang werden die Fragenden als die JiingerInnen identifiziert. Auch sonst werden Fragen an Jesus iiberwiegend von den JiingerInnen oder einem namentlich genannten einzelnen Jiinger oder einer Jiingerin gestellt 31 , die Fragen und Antworten des EvThom spielen sich in einer Gruppe ab, die bestimmte Grundiiberzeugungen teilt. Eine zweite Besonderheit ist die Rede vom "Eingehen in das Reich des Vaters" am Ende des Logions. Sie verbindet iiber die Wendung "Eingehen ins Reich" diesen Text mit den Logien 22 und 114 32 und stellt die Geschichte von den wahren Verwandten in den Kontext der Vorstellung vom Reich (MNTePO). Der Ausdruck variiert: Neben MNTepO MTT~eIWT (Reich meines [anderswo auch: des] Vaters)33 wie an dieser Stelle ist auch vom MNTepO NMTTHYe (Reich der Hirnmel)34 oder nur vom Reich die Rede 35 . Dabei dominieren neben den Gleichnissen Logien, die zum Anders-Sein auffordern und gesellschaftlich nicht anerkannte Werte als Voraussetzung fUr die Teilnahme am Reich benennen: "Wenn ihr euch nicht der Welt enthaltet, werdet ihr das Reich nicht finden"36. Das Reich des EvThom ist etwas fUr AuBenseiterInnen. Dabei ist es nicht in der Zukunft oder an einem anderen Ort zu finden, sondern hier und jetzt (3 und 113) und in der Gegenwart Jesu (82). Patterson beschreibt die zugrunde liegende Haltung in plastischer Weise: "Everything that the world of early Christianity has to offer is called into question. This is eschatology demythologized and actualized. Wandering radicalism does not proclaim the (future) coming of the kingdom, it brings it directly to the front 28 Ich habe mir die Geschichte von mehreren Leuten unabhlingig voneinander erzlihlen lassen; aIJe haben dabei im zweiten Teil stark gekiirzt, obwohl sie meinten, die markinische Geschichte zu erzlihlen. 29 Vg\. die Logien 3; 15; 27; 40; 44; 50; 57; 61; 64; 69; 76; 79 (wo Thomas vermutlich "Gott" in "Vater" linderte, s.u.), 83; 96; 97; 98; 113. - Patterson, Gospel, 68, zitiert die markinische Wendung 'to 6£ATIIW 'tOU 6EOU und iibersetzt dann "the wiIJ of my father', womit er unabsichtl.ich demonstriert, wie der Sprachgebrauch des EvThom zu dieser Anderung verleiten kann. 30 Zur Bestimmung dieser Wendungen vg\. Luz, Evangelium 1,2, 286 und Bovon, Evangelium Ill, I, 418. 31 Ausnahmen gibt es in den Logien 72; 79 und 100, wo Fragen von AuBenstehenden kritisch beantwortet werden. 32 Zu diesen Logien s.o. C I 4c. 33 Logien 57; 76; 96; 97; 98; 99 und 113; die ersten fiinf sind Gleichnisse. 34 Logien 20 (Gleichnis); 54 und 114. 35 Logien 3; 22; 27;46; 49; 82; 107 und 109; die beiden letzten sind Gleichnisse. 36 Logion 27 (wortlich: wenn ihr nicht fastet [NHCTeye] gegeniiber der Welt). Vg\. die Logien 46 (klein werden); 49 (einzeln sein); 54 (arm sein); 22 und 114 (Aufiosung der Ge· schlechterdifferenz).
