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German Pages 330 [331] Year 2009
Schriften zum Internationalen Recht Band 179
Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen und italienischen Insolvenzrecht Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der italienischen Reformgesetzgebung
Von
Lisa Busch
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
LISA BUSCH
Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen und italienischen Insolvenzrecht
Schriften zum Internationalen Recht Band 179
Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen und italienischen Insolvenzrecht Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der italienischen Reformgesetzgebung
Von
Lisa Busch
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein. Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 978-3-428-12979-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Diese Arbeit lag der juristischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Juni 2008 als Dissertation vor. Rechtsprechung und Literatur konnten bis September 2008 berücksichtigt werden. Mein Doktorvater, Herr Prof. Dr. Stefan Smid, hat die Arbeit nicht nur thematisch angeregt, sondern durch wertvolle Hinweise und fruchtbare Diskussionen zu ihrer Entstehung beigetragen. Für sein Engagement möchte ich mich herzlich bedanken. Dank schulde ich auch dem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. Alexander Trunk, für die Übernahme und äußerst zügige Durchführung der Zweitkorrektur. Meine Ausführungen zum italienischen Recht sind das Ergebnis einer dreimonatigen Recherche an der juristischen Fakultät der Universität Bologna. Vor Ort wurde ich von Frau Prof. Avv. Elena Frascaroli Santi umfassend betreut. Die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft, die mir während meines Italienaufenthaltes zuteil wurden, habe ich in dankbarer Erinnerung. Herrn Dott. Luciano Panzani, Richter am obersten italienischen Gerichtshof (Corte Suprema di Cassazione), gilt mein besonderer Dank für seine Bereitschaft, die italienische Rechtslage stets geduldig zu erläutern. Die Förderung durch die Studienstiftung des deutschen Volkes hat die Erstellung dieser Arbeit sehr erleichtert. Das gilt vor allem für die unbürokratische, bereitwillige Unterstützung meines Auslandsaufenthaltes. Es freut mich, dass ich von der großzügigen materiellen und ideellen Förderung durch die Studienstiftung profitieren durfte. Meinem Freund Marcel danke ich dafür, dass er mir stets liebevoll, verständnisvoll und motivierend zur Seite gestanden hat. Meiner Großmutter Ilse danke ich für ihr offenes Ohr und für ihre Großzügigkeit. Zutiefst dankbar bin ich schließlich meinen Eltern Elisabeth und Peter. Sie haben mir meinen bisherigen Lebensweg erst ermöglicht und mich nach Kräften unterstützt und liebevoll begleitet. Ihnen ist die vorliegende Arbeit deswegen gewidmet. Düsseldorf, im Oktober 2008
Lisa Busch
Inhaltsübersicht 1. Kapitel Einleitung
27
A. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Definition des Begriffs „zerschlagungsabwendend“. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zerschlagungsabwendung als wirtschaftliche Notwendigkeit. . . . . . . . . . III. Beispiele für zerschlagungsabwendende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Argumente für eine vergleichende Untersuchung des italienischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27 27 28 29 29
B. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
31
2. Kapitel Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
33
Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfolgsfaktor: Niedrige Zugangsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfolgsfaktor: Maßvolle Anforderungen an die Annahme des Plans . . . Erfolgsfaktor: Überwindung von Blockadeverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfolgsfaktor: Frisches Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfolgsfaktor: Umfassende Kontrollbefugnisse des Gerichts . . . . . . . . . . Erfolgsfaktor: Auswahl eines fähigen und anerkannten Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Erfolgsfaktor: Erhaltung des Unternehmens als funktionsfähige wirtschaftliche Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 34 36 38 41 47
A. Das I. II. III. IV. V. VI.
B. Die Sonderrolle der übertragenden Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Definition des Begriffs „übertragende Sanierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorteile der Trennung zwischen Unternehmen und Unternehmensträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Nachteile der Trennung zwischen Unternehmen und Unternehmensträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Verhältnis des Insolvenzplanverfahrens zur übertragenden Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Erfolgsfaktor: Abbau von Personalüberhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Erfolgsfaktor: Ausschluss des Anfechtungsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48 56 58 58 59 60 61 61 74
10
Inhaltsübersicht Verfahren der Eigenverwaltung gem. §§ 270 ff. InsO . . . . . . . . . . . . . . Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfolgsfaktor: Senkung der Hemmschwelle des Schuldners . . . . . . . . . . . Erfolgsfaktor: Nutzung der besonderen Sachkunde des Schuldners . . . . Das Verhältnis der Eigenverwaltung zum Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . .
77 79 79 80 84
D. Zusammenfassung: Rahmenbedingungen der Unternehmenssanierung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
C. Das I. II. III. IV.
3. Kapitel Entwicklung von Fragestellungen zur Analyse des italienischen Rechts
89
4. Kapitel Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
92
A. Reform des italienischen Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zeitlicher Ablauf und Gegenstand der Reform. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Notwendigkeit einer Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ziele der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92 92 94 96
B. Überblick über die verschiedenen Insolvenzverfahren des geltenden italienischen Rechts und ihr Verhältnis zueinander. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren des italienischen Rechts im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I. Verfahren zur Abwendung der Konkurseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 II. Zerschlagungsabwendende Verfahren nach Konkurseröffnung: Der Zwangsausgleich (concordato fallimentare) gem. Art. 124 ff. LF 207 III. Insolvenzverfahren eigener Art: Außerordentliche Verwaltung (amministrazione straordinaria). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 D. Zusammenfassung: Rahmenbedingungen der Unternehmenssanierung im italienischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 E. Würdigung der Reformgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 5. Kapitel Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts A. Mögliche Vorteile der italienischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Berechenbarkeit des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenzabwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anfechtungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zugang zu zerschlagungsabwendenden Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
239 239 239 241 249 250
Inhaltsübersicht
11
V. Anforderungen an die Annahme des Plans. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Überwindung von Blockadeverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Abbau von Personalüberhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Akquise von frischem Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Kontrollbefugnisse des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Verwalterauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
255 258 259 264 265 265
B. Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 I. Berechenbarkeit des Verfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 II. Annahme des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 C. Übertragbarkeit vorbildlicher Regelungen des italienischen Rechts – Lösungen zur Stärkung des Insolvenzstandortes Deutschland . . . . . . . . . . 268 I. Berechenbarkeit des Verfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 II. Annahme des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 D. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesenform . . . . . . . . . . 289 Anhang A. Zentrale Normen der legge fallimentare. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Artikel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Artikel 160 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Artikel 182-bis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295 295 295 298 302
B. Statistik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 C. Fragebogen des Insolvenzgerichts Mailand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitung
27
A. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Definition des Begriffs „zerschlagungsabwendend“. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zerschlagungsabwendung als wirtschaftliche Notwendigkeit. . . . . . . . . . III. Beispiele für zerschlagungsabwendende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Argumente für eine vergleichende Untersuchung des italienischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
B. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
27 27 28 29 29
2. Kapitel Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht A. Das Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erfolgsfaktor: Niedrige Zugangsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insolvenzfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eröffnungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Mindestquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erfolgsfaktor: Maßvolle Anforderungen an die Annahme des Plans . . . III. Erfolgsfaktor: Überwindung von Blockadeverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Voraussetzungen des Obstruktionsverbots gem. § 245 InsO . . . a) Formelle Voraussetzungen des § 245 InsO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materielle Voraussetzungen des § 245 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik am Obstruktionsverbot gem. § 245 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Erfolgsfaktor: Frisches Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nutzung von Massekrediten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nutzung von unechten Massekrediten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Privilegierung von Sanierungskrediten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Debt-Equity-Swap. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Erfolgsfaktor: Umfassende Kontrollbefugnisse des Gerichts . . . . . . . . . . VI. Erfolgsfaktor: Auswahl eines fähigen und anerkannten Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 33 34 34 34 36 36 38 38 39 39 39 41 41 42 43 45 47 48
14
Inhaltsverzeichnis 1. Bedeutung der Verwalterauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kriterien der Verwalterauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einfluss der Gläubiger auf die Auswahlentscheidung. . . . . . . . . . . . . . VII. Erfolgsfaktor: Erhaltung des Unternehmens als funktionsfähige wirtschaftliche Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48 50 53
B. Die Sonderrolle der übertragenden Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Definition des Begriffs „übertragende Sanierung“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorteile der Trennung zwischen Unternehmen und Unternehmensträger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Nachteile der Trennung zwischen Unternehmen und Unternehmensträger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Verhältnis des Insolvenzplanverfahrens zur übertragenden Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Erfolgsfaktor: Abbau von Personalüberhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Behinderung durch § 613a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsgehalt des § 613a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 613a BGBG als mögliches Sanierungshemmnis. . . . . . . . . . . . . . c) Anwendbarkeit des § 613a BGB auf den Betriebsübergang in der Insolvenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbarkeit der bestandsschutzrechtlichen Regelungen des § 613a BGB in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einschränkungslose Anwendbarkeit des § 613a I, IV BGB in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Möglichkeiten zur Gestaltung des Personalabbaus in Einklang mit § 613a I, IV BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kündigung auf der Grundlage eines Erwerberkonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Einsatz einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Zweck einer BQG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Funktionsweise einer BQG . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Schritt 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Schritt 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Schritt 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Finanzierung einer BQG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendbarkeit der haftungsrechtlichen Regelungen des § 613a BGB in der Insolvenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erleichterung des Personalabbaus durch insolvenzarbeitsrechtliche Sonderregelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 113 S. 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 125 I 1 Nr. 1 i. V. m. § 128 II InsO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Erfolgsfaktor: Ausschluss des Anfechtungsrisikos. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58 58
56
59 60 61 61 61 62 62 63 63 64 65 65 67 67 67 67 68 68 69 70 71 72 73 73 74
Inhaltsverzeichnis 1. Veräußerung des Unternehmens vor Verfahrenseröffnung. . . . . . . . . . a) Veräußerung durch den vorläufigen „starken“ Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veräußerung mit Zustimmung des vorläufigen „schwachen“ Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veräußerung des Unternehmens nach Verfahrenseröffnung . . . . . . . .
15 74 75 76 76
Verfahren der Eigenverwaltung gem. §§ 270 ff. InsO . . . . . . . . . . . . . . Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfolgsfaktor: Senkung der Hemmschwelle des Schuldners. . . . . . . . . . . Erfolgsfaktor: Nutzung der besonderen Sachkunde des Schuldners . . . . 1. Gesetzeszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vereinbarkeit der derzeitigen Rechtspraxis mit dem Gesetzeszweck IV. Das Verhältnis der Eigenverwaltung zum Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . .
77 79 79 80 80 81 81 84
D. Zusammenfassung: Rahmenbedingungen der Unternehmenssanierung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
C. Das I. II. III.
3. Kapitel Entwicklung von Fragestellungen zur Analyse des italienischen Rechts
89
4. Kapitel Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
92
A. Reform des italienischen Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zeitlicher Ablauf und Gegenstand der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Notwendigkeit einer Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ziele der Reform. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92 92 94 96
B. Überblick über die verschiedenen Insolvenzverfahren des geltenden italienischen Rechts und ihr Verhältnis zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren des italienischen Rechts im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verfahren zur Abwendung der Konkurseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Ausgleich (concordato preventivo) gem. Art. 160 ff. LF . . . . . . a) Möglicher Inhalt des Ausgleichs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtslage vor dem 16.07.2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtslage seit dem 16.07.2006. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erfolgsfaktor: Niedrige Zugangsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Insolvenzfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine Insolvenzfähigkeit von landwirtschaftlichen Betrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99 99 99 99 100 100 102 102 102
16
Inhaltsverzeichnis (2) Keine Insolvenzfähigkeit von öffentlichen Körperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine Insolvenzfähigkeit von Kleinunternehmern . . . . . . (a) Wandel des Kleinunternehmerbegriffs . . . . . . . . . . . . (aa) Rechtslage vor dem 16.07.2006 . . . . . . . . . . . . . (a) Definitionen des Kleinunternehmers. . . . . . (b) Verhältnis der in Art. 2083 cc und Art. 1 II LF enthaltenen Definitionen zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Ungleichbehandlung von „kleinen“ Einzelunternehmen und „kleinen“ Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Rechtslage zwischen dem 16.07.2006 und dem 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Vorschläge für eine Neufassung der Definition des Kleinunternehmers . . . . . . . . (b) Verhältnis der in Art. 2083 cc und Art. 1 II LF enthaltenen Definitionen zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Gleichbehandlung von „kleinen“ Einzelunternehmen und „kleinen“ Gesellschaften (cc) Rechtslage seit dem 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . (b) Gründe für den Ausschluss des Kleinunternehmers bb) Eröffnungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtslage vor dem 17.03.2005: Zustand der Insolvenz (stato d’insolvenza) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtslage seit dem 17.03.2005: Krisenlage (stato di crisi) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verhältnis der Begriffe „Krisenlage“ und „Zustand der Insolvenz“ zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Exklusivitätsverhältnis von Krisenlage und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Spezialitätsverhältnis von Krisenlage und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Klarstellung durch den Gesetzgeber . . . . . . . . . . (b) Unklarheiten trotz Klarstellung durch den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Vorschläge zur Definition der Krisenlage i. S. d. Art. 160 LF. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mindestquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtslage vor dem 17.03.2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Mindestquote hinsichtlich der nichtbevorrechtigten Gläubiger (creditori chirografari) . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
c) d) e)
f)
g)
(b) Mindestquote hinsichtlich der privilegierten Gläubiger (creditori privilegiati) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtslage zwischen dem 17.03.2005 und dem 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Mindestquote hinsichtlich der nichtbevorrechtigten Gläubiger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Mindestquote hinsichtlich der privilegierten Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Vollständige Befriedigung der privilegierten Gläubiger erforderlich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Teilweise Befriedigung der privilegierten Gläubiger zulässig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Stellungnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechtslage seit dem 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Weitere Voraussetzungen für die Zulassung zum Ausgleichsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtslage vor dem 17.03.2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ausgleichswürdigkeit des Schuldners. . . . . . . . . . . . . (b) Vorlage der notwendigen Unterlagen . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtslage seit dem 17.03.2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verzicht auf Ausgleichswürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . (b) Vorlage der notwendigen Unterlagen . . . . . . . . . . . . . Erfolgsfaktor: Senkung der Hemmschwelle des Schuldners . . . . Erfolgsfaktor: Nutzung der besonderen Sachkunde des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfolgsfaktor: Maßvolle Anforderungen an die Annahme des Ausgleichsvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Annahme des Ausgleichs durch die Gläubiger . . . . . . . . . . . . (1) Rechtslage vor dem 17.03.2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtslage zwischen dem 17.03.2005 und dem 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Erforderliche Mehrheit, falls keine Klassen gebildet wurden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Erforderliche Mehrheit, falls Klassen gebildet wurden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechtslage seit dem 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bestätigung des Ausgleichs durch das Konkursgericht . . . . . Erfolgsfaktor: Überwindung von Blockadeverhalten . . . . . . . . . . . aa) Rechtslage vor dem 17.03.2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtslage zwischen dem 17.03.2005 und dem 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtslage seit dem 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Rechtsschutz gegen die Bestätigung des Ausgleichs . . . aa) Beschwerdebefugnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
h) i)
j)
k)
(1) „Abkaufen“ der Beschwerdebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Abtretung der Beschwerdebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beschwerdefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Instanzenzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Wirkungen des Ausgleichs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfolgsfaktor: Frisches Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausschluss der Anfechtung von Sicherheitsleistungen. . . . . . bb) Vorrangige Befriedigung von Krediten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtslage vor dem 16.07.2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Rechtslage im Hinblick auf die amministrazione controllata. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Rechtslage im Hinblick auf den concordato preventivo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtslage seit dem 16.07.2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Debt-Equity-Swap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausschluss des Bezugsrechts der Altgesellschafter bei der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ausschluss des Bezugsrechts der Altgesellschafter bei der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfolgsfaktor: Umfassende Kontrollbefugnisse des Gerichts . . . . aa) Gerichtliche Kontrolle in der Phase der Zulassung zum Ausgleichsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtslage vor dem 17.03.2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtslage zwischen dem 17.03.2005 und dem 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechtslage seit dem 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gerichtliche Kontrolle in der Phase der Bestätigung des Ausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfolgsfaktor: Auswahl eines fähigen und anerkannten Verwalters aa) Kriterien der Verwalterauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Auswahlkriterien vor dem 16.07.2006 gem. Art. 28 LF a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Auswahlkriterien seit dem 16.07.2006 gem. Art. 28 LF n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kritik an der Formulierung des Art. 28 LF n. F. . . . . . . . bb) Einfluss der Gläubiger auf die Auswahlentscheidung . . . . . . (1) Antrag der Gläubigermehrheit auf Ersetzung des ursprünglichen Verwalters gem. Art. 37-bis LF . . . . . . . . (a) Rechtslage vor dem 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Rechtslage seit dem 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Antrag des Gläubigerausschusses auf Enthebung des ursprünglichen Verwalters gem. Art. 37 LF . . . . . . . . . . . cc) Einblick in die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis l) Erfolgsfaktor: Erhaltung des Unternehmens als funktionsfähige wirtschaftliche Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . m) Die übertragende Sanierung im Ausgleichsverfahren und ihre Erfolgsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit der übertragenden Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausdrückliche Regelung der übertragenden Sanierung . . . . . (1) Übertragende Sanierung durch „Abtretung von Sachen“ gem. Art. 160 I a) LF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Übertragende Sanierung durch „Zuweisung der Tätigkeiten an einen Übernehmer“ gem. Art. 160 I b) LF. . . (a) Schuldrechtliches Element der Zuweisung i. S. d. Art. 160 I b) LF. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) „Übernahmeelement“ der Zuweisung i. S. d. Art. 160 I b) LF. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Übertragende Sanierung durch Verkauf des Betriebes als Ganzes gem. Art. 105 LF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erfolgsfaktor: Abbau von Personalüberhang . . . . . . . . . . . . . . (1) Kündigung auf Grund der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kündigung auf Grund des Betriebsübergangs . . . . . . . . . (3) Kündigung auf Grund eines Erwerberkonzepts . . . . . . . . (4) Mobilitätsverfahren nach dem Bezug von Lohnersatzzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Personalabbau im Zusammenhang mit einem gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahren gem. Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Überblick über den Regelungsgehalt des Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Voraussetzungen des Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Konsultation i. S. d. Art. 47 I, II des Gesetzes Nr. 428/1990. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) (Teilweise) Erhaltung der Arbeitsplätze als Ergebnis der Konsultation . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Vorliegen einer wirtschaftlichen Krisensituation oder Eröffnung eines Konkursverfahrens. (dd) Nichtfortführung oder Einstellung der Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Vereinbarkeit des Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 mit europarechtlichen Vorgaben . . . . (aa) Vereinbarkeit mit der Richtlinie 77/187/EWG (bb) Vereinbarkeit mit der Richtlinie 98/50/EG . . . (cc) Vereinbarkeit mit der Richtlinie 2001/23/EG
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Inhaltsverzeichnis (a) Vereinbarkeit bei Vorliegen einer Krise . . . (b) Vereinbarkeit bei Eröffnung eines Verfahrens mit dem Ziel der Vermögensauflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Erfolgsfaktor: Ausschluss der Haftung des Erwerbers für Altverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Erfolgsfaktor: Ausschluss des Anfechtungsrisikos . . . . . . . . . 2. Die Geschäftsaufsicht (amministrazione controllata) gem. Art. 187 ff. LF a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen und Ablauf der amministrazione controllata . . . b) Kritik an der amministrazione controllata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gegenwärtige Rechtslage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Vereinbarungen über die Umschichtung der Schulden (accordi di ristrutturazione dei debiti) gem. Art. 182-bis LF . . . . . . . . . . . . . . . a) Möglicher Inhalt einer Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis LF . . . . b) Voraussetzungen für den Abschluss einer Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis LF. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anforderungen an die Rechtsnatur des Schuldners . . . . . . . . . bb) Anforderungen an die wirtschaftliche Lage des Schuldners (1) Rechtslage bis zum 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtslage seit dem 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonstige Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erreichung des erforderlichen Quorums. . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorlage bestimmter Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ordnungsgemäße Bezahlung der nicht beteiligten Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wirkungen des accordo di ristrutturazione dei debiti . . . . . . . . . . . aa) Verhältnis des accordo di ristrutturazione zum concordato preventivo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Accordo di ristrutturazione als Unterfall des concordato preventivo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Accordo di ristrutturazione als Institut eigener Art . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Wirkungen des accordo di ristrutturazione dei debiti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bindungswirkung gegenüber den nicht beteiligten Gläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vollstreckungshemmende Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Rechtslage vor dem 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Rechtslage seit dem 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Auswirkungen auf den Rang von Krediten . . . . . . . . . . . . d) Kritische Würdigung der accordi di ristrutturazione dei debiti . .
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Inhaltsverzeichnis aa) Nachteile des accordo di ristrutturazione gegenüber dem concordato preventivo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorteile des accordo di ristrutturazione gegenüber dem concordato preventivo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Sanierungsplan (piano di risanamento) gem. Art. 67 III d) LF a) Inhalt und Voraussetzungen des Sanierungsplans . . . . . . . . . . . . . . b) Inhaltliche Prüfung des Plans. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wirkungen des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zerschlagungsabwendende Verfahren nach Konkurseröffnung: Der Zwangsausgleich (concordato fallimentare) gem. Art. 124 ff. LF 1. Voraussetzungen für die Vereinbarung des Zwangsausgleichs . . . . . . a) Eröffnung des Konkursverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einbringung des Vorschlags durch einen Befugten . . . . . . . . . . . . aa) Zeitliche Beschränkung des Vorschlagsrechts des Schuldners. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gründe für die zeitliche Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtfertigung der Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtfertigung des Stichtags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zeitliche Beschränkung des Vorschlagsrechts der übrigen Befugten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtslage bis zum 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtslage seit dem 01.01.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zulässiger Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Annahme des Zwangsausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkungen des Zwangsausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erfolgsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Insolvenzverfahren eigener Art: Außerordentliche Verwaltung (amministrazione straordinaria) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung der amministrazione straordinaria. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die amministrazione straordinaria comune. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen für die Eröffnung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . b) Ziel und Ablauf des Verfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Diagnosephase. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Planungs- und Durchführungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erfolgsfaktor: Auswahl eines fähigen und anerkannten „Verwalters“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einfluss der Gläubiger auf den Ablauf des Verfahrens (3) Möglichkeit der übertragenden Sanierung . . . . . . . . . . . . (a) Erfolgsfaktor: Abbau von Personalüberhang . . . . . .
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200 201 202 204 204 205 206 207 207 207 208 208 208 209 209 209 210 210 211 211 213 214 215 217 218 220 220 221 221 222 223 223 224 224
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Inhaltsverzeichnis (aa) Möglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung des Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Anwendbarkeit des Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 trotz Richtlinienwidrigkeit . . . . . (a) Anwendbarkeit im Verhältnis zwischen privatem Arbeitgeber und Arbeitnehmer . . (b) Anwendbarkeit im Verhältnis zwischen staatlichem Arbeitgeber und Arbeitnehmer (cc) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Erfolgsfaktor: Ausschluss der Haftung für Altverbindlichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Erfolgsfaktor: Frisches Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die amministrazione straordinaria speciale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen für die Zulassung zum Verfahren . . . . . . . . . . . . . b) Unterschiede im Vergleich zur amministrazione straordinaria comune . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis der amministrazione straordinaria zu anderen Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnis zum fallimento . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zum concordato preventivo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
225 226 226 227 228 228 228 229 229 229 231 231 232
D. Zusammenfassung: Rahmenbedingungen der Unternehmenssanierung im italienischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 E. Würdigung der Reformgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 5. Kapitel Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts A. Mögliche Vorteile der italienischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Berechenbarkeit des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vermögensverwaltung und Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Plangestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenzabwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfechtungsfeste Vereinbarungen in vorkonkurslichen Sanierungsrunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergleich der italienischen Rechtslage mit der deutschen . . . . . . . . . . 3. Kritische Würdigung der italienischen Rechtslage – Vergleich mit dem österreichischen URG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abwendung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtssicherheit vs. Gläubigergleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . c) Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
239 239 239 240 241 241 241 242 243 243 244 245 245 246
Inhaltsverzeichnis
23
cc) Vollstreckungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Befriedigung der unbeteiligten Gläubiger. . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Besteuerung von Sanierungsgewinnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anfechtungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zugang zu zerschlagungsabwendenden Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kleinunternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sanierungsfeindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verteilungskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sanierungsplan. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umschichtungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausgleichsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwangsausgleichsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anforderungen an die Annahme des Plans. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgleichsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwangsausgleichsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren der gewöhnlichen außerordentlichen Verwaltung. . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Überwindung von Blockadeverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Abbau von Personalüberhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Parallelen zu §§ 111, 112 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unkooperatives Verhalten der Gewerkschaften – Bsp. Alitalia . . b) Rechtsunsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Akquise von frischem Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Kontrollbefugnisse des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Verwalterauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gläubigerbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
247 247 248 248 249 250 250 250 252 253 253 253 254 254 254 255 255 256 257 258 258 259 260 261 262 263 264 264 265 265 265 267 267
B. Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 I. Berechenbarkeit des Verfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 II. Annahme des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 C. Übertragbarkeit vorbildlicher Regelungen des italienischen Rechts – Lösungen zur Stärkung des Insolvenzstandortes Deutschland . . . . . . . . . . I. Berechenbarkeit des Verfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anordnung der Eigenverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über die Eigenverwaltung aa) De lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
268 269 269 270 270
24
Inhaltsverzeichnis
II.
(1) Statthaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Unanfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung . . (b) Anfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung. . . . . (c) Stellungnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Formelle Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Materielle Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) De lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss von Versagungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erforderliche Mehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Summenmehrheit in Anlehnung an § 271 InsO . . . . . . . . (2) Qualifizierte Minderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Feststellung der Mehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vorteile der skizzierten Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswahl des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) De lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) De lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorschlagsrecht des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorschlagsrecht der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erforderliche Mehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Summen- und Kopfmehrheit in Anlehnung an § 57 InsO (2) Qualifizierte Minderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Feststellung der Mehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Rolle des Richters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annahme des Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
270 270 271 272 275 275 276 277 277 277 279 279 280 280 281 281 282 282 283 285 285 286 287 287 287 288 288 289 289
D. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesenform . . . . . . . . . . 289 Anhang A. Zentrale Normen der legge fallimentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Artikel 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ursprungsfassung R. D. 16 marzo 1942, n. 267. . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut im Original . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsche Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fassung nach der Änderung durch das D. Lgs. 9 gennaio 2006, n. 5 . a) Wortlaut im Original . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsche Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295 295 295 295 295 296 296 296 296
Inhaltsverzeichnis 3. Fassung nach der Änderung durch das D. Lgs. 12 settembre 2007, n. 169 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut im Original . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsche Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Artikel 160 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ursprungsfassung R. D. 16 marzo 1942, n. 267 . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut im Original . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsche Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fassung nach der Änderung durch das D. Lgs. 9 gennaio 2006, n. 5 a) Wortlaut im Original . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsche Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fassung nach der Änderung durch das D. Lgs. 12 settembre 2007, n. 169 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut im Original . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsche Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Artikel 182-bis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ursprungsfassung R. D. 16 marzo 1942, n. 267 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fassung nach der Änderung durch das D. Lgs. 9 gennaio 2006, n. 5 a) Wortlaut im Original . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsche Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fassung nach der Änderung durch das D. Lgs. 12 settembre 2007, n. 169 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut im Original . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsche Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
297 297 297 298 298 298 299 299 299 300 300 300 301 302 302 302 302 302 303 303 303
B. Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 C. Fragebogen des Insolvenzgerichts Mailand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungen nach Hildebert Kirchner und Cornelie Butz, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Auflage, Berlin 2007 Nicht bei Kirchner/Butz verzeichnete Abkürzungen: App. BBTC Cass. Corte Cost. Dir. fall. Foro it. Giur. Comm. Giur. it. Giust. civ. G. U. Il Fallimento Lav. nella giur. Mass. Giur. lav. Riv. crit. dir. lav. Riv. dir. priv. Riv. dir. proc. Riv. not. Trib.
Corte di appello – Berufungsgericht/Oberlandesgericht Banca, borsa e titoli di credito (Zeitschrift) Corte di cassazione – Revisionsgericht Corte costituzionale – Verfassungsgericht Il Diritto fallimentare e delle società commerciali (Zeitschrift) Il Foro italiano (Zeitschrift) Giurisprudenza commerciale (Zeitschrift) Giurisprudenza italiana (Zeitschrift) Giustizia civile (Zeitschrift) Gazzetta Ufficiale (Gesetzblatt) Il Fallimento e le altre procedure concorsuali (Zeitschrift) Il Lavoro nella giurisprudenza (Zeitschrift) Massimario di giurisprudenza del lavoro (Zeitschrift) Rivista critica di diritto del lavoro (Zeitschrift) Rivista di diritto privato (Zeitschrift) Rivista di diritto processuale (Zeitschrift) Rivista del notariato (Zeitschrift) Tribunale – (Land-)Gericht
1. Kapitel
Einleitung A. Fragestellung Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit zerschlagungsabwendenden Verfahren im deutschen und im italienischen Insolvenzrecht.
I. Definition des Begriffs „zerschlagungsabwendend“ Als zerschlagungsabwendend werden in diesem Zusammenhang diejenigen Verfahren bezeichnet, die die Fortführung eines insolventen Unternehmens zum Ziel haben. Der Begriff des Unternehmens wird hier insbesondere verstanden als technisch-organisatorische Wirtschaftseinheit, die unabhängig vom Unternehmensträger Bestand haben kann.1 Charakteristisch für zerschlagungsabwendende Verfahren ist also, dass die wirtschaftliche Einheit „Unternehmen“ im Laufe des Verfahrens erhalten bleibt. Zu den zerschlagungsabwendenden Verfahren zählen demnach vor allem Verfahren, die die Reorganisation des insolventen Unternehmens beinhalten (gegebenenfalls verbunden mit einer Restrukturierung der Verbindlichkeiten durch Stundung oder Teilerlass) und solche Verfahren, in deren Verlauf das Unternehmen als Ganzes auf einen anderen Rechtsträger übertragen wird mit der Maßgabe, dass der Erwerber keine Alterverbindlichkeiten übernimmt (sog. übertragende Sanierung).2 Im Einzelfall machen Rechtspositionen, die an den Unternehmensträger selbst gebunden sind (beispielsweise Lizenzen), den wesentlichen Unternehmenswert aus. Diese Rechtspositionen, die das Herzstück des Unternehmenswertes bilden, müssen in der Regel erhalten bleiben, damit das Unternehmen erfolgversprechend fortgeführt werden kann. Insofern kann die Erhaltung des Unternehmensträgers und der damit verbundenen Rechtspositionen entscheidend für die Erhaltung des Unternehmens sein. Deswegen 1 In diesem Sinne auch Bork, Insolvenzrecht, S. 3 Rn. 4; Meyer-Haberhauer, Entscheidung über den Insolvenzplan, S. 87; zur Unterscheidung zwischen Unternehmen und Unternehmensträger auch Schmidt, Handelsrecht, §§ 4, 5. 2 Zum Begriff der „übertragenden Sanierung“ und zu seinen Ursprüngen MeyerHaberhauer, Entscheidung über den Insolvenzplan, S. 92 mwN.
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1. Kap.: Einleitung
müssen im Zusammenhang mit den Verfahren, die die Abwendung der Unternehmenszerschlagung bezwecken, auch solche Verfahren betrachtet werden, die an sich vorrangig der Erhaltung des Unternehmensträgers dienen. Im Rahmen dieser Arbeit werden daher auch Verfahren beleuchtet, die auf die Erhaltung des Unternehmensträgers zielen wie z. B. das Insolvenzplanverfahren.
II. Zerschlagungsabwendung als wirtschaftliche Notwendigkeit Unternehmenszerschlagungen können zu erheblichen volkswirtschaftlichen Verlusten führen.3 Aus diesem Grund wird die Unternehmenszerschlagung vereinzelt auch als „Wertevernichter schlimmster Art“4 bezeichnet. Diese Auffassung beruht auf der Erkenntnis, dass der Fortführungswert eines Schuldnerunternehmens (sog. Going-Concern-Wert) dessen Liquidationswert unter Umständen um ein Vielfaches übersteigt. – Beispielsweise erzielen speziell an die Bedürfnisse des Schuldnerunternehmens angepasste Maschinen in aller Regel nur einen geringen Verkaufserlös (d.h. ihr Liquidationswert ist gering), während solche Maschinen im Falle der Erhaltung des Schuldnerunternehmens zur wertschöpfenden Herstellung bestimmter Produkte eingesetzt werden könnten (d.h. ihr Going-Concern-Wert ist verhältnismäßig hoch). Gerade in einer Dienstleistungsgesellschaft finden sich in den Insolvenzmassen immer weniger Gegenstände, die gewinnbringend „versilbert“ werden können (beispielsweise Mobilien und Immobilien) und immer mehr schwer zu veräußernde – weil an die Person des Schuldners gebundene – Vermögensgegenstände wie Know-how und Kundenbeziehungen.5 Unter diesen Umständen erscheint es im Interesse einer wirtschaftlich effizienten Verwendung der im insolventen Unternehmen gebundenen Ressourcen dringend geboten, das Unternehmen fortzuführen. Von der Erhaltung des Unternehmens profitieren dann nicht nur die Gläubiger, die in höherem Maße befriedigt werden können als bei der Liquidation des Unternehmens,6 sondern auch die Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze erhalten 3 Siehe dazu die Statistiken im IG-Metall-Protokoll-Janzen, S. 18; sowie bei Düttmann, ZIP 1982, 787 (787); Opfermann, ZIP 1983, 121 (121). 4 Der genannte Begriff findet sich bei Jaeger, Konkursrecht, S. 216 sowie bei Schiessler, Insolvenzplan, S. 50; ähnlich Fritze, DZWIR 2007, 89 (89). 5 Paulus, ZGR 2005, 309 (316). 6 Beim Fortbestand eines Unternehmens werden im Allgemeinen höhere Erlöse erzielt als durch dessen Zerschlagung in Einzelteile, so BGH NJW 1997, 524 (525) und Bork, Insolvenzrecht, S. 186, Rn. 355; ebenso Paulus, ZGR 2005, 309 (316) unter besonderer Berücksichtigung von Unternehmen in einer Dienstleistungsgesellschaft.
A. Fragestellung
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bleiben. Zudem entspricht die Erhaltung des Schuldnerunternehmens dem Interesse seiner Lieferanten, die ihre Geschäftsbeziehung mit dem insolventen Unternehmen aufrechterhalten wollen, um ihren Absatz zu sichern.7 Außerdem kann die Erhaltung des insolventen Unternehmens im Interesse seiner Kunden liegen, die möglicherweise von der kontinuierlichen Belieferung durch das Schuldnerunternehmen abhängen.8 Erscheint die Unternehmenserhaltung also gegenüber der -zerschlagung vorzugswürdig, stellt sich die Frage, auf welche Weise die Zerschlagung von insolventen Unternehmen im Rahmen von Insolvenzverfahren abgewendet werden kann.
III. Beispiele für zerschlagungsabwendende Verfahren Das deutsche und das italienische Insolvenzrecht halten zu diesem Zweck verschiedene Instrumente bereit. Mit Blick auf das deutsche Recht ist in diesem Zusammenhang vor allem das von Seagon9 als „zentrales Sanierungsinstrument“ bezeichnete Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. der Insolvenzordnung (InsO)10 zu nennen, das gem. § 1 S. 1 InsO insbesondere auf die Erhaltung des insolventen Unternehmens zielt. Das italienische Recht kennt Verfahren, die dem deutschen Insolvenzplanverfahren funktionell ähneln, nämlich den Ausgleich (concordato preventivo) gem. Art. 160 ff. legge fallimentare (LF) sowie den Zwangsausgleich (concordato fallimentare) gem. Art. 124 ff. LF.
IV. Ziel der Untersuchung Diese sowie andere11 zerschlagungsabwendende Verfahren aus beiden Rechtsordnungen werden im Rahmen der Dissertation dargestellt und miteinander verglichen. Dabei soll insbesondere herausgearbeitet werden, inwiefern die jeweiligen rechtlichen Regelungen im Einzelnen die Erhaltung 7
Meyer-Haberhauer, Entscheidung über den Insolvenzplan, S. 80; Rattunde, ZIP 2003, 2103 (2104). 8 Meyer-Haberhauer, Entscheidung über den Insolvenzplan, S. 81; Rattunde, ZIP 2003, 2103 (2104). 9 Buth/Hermanns-Seagon, § 3 Rn. 116. 10 Insolvenzordnung vom 05.10.1994, BGBl. I S. 2866. 11 Gegenstand der Untersuchung ist im Hinblick auf das deutsche Recht neben dem Insolvenzplanverfahren die übertragende Sanierung und die Eigenverwaltung. Im Hinblick auf das italienische Recht werden außer dem „concordato preventivo“ und dem „concordato fallimentare“ die Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkurses („amministrazione controllata“), der Sanierungsplan („piano di risanamento“), das Umschichtungsabkommen („accordo di ristrutturazione“) sowie die außerordentliche Verwaltung („amministrazione straordinaria“) untersucht.