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DIE MUTTER MARIA
door. With the knock of the itinerant radical, the old world has passed away, and the kingdom of God has arrived"37. Zu dieser radikalen Haltung des EvThom geh6rt - neben anderem - auch die Ablehnung familiarer Bindungen 38 , mit der eine schon in der Jesusbewegung geforderte Verhaltensweise fortgeftihrt wird 39 . Alle Erwahnungen der Mutter Jesu im EvThom stehen im Kontext der Ablehnung familiarer Beziehungen, an keiner Stelle wird sie in positivem Sinne beschrieben oder als Idealfigur stilisiert. Darin ist das EvThom der mk Behandlung der Mutter Jesu vergleichbar und setzt eine Tradition fort, die in den anderen kanonischen Evangelien domestiziert zu werden begann, urn einem freundlicheren Mutter- und Farnilienbild zu weichen. Aus den anderen Texten des EvThom wird zudem deutlich, daB die Mutter Jesu nicht nur als ein Mitglied der irdischen Familie drauBen stehen bleiben muB. Besonders in den Logien 79 und 101 wird sie als Mutter abgelehnt und abgewiesen. Logion 79 (p.47,3-12) thematisiert dabei die Ablehnung der Mutterschaft an sich: 3 TT€X€
OYCZIM[€[ NAq ZM I TTMHCY€ X€
N€€IAT crtaupq> tOU 'Illcrou i] )l"tllP autou Kat i] clOEA,q,i) tll~ )ll1tPO~ autou, Mapia i] toU KA,cmta Kat Mapia i] MayoaA,l1v". Die Mutter Jesu tritt hier (im Unterschied zu den synoptischen Berichten) als Zeugin der Kreuzigung ihres Sohnes auf; sie steht gemeinsam mit Maria Magdalena, einer (oder zwei) weiteren Frauen und nach Vers 26 auch dem Lieblingsjiinger unter dem Kreuz. Sie ist damit erstmalig in den kanonischen Evangelien in die Gruppe der JiingerInnen integriert. Die Rezeption dieses johanneischen Verses bestimmt auch den friihesten gnostischen Text, in dem die Mutter Jesu als seine Jiingerin auftritt. Es handelt sich dabei urn den schon im Zusammenhang mit Maria Magdalena besprochenen Abschnitt des EvPhil tiber die drei Marien in der Begleitung Jesu (EvPhil 32; p.59,6-11): 6 NE: OYN CYOMTE: MOOCYE: MN
I rrXOE:IC
OYOE:ICY NIM Mapla TE:qMaaY 8 a yw
TE:CCWNE: a yw Mar.3..aAHNH TalE:1 E:TOYMOYTE: E:pOC XE: TE:qKOINWNOC Mapla rap TE: TE:qCWNE: ayw TE:qMaay
I TE:
ayw
TE:q~WTPE:
10
TE:
6 Drei (Frauen) gingen mit dem Herrn allezeit: Maria, seine Mutter, 8 und ihre Schwester und Magdalena, die genannt wird: seine ICOlVOlVOH) und ihre Ahnlichkeit (€IN€) mit weiblichen Wesen der himmlischen Welt verbunden. Die beiden Passagen der PS werden in der Sekundarliteratur gelegentlich als Parallele zu einem Bericht des Epiphanius herangezogen l40 . Epiphanius weiB namlich von einer haretischen Gruppe - er nennt sie KollyridianerInnen -, die die himmlische Herkunft des Korpers von Maria angenommen hat. Epiphanius polemisiert in Abschnitt 78 und 79 seines Panarion gegen Haresien, die seiner Ansicht nach falsche Ansichten iiber Maria verbreiten. Er bezeichnet diese Gruppierungen als AntidikomarianitInnen und KollyridianerInnen. Die ersteren sind nach Epiphanius gegeniiber der Jungfrau Maria feindlich eingestellt gewesen: Sie nahmen namlich an, Maria sei nach der Geburt Jesu mit Joseph zusammengewesen (78,1,3). Epiphanius selbst ist ein Anhanger der aEl1tap8EVta, nach seiner Meinung sind die vier Briider und zwei Schwestern Jesu Kinder Josephs aus seiner ersten Ehe. Epiphanius lehnt diese Gruppe also ab, da sie "die heilige Jungfrau" zu gering schatzen. Die zweite Gruppierung, die KollyridianerInnen, fallen nach Epiphanius ins 138 Ich verstehe €T2N und das folgende €2N hier als Formen der Priiposition €2piii(Crum, Dictionary, 649a und 684b) und nicht - wie Schmidt und MacDermot in ihren Obersetzungen - als Relativkonverter, da in diesem Falle determinerte Beziehungsworte zu erwarten wiiren. (Die undeterminierten Ausdriicke MOr«l>H bzw. €INe miiBten einen Umstandssatz und keinen Relativsatz nach sich ziehen.) - Die ganze Passage ist sprachlich auch deshalb etwas riitselhaft, da die Rede Jesu zwischen Aussagen iiber Maria in der 3, Pers, und Anreden Marias in der 2. Pers. schwankt und sich kein wirklicher Hauptsatz finden HiBt (was sich nur durch eine Konjektur beheben lieBe). - Ich bedanke mich bei Stephen Emmel fiir seine Vorschliige zu den sprachlichen Problemen dieses Abschnitts. 