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1. Kap.: Einleitung
des insolventen Unternehmens begünstigen, d.h. inwiefern sie zerschlagungsabwendend wirken. Dazu ist zunächst festzustellen, welche Faktoren über den Erfolg der Zerschlagungsabwendung entscheiden. Anschließend ist zu untersuchen, ob und gegebenenfalls wie die jeweilige Rechtsordnung diese Faktoren bei der Regelung zerschlagungsabwendender Verfahren berücksichtigt. Auf diese Weise soll geklärt werden, inwieweit die untersuchten Vorschriften einen tauglichen rechtlichen Rahmen für eine erfolgreiche Zerschlagungsabwendung bilden können. Zur Klärung dieser Frage werden – soweit verfügbar – außerdem Statistiken herangezogen, aus denen hervorgeht, welcher Prozentsatz der Insolvenzverfahren zur Erhaltung des Unternehmens führt und welche Verfahren zu diesem Zweck besonders dienlich sind. Bei der Darstellung zerschlagungsabwendender Verfahren des italienischen Rechts ist zwischen der Rechtslage vor und nach der kürzlich erfolgten Insolvenzrechtsreform12 zu unterscheiden. Die bisherigen und die aktuellen Regelungen werden einander gegenübergestellt und jeweils im Hinblick auf ihre zerschlagungsabwendende Wirkung gewürdigt. Auf dieser Grundlage erfolgt eine kritische Stellungnahme zu der These, das italienische Insolvenzrecht habe sich im Zuge der Reform zu einem Mittel der Sanierung entwickelt.13 Ziel der Arbeit ist es schließlich, aus dem Vergleich der deutschen mit der italienischen Rechtslage Schlussfolgerungen für die Gestaltung zerschlagungsabwendender Verfahren im deutschen Recht zu ziehen. Im Gegensatz zum deutschen Recht ermöglicht es das italienische Recht, bereits im Vorfeld der Konkurseröffnung bestimmte Verfahren durchzuführen, um die Konkurseröffnung – und somit auch die Zerschlagung des Schuldnerunternehmens im Rahmen eines Konkursverfahrens – zu verhindern.14 Möglicherweise empfiehlt es sich, in Anlehnung an die entsprechenden Regelungen des italienischen Rechts im deutschen Recht ebenfalls Verfahren zur Abwendung der Insolvenzeröffnung zu etablieren. So genannte „Sanierungsrunden“, in denen Schuldner und Gläubiger im Frühstadium der unternehmerischen Krise informell über die Zukunft des Unternehmens beraten, könnten beispielsweise gesetzlich geregelt und institutionalisiert werden. 12 Das italienische Insolvenzrecht wurde mit der Gesetzesverordnung Nr. 35 vom 14.03.2005 und der gesetzesersetzenden Rechtsverordnung Nr. 5 vom 09.01.2006 grundlegend reformiert. Nachbesserungen hinsichtlich der Reformgesetzgebung enthält die Gesetzesverordnung Nr. 169 vom 12.09.2007, die am 01.01.2008 in Kraft getreten ist. 13 Die These „Das Insolvenzrecht orientiert sich neu zu einem Mittel der Sanierung.“ stellen Correnti/Schulte-Frohlinde, in: ZInsO 2006, S. 1020 (1029) auf. 14 Im italienischen Recht bieten sich zur Abwendung der Konkurseröffnung der Ausgleich, der Sanierungsplan sowie das Umschichtungsabkommen an.
B. Gang der Darstellung
31
Welche weiteren Regelungen des italienischen Rechts sinnvollerweise in das deutsche Insolvenzrecht übernommen werden könnten – gegebenenfalls mit Anpassungen –, wird die Untersuchung im Folgenden aufzeigen.
V. Argumente für eine vergleichende Untersuchung des italienischen Rechts Warum sich die vorliegende Arbeit gerade dem Vergleich des deutschen Rechts mit dem italienischen Recht widmet, erschließt sich bei einem Blick auf die Gesetzgebungsgeschichte in beiden Ländern. In Deutschland trat am 01.01.1999 die reformierte Insolvenzordnung in Kraft, die als eine bedeutsame Neuerung die Einführung des Insolvenzplanverfahrens gem. §§ 217 ff. InsO mit sich brachte. Durch dieses Verfahren sollte vor allem die Verwertungsform der Sanierung innerhalb des Insolvenzverfahrens ermöglicht werden.15 Ein ähnlicher Umbruchs- und Erneuerungsprozess, wie ihn das deutsche Insolvenzrecht mit der Reform vom Januar 1999 erlebte, hat im italienischen Recht mit der jüngst erfolgten Reform16 begonnen. Durch die Reformgesetze soll dem Schuldner ein gegenüber der bislang geltenden Regelung flexibleres Instrument zur Rettung und Fortführung des Unternehmens zur Verfügung gestellt werden.17 Der deutsche und der italienische Gesetzgeber verfolgten also mit ihrer jeweiligen Reform dasselbe Ziel, nämlich die Einführung bzw. Optimierung von Verfahren zur Abwendung von Unternehmenszerschlagungen. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an zu untersuchen, mit welchen (unterschiedlichen) Mitteln der deutsche und der italienische Gesetzgeber versuchen, ein und dasselbe Ziel zu erreichen.
B. Gang der Darstellung Um die Grobstruktur der vorliegenden Untersuchung zu verdeutlichen, wird im Folgenden ein Überblick über den Gang der Darstellung gegeben: Das zweite Kapitel beginnt mit einer Übersicht über die zerschlagungsabwendenden Verfahren im deutschen Insolvenzrecht. Anschließend wird jedes einzelne der in der Übersicht genannten Verfahren für sich genommen vorgestellt und erläutert. Dabei wird zunächst das Insolvenzplanverfahren dargestellt, es folgt die übertragende Sanierung, die eine Sonderrolle ein15 § 1 S. 1 InsO sowie BT-Drs. 12/7302, S. 2 u. 155; Buth/Hermanns-Seagon, § 3 Rn. 5; Schiessler, Insolvenzplan, S. 31. 16 Siehe oben (Fn. 12). 17 Bünger, DZWIR 2006, 455 (456); Pacchi Pesucci, Il nuovo concordato preventivo, S. 10, abzurufen auf www.iposa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007.
32
1. Kap.: Einleitung
nimmt, und schließlich die Eigenverwaltung. Mit einer Zusammenfassung der Rahmenbedingungen der Unternehmenssanierung im deutschen Recht schließt das zweite Kapitel. Im dritten Kapitel werden Fragestellungen zur Analyse des italienischen Rechts entwickelt. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit den zerschlagungsabwendenden Verfahren des italienischen Rechts. Nach einem Exkurs zur Gesetzgebungsgeschichte, insbesondere zur Entwicklung des italienischen Insolvenzrechts infolge seiner jüngsten Reform, wird ein Überblick über die verschiedenen Insolvenzverfahren des geltenden Rechts und ihr Verhältnis zueinander gegeben. Anschließend werden die Verfahren im Einzelnen dargestellt, wobei zwischen den Verfahren zur Abwendung der Konkurseröffnung und den zerschlagungsabwendenden Verfahren nach Konkurseröffnung unterschieden wird. Von den Verfahren zur Abwendung der Konkurseröffnung wird zunächst der Ausgleich behandelt. Es schließen sich Ausführungen zur inzwischen abgeschafften Geschäftsaufsicht, zur Vereinbarung über die Umschichtung der Schulden und zum Sanierungsplan an. Nach der Konkurseröffnung bietet der Zwangsausgleich die Möglichkeit, die Zerschlagung des Krisenunternehmens abzuwenden. Die Darstellung dieses Verfahrens folgt auf die Ausführungen zu den Verfahren zur Abwendung der Konkurseröffnung. Die außerordentliche Verwaltung, die ein Insolvenzverfahren eigener Art darstellt, wird im Anschluss untersucht. Schließlich werden die Rahmenbedingungen der Unternehmenssanierung im italienischen Recht zusammenfassend beleuchtet und die Reformgesetzgebung wird kritisch gewürdigt. Die Untersuchung schließt mit dem fünften Kapitel, das dem Rechtsvergleich und den Konsequenzen für die Ausgestaltung zerschlagungsabwendender Verfahren im deutschen Recht gewidmet ist. Dort findet sich außerdem eine abschließende Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesenform.
2. Kapitel
Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht Die Insolvenzordnung bietet drei konzeptionelle Möglichkeiten, die Zerschlagung von insolventen Unternehmen abzuwenden: Zum einen das Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO18, zum anderen die übertragende Sanierung19 und schließlich das Verfahren der Eigenverwaltung gem. §§ 270 ff. InsO20. Zwischen diesen drei Optionen kann die Gläubigerversammlung im Rahmen eines einheitlichen Insolvenzverfahrens wählen.
A. Das Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO Das Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO soll nach dem Willen des Gesetzgebers vor allem die Verwertungsform der Sanierung innerhalb des Insolvenzverfahrens ermöglichen.21 Seit der Einführung des Insolvenzplanverfahrens im Jahr 1999 mehren sich jedoch kritische Stimmen, die den Vorwurf erheben, das Insolvenzplanverfahren stelle einen gesetzgeberischen Fehlschlag dar. Das Insolvenzplanverfahren werde dem vom Gesetzgeber angestrebten Zweck nicht gerecht, weil es zu kompliziert und zu schwerfällig sei.22 Außerdem wird das Insolvenzplanverfahren für schwer berechenbar gehalten, weil seine Dauer kaum abzuschätzen sei und weil die Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger unsicher sei.23 Ob das Insolvenzplanverfahren so schlecht ist wie sein Ruf, wird ein Vergleich des deutschen Insolvenzverfahrens mit den entsprechenden Instrumenten des italienischen Rechts zeigen. An dieser Stelle soll das Insolvenzplanverfahren zunächst beschrieben werden: 18
Dazu unter A., S. 33 ff. Dazu unter B., S. 58 ff. 20 Dazu unter C., S. 77 ff. 21 § 1 S. 1 InsO sowie BT-Drs. 12/7302, S. 2 u. 155; Buth/Hermanns-Seagon, § 3 Rn. 5; Schiessler, Der Insolvenzplan, S. 31. 22 Hölzle, DStR 2004, 1433 (1434); Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618 (622); Fritze, DZWIR 2007, 89 (89); von Leoprechting, DZWiR 2000, 67 (68); Hingerl, ZInsO 2008, 404 (404). 23 Rattunde, ZIP 2003, 2103 (2106); Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 0.20. 19
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
I. Erfolgsfaktor: Niedrige Zugangsschwelle Damit möglichst viele Schuldnerunternehmen von den Vorteilen des Insolvenzplanverfahrens profitieren können, sollten die Verfahrensvoraussetzungen derart gestaltet sein, dass die Zugangsschwelle möglichst niedrig angesetzt wird. Das bedeutet im Einzelnen: 1. Insolvenzfähigkeit Das Insolvenzverfahren kann nach § 11 InsO unabhängig davon durchgeführt werden, welche Rechtsnatur der Rechtsträger des Unternehmens hat. Ausnahmen sind lediglich im Bereich der juristischen Personen des öffentlichen Rechts vorgesehen (§ 12 I InsO). 2. Eröffnungsgründe Sanierungsinstrumente wie das Insolvenzplanverfahren sind dann besonders effektiv, wenn sie frühzeitig eingesetzt werden.24 Denn erfahrungsgemäß werden die zur Sanierung erforderlichen freien Mittel desto weiter aufgezehrt, je länger das Insolvenzverfahren hinausgezögert wird.25 Insofern ist es wichtig, dass dem Schuldner schon möglichst bald zu Beginn der Krise Zugang zum Insolvenzplanverfahren gewährt wird. Die Insolvenzordnung sieht als Eröffnungsgründe die Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 InsO und die Überschuldung gem. § 19 InsO vor. Daneben hat der Gesetzgeber für den Fall eines Eigenantrags des Schuldners den Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO geschaffen, der durch eine Vorverlagerung des Eintrittszeitpunkts der Insolvenz bewirken soll, dass das Instrumentarium des Insolvenzrechts bei einer sich deutlich abzeichnenden Insolvenz frühzeitig zur Verfügung steht.26 Drohende Zahlungsunfähigkeit ist gem. § 18 II InsO gegeben, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehende Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Das ist der Fall, wenn der Schuldner innerhalb eines Prognosezeitraums von maximal 3 Jahren mit mindestens 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit seine Verbindlichkeiten – auch solche, die derzeit noch nicht fällig oder aber noch nicht begründet, jedoch vorhersehbar sind – nicht begleichen kann.27 24 Rattunde, ZIP 2003, 2103 (2103, 2105); Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 1.12. 25 Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 1.11. 26 Bork, Insolvenzrecht, Rn. 88. 27 Wimmer-Schmerbach, § 18 Rn. 3 ff.; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 89.
A. Das Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO
35
Jedoch führt die Einführung des Eröffnungsgrundes der drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht automatisch dazu, dass Gesellschaftsorgane des Schuldnerunternehmens früher als bisher, „gleichsam mit dem Ziel der Sanierung“ einen Insolvenzantrag stellen.28 Um den Schuldner zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrags zu motivieren, wurden daher verschiedene Sanktionsmöglichkeiten für den Fall einer verspäteten Antragsstellung geschaffen.29 Zu diesen Sanktionsmöglichkeiten zählen verschiedene zivilund strafrechtliche Haftungsnormen wie § 823 BGB, §§ 64, 84 GmbHG und § 401 AktG. Eine von straf- und zivilrechtlichen Haftungsnormen flankierte Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit besteht allerdings gerade nicht. Insoweit verlässt sich der Gesetzgeber darauf, dass der Schuldner aus Eigeninteresse die Antragstellung bei drohender Zahlungsunfähigkeit erwägen wird. Aus Schuldnersicht besteht ein Vorteil des Eigenantrags gem. § 18 InsO darin, dass der Schuldner gem. § 270 II Nr. 2 InsO ohne Zustimmung eines Gläubigers die Eigenverwaltung30 gem. §§ 270 ff. beantragen kann, die es dem Schuldner erlaubt, weiterhin die Geschicke seines Unternehmens zu lenken. Außerdem kann der Schuldner im Falle eines Eigenantrags gem. § 218 I 2 InsO selbst einen Insolvenzplan vorlegen. Trotzdem dürfte zweifelhaft sein, ob der Schuldner die Möglichkeit zur frühzeitigen Eigenantragsstellung nutzt, denn die durch den Insolvenzantrag hervorgerufene Verunsicherung bei Kreditgebern, Lieferanten und Kunden wiegt schwer.31 Jedenfalls hat der Gesetzgeber mit § 18 InsO immerhin die Möglichkeit geschaffen, das Insolvenzverfahren frühzeitig in die Wege zu leiten und auf diese Weise die Sanierungschancen, die zu Beginn der Krise regelmäßig am größten sind, zu nutzen. Liegt bei einem Unternehmen innerhalb eines Konzernverbundes ein Eröffnungsgrund vor, besteht die Gefahr, dass sich die Insolvenz in einem Dominoeffekt auf andere Konzernteile ausweitet.32 Um dieser Gefahr frühzeitig zu begegnen, können auch die (noch) solventen Mitgesellschaften in den gestaltenden Teil des Insolvenzplans, der das insolvente Konzernmitglied betrifft, einbezogen werden.33 Ein selbständiges Planverfahren über ein solventes Konzernmitglied ist jedoch ausgeschlossen, weil es insoweit an einem Eröffnungsgrund fehlt.
28 29 30 31 32 33
Buth/Hermanns-Seagon, Rn. 168. Zu den Sanktionsmöglichkeiten Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 1.13. Dazu siehe unten unter C., S. 77 ff. Buth/Hermanns-Seagon, Rn. 168. Paulus, Insolvenzjahrbuch 2008, S. 10. Paulus, Insolvenzjahrbuch 2008, S. 12.
36
2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
3. Keine Mindestquote Es ist nicht erforderlich, dass der Schuldner seinen Gläubigern die Befriedigung in Höhe einer bestimmten Mindestquote garantiert. Insbesondere müssen die bevorrechtigten Gläubiger nicht zwangsläufig vollständig befriedigt werden. Doch kann ein Gläubiger gem. § 251 InsO die Versagung der gerichtlichen Planbestätigung erwirken, wenn er durch den Insolvenzplan schlechter steht, als er ohne Plan stehen würde. Durch das fehlende Erfordernis eine Mindestquote unterscheidet sich das Insolvenzplanverfahren vom concordato preventivo, zumindest im Hinblick auf die Rechtslage vor der Insolvenzrechtsreform in Italien.34 Allerdings war zeitweise auch im deutschen Recht eine Mindestquote vorgeschrieben, nämlich in der bis 1998 geltenden Vergleichsordnung35. § 7 I 2 VglO sah eine Mindestquote von 35% vor, die sich auf 40% erhöhte, wenn der Schuldner eine Zahlungsfrist von mehr als einem Jahr ab der Vergleichsbestätigung beanspruchte. Unter anderem wegen des Erfordernisses einer verhältnismäßig hohen Mindestquote erwies sich das Vergleichsverfahren als wenig praktikabel und wurde daher schließlich abgeschafft. Nach der heute geltenden Insolvenzordnung wird nur eine einzige Anforderung an den Umfang der Insolvenzmasse gestellt: Für die Verfahrenseröffnung müssen die Verfahrenskosten36 i. S. d. § 54 InsO gedeckt sein, anderenfalls wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 26 I 1 InsO mangels Masse abgewiesen. Um die zeitraubende Feststellung einer ausreichenden Masse durch einen gerichtlich bestellten Gutachter zu vermeiden, kann der Schuldner gem. § 26 I 2 InsO einen Massekostenvorschuss leisten.37
II. Erfolgsfaktor: Maßvolle Anforderungen an die Annahme des Plans Über den Erfolg des Insolvenzplanverfahrens entscheiden neben dem bereits genannten Erfolgsfaktor auch die Anforderungen an die Annahme des Insolvenzplans. Denn je höher die für die Planannahme erforderliche Mehrheit ist, umso unwahrscheinlicher erscheint ihre Erreichung. Der Gesetzgeber hat sich damit begnügt, für die Annahme des Plans lediglich zwei einfache Mehrheiten zu fordern: Die Summen- und die Kopf34
Siehe zum concordato preventivo unter Kapitel 4, C.I.1., S. 99 ff. Vergleichsordnung vom 26.2.1935, RGBl. I, 321. 36 Zu den Verfahrenskosten gehören gem. § 54 InsO die Gerichtskosten, die Vergütungen und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. 37 Maus, DStR 2002, 1104 (1105). 35
A. Das Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO
37
mehrheit. Für die Feststellung der einfachen Mehrheit werden gem. § 244 I InsO nur die abstimmenden Gläubiger gezählt, so dass Gläubiger nicht allein durch ihre Abwesenheit beim Abstimmungstermin die Annahme des Plans verhindern können. Im Einzelnen verläuft die Abstimmung über den Insolvenzplan folgendermaßen: Die Gläubiger werden gem. § 222 InsO entsprechend ihrer Rechtsstellung in Gruppen eingeteilt, was sich im Einzelfall wegen Schwierigkeiten bei der Zuordnung als zeitraubend herausstellen kann. Innerhalb der jeweiligen Gruppen wird gem. § 243 InsO über die Annahme des Plans abgestimmt. Der Plan ist angenommen, wenn sich gem. § 244 InsO gruppenintern die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger nach Kopfteilen und Summe der vertretenen Ansprüche für den Plan ausspricht.38 Die Möglichkeit, die Gläubiger in Abstimmungsgruppen einzuteilen, wird von einigen Insolvenzverwaltern als Erleichterung im Hinblick auf die Herbeiführung der Planannahme angesehen. Denn bei der Einteilung der Gruppen können taktische Überlegungen berücksichtigt werden. Anschaulich beschreibt der Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Horst Piepenburg diese Vorgehensweise: „So kann man widerborstige Gläubiger in eine Gruppe packen, in der sie kopf- und summenmäßig überstimmt werden.“39 Dass dabei nicht die Grenze zur missbräuchlichen Gruppenbildung überschritten werden darf, die zur Zurückweisung des Plans von Amts wegen gem. § 231 I Nr. 1 InsO führt,40 versteht sich von selbst. Der Gesetzgeber hat also durch das Erfordernis zweier einfacher Mehrheiten bezogen allein auf die abstimmenden Gläubiger und durch die Einteilung in Abstimmungsgruppen keine hohen Hürden vor die Annahme des Insolvenzplans gestellt. Das wird vor allem deutlich, wenn man bedenkt, dass der Schuldner bei einem außergerichtlichen Vergleich auf die hundertprozentige Zustimmung sämtlicher Gläubiger angewiesen wäre und wenn man sich vor Augen führt, dass die Konkursordnung noch eine einfache Kopfmehrheit der anwesenden Gläubiger sowie eine qualifizierte Summenmehrheit bezogen auf die Forderungen sämtlicher stimmberechtigter Gläu38
Das Abstimmungsverfahren beschreiben beispielsweise Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 11.59 ff. 39 Horst Piepenburg, Referat „Sanierung im Rahmen eines Insolvenzplans“ am 28.07.2003 im Rahmen der Fachtagung Restrukturierung und Sanierung im Insolvenzverfahren; ähnlich Buchalik, NZI 2000, 294 (301) sowie Wimmer-Jaffé, § 222 Rn. 4: „Die Gruppenbildung wird das zentrale Instrument des Planverfassers zur Mehrheitsbeschaffung sein (. . .).“. 40 Wimmer-Jaffé, § 231 Rn. 12, 16; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 7.7; Smid, InVo 1997, 169 (172, 176 f.); Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 595; Engberding, DZWIR 1998, 94 (95); Kaltmeyer, ZInsO 1999, 255 (259).
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
biger forderte.41 Eine zusätzliche Erleichterung liegt in der Tatsache, dass die Versagung der Zustimmung zum Plan nicht in jedem Fall beachtlich ist. Dieser Tatsache widmet sich der folgende Abschnitt.
III. Erfolgsfaktor: Überwindung von Blockadeverhalten Die Zerschlagungsabwendung kann nur dann gelingen, wenn eine taktisch motivierte Blockade des jeweiligen Verfahrens durch einzelne Gläubiger verhindert werden kann. Es trägt insofern zum Erfolg zerschlagungsabwendender Verfahren bei, wenn die Entscheidungsfreiheit der Gläubiger (sog. Gläubigerautonomie) im Fall einer ungerechtfertigten Verfahrensblockade eingeschränkt werden kann. Nach § 245 I InsO, der das sog. Obstruktionsverbot regelt, kann die Zustimmung einer Gläubigergruppe zum Insolvenzplan unter bestimmten Voraussetzungen42 fingiert werden. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass eine einzelne Gläubigergruppe die Durchführung des Insolvenzplans selbst dann blockieren kann, wenn diese im Interesse der Befriedigung aller Gläubiger geboten scheint.43 Der deutsche Gesetzgeber hat insofern berücksichtigt, dass eine Beschränkung der Gläubigerautonomie für den Fall einer Verfahrensblockade zum Erfolg des Insolvenzplanverfahrens beiträgt. 1. Die Voraussetzungen des Obstruktionsverbots gem. § 245 InsO Im Falle einer Obstruktion, also der rechtsmissbräuchlichen Verweigerung der Zustimmung zum Plan durch eine Gläubigergruppe,44 hat die Versagung der Zustimmung nach § 245 I InsO unbeachtlich zu bleiben. Ob die Verweigerung der Zustimmung als Obstruktion anzusehen ist, entscheidet das Gericht. Dabei orientiert es sich an den von § 245 I, II InsO vorgegebenen Kriterien:
41 Zu den Anforderungen unter Geltung der Konkursordnung Wimmer-Jaffé, § 244 Rn. 9 ff.; den Vergleich mit der außergerichtlichen Einigung stellt auch Paulus an, ZGR 2005, 309 (312). 42 Zu den Voraussetzungen im Einzelnen siehe unten unter A.III.1., S. 38 ff. 43 Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 610; Kersting, Insolvenzplanverfahren, S. 169. 44 BR-Drs 1/92, S. 208, zu § 290 RegE InsO; Wimmer-Jaffé, § 245 Rn. 22; Smid/ Rattunde, Insolvenzplan (1. Aufl.), Rn. 505, 518; Schiessler, Insolvenzplan, S. 166; Kersting, Insolvenzplanverfahren, S. 166, 167; Maus, DStR 2002, 1104 (1107).
A. Das Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO
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a) Formelle Voraussetzungen des § 245 InsO In formeller45 Hinsicht setzt § 245 I Nr. 3 InsO zunächst voraus, dass die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan zugestimmt hat. Ob eine Gruppe dem Plan zustimmt, richtet sich danach, ob sich gem. § 244 I InsO gruppenintern die Mehrheit für die Annahme des Plans ausspricht.46 b) Materielle Voraussetzungen des § 245 InsO In materieller Hinsicht kann die Zustimmung nur dann als erteilt fingiert werden, wenn gem. § 245 I Nr. 1 InsO die Gläubiger der betroffenen Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne den Plan stünden (sog. Werterhaltungsprinzip)47. Außerdem müssen die Gläubiger der fraglichen Gruppe gem. § 245 I Nr. 2 InsO angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll (Gleichbehandlungsgrundsatz)48. Diese Voraussetzung wird durch § 245 II InsO konkretisiert. Es fällt auf, dass die in § 245 I Nr. 1 und 2 InsO aufgestellten Kriterien vorwiegend wirtschaftlicher Natur sind und dass insbesondere die in § 245 I Nr. 1 InsO geforderte vergleichende Betrachtung von Fortführungs- und Zerschlagungslösung eine Prognose voraussetzt. An diesen Punkten setzt die vielfältige Kritik an, die das Obstruktionsverbot in seiner derzeitigen Ausprägung erfahren hat: 2. Kritik am Obstruktionsverbot gem. § 245 InsO Gegen das Obstruktionsverbot i. S. d. § 245 InsO wird vielfach vorgebracht, es verlange dem Gericht wirtschaftliche Bewertungen ab, die Richter auf Grund ihrer fehlenden oder zumindest nur oberflächlichen wirtschaftlichen Vorbildung nicht leisten könnten.49 Die Folge sei, dass Gerichte wirtschaftlichen Sachverstand in Form von Sachverständigengutach45
Die Unterscheidung von formellen und materiellen Voraussetzungen nehmen auch Braun/Uhlenbruck vor, Unternehmensinsolvenz, S. 611 ff.; ebenso Kersting, Insolvenzplanverfahren, S. 169. 46 Dazu bereits oben unter A.II., S. 36 f. 47 Diese Bezeichnung findet sich bei Bork, Insolvenzrecht, Rn. 338. 48 Bork, Insolvenzrecht, Rn. 338. 49 Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 13.10, 13.11; Smid-Smid/Rattunde, § 245 Rn. 12; Burger/Schellberg, DB 1994, 1833 (1837); Wittig, ZInsO 1999, 373 (377); Smid, FS Pawlowski, S. 387 (396, 396).
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
ten „einkaufen“ müssten.50 Das verursache Kosten und zudem einen Zeitverlust, der mit dem Charakter des Insolvenzverfahrens als Eilverfahren kaum vereinbar sei.51 Da nur Hypothesen zu der Frage aufgestellt werden könnten, wie die Gläubiger ohne Insolvenzplan stehen würden, sei Spekulationen Tür und Tor geöffnet. Niemand könne mit Bestimmtheit sagen – geschweige beweisen – welche Situation die Gläubiger ohne Insolvenzplan vorfinden würden.52 Deswegen liege Streit über diese Frage nahe, der wiederum Kosten nach sich ziehe und zu einer Verfahrensverzögerung führe.53 Im Extremfall könne es zu „Sachverständigenschlachten“54 kommen. Aus diesen Gründen sei an der Praktikabilität des Obstruktionsverbotes erheblich zu zweifeln. Von den Befürwortern des Obstruktionsverbots wird zugestanden, dass die Regelung des § 245 InsO wegen der geforderten wirtschaftlichen Bewertungen und der Prognoseentscheidung für das Gericht schwer zu handhaben sei.55 Diese Kritik wird jedoch relativiert: In den wenigsten Fällen komme es tatsächlich zu einer Anwendung des Obstruktionsverbots durch das Gericht, wie schon Erfahrungen US-amerikanischer Gerichte mit der dem § 245 InsO vergleichbaren cram-down-Regel56 gezeigt hätten.57 Zu Recht wird darauf hingewiesen, das Obstruktionsverbot entfalte vielmehr eine präventive, verhaltenssteuernde Funktion.58 Es begrenze den Verhandlungsspielraum der Beteiligten, der durch § 245 II Nr. 1 InsO als Höchstgrenze und § 245 I Nr. 1 InsO als Untergrenze markiert werde.59 Wegen des Obstruktionsverbots könnten die Gläubiger nur eingeschränkt taktieren, was zu einer stärkeren Konzessions- und Verhandlungsbereitschaft führe.60 Letztlich würden die Gruppen sich auf diese Weise auf einen realistischen Planinhalt einigen, der sich als konsensfähig und durchsetzbar erweise.61 50
Drukarczyk, DBW 1992, 161 (177); Smid-Smid/Rattunde, § 245 Rn. 30; Wittig, ZInsO 1999, 373 (377). 51 Smid/Rattunde, Insolvenzplan (1. Aufl.), Rn. 525, 591; Smid-Smid/Rattunde, § 245 Rn. 32. 52 Wimmer-Jaffé, § 245 Rn. 25. 53 Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur InsO, S. 674 f. 54 Wittig, ZInsO 1999, 373 (377); Leipold-Stürner, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 47; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 13.26 unter Berufung auf 1. Aufl., Rn. 595. 55 Schiessler, Insolvenzplan, S. 170; Kersting, Insolvenzplanverfahren, S. 187. 56 § 1129 (b) Bankruptcy Code (BC). 57 Drukarczyk, DBW 1992, S. 161(176 f.); Schiessler, Insolvenzplan, S. 171. 58 Schiessler, Insolvenzplan, S. 171, 172; Kersting, Insolvenzplanverfahren, S. 188. 59 Schiessler, Insolvenzplan, S. 171; Drukarczyk, DBW 1992, S. 161 (176). 60 Drukarczyk, DBW 1992, S. 161 (176); Burger/Schellberg, DB 1994, 1833 (1836); Schiessler, Insolvenzplan, S. 171; Kersting, Insolvenzplanverfahren, S. 188. 61 Ebd. (Fn. 60).
A. Das Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO
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Deswegen nützt das Obstruktionsverbot dem Insolvenzplanverfahren – und dem durch das Verfahren angestrebten Ziel der Sanierung des Unternehmensträgers – im Ergebnis mehr, als es ihm durch den befürchteten Zeitund Kostenaufwand schaden könnte. Das Obstruktionsverbot stellt wegen seiner verhaltenssteuernden Aspekte einen wichtigen Erfolgsfaktor des zerschlagungsabwendenden Insolvenzplanverfahrens dar, auch wenn die in § 245 InsO niedergelegte Regelung – wie beschrieben – nicht gänzlich frei von Nachteilen ist.
IV. Erfolgsfaktor: Frisches Kapital Das Unternehmen kann nur dann dauerhaft fortgeführt werden, wenn ihm die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderliche Liquidität zur Verfügung steht. Die Beschaffung der notwendigen Liquidität in Form von frischem Kapital („fresh money“) stellt regelmäßig ein Problem dar. Denn freies, d.h. noch nicht mit Sicherheiten belastetes Vermögen ist beim insolventen Unternehmen in der Regel nicht vorhanden.62 Potenzielle Kreditgeber sind häufig nur gegen die Gewährung von Sicherheiten zur Kreditvergabe bereit. Da das Unternehmen gegenwärtig keine Sicherheiten bieten kann und da das Vertrauen in den Markterfolg des Unternehmens durch die Insolvenzeröffnung gesunken ist, erscheint die Gewährung eines Kredites an das Unternehmen in der Krise äußerst unattraktiv. Es stellt sich daher die Frage, wie das Unternehmen die kurzfristige Beschaffung von Liquidität sicherstellen kann. 1. Nutzung von Massekrediten Kann der Insolvenzverwalter potenzielle Kreditgeber davon überzeugen, dass das Unternehmen künftig im Rahmen der Betriebsfortführung Vermögensgegenstände erwirtschaften wird und kann der Verwalter diese Prognose durch einen detaillierten Liquiditätsplan untermauern, wird dem Unternehmen im laufenden Insolvenzverfahren möglicherweise ein Massedarlehen gewährt. Zur Sicherung dieses Massedarlehens kann der Verwalter die zukünftig zu erwirtschaftenden Vermögensgegenstände anbieten.63 Für die Gläubiger des Massedarlehens ist es von Vorteil, dass das aufgenommene Massedarlehen als Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 I Nr. 1 InsO bzw. i. S. d. § 55 II InsO vor den Ansprüchen der einfachen Insolvenzgläubiger zu befriedigen ist. Außerdem haftet der Insolvenzverwalter für die Rückführung des Massedarlehens als Masseverbindlichkeit gem. § 61 S. 1 InsO per62 63
Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618 (620); Bork, Insolvenzrecht, Rn. 372. Dieses wird vorgeschlagen von Buth/Hermanns-Schreiber, § 18 Rn. 60.
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
sönlich. Das gilt jedenfalls, soweit das Massedarlehen durch den endgültigen Insolvenzverwalter oder durch den vorläufigen starken Insolvenzverwalter i. S. d. § 22 I InsO aufgenommen wurde. Hat hingegen der vorläufige schwache Insolvenzverwalter den Vertrag über das Massedarlehen abgeschlossen, stellt die Verbindlichkeit aus diesem Vertrag keine vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 I Nr. 1 InsO bzw. § 55 II InsO dar,64 für die der Insolvenzverwalter gem. § 61 S. 1 InsO persönlich haftet. Um die insofern erschwerte Darlehensaufnahme durch den vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter zu erleichtern, bieten sich zwei Möglichkeiten: Zum einen kann das Gericht den vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter im Rahmen des § 22 II InsO im Einzelfall ermächtigen, eine Darlehensverbindlichkeit als spätere Masseverbindlichkeit einzugehen.65 Diese Ermächtigung hat zur Folge, dass die vom vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter daraufhin begründete Verbindlichkeit mit der Verfahrenseröffnung kraft gerichtlicher Anordnung als Masseverbindlichkeit anzusehen ist.66 Zum anderen kann das Gericht ein partielles Verfügungsverbot gegenüber dem Schuldner beschließen und diesem die Verfügungsbefugnis speziell im Hinblick auf den Abschluss von Kredit- und Sicherungsverträgen entziehen.67 Auch in diesem Fall handelt es sich dann bei dem vom vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter aufgenommenen Kredit um eine vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeit. 2. Nutzung von unechten Massekrediten Die für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderliche Liquidität kann der vorläufige Insolvenzverwalter gewinnen, indem er die bei ihm eingehenden oder von ihm eingezogenen Forderungen als „unechten Massekredit“68 nutzt, auch wenn diese Forderungen bereits an Sicherungsgläubiger abgetreten wurden. Diese Vorgehensweise ist allerdings nur mit Zustimmung der betroffenen Sicherungsgläubiger zulässig.69 Daran ändert auch § 21 II Nr. 5 des InsO VereinfachungsG nichts, der bestimmt, dass der Forderungseinzug dem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen und eine 64 BGH BB 2002, 1927 ff.; LG Leipzig ZIP 2001, 1778 ff.; AG Leipzig ZIP 2001, 1780 ff. 65 BGH BB 2002, 1027 ff.; Buth/Hermanns-Schreiber, § 18 Rn. 59; GottwaldUhlenbruck, § 14 Rn. 85; Smid, DZWIR 2002, 444 (446). 66 BGH BB 2002, 1027 ff.; Buth/Hermanns-Schreiber, § 18 Rn. 59; GottwaldUhlenbruck, § 14 Rn. 85; Smid, DZWIR 2002, 444 (446). 67 AG Coburg ZInsO 2002, 383 (383); Buth/Hermanns-Schreiber, § 18 Rn. 59. 68 Diese Formulierung benutzen Flitsch, BB 2006, 1805 (1806) und Hagebusch/ Oberle, NZI 2006, 618 (620). 69 Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618 (620); Flitsch, BB 2006, 1805 (1806).
A. Das Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO
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Verwertung durch die Sicherungsnehmer verboten wird. Aus der Begründung des Gesetzesentwurfs zum InsO VereinfachungsG geht nämlich deutlich hervor, dass der Gesetzgeber gerade keine Nutzung sicherungszedierter Forderungen durch den vorläufigen Insolvenzverwalter ohne vorherige Zustimmung der Sicherungsgläubiger erlauben wollte70: „Daher kann der vorläufige Verwalter z. B. ohne vorherige Vereinbarung mit dem Sicherungsgläubiger keine (. . .) zur Sicherung abgetretenen Forderungen einziehen und die dadurch gewonnene Liquidität zum Erwerb von Rohstoffen oder Waren einsetzen.“71 Gewinnt der vorläufige Insolvenzverwalter jedoch das Vertrauen der Sicherungsgläubiger und kann er diese zur Zustimmung bewegen, stellt die Nutzung von unechten Massekrediten einen gangbaren Weg zur Liquiditätsbeschaffung dar. 3. Privilegierung von Sanierungskrediten Ein Instrument, das es dem Unternehmen erleichtern soll, in der Überwachungsphase nach Abschluss des Insolvenzplanverfahrens einen Kredit zu erlangen, und zwar trotz des durch die Insolvenz demonstrierten wirtschaftlichen Misserfolgs, ist die Privilegierung von Sanierungskrediten gem. § 264–§ 266 InsO.72 Nach § 264 I 1 InsO kann im gestaltenden Teil des Insolvenzplans vorgesehen werden, dass die Insolvenzgläubiger nachrangig sind gegenüber Gläubigern mit Forderungen aus Darlehen und sonstigen Krediten, die der Schuldner oder die Übernahmegesellschaft während der Zeit der Überwachung aufnimmt. Im Fall einer Folgeinsolvenz, also eines vor Aufhebung der Überwachung eröffneten (neuen) Insolvenzverfahrens, sind die Gläubiger eines Sanierungskredites demnach bevorrechtigt vor den Insolvenzgläubigern zu befriedigen. Nach § 264 III i. V. m. § 39 I Nr. 5 InsO profitieren kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen jedoch nicht von der in § 264 I 1 InsO angeordneten Privilegierung. Es bleibt vielmehr bei der in § 39 I Nr. 5 InsO normierten Stellung des Gesellschafters als nachrangiger Insolvenzgläubiger. Diese Regelung spornt naturgemäß Gesellschafter nicht gerade zur Gewährung eines Darlehens während der Überwachungsphase an. Das Unternehmen, das zumeist mit nur geringen Liquiditätsreserven aus dem Insolvenzplanverfahren hervorgeht, ist auf Kredite angewiesen. Jeder Kredit ist hilfreich, von wem er auch stammen mag. Es fragt sich daher, warum der Gesetzgeber gem. § 264 III i. V. m. 39 I Nr. 5 70
Die Nutzung einer sicherungszedierten Forderung ohne Zustimmung des betroffenen Sicherungsgläubigers wäre im Übrigen im Hinblick auf Art. 14 GG äußerst problematisch, so auch Flitsch, BB 2006, 1805 (1806) m. w. N. in Fn. 10; Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618 (621). 71 Begr. RegE, BT-Drs. 549/06, S. 28. 72 Wimmer-Jaffé, § 264 Rn. 8.
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
InsO auf eine Privilegierung kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen verzichtet hat und so bewusst in Kauf genommen hat, dass Gesellschafter von der Gewährung eines entsprechenden Kredites absehen. Der Grund für die mangelnde Privilegierung kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen liegt – um ein Schlagwort zu gebrauchen – in dem Prinzip ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung.73 Nach dem genannten Grundsatz ist es Gesellschaftern auf Grund ihrer Finanzierungsverantwortung verwehrt, allein durch die formelle Gestaltung ihrer Kapitalzufuhr das Risiko auf Drittgläubiger abzuwälzen, das mit der an sich gebotenen Zuführung von Eigenkapital verbunden ist.74 Indem der Gesellschafter der Gesellschaft einen Kredit gewährt, ermöglicht er dem Unternehmen, weiterhin am Markt teilzunehmen und dabei gegebenenfalls weitere Verbindlichkeiten anzuhäufen. Käme es anschließend zur Insolvenz und würde man die Privilegierung kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen zulassen, würden neben den übrigen Gläubigern auch die darlehensgewährenden Gesellschafter Befriedigung verlangen. Die Zahl der zu befriedigenden Gläubiger würde also steigen, ohne dass zwangsläufig parallel die zu verteilende Insolvenzmasse wächst. Da die Insolvenzmasse an mehr Gläubiger verteilt werden müsste, würde die für den einzelnen Gläubiger erzielbare Quote sinken. Insofern würden die Gesellschafter aus der Privilegierung ihrer Kredite einen Vorteil zu Lasten der Drittgläubiger ziehen, welche allerdings im Gegensatz zu den Gesellschaftern weder an den Vorteilen der Beteiligung noch an den maßgeblichen Entscheidungen über die Unternehmenstätigkeit teilhaben. Die Risikoverlagerung auf die außenstehenden Gläubiger, die zu einem Missverhältnis in der Verteilung von unternehmerischen Chancen und unternehmerischem Risiko führt, wäre wegen der originär den Gesellschaftern obliegenden Finanzierungsverantwortung unangemessen. Insofern verbietet es der Grundsatz ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung, die Privilegierung kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen zuzulassen. Das in diesem Sinne verstandene Prinzip ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung verdient nach Ansicht des Gesetzgebers den Vorrang vor dem ebenfalls erstrebenswerten Ziel, Gesellschafter des Krisenunternehmens zur Vergabe von Konsolidierungskrediten zu motivieren, um auf diese Weise den Sanierungserfolg zu fördern. Diese Prioritätensetzung des Gesetzgebers ist hinzunehmen, auch wenn sie die Möglichkeiten einschränkt, dem Unternehmen das so dringend benötigte „frische Kapital“ zu verschaffen. Immerhin steht dem Gesellschafter, der der Gesellschaft durch die Gewährung eines Kredites aus der Krise helfen will, ein Ausweg offen: Ein 73 74
Schiessler, Insolvenzplan, S. 219, 220. BGH NJW 1988, 3143 (3145); Schiessler, Insolvenzplan, S. 219.
A. Das Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO
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Gesellschafter, der zum Adressatenkreis des Kapitalersatzrechts zählt (i. e. der eine Gesellschaftsbeteiligung von mehr als zehn Prozent hält), kann durch den Hinzuerwerb neuer Gesellschaftsanteile gem. § 32 a III 3 GmbHG erreichen, dass ein neu ausgereichter Kredit nicht den Regeln über den Eigenkapitalersatz unterfällt (sog. Sanierungsprivileg).75 4. Debt-Equity-Swap Der debt-equity-swap, also die Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital, stellt kein spezifisch insolvenzrechtliches Finanzierungsinstrument dar. Er gehört jedoch – einem Trend aus dem anglo-amerikanischen Raum folgend – zu den wichtigsten finanziellen Sanierungsinstrumenten der modernen Restrukturierungspraxis76 (angewandt beispielsweise bei der Sanierung des Automobilherstellers Chrysler sowie bei der Sanierung des Filmrechtehändlers und Filmproduzenten Senator Entertainment AG)77, so dass kurz aufgezeigt werden soll, was den debt-equity-swap auszeichnet und inwiefern er sich auf der Basis des geltenden deutschen Gesellschafts- und Insolvenzrechts realisieren lässt. Werden Verbindlichkeiten eines Unternehmens in Eigenkapital bzw. Eigenkapitalersatz umgewandelt, führt diese Verschiebung zunächst nur „auf dem Papier“ zu frischem Kapital. Die Bilanz weist nämlich eine erhöhte Eigenkapitalquote bei gleichzeitiger Verminderung der Summe der Verbindlichkeiten aus. Dieser positive Einfluss des debt-equity-swaps auf die Bilanz, der sogar in der Verhinderung der bilanziellen Überschuldung liegen kann,78 zieht eine verbessertes Rating sowie eine höhere Bonität des Unternehmens nach sich, was die Aufnahme von Fremdkapital erleichtert.79 Mittelbar kann der debt-equity-swap auf diese Weise zu einer Gewährung von frischem Kapital durch Dritte führen. Der debt-equity-swap geschieht im Wege einer Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der Altgesellschafter.80 Dieser Ausschluss des Bezugsrechts ist notwendig, damit die im Zuge der Kapitalerhöhung aus75
Gottwald-Haas, § 92 Rn. 399. Eidenmüller, ZIP 2007, 1729 (1736); Toth-Feher/Schick, ZIP 2004, 491 (495). 77 Zur Sanierung der Senator Entertainment AG, insbesondere zum debt-equityswap auf der Grundlage des deutschen Rechts Fritze, DZWIR 2007, 89 ff. 78 Toth-Feher/Schick, ZIP 2004, 491 (495). 79 Himmelsbach/Achsnik, NZI 2006, 561 (562). 80 Zur Vorgehensweise bei einem debt-equity-swap im Detail Himmelsbach/Achsnik, NZI 2006, 561 (562); Kestler/Striegel/Jesch, NZI 2005, 417 (422); Toth-Feher/ Schick, ZIP 2004, 491 (495 ff.); zu den Vor- und Nachteilen Vallender, NZI 2007, 129 (132 f.). 76
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
gegebenen neuen Gesellschaftsanteile in vollem Umfang unter den Forderungsgläubigern verteilt werden können, die im Gegenzug ihre Forderungen als Sacheinlage81 in die Gesellschaft einbringen.82 Kapitalmaßnahmen wie eine Sachkapitalerhöhung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit eines zustimmenden Beschlusses der Altgesellschafter (§§ 5 IV, 19 V, 56 GmbHG, § 183 AktG). Probleme treten deswegen auf, wenn Altgesellschafter angesichts der Krise der Gesellschaft eine Kapitalerhöhung ablehnen oder wenn sie nicht auf die Ausübung ihres gesetzlichen Bezugsrechts (gem. § 186 AktG bei der AG, gem. § 186 AktG analog bei der GmbH83) verzichten wollen. Es stellt sich dann die Frage, ob und gegebenenfalls wie das beschriebene Blockadeverhalten der Gesellschafter überwunden werden kann. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung können gesellschaftsrechtliche Treuepflichten den Minderheitsaktionären im Einzelfall verbieten, eine sinnvolle und mehrheitlich angestrebte Sanierung aus eigennützigen Motiven zu verhindern.84 Über diese Ausnahmefälle hinaus ist jedoch eine Erzwingung der Zustimmung nicht möglich. Insbesondere könnend die Gesellschafter nicht verpflichtet werden, gegen ihren Willen aus der Gesellschaft auszuscheiden.85 Den Altgesellschaftern verbleibt folglich ein erhebliches Blockadepotential, so dass die Durchführung eines debt-equity-swaps vom guten Willen der Altgesellschafter abhängt. Erleichtert werden debt-equity-swaps in der Krise seit Neuestem durch die höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der einem Investor das sog. Sanierungsprivileg des § 32a III 3 GmbHG zu Gute kommt, wenn im Zeitpunkt des Anteilserwerbs ein Sanierungskonzept vorliegt, dass die Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft belegt und zugleich erkennen lässt, dass die für die Sanierung konkret in Angriff genommenen Maßnahmen zusammen objektiv geeignet sind, die Gesellschaft in überschaubarer Zeit durchgreifend zu sanieren.86 Die erwähnte Rechtsprechung verschafft dem Anteilserwerber die Sicherheit, dass seine Darlehen nicht als eigenkapital81
BGHZ 15, 52 (58). Die Forderung wird zu ihrem tatsächlichen Wert eingebracht, Kestler/Striegel/ Jesch, NZI 2005, 417 (422). Befindet sich die schuldnerische Gesellschaft in der Krise, liegt dieser unter dem buchmäßig ausgewiesenen Nennwert. Die Einbringung der Forderung zum Nennwert kann nur erfolgen, wenn der Anspruch fällig, liquide und vollwertig ist, Vallender, NZI 2007, 129 (132). 83 Heckschen, DStR 2001, 1437 (1438); die Existenz eines ungeschriebenen gesetzlichen Bezugsrechts der GmbH-Gesellschafter befürwortend Scholz-Priester, GmbHG, § 55 Rn. 44; Munzig, Bezugsrecht, passim, insbesondere S. 87 ff., 125; Hirte, DStR 2001, 577 (577); Priester, GmbHR 2005, 1013 (1013 f.). 84 Dazu vor allem BGHZ 129, 136 ff. 85 Eidenmüller, ZIP 2007, 1729 (1736); ders., MüInsO, § 217 Rn. 74 mwN. 86 BGH NJW 2006, 1283 ff.; Anmerkung zu dieser Entscheidung Himmelsbach/ Achsnik, NZI 2006, 561 ff. 82
A. Das Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO
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ersetzend i. S. d. § 32a I GmbHG angesehen werden, was zu einer nachrangigen Befriedigung der Forderungen im Insolvenzfall führen würde.87
V. Erfolgsfaktor: Umfassende Kontrollbefugnisse des Gerichts Da zerschlagungsabwendende Verfahren in der Regel nicht gegen den Willen der Gläubigermehrheit durchgeführt werden können, setzt eine erfolgreiche Zerschlagungsabwendung voraus, dass die Gläubiger von der Vorteilhaftigkeit der Unternehmensfortführung überzeugt sind. Das ist möglicherweise dann eher der Fall, wenn eine neutrale Instanz wie das Insolvenzgericht den im Rahmen des zerschlagungsabwendenden Verfahrens entwickelten Vorschlag zur Erhaltung des Unternehmens inhaltlich überprüft hat und die Vorteilhaftigkeit des Verfahrens für die Gläubiger bestätigt hat. Insofern kann eine umfassende Prüfungs- und Überwachungskompetenz des Insolvenzgerichts die Erfolgsaussichten von zerschlagungsabwendenden Verfahren erhöhen. Allerdings wären weit reichende Kontrollbefugnisse des Insolvenzgerichts mit dem Grundgedanken der InsO unvereinbar. Die InsO soll sich nämlich nach dem Willen ihrer Schöpfer gerade durch eine Deregulierung des Insolvenzverfahrens auszeichnen.88 Nach der der InsO zu Grunde liegenden Prämisse ermöglichen privatautonome Regelungen die wirtschaftlich optimale, effizienteste Verwertung der Insolvenzmasse.89 Die Gestaltung des Verfahrens muss daher die Privatautonomie der Beteiligten so zur Entfaltung bringen, dass die optimale Verwertungsentscheidung im Verhandlungsprozess entdeckt und von den Beteiligten verwirklicht werden kann.90 Da die InsO also der privatautonomen Bewältigung der Insolvenz verpflichtet ist,91 beschränkt sich die Rolle des Insolvenzgerichts auf die Kontrolle der Recht87 § 32a GmbHG wird voraussichtlich durch das MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen) aufgehoben und stattdessen der § 39 InsO ergänzt werden. Nach der neuen Regelung braucht der Anteilserwerber erst recht nicht die nachrangige Befriedigung seiner Forderungen zu befürchten. Der Entwurf des MoMiG (BT-Drs. Nr. 16/6140 vom 25.07.2007) sieht nämlich in Art. 9 Nr. 3 folgende Erweiterung des § 39 InsO vor: „Erwirbt ein Gläubiger bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck der Sanierung, führt dies bis zur nachhaltigen Sanierung nicht zur Anwendung von Absatz 1 Nr. 5 auf seine Forderungen aus bestehenden oder neu gewährten Darlehen . . .“. 88 BR-Drs 1/92, S. 76. 89 BR-Drs 1/92, S. 78; Schiessler, Insolvenzplan, S. 28 ff. 90 BR-Drs 1/92, S. 76. 91 Wimmer-Jaffé, § 250 Rn. 6.
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mäßigkeit des Verfahrens. Eine materiell-rechtliche Prüfung im Hinblick auf die Zweckmäßigkeit des Insolvenzplans nimmt das Gericht hingegen gerade nicht vor.92 Diese Prüfung bleibt allein den Gläubigern überlassen. Immerhin schreitet das Gericht gem. § 231 I Nr. 3 InsO ein und weist den schuldnerseits vorgelegten Insolvenzplan von Amts wegen zurück, wenn der Plan derart an der wirtschaftlichen Realität des schuldnerischen Unternehmens vorbeigeht, dass die nach dem Plan bestehenden Ansprüche offensichtlich nicht erfüllt werden können. Die Gläubiger werden also vor der Befassung mit einem Plan geschützt, dem die Erfolgsaussichten offensichtlich fehlen.93 Dank dieser Negativ-Auswahl durch das Gericht können sich die Gläubiger wenigstens sicher sein, dass der zur Abstimmung vorgelegte Plan nicht völlig unrealistisch ist. Das mag die Gläubiger dazu bewegen, im Vertrauen auf die Einschätzung des Gerichts dem vom Schuldner initiierten Plan zuzustimmen. Legt der Verwalter selbst den Insolvenzplan vor, ist davon auszugehen, dass der Verwalter die Erfolgsaussichten des Plans zuvor wenigstens kursorisch geprüft hat.94 Auch im Falle der Planvorlage durch den Verwalter können die abstimmenden Gläubiger daher beruhigt sein, dass es an der Realisierbarkeit des Plans nicht von vornherein fehlt. Das mag wiederum die Gläubiger dazu bewegen, im Vertrauen auf die Einschätzung des Insolvenzverwalters dem Plan zuzustimmen.
VI. Erfolgsfaktor: Auswahl eines fähigen und anerkannten Insolvenzverwalters 1. Bedeutung der Verwalterauswahl Die Auswahl eines fähigen und von allen Beteiligten anerkannten Insolvenzverwalters ist für den Erfolg der Unternehmenssanierung von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Nicht ohne Grund wird die Auswahl des „richtigen“ Verwalters zuweilen als „Schicksalsfrage“95 der Insolvenzbewälti92
Wimmer-Jaffé, § 248 Rn. 10. Wimmer-Jaffé, § 231 Rn. 33, 34, 36 c; nach der Auffassung von Kersting, Insolvenzplanverfahren, S. 177 f. muss das Gericht wegen seiner Amtsermittlungspflicht gem. § 5 I 1 InsO im Rahmen des § 245 I Nr. 1 InsO die Realisierbarkeit des Plans prüfen, sofern konkrete Anhaltspunkte für die Undurchführbarkeit des Plans vorliegen. 94 Davon geht jedenfalls der Gesetzgeber aus, siehe Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs 12/7302, S. 182. 95 So Jaeger-Weber, KO, § 78 Rn. 7; Fockenbrock/Sigmund, Handelsblatt Nr. 50 v. 12.03.07, S. 1; Haarmeyer, ZInsO 2007, 169 (169); Uhlenbruck, NZI 2006, 489 (489); Busch, DZWIR 2004, 353 (353); ähnlich Jaeger, Lehrbuch des Deutschen 93
A. Das Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO
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gung bezeichnet. Nur ein Verwalter, dem die Banken und andere potenzielle Kreditgeber vertrauen, wird die Gewährung eines Massekredits erreichen oder die Erlaubnis der Gläubiger erwirken, eingezogene Forderungen als unechten Massekredit zu nutzen.96 Das Handelsblatt titelt in diesem Zusammenhang plakativ „Bessere Insolvenzverwalter können Milliarden retten“.97 In dem so überschriebenen Artikel legen die Autoren unter Berufung auf eine noch nicht veröffentlichte Studie von Haarmeyer dar, dass bis zu 100.000 Arbeitsplätze und Forderungen in Höhe von neun Milliarden Euro jedes Jahr gesichert werden könnten, wenn qualifizierte Insolvenzverwalter zum Einsatz kämen.98 Auch wenn man die konkrete Höhe dieser Zahlen oder die Methode ihrer Erhebung für fragwürdig halten mag, verdeutlichen diese Zahlen jedoch wenigstens in ihrer Tendenz eindrucksvoll, wie wichtig die Auswahl eines qualifizierten, anerkannten Insolvenzverwalters für die Vermeidung von Stellenverlusten und Forderungsausfällen – oder allgemeiner gesprochen: für die Erreichung von Fortführungs- und Sanierungserfolgen – zweifellos ist. Die Anforderungen, die an einen Insolvenzverwalter gestellt werden, sind vielfältig. Rattunde beschreibt sie zusammenfassend so: „Schon der vorläufige Verwalter soll das schuldnerische Unternehmen fortführen, § 22 I 2 Nr. 2 InsO, der endgültige möge es sanieren, also ein Sanierungskonzept entwickeln und durchsetzen. (. . .) Der Insolvenzverwalter hat die Aufgabe, das gerichtliche Verfahren mit der Wahrnehmung von Terminen, der Tabellenführung, der Berichts- und Rechnungslegungspflicht durchzuführen, er muss be- und verwerten, Verträge erfüllen oder kündigen (§§ 103 ff. InsO) und steuerliche, sozialrechtliche, handels- und arbeitsrechtliche Pflichten erfüllen.“99 Aus dieser Aufzählung wird bereits deutlich, dass der ideale Insolvenzverwalter über umfangreiche Kenntnisse und Fähigkeiten im juristischen und betriebswirtschaftlichen Bereich verfügen muss.100 Daneben spielen aber auch weiche Faktoren (bekannt als „soft skills“) eine Rolle, die die Persönlichkeit des Verwalters betreffen, insbesondere seine Eignung Konkursrechts, S. 81; MüInsO-Graeber, § 56 Rn. 87; Rattunde, ZIP 2003, 2103 (2108); Undritz, NZI 2007, 65 (65). 96 Zum Massekredit siehe unter A.IV.1., S. 41 f.; zum unechten Massekredit siehe unter A.IV.2., S. 42 f.; zur Bedeutung des Vertrauens von Kreditgebern für die Sicherung der Liquidität Rattunde, ZIP 2003, 2103 (2108); Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618 (620); Wimmer-Schmerbach, § 5 Rn. 5. 97 Fockenbrock/Sigmund, Handelsblatt Nr. 50 v. 12.03.07, S. 1. 98 Fockenbrock/Sigmund, Handelsblatt Nr. 50 v. 12.03.07, S. 1, erster Absatz. 99 Rattunde, ZIP 2003, 2103 (2108). 100 Kruth, Die Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 255 fordert daher einen hohen Ausbildungsstandard für Insolvenzverwalter – nachzuweisen sei der erfolgreiche Abschluss eines Hochschulstudiums der Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften bzw. vergleichbarer Studiengänge.
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zum Umgang mit Menschen. Gefragt sind beispielsweise Einfühlungsvermögen, Zuverlässigkeit101, Vertrauenswürdigkeit102 und diplomatisches Gespür. Diese soft skills, die den Verwalter zur optimalen Verhandlungsführung befähigen, sind vor allem deswegen notwendig, weil der Insolvenzverwalter die zahlreichen (ggf. widerstreitenden) Interessen aller am Insolvenzverfahren Beteiligten koordinieren muss und weil er die Kommunikation unter den Beteiligten sicherstellen muss.103 Nach alledem steht fest, dass der Sanierungserfolg in vielen Fällen ganz entscheidend von der Person des Verwalters abhängt. Es fragt sich daher, welche Kriterien für die Auswahl des Insolvenzverwalters zu Grunde gelegt werden. 2. Kriterien der Verwalterauswahl Die gesetzliche Grundlage der Verwalterauswahl bildet § 56 I InsO, der eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftkundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person fordert. Für die Bestellungspraxis zentral ist also der Begriff „geeignet“.104 Deswegen erstaunt es, dass bislang noch nicht durch die Rechtsprechung präzisiert wurde, unter welchen Voraussetzungen eine Person als geeignet i. S. d. § 56 I InsO anzusehen ist. Dieses Defizit mag dadurch zu erklären sein, dass Ernennungsbeschlüsse nicht begründet werden müssen, so dass „den Insolvenzrichtern eine präzise und juristisch einwandfreie Subsumtion unter den Begriff ‚geeignet‘ erspart bleibt“.105 Spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.06.2006106 steht jedoch fest, dass eine Konkretisierung des Begriffs „geeignet“ unumgänglich ist, um dem Insolvenzrichter die pflichtgemäße Ausübung seines Auswahlermessens gem. § 56 I InsO zu ermöglichen.107 Mit dem genannten Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht daher den Fachgerichten aufgegeben, Kriterien für die Feststellung der Eignung eines Bewerbers um das Amt des Insolvenzverwalters sowie für eine sachgerechte Ausübung des richterlichen 101 Dieses Kriterium hält auch Kruth, Die Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 268 für besonders bedeutsam. 102 Dieses Kriterium hält auch Kruth, Die Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 257 für besonders bedeutsam. 103 Rattunde, ZIP 2003, 2103 (2108); Undritz, NZI 2007, 65 (65). 104 Römermann, NJW 2002, 3729 (3731). 105 Römermann, NJW 2002, 3729 (3731). 106 BVerfG NJW 2006, 2613 ff. 107 Das Fehlen präziser rechtlicher Maßstäbe für die gerichtlich praktizierte Vorauswahl von Insolvenzverwaltern wurde vom BVerfG schon in seiner Entscheidung vom 03.08.2004 gerügt, siehe NJW 2004, 2725 ff.
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Auswahlermessens zu entwickeln.108 In der Folge wurden verschiedene Vorschläge vorgebracht, nach welchen Kriterien die Eignung eines Bewerbers zu beurteilen sei. Besonders hervorgetan hat sich in diesem Zusammenhang Haarmeyer, der eine Zertifizierung von Insolvenzverwaltern fordert.109 Unter der Leitung von Haarmeyer wurde in Kooperation des Deutschen Instituts für angewandtes Insolvenzrecht (DIAI) mit der RheinAhrCampus ein Qualitäts-Rating für Insolvenzverwalter entwickelt, das derzeit bereits vom Amtsgericht Hannover getestet wird.110 Im Rahmen der Zertifizierung werden ca. 90 Einzelwerte erhoben, die in das Gesamtergebnis einfließen und die den bisherigen Erfolg des Verwalters unter Berücksichtigung der Abwicklungspraxis in den vergangenen fünf Jahren widerspiegeln sollen.111 Dabei werden folgende Kriterien für die Ermittlung des „Erfolgs“ eines Insolvenzverwalters zu Grunde gelegt:112 – der wirtschaftliche Umgang mit treuhänderisch verwaltetem Vermögen. (Als gut wird eine Insolvenzverwaltung angesehen, wenn die Verwaltungs- und Verwertungskosten 40% der verteilungsfähigen Masse nicht wesentlich überschreiten.) – die Befriedigung der einfachen ungesicherten Gläubiger. (Als gut wird eine durchschnittliche Befriedigungsquote von 8–10% angesehen.) – die Durchsetzung insolvenzspezifischer Ansprüche. (Als gut gilt ein Insolvenzverwalter, wenn er in mind. 20–25% aller Verfahren insolvenzspezifische Ansprüche geltend macht und dadurch die Quote um mind. 5–7% mehrt.) – die Beitreibung offener Forderungen. (Als gut wird eine Beitreibungsquote von wenigstens 30–35% angesehen.) – Fortführungs- und Sanierungserfolge. (Für eine gute Insolvenzverwaltung ist es erforderlich, dass in mind. 12–15% aller Unternehmensinsolvenzen eine Fortführung erfolgt, wobei mind. 20% der Arbeitsplätze erhalten bleiben müssen.) – Einsatz von Insolvenzplanverfahren. (Eine gute Verwaltung setzt voraus, dass mind. 3% aller Verfahren durch einen Insolvenzplan bewältigt werden.) 108
BVerfG NJW 2006, 2613 (2616). Haarmeyer, ZInsO 2007, 169 (169). 110 Siehe Fockenbrock/Sigmund, Handelsblatt Nr. 50 v. 12.03.07, S. 1. 111 Haarmeyer, ZInsO 2007, 169 (170, 171, Fn. 15); ders., ZInsO 2005, 337 ff.; Fragebogen des DIAI zum Zertifizierungsverfahren für Unternehmensinsolvenzverwalter, S. 2 – der Fragebogen kann unter www.diai.org eingesehen werden (Stand: April 2007). 112 Siehe Übersicht bei Haarmeyer, ZInsO 2007, 169 ff. 109
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
Köhler-Ma ergänzt diesen Katalog um drei weitere Kriterien:113 – Vorsichtsprinzip: Masse laut Eröffnungsbericht als % der Masse laut Schlussbericht. – Eigenleistung: Masseanteil in% für Dienstleister in folgenden Gruppen: Rechtsanwälte, Steuerberater, Unternehmensberater/Interimsmanager, Buchhalter, Personalsachbearbeiter. – Verfahrensdauer bis zur Einreichung von Schlussbericht und Schlussrechnung. Die Zertifizierung von Insolvenzverwaltern, z. B. auf der Basis der von Haarmeyer und Köhler-Ma vorgeschlagenen Kriterien, birgt einen entscheidenden Vorteil: Durch die Beurteilung der Verwalter anhand einheitlicher Maßstäbe wird – um den Preis eines recht hohen Verwaltungsaufwandes der Insolvenzverwalter, die für die vergangenen Jahre bestimmte Werte ermitteln müssen114 – eine gewisse Markttransparenz geschaffen,115 die dem Richter eine im Einzelfall sachgerechte und somit pflichtgemäße Ermessensausübung bei der Bestellung des Verwalters erleichtert. Es wird vermieden, dass jedes Fachgericht seine eigenen Zugangskriterien entwickelt, was nach Ansicht von Uhlenbruck „für die praktische Handhabung katastrophal“116 wäre. Andererseits leidet dieses Zertifizierungsverfahren an einer offensichtlichen Schwäche, die auch von Haarmeyer selbst eingeräumt wird: Da zur Ermittlung des „Erfolgs“ eines Insolvenzverwalters die Abwicklungspraxis in den vergangenen fünf Jahren berücksichtigt wird, kann das Zertifizierungsverfahren nur auf entsprechend erfahrene Verwalter Anwendung finden.117 Wie hingegen Berufseinsteiger ihre Qualifikation nachweisen sollen, bleibt offen. Kruth schlägt in diesem Zusammenhang vor, Berufsanfänger gar nicht als Insolvenzverwalter in Betracht zu ziehen, sondern eine mindestens dreijährige Tätigkeit als Mitarbeiter eines Insolvenzverwalters oder eine mindestens fünfjährige Tätigkeit als Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater, Unternehmer oder in einem vergleichbaren Beruf als Voraussetzung für die Zulassung als Insolvenzverwalter zu fordern.118 Diesem Vorschlag ist zuzustimmen, weil in einem Eilverfahren wie dem Insolvenzverfahren, dessen Erfolg maßgeblich von den Entscheidungen des Insolvenzverwalters abhängt, dem Insolvenzverwalter keine „Lernphase“119 zugebil113 114 115 116 117 118 119
Siehe Übersicht bei Köhler-Ma, DZWIR 2006, 228 (232, 233). Köhler-Ma, DZWIR 2006, 228 (232). Haarmeyer, ZInsO 2007, 169 (173). Uhlenbruck, NZI 2006, 489 (493). Haarmeyer, ZInsO 2007, 169 (170). Kruth, Die Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 257. Kruth, Die Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 256.
A. Das Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO
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ligt werden kann. Der Bewerber um das Amt des Insolvenzverwalters sollte daher schon einschlägige Erfahrungen gesammelt haben, bevor er zum ersten Mal als Insolvenzverwalter eingesetzt wird. Was die Kriterien für die (Vor-)Auswahl des Insolvenzverwalters angeht, besteht kaum Hoffnung auf eine Klarstellung durch den Gesetzgeber. Zwar hat der Gesetzgeber im Zuge des InsO VereinfachungsG120 eine Änderung des § 56 InsO vorgenommen. Sie beschränkt sich jedoch auf den Hinweis, dass im Rahmen der (Vor-)Auswahl des Insolvenzverwalters sog. geschlossene Listen, auf denen nur beim Ausscheiden einer Person ein neuer Bewerber eingetragen wird,121 unzulässig sind. Der Gesetzgeber hat die Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen, im Zuge der Änderung des § 56 InsO die Anforderungen an die Qualifikation des Insolvenzverwalters zu präzisieren. Es bleibt daher wenigstens vorerst Literatur und Rechtsprechung überlassen, § 56 I InsO zu konkretisieren. In dem Bestreben, diesen Auftrag zu erfüllen, hat sich eine „Kommission zur Vorauswahl und Bestellung von Insolvenzverwaltern sowie Transparenz, Aufsicht und Kontrolle im Insolvenzverfahren“ unter der Leitung von Prof. Dr. Wilhelm Uhlenbruck gegründet, die allerdings ihre Tätigkeit noch nicht aufgenommen hat.122 Es bleibt daher abzuwarten, ob ihre Vorschläge mit denen des Vorreiters Haarmeyer übereinstimmen werden. 3. Einfluss der Gläubiger auf die Auswahlentscheidung Der Hauptzweck des Insolvenzverfahrens liegt in der Verwirklichung der Vermögenshaftung und somit in der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung.123 Insofern liegt es nahe, denjenigen einen erheblichen Einfluss auf die Verwalterauswahl zuzubilligen, zu deren Schutz und Nutzen die Verwalterauswahl erfolgen soll: nämlich den Gläubigern.124 Tatsächlich obliegen die Auswahl und die Bestellung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters jedoch gem. § 56 InsO i. V. m. § 18 I Nr. 1 RPflG allein dem Insolvenzrich120 Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens v. 17.04.2007, BGBl 2007 I S. 509 ff. 121 Zum Begriff der geschlossenen Liste Busch, DZWIR 2004, 353 (354). 122 Pressemitteilung FD-InsR 2006, 198305; Uhlenbruck, NZI 2006, 489 (493); in der Kommission sind unter anderem vertreten der Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. (VID), der Gravenbrucher Kreis, der Deutsche Anwaltverein, der Deutsche Richterbund, der Bund Deutscher Rechtspfleger, Vertreter der Gewerkschaften, der Bundesverband Deutscher Banken sowie der Industrie- und Handelskammertag. 123 BR-Drs 1/92, S. 82 f.; MüInsO-Eidenmüller vor §§ 217–269 Rn. 5; Schiessler, Insolvenzplan, S. 30. 124 Busch, DZWIR 2004, 353 (356, 357).
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
ter, der seine Entscheidung in richterlicher Unabhängigkeit trifft. Eine Einflussmöglichkeit der Gläubiger bei der Verwalterauswahl sieht das Gesetz erst in einer späteren Phase des Insolvenzverfahrens vor: Nach § 57 S. 1 InsO können die Gläubiger in der ersten Gläubigerversammlung, die auf die Bestellung des Insolvenzverwalters folgt, an Stelle des bisherigen Verwalters eine andere Person wählen, deren Bestellung gem. § 57 S. 3 InsO nur bei fehlender Eignung versagt werden kann. Der Berichtstermin, in dem gem. § 57 InsO die Abwahl des bisherigen Insolvenzverwalters möglich wäre, liegt gem. § 29 I Nr. 1 InsO zwischen sechs Wochen und drei Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Zu diesem Zeitpunkt ist die entscheidende Phase des Insolvenzverfahrens allerdings schon vorbei. Prägend für den weiteren Verfahrensverlauf ist nämlich regelmäßig die Anfangsphase eines Insolvenzverfahrens.125 Die Entscheidungen und Versäumnisse des in dieser Phase bestellten Insolvenzverwalters sind später nicht mehr oder nur noch schwer zu korrigieren.126 Insofern wird die für den weiteren Verfahrensgang wesentliche Entscheidung über die Bestellung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters getroffen, ohne dass zu diesem Zeitpunkt ein Eingreifen der Gläubiger möglich wäre. Selbst ihre nach § 57 InsO vorgesehene Einflussmöglichkeit lassen die Gläubiger oftmals ungenutzt.127 Das mag daran liegen, dass sie mit dem vom Gericht bestellten Insolvenzverwalter zufrieden sind. Die Untätigkeit der Gläubiger mag jedoch auch ihren Grund darin haben, dass insbesondere kleinere Gläubiger weder die Vorkenntnisse noch – angesichts der zu erwartenden geringen Auszahlungen – das Interesse an der aktiven Gestaltung des Insolvenzverfahrens haben.128 Großgläubiger verzichten nach den Recherchen von Köhler-Ma darauf, gem. § 57 InsO Einfluss zu nehmen, weil sie befürchten, der abgewählte Insolvenzverwalter werde sie bei gegebenenfalls folgenden späteren Insolvenzen im Rahmen seines Ermessensspielraums schlechter behandeln.129 Unattraktiv wird die Abwahl des Insolvenzverwalters auch aus Kosten- genauer gesagt: aus Vergütungsgründen. Der zunächst tätige, abgewählte und der neue Insolvenzverwalter teilen sich nämlich nicht die Vergütung, sondern für jeden der Verwalter wird die Vergütung gesondert berechnet. Werden mehrere Verwalter nacheinander tätig, können die einzelnen Vergütungen zusammengerechnet höher ausfallen, als wenn nur ein Verwalter tätig geworden wäre.130 Denn mehrere Insolvenz125 126 127 128 129 130
MüInsO-Graeber, § 56 Rn. 88. MüInsO-Graeber, § 56 Rn. 58, § 57 Rn. 8. Köhler-Ma, DZWIR 2006, 228 (228). Köhler-Ma, DZWIR 2006, 228 (228). Köhler-Ma, DZWIR 2006, 228 (228). Gottwald-Last, § 127 Rn. 24; Hess-Hess, InsVV § 2 Rn. 25.