139 PS, Kap. 59; Schmidt / MacDermot, Pistis, 116f. 140 DOIger, Marienverehrung, 115, fiihrt den Text aus PS Kap. 8 zur Erkliirung eines Vorkommens des gnostischen Archons in einer Form der Marienverehrung an, die fiir die Montanistlnnen belegt ist. Fendt, Mysterien, 38--48.79-83, ordnet die Kollyridianerlnnen in den Kontext der Gnosis ein, Beyschlag, Simon, 134 A 11, spricht unter Berufung auf Fendt von biblischen Frauen als "Reprasentanten der groBen Mutter" in der Gnosis und verweist an dieser Stelle auf die PS, "wo den beiden biblischen Marien (. , .) die Ahnlichkeit mit dem Wesen der Barbelo zugesprochen wird",
DIE MU1TER MARIA
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andere Extrem: Sie verehrten Maria in iibertriebener Weise (-nov Oi:: 1taA1V imEp "Co bEOV ooSasoV"Cwv)141. Epiphanius zitiert in Panarion 78,2,1-24,6 einen Brief, den er selbst nach Arabien geschrieben hatte, urn dort vorkommende Haresien zu bekampfen. Er zahlt zu Beginn des Briefes eine Reihe von Namen auf (MapKiwv£~,' Apxov'ttKoi, Mavtxaiol, spater noch die Haresien der Ka'iavcOv, ~TJetavcOv, Md.Xlcr£O£KtavcOV, KOAop~acriwv, K£powvtavcOV Kat "CcOV aAAwv), greift aber spater fast durchgehend ohne Namensnennung einzelne Lehren an. Wie auch sonst oft bei Epiphanius ist nicht deutlich, wann er gegen welche Oruppierungen polemisiert. In einigen Fallen scheinen die Namen der Haresien keine Selbstbezeichnungen, sondern Etikettierungen des Epiphanius zu sein. Auch die Bezeichnung der Maria-VerehrerInnen als KollyridianerInnen ist wohl von Epiphanius gebildet l42 . Uber die KollyridianerInnen erfahren wir, daB sie Maria an die Stelle Oottes setzten (aV"Ct e£ou l:al)'tTJV 1tapncraynv). Epiphanius erwahnt in seinem Brief nach Arabien den Kult der Kollyridianerlnnen: "'11]youml yap ffis nVE; yuvalKE; £KElaE £V 'tU 'ApaPiq alto 'tWV ~EPWV 'tf\; 0pq K1]; 'tOu't() yE 'to KEVoq,wv1]~a £v1]VOxaal v, Ox; Ei; ovo~a Tf\; aElltapll£vou KOAAupioa nva £m TEAEIV, Kat auvaYEallal £ltt TO allTo, Kat Ei; ovo~a Tf\; ayia; Itapll£vou UltE.p 'to ~E'tpOV 'tt ItElpaallat allE~i 'till Kat pAaaq,t\~1ll £ltlXEIPElV Itpay~a'tl, Kat Ei; ovo~a mhf\; iEPOUPYEiv ota yUVatKWV. Man sagt namlich, daB gewisse Frauen dort in Arabien aus den Gebieten Thrakiens 143 diese hohle Lehre mitgehracht hahen, daB sie im Namen der immer lungfraulichen einc Kollyris 144 darhringen und sich dazu versammeln und es unternehmen, im Namen der heiligen lungfrau cine iiher alle MaBen ungesetzliche und hlasphemische Handlung zu vollziehen und in ihrem Namen ein Opfer darzuhringen durch Frauen 145
Die Polemik des Epiphanius gegen diese Oruppierung bezieht sich primar auf die Beiteiligung von Frauen an Opfer und Eucharistie. Er nutzt die Praxis der KollyridianerInnen zu einer generellen Abhandlung iiber die amtlichen Befug141 Pan 79,1,5. 142 Vg!. D6lger, Marienverehrung, 11 Of. 143 In Pan 79, I, I heiBt es, daB sie aus Thrakien
und dem oheren Teil von Skythien nach Arahien gekommen seien. 144 Nach D6lger, Marienverehrung, 130-"'8, ein fladenfOrmiges Brot. Epiphanius geht in Pan 79, 1,7, noch einmal auf den praktizierten Ritus ein; dort herichtet er, daB sie iiher einer Art Sitzgeriit oder einem Scheffel (vg!. D6lger, Marienverehrung, 126-130) ein Lcinentuch ausgebreitet hatten und auf diesem Altar an einem hestimmten Tag des lahres ein Brotopfer auf den Namen Marias dargehracht hatten (nvE; yap yuvaiKE; KOUptKOV 'tIva Koa~OUaat fj10l oipov TETpay(t)vov, altAWaaaal £It' aUTOv ollov1]v, £v fj~Epq 'tI VI q,avEp~ TOU £1OU; ap'tOv Itpo'tIIlEaat Kat avaq,EpOuat v Ei; ovo~a Tf\; Mapia;, at 11:(iaat OE alto 'tOu ap10u ~£TaAa~pavouat v). 145 Pan 78,23,4.