A. Das Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO
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verwalter nacheinander müssen zumindest teilweise doppelte Arbeit leisten.131 Die Abwahl des ursprünglichen und die Bestellung des neuen Insolvenzverwalters sind daher mit zusätzlichen Kosten und einer Verfahrensverzögerung verbunden.132 § 57 InsO vermag folglich die Einflussmöglichkeiten der Gläubiger bei der Verwalterauswahl nicht effektiv zu gestalten. Wünschenswert wäre eine Einflussnahme der Gläubiger bereits im Vorfeld der Verwalterbestellung durch den Insolvenzrichter. Dann wären insolvenzgefährdete deutsche Unternehmen möglicherweise weniger verführt, ihren Sitz nach Großbritannien zu verlegen, dessen Insolvenzrecht sich nach der Aussage von Piepenburg entscheidend vom deutschen Insolvenzrecht abhebt durch den Einfluss von Unternehmen und Gläubigern auf die Bestellung des Verwalters.133 Auch Bundesjustizministerin Zypries hat die Notwendigkeit erkannt, deutsche Unternehmen von der Abwanderung nach Großbritannien abzuhalten und prüft daher Änderungen des deutschen Insolvenzrechts.134 Bis der Gesetzgeber entsprechende Änderungen des Insolvenzrechts vorgenommen hat, kann der Insolvenzrichter einstweilen durch eine enge Kooperation mit den Gläubigern im Vorfeld der Entscheidung über die Bestellung des Insolvenzverwalters einen hinreichenden Einfluss der Gläubiger sicherstellen. Schließlich hängen die Gläubiger mit ihrem Wohl und Wehe von der Leistung des Insolvenzverwalters ab und sind daher besonders berufen, die Eignung des Verwalters zur erfolgreichen Durchführung des Insolvenz(plan)verfahrens zu beurteilen.135 Zumindest muss das Gläubigerinteresse in die Eignungsbewertung durch den Richter eingehen.136 Die notwendige Kooperation des Insolvenzrichters mit den Gläubigern kann durch eine Anfrage an die Gläubiger geschehen, welcher Verwalter als geeignet in Frage kommt. Um den Gläubigern Gelegenheit zu geben, einen als fähig erachteten Insolvenzverwalter vorzuschlagen, können die das Verfahren bestimmenden Gläubiger im Rahmen einer mündlichen Verhandlung angehört werden.137 Dabei ist zu lediglich beachten, dass die Ladung wegen der Eil131
Ebd. (Fn. 130). MüInsO-Graeber, § 57 Rn. 8. 133 Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) Nr. 70 vom 23.03.2007, S. 15, „Letzter Ausweg Großbritannien“; ebenso Vallender, NZI 2007, 129 (136); Rendels/Zabel, INDAT-Report 2007, 28 (29); Beispiele für nach England „geflüchtete“ Unternehmen: Deutsche Nickel AG, Hans Brochier GmbH & Co. KG, Schefenacker AG. 134 Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) Nr. 70 vom 23.03.2007, S. 15, „Letzter Ausweg Großbritannien“. 135 Busch, DZWIR 2004, 353 (357). 136 BVerfG NJW 2004, 2725 (2727). 137 Die Anhörung der Gläubiger im Vorfeld der Verwalterbestellung wird auch bezeichnet als „runder Tisch“ (so im Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeits132
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
bedürftigkeit des Insolvenzverfahrens kurzfristig – z. B. telefonisch – zu erfolgen hat.138 Möglicherweise bietet das italienische Recht ein gutes Vorbild, was die Auswahlkriterien und die Ausgestaltung der Gläubigerrechte bei der Bestimmung des Insolvenzverwalters angeht. Das wird im Folgenden der Teil der vorliegenden Arbeit zeigen, der sich mit dem italienischen Insolvenzrecht beschäftigt.139
VII. Erfolgsfaktor: Erhaltung des Unternehmens als funktionsfähige wirtschaftliche Einheit Das insolvente Unternehmen kann nur dann fortgeführt werden, wenn es das Nutzungsrecht an seinen Produktionsmitteln behält. Daher muss sichergestellt werden, dass Gläubiger, denen Sicherungsrechte an den Produktionsmitteln zustehen, nicht unmittelbar nach dem Insolvenzantrag die Verwertung140 der Produktionsmittel durch Veräußerung o. ä. betreiben dürfen. Vielmehr muss das Schuldnerunternehmen auch nach dem Eintritt der Insolvenz als funktionstüchtige wirtschaftliche Einheit erhalten bleiben, um mögliche Sanierungschancen zu wahren.141 Fraglich ist, inwieweit das Insolvenzplanverfahren dieser Anforderung genügt. Unstrittig darf absonderungsberechtigten Gläubigern gem. § 21 II Nr. 3 InsO untersagt werden, während des Eröffnungsverfahrens in das schuldnerische Vermögen zu vollstrecken;142 der dem Absonderungsrecht unterliegende Gegenstand untersteht also weiterhin der Verfügungsgewalt des Schuldners bzw. des vorläufigen Insolvenzverwalters.143 Umstritten war bislang jedoch, ob gegenüber einem aussonderungsberechtigten Gläubiger ein Verbot ausgesprochen werden darf, die dem Aussonderungsrecht unterliegenden Gegenstände im Eröffnungsverfahren aus der Insolvenzmasse hegruppe „Insolvenzrecht“ zur 73. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 10. bis 12.06.2002 in Weimar, S. 52) oder als „Detmolder Modell“ (so Busch in DZWIR 2004, 353 ff. (insb. 358 f.); ders., Fragen des deutschen und internationalen Insolvenzrechts – Die Bestellung des Insolvenzverwalters nach dem „Detmolder Modell“, S. 121 ff.). 138 Busch, DZWIR 2004, 353 (358). 139 Siehe Kapitel 4, dort insbesondere unter C.I.1.k), S. 153 ff. 140 Verwertung wird hier verstanden als das unmittelbare Freisetzen des in dem Vermögensgegenstand gebundenen, investierten Geldes („Versilbern“) – so auch Meyer-Haberhauer, Die Entscheidung über den Insolvenzplan, S. 86. 141 Buth/Hermanns-Seagon, § 3 Rn. 13, 62. 142 Wimmer-Schmerbach, § 21 Rn. 77; Vallender, ZIP 1997, 1993 (1997); Nerlich/Römermann-Mönning, § 21 Rn. 138. 143 Wimmer-Schmerbach, § 21 Rn. 76.
A. Das Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO
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rauszunehmen.144 Die herrschende Meinung sah ein solches Verbot gem. § 21 II Nr. 3 InsO als zulässig an.145 Denn es entspreche dem Zweck des § 21 II Nr. 3 InsO, dass die sachlichen Mittel für eine Betriebsfortführung dem vorläufigen Insolvenzverwalter bis zu einer Verfahrenseröffnung nicht entzogen werden.146 Mit Hilfe des Verwertungsverbots im Vorverfahren für Vermögensgegenstände, die mit Aus- und Absonderungsrechten belastet sind, konnte dem vorläufigen Insolvenzverwalter beispielsweise die Nutzung von sicherungsübereigneten Gegenständen ermöglicht werden, die für die Fortführung des Betriebs wesentlich sind. Das Zusammenhalten der Betriebsmittel, das eine grundlegende Voraussetzung für die Erhaltung des Unternehmens bildet, wurde auf diese Weise erleichtert. Die bisherige, von der herrschenden Meinung begrüßte, aber doch teilweise umstrittene Rechtspraxis ist nun endgültig Gesetz geworden. Der durch das InsO VereinfachungsG eingefügte § 21 II Nr. 5 InsO hat die strittige Frage nach der Zulässigkeit eines Verwertungsverbots im Eröffnungsverfahren geklärt. Nunmehr erlaubt das Gesetz dem Gericht ausdrücklich anzuordnen, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 InsO erfasst würden (i. e. bewegliche Sachen, an denen ein Absonderungsrecht besteht) oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind. Im Gegenzug wird dem Gläubiger eine Entschädigung für den zeitweisen Verlust des Verwertungsrechts gewährt, § 21 I Nr. 5 InsO i. V. m. § 169 S. 2 InsO. § 21 I Nr. 5 InsO (bzw. nach der bisherigen Rechtslage vor Erlass des InsO VereinfachungsG § 21 II Nr. 3 InsO) erlaubt also, das Schuldnerunternehmen auch nach dem Eintritt der Insolvenz als funktionstüchtige wirtschaftliche Einheit zu erhalten, um so mögliche Sanierungschancen zu wahren. Allerdings gilt § 21 I Nr. 5 bzw. § 21 II Nr. 3 InsO nicht spezifisch für das Insolvenzplanverfahren, sondern unabhängig davon, in welchem Rahmen die Insolvenzmasse nach Verfahrenseröffnung verwertet wird. 144
Gegen die Zulässigkeit eines Verwertungsverbots: Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, § 21 Rn. 694; Lohkemper, ZIP 1995, 1641 (1650); Vallender, ZIP 1997, 1993 (1997); dafür: Nerlich/Römermann-Mönning, § 21Rn. 138; Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618 (621); Sternal, NZI 2006, 185 (188); Wimmer-Schmerbach, § 21 Rn. 75 b, 77; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 21 Rn. 28; MüInsO-Haarmeyer, § 21 Rn. 72, 1. Aufl.; BerlKo-Blersch, § 21 Rn. 35. 145 Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618 (621); Sternal, NZI 2006, 185 (188); Wimmer-Schmerbach, § 21 Rn. 75 b, 77; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 21 Rn. 28; MüInsO-Haarmeyer, § 21 Rn. 72, 1. Aufl.; BerlKo-Blersch, § 21 Rn. 35. 146 AG Köln NZI 1999, 333 (333).
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
B. Die Sonderrolle der übertragenden Sanierung Unter den zerschlagungsabwendenden Verfahren nimmt die Verwertung der Insolvenzmasse im Wege der sog. „übertragenden Sanierung“ eine Sonderrolle ein. Die übertragende Sanierung stellt nämlich genau genommen kein eigenständiges Verfahren dar, sondern sie kann im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens oder allein nach Maßgabe der allgemeinen insolvenzrechtlichen Vorschriften147 erfolgen. Auf das Verhältnis des Insolvenzplanverfahrens zur übertragenden Sanierung wird im Folgenden148 noch näher einzugehen sein. An dieser Stelle soll zunächst der Begriff der „übertragenden Sanierung“ geklärt werden:
I. Definition des Begriffs „übertragende Sanierung“ Der von Karsten Schmidt149 geprägte Begriff der „übertragenden Sanierung“ bezeichnet eine bestimmte Form der Unternehmenssanierung. Sie vollzieht sich, indem die Vermögenswerte und Rechtsverhältnisse, die den Geschäftsbetrieb ausmachen, an einen Dritten verkauft und übertragen werden (sog. „asset deal“) und indem anschließend der insolvente Rechtsträger des Unternehmens liquidiert wird.150 Bei dem erwerbenden Dritten kann es sich um eine bereits bestehende Gesellschaft handeln oder um eine eigens zu diesem Zweck gegründete Auffanggesellschaft.151 Wer allerdings in der Insolvenzordnung nach dem Stichwort „übertragende Sanierung“ sucht, wird nicht fündig werden, denn der Gesetzgeber hat bislang von einer umfassenden Normierung dieses Sanierungsinstruments abgesehen. Lediglich die Voraussetzungen für die Veräußerung des Unternehmens oder eines Betriebes werden in § 160 II Nr. 1 InsO geregelt. Jedoch kann von der geringfügigen gesetzlichen Verankerung der übertragenden Sanierung nicht auf ihre mangelnde praktische Relevanz geschlossen werden. Im Gegenteil zählt die übertragende Sanierung in der Praxis zu den wichtigsten, am häufigsten eingesetzten Sanierungsinstru147
Insbesondere gemäß § 160 II Nr. 1 InsO. Siehe unten unter B.IV., S. 61. 149 Schmidt, ZIP 1980, 328 (336). 150 MüInsO-Eidenmüller, § 217 Rn. 168; Schmidt/Uhlenbruck-Wellensiek, Rdnr. 1243; Uhlenbruck, Insolvenzrecht, S. 259 f.; Meyer-Haberhauer, Entscheidung über den Insolvenzplan, S. 92 mwN; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 356, 375; Menke, BB 2003, 1133 (1133); Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618 (619); Wellensiek, NZI 2005, 603 (603); Kluth, NZI 2002, 1 (1). 151 MüInsO-Eidenmüller, § 217 Rn. 168; Hölzle, DStR 2004, 1433 (1433); Kluth, NZI 2002, 1 (1). 148
B. Die Sonderrolle der übertragenden Sanierung
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menten.152 Sie wird von einigen Autoren für wichtiger als das Insolvenzplanverfahren gehalten.153 Ein Beispiel mag die Bedeutung der übertragenden Sanierung verdeutlichen: Die Kanzlei Leonhardt, Westhelle & Partner, die mit 16 Insolvenzverwaltern und 795 betreuten Insolvenzverfahren154 bundesweit zu den bedeutenderen im Insolvenzrecht spezialisierten Kanzleien gehört, hat seit dem 01.01.1999 in 13,2% der Fälle eine übertragende Sanierung (außerhalb eines Insolvenzplanverfahrens) vorgenommen.155 Nur in 1,9% der Fälle hingegen wurde eine Sanierung im Wege eines Insolvenzplanverfahrens erreicht. Diese Verteilung widerspricht der gesetzgeberischen Konzeption, nach der vorrangig das Insolvenzplanverfahren die Verwertungsform der Sanierung ermöglichen soll.156
II. Vorteile der Trennung zwischen Unternehmen und Unternehmensträger Angesichts der überragenden praktischen Bedeutung der übertragenden Sanierung stellt sich die Frage, was die Attraktivität dieses Sanierungsinstruments ausmacht. Indem das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit von seinem Rechtsträger getrennt wird, können die zur erfolgreichen Fortführung des Unternehmens erforderlichen Vermögensgegenstände (Aktiva) von den beim Unternehmensträger verbleibenden Schulden (Passiva) gelöst werden.157 Der Unternehmenserwerber erhält also lediglich das „Haben“ des Unternehmens, während das „Soll“ in der Insolvenzmasse zurückbleibt.158 Diese Spaltung von Aktiva und Passiva macht aus der Sicht potenzieller Unternehmenserwerber den Reiz der übertragenden Sanierung aus und erhöht den Preis, der durch die Veräußerung des Unternehmens erzielt werden kann.
152 Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618 (619); Wellensiek, NZI 2005, 603 (603); Kammel, NZI 2000, 102 (102); Rattunde, ZIP 2003, 2103 (2105). 153 Hölzle, DStR 2004, 1433 (1434); Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618 (620, 622); Wellensiek, NZI 2005, 603 (603); Kammel, NZI 2000, 102 (102); Smid, NZI 2000, 454 (454); Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 0.19. 154 Seit dem 01.01.1999. 155 Quelle: Insolvenzverfahren Leonhardt, Westhelle & Partner, Qualitätsmerkmale Auswertung.xls (nicht veröffentlicht), Stand: 14.03.2007. 156 § 1 S. 1 InsO sowie BT-Drs. 12/7302, S. 2 u. 155; Buth/Hermanns-Seagon, § 3 Rn. 5; Schiessler, Insolvenzplan, S. 31. 157 Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618 (619); Wellensiek, NZI 2002, 233 (235). 158 Hölzle, DStR 2004, 1433 (1434).
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
III. Nachteile der Trennung zwischen Unternehmen und Unternehmensträger Allerdings bringt die Trennung des Unternehmens vom Unternehmensträger auch Nachteile mit sich. Der schwerwiegendste Nachteil der übertragenden Sanierung liegt darin, dass „unternehmensträgerspezifische Berechtigungen“159 mit der Liquidation des Unternehmensträgers erlöschen. Vorteilhafte schuldrechtliche Verträge – beispielsweise Lizenzverträge – gehen also nicht automatisch auf die Erwerbergesellschaft über, sondern sie müssen neu abgeschlossen werden. Auch die Position als Teilnehmer eines Vergabeverfahrens geht nach einer jüngst veröffentlichten Entscheidung des OLG Düsseldorf160 nicht auf die Erwerbergesellschaft über. Es handele sich bei dieser Position nicht um einen übertragbaren Vermögenswert, sondern um eine höchstpersönliche Rechtsposition. Daher drohe der Ausschluss aus dem laufenden Vergabeverfahren, wenn sich im Zuge einer Restrukturierung durch einen Wechsel des Rechtsträgers die Identität des Unternehmens ändere. Sollen unternehmensträgerspezifische Berechtigungen und Rechtspositionen erhalten bleiben, bietet sich anstelle der übertragenden Sanierung die Reorganisation des Unternehmensträgers z. B. im Insolvenzplanverfahren an.161 Dieses Verfahren wurde bereits ausführlich beschrieben.162 Ein Beispiel veranschaulicht, in welchen Fällen sich die übertragende Sanierung nicht eignet: Die Senator Entertainment AG, über deren Vermögen am 31.3.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ist hauptsächlich im Filmrechtehandel und in der Filmproduktion tätig. Besonderheiten des Urheberrechts schließen eine übertragende Sanierung aus, weshalb die Senator Entertainment AG schließlich in einem Insolvenzplanverfahren saniert wurde.163
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Dieser Ausdruck findet sich bei MüInsO-Eidenmüller, vor §§ 217–269 Rn. 6. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.10.06, Az: VII Verg 30/06, nachzulesen in VergabeR 2007, 92–97, siehe auch Besprechung von Wagner, FAZ v. 21.03.07, S. 23. 161 MüInsO-Eidenmüller, vor §§ 217–269 Rn. 6; Rattunde, ZIP 2003, 2103 (2106); Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 582; Maus, DStR 2002, 1104 (1105). 162 Siehe oben unter A., S. 33 ff. 163 Den Fall Senator beschreibt Fritze, in: DZWIR 2007, 89 ff. 160
B. Die Sonderrolle der übertragenden Sanierung
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IV. Das Verhältnis des Insolvenzplanverfahrens zur übertragenden Sanierung Auch wenn die übertragende Sanierung unabhängig von einem Insolvenzplanverfahren durchgeführt werden kann und in der Regel auch tatsächlich außerhalb eines Insolvenzplanverfahrens durchgeführt wird,164 kann doch die übertragende Sanierung auf der Grundlage eines Insolvenzplans besonders vorteilhaft sein. Das ist z. B. dann der Fall, wenn im Zuge der übertragenden Sanierung Eingriffe in Absonderungsrechte vorgenommen werden sollen. Denn solche Eingriffe sind allein im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens gem. § 223 II InsO erlaubt.165 Ansonsten können die Gläubiger jedoch frei entscheiden, ob die übertragende Sanierung innerhalb oder außerhalb eines Insolvenzplanverfahrens erfolgen soll.
V. Erfolgsfaktor: Abbau von Personalüberhang Die Betriebsveräußerung in der Insolvenz gelingt häufig nur dann, wenn zur Herstellung der Verkaufsfähigkeit Personalanpassungsmaßnahmen getroffen werden, die auf die Bildung profitabler und leistungsfähiger Personaleinheiten zielen.166 Gerade bei mittelständischen Unternehmen ist oftmals die finanzielle Belastung durch hohe Personalkosten mitursächlich für den Eintritt der Insolvenz.167 Daher streben sowohl der Insolvenzverwalter, der das Unternehmen verkaufsfähig machen möchte, als auch der Erwerber, der das Unternehmen gewinnbringend fortführen möchte, eine umgehende Neuorganisation des Personalapparats an. Diese Neuorganisation ist in aller Regel gleichbedeutend mit einem Personalabbau.168 Deswegen stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen der veräußerungswillige Insolvenzverwalter bzw. der Unternehmenserwerber den Personalbestand reduzieren können. 1. Behinderung durch § 613a BGB Man könnte meinen, dem Unternehmenserwerber stehe ein einfacher Weg zum Personalabbau offen, indem der Erwerber lediglich ausgewählte Arbeitnehmer des Veräußerers übernimmt, während der Rest der Belegschaft auf Grund der Betriebsveräußerung gekündigt wird. Dieser scheinbar 164
Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618 (620); Maus, DStR 2002, 1104 (1104). MüInsO-Eidenmüller, § 217 Rn. 170; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 564. 166 Wellensiek, NZI 2005, 603 (603). 167 Hölzle, DStR 2004, 1433 (1437); Rattunde, ZIP 2003, 2103 (2107). 168 Hölzle, DStR 2004, 1433 (1437). 165
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
praktikablen Lösung steht jedoch § 613a I 1, IV 1 BGB entgegen, weil mit der übertragenden Sanierung in der Regel ein Betriebs- oder Teilbetriebsübergang i. S. d. § 613a BGB169 verbunden ist. a) Regelungsgehalt des § 613a BGB § 613a BGB, der auf einer europarechtlichen Vorgabe170 beruht, regelt die Rechte und Pflichten im Falle eines Betriebsübergangs. Dazu gehören vor allem die Überleitung sämtlicher Arbeitsverhältnisse vom Veräußerer auf den Erwerber gem. § 613a I BGB sowie das Kündigungsverbot des § 613a IV BGB. Außerdem sind in § 613a V, VI BGB die Informationspflicht des Arbeitgebers und das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers normiert. Da § 613a BGB ein zwingendes Schutzgesetz zu Gunsten der Arbeitnehmer enthält,171 sind abweichende Vereinbarungen – sofern sie nicht für den Arbeitnehmer günstiger sind – gem. § 134 BGB nichtig. b) § 613a BGBG als mögliches Sanierungshemmnis Insbesondere der Übergang sämtlicher Arbeitsverhältnisse gem. § 613a I 1 BGB und das Kündigungsverbot gem. § 613a IV 1 BGB können potenzielle Erwerber vom Kauf des insolventen Unternehmens abschrecken.172 Die genannten Regelungen werden daher von einigen Autoren für „kontraproduk169
Unter einem Betrieb ist nach der Rechtsprechung des BAG (BAG NZA 2006, 592 (595); BAG AP Nr. 165, 169, 170, 171, 172 zu § 613a BGB) eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung zu verstehen. Ein Betriebsübergang setzt voraus, dass die betreffende wirtschaftliche Einheit trotz des Übergangs auf einen anderen Inhaber ihre Identität bewahrt (BAG NJW 2003, 3581 (3582); BAG NZA 2006, 592 (594, 595); BAG AP Nr. 165, 169, 170, 171 zu § 613a BGB; ErfKo-Preis, § 613a Rn. 5 ff.; Berkowsky, NZI 2006, 508 (509). Ob eine Identitätswahrung in diesem Sinne vorliegt, ist anhand verschiedener Kriterien (u. a. Übergang der materiellen Betriebsmittel, Übergang der Kundschaft, Kontinuität der Tätigkeit) einzelfallbezogen zu beurteilen, wobei die Abgrenzung häufig Schwierigkeiten bereitet. Jedenfalls ist die Identitätswahrung zu verneinen, wenn ein Bewirtschaftungsbetrieb vollständig in die eigene Organisationsstruktur eines anderen Unternehmens (z. B. des erwerbenden Unternehmens) eingliedert wird (BAGE 117, 361 ff.). 170 Richtlinie 2001/23/EG (Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Ansprüche der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ABlEG, L 82, S. 16) sowie als Vorläufer Richtlinie 77/187/EWG v. 14.2.1977 (Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen). 171 Warmbein, DZWIR 2003, 11 (16). 172 Lembke, BB 2004, 773 (773); Hanau, ZIP 1998, 1817 (1817).
B. Die Sonderrolle der übertragenden Sanierung
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tiv“173 im Hinblick auf die Durchführung einer übertragenden Sanierung und alles in allem für „sanierungsfeindlich“174 gehalten. Dagegen wird eingewandt, § 613a werde von den Gerichten so sanierungsfreundlich ausgelegt, dass der Unternehmenserwerber durch die in § 613a BGB enthaltenen Regelungen kaum belastet würde.175 So sei beispielsweise unter bestimmten (im Folgenden noch näher zu erläuternden) Voraussetzungen eine Personalreduzierung im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang trotz § 613a IV 1 BGB möglich. Welche Gestaltungsmöglichkeiten die Rechtsprechung geschaffen hat, um zu verhindern, dass Sanierungsbemühungen – insbesondere in Form der sog. übertragenden Sanierung – an § 613a BGB scheitern, wird im Folgenden dargelegt. Auf dieser Grundlage kann anschließend beurteilt werden, ob sich die Regelungen des § 613a BGB tatsächlich sanierungshemmend auswirken. c) Anwendbarkeit des § 613a BGB auf den Betriebsübergang in der Insolvenz Es versteht sich von selbst, dass die in § 613a BGB normierten Rechte und Pflichten nur dann die Sanierung eines insolventen Unternehmens behindern können, wenn § 613a BGB auf den Betriebsübergang in der Insolvenz überhaupt anwendbar ist. Insofern ist nach dem Schutzzweck der in § 613a BGB enthaltenen Regelungen zu differenzieren. Zu den von § 613a BGB verfolgten Schutzzwecken gehören in erster Linie die Gewährleistung von Bestandsschutz (§ 613a I, IV BGB)176 und die Klärung von Haftungsfragen (§ 613a II BGB)177. aa) Anwendbarkeit der bestandsschutzrechtlichen Regelungen des § 613a BGB in der Insolvenz Durch § 613a I, IV BGB sollen für den Fall einer Betriebsveräußerung die bestehenden Arbeitsverhältnisse geschützt werden178, indem der Erwerber zur Fortsetzung sämtlicher Arbeitsverhältnisse verpflichtet wird (§ 613a 173 Buth/Hermanns-Schreiber, § 18 Rn. 55; ähnlich Bork, Insolvenzrecht, Rn. 181; Tretow, ZInsO 2000, 309 (310); Annuß, ZInsO 2001, 49 ff. lässt die Frage offen, ob es sich bei § 613a BGB um ein Sanierungshindernis handele. 174 Sinngemäß bei Hanau, ZIP 1998, 1817 (1817, 1818). 175 Gottwald-Heinze/Bertram, § 105 Rn. 62; Warmbein, DZWIR 2003, 11 (17); Berkowsky, NZI 2006, 281 (281). 176 Dazu siehe unten unter B.V.1.c)aa), S. 63 ff. 177 Dazu siehe unten unter B.V.1.c)bb), S. 70 ff. 178 BAG AP BGB § 613a Nr. 18.
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
I BGB) und indem sowohl dem Veräußerer als auch dem Erwerber die Kündigung wegen des Betriebsübergangs untersagt wird (§ 613a IV 1 BGB). Es handelt sich bei den genannten Vorschriften also um bestandsschutzrechtliche Regelungen. (1) Einschränkungslose Anwendbarkeit des § 613a I, IV BGB in der Insolvenz Die bestandsschutzrechtlichen Regelungen des § 613a BGB sind im Insolvenzverfahren einschränkungslos anwendbar.179 Anderenfalls würden die Arbeitnehmer gerade in der Insolvenz, wenn die Arbeitsplätze besonders bedroht sind, schutzlos gestellt.180 Zudem lässt sich die Anwendbarkeit des § 613a IV BGB in der Insolvenz systematisch begründen. Denn § 128 II InsO, nach dem unter bestimmten Voraussetzungen zu vermuten ist, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht wegen des Betriebsübergangs erfolgt sei, setzt die Geltung des § 613a IV BGB voraus.181 Wäre § 613a IV BGB nämlich im Insolvenzverfahren nicht anwendbar, wäre die in § 128 II normierte Vermutung nutzlos – sie liefe ins Leere. Folglich verbietet es die Bestandsschutzgarantie des § 613a IV BGB, Arbeitnehmern wegen des Betriebsübergangs in der Insolvenz im Rahmen einer übertragenden Sanierung zu kündigen.182 Da aber – wie oben183 bereits festgestellt – der Abbau von Personal häufig unabdingbar für die Gesundung des insolventen Unternehmens ist, hat die Rechtsprechung in einer sanierungsfreundlichen Auslegung des § 613a IV BGB bestimmte Gestaltungsmöglichkeiten für zulässig erachtet, mit deren Hilfe eine Personalreduzierung im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang trotz § 613a I, IV BGB erfolgen kann. Bevor diese Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, soll kurz eine Konstellation beschrieben werden, die im Zusammenhang mit einer übertragenden Sanierung eine Rolle spielen kann, die aber nicht vom Anwendungsbereich des § 613a IV BGB erfasst wird: Spricht der Insolvenzverwalter Kündigungen aus, um das Unternehmen verkaufsfähig zu machen, d.h. 179
BAG AP Nr. 18, 34 zu § 613a BGB; BAGE 105, 338 (338); BeckOK-Gussen, § 613a Rn. 116; ErfKo-Preis, § 613a Rn. 146; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 383; Warmbein, DZWIR 2003, 11 (12); Annuß, ZInsO 2001, 49 (49); Staudinger-Annuß, § 613a Rn. 315. 180 BAG AP BGB § 613a Nr. 18. 181 ErfKo-Preis, § 613a Rn. 146; Wimmer-Eisenbeis, § 128 Rn. 1; Wellensiek, NZI 2005, 603 (603); Annuß, ZInsO 2001, 49 (49); Lipinski NZA 2002, 75 (79). 182 So auch schon oben unter B.V.1., S. 61. 183 Siehe oben unter B.V., S. 61.
B. Die Sonderrolle der übertragenden Sanierung
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um lediglich abstrakt die Chancen auf den Verkauf des Unternehmens zu erhöhen, verstoßen diese Kündigungen nicht gegen § 613a IV BGB. Denn § 613a IV BGB setzt voraus, dass die Kündigung wegen eines bestimmten, bereits konkret geplanten Betriebsübergangs erfolgt.184 Im Hinblick auf § 613a I, IV BGB problematisch sind also allein die Fälle, in denen der Betriebsübergang bereits konkret bevorsteht, in denen aber dennoch eine Personalreduzierung durchgeführt werden soll. In diesen Fällen können die folgenden, bereits oben185 erwähnten Gestaltungsmöglichkeiten zum Personalabbau genutzt werden: (2) Möglichkeiten zur Gestaltung des Personalabbaus in Einklang mit § 613a I, IV BGB (a) Kündigung auf der Grundlage eines Erwerberkonzepts Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verstößt eine Kündigung nicht gegen § 613a IV BGB, wenn sie durch den Veräußerer des Unternehmens auf der Grundlage eines so genannten Erwerberkonzepts ausgesprochen wird.186 Unter einem Erwerberkonzept ist ein vom Unternehmenserwerber entwickelter Sanierungsplan zu verstehen, der den Wegfall von Arbeitsplätzen vorsieht. Um eine Kündigung rechtfertigen zu können, muss das Erwerberkonzept greifbare Formen angenommen und eine gewisse Verbindlichkeit erreicht haben.187 Eine hinreichende Verbindlichkeit wird in der Regel anzunehmen sein, wenn der Veräußerer und der Erwerber bereits einen Kaufvertrag oder wenigstens einen Vorvertrag über den Kauf des Unternehmens und die Anzahl der zu übernehmenden Arbeitnehmer geschlossen haben.188 Die Zulässigkeit einer Veräußererkündigung auf der Grundlage eines Erwerberkonzepts beruht auf dem Umstand, dass § 613a IV 1 BGB lediglich 184
Schiefer, NJW 1998, 1817 (1823); Gottwald-Heinze/Bertram, § 105 Rn. 63; BeckOK-Gussen, § 613a Rn. 125, 131. 185 Siehe oben unter B.V.1.b), S. 62. 186 BAG AP Nr. 34, 147 zu § 613a BGB; BAG AP Nr. 31 zu § 620 BGB; BAGE 105, 338 (338); ErfKo-Preis, § 613a Rn. 169; BeckOK-Gussen § 613a Rn. 116; Gottwald-Heinze/Bertram § 105 Rn. 64; Meyer, NZA 2003, 244 (244); Wellensiek, NZI 2005, 603 (605); Annuß/Stamer, NZA 2003, 1247 (1247). 187 BAGE 105, 338 (338); ErfKo-Preis, § 613a Rn. 171; Gottwald-Heinze/Bertram § 105 Rn. 65; BeckOK-Gussen, § 613a Rn. 136; Annuß, ZInsO 2001, 49 (56); Lipinski NZA 2002, 75 (79). 188 ErfKo-Preis, § 613a Rn. 171; BeckOK-Gussen, § 613a Rn. 136; GottwaldHeinze/Bertram § 105 Rn. 65; Wellensiek, NZI 2005, 603 (605); Willemsen, ZIP 1983, 411 (416).
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
eine Kündigung verbietet, die allein durch den Betriebsübergang als tragender Grund motiviert ist.189 Hingegen steht § 613a IV 1 BGB nicht der Kündigung aus sonstigen (sachlichen) Gründen entgegen, wie auch § 613a IV 2 BGB ausdrücklich klarstellt. Ein sachlicher Grund für die Kündigung kann in dringenden betrieblichen Erfordernissen i. S. d. § 1 II KSchG liegen. Dringende betriebliche Erfordernisse sind z. B. im Falle einer aus wirtschaftlichen Gründen fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit gegeben. Deswegen darf der Unternehmenserwerber unstrittig wegen fehlender Beschäftigungsmöglichkeit kündigen, ohne dass die Kündigung wegen eines Verstoßes gegen § 613a IV 1 BGB unwirksam ist. Zweifelhaft könnte lediglich sein, ob bereits der Veräußerer im Vorgriff auf den erst beim Erwerber eintretenden Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit die Kündigung aussprechen darf. Diese Frage wird vom Bundesarbeitsgericht mit am Schutzzweck des § 613a IV 1 BGB orientierten Erwägungen bejaht:190 § 613a IV BGB solle sicherstellen, dass der Arbeitgeber stets – auch bei einem Betriebsübergang – gezwungen sei, eine soziale Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer entsprechend den Vorgaben des § 1 III KSchG zu treffen. Könnte der Arbeitgeber ohne Einschränkung allein wegen des Betriebsübergangs kündigen, würde er insbesondere Alte, Kranke und somit besonders schutzbedürftige Arbeitnehmer entlassen. Eine solche Auswahl, bei der soziale Gesichtspunkte unberücksichtigt bleiben, wolle § 613a IV BGB verhindern. Allerdings entspreche es nicht der Zielsetzung des § 613a IV BGB, den Erwerber bei aus wirtschaftlichen Gründen fehlender Beschäftigungsmöglichkeit zu verpflichten, das Arbeitsverhältnis so lange zu verlängern, bis er selbst kündigen könne. Daher könne bereits der Veräußerer (also z. B. der Insolvenzverwalter) in Abstimmung mit dem Betriebserwerber zur Umsetzung des vom Erwerber entwickelten Sanierungskonzepts Kündigungen aussprechen. Die Kündigung auf der Grundlage eines Erwerberkonzepts zählt demnach zu den Gestaltungsmöglichkeiten, mit deren Hilfe der Personalabbau im Einklang mit der Bestandsgarantie des § 613a IV 1 BGB durchgeführt werden kann.
189
BAG AP Nr. 34, 47, 75, 147 zu § 613a BGB; Annuß, ZInsO 2001, 49
(56). 190
BAGE 105, 338 (338); BAG AP Nr. 34 zu § 613a BGB; ErfKo-Preis, § 613a Rn. 169 f.; Gottwald-Heinze/Bertram § 105 Rn. 64; Hölzle, DStR 2004, 1433 (1437).
B. Die Sonderrolle der übertragenden Sanierung
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(b) Einsatz einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) Eine weitere Möglichkeit zur Durchführung des Personalabbaus im Einklang mit § 613a I, IV BGB stellt der Einsatz einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) dar. (aa) Zweck einer BQG Wie die Bezeichnung „Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft“ (meist in der Rechtsform einer GmbH) bereits verrät, sollen die Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens im Rahmen der Anstellung bei der BQG qualifiziert und fortgebildet werden, und zwar zur Vorbereitung auf die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt.191 Aus der Sicht des Betriebserwerbers bietet der Einsatz einer BQG den Vorteil, dass der Erwerber die Betriebsmittel des insolventen Betriebes übernehmen kann, ohne zugleich gem. § 613a I 1 BGB sämtliche Arbeitnehmer übernehmen zu müssen. Dieses Ergebnis scheint auf den ersten Blick mit § 613a BGB unvereinbar zu sein, weshalb die Funktionsweise einer BQG an dieser Stelle im Detail beschrieben werden soll. (bb) Funktionsweise einer BQG Der Einsatz einer BQG verläuft grob in drei Schritten: (a) Schritt 1 Zunächst werden die derzeit bestehenden Arbeitsverhältnisse zwischen dem insolventen Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern beendet. Dies geschieht häufig einvernehmlich durch Aufhebungsverträge. Dabei ist zu beachten, dass die Aufhebungsverträge wegen Umgehung des § 613a I 1, IV 1 BGB gem. § 134 BGB nichtig sind, wenn sie nur geschlossen werden, um die Kontinuität der Arbeitsverhältnisse zu beseitigen, während gleichzeitig die Arbeitsplätze tatsächlich erhalten bleiben.192 Von einer Beseitigung der Kontinuität bei gleichzeitigem Erhalt der Arbeitsplätze ist auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer zeitgleich mit dem Abschluss des Auf191
Lembke, BB 2004, 773 (774). BAG NJW 2007, 106 (110); BAGE 90, 260 (260 f.); BAG AP Nr. 31 zu § 620 BGB Aufhebungsvertrag; BAG AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung; BeckOK-Gussen, § 613a Rn. 124. 192
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
hebungsvertrags der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit dem Betriebserwerber verbindlich in Aussicht gestellt wird.193 Ist der Aufhebungsvertrag hingegen auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet, liegt keine Umgehung des § 613a I 1, IV 1 BGB vor, auch wenn der sich der Betriebserwerber später entscheidet, den betroffenen Arbeitnehmer doch anzustellen.194 (b) Schritt 2 Nachdem die Arbeitsverhältnisse zwischen dem insolventen Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern aufgelöst worden sind, schließt die BQG Arbeitsverträge mit den betroffenen Arbeitnehmern ab. Diese Arbeitsverträge sind entsprechend dem Zweck der BQG vorwiegend auf die Qualifizierung und Vermittlung der Arbeitnehmer gerichtet und werden in der Regel gem. § 14 II TzBfG auf ein Jahr befristet.195 Selbst wenn die BQG sämtliche Arbeitnehmer des insolventen Arbeitgebers übernimmt, ist in diesem Vorgang kein Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB zu sehen. Denn die BQG übernimmt außer den Arbeitnehmern keine materiellen oder immateriellen Betriebsmittel und ist außerdem in einer anderen Branche (nämlich der Qualifizierung von Arbeitnehmern) tätig als das insolvente Unternehmen. Folglich geht keine ihre Identität wahrende wirtschaftliche Einheit vom ursprünglichen Arbeitgeber auf die BQG über, wie es ein Betriebübergang i. S. d. § 613a BGB voraussetzen würde.196 (g) Schritt 3 Nach der Beendigung der Arbeitsverhältnisse zwischen dem insolventen Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern übernimmt eine Auffanggesellschaft alle Betriebsmittel des insolventen Unternehmens – mit Ausnahme der Arbeitnehmer, die ja von der BQG beschäftigt werden. Das insolvente Unternehmen und die Auffanggesellschaft verfügen dann nicht nur über dieselben Betriebsmittel, sondern sie sind in der Regel auch in derselben Branche tä193 BAG NZA 1988, 198 (199), sog. „Lemgoer Modell“; BAG AP Nr. 185 zu § 613a BGB; BAG BB 2006, 665 (665); ErfKo-Preis, § 613a Rn. 159. 194 BAG ZIP 1999, 1572, LS. 2; BAG AP Nr. 185 zu § 613a; Lembke, BB 2004, 773 (777); Berkowsky, NZI 2006, 281 (281). 195 Lembke, BB 2004, 773 (775); Meyer, NZS 2002, 578 (580 f.); Wellensiek, NZI 2005, 603 (604). 196 Lembke, BB 2004, 773 (776); Bachner/Schindele, NZA 1999, 130 (135); Gaul/Kliemt, NZA 2000, 674 (675); Kaiser, NZA 1992, 193 (195); Ries, NZI 2002, 521 (528).
B. Die Sonderrolle der übertragenden Sanierung
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tig, so dass zwischen dem insolventen Unternehmen und der Auffanggesellschaft ein Betriebs(teil)übergang i. S. d. § 613a BGB vorliegt.197 Im Anschluss an den Betriebsübergang schließt die Auffanggesellschaft mit ausgewählten Arbeitnehmern der BQG Arbeitsverträge ab. Mit dieser „Wunschmannschaft“198 führt die Auffanggesellschaft dann den Betrieb fort. In dem Zeitpunkt, in dem der Betrieb vom insolventen Arbeitgeber auf die Auffanggesellschaft übergeht, verfügt ersterer nicht mehr über Arbeitnehmer, denn diese sind bereits wegen der Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse aus dem Betrieb ausgeschieden. Infolgedessen muss die Auffanggesellschaft beim Betriebsübergang keine Arbeitnehmer gem. § 613a I 1 BGB übernehmen. Der Umweg über die BQG, den man bösartig als Konstruktion zur Umgehung des § 613a I 1, IV 1 BGB bezeichnen könnte, ermöglicht also faktisch die Übernahme des Betriebs – z. B. im Rahmen einer übertragenden Sanierung –, ohne dass den Betriebserwerber die sonst zwangsläufig mit dem Betriebsübergang einhergehende Pflicht zur Fortführung sämtlicher Arbeitsverhältnisse trifft. (cc) Finanzierung einer BQG Das insolvente Unternehmen finanziert die BQG. Diese trägt die Personalkosten jedoch nicht in voller Höhe selbst. Vielmehr werden die Arbeitnehmer der BQG von der Agentur für Arbeit auf der Grundlage von § 216b SGB III n. F. entlohnt (sog. Transferkurzarbeitergeld). Das Transferkurzarbeitergeld wird vom insolventen Unternehmen auf ca. 80% des vorherigen Nettogehalts des Arbeitnehmers aufgestockt,199 so dass die Anstellung bei der BQG für den Arbeitnehmer jedenfalls lukrativer ist als der Bezug von Arbeitslosengeld. Aus der Sicht des insolventen Unternehmens ist die beschriebene Aufstockung günstiger als die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer, weil die Insolvenzmasse nicht mit den Personalkosten in voller Höhe belastet wird.200 Die Vergütungspflichten des insolventen Unternehmens sowie die Qualifizierungs- und Vermittlungspflichten der BQG werden zwischen dem Unternehmen und der BQG in einem Dienstleistungsund Kooperationsvertrag geregelt.201 Der Einsatz einer BQG lässt sich 197 Lembke, BB 2004, 773 (776); Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 20 Rn. 208. 198 Diesen Begriff verwendet Lembke, BB 2004, 773 (773). 199 Lembke, BB 2004, 773 (775); Gaul/Kliemt, NZA 2000, 674 (677); Wellensiek, NZI 2005, 603 (605). 200 Zu den weiteren Vorteilen des Einsatzes einer BQG Wellensiek, NZI 2005, 603 (605). 201 Lembke, BB 2004, 773 (776); Ries, NZI 2002, 521 (527).
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
daher zusammenfassend als dreiseitiges Vertragsverhältnis beschreiben: Es existiert ein Aufhebungsvertrag zwischen dem alten Arbeitgeber und seinem Arbeitnehmer, ein neuer Arbeitsvertrag zwischen dem Arbeitnehmer und der BQG und ein Dienstleistungs- und Kooperationsvertrag zwischen dem alten Arbeitgeber und der BQG.202 Durch die Zwischenschaltung einer BQG muss der Betriebserwerber faktisch trotz § 613a I 1 BGB keine Arbeitnehmer des Veräußerers übernehmen, so dass die von § 613a I 1 BGB ausgehenden, als belastend und als hinderlich für die übertragende Sanierung empfundenen Wirkungen nicht zum Tragen kommen. bb) Anwendbarkeit der haftungsrechtlichen Regelungen des § 613a BGB in der Insolvenz § 613a II BGB regelt die Haftung des Erwerbers für Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis. Nach dem Wortlaut des § 613a II 1 BGB haftet der Erwerber gesamtschuldnerisch neben dem Veräußerer für solche Verpflichtungen, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind und vor dem Ablauf eines Jahres nach dem Übergang fällig werden. Diese haftungsrechtliche Bestimmung ist jedoch auf den Betriebsübergang in der Insolvenz (z. B. im Rahmen einer übertragenden Sanierung) nicht uneingeschränkt anwendbar. Vielmehr ist § 613a II 1 BGB dahin gehend teleologisch zu reduzieren, dass der Betriebserwerber nicht für solche Verbindlichkeiten haftet, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits entstanden sind.203 Der Grund für diese einschränkende Auslegung des § 613a II 1 BGB liegt im Prinzip der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung („par condicio creditorum“), das das Insolvenzverfahren prägt.204 Würde nämlich der Betriebserwerber neben dem Veräußerer für die vor Verfahrenseröffnung entstandenen Ansprüche haften, erhielten die Arbeitnehmer einen zusätzlichen, liquiden Schuldner und würden so gegenüber den übrigen Gläubigern privilegiert, deren Ansprüche sich allein gegen den insolventen Betriebsveräußerer richten. Eine solche Bevorzugung einer bestimmten Gläubigergruppe – nämlich der Arbeitnehmer – wäre mit dem erwähnten Grundsatz der gleich202
BeckOK-Gussen, § 613a Rn. 124; ErfKo-Preis, § 613a Rn. 159; Lembke, BB 2004, 773 (775); Wellensiek, NZI 2005, 603 (604). 203 BAG AP Nr. 18, 38, 148 zu § 613a BGB; BAG AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung; BAGE 81, 132 (135); BAG NJW 1993, 2259 (2260); BAG NZI 2003, 222 (222); ErfKo-Preis, § 613a Rn. 146; Warmbein, DZWIR 2003, 11 (12); Annuß, ZInsO 2001, 49 (49); Staudinger-Annuß, § 613a Rn. 316, 317; MüKoMüller-Glöge, § 613a Rn. 177; Menke, BB 2003, 1133 (1140). 204 BAG AP Nr. 18 zu § 613a BGB; Wellensiek, NZI 2005, 603 (603).
B. Die Sonderrolle der übertragenden Sanierung
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mäßigen Gläubigerbefriedigung unvereinbar. Die haftungsrechtlichen Regelungen des § 613a BGB sind daher nur mit der beschriebenen Einschränkung in der Insolvenz anwendbar. Die dargelegte richterrechtliche Haftungsbeschränkung erhöht die Chancen auf das Gelingen einer übertragenden Sanierung. Würde der Betriebserwerber nämlich in vollem Umfang nach dem Wortlaut des § 613a II 1 BGB für Verbindlichkeiten wie z. B. langjährig angesammelte Versorgungsanwartschaften der Arbeitnehmer haften, würden Kaufinteressenten eher vom Erwerb des Unternehmens abgeschreckt. d) Fazit Der für den Sanierungserfolg wesentliche Personalabbau im Rahmen einer übertragenden Sanierung wird durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Kündigung auf der Grundlage eines Erwerberkonzepts205 und zum Einsatz einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft206 erheblich erleichtert.207 Besonders hervorzuheben ist, dass das Bundesarbeitsgericht an seiner Rechtsprechung zum Einsatz einer BQG festgehalten hat, obwohl es die nahe liegende Gefahr des Missbrauchs dieses Instruments erkannt hat.208 So räumt das Bundesarbeitsgericht ein, der Betriebserwerber könne zum Schein einen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitnehmer schließen, obwohl er sich bereits für die Anstellung des Arbeitnehmers durch die Auffanggesellschaft entschlossen habe.209 Es sei im Nachhinein kaum zu überprüfen, ob der Aufhebungsvertrag ursprünglich auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet war und die Entscheidung über die Anstellung bei der Auffanggesellschaft erst zeitlich nachfolgend fiel (dann wäre der Aufhebungsvertrag wirksam) oder ob bereits beim Abschluss des Aufhebungsvertrags die spätere Beschäftigung bei der Auffanggesellschaft feststand (dann wäre der Aufhebungsvertrag wegen Umgehung des § 613a IV 1 BGB unwirksam). Auf die Missbrauchsgefahr, die aus dieser Unsicherheit resultiert, haben verschiedene kritische Stimmen in der Literatur nachdrücklich aufmerksam gemacht.210 Das Bundesarbeitsgericht hat dennoch davon abgesehen, engere Voraussetzungen für 205
Dazu siehe oben unter B.V.1.c)aa)(2)(a), S. 65. Dazu siehe oben unter B.V.1.c)aa)(2)(b), S. 67. 207 Rattunde, ZIP 2003, 2103 (2107). 208 BAG NJW 2006, 938 (941 Rn. 36). 209 BAG NJW 2006, 938 (941 Rn. 36). 210 ErfKo-Preis, § 613a Rn. 159; Ascheid/Preis/Schmidt-Steffan, § 613a Rn. 198; Kittner/Däubler/Zwanziger, KSchR, § 613a Rn. 174; ebenso LAG Bremen ZIP 2004, 2452 (2452 f.). 206
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
die Wirksamkeit von Aufhebungsverträgen zu entwickeln. Vielmehr hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich die Missbrauchsgefahr billigend in Kauf genommen um zu verhindern, dass Sanierungsmöglichkeiten für notleidende Betriebe mit wenigstens teilweisem Arbeitsplatzerhalt praktisch unmöglich werden.211 Das Bundesarbeitsgericht legt § 613a IV BGB folglich bewusst sanierungsfreundlich aus.212 § 613a II BGB wird zwar nicht deswegen teleologisch reduziert, weil anderenfalls potenzielle Betriebserwerber durch das hohe Haftungsrisiko abgeschreckt werden könnten. Das ändert aber nichts daran, dass die vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Haftungsbeschränkung im Ergebnis die Furcht des Betriebserwerbers vor einem unkalkulierbaren Haftungsrisiko verringert und auf diese Weise zum Erfolg der Betriebsveräußerung beiträgt. § 613a II BGB wird insofern nicht bewusst sanierungsfreundlich ausgelegt, sondern die sanierungsfördernde Wirkung der Haftungsbeschränkung ist ein positiver Nebeneffekt der aus anderen Gründen gebotenen teleologischen Reduktion des § 613a II BGB. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 613a BGB mehrere Möglichkeiten aufgezeigt hat, ein Unternehmen innerhalb kurzer Zeit durch den Abbau wesentlicher Teile des Personals zu sanieren. Angesichts dieser Möglichkeiten zur Gestaltung der Personalreduzierung und angesichts der eingeschränkten Haftung des Betriebserwerbers gem. § 613a II BGB erscheint es unwahrscheinlich, dass sich die Regelungen des § 613a BGB in der Praxis tatsächlich sanierungshemmend auswirken.213 2. Erleichterung des Personalabbaus durch insolvenzarbeitsrechtliche Sonderregelungen Der Personalabbau in der Insolvenz wird jedoch nicht nur durch eine sanierungsfreundliche Auslegung des § 613a BGB in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erleichtert. Auch einige insolvenzarbeitsrechtliche Sonderregelungen bewirken, dass der Insolvenzverwalter unter vereinfachten Bedingungen den Personalbestand reduzieren kann. 211
BAG NJW 2006, 938 (941 Rn. 36). In diesem Sinne auch Berkowsky, NZI 2006, 281 (281), der das „ausgeprägte Bewusstsein des BAG für die rechtstatsächlichen Folgen seiner Rechtsprechung“ lobt. 213 Im Ergebnis ebenso: Gottwald-Heinze/Bertram, § 105 Rn. 62; Hanau, ZIP 1998, 1817 (1822); Hölzle, DStR 2004, 1433 (1438); Warmbein, DZWIR 2003, 11 (17); differenzierend Wellensiek, NZI 2005, 603 (606): § 613a BGB sollte abgeschafft werden, Rechtsprechung versucht aber immerhin, Gestaltungsspielräume für Personalanpassungsmaßnahmen zu eröffnen. 212
B. Die Sonderrolle der übertragenden Sanierung
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a) § 113 S. 2 InsO Nach § 113 S. 2 InsO kann der Insolvenzverwalter sogar unkündbare Arbeitsverhältnisse mit einer Frist von längstens drei Monaten kündigen. Tarif- oder individualvertraglich vereinbarte Kündigungsfristen von mehr als drei Monaten werden auf drei Monate gekürzt. b) § 125 I 1 Nr. 1 i. V. m. § 128 II InsO Ist eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG geplant und kommt zwischen dem Betriebsrat und dem Insolvenzverwalter ein Interessenausgleich zustande, in dem die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich bezeichnet werden, wird gem. § 125 I 1 Nr. 1 InsO vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Die Vermutung erstreckt sich nach § 128 II InsO auch darauf, dass die Kündigung nicht wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen wurde.214 Infolge der Vermutung des § 128 II InsO, die widerlegbar i. S. d. § 292 S. 1 ZPO ist,215 ändern sich die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich darzulegen und zu beweisen, dass er „wegen des Betriebsübergangs“ i. S. d. § 613a IV BGB gekündigt wurde, d.h. dass der Betriebsübergang der entscheidende Beweggrund für die Kündigung war.216 Ist zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber jedoch kein Interessenausgleich i. S. d. § 125 I 1 Nr. 1 InsO vereinbart worden, kommen dem Arbeitnehmer bestimmte Beweiserleichterungen zu Gute. So wird es von den Gerichten als ausreichend erachtet, dass der Arbeitnehmer vorträgt, es bestehe ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Kündigung und dem Betriebsübergang, so dass davon auszugehen sei, der Betriebsübergang stelle den tragenden Grund für die Kündigung dar.217 Diese Beweiserleichterungen greifen allerdings im Fall des § 125 I 1 Nr. 1 i. V. m. § 128 II InsO nicht ein. Infolgedessen muss der Arbeitnehmer vollen Beweis erbringen, dass die Kündigung wegen des Betriebsübergangs erfolgt ist.218 Diese Verschärfung der Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast vermindert aus der Sicht des Arbeitnehmers die Erfolgsaussichten und somit die Attraktivität einer auf § 613a IV BGB gestützten Kündigungsschutzklage. Daher sinkt aus der Sicht des Insolvenzverwalters das Prozessrisiko, das die Kündigung von Arbeitnehmern stets mit sich bringt. 214 215 216 217 218
Hölzle, DStR 2004, 1433 (1437). Wimmer-Eisenbeis, § 128 Rn. 5; Hanau, ZIP 1998, 1817 (1819). BAG AP Nr. 34 zu § 613a BGB; Hanau, ZIP 1998, 1817 (1819). Wimmer-Eisenbeis, § 128 Rn. 8. Wimmer-Eisenbeis, § 128 Rn. 8a.
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
Insofern bewirkt § 125 I 1 Nr. 1 i. V. m. § 128 II InsO eine insolvenzspezifische Erleichterung des Personalabbaus. Aus den bisherigen Ausführungen folgt, dass sowohl der Gesetzgeber als auch die Gerichte erkannt haben, welche Bedeutung der Abbau von Personalüberhang für das Gelingen einer Unternehmenssanierung hat. Der genannte Erfolgsfaktor wird – wie die vielfältigen insolvenzspezifischen Erleichterungen der Personalreduzierung belegen – hinreichend in der Rechtsprechung und im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt.
VI. Erfolgsfaktor: Ausschluss des Anfechtungsrisikos Ein potenzieller Erwerber wird vom Kauf des Unternehmens absehen, wenn er befürchten muss, dass der Unternehmenskauf zu einem späteren Zeitpunkt infolge einer erfolgreichen Anfechtung rückgängig gemacht wird. Im Falle einer Anfechtung läuft der Erwerber nämlich Gefahr, seine Ansprüche gegen den Veräußerer gem. § 144 II 2 InsO nur als Insolvenzgläubiger geltend machen zu können, wenn die Insolvenzmasse im Zeitpunkt der Rückabwicklung nicht mehr um den Wert des gezahlten Kaufpreises bereichert ist (§ 144 I 1 InsO). Folglich stellt der Ausschluss des Anfechtungsrisikos neben dem Abbau von Personalüberhang einen weiteren Faktor dar, der zum Erfolg der übertragenden Sanierung beiträgt. Im Hinblick auf die Anfechtbarkeit des Unternehmenskaufs ist danach zu differenzieren, wann das Unternehmen veräußert wird und von wem: 1. Veräußerung des Unternehmens vor Verfahrenseröffnung Ob der vorläufige Insolvenzverwalter bereits das Schuldnervermögen verwerten darf, indem er das Unternehmen veräußert, ist umstritten. Als Argument gegen die Zulässigkeit der Unternehmensveräußerung vor Verfahrenseröffnung wird die Bestandserhaltungsfunktion der § 21 ff. InsO angeführt:219 Der vorläufige Insolvenzverwalter sei insbesondere wegen § 21 I InsO lediglich berechtigt, den status quo zu erhalten. Weiter gehende Maßnahmen dürfe der vorläufige Insolvenzverwalter jedoch nicht treffen, weil über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht entschieden sei. Es dürften im Gegenteil nur solche Maßnahmen getroffen werden, die im Verhältnis zum Schuldner auch dann verantwortbar erscheinen, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgenommen oder abgewiesen werde.220 219 MüInsO-Haarmeyer, § 21 Rn. 13; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur InsO, Rn. 236; Menke, BB 2003, 1133 (1136).
B. Die Sonderrolle der übertragenden Sanierung
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Dagegen wird vorgebracht, die § 21 ff. InsO stünden nicht der Vornahme wirtschaftlich sinnvoller Maßnahmen entgegen, nur weil die Insolvenz des Schuldners noch nicht durch das Insolvenzgericht abschließend festgestellt sei.221 Kein Beteiligter des Insolvenzverfahrens habe ein Interesse daran, mit der Unternehmensveräußerung bis zur Verfahrenseröffnung zu warten, wenn das Unternehmen zwischenzeitlich erheblich an Wert verliere.222 Entscheidend gegen die Zulässigkeit der Unternehmensveräußerung vor Verfahrenseröffnung spricht die Tatsache, dass der Gesetzgeber bei der Befassung mit diesem Problem im Rahmen der Vorarbeiten für das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens bewusst davon abgesehen hat, dem vorläufigen Verwalter die Veräußerungsbefugnis einzuräumen.223 Jedoch kann die Streitfrage, ob die Unternehmensveräußerung bereits vor Verfahrenseröffnung zulässig ist, an dieser Stelle letztlich offen bleiben. Die Frage nach der Anfechtbarkeit des Unternehmenskaufs stellt sich nämlich nur dann, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter – berechtigterweise oder unberechtigterweise – das Unternehmen jedenfalls vor Verfahrenseröffnung veräußert hat und auf diese Weise im Außenverhältnis wirksam224 einen Verpflichtungstatbestand geschaffen hat. a) Veräußerung durch den vorläufigen „starken“ Insolvenzverwalter Vom vorläufigen starken Insolvenzverwalter abgeschlossene Rechtsgeschäfte können nicht angefochten werden.225 Denn die Aufgaben und Befugnisse des vorläufigen starken Insolvenzverwalters sind denen des Insolvenzverwalters so stark angenähert, dass auch eine anfechtungsrechtliche Gleichstellung der beiden Verwaltertypen geboten scheint.226 Die Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters sind nicht anfechtbar,227 so dass das220 Marotzke, Das Unternehmen in der Insolvenz, Rn. 46; Menke, BB 2003, 1133 (1136). 221 Menke, BB 2003, 1133 (1136); Pohlmann, Insolvenzverwalter, Rn. 396. 222 Menke, BB 2003, 1133 (1140). 223 Begr. RegE, BR-Dr 549/06, S. 14 Nr. 3; Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618 (621). 224 Zur Wirksamkeit von Rechtshandlungen im Außenverhältnis trotz fehlender Berechtigung des Insolvenzverwalters: Menke, BB 2003, 1133 (1137, 1138); Pohlmann, Insolvenzverwalter, Rn. 87, 100 f.; Marotzke, Das Unternehmen in der Insolvenz, Rn. 47; MüInsO-Haarmeyer, § 22 Rn. 26, 27. 225 Menke, BB 2003, 1133 (1136); Nerlich/Römermann-Nerlich, InsO, § 129 Rn. 47; Gottwald-Huber, § 46 Rn. 32; BGH NJW 2005, 1118 (1119); OLG Celle NZI 2003, 95 (96). 226 Ebd. (Fn. 225). 227 Siehe dazu unter B.VI.2., S. 76.
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
selbe für den vorläufigen starken Insolvenzverwalter gelten muss. Folglich ist die vom vorläufigen starken Insolvenzverwalter durchgeführte Unternehmensveräußerung vor Verfahrenseröffnung nicht anfechtbar. b) Veräußerung mit Zustimmung des vorläufigen „schwachen“ Insolvenzverwalters Veräußert der Schuldner sein Unternehmen mit Zustimmung des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters, ist diese Veräußerung hingegen anfechtbar.228 In Betracht kommt insbesondere eine Anfechtung gem. § 132 I Nr. 2 InsO wegen eines nach dem Eröffnungsantrag vorgenommenen Rechtsgeschäfts des Schuldners, das die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt. Von der Anfechtung ausgenommen sind lediglich Fälle, in denen der vorläufige Insolvenzverwalter, der in der Praxis regelmäßig mit dem späteren Insolvenzverwalter identisch ist, durch sein Handeln einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand beim Empfänger begründet hat und dieser infolgedessen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) damit rechnen durfte, ein nicht mehr entziehbares Recht erhalten zu haben.229 Menke bemerkt allerdings zu Recht, dass ein anwaltlich beratener Unternehmenserwerber sich kaum auf einen solchen Vertrauenstatbestand verlassen können wird.230 2. Veräußerung des Unternehmens nach Verfahrenseröffnung Wird das Unternehmen nach Verfahrenseröffnung vom Insolvenzverwalter veräußert, muss der Erwerber keine Anfechtbarkeit dieses Rechtsgeschäfts fürchten. Die §§ 129 ff. InsO, die die Anfechtung im Insolvenzverfahren regeln, beziehen sich nämlich nur auf solche Rechtshandlungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind. Diese Beschränkung ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut des § 129 I InsO, wo von „Rechtshandlungen (. . .) vor Eröffnung (. . .)“ die Rede ist. Die Anfechtung der Unternehmensveräußerung ist also in den meisten Fällen ausgeschlossen. Ein Anfechtungsrisiko besteht lediglich dann, wenn der Schuldner sein Unternehmen mit Zustimmung des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters verkauft.231 In diesem Fall dürfte es jedoch so228 229 230 231
Menke, BB 2003, 1133 (1135). BGH NJW 2005, 1118 (1119); BGHZ 154, 190 (199); 118, 374 (381 f.). Menke, BB 2003, 1133 (1135). Siehe oben unter B.VI.1.b), S. 76.
C. Das Verfahren der Eigenverwaltung gem. §§ 270 ff. InsO
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wieso äußerst schwierig sein, einen Käufer für das betroffene Unternehmen zu finden. Da § 55 II 1 InsO nach ganz herrschender Meinung nämlich nur auf den starken vorläufigen Insolvenzverwalter anwendbar ist,232 sind bei einer Unternehmensveräußerung durch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter sämtliche Ansprüche des Erwerbers aus dem Unternehmenskaufvertrag lediglich ungesicherte Insolvenzforderungen und keine bevorrechtigt zu befriedigenden Masseforderungen. Auf ein derartiges Risikogeschäft wird sich ein Käufer kaum einlassen. Insofern besteht ein Anfechtungsrisiko nur in einer Situation, in der es faktisch mit großer Wahrscheinlichkeit sowieso nicht zur Unternehmensveräußerung kommt. In den praktisch bedeutsamen Fällen muss der Erwerber hingegen keine Anfechtung des Unternehmenskaufs befürchten, so dass das Anfechtungsrisiko die übertragende Sanierung nicht behindert.
C. Das Verfahren der Eigenverwaltung gem. §§ 270 ff. InsO Die Erhaltung und Fortführung des insolventen Unternehmens kann außer durch ein Insolvenzplanverfahren gem. §§ 217 ff. InsO oder durch eine übertragende Sanierung auch durch das Verfahren der Eigenverwaltung gem. §§ 270 ff. InsO erreicht werden. Allerdings wird dieses Sanierungsinstrument nur selten eingesetzt.233 Diese Zurückhaltung erstaunt umso mehr, als im Eröffnungsverfahren regelmäßig ein „schwacher“ Insolvenzverwalter i. S. d. § 22 II InsO eingesetzt wird, so dass der Schuldner während des Eröffnungsverfahrens wie ein eigenverwaltender Schuldner verfahren kann. Bewährt sich der Schuldner während dieser bis zu drei Monate dauernden Phase, wäre es an sich konsequent, das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung abzuwickeln. Wie bereits erwähnt, sieht die Realität aber anders aus: Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn geht davon aus, dass bezogen auf Insolvenzanträge für Unternehmen lediglich in unter 0,5% der Fälle die Eigenverwaltung angeordnet wird.234 232 BGH NJW 2002, 3326 (3326); Prütting/Stickelbrock, ZIP 2002, 1608 (1609 f.); Treffer, DB 2002, 2091 (2093); Smid, DZWIR 2002, 444 (446); MüInsOHefermehl, § 55 Rn. 214; Menke, BB 2003, 1133 (1134). 233 Wehdeking, Masseverwaltung durch den insolventen Schuldner, S. 19, 90; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 0.23; Smid, DZWIR 2002, 493 (493); Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 1; Buchalik, NZI 2000, 294 (294); Hofmann, ZIP 2007, 260 (260, 261); Huntemann/Dietrich, ZInsO 2001, 13 (14); Köchling, ZInsO 2003, 53 (53); Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029 (1032); Paulus, ZGR 2005, 309 (316). 234 Peter Kranzusch, Institut für Mittelstandsforschung Bonn, Folie V_j-10 der Präsentation „Insolvenzplan und Eigenverwaltung: Reformbedarf aus Unternehmer-
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
Die Gründe für die zögerliche Anordnung der Eigenverwaltung sind unklar. Es wird vermutet, Bedenken der Justizbeteiligten seien der Grund für das Scheitern der Eigenverwaltung: Der Insolvenzrichter riskiere im Falle der Eigenverwaltung Haftung, der Verwalter riskiere sein Honorar.235 Zwar trifft es zu, dass der Sachwalter gem. § 12 I InsVV nur 60% der für den Insolvenzverwalter bestimmten Vergütung erhält, so dass die Eigenverwaltung aus der Sicht des Verwalters weniger lukrativ ist als andere Formen der Insolvenzbewältigung. Doch liegt in der verhältnismäßig geringen Vergütung des Sachwalters aus Gläubigersicht zugleich ein Vorteil des Eigenverwaltungsverfahrens, denn Verfahrenskosten, die durch die Vergütung des Insolvenzverwalters entstehen würden, werden gespart.236 Ob die Eigenverwaltung durchgeführt wird, entscheidet nicht die als Insolvenzverwalter bzw. als Sachwalter in Betracht kommende Person, die einem Interessenkonflikt unterliegen könnte, sondern der neutrale Richter sowie allenfalls die Gläubigerversammlung, die sich gem. § 272 I Nr. 1 InsO gegen die Anordnung der Eigenverwaltung aussprechen kann. Allein die etwaige Skepsis des Verwalters gegenüber der Eigenverwaltung vermag daher ihren seltenen Einsatz nicht hinreichend zu erklären. Als weiterer Grund für die verhältnismäßig seltene Anordnung der Eigenverwaltung wird die Missbrauchsgefahr angeführt.237 Der Insolvenzrichter wolle nicht „Beihilfe zum institutionalisierten Missbrauch“238 leisten. Inwiefern tatsächlich die Gefahr besteht, dass Gläubiger und Schuldner die Eigenverwaltung missbrauchen, um die Einsetzung eines unabhängigen Insolvenzverwalters gem. § 56 InsO zu umgehen, wird noch zu zeigen sein.239 An dieser Stelle soll das Verfahren der Eigenverwaltung zunächst knapp beschrieben werden:
sicht“ anlässlich des Expertenforums Qualitätssicherung im Insolvenzverfahren, 08.05.2008, Justizakademie Recklinghausen (nicht veröffentlicht). 235 Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 0.24. 236 Hofmann, ZIP 2007, 260 (261); Wehdeking, DZWIR 2006, 451 (451); den Kostenvorteil der Eigenverwaltung sah auch schon der Gesetzgeber: Begründung RegE zu §§ 331 ff. (= §§ 270 ff. InsO) in Kübler/Prütting, S. 518. 237 Uhlenbruck, FS Metzeler, S. 85 (86); Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 2; Görg/Stockhausen, FS Metzeler, S. 105 (112); Wimmer-Foltis, Vor §§ 270 ff. Rn. 7, 21–41; Wehdeking, Masseverwaltung durch den insolventen Schuldner, S. 86; Förster, ZInsO 2003, 402 (403). 238 Wimmer-Foltis, Vor §§ 270 ff. Rn. 7. 239 Dazu siehe unten unter C.III.3., S. 81 ff.
C. Das Verfahren der Eigenverwaltung gem. §§ 270 ff. InsO
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I. Charakteristika Die Eigenverwaltung zeichnet sich dadurch aus, dass der Schuldner im Gegensatz zu den allgemeinen insolvenzrechtlichen Regeln240 gem. § 270 I 1 InsO verfügungsbefugt bleibt,241 was dem Verfahren der Eigenverwaltung die Kritik eingebracht hat, der „Bock“, der die Insolvenz im Vorfeld nicht habe verhindern können, werde bei der Eigenverwaltung „zum Gärtner“ gemacht.242 Dem Schuldner wird lediglich gem. § 270 III 1 InsO ein Sachwalter zur Seite gestellt, der gem. § 274 II InsO die wirtschaftliche Lage des Schuldners prüft und dessen Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung überwacht.
II. Erfolgsfaktor: Senkung der Hemmschwelle des Schuldners Die beschriebene starke Stellung des Schuldners, der trotz Insolvenz weitgehend selbstbestimmt die Geschicke seines Unternehmens lenken kann, macht aus der Sicht des Schuldners den Reiz der Eigenverwaltung aus. Die Eigenverwaltung ermöglicht es dem Schuldner, „Herr des Verfahrens“ zu sein und nimmt ihm auf diese Weise die Bedenken gegenüber einem als unberechenbar und unbeherrschbar empfundenen Insolvenzverfahren.243 Zudem muss der Schuldner in einem Verfahren wie der Eigenverwaltung, das ihm die Geschäftsführungskompetenz belässt, einen geringeren Ansehensverlust z. B. bei Geschäftspartnern befürchten als in einem Verfahren, in dem der Schuldner „entmachtet“ wird.244 Durch die Möglichkeit der Eigenverwaltung wird insofern die Hemmschwelle des Schuldners herabgesetzt, einen Insolvenzantrag zu stellen. Insbesondere wird der Schuldner durch die Möglichkeit der Eigenverwaltung sogar motiviert, besonders frühzeitig (i. e. bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit) einen Insolvenzantrag zu stellen.245 240
Insbesondere §§ 80, 81 InsO. Bork, Insolvenzrecht, Rn. 405. 242 Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 0.25; Gravenbrucher Kreis, ZIP 1989, 468 (471); ders., ZIP 1992, 657 (658); ders., ZIP 1994, 585 (586); Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029 (1032); Ehricke, ZIP 2002, 782 (782); Hofmann, ZIP 2007, 260 (261); Kluth, ZInsO 2002, 1001 (1001); Leipold-Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 165 ff.; Koch, Die Eigenverwaltung nach der Insolvenzordnung, S. 275 f.; Hingerl, ZInsO 2008, 404 (410). 243 Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 2.36. 244 Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 0.25; Hofmann, ZIP 2007, 260 (261); ders., Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 30; Huntemann/Dietrich, ZInsO 2001, 13 (17); Grub, WM 1994, 880 (881). 245 Bork, Insolvenzrecht, Rn. 12; Hofmann, ZIP 2007, 260 (261); Begründung RegE zu §§ 331 ff. (= §§ 270 ff. InsO), Kübler/Prütting, S. 518. 241
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
Denn die Gelegenheit, ohne Zustimmung der Gläubiger die Eigenverwaltung zu beantragen, bietet sich dem Schuldner nur im Falle eines Eigenantrags (Umkehrschluss aus § 270 II Nr. 2 InsO). Je früher der Schuldner einen Eigenantrag stellt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er der Stellung des Insolvenzantrags durch die Gläubiger zuvorkommen kann und so die Möglichkeit zur Beantragung der Eigenverwaltung erhält. Der Vorteil der Eigenverwaltung liegt also u. a. in einer psychologischen Komponente: Die Möglichkeit der Eigenverwaltung nimmt dem Schuldner die Hemmung, (rechtzeitig) einen Insolvenzantrag zu stellen. Das gilt allerdings nur eingeschränkt, weil der Schuldner sich nicht darauf verlassen kann, dass seinem mit dem Insolvenzantrag gestellten Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung stattgegeben wird. Im Gegenteil steht dem Schuldner im Falle einer ablehnenden Entscheidung des Gerichts gem. § 6 I InsO sogar kein Rechtsmittel zu.246 Dem Schuldner bleibt daher allenfalls die Möglichkeit, seinen auf die drohende Zahlungsunfähigkeit gestützten Insolvenzantrag zurückzunehmen, sobald er von der bevorstehenden Ablehnung der Eigenverwaltung erfahren hat (beispielsweise durch einen negativen Vorbescheid) und solange das Gericht das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet hat.247
III. Erfolgsfaktor: Nutzung der besonderen Sachkunde des Schuldners 1. Gesetzeszweck Der Gesetzgeber sieht eine große Chance des Eigenverwaltungsverfahrens darin, dass die Expertise und die Erfahrungen des Schuldners zur erfolgreichen Durchführung des Insolvenzverfahrens genutzt werden können, um den mit der Einarbeitung eines Insolvenzverwalters verbundenen Zeitund Kostenaufwand zu vermeiden.248 Wird ein Insolvenzverwalter eingesetzt, ist zudem zu befürchten, dass die bisherigen Unternehmensorgane eine Bevormundung durch den Verwalter empfinden und daher eine fruchtbare Kooperation, die u. a. die Vermittlung von Know-how, persönlichen Beziehungen und Branchenkenntnis umfasst, 246
BGH NJW-RR 2007, 559 ff. sowie BGH NJW-RR 2007, 561 ff.; LG Mönchengladbach NZI 2003, 152 f.; eine von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende Auslegung der einschlägigen Normen ist jedoch möglich und nötig, siehe dazu im Einzelnen im 5. Kapitel unter C.I.1.a)aa)(1)(c), S. 272 ff. 247 Maus, DStR 2002, 1104 (1108); Wimmer-Foltis, § 270 Rn. 16; Uhlenbruck, ZInsO 2003, 821 (821). 248 Begründung RegE zu §§ 331 ff. RegE (= §§ 270 ff. InsO) in Balz/Landfermann, Insolvenzgesetze, S. 526.