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JUNGERINNEN JESU
nisse von Frauen und versucht die se moglichst einzuschranken l46 . Charakteristisch filr den polemischen Stil des Epiphanius ist auch eine Aussage wie: "Jede Haresie ist eine wertlose Frau" (micra yap atp£crt't01>,;). AnschlieBend vertreibt er sie aus dem Paradies (3,23f). In dem apokryphen lesuswort wird diese Geschichte sozusagen von hinten aufgerollt: Die Menschen leben in der Welt und fern vom Paradies. Fiir ihre Riickkehr zum idealen Urzustand ist es notig, daB sie die Kleider ablegen und sich nicht mehr schamen. Die Zwei sollen wieder Eins werden, d.h. die Teilung des zweigeschlechtlichen Urmenschen in einen mannlichen und einen weiblichen Menschen wird in der Vereinigung der Gegensatze von mannlich und weiblich aufgehoben. Der neue Urmensch ist nicht nur weder apa£v noch 8ijA1), sondem auch apO'£v ~£'ta 'tij.; 8T)Ado.;: Der geschlechtslose Mensch ist der, der beide Geschlechter in sich vereinigt. Der neue Mensch entspricht dem Urmenschen vor dem Fall. b) Genesisexegese in Alexandria Diese Art der Genesisexegese laBt an Alexandria als Entstehungsort der Tradition denken l9 . Vergleichbare Vorstellungen begegnen im ersten lahrhun17 Grundlegend fiir diese Ansicht ist Smith, Garments, passim, der die Kleidungsmetaphorik von EvThom 37 (und 21) und der Passage des EvAg dem Kontext der friihchristlichen Taufe zuordnet, in der das Ablegen der alten Kleidung und das Anziehen neuer Kleidung ein integraler Bestandteil des Ritus gewesen ist. Davies, Gospel, 117-131, auBert sich zustimmend und macht auch fiir EyThom 22 den Taufkontext plausibel. Vg\. auch MacDonald, Male, 50--63; Fallon I Cameron, Gospel, 4234. 18 Zu den Genesisbeziigen der verschiedenen Texte vg\. etwa Smith, Gannents, passim; Meeks, Image, 185; Davies, Gospel, 126-128; De Conick I Fossum, Stripped, passim: DeConick, Seek, 143-147. DeConick, Seek, 144, auBert sich allerdings gegen die von Smith hergestellte Verbindung von EvThom 37 mit der Taufe. Sie halt das Wort (wie das EvThom insgesamt) fiir enkratitisch und deutet es im Rahmen von "ascent soteriology". Trotz einer groBen Anzahl von interessanten Einzelbeobachtungen vennag diese Zuordnung m.E. nicht zu iiberzeugen. Die Genesisbeziige sprechen nicht dagegen, daB es sich urn einen Tauftext handelt. Die enkratitische Deutung Cassians, auf die sie 8ezug nimmt (145), muB nicht die Intention des EvThom gewesen sein. Den "cry of encratism" (18), den sie in EvThom 22 findet, kann ich dort nicht horen. 19 Dies nimmt auch MacDonald, Male,127, an. Er vennutet auBerdem, daB diese Ideen von Apollos nach Korinth gebracht worden seien, "who like Philo was a Hellenistic Jewish
WEIBLICH SEIN UNO MANNLICH WERDEN
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dert bei Philo von Alexandria. So beschreibt Philo etwa den Urmenschen aus Gen 1,27 als gegensatzlich zu dem Menschen, von dessen Herstellung in Gen 2,7 berichtet wird. Letzterer ist sinnlich wahmehmbar (uio611tO,,), besteht aus Korper und Seele (EK OOOIlUtO" Kat 'l'uxfj" OUVEOt~), ist Mann oder Frau (av~p 11 yuviJ) und seiner Natur nach sterblich (uoet 6VlltO,,). Dagegen ist der zuvor nach dem Bilde Gottes (KUtU titv £iKOVU 6eov) entstandene Mensch geistig wahmehmbar (V01]tO,,), unkorperlich (aoo)Jwto,,), weder