C. Das Verfahren der Eigenverwaltung gem. §§ 270 ff. InsO
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über das von § 97 II, 101 InsO geforderte Mindestmaß hinaus verweigern.249 Reibungsverluste können entstehen. Erfährt der Insolvenzverwalter keine ausreichende Unterstützung durch die bisherige Unternehmensleitung, muss er insbesondere bei der Fortführung spezialisierter Unternehmen entsprechende Kenntnisse von sachkundigen Dritten „einkaufen“.250 Dieser Kostenfaktor wird vermieden, wenn das Unternehmen in Eigenverwaltung fortgeführt wird. Zusammenfassend liegt der entscheidende Vorteil der Eigenverwaltung also in einer Zeit- und Kostenersparnis infolge der Kontinuität der Unternehmensleitung.251 2. Rechtspraxis In der Praxis findet hingegen oftmals im Laufe des Eigenverwaltungsverfahrens ein Austausch der Organträger des schuldnerischen Unternehmens statt. Dieser Austausch vollzieht sich z. B. in Form einer Neubesetzung des Vorstandes mit Sanierungsexperten. Beispielsweise wurden in den Verfahren KirchMedia252 und Babcock Borsig253, die zu den bekanntesten in Eigenverwaltung bewältigten Insolvenzfällen zählen, in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Insolvenzantragsstellung Sanierungsfachleute in die Unternehmensleitung berufen.254 Die Kontinuität der Unternehmensleitung, die durch die Anordnung der Eigenverwaltung sichergestellt werden soll, ist bei dieser Vorgehensweise gerade nicht gegeben. Es fragt sich daher, ob der häufig praktizierte Austausch des bisherigen Managements gegen Sanierungsexperten mit den gesetzgeberischen Zielen der Eigenverwaltung vereinbar ist. 3. Vereinbarkeit der derzeitigen Rechtspraxis mit dem Gesetzeszweck Das Duisburger Insolvenzgericht hat im Babcock Borsig-Beschluss die personelle Kontinuität in der Vermögensverwaltung der Schuldnerin vor 249
Hofmann, ZIP 2007, 260 (261, insb. Fn. 6). Hofmann, ZIP 2007, 260 (261). 251 Das Schlagwort der „Kontinuität der Unternehmensleitung“ verwendet Hofmann, ZIP 2007, 260 (261); ders., Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 31. 252 Über die zentrale Gesellschaft der Kirch-Gruppe, nämlich die Kirch Media GmbH & Co. KGaA hat das AG München im April 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet (Eröffnungsbeschluss vom 14.06.2002, Az. 1502 IN 879/02). 253 AG Duisburg, Beschluss vom 01.09.2002, Az. 62 IN 167/02, DZWIR 2002, 522 ff. – Babcock Borsig AG. 254 Hofmann, ZIP 2007, 260 (262). 250
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
und nach dem Eintritt der Insolvenz für dringend erforderlich gehalten.255 Mit dem Zweck der Eigenverwaltung sei es unvereinbar, die Insolvenzbewältigung externen, vom Schuldner ausgewählten branchenfremden Sanierungs- und Insolvenzfachleuten zu überlassen, die erst in der Krise in eine Führungsposition berufen worden sind.256 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Für den Austausch des Managements gegen Sanierungsexperten scheint zwar zu sprechen, dass der „Bock“ – nämlich die mit dem Makel des Scheiterns behaftete ursprüngliche Unternehmensleitung – in der Insolvenz nicht „zum Gärtner gemacht“ werden dürfe.257 Dass der „Bock“ – wenn man den Schuldner so bezeichnen möchte – „zum Gärtner gemacht“ wird, ist jedoch gerade im Wesen der Eigenverwaltung angelegt. Die Eigenverwaltung zielt ausdrücklich darauf, den Schuldner, der die Insolvenz gewissermaßen „verbockt“ hat, in einer verantwortlichen Position zu belassen. Wer daher im Falle einer schuldnerischen Kapitalgesellschaft stets den Austausch der verantwortlichen natürlichen Personen (i. e. der Gesellschaftsorgane) fordert, stellt den Sinn und das Wesen der Eigenverwaltung grundsätzlich in Frage. Ist die Insolvenz im Einzelfall auf Fehler des Managements zurückzuführen – und nicht vorwiegend auf äußere Faktoren wie eine angespannte Marktlage, einen größeren Forderungsausfall o. ä. –, ist aus dieser Ursachenanalyse nicht etwa der Schluss zu ziehen, dass das unfähige Management im Rahmen des Eigenverwaltungsverfahrens auszutauschen sei. Vielmehr muss die Schlussfolgerung lauten, dass das Verfahren der Eigenverwaltung im beschriebenen Fall zur Bewältigung der Insolvenz von vornherein ungeeignet ist.258 Das Argument, der „Bock“ dürfe nicht „zum Gärtner gemacht“ werden, kann somit nicht den Austausch des Managements im Rahmen des Eigenverwaltungsverfahrens rechtfertigen, sondern nur den Verzicht auf die Anordnung der Eigenverwaltung im Einzelfall. Dass die personelle Kontinuität den gesetzgeberischen Zielvorstellungen entspricht, lässt sich unschwer daraus ableiten, dass der Gesetzgeber den Vorteil der Eigenverwaltung in der Möglichkeit sieht, die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen des Schuldners aus seiner bisherigen Geschäftstätigkeit zum Vorteil der Gläubiger zu nutzen.259 Von einer solchen 255
AG Duisburg (s. Fn. 253) DZWIR 2002, 522 (522). AG Duisburg (s. Fn. 253) DZWIR 2002, 522 (522), gekürzte Fassung des ersten amtlichen Leitsatzes. 257 Das AG Duisburg führt dieses Argument als Hauptargument der Rechtsberater der Babcok Borsig AG an, DZWIR 2002, 522 (522). 258 Gegen die Anordnung der Eigenverwaltung bei Fehlern des Managments wohl auch Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 0.24, die den Anwendungsbereich der Eigenverwaltung eröffnet sehen, wenn „das Unverschulden des Managements am Insolvenzgrund plausibel“ ist. 256
C. Das Verfahren der Eigenverwaltung gem. §§ 270 ff. InsO
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Nutzung von Erfahrungen kann nur dann gesprochen werden, wenn der bisherige Geschäftstätige mit dem Geschäftstätigen im Eigenverwaltungsverfahren identisch ist. Richtig ist zwar, dass der Gesetzgeber als Schuldner typischerweise eine natürliche Person vor Augen hatte.260 Deren Sachkunde kann einzig und allein im Falle personeller Kontinuität für die Zwecke des Insolvenzverfahrens genutzt werden, weil die Sachkunde gerade an die konkrete natürliche Person gebunden ist. Beispielsweise lässt sich das Vertrauen, das Patienten ihrem Zahnarzt entgegen bringen, nicht im Regelinsolvenzverfahren durch die §§ 97, 98 InsO für die Mehrung der Masse nutzbar machen, sondern nur durch die fortgesetzte Tätigkeit des konkreten Zahnarztes im Eigenverwaltungsverfahren.261 Hingegen sind bei einer juristischen Person als „Organisation kollektiver Kompetenz“ die einzelnen Kompetenzträger zu einem gewissen Grad austauschbar,262 so dass die personelle Kontinuität nicht in demselben Maße wie bei einer natürlichen Person zwingende Voraussetzung für die Nutzung der Erfahrungen aus der bisherigen Geschäftstätigkeit ist. Doch kann die Eigenverwaltung ihre spezifischen Vorzüge, nämlich u. a. die Zeit- und Kostenersparnis, im Falle der Insolvenz einer juristischen Person nur dann entfalten, wenn die bisherige Unternehmensleitung ihre Tätigkeit fortsetzt. Denn werden bei der Eigenverwaltung an Stelle der bisherigen Gesellschaftsorgane Sanierungsexperten eingesetzt, benötigen diese genauso viel Zeit, um sich in die Strukturen des insolventen Unternehmens einzuarbeiten, wie ein fähiger Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren brauchen würde.263 Die Sanierungsexperten bringen nämlich für ihre Aufgabe keine wesentlich anderen Fähigkeiten mit als ein Insolvenzverwalter.264 Zeit und Kosten würden also bei einer „Fremdverwaltung im Kostüm der Eigenverwaltung“265 im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren nicht gespart, so dass das vom Gesetzgeber anvisierte Ziel der Eigenverwaltung verfehlt würde. Gläubiger und Schuldner mögen einen Vorteil darin sehen, dass sie bei der Auswahl der Sanierungsexperten, mit denen verantwortliche Positionen 259 Begründung RegE zu §§ 331 ff. RegE (= §§ 270 ff. InsO) in Balz/Landfermann, Insolvenzgesetze, S. 526; AG Duisburg, DZWIR 2002, 522 (523). 260 Flöther/Smid/Wehdeking-Wehdeking, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, Kap. 4 Rn. 15; Smid, DZWIR 2002, 493 (496). 261 Flöther/Smid/Wehdeking-Wehdeking, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, Kap. 4 Rn. 15; Smid, DZWIR 2002, 493 (496). 262 Flöther/Smid/Wehdeking-Wehdeking, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, Kap. 4 Rn. 15; Smid, DZWIR 2002, 493 (496); ähnlich Köchling, ZInsO 2003, 53 (55, 56). 263 Hofmann, ZIP 2007, 260 (262). 264 AG Duisburg, DZWIR 2002, 522 (523). 265 AG Duisburg, DZWIR 2002, 522 (523).
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
im Unternehmen besetzt werden, an keine gesetzlichen Vorgaben gebunden sind. Gesellschafter, Gläubigerbanken und Politik können bei der Auswahl der Insolvenzfachleute, gegen die das Management ausgetauscht wird, unbeschränkt Einfluss nehmen, während die Entscheidung über die Auswahl des Insolvenzverwalters allein dem Richter obliegt, der diese Entscheidung nach Maßgabe des § 56 InsO in richterlicher Unabhängigkeit trifft.266 Die Eigenverwaltung unter Austausch des Managements gegen Sanierungsexperten kann insofern dazu genutzt werden, die Bestellung eines unabhängigen Verwalters gem. § 56 InsO sowie die gerichtliche Aufsicht über diesen Verwalter gem. § 58 InsO zu umgehen.267 In dieser Umgehung liegt jedoch kein legitimes Interesse von Gläubiger(n) und Schuldner und daher auch kein rechtlich anerkennenswerter Vorteil des Austausches der Unternehmensführung im Eigenverwaltungsverfahren. Es lässt sich daher festhalten, dass die Eigenverwaltung nach den gesetzgeberischen Vorstellungen nur bei personeller Kontinuität zur Insolvenzbewältigung besonders geeignet ist. Anderenfalls können und sollen andere Verfahren vorrangig angeordnet werden, weil die Eigenverwaltung nicht die ihrem Zweck entsprechenden spezifischen Vorteile entfalten kann. Im Gegenteil besteht die Gefahr, dass das Erstbestimmungsrecht des Richters gem. § 56 InsO durch die missbräuchliche Berufung von Insolvenzfachleuten in die Unternehmensleitung unzulässig umgangen wird. Für die sonstigen Chancen und Risiken der Eigenverwaltung wird auf die ausführliche Darstellung bei Hofmann verwiesen.268
IV. Das Verhältnis der Eigenverwaltung zum Insolvenzplan Eigenverwaltung und Insolvenzplan können miteinander kombiniert werden.269 Diese Möglichkeit ergibt sich mittelbar aus § 284 I 1 InsO.270 Diese Norm, die systematisch dem Abschnitt über die Eigenverwaltung zuzuordnen ist, verknüpft das Insolvenzplan- und das Eigenverwaltungsverfahren, 266
Hofmann, ZIP 2007, 260 (263). Hofmann, ZIP 2007, 260 (263); Förster, ZInsO 2003, 402 (403); Frind, ZInsO 2002, 745 (751 f.); Graf-Schlicker, FS Kirchhof, S. 135 (146); Berscheid, FS Kirchhof, S. 27 (44, 45); ähnlich Hess/Ruppe, NZI 2002, 577 (578); Kluth, ZInsO 2002, 1001 ff. 268 Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 28–34. 269 Zu dieser Kombinationsmöglichkeit, insbesondere zum Inhalt und zur Bedeutung der Kombination von Eigenverwaltung und Insolvenzplan Hofmann, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 143–145 sowie Gottwald-Braun, § 72 Rn. 4. 270 Gottwald-Braun, § 72 Rn. 3. 267
C. Das Verfahren der Eigenverwaltung gem. §§ 270 ff. InsO
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indem sie klarstellt, dass der Auftrag der Gläubigerversammlung zur Ausarbeitung eins Insolvenzplans an den Sachwalter oder an den Schuldner gerichtet werden kann. Die Initiative zur Durchführung der Eigenverwaltung auf der Basis eines Insolvenzplans kann vom Schuldner oder von der Gläubigerversammlung ausgehen. Im ersten Fall verbindet der Schuldner mit seinem Insolvenzantrag den Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung und legt zugleich gem. § 218 I 2 InsO einen Insolvenzplan vor. Im zweiten Fall beauftragt die Gläubigerversammlung wie bereits erwähnt gem. § 284 I 1 InsO den Schuldner oder den Sachwalter zur Ausarbeitung eines Insolvenzplans. In beiden Fällen wird der Insolvenzplan regelmäßig die Befriedigung der Gläubiger aus den Erträgen des vom Schuldner fortgeführten Unternehmens vorsehen, wobei der Plan vom Verbleib der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Schuldner ausgeht. Aus Schuldnersicht bietet es sich an, zusammen mit dem Eigenverwaltungsantrag einen Insolvenzplan vorzulegen, um dem Insolvenzgericht plausibel darzulegen, wie die Befriedigung der Gläubiger erfolgen soll.271 Das Gericht darf nämlich gem. § 270 II Nr. 3 InsO dem Eigenverwaltungsantrag nur stattgeben, wenn die Anordnung der Eigenverwaltung nicht zu einer Verfahrensverzögerung oder zu sonstigen Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Durch den Insolvenzplan kann dem Gericht schon bei Stellung des Eigenverwaltungsantrags verdeutlicht werden, dass eine Schlechterstellung der Gläubiger infolge der Anordnung der Eigenverwaltung nicht zu befürchten ist. Besonders aussichtsreich ist der Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung, wenn er mit einem Insolvenzplan verbunden wird, zu dem die Gläubiger bereits im Vorfeld – beispielsweise im Rahmen einer vorgerichtlichen Testabstimmung – ihre Zustimmung signalisiert haben (sog. „prepackaged plan“ oder „prepackaged bankruptcy“)272. Haben die Gläubiger nämlich bereits erkennen lassen, dass sie mit der im Insolvenzplan vorgesehenen Fortführung des Unternehmens in Eigenverwaltung einverstanden sind, ist eine ablehnende Entscheidung des Gerichts eher unwahrscheinlich.
271 Flöther/Smid/Wehdeking-Wehdeking, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, Kap. 2 Rn. 133; Smid-Smid/Rattunde, § 218 Rn. 6; Smid-Smid, InsO, § 284 Rn. 1 ff.; Gottwald-Braun, § 72 Rn. 4. 272 Dazu Hofmann, ZIP 2007, 260 (263); Maus, DStR 2002, 1104 (1107); Huntemann/Dietrich, ZInsO 2001, 13 (16).
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
D. Zusammenfassung: Rahmenbedingungen der Unternehmenssanierung im deutschen Recht Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen lassen sich die Rahmenbedingungen der Unternehmenssanierung im deutschen Recht zusammenfassend folgendermaßen beschreiben: Das deutsche Recht ermöglicht dem Schuldner durch den Insolvenzgrund der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ gem. § 18 InsO frühzeitig den Zugang zum Insolvenzverfahren. Das ist zu begrüßen, denn erfahrungsgemäß sind Sanierungsinstrumente wegen der stetig fortschreitenden Aufzehrung der zur Sanierung erforderlichen freien Mittel umso effektiver, je weniger das Insolvenzverfahren hinausgezögert wird.273 An den Umfang der Masse werden nur minimale Anforderungen gestellt, es müssen nämlich nur die Verfahrenskosten i. S. d. § 54 InsO gedeckt sein. Vor den Zugang zum Insolvenzverfahren werden also keine hohen Hürden gestellt.274 Ist das Insolvenzverfahren eröffnet und die Fortführung des Unternehmens beabsichtigt, stellt sich die Frage, ob das Unternehmen im Wege einer übertragenden Sanierung, in Eigenverwaltung oder im Insolvenzplanverfahren fortgeführt werden soll. Eine Kombination der einzelnen Sanierungsinstrumente ist insofern möglich, als die übertragende Sanierung im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens erfolgen275 kann und als die Eigenverwaltung auf der Basis eines Insolvenzplans durchgeführt werden kann.276 Die Erhaltung des Unternehmens im Insolvenzplanverfahren setzt voraus, dass sich innerhalb der gem. § 222 InsO gebildeten Gläubigergruppen die einfache Summen- und Kopfmehrheit für die Annahme des auf die Unternehmensfortführung gerichteten Insolvenzplans ausspricht. Versagt eine Gruppe rechtsmissbräuchlich ihre Zustimmung zum Plan, ist dieses Obstruktionsverhalten gem. § 245 InsO I rechtlich unbeachtlich. Die versagte Zustimmung wird nämlich fingiert. Das Obstruktionsverbot gem. § 245 InsO wurde vielfach kritisiert, insbesondere für seine vermeintlich fehlende Praktikabilität infolge wirtschaftlicher Bewertungsprobleme.277 Letztlich trägt das Obstruktionsverbot jedoch als verhaltenssteuerndes, präventiv wirkendes Instrument dazu bei, dass sich die Gläubigergruppen auf einen realistischen und konsensfähigen Planinhalt einigen. Zerschlagungsabwendende Verfahren wie das Insolvenzplanverfahren kämen seltener zum Einsatz, 273 274 275 276 277
Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 1.11. Dazu siehe oben unter A.I., S. 34 ff. Dazu siehe oben unter B.IV., S. 61 f. Dazu siehe oben unter C.IV., S. 84 f. Dazu siehe oben unter A.III.2., S. 39 f.
D. Zusammenfassung
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wenn einzelne Gruppen durch eine taktische Blockade die Durchführung des Verfahrens verhindern könnten. Dieser Vorgehensweise wird im Interesse der übrigen Gläubiger und des Schuldners durch das insofern höchst sinnvolle Obstruktionsverbot vorgebeugt. Die zur Erhaltung und Fortführung des Unternehmens erforderliche Liquidität kann im Insolvenzverfahren durch Massekredite erreicht werden, wobei zwischen „echten“278 und „unechten“279 Massekrediten zu unterscheiden ist. In der Überwachungsphase nach Abschluss des Insolvenzverfahrens gewährte Kredite können gem. §§ 264–266 InsO als Sanierungskredite privilegiert werden.280 Wegen des Prinzips ordnungsgemäßer Unternehmensführung sind kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen jedoch gem. § 264 III i. V. m. § 39 I Nr. 5 InsO von dieser Privilegierung ausgenommen. Die Möglichkeiten, dem insolventen Unternehmen das so dringend benötigte frische Kapital zu verschaffen, werden auf diese Weise schmerzlich eingeschränkt. Für den Erfolg des Insolvenzplanverfahrens spielt die Person des Insolvenzverwalters eine maßgebliche Rolle.281 § 56 InsO präzisiert nur unzureichend die Kriterien, nach denen der Insolvenzverwalter durch das Gericht auszuwählen ist und kann insofern kaum sicherstellen, dass tatsächlich eine fähige und von den Beteiligten anerkannte Person zum Insolvenzverwalter bestellt wird. Insofern sind Bemühungen von Insolvenzrechtsfachleuten wie Haarmeyer und Uhlenbruck zu begrüßen, einen einheitlichen Maßstab für die Bewertung von Verwaltern mittels einer Zertifizierung zu entwickeln.282 Die Entscheidung über die Auswahl des Verwalters sollte zwar weiterhin beim unabhängigen Richter liegen, den Gläubigern sollte jedoch ein größerer Einfluss auf diese Entscheidung zugebilligt werden.283 Schließlich soll das Insolvenzplanverfahren gem. § 1 S. 1 InsO dem Interesse der Gläubiger – nämlich ihrer Befriedigung – dienen. Für die Erhaltung und Fortführung des Unternehmens ist es unabdingbar, die Produktionsmittel in der Hand des Verwalters zusammenzuhalten – auch und insbesondere, soweit sie einem Aus- oder Absonderungsrecht unterliegen.284 Dass der Insolvenzverwalter die Produktionsmittel zusammenhalten kann, wird neuerdings durch § 21 I Nr. 5 InsO sichergestellt. 278 279 280 281 282 283 284
Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu
siehe siehe siehe siehe siehe siehe siehe
oben oben oben oben oben oben oben
unter unter unter unter unter unter unter
A.IV.1., S. 41. A.IV.2., S. 42. A.IV.3., S. 43. A.VI.1., S. 48. A.VI.2., S. 50. A.VI.3., S. 53. A.VII., S. 56.
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2. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im deutschen Recht
Soll die Zerschlagung des Unternehmens durch eine übertragende Sanierung abgewendet werden, stehen der Insolvenzverwalter und der Erwerber oftmals vor dem Problem, wie der im insolventen Unternehmen bestehende Personalüberhang im Zusammenhang mit der übertragenden Sanierung abgebaut werden kann. § 613a BGB steht dem Personalabbau nicht entgegen, wenn Arbeitnehmer auf der Grundlage eines Erwerberkonzepts285 gekündigt werden oder wenn der Personalabbau mit Hilfe der Zwischenschaltung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft286 durchgeführt wird. Beide Vorgehensweisen werden vom BAG gebilligt und nicht für rechtsmissbräuchlich gehalten. Das BAG legt § 613a BGB insofern bewusst sanierungsfreundlich aus. Insolvenzarbeitsrechtliche Sonderregelungen wie § 113 S. 2 InsO und § 125 I 1 Nr. 1 i. V. m. § 128 II InsO erleichtern den Personalabbau zusätzlich.287 Dass § 613a BGB als Sanierungshemmnis wirkt, wird außerdem durch eine teleologische Reduktion des 613a II BGB verhindert, der die Haftung des Betriebserwerbers regelt.288 Auch die Anfechtungsvorschriften der §§ 129 ff. InsO behindern die zerschlagungsabwendende übertragende Sanierung nicht.289 Ein Anfechtungsrisiko besteht nämlich nur in dem praktisch kaum relevanten Fall, dass der Schuldner sein Unternehmen mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters verkauft. Schließlich soll die Möglichkeit der Eigenverwaltung gem. §§ 270 ff. InsO dem Schuldner, der nicht völlig aus der Geschäftsführung verdrängt wird, die Furcht vor der Insolvenz nehmen. Die widerwillige und vor allem verspätete Einleitung des Insolvenzverfahrens, die die Aussichten auf eine erfolgreiche Zerschlagungsabwendung verschlechtert, soll so vermieden werden. Dieser Zweck wird jedoch nur eingeschränkt erreicht, weil der Schuldner eine Ablehnung der Eigenverwaltung ohne Aussicht auf Rechtsbehelfe befürchten muss.290 Der im Eigenverwaltungsverfahren häufig praktizierte Austausch der Unternehmensleitung gegen Sanierungsexperten widerspricht dem Zweck der Eigenverwaltung und kann zur Umgehung des § 56 InsO missbraucht werden. Dieses Vorgehen ist daher als unzulässig abzulehnen.291
285 286 287 288 289 290 291
Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu
siehe siehe siehe siehe siehe siehe siehe
oben oben oben oben oben oben oben
unter unter unter unter unter unter unter
B.V.1.c)aa)(2)(a), S. 65. B.V.1.c)aa)(2)(b), S. 67 ff. B.V.2., S. 72 ff. B.V.1.c)bb), S. 70. B.VI., S. 74 ff. C.II., S. 79 f. C.III., S. 80 ff.
3. Kapitel
Entwicklung von Fragestellungen zur Analyse des italienischen Rechts Aus der Darstellung der zerschlagungsabwendenden Verfahren im deutschen Insolvenzrecht ergeben sich verschiedene, im Folgenden noch zu präzisierende Fragen an das italienische Insolvenzrecht. Im zweiten Kapitel ist festgestellt worden, dass das deutsche Insolvenzrecht die für die Sanierung grundsätzlich förderliche frühzeitige Einleitung des Insolvenzverfahrens zulässt. Es fragt sich, in welchem Maße dasselbe für das italienische Insolvenzrecht gilt. Generell ist zu fragen, welche Anforderungen an den Zugang zu zerschlagungsabwendenden Verfahren gestellt werden. Auf diese Weise kann bei vergleichender Betrachtung festgestellt werden, ob die Zugangsschwelle nach italienischem und nach deutschem Recht ähnlich niedrig gestaltet ist oder ob aus Schuldnersicht eine der beiden Rechtsordnungen wegen des erleichterten Zugangs zu zerschlagungsabwendenden Verfahren vorzuziehen ist. Mit demselben Ziel soll untersucht werden, welche Anforderungen an die Annahme des Insolvenzplans gestellt werden, sofern es ein solches Sanierungsinstrument nach italienischem Recht gibt. Die Ausführungen zu § 245 InsO haben ergeben, dass eine Regelung zur Überwindung von Blockadeverhalten im Interesse aller am Insolvenzverfahren Beteiligten unerlässlich ist. Zugleich ist auf die Bedenken hingewiesen worden, die gegen das Obstruktionsverbot in seiner derzeitigen Ausprägung wegen der geforderten wirtschaftlichen Betrachtungsweise und der Prognoseunsicherheit bestehen. Möglicherweise kennt das italienische Recht eine Regelung zur Überwindung von taktischen Blockaden, die weniger Zweifeln an ihrer Praktikabilität ausgesetzt ist. Daher soll untersucht werden, wie nach italienischem Recht Blockadeverhalten im Insolvenzverfahren überwunden werden kann. Je leichter es dem insolventen Unternehmen gemacht wird, frisches Kapital zu beschaffen, desto größer sind die Erfolgsaussichten der Sanierungsbemühungen. Deswegen stellt sich die Frage, wie das schuldnerische Unternehmen nach italienischem Recht sicherstellen kann, dass ihm die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderliche Liquidität zur Verfügung steht.
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3. Kap.: Fragestellungen zur Analyse des italienischen Rechts
Umfassende Kontrollbefugnisse des Gerichts können das Vertrauen der Gläubiger in die Vorteilhaftigkeit der Durchführung des zerschlagungsabwendenden Verfahrens stärken. Allerdings entspräche eine starke gerichtliche Kontrolle nicht dem deutschen Konzept der Insolvenzbewältigung. Fraglich ist, welches Maß an gerichtlicher Kontrolle nach Ansicht des italienischen Gesetzgebers zur optimalen Insolvenzbewältigung erforderlich ist. Im zweiten Kapitel dieser Arbeit wurde bereits aufgezeigt, inwiefern die Regelung der Verwalterauswahl nach deutschem Recht Defizite aufweist. Möglicherweise kann die Regelung der Verwalterauswahl nach italienischem Recht dem deutschen Gesetzgeber als Vorbild dienen. Es fragt sich daher, wie in Italien sichergestellt wird, dass ein fähiger und anerkannter Insolvenzverwalter die Betreuung des Insolvenzverfahrens übernimmt – vorausgesetzt, es gibt einen solchen Amtswalter nach italienischem Recht. § 21 I Nr. 5 InsO bewirkt, dass Aus- und Absonderungsrechten unterliegende Betriebsmittel nicht ohne weiteres aus dem insolventen Unternehmen entfernt werden können. Die Erhaltung des Unternehmens als funktionsfähige wirtschaftliche Einheit wird auf diese Weise hinreichend gewährleistet. Auch wenn insofern im Hinblick auf die Regelung des § 21 I Nr. 5 InsO kein Verbesserungsbedarf zu erkennen ist, wäre es doch interessant zu wissen, durch welche Regelung die Erhaltung des Unternehmens als funktionsfähige wirtschaftliche Einheit im italienischen Recht bezweckt wird. Auch dieser Frage soll im folgenden Kapitel nachgegangen werden. Der Abbau von Personalüberhang, der regelmäßig für die Abwendung der Unternehmenszerschlagung erforderlich ist, bereitet nach deutschem Recht Schwierigkeiten. Das gilt insbesondere wegen der als Sanierungshemmnis geltenden Regelung des § 613a BGB. Dieser Befund wirft die Frage auf, wie der Abbau von Personalüberhang nach italienischem Recht gestaltet werden kann. Diese Frage soll insbesondere im Zusammenhang mit der übertragenden Sanierung beleuchtet werden, sofern das italienische Recht diese Form der Sanierung erlaubt. Ebenfalls im Zusammenhang mit der übertragenden Sanierung oder ähnlichen Instrumenten des italienischen Rechts stellt sich die Frage, wie das Risiko der Anfechtung der Unternehmensveräußerung ausgeschlossen werden kann. Um die Hemmschwelle des Schuldners herabzusetzen, Insolvenzantrag zu stellen und um die Nutzung der besonderen Sachkunde des Schuldners zu fördern, wurde im deutschen Insolvenzrecht die Eigenverwaltung eingeführt. Aus den bereits genannten Gründen zeigt die Möglichkeit der Eigenverwaltung jedoch nicht in vollem Maße die gewünschte Wirkung. Möglicherweise gibt es im italienischen Recht ein funktionales Äquivalent zur Eigenverwaltung, das den durch die Eigenverwaltung verfolgten Zielen besser gerecht wird. Diese Frage soll im folgenden Kapitel geklärt werden.
3. Kap.: Fragestellungen zur Analyse des italienischen Rechts
91
Zusammenfassend soll folglich entsprechend der Vorgehensweise im vorangegangenen Teil der Arbeit untersucht werden, inwiefern das italienische Insolvenzrecht verschiedene Erfolgsfaktoren zerschlagungsabwendender Verfahren berücksichtigt. Wenn nötig, ist dabei zwischen der Rechtslage vor und nach der Insolvenzrechtsreform zu differenzieren. Mit der beschriebenen Untersuchung soll die Darstellung der Grundzüge der unterschiedlichen zerschlagungsabwendenden Verfahren verbunden werden, weil die Kenntnis dieser Verfahren beim deutschen Leser nicht vorausgesetzt werden kann.
4. Kapitel
Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht A. Reform des italienischen Insolvenzrechts Es war bereits davon die Rede, dass sich das italienische Insolvenzrecht durch eine kürzlich erfolgte Reform geändert hat. Allerdings wurde noch nicht präzisiert, durch welche Gesetze das italienische Insolvenzrecht reformiert wurde und welche Regelungsgegenstände konkret von dieser Reform betroffen sind. Außerdem ist bislang unklar geblieben, aus welchen Gründen der Gesetzgeber eine Reform für notwendig erachtet hat und welche Erwartungen an die Veränderung der Rechtslage geknüpft sind. Diese Fragen sollen nun geklärt werden. Denn insbesondere die Kenntnis der Motive für die Reform kann als Auslegungshilfe das Verständnis und die kritische Würdigung einiger neuer Regelungen erleichtern.
I. Zeitlicher Ablauf und Gegenstand der Reform Die gesetzliche Grundlage des italienischen Insolvenzrechts bildet die legge fallimentare (abgekürzt LF, zu übersetzen etwa als Konkursgesetz). Die legge fallimentare wurde durch regio decreto (königliche Verordnung) Nr. 267 vom 16.03.1942292 erlassen. Schon in den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde jedoch aus Gründen, die im Folgenden erläutert werden,293 die Forderung nach einer grundlegenden Änderung des Konkursgesetzes laut. Daraufhin legten die Insolvenzrechtsfachleute Chiaraviglio und Gerini 1978 einen Reformvorschlag vor.294 Diesem folgte ein Vorschlag, der zwischen 1982 und 1984 von einer Kommission unter dem Vorsitz von Prof. Pajardi ausgearbeitet worden war. Beide Vorschläge blieben ohne Folgen. Dasselbe gilt für einen Gesetzesentwurf, der 2002 von ei292
G. U. Nr. 81 vom 06. April 1942, zuletzt geändert durch D. Nr. 169 vom 12.09.2007, G. U. Nr. 241 vom 16. Oktober 2007. 293 Siehe unten unter A.II., S. 94. 294 Einen Überblick über die Entwicklung der Reformbemühungen bietet Quataro, in: Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, S. XIII ff., auf dessen Ausführungen sich die hier wiedergegebene Skizzierung des Reformverlaufs stützt.