mannlich noch weiblich (OUt' appEv oute 6fjAU) und seiner Natur nach unverglinglich (a6upto" uOEt)20. Wahrend hier die Geschlechtslosigkeit des Urmenschen betont wird 21 , zeigen andere Passagen bei Philo auch Ankntipfungen an den platonischen Mythos vom androgynen Menschen, wie er im Symposion (189c-193d) erzahlt wird. Auch der androgyne Mensch ist nicht der Begierde und der materiellen Welt unterworfen, die ihn von der Zuwendung zu Gott abhalt 22 . Solange der Mensch einer (d,,) war, glich er in seiner Einheit (Ilovo)(n,,) dem Kosmos und Gott. Als die Frau hergestellt wurde (E1tEt O' E1tAao611KUt yuviJ), begannen die Begierde, das Streben nach Vereinigung und die Sehnsucht nach Nachkommenschaft. Dies ist auch der Anfang von Sterblichkeit, Gesetzestiberschreitungen und anderen Obeln 23 . In den zuletzt genannten Formulierungen erweist sich, daB der philonische erste Mensch nicht ganz so geschlechtsneutral ist, wie es zuvor den Anschein hatte. In Ankntipfung an Gen 1 kann der erste Mensch zwar als geschlechtslos vorgestellt werden, aber sobald Gen 2 in den Blick gerat, wird das Weibliche als das Sekundare beschrieben. Die Tatsache, daB Philo beide Ausdrucksweisen nebeneinander gebraucht 24 , unterstreicht noch einmal, daB auch die entsprechenden unterschiedlichen Formulierungen, wie sie sich etwa in EvThom 22 / 114 oder in den Fragmenten des EvAg finden, nicht als (etwa roit Mitteln der Literarkritik zu behebende) Opposition zu verstehen sind.
biblical scholar from Alexandria". - Noch weitere Texte und Traditionen, in denen Spekulationen iiber die Geschlechterdifferenz zu finden sind, lassen sich dem alexandrinischen Milieu platonisch inspirierter Exegese zuordnen (Philo, Valentin, Clemens und Origenes; vg!. dazu Broek, Speculations, passim). Auch fUr die Entstehung bzw. Rezeption vieler christlich-gnostischer Schriften, in denen dieses Thema begegnet, diirfte Alexandria eine groBe RoUe gespieit haben. 20 Op Mund 134. Der griechische Text dieser Passage findet sich mit englischer Ubersetzung bei Baer, Use, 21. Dort werden auch weitere philonischer Texte diskutiert, die auf die Genesis Bezug nehmen. 21 Vg!. Baer, Use, 32, der betont, daB der Urmensch hier nicht zweigeschlechtlich, sondern geschlechtslos gedacht is!. 22 Vg!. Baer, Use, 38. 23 Op Mund 151f, bei Baer, Use, 36f. Vg!. dazu auch Boyarin, Jew,187. 24 Vg!. dazu auch den tabeUarischen Uberblick bei Baer, Use, 15f, wo dieser die philonischen Begriffiichkeiten fUr "Man's Higher Nature" denen fiir "Man's Lower Nature" gegeniiberstelit. Unter der ersten Rubrik findet sich sowohl OU'" appev OU1E e~AU als auch civlip, denen in der zweiten Rubrik civ~p ~ yuvli und yuvli entsprechen,
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ERGEBNISSE UNO AUSBLICK
c) Spiitere Verwendungen des Motivs Das Motiv von der Aufhebung der Geschlechterdifferenz begegnet auch in spateren Texten weiterhin, wobei es unterschiedliche Ausforrnungen erhalten hat. Von einigen dieser Texte war schon irn Zusarnrnenhang rnit den Jiingerinnen Jesu die Rede. So geht es irn vierten Buch der Pistis Sophia urn das Mysteriurn der Taufe, welches, wie Jesus sagt, "eure Seelen flihren wird zu dern Licht der Lichter, zu den Orten der Wahrheit und der Giite, zurn Ort des Heiligen aller Heiligen, zu dern Ort, an