A. Reform des italienischen Insolvenzrechts
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ner Kommission unter Vorsitz des Anwaltes Trevisanato im Auftrag des Justizministeriums entwickelt werden sollte. Dieser Vorschlag sollte die Einführung eines einheitlichen Insolvenzverfahrens vorsehen, angelehnt an das deutsche und das französische Insolvenzrecht. Nachdem sich allerdings die Kommission wegen inhaltlicher Differenzen zerstritten hatte und sich gezwungen sah, zwei grundlegend verschiedene Fassungen des Gesetzesentwurfes einzureichen, verliefen auch diese Reformbemühungen im Sande. 2005 erarbeitete schließlich eine Kommission des Justizministeriums einen Gesetzesentwurf, der in die am 17.03.2005 in Kraft getretene decreto legge (Gesetzesverordnung)295 Nr. 35 vom 14.03.2005296 übernommen wurde; diese Verordnung wurde anschließend durch die legge di conversione (Umwandlungsgesetz) Nr. 80 vom 14.05.2005297 in ein ordentliches Gesetz umgewandelt. Ihren vorläufigen Abschluss fand die Reform in dem Gesetz298 Nr. 5 vom 09.01.2006299, das zum 16.07.2006 in Kraft trat. Um die Unstimmigkeiten und Mehrdeutigkeiten der Reformgesetzgebung zu bereinigen, erschien jedoch ein weiterer Akt des Gesetzgebers notwendig. Er erfolgte in Form der Gesetzesverordnung („decreto correttivo“) Nr. 169 vom 12.09.2007300, die zum 01.01.2008 in Kraft trat und die Reform des italienischen Insolvenzrechts vollendete. Die Änderungen, die sich infolge der Reform ergeben, betreffen vor allem die Anfechtung nach insolvenzrechtlichen Vorschriften (Art. 67 LF) sowie den concordato preventivo gem. Art. 160 ff. LF. (Concordato preventivo be295
Bei der „Gesetzesverordung“ (decreto legge) handelt es sich um einen Regierungsakt mit Gesetzeskraft gem. Art. 77 der italienischen Verfassung. Die Regierung kann eine „Gesetzesverordnung“ nur in Fällen außergewöhnlicher Notwendigkeit und Dringlichkeit erlassen. Wird die Verordnung nicht innerhalb von 60 Tagen nach ihrem Erlass vom Parlament bestätigt, verliert sie ihre Wirkung; siehe Costa, ZInsO 2006, 1071 (1072 Fn. 4) sowie Correnti/Schulte-Frohlinde, ZInsO 2006, 1020 (1022 Fn. 18). 296 G. U. Nr. 62 vom 16. März 2005. 297 G. U. Nr. 111 vom 14. Mai 2005. 298 Genauer gesagt handelt es sich um eine gesetzesersetzende Rechtsverordnung (decreto legislativo) gem. Art. 76 der italienischen Verfassung. Diese Gesetzgebungstechnik ist dem deutschen Recht fremd. Die gesetzesersetzende Rechtsverordnung kommt auf Initiative des Parlaments zustande: Das Parlament beauftragt die Regierung durch Gesetz (legge delega), nach bestimmten, vom Parlament vorgegebenen Leitlinien Normenkomplexe auszuarbeiten. Die daraufhin von der Regierung erarbeite Rechtsverordnung erlangt nach Billigung durch die Parlamentskommission, Unterzeichung durch den Staatspräsidenten und Verkündung im Gesetzblatt Gesetzeskraft; siehe Costa, ZInsO 2006, 1071 (1072 Fn. 3); im Bezug auf die Reformgesetzgebung wurden Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit wegen einer Überschreitung der Grenzen der legge delega laut, dazu Cafaro, Il Fallimento 2006, 735 ff. 299 G. U. Nr. 12 vom 16. Januar 2006. 300 G. U. Nr. 241 vom 16. Oktober 2007.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
deutet wörtlich „präventiver Vergleich“; in der zweisprachigen, insbesondere für den Gebrauch in Südtirol bestimmten Gesetzesausgabe301 wird der Begriff übersetzt als Ausgleich. Diese Bezeichnung wird im Folgenden für den concordato preventivo gebraucht. Inhaltlich handelt es sich um einen gerichtlichen Vergleich zur Abwendung der Konkurseröffnung.302) Im Zuge der Reform neu eingeführt wurde das Instrument des accordo di ristrutturazione (Abkommen zur Umschichtung) gem. Art. 182 LF, während die amministrazione controllata, eine Art Eigenverwaltung, abgeschafft wurde. Schließlich wurde der concordato fallimentare (wörtlich „Insolvenzvergleich“, in der zweisprachigen Gesetzesausgabe303 und im Folgenden bezeichnet als Zwangsausgleich) durch die Reformgesetze modifiziert.
II. Notwendigkeit einer Reform Eine Änderung der legge fallimentare in ihrer ursprünglichen Fassung aus dem Jahre 1942 erschien schon allein deswegen notwendig, weil italienische Insolvenzverfahren bislang überdurchschnittlich lang dauerten304 – sie gelten im europäischen Vergleich als die längsten und kostspieligsten Verfahren ihrer Art.305 Ausländische Investoren sprächen deswegen schlagwortartig vom „Risiko Italien“, so Grossi.306 Aus Gläubigersicht lohnte sich das lange Warten auf den Abschluss der Masseverwertung kaum, denn die erzielten Quoten waren häufig äußerst gering.307 Die Insolvenzverfahren 301 Bauer/König/Kreuzer, Das neue Italienische Gesetz über Konkurs und andere Insolvenzverfahren/Il nuovo Codice del Fallimento e delle altre procedure concorsuali, Bozen 2006. 302 Costa, ZInsO 2006, 1071 (1072). 303 Fn. 301. 304 Lessi und Schmidt sprechen von einer Verfahrensdauer von fünf bis zehn Jahren, Gewerkschaftliches Krisenmanagement, S. 25; zehn Jahre hält auch Pilla für die durchschnittliche Verfahrensdauer, Il sole 24 ore vom 11.06.2004, S. 6; Canale, Riv. Dir. proc. 2005, 897 (897) gibt als durchschittliche Verfahrensdauer unter Berufung auf eine Erhebung des Centro Einaudi Ende der Neunziger Jahre (Costi e tempi della giustizia civile in Italia; La riforma delle procedure concorsuali nella competizione tra modelli giuridici ed economici, hrsg. von Alberto M, Musy und Michaela Simoncini) mehr als sechs Jahre, in Bologna sogar sieben Jahre und drei Monate an; die übermäßige Verfahrensdauer bemängelt auch die Relazione illustrativa al d. lgS. 9 gennaio 2006, N. 5 abgedruckt bei Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, S. LXXXIII. 305 Lo Cascio, Il Fallimento 2005, 361 (361); Bünger, DZWIR 2006, 455 (455). 306 Ambrosini-Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 410. 307 Costa, ZInsO 2006, 1071 (1072); Stanghellini, Il Fallimento 2006, 377 (385); Pilla, Il sole 24 ore vom 11.06.2004, S. 6; nach den von Canale (Fn. 304) zitierten Zahlen erfuhr die Masse im Laufe des Verfahrens durchschnittlich einen Wertverlust in Höhe von 79% (costo sociale delle procedure concorsuali, vale a dire la perdita
A. Reform des italienischen Insolvenzrechts
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wurden also oftmals ihrem Zweck, nämlich der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung, kaum gerecht. Zudem liegen dem Konkursgesetz a. F. bestimmte gesetzgeberische Vorstellungen zu Grunde, die heute überwiegend als unzutreffend und nicht mehr zeitgemäß empfunden werden: Der Gesetzgeber ging 1942 davon aus, die Erhaltung des insolventen Unternehmens liege einzig und allein im Interesse des Schuldners.308 Dieser sei jedoch nicht schützenswert, sondern er müsse vielmehr wegen seiner Misswirtschaft durch das Insolvenzverfahren sanktioniert und diszipliniert werden.309 Die Insolvenz sei dem Schuldner persönlich zum Vorwurf zu machen.310 Da (vermeintlich) nur der nicht schützenswerte Schuldner Interesse an der Unternehmenserhaltung hat, sah der Gesetzgeber keinen Anlass, die Erhaltung des Unternehmens im Insolvenzverfahren zu begünstigen. Im Gegenteil behinderten einige Regelungen solche Formen der Insolvenzbewältigung, die nicht in die Unternehmenszerschlagung münden.311 Zu diesen sanierungshemmenden Regelungen zählte vor allem das Erfordernis einer Mindestbefriedigungsquote in Höhe von 40% beim Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs sowie der vollen Befriedigung bei der amministrazione controllata (~ Eigenverwaltung). Sanierungsinstrumente kamen nach der gesetzlichen Konzeption regelmäßig erst verspätet zum Einsatz, als die Insolvenz bereits unumkehrbar eingetreten war; Anreize, das Verfahren frühzeitig einzuleiten, bestanden aus Schuldnersicht nicht.312 Diese ineffiziente Gestaltung des Insolvenzverfahrens durch starre gesetzliche Regelungen hatte zur Folge, dass Schuldner und Gläubiger verstärkt nach außergerichtlichen Lösungen zur Insolvenzbewältigung suchten.313 Aucomplessive di ricchezza), 4% der Masse mussten für Verfahrenskosten aufgewendet werden, so dass nur noch 17% der ursprünglich zur Verfügung stehenden Masse auf die Gläubiger verteilt werden konnten. 308 Relazione illustrativa al d. lgS. 9 gennaio 2006, N. 5 abgedruckt bei Cattano/ Palladino, La riforma del diritto fallimentare, S. LXXXIII; Pacchi Pesucci, L’amministrazione controllata, S. 13. 309 Quataro, in: Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, S. XIII; Costa, ZInsO 2006, 1071 (1072); Relazione illustrativa al d. lgS. 9 gennaio 2006, N. 5 abgedruckt bei Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, S. LXXXIII. 310 Correnti/Schulte-Frohlinde, ZInsO 2006, 1020 (1028). 311 Gaballo, Il nuovo concordato preventivo, le novità della riforma e prime applicazioni giurisprudenziali, S. 1, abzurufen auf www.ilcaso.it/arch_interventi.php, Stand: 15.05.2006. 312 Gaballo, Il nuovo concordato preventivo, le novità della riforma e prime applicazioni giurisprudenziali, S. 1, abzurufen auf www.ilcaso.it/arch_interventi.php, Stand: 15.05.2006. 313 Gaballo, Il nuovo concordato preventivo, le novità della riforma e prime applicazioni giurisprudenziali, S. 1, abzurufen auf www.ilcaso.it/arch_interventi.php,
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
ßergerichtliche Einigungen hatten jedoch den Nachteil, dass sie nicht anfechtungsfest waren und insbesondere den Schuldner dem Risiko aussetzten, sich strafbar zu machen – z. B. wegen Bankrotts oder Gläubigerbegünstigung. Um die durch die Defizite der gesetzlichen Regelung erzwungene Verlagerung in den außergerichtlichen Bereich rückgängig zu machen, musste das bestehende Konkursgesetz mit Blick auf die aufgetretenen Schwierigkeiten verbessert werden. Dieses sollte durch die kürzlich erfolgte Reform geschehen.
III. Ziele der Reform Im Zuge der Reform soll die vorwiegend liquidatorische Zielsetzung des Konkursgesetzes ersetzt werden durch die Bevorzugung der Unternehmenssanierung.314 Diese Verlagerung des Schwerpunktes geht mit einem Verständniswandel im Bezug auf die Funktion von Insolvenzverfahren im Allgemeinen und die Bedeutung der Unternehmenserhaltung im Besonderen einher: Insolvenzverfahren sollen nun nicht mehr zur Sanktion des Schuldners für sein persönliches Versagen dienen. Daher wurde z. B. die spezialgesetzliche Regelung abgeschafft, die dem Schuldner das aktive Wahlrecht für die Dauer des Konkursverfahrens (höchstens jedoch für fünf Jahre ab der Konkurseröffnung) aberkannte. Die Erhaltung des Unternehmens wird zudem nicht mehr allein im Interesse des Schuldners für erstrebenswert gehalten. Vielmehr hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Erhaltung des Unternehmens auch im Interesse der Gläubiger, Kunden und Lieferanten sowie im Interesse des Staates (insbesondere des Fiskus) geboten sein kann.315 Wie aus der Begründung des Reformgesetzes vom 09.01.2006 hervorgeht, hat der italienische Gesetzgeber in anderen europäischen Staaten die Tendenz beobachtet, Insolvenzverfahren nicht mehr als Mittel zur Liquidation und Sanktion einzusetzen, sondern – sofern möglich – zur Erhaltung des Unternehmens als wirtschaftliche Einheit.316 In die Reihe dieser anderen europäischen Staaten möchte sich Italien einreihen,317 indem der Stand: 15.05.2006; Jorio, in: Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. VIII. 314 Ehricke, ZIP 2007, 2395 (2398): „In Italien steht die Rettung von Unternehmen im Fokus.“. 315 Relazione illustrativa al d. lgS. 9 gennaio 2006, N. 5 abgedruckt bei Cattano/ Palladino, La riforma del diritto fallimentare, S. LXXXIII; Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 146; zu den Vorteilen der Unternehmenserhaltung siehe bereits oben, Kapitel 1 unter A.II., S. 28 f. 316 Relazione illustrativa al d. lgS. 9 gennaio 2006, N. 5 abgedruckt bei Cattano/ Palladino, La riforma del diritto fallimentare, S. LXXXIII. 317 Relazione illustrativa al d. lgS. 9 gennaio 2006, N. 5 abgedruckt bei Cattano/ Palladino, La riforma del diritto fallimentare, S. LXXXIII.
B. Überblick über die verschiedenen Insolvenzverfahren
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Gesetzgeber dem Schuldner neue, flexiblere Instrumente zur Rettung und Fortführung des Unternehmens an die Hand gibt. Die Insolvenzverfahren sollen außerdem vereinfacht und beschleunigt werden.318
B. Überblick über die verschiedenen Insolvenzverfahren des geltenden italienischen Rechts und ihr Verhältnis zueinander Im Gegensatz zum deutschen Recht kennt das italienische Recht kein einheitliches Insolvenzverfahren.319 Stattdessen existieren mehrere Verfahren zur Insolvenzbewältigung nebeneinander. Sie gliedern sich in eine Gruppe von Verfahren zur Bewältigung der unternehmerischen Krise im Verhandlungswege und in eine Gruppe von Verfahren zur Bewältigung der unternehmerischen Krise durch einseitige hoheitliche Maßnahmen. Zur Gruppe der Verfahren, die die Krisenbewältigung durch Verhandlungen zwischen Schuldner und Gläubigern zum Ziel haben, gehören einerseits der Ausgleich (concordato preventivo), die Vereinbarung über die Umschichtung der Schulden (accordo di ristrutturazione dei debiti)320 und der Sanierungsplan (piano di risanamento) sowie andererseits der Zwangsausgleich (concordato fallimentare).321 Der concordato preventivo, der accordo di ristrutturazione und der piano di risanamento unterscheiden sich vom concordato fallimentare im Hinblick auf den Zeitpunkt, zu dem die jeweiligen Instrumente eingesetzt werden. Während der concordato fallimentare nämlich die Konkurseröffnung voraussetzt, sollen die übrigen genannten 318 Relazione illustrativa al d. lgS. 9 gennaio 2006, N. 5 abgedruckt bei Cattano/ Palladino, La riforma del diritto fallimentare, S. LXXXIII; Cattano/Palladino-Cattano, La riforma del diritto fallimentare, S. LXXVI; Gaballo, Il nuovo concordato preventivo, le novità della riforma e prime applicazioni giurisprudenziali, S. 1, abzurufen auf www.ilcaso.it/arch_interventi.php, Stand: 15.05.2006; Fiale, Diritto fallimentare, S. 15. 319 Correnti/Schulte-Frohlinde, ZInsO 2006, 1020 (1029). 320 Ob der accordo di ristrutturazione dei debiti ein eigenständiges Verfahren darstellt oder lediglich eine Unterart des concordato preventivo, ist umstritten, kann aber an dieser Stelle vorerst offen bleiben; ausführlicher zu dieser Problematik siehe unter C.I.3.b), S. 184 f. 321 Bünger, DZWIR 2006, 455 (459) zählt ohne Begründung nur den concordato preventivo, den accordo di ristrutturazione und den piano di risanamento zu den Instrumenten, mit deren Hilfe die unternehmerische Krise auf dem Verhandlungswege gelöst werden kann. Tatsächlich nimmt der Zwangsausgleich insofern eine Sonderstellung ein, als die Zustimmung des Schuldners zum Abschluss des Zwangsausgleichs nicht zwingend erforderlich ist. Die Zustimmung liegt aber jedenfalls vor, wenn ein vom Schuldner vorgelegter Vorschlag zur Grundlage des Zwangsausgleichs gemacht wird.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
Instrumente gerade die Konkurseröffnung verhindern.322 Sie kommen also notwendigerweise vor der Konkurseröffnung zum Einsatz. Ist die Konkurseröffnung unausweichlich, kommt es zum Konkursverfahren (fallimento), das entweder durch die Aufhebung des Konkurses nach der Liquidation des Schuldnervermögens (= liquidierender Konkurs = Regelfall) oder durch eine abweichende Vereinbarung über die Gläubigerbefriedigung im Rahmen des concordato fallimentare beendet werden kann.323 Der liquidierende Konkurs gehört zur Gruppe der Verfahren, die auf die Bewältigung der unternehmerischen Krise durch einseitige hoheitliche Maßnahmen gerichtet sind. Dasselbe gilt für die Zwangsliquidation im Verwaltungsweg, die liquidazione coatta amministrativa. Dieses gesonderte Auflösungsverfahren hält das italienische Insolvenzrecht für Unternehmen wie Banken und Versicherungen bereit, die im öffentlichen Interesse nicht dem regulären Konkursverfahren unterliegen.324 Ein weiteres Sonderinsolvenzverfahren neben der Zwangsliquidation im Verwaltungsweg stellt die außerordentliche Verwaltung (amministrazione straordinaria) dar. Allerdings unterscheiden sich die beiden genannten Sonderverfahren erheblich voneinander. Die amministrazione straordinaria bezweckt nämlich im Gegensatz zur liquidazione coatta amministrativa die Erhaltung des Unternehmens. Der Anwendungsbereich der amministrazione straordinaria ist jedoch insofern eingeschränkt, als dieses Verfahren nur auf Unternehmen angewandt wird, deren Erhaltung – u. a. wegen der Vielzahl der gefährdeten Arbeitsplätze – im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegt.325 Welches Insolvenzverfahren zum Einsatz kommt, hängt nach dem oben Gesagten also zum einen davon ab, welche Art von Unternehmen von der Insolvenz betroffen ist. Zum anderen ist entscheidend, in welcher Phase der Insolvenz sich das Unternehmen befindet, i. e. ob die Konkurseröffnung noch bevorsteht oder bereits erfolgt ist.
322 Costa, ZInsO 2006, 1071 (1073 Fn. 8); Correnti/Schulte-Frohlinde, ZInsO 2006, 1020 (1020); Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 166 im Bezug auf den concordato preventivo als Instrument zur Abwendung der Konkurseröffnung. 323 Zum concordato fallimentare als Grund für die Beendigung des Konkursverfahrens Fiale, Diritto Fallimentare, S. 273; Correnti/Schulte-Frohlinde, ZInsO 2006, 1020 (1020). 324 Correnti/Schulte-Frohlinde, ZInsO 2006, 1020 (1021); Costa, ZInsO 2006, 1071 (1072, Fn. 6). 325 Correnti/Schulte-Frohlinde, ZInsO 2006, 1020 (1021); Fiale, Diritto Fallimentare, S. 7.
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren des italienischen Rechts im Einzelnen Von den verschiedenen Insolvenzverfahren des italienischen Rechts sollen im Rahmen dieser Arbeit nur die zerschlagungsabwendenden dargestellt werden. Die oben326 bereits erwähnten Verfahren soll daher an dieser Stelle nach ihrer Zielrichtung geordnet werden: Alle aufgezählten Verfahren, die die Insolvenzbewältigung im Verhandlungswege vorsehen, können zur Erhaltung des insolventen Unternehmens dienen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass sich die Verhandlungspartner auf die Erhaltung des Unternehmens als Verfahrensziel einigen und einen Weg zur Erreichung dieses Ziels vereinbaren. Zu den Instrumenten, mit deren Hilfe die Zerschlagungsabwendung erreicht werden kann, zählen demnach der concordato preventivo, der concordato fallimentare, der accordo di ristrutturazione dei debiti und der piano di risanamento. Darüber hinaus ist die amministrazione straordinaria dazu bestimmt, die Unternehmenszerschlagung zu verhindern. Die genannten Verfahren sind sämtlich zerschlagungsabwendend und werden daher im Folgenden dargestellt. Hingegen ist die liquidazione coatta amministrativa – wie schon die Bezeichnung verrät – ausdrücklich nicht auf die Erhaltung des Unternehmens gerichtet. Sie ist deswegen ebenso wenig Gegenstand dieser Untersuchung wie der liquidierende Konkurs.
I. Verfahren zur Abwendung der Konkurseröffnung Von den zerschlagungsabwendenden Verfahren des italienischen Insolvenzrechts sollen zunächst diejenigen betrachtet werden, die der Abwendung der Konkurseröffnung dienen. 1. Der Ausgleich (concordato preventivo) gem. Art. 160 ff. LF Wie bereits erwähnt,327 handelt es sich beim concordato preventivo um einen gerichtlichen Vergleich zur Abwendung der Konkurseröffnung. a) Möglicher Inhalt des Ausgleichs Der Vergleich der Rechtslage vor dem 16.07.2006 mit der Rechtslage nach dem genannten Datum offenbart, dass die inhaltliche Gestaltungsfrei326 327
Siehe oben unter B., S. 97. Siehe oben unter A.I., S. 92 ff.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
heit der Parteien bei der Vereinbarung eines Ausgleichs im Zuge der Reform zugenommen hat. aa) Rechtslage vor dem 16.07.2006 Bevor das Konkursgesetz durch das zum 16.07.2006 in Kraft getretene decreto legislativo grundlegend reformiert wurde, waren nur zwei Formen des Ausgleichs gesetzlich vorgesehen. Es handelte sich um den Ausgleich unter Sicherheitsleistung (concordato per garanzia) und um den Ausgleich unter Abtretung von Gütern (concordato con cessione dei beni). Ein Ausgleichsvorschlag der Spezies „concordato per garanzia“ sah gem. Art. 160 II Nr. 1 LF a. F. vor, dass der Schuldner Personal- oder Realsicherheiten anbot, um die mindestens vierzigprozentige Befriedigung der nichtbevorrechtigten Gläubiger innerhalb von sechs Monaten ab der gerichtlichen Bestätigung des Ausgleichs zu gewährleisten. Ein Ausgleichsvorschlag der Spezies „concordato con cessione dei beni“ enthielt gem. Art. 160 II Nr. 2 LF a. F. das Angebot des Schuldners, sämtliche im Zeitpunkt des Vorschlags vorhandenen Güter zur Befriedigung der Schulden abzutreten.328 Die zu erwartende Befriedigung der nichtbevorrechtigten Gläubiger durfte wiederum vierzig Prozent nicht unterschreiten. Neben den beiden gesetzlich vorgesehen Formen des Ausgleichs bildete sich in der Praxis der concordato misto heraus, also eine Mischform.329 Solche Ausgleichsvorschläge, die sowohl Elemente des concordato per garanzia enthielten als auch solche des concordato con cessione dei beni, wurden je nach Schwerpunkt einem der beiden Ausgleichstypen zugeordnet und dem entsprechenden Regelungsregime unterworfen.330 Eine von den beschriebenen Varianten abweichende inhaltliche Gestaltung des Ausgleichs war unzulässig. bb) Rechtslage seit dem 16.07.2006 Seit dem 16.07.2006 kann im Rahmen des concordato preventivo gem. Art 160 a) LF die Umschichtung der Schulden und die Befriedigung der Forderungen in jedweder Form auf der Grundlage eines entsprechenden Planes vereinbart werden. Die bereits aus dem alten Recht bekannte Abtre328
Zur Vorgehensweise bei der Abtretung von Gütern und zu ihrer Wirkung siehe im Detail unter C.I.1.m)bb)(1), S. 163 f. 329 Schiano di Pepe-Caffi, Il diritto fallimentare riformato, S. 613. 330 Ebd. (Fn. 329).
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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tung von Vermögenswerten wird ausdrücklich als zulässige Gestaltungsmöglichkeit aufgeführt. Der Ausgleich unter Sicherheitsleistung wird zwar nicht ausdrücklich in der Neufassung des Art. 160 LF genannt, er bleibt aber weiterhin zulässig.331 Denkbar ist außerdem beispielsweise die Einigung auf ein Moratorium oder auf einen (teilweisen) Schuldenerlass.332 Die bislang zwingend einzuhaltende Mindestbefriedigung der nichtbevorrechtigten Gläubiger in Höhe von 40% der Forderungen ist im Zuge der Reform weggefallen. Insofern wurden die vertraglichen Spielräume von Schuldner und Gläubigern bei der Gestaltung des Ausgleichs deutlich erweitert.333 Dieser Spielraum ist sogar so groß, dass das Gesetz darauf verzichtet, den Parteien das Ziel des Ausgleichs vorzugeben. Auf Grund der allgemeinen Formulierung des Art. 160 a) LF können sich Gläubiger und Schuldner nämlich im Rahmen des concordato preventivo sowohl auf einen Plan einigen, der auf die Fortführung des Unternehmens abzielt, als auch auf einen Plan, der die Zerschlagung des Unternehmens vorsieht.334 Art. 160 b) LF lässt zudem die „Zuweisung der Tätigkeiten jener Unternehmen, die vom Ausgleichsvorschlag betroffen sind, an einen Übernehmer“ zu. Auf die Bedeutung dieser Vorschrift wird noch einzugehen sein.335 Schließlich kann der Plan, der dem Ausgleich zu Grunde liegt, gem. Art. 160 c) und d) LF die Einteilung der Gläubiger in Klassen sowie die unterschiedliche Behandlung von Angehörigen verschiedener Klassen vorsehen. Die Möglichkeit, die Gläubiger in Klassen einzuteilen, ist zwar im Hinblick auf den concordato preventivo neu. Grundsätzlich ist diese Technik dem italienischen Recht aber nicht fremd, denn das Verfahren der außerordentlichen Verwaltung kennt diese Möglichkeit bereits.336
331
Trib. Milano, Urteil vom 29.12.2005, abgedruckt in Il Fallimento 2006, 576. Costa, ZInsO 2006, 1071 (1074); zu den einzelnen Befriedigungsmöglichkeiten siehe Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 21 ff. 333 Bünger, DZWIR 2006, 455 (456). 334 Trib. Salerno Dir. fall. 2006, II, 153; Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 158; Costa, ZInsO 2006, 1071 (1074); Bünger, DZWIR 2006, 455 (457); Misino, La relazione prevista dal secondo comma del novellato Art. 161 della legge fallimentare – iniziali riflessioni, S. 2, abzurufen unter www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 28.05.2007; Canale, Riv. Dir. proc. 2005, 897 (901); Tedeschi, Manuale del nuovo diritto fallimentare, S. 547; Panzani, Il Fallimento 2006, 1009 (1010). 335 Siehe dazu unter C.I.1.m)bb)(2), S. 164 f. 336 Costa, ZInsO 2006, 1071 (1074); Santangeli-Allegriti, Art. 160, Anm. 3, S. 712 f.; die Einteilung der Gläubiger in Klassen bei der amministrazione straordinaria geht zurück auf das sog. „Parmalat-Gesetz“ vom 18.02.2004. 332
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
b) Erfolgsfaktor: Niedrige Zugangsschwelle Im dritten Kapitel ist bereits die Frage aufgeworfen worden, ob aus Schuldnersicht die italienische Rechtsordnung gegenüber der deutschen vorzuziehen ist, und zwar wegen des erleichterten Zugangs zu zerschlagungsabwendenden Verfahren. Um diese Frage beantworten zu können, muss zunächst geklärt werden, an welche Voraussetzungen der Zugang zu zerschlagungsabwendenden Verfahren nach italienischem Recht geknüpft ist. Konkret ist zu fragen, unter welchen Voraussetzungen der Schuldner zum concordato preventivo zugelassen werden kann. aa) Insolvenzfähigkeit Um einen concordato preventivo vereinbaren zu können, muss der Schuldner gem. Art. 1 LF zum Kreis der Unternehmer gehören, die dem Konkurs und dem Ausgleich unterliegen. Der Schuldner muss also mit anderen Worten insolvenzfähig sein. Das ist gem. Art. 1 I LF dann der Fall, wenn es sich bei dem Schuldner um einen Unternehmer handelt, der eine Handelstätigkeit ausübt (imprenditore commerciale). Zu den Handelstätigkeiten zählen alle Aktivitäten, die nicht landwirtschaftliche Tätigkeiten i. S. d. Art. 2135 des italienischen Zivilgesetzbuchs (codice civile, kurz cc) sind.337 Insbesondere gehören zu den Handelstätigkeiten die in Art. 2195 cc aufgeführten Aktivitäten, die zur Eintragung in das Unternehmensregister angemeldet werden müssen.338 (1) Keine Insolvenzfähigkeit von landwirtschaftlichen Betrieben Da eine landwirtschaftliche Tätigkeit unter keinen Umständen eine Handelstätigkeit ist, sind landwirtschaftliche Betriebe (imprenditori agricoli) gem. Art 1 I LF von der Insolvenzfähigkeit ausgeschlossen.339 Diese Unterscheidung zwischen Handelsunternehmern und landwirtschaftlichen Betrieben wird zwar teilweise als ungerechtfertigt und antiquiert empfunden,340 wurde aber im Laufe der Reform beibehalten. 337
Fiale, Diritto fallimentare, S. 29. Correnti/Schulte-Frohlinde, ZInsO 2006, 1020 (1022 Fn. 26); zu den eintragungspflichtigen Tätigkeiten zählen die industrielle Produktion von Waren und Dienstleistungen, Zwischenhandel, Transport zu Wasser, zu Luft und auf dem Boden, Finanzdienstleistungen sowie Hilfstätigkeiten im Bezug auf die vorgenannten Tätigkeiten. 339 Fiale, Diritto fallimentare, S. 25 f., 29; Correnti/Schulte-Frohlinde, ZInsO 2006, 1020 (1022). 338
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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(2) Keine Insolvenzfähigkeit von öffentlichen Körperschaften Ebenso von den insolvenzfähigen Handelsunternehmern ausgenommen sind gem. Art. 1 I, 2. Hs. LF öffentliche Körperschaften (enti pubblici). (3) Keine Insolvenzfähigkeit von Kleinunternehmern Zu den nicht insolvenzfähigen Subjekten zählen gem. Art. 1 II LF außerdem solche Unternehmer, die gewisse quantitative, die Dimension des Unternehmens betreffende Merkmale nicht erfüllen. Bis zur „Reform der Reform“ durch das zum 01.01.2008 in Kraft getretene decreto correttivo wurden solche Unternehmer als Kleinunternehmer (piccoli imprenditori) bezeichnet. Der Begriff des Kleinunternehmers hat in der Vergangenheit in der italienischen Fachöffentlichkeit immer wieder Diskussionen ausgelöst, was letztlich zur Streichung dieses konfliktbeladenen Begriffs aus der Neufassung des Art. 1 II LF geführt hat. Diese in die Streichung mündende Entwicklung soll an dieser Stelle nachgezeichnet werden: (a) Wandel des Kleinunternehmerbegriffs (aa) Rechtslage vor dem 16.07.2006 (a) Definitionen des Kleinunternehmers Bis zum 16.07.2006 definierte Art. 1 II LF den Kleinunternehmer positiv. Zur Bestimmung der Kleinunternehmereigenschaft wurde vorrangig auf die Höhe der erwirtschafteten Erträge abgestellt, nachrangig wurde außerdem das in das Unternehmen investierte Kapital berücksichtigt. Demnach gehörte zu den Kleinunternehmern, wer in sein Handelsunternehmen nicht mehr als 900.000 Lire investiert hatte. Der Gesetzgeber des Jahres 1942 hatte aber offensichtlich nicht mit dem rapiden Verfall der italienischen Währung gerechnet – 900.000 Lire entsprachen vor der Einführung des Euro nur noch etwa 900 D-Mark, also ungefähr 450 Euro. Da wohl die allermeisten Unternehmer mehr als 450 e in ihr Unternehmen investieren, hatte Art. 1 II LF a. F. kaum noch eine selektive Funktion. Die Rechtsprechung orientierte sich daher verstärkt an der Definition des Kleinunternehmers in Art. 2083 cc. Diese Norm wurde aber auf Grund des relativ großen Auslegungsspielraums (Art. 2083 cc spricht generalklauselartig von „jenen, die eine vorwiegend 340 Santangeli-Santangeli, Art. 1, Anm. 1, S. 5; Correnti/Schulte-Frohlinde, ZInsO 2006, 1020 (1022); Fortunato, Il Corriere Giuridico 2005, 597 (598).
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
auf eigener Arbeit . . . aufgebaute berufliche Tätigkeit ausüben“) uneinheitlich gehandhabt, so dass dieselben Rechtssubjekte von einigen Gerichten für insolvenzfähig gehalten wurden, von anderen nicht.341 (b) Verhältnis der in Art. 2083 cc und Art. 1 II LF enthaltenen Definitionen zueinander Die Anlässe für die bereits erwähnten akademischen Auseinandersetzungen um den Kleinunternehmerbegriff sind vielfältig. Im Mittelpunkt dieser Kontroversen stand jedoch stets die Frage nach dem Verhältnis des Art. 1 II LF zu Art. 2083 cc. Die letztgenannte Norm definiert den Kleinunternehmer nach der Art seiner Tätigkeit, nämlich u. a. dem Handwerk und dem Ackerbau.342 Zwischen Art. 2083 cc einerseits, der den Kleinunternehmer qualitativ bestimmt und Art. 1 LF andererseits, der auf quantitative Gesichtspunkte abstellt, ergaben sich häufig Unvereinbarkeiten und Wertungswidersprüche.343 So konnte es beispielsweise passieren, dass ein Handwerker wegen seiner Tätigkeit nach dem Zivilgesetzbuch als Kleinunternehmer anzusehen war, während er nach dem Konkursgesetz wegen der Überschreitung der relevanten Einkommensgrenzen nicht unter den Begriff des Kleinunternehmers fiel.344 Dieses Beispiel verdeutlicht die vom Reformgesetzgeber erkannte Notwendigkeit, die in Art. 1 II LF enthaltene Definition des Kleinunternehmers zu überarbeiten. Wie zu zeigen sein wird,345 konnte jedoch auch die Reformgesetzgebung das umstrittene Verhältnis des Art. 2083 cc zu Art. 1 II LF zunächst nicht klären. (g) Ungleichbehandlung von „kleinen“ Einzelunternehmen und „kleinen“ Gesellschaften Art. 1 II 3 LF sah in der bis zum 16.07.2006 geltenden Fassung vor, dass Handelsgesellschaften keinesfalls zu den Kleinunternehmern zählten. Handelsgesellschaften wurden also auch dann nicht gem. Art. 1 II LF a. F. von der Insolvenzfähigkeit ausgenommen, wenn sie die in Art. 1 II LF a. F. angegebenen Schwellenwerte unterschritten. Mit anderen Worten waren Handelsgesellschaften stets insolvenzfähig. Wurde die Handelstätigkeit jedoch 341
Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, Art. 1, S. 5. Als Kleinunternehmer gelten gem. Art. 2083 cc Selbstbebauer von Grundstücken, Handwerker, Kleinkaufleute und jene, die eine vorwiegend auf eigener Arbeit und der Arbeit ihrer Familienangehörigen aufgebaute berufliche Tätigkeit ausüben. 343 Fiale, Diritto Fallimentare, S. 31. 344 Correnti/Schulte-Frohlinde, ZInsO 2006, 1020 (1022). 345 Siehe unten unter C.I.1.b)aa)(3)(a)(bb)(b), S. 16 f. 342
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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nicht gesellschaftlich organisiert betrieben und wurden die relevanten Schwellenwerte des Art. 1 II LF a. F. unterschritten, gehörte der betreffende Handelsunternehmer zu den insolvenzunfähigen Kleinunternehmern. Unternehmen mit derselben Größe und wirtschaftlichen Bedeutung konnten folglich mal insolvenzfähig sein und mal nicht – je nachdem, ob sie von einer Gesellschaft oder von einem Individuum betrieben wurden. Diese Unterscheidung wurde vielfach als willkürlich kritisiert.346 Die Rechtsprechung rang sich dazu durch, entgegen dem Gesetzeswortlaut gesellschaftlich betriebene und nicht gesellschaftlich betriebene Handelsunternehmen gleichzustellen, so dass „kleine“ Handelsgesellschaften als Kleinunternehmer i. S. d. Art. 1 II LF a. F. nicht den Vorschriften über den Konkurs und den Ausgleich unterlagen.347 (bb) Rechtslage zwischen dem 16.07.2006 und dem 01.01.2008 Zum 16.07.2006 wurde die Definition des Kleinunternehmers in Art. 1 II LF geändert. Dieser Änderung ging eine Diskussion um die zur Bestimmung des Kleinunternehmers maßgeblichen Kriterien voraus. (a) Vorschläge für eine Neufassung der Definition des Kleinunternehmers Uneinigkeit bestand gerade in der Kernfrage, welche Dimension ein Unternehmen haben muss, damit von einem „Kleinunternehmer“ die Rede sein kann sowie an Hand welcher Kriterien die Dimension eines Unternehmens bestimmt werden kann. Im Laufe der Vorarbeiten für die Insolvenzrechtsreform wurden in der Literatur verschiedene Kriterien vorgeschlagen, die im Wesentlichen quantitativer Natur sind. So wurden beispielsweise die Anzahl der Angestellten und die Höhe des Aktivvermögens als geeignete Ansatzpunkte für die Abgrenzung des Kleinunternehmers vom „normalen“ Handelsunternehmer angesehen.348 Der Reformvorschlag des Justizministeriums favorisierte das Kriterium der Bruttoerträge, während nach Ansicht des Wirtschaftsministeriums allein auf die Höhe der Investitionen abgestellt werden sollte.349 In der endgültigen Fassung des Art. 1 II LF fanden sich 346 Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, Art. 1, S. 4; Fiale, Diritto Fallimentare, S. 34 mwN. 347 Cass., Urteil Nr. 18235 vom 21.12.2002, abgedruckt in Il fallimento 2003, 760 ff.; Trib. Milano, Urteil vom 21.03.2003, abgedruckt in Il fallimento 2003, 1121 ff. 348 Relazione illustrativa zu Art. 1 LF, abgedruckt bei Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, S. 3. 349 Santangeli-Santangeli, Art. 1, Anm. 3, S. 7.