dern es weder weiblich noch rnannlich gibt (€TTTOTTOC €T€ MN-C2IM€ N2HTq· 0YA€ MN-2ooYT), noch gibt es Gestalten an jenern Orte, sondern ein bestandiges, unbeschreibbares Licht"25. Hier hat sich die traditionelle Verbindung zur Taufe erhalten. Dagegen fehlen andere Oppositionen auBer der zwischen rnannlich und weiblich. Dies paBt zur bedeutenden, aber nicht unurnstrittenen Rolle der Jtingerinnen in der PS. Die Transzendierung der Geschlechterdifferenz ist hier ein wichtiges Therna, die anderen Oppositionen scheinen in der TragerInnengruppe nicht brisant gewesen zu sein. Eine ganz andere Aufnahrne des Motivs findet sich in einern bei Clernens von Alexandrien liberlieferten Text des karpokratianischen Gnostikers Epiphanes. Dieser vertritt in seiner Prograrnrnschrift TI€pi otlwwcnJvl]-;; die Ansicht, Gott habe Hirnrnel, Erde, Sterne und Sonne alien gleichermaBen gegeben, da er nicht unterscheide zwischen einem Reichen oder einem Armen, Yolk oder Herrscher, Dummen und Intelligenten, Frauen und Mannern (el]A.da-;; apo€va-;;), Freien und SklavInnen 26 . In einer parallelen Forrnulierung heiBt es, der Schopfer und Vater des Ails habe in seiner eigenen Gerechtigkeit die Gesetze gegeben und alien in gleicher Weise Augen zum Sehen, wobei er nicht unterschieden habe eine Frau von einem Mann (el]A.€tav app€vo-;;), einen Verntinftigen von einem Unverntinftigen, und liberhaupt nichts von nichts 27 . Die menschlichen Gesetze seien gegen das gottliche Gesetz gerichtet. Die U nterscheidung von Mein und Dein in Besitz und Ehe sei nur durch die Gesetze in die Welt gekommen. Die Gesetze brachten somit das widergesetzliche Verhalten erst hervor. Nach dem Referat des Clemens bezog sich Epiphanes flir seine anarchistische Theologie sowohl auf Paulus als auch auf Platon, die er allerdings nach Ansicht des Clemens miBinterpretierte 28 . Auch die Aufzahlung der ungliltigen Gegensatze dlirfte durch die paulinischen Texte inspiriert gewesen sein. Bemerkenswert ist, daB das Motiv von der Aufhebung der Geschlechterdifferenz hier zu ganz anderen praktischen Konsequenzen flihrt als etwa in der Pistis Sophia. Die Ethik der Pistis Sophia ist eine asketische, das (von Maria Magdalena verkorperte Ideal) ist das eines pneumatischen Menschen.
25 Kap. 143; Schmidt / MacOennot. Pistis, 372,24-373,3. Oer vollstiindige koptische Text sowic eine Oiskussion dieser Passage im Kontext der PS findet sich oben C I 2d. 26 Strom III,6,2; Stiihlin / Friichtel n, 198. V gl. zu diesem Text oben C n 4a. 27 Strom III,7,1; Stahlin / Friichtel n, 198. 28 Strom III,7,2 (Rom 7,7) und Strom III,IO,2 (Politeia 457d).
WEIBLICH SEIN UND MANNLICH WERDEN
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Dagegen erklart Epiphanes Besitz und Ehe flir ungtiltig, die Konsequenz aus der Aufhebung der Gegensatze ist ein libertinistisch-anarchistischer Lebenssti!. Dies zeigt, daB die Rede von der Aufhebung der Geschlechterdifferenz nicht notwendig in einen asketischen Kontext gehort, wie in der Forschung oft angenornrnen. Die Forderung nach der Aufhebung von Gegensatzen begegnet auch an rnehreren Stellen der apokryphen ApostelInnenakten. In den Philippusakten ist folgendes Jesuswort tiberliefert: . Eav 1lT] 7tot~01]~E ~a ciptO~Epa IiE~ta Kat ~a anlla A.oyi~E06E EVTllla, ou 1i1)V~OE06E {toEA.6Eiv d