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schließlich (als Kompromiss?)350 beide Kriterien – das der Investitionen in Art. 1 II a) LF, das der Bruttoerträge in Art. 1 II b) LF. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, war das Kriterium der getätigten Investitionen auf die Anfangsphase der unternehmerischen Tätigkeit zugeschnitten, in der typischerweise noch keine Erträge verzeichnet werden können.351 Das Kriterium der Bruttoerträge sollte hingegen die Dimension des Unternehmens in einer Phase verlässlich abbilden, in der sich die Investitionen allmählich rentieren und deswegen Erträge zu verzeichnen sind.352 Insofern ergänzten sich die beiden Kriterien, auch wenn sie nach dem Gesetzeswortlaut in einem Alternativitätsverhältnis zueinander standen.353 Beide Kriterien haben einen gewissen Vorteil, der letztlich zu ihrer Auswahl geführt hat: Sowohl die Investitionssumme als auch die Bruttoerträge lassen sich im Einzelfall einfach, schnell und zuverlässig ermitteln, nämlich durch einen Blick in die Bilanz bzw. durch eine Anfrage beim Finanzamt.354 Im Einzelnen sah die zwischen dem 16.07.2006 und dem 01.01.2008 geltenden Fassung der – nunmehr negativen – Kleinunternehmerdefinition in Art. 1 II LF folgende Schwellenwerte vor: Kleinunternehmer war nicht, wer entweder in den Betrieb mehr als 300.000 e investiert hatte (Art. 1 II a) LF) oder wer Bruttoerträge erwirtschaftet hatte, welche – berechnet nach dem Schnitt der letzten drei Jahre oder seit Beginn der unternehmerischen Tätigkeit – eine Jahresgesamthöhe von 200.000 e überschritten (Art. 1 II b) LF).355 Der Gesetzgeber zog Konsequenzen aus der missglückten früheren Fassung des Art. 1 II LF, indem er die in Art. 1 II a) und b) LF angegebenen Werte an einen Referenzwert koppelte und auf diese Weise anpassungsfähig hielt. Die genannten Beträge waren nämlich an die Indizes für Verbraucherpreise356 als Referenzgröße gekoppelt und konnten gem. Art. 1 III LF alle drei Jahre vom Justizminister aktualisiert werden. 350
So vermuten Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, Art. 1,
S. 5. 351 Relazione illustrativa zu Art. 1 LF, abgedruckt bei Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, S. 4; ebenso Fiale, Diritto Fallimentare, S. 33. 352 Ebd. (Fn. 350). 353 Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, Art. 1, S. 5; Fiale, Diritto Fallimentare, S. 33. 354 Santangeli-Santangeli, Art. 1, Anm. 3, S. 7; Fiale, Diritto Fallimentare, S. 33. 355 Nach einer Erhebung des Gesamtstaatlichen Instituts für Statistik (Istituto nazionale di statistica – ISTAT) aus dem Jahr 2004 erreichen nur 21% der Unternehmen aller Gesellschaftsformen einen Umsatz von mehr als 200.000 Euro, siehe Il Sole 24 ore vom 05.09.2007, S. 29. 356 Die vollständige Bezeichnung lautet Indizes für Verbraucherpreise für Familien von Arbeitern und Angestellten, herausgegeben vom Gesamtstaatlichen Institut für Statistik (ISTAT).
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(b) Verhältnis der in Art. 2083 cc und Art. 1 II LF enthaltenen Definitionen zueinander Wie bereits angekündigt, vermochte jedoch auch die Neufassung des Art. 1 II LF die Auslegungsschwierigkeiten nicht zu beseitigen, die das Verhältnis des Art. 1 II LF zu Art. 2083 cc betrafen. Nach der Auffassung einer Minderheit ergänzten Art. 1 II LF n. F. und Art. 2083 cc einander: Art. 1 II LF regele lediglich, wer jedenfalls kein Kleinunternehmer sei.357 Was aber positiv unter einem Kleinunternehmer zu verstehen sei, verschweige das Gesetz. Insofern sei allein die Definition des Kleinunternehmers in Art. 2083 cc maßgeblich. Diejenigen Unternehmer, die die Schwellenwerte des Art. 1 II LF nicht überschritten und deswegen grundsätzlich als Kleinunternehmer in Betracht kämen, müssten also darauf überprüft werden, ob sie gem. Art. 2083 cc unter den Begriff des Kleinunternehmers fielen.358 Nach der Gegenansicht standen Art. 1 II LF und Art. 2083 cc in keinem – wie auch immer gearteten – Konkurrenzverhältnis zueinander. Für insolvenzrechtliche Zwecke sei nämlich allein die Bestimmung der Kleinunternehmereigenschaft gem. Art. 1 II LF maßgeblich, auf Art. 2083 cc komme es insoweit nicht an.359 Wer also die relevanten Schwellenwerte nicht überschreite, gehöre im Umkehrschluss aus Art. 1 II LF automatisch zum Kreis der Kleinunternehmer, ohne dass es einer Überprüfung am Maßstab des Art. 2083 cc bedürfe. Nur die zuletzt dargestellte Ansicht entsprach dem Willen des Gesetzgebers, alle Kriterien für die insolvenzrechtliche Bestimmung des Kleinunternehmers abschließend in einer einzigen Norm zusammenzufassen.360 Art. 1 LF sollte als Norm im allgemeinen Teil der legge fallimentare den Begriff des Kleinunternehmers im insolvenzrechtlichen Sinne einheitlich und verbindlich festschreiben. Für die ergänzende Berücksichtigung des 357 Bailetti, La nozione di piccolo imprenditore dopo l’approvazione della riforma delle procedure concorsuali, in: Il Quotidiano Giuridico vom 23.01.2006, abzurufen unter www.ilquotidianogiuridico.it, Stand: 07.09.2007; These ohne Stellungnahme wiedergegeben von Iozzo, Giur. it. 2006, 2091 (2092); Tribunale di Firenze, Beschluss vom 15.03.2007, zitiert nach Perugini/Massei, La nuova legge fallimentare, S. 30. 358 Ebd. (Fn. 357). 359 Santangeli-Santangeli, Art. 1, Anm. 2, S. 6; Ambrosini-Cavalli, La riforma della legge fallimentare, S. 9; Schiano di Pepe-Schiano di Pepe, Il diritto fallimentare riformato, S. 8; These ohne Stellungnahme wiedergegeben von Iozzo, Giur. it. 2006, 2091 (2092); Tribunale di Milano, Beschluss vom 30.03.2007, zitiert nach Perugini/Massei, La nuova legge fallimentare, S. 31. 360 Santangeli-Santangeli, Art. 1, Anm. 2, S. 6 Fn. 7.
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Art. 2083 cc blieb insofern im Insolvenzrecht kein Raum. Das war zu begrüßen, denn ging man davon aus, dass Art. 2083 cc und Art. 1 LF einen unterschiedlichen Anwendungsbereich haben, konnte es von vornherein nicht zu Überschneidungen zwischen den Definitionen im Zivilgesetzbuch und im Konkursgesetz kommen; die entsprechenden Unklarheiten bei der Zuordnung einzelner Unternehmer wurden verhindert. Im Umkehrschluss aus dem im Insolvenzrecht allein maßgeblichen Art. 1 II LF war folglich Kleinunternehmer, wer die Schwellenwerte des Art. 1 II LF unterschritt. (g) Gleichbehandlung von „kleinen“ Einzelunternehmen und „kleinen“ Gesellschaften Spätestens, seit das italienische Verfassungsgericht den Art. 1 II LF a. F. für verfassungswidrig erklärt hatte361 und daher eine Überarbeitung dieser Norm unausweichlich war, erschien die Unterscheidung zwischen Einzelunternehmen362 und gesellschaftlich organisierten Handelsunternehmen unhaltbar.363 Sie wurde daher aufgegeben. Gemäß der seit dem 16.07.2006 geltenden Fassung des Art. 1 II LF zählen Unternehmer, die eine Handelstätigkeit in der Form eines Einzelunternehmens ausüben, unter denselben Voraussetzungen zu den Kleinunternehmern wie Unternehmer, die eine Handelstätigkeit gesellschaftlich organisiert betreiben. (cc) Rechtslage seit dem 01.01.2008 Zum 01.01.2008 wurde der Art. 1 LF durch das decreto correttivo geändert. Die Änderungen betreffen allein den bislang als Kleinunternehmer bezeichneten Unternehmer. Der Begriff des Kleinunternehmers wurde aus dem Gesetz gestrichen, so dass die Auslegungsschwierigkeiten, die sich bislang aus dem zweifelhaften Verhältnis von Art. 1 LF zu Art. 2083 cc ergaben, nunmehr entfallen. Auch wenn der Kleinunternehmer nicht mehr ausdrücklich als solcher bezeichnet wird, bleibt es dabei, dass Handelsunternehmer, die gewisse Schwellen nicht überschreiten, aus dem Kreis der 361 Cort. Cost., Urteil Nr. 570 vom 22.12.1989, abgedruckt in Il fallimento 1990, 260 f.; das Verfassungsgericht rügte allerdings nicht die Ungleichbehandlung von Individuen und Gesellschaften, sondern die in Art. 1 II LF a. F. vorgegebenen Kapitalgrenzen. 362 Hier wird der Sprachgebrauch der zweisprachigen Gesetzesausgabe übernommen. Bei dem „Einzelunternehmen“ handelt es sich m. E. um ein Unternehmen, das von einem Individuum betrieben wird, also von einer natürlichen Person. 363 Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, Art. 1, S. 4; Fiale, Diritto Fallimentare, S. 34.
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insolvenzfähigen Subjekte ausgeschlossen werden. Die Schwellenwerte betreffen das Aktivvermögen (das in Art. 2424 cc definiert wird und deswegen weniger missverständlich ist als der bisher gebrauchte, vage Begriff der „Investitionen“) und die Bruttoerträge, wobei die als Grenzwert zu Grunde gelegten Beträge gegenüber der bisherigen Fassung des Art. 1 LF unverändert bleiben. Eine erhebliche Neuerung stellt jedoch die Einführung eines dritten Schwellenwertes dar, der die Höhe der Verbindlichkeiten betrifft. Nur wer sowohl die Schwellenwerte im Hinblick auf das Aktivvermögen und die Bruttoerträge unterschreitet als auch die notwendige Höhe der Verbindlichkeiten (i. e. 500.000 Euro) nicht erreicht, ist weder konkurs- noch ausgleichsfähig. Dass die jeweiligen Schwellenwerte unterschritten werden, ist vom Schuldner darzulegen und zu beweisen.364 Der dritte Schwellenwert, der sich auf die Summe der Verbindlichkeiten bezieht, wurde eingeführt, nachdem sich herausgestellt hatte, dass durch die Reformgesetzgebung des Jahres 2006 auch solche Unternehmen aus dem Kreis der insolvenzfähigen Subjekte ausgeschlossen werden, deren Zugang zum Konkurs- und zum Ausgleichsverfahren und vor allem deren Unterwerfung unter das Konkursstrafrecht wegen der Höhe der Verbindlichkeiten und somit wegen der Höhe des den Gläubigern drohenden Ausfallschadens wünschenswert gewesen wäre.365 Insgesamt haben sich die Ausschlusskriterien des Art. 1 LF in der bis Januar 2008 geltenden Fassung als zu restriktiv erwiesen. Bei einigen Gerichten – insbesondere in Neapel und Genua – ist nämlich die Zahl der Konkurseröffnungen um bis zu 80% zurückgegangen, ohne dass zugleich die Zahl der Ausgleichsverfahren nennenswert anstieg.366 Die Änderung des Art. 1 LF durch das decreto correttivo soll dieser Tendenz entgegen wirken. Erste Erhebungen lassen jedoch Zweifel an der Wirksamkeit des gewählten Mittels aufkommen. Denn die Änderung des Art. 1 LF bewirkt nach einer Umfrage des Informationsdienstes CERVED Business Information S. p. A. tatsächlich lediglich eine minimale Veränderung: Der Anteil der insolvenzunfähigen Kapitalgesellschaften sinke von 30% auf 25% (in absoluten Zahlen: von circa 193.000 auf circa 162.000).367 Ein Viertel der Kapitalgesellschaften bleibt also nach den vom CERVED ermittelten Werten aus dem Kreis der ausgleichs- und konkursfähigen Subjekte ausgeschlossen. 364 Siehe die Gesetzesmaterialien Relazione 2007, Art. 1. 365 Siehe die Gesetzesmaterialien Relazione 2007, Art. 1. 366 Quelle: Il Sole 24 ore vom 05.09.2007, S. 367 Quelle: Il Sole 24 ore vom 05.09.2007, S.
al decreto legislativo 7 settembre al decreto legislativo 7 settembre 29. 29.
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(b) Gründe für den Ausschluss des Kleinunternehmers Mit der Streichung des Kleinunternehmerbegriffs aus Art. 1 LF haben sich die kontrovers diskutierten Fragen, wer Kleinunternehmer sei und was den Kleinunternehmer ausmache, schließlich erledigt. Angesichts der Verbissenheit, mit der um eine geeignete und konsensfähige Definition des Kleinunternehmers gerungen wurde, drängt sich jedoch die Frage auf, warum der italienische Gesetzgeber überhaupt Wert darauf gelegt hat, den Kleinunternehmer aus dem Kreis der insolvenzfähigen Subjekte auszuschließen. Möglicherweise lassen sich insofern Rückschlüsse aus den Erwägungen ziehen, die speziell im Hinblick auf den Ausschluss der „kleinen“ Handelsgesellschaften angestellt wurden: Kleine Handelsgesellschaften sollen nicht den Vorschriften über den Konkurs und den Ausgleich unterliegen, um die Anzahl der „Mikro-Insolvenzverfahren“ zu verringern, die sich durch eine geringe Masse und durch kaum wahrnehmbare wirtschaftliche Auswirkungen auszeichnen.368 Gerade diese Kleinverfahren blockieren, so Cattano und Palladino, ohne Nutzen die ohnehin schon ausgelasteten italienischen Gerichte.369 Laut dem italienischen Verfassungsgericht macht es wenig Sinn, kleine Handelsgesellschaften dem aufwendigen Insolvenzverfahren zu unterwerfen, obwohl sich Insolvenzverfahren, die kleine Handelsgesellschaften betreffen, im Hinblick auf den Umfang der Masse und die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Insolvenz nicht von solchen Verfahren unterscheiden, die Kleinunternehmer betreffen.370 Diese Erwägung lässt den Rückschluss zu, dass gerade die typischerweise spärliche Masse und die geringen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Insolvenz den Ausschluss der Kleinunternehmer aus dem Kreis der insolvenzfähigen Subjekte rechtfertigen. Der Zeit- und der Kostenaufwand, den ein Insolvenzverfahren bereitet, stehen nach Ansicht des italienischen Gesetzgebers nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem (finanziellen, wirtschaftlichen) Nutzen, den ein Insolvenzverfahren über einen Kleinunternehmer erwarten lässt. bb) Eröffnungsgrund Ist der Schuldner gem. Art. 1 LF insolvenzfähig, ist nur die erste Hürde auf dem Weg zum Ausgleichsverfahren genommen. Zusätzlich muss ein Eröffnungsgrund vorliegen, der die Einleitung des Ausgleichsverfahrens rechtfertigt. Zur Vorlage eines Ausgleichsplans ist gem. Art. 160 I 1 LF allein 368
Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, Art. 1, S. 4. Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, Art. 1, S. 4. 370 Cort. Cost., Urteil Nr. 54 vom 06.02.1991, zitiert nach Fiale, Diritto Fallimentare, S. 34. 369
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der schuldnerische Unternehmer berechtigt, von ihm muss also die Initiative zur Durchführung eines Ausgleichsverfahrens ausgehen. (1) Rechtslage vor dem 17.03.2005: Zustand der Insolvenz (stato d’insolvenza) Vor der Änderung des Art. 160 LF im Rahmen der Reform durch die Gesetzesverordnung Nr. 35 vom 14.03.2005, die zum 17.03.2005 in Kraft trat, konnte das Ausgleichsverfahren nur auf den Eröffnungsgrund der Insolvenz (stato d’insolvenza) gestützt werden. Nach Art. 5 II LF offenbart sich der Zustand der Insolvenz durch die Nichterfüllung von Verpflichtungen oder durch andere äußere Geschehnisse, die zeigen, dass der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, seinen Verpflichtungen regelmäßig nachzukommen. Verstanden wurde der Zustand der Insolvenz als dauerhafte Zahlungsunfähigkeit371, gleichbedeutend mit dem unumkehrbaren Endzustand der unternehmerischen Krise.372 Dieses Zulassungserfordernis stellte – wenn auch möglicherweise unbeabsichtigt – sicher, dass sanierungsfähigen Unternehmen regelmäßig der Zugang zum Ausgleichsverfahren verwehrt wurde. Sanierungsbemühungen im Rahmen des Ausgleichsverfahrens mussten quasi zum Scheitern verurteilt sein, so dass sich das Ausgleichsverfahren letztlich als Variante der liquidatorischen Verfahren darstellte. Bünger resümiert, der Ausgleich nach alter Regelung verfolgte ebenso wie das reguläre Konkursverfahren primär liquidatorische Ziele und war nicht als Ausweg aus einer unternehmerischen Krise gedacht.373 (2) Rechtslage seit dem 17.03.2005: Krisenlage (stato di crisi) Diese Zielrichtung des Ausgleichsverfahrens hat sich im Zuge der Reform verändert. Seit der Neufassung374 des Art. 160 LF genügt bereits eine 371
Costa, ZInsO 2006, 1071(1074). Bünger, DZWIR 2006, 455 (456); Mastrogiacomo, Il nuovo concordato preventivo e i creditori privilegiati, S. 5, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 31.05.2007; La Malfa, La crisi dell’impresa, il piano proposto dall’imprenditore e i poteri del tribunale nel nuovo concordato preventivo, S. 3, abzurufen auf www. ilcaso.it, Stand: 30.04.2007. 373 Bünger, DZWIR 2006, 455 (456); ebenso Cass., Urteil Nr. 7790 vom 12.07. 1991, abgedruckt in Il Fallimento 1991, 1248; Cass., Urteil Nr. 11216 vom 27.10.1995, abgedruckt in Il Fallimento 1996, 529; sowie Lo Cascio, Il Fallimento 2005, 361 (361); ders., Il concordato preventivo, S. 904; Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 4; Panzani, Il Fallimento 2006, 1009 (1010, 1013). 374 Fassung gemäß der Gesetzesverordnung vom 14.03.2005, in Kraft getreten zum 17.03.2005. 372
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Krisenlage (stato di crisi) als Auslöser des Ausgleichsverfahrens. Grundsätzlich sanierungsfähige Unternehmen, die lediglich eine kurzfristige unternehmerische Krise zu verkraften haben, können somit zum Ausgleichsverfahren zugelassen werden. Der Begriff der Krisenlage i. S. d. Art. 160 I LF wird allerdings durch das Konkursgesetz nicht definiert. Wie zu erwarten war, ist daher ein Streit um den Bedeutungsgehalt des Krisenbegriffs entbrannt. (a) Verhältnis der Begriffe „Krisenlage“ und „Zustand der Insolvenz“ zueinander Im Mittelpunkt dieser Streitigkeit stand zunächst die Frage, wie sich die Begriffe „Zustand der Insolvenz“ und „Krisenlage“ zueinander verhalten. (aa) Exklusivitätsverhältnis von Krisenlage und Insolvenz Einige Stimmen in Rechtsprechung und Literatur vertraten die Ansicht, dass sich ein Unternehmer alternativ entweder in einer Krisenlage oder aber im Zustand der Insolvenz befinden könne. Die beiden Zustände seien voneinander wesensverschieden und schlössen sich daher gegenseitig aus. In Art. 160 n. F. LF werde lediglich die Krisenlage als Eröffnungsgrund genannt, der Eröffnungsgrund der Insolvenz sei gestrichen worden. Daraus folge, dass nur noch der krisenbefangene Unternehmer zum Ausgleichsverfahren zugelassen werden könne, nicht jedoch der insolvente.375 (bb) Spezialitätsverhältnis von Krisenlage und Insolvenz Nach einer anderen Auffassung stellte die Insolvenz einen Spezialfall der Krise dar.376 Der umfassendere Begriff der Krisenlage beinhalte den Zustand der Insolvenz. Demnach seien auch insolvente Unternehmer als krisenbefangene Unternehmer i. S. d. Art. 160 LF zum Ausgleichsverfahren zuzulassen.377 375 Trib. Alessandria, Urteil vom 09.06.2005; Trib. Treviso, Beschluss vom 22.07.2005; Bozza, Il Fallimento 2005, 952 (954); Alessi, Dir. fall. 2005, I, 1131 (1134 f.); zweifelnd Lo Cascio, Il Fallimento 2005, 361 (361), für den nicht ersichtlich ist, ob es sich bei der Krisenlage um die klassische Insolvenz, um einen dieser vorgelagerten Zustand oder um etwas gänzlich Verschiedenes handeln soll; zum Wandel in der Auslegung des Krisenbegriffs siehe Costa, ZInsO 2006, 1071(1074); Bünger, DZWIR 2006, 455 (456). 376 Abrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 18; Ambrosini, Il Fallimento 2005, 949 (949 f.).
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(cc) Klarstellung durch den Gesetzgeber Der letztgenannten Ansicht hat sich der Gesetzgeber angeschlossen. Er hat durch Art. 36 der Gesetzesverordnung Nr. 273 vom 30.12.2005 dem Art. 160 LF einen weiteren Absatz hinzugefügt, der klarstellt, dass auch der Zustand der Insolvenz eine Krisenlage i. S. d. Art. 160 I LF darstellt. Der restriktiven Auslegung des Art. 160 LF, nach der der insolvente Unternehmer nicht zum Ausgleichsverfahren zuzulassen war, ist somit der Boden entzogen. (b) Unklarheiten trotz Klarstellung durch den Gesetzgeber Zwar stellt Art. 160 II LF (seit dem 01.01.2008: Art. 160 III LF) nun eindeutig fest, dass jedenfalls auch der Insolvente sich in einer Krisenlage i. S. d. Art. 160 I LF befindet. Welche Unternehmer in wirtschaftlichen Schwierigkeiten darüber hinaus zur Gruppe der Unternehmer in einer Krisenlage gehören, ist jedoch unklar geblieben. Die Kernfrage lautet, welchen Grad die wirtschaftlichen Schwierigkeiten erreichen müssen, damit von einer Krisenlage i. S. d. Art. 160 I LF die Rede sein kann. Verschiedene Anforderungen werden insofern gestellt: (aa) Vorschläge zur Definition der Krisenlage i. S. d. Art. 160 LF Das Insolvenzgericht Mailand verzichtet völlig darauf, die wirtschaftlichfinanzielle Lage des ausgleichswilligen Unternehmens zu berücksichtigen.378 Das Tatbestandsmerkmal der Krisenlage wird also nicht als eigenständiges Zulassungskriterium wahrgenommen. Zum Ausgleichsverfahren zugelassen wird, wer die erforderlichen Unterlagen beibringt und auch sonst die formalen Anforderungen erfüllt. Ähnlich äußern sich einzelne Stimmen in der Literatur, nach denen der Unternehmer zum Ausgleichsverfahren un377 Trib. Sulmona, Beschluss vom 06.06.2005, abgedruckt in Il fallimento 2005, 793 ff.; Trib. Salerno, Urteil Nr. 2980 vom 03.06.2005, abgedruckt in Il Fallimento 2005, 1297 ff.; Trib. Cagliari, Beschluss vom 23.06.2005; Panzani, Il D. L. 35/2005, la Legge 14 maggio 2005, n. 80 e la Riforma della Legge Fallimentare, S. 7, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007; Pacchi Pesucci, Il nuovo concordato preventivo, S. 12, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007; Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 136, 137; Vitiello, L’approvazione del concordato preventivo, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007; Scarafoni, Dir. fall. 2005, I, 832 (834 ff.); Canale, Riv. Dir. proc. 2005, 897 (900). 378 Trib. Milano, 2. Zivilkammer, Beschlüsse vom 19.05.2005, vom 21.07.2005 und vom 29.09.2005, zitiert nach Santangeli-Allegriti, Art. 160, Anm. 2, S. 708.
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abhängig davon zugelassen werden kann, in welchem Zustand sich sein Unternehmen befindet.379 Andere Vorschläge sehen ebenfalls vor, den Begriff der Krise möglichst weit zu verstehen. Eine Krisenlage i. S. d. Art. 160 LF liege stets vor, wenn unternehmerische Schwierigkeiten eine Übereinkunft mit den Gläubigern erforderten – den Zustand der Insolvenz eingeschlossen.380 Eine sinngemäß fast identische Definition lautet, unter einer Krise sei jegliches Stadium wirtschaftlicher Schwierigkeiten zu verstehen, in dem sich ein Unternehmen befinden könne.381 Einschränkend sei lediglich zu fordern, dass ohne schnelles Eingreifen die Erreichung des unternehmerischen Zwecks ernsthaft gefährdet sein müsse.382 Etwas konkreter sind die Definitionen der Krisenlage, die sich in älteren Entwürfen zur Reform des Konkursgesetzes finden. Nach der Definition der Krise im Gesetzesentwurf der Trevisanato-Kommission383 meint der genannte Begriff eine ökonomische und finanzielle Situation, in der das Unternehmen Gefahr läuft, insolvent zu werden (wörtlich: „eine Situation, (. . .) die das Risiko der Insolvenz verursacht“).384 Die Pajardi-Kommission385 hatte zuvor in ihrem Gesetzesentwurf sogar noch präziser festgelegt, die Krisenlage zeichne sich dadurch aus, dass die gewöhnlichen Einkünfte nicht ausreichten, um die gewöhnlichen Kosten zu decken.386 In eine ähnliche Richtung geht schließlich eine Auffassung, nach der als Krise diejenige Situation zu bezeichnen ist, in der das ökonomisch-finanzielle Gleichgewicht gestört sei, so dass der Unternehmer über kurz oder lang nicht mehr in der Lage sei, seine Verpflichtungen zur rechten Zeit zu erfüllen.387 Geht man 379
Santangeli-Allegriti, Art. 160, Anm. 2, S. 709; ähnlich Canale, Riv. Dir. proc. 2005, 897 (904), nach dessen Ansicht das Tatbestandsmerkmal der Krise nicht vom Gericht zu prüfen ist. 380 Gaballo, Il nuovo concordato preventivo, le novità della riforma e prime applicazioni giurisprudenziali, S. 2, abzurufen auf www.ilcaso.it/arch_interventi.php, Stand: 15.05.2006. 381 Bünger, DZWIR 2006, 455 (456); Panzani, Il D. L. 35/2005, la Legge 14 maggio 2005, n. 80 e la Riforma della Legge Fallimentare, S. 8, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007. 382 Bünger, DZWIR 2006, 455 (456); Misino, La Relazione Prevista dal Secondo Comma del Novellato Art. 161 della Legge Fallimentare – Iniziali Riflessioni, S. 2, abzurufen auf www. ipsoa.it/fallimento, Stand: 28.05.2007. 383 Dazu siehe oben unter A.I., S. 92. 384 Zitiert nach Abrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 16. 385 Dazu siehe oben unter A.I., S. 92. 386 Zitiert nach Abrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 16. 387 Abrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 17; De Ferra, Giur. comm. 2001, I, 193 (198 f.); zu den wirtschaftswissenschaftlichen Methoden, um eine sich abzeichnende Krisenlage durch Bilanzanalyse, Einsatz mathematischer
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von dieser Definition der Krise aus, ist Correnti und Schulte-Frohlinde zuzustimmen, die die Krisenlage i. S. d. Art. 160 LF n. F. mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO gleichsetzen.388 (Wobei natürlich die Krisenlage im Gegensatz zur drohenden Zahlungsunfähigkeit auch die bereits eingetretene Insolvenz erfasst.) (bb) Stellungnahme Die restriktive Auslegung des Krisenbegriffs widerspricht der Absicht des Reformgesetzgebers, den Zugang zum Ausgleichsverfahren so sehr wie möglich zu erleichtern.389 Indem der Gesetzgeber den vormals einzigen Eröffnungsgrund der Insolvenz durch den umfassenderen Eröffnungsgrund der Krisenlage ersetzt hat, hat er sein Anliegen verdeutlicht, Schuldnern möglichst frühzeitig die Chance auf eine Sanierung im Ausgleichsverfahren zu bieten. Diesem Ziel entspricht es, den Begriff der Krisenlage weit zu verstehen. Andererseits dürfen die Konturen des Krisenbegriffs nicht so stark verschwimmen, dass dieser seinen eigenständigen Bedeutungsgehalt verliert. Eine solche Entwicklung käme der richterlichen Elimination eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals gleich und wäre mit der Gewaltenteilung unvereinbar. Einen handhabbaren Maßstab zur Bestimmung der Krisenlage scheint am ehesten die zuletzt wiedergegebene Definition zu bieten, die inhaltlich einer Umschreibung der drohenden Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 18 InsO entspricht. Ob ein Unternehmen künftig in der Lage sein wird, seine Verpflichtungen zur rechten Zeit zu erfüllen, lässt sich aus den Bilanzen ersehen und kann mit Hilfe eines Liquiditätsplanes ermittelt werden. Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist insofern durch den Richter einfacher und verlässlicher festzustellen als nicht näher definierbare „wirtschaftliche Schwierigkeiten“. Das ist vor allem zu begrüßen, weil Unklarheiten über das Vorliegen einer Krisenlage die langwierige Prüfung dieser Zulassungsvoraussetzung nach sich ziehen würden und somit zu einem empfindlichen Zeitverlust führen würden. Nach der vorzugswürdigen Definition umfasst die Krisenlage i. S. d. Art. 160 LF folglich jede wirtschaftliche Situation, angefangen von der Prognose, dass das Unternehmen in nächster Zukunft nicht in der Lage sein wird, sämtliche Verbindlichkeiten zu begleichen (i. e. Modelle und Interpretation von Negativtrends festzustellen Romano/Favino, Il Fallimento 2006, 1341 ff. 388 Correnti/Schulte-Frohlinde, ZInsO 2006, 1020 (1028). 389 Santangeli-Allegriti, Art. 160, Anm. 2, S. 707; Gaballo, Il nuovo concordato preventivo, le novità della riforma e prime applicazioni giurisprudenziali, S. 2, abzurufen auf www.ilcaso.it/arch_interventi.php, Stand: 15.05.2006; La Malfa, La crisi dell’impresa, il piano proposto dall’imprenditore e i poteri del tribunale nel nuovo concordato preventivo, S. 3, 8, abzurufen auf www.ilcaso.it, Stand: 30.04.2007.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
drohende Zahlungsunfähigkeit) bis zum Zustand der Insolvenz („qualsivoglia situazione, che va dalla previsione che l’impresa non sarà in grado nel prossimo futuro di onorare tutti i suoi crediti . . . fino alla condizione di insolvenza . . .“).390 Letztlich bleibt jedoch insofern die Positionierung der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuwarten. cc) Mindestquote Im zweiten Kapitel dieser Arbeit wurde bereits festgestellt, dass das geltende deutsche Insolvenzrecht keine Befriedigung der Gläubiger in Höhe einer gewissen Mindestquote fordert.391 Fraglich ist, ob diese Aussage auch auf das italienische Insolvenzrecht zutrifft. Im Hinblick auf das Erfordernis einer Mindestquote ist im italienischen Recht zwischen nichtbevorrechtigen Gläubigern (creditori chirografari) und privilegierten Gläubigern (creditori privilegiati) zu unterscheiden. Zu Letzteren gehören die Gläubiger, die über Sicherungen wie z. B. Hypothekenoder Pfandrechte verfügen, welche im Insolvenzverfahren zur Absonderung berechtigen würden, d. h. welche einen Anspruch auf bevorzugte Befriedigung aus einem bestimmten Massegegenstand begründen.392 Außerdem zählen zu den privilegierten Gläubigern u. a. Inhaber von Lohnforderungen aus abhängiger Beschäftigung sowie der Fiskus als Inhaber von Forderungen aus Einkommens- und Mehrwertsteuer.393 Unter nichtbevorrechtigten Gläubigern versteht man hingegen solche, die nicht über zur Absonderung berechtigende Sicherungen verfügen.394 (1) Rechtslage vor dem 17.03.2005 (a) Mindestquote hinsichtlich der nichtbevorrechtigten Gläubiger (creditori chirografari) In der alten, bis zum 17.03.2005 geltenden Fassung verlangte Art. 160 LF noch die Befriedigung der nichtbevorrechtigten Gläubiger in Höhe von mindestens 40 Prozent. 390 Santangeli-Allegritti, Art. 160, Anm. 2, S. 707; ebenso Scarafoni, Dir. fall. 2005, I, 832 (834). 391 Kapitel 2 unter A.I.3., S. 36. 392 Costa, ZInsO 2006, 1071 (1073 Fn. 9). 393 Bünger, DZWIR 2006, 455 (457 Fn. 24); Ipsoa-Francis Lefebvre, Fallimento 2006, S. 340 ff. Rn. 3683 ff., dort findet sich ein umfassender Überblick über die verschiedenen Arten von Bevorrechtigungen und ihre gesetzlichen Ursprünge. 394 Costa, ZInsO 2006, 1071 (1073 Fn. 10).
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(b) Mindestquote hinsichtlich der privilegierten Gläubiger (creditori privilegiati) Im Hinblick auf die privilegierten Gläubiger traf Art. 160 LF hingegen keine Aussage. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der den privilegierten Gläubigern zuzuweisenden Mindestquote fehlte. Dennoch gingen Literatur und Rechtsprechung einhellig davon aus, dass die privilegierten Gläubiger vollständig zu befriedigen seien.395 Diese Notwendigkeit wurde aus Art. 177 II 1 LF a. F. abgeleitet, der bestimmte, dass sich die mit einem Recht auf vorzugsweise Befriedigung ausgestatteten Gläubiger nicht an der Abstimmung über den Ausgleichsvorschlag beteiligen dürfen, wenn sie nicht auf ihr Vorzugsrecht verzichten. Dem von Art. 177 II 1 LF normierten Entzug des Stimmrechts müsse eine Befriedigungsgarantie als Ausgleich gegenüberstehen. Denn nur wenn die privilegierten Gläubiger zwangsläufig vollständig zu befriedigen seien, könnten sie kein anerkennenswertes Interesse an der Abstimmung über den Ausgleich haben, weil sie in jedem Fall dieselbe (100%-)Quote erhielten.396 Aus Art. 177 LF ergebe sich insofern die Pflicht zur vollständigen Befriedigung der privilegierten Gläubiger. (2) Rechtslage zwischen dem 17.03.2005 und dem 01.01.2008 Im Zuge der Reform wurden sowohl Art. 160 LF als auch Art. 177 LF geändert. Während die Reformgesetzgebung eindeutige Bestimmungen hinsichtlich der den nichtbevorrechtigten Gläubigern zuzuweisenden Mindestquote enthielt, war die Rechtslage im Hinblick auf die privilegierten Gläubiger weniger klar. Das Gesetz schwieg nämlich hinsichtlich eines den creditori privilegiati zuzuweisenden Mindestprozentsatzes. Bis zu einer Klarstellung durch den Gesetzgeber im Rahmen des decreto correttivo gehörte die umstrittene Frage nach der Mindestbefriedigung der privilegierten Gläubiger zu den zentralen Problemen des reformierten italienischen Insolvenzrechts, und zwar aus folgendem Grund: Bestand eine Pflicht zur vollständigen Befriedigung der privilegierten Gläubiger, war das Scheitern vieler Ausgleichsverfahren vorprogrammiert, weil der Schuldner nur in den seltensten Fällen die vollständige Befriedigung leisten kann. Insofern stand 395 Cass., Urteil Nr. 12632 vom 26.11.1992, abgedruckt in Il Fallimento 1993, 707 ff.; Inzitari, Giur. comm. 1990, I, 383 (391); Balbi, Riv. Dir. proc. 1989, 416 (418 ff., 446 ff.); Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 34; Pacchi-Pacchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 8 f., 11; Canale, Riv. Dir. proc. 2005, 897 (902); Lo Cascio, Il Fallimento 2006, 999 (1004); Ferri, Il Fallimento 2006, 1026 (1026 f.); Tedeschi, Manuale del nuovo diritto fallimentare, S. 545; Patti, I privilegi, S. 129 mwN. 396 Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 34.
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und fiel die Sanierungsfreundlichkeit der Reformgesetzgebung mit der Existenz einer Pflicht zur vollständigen Befriedigung der bevorrechtigten Gläubiger. (a) Mindestquote hinsichtlich der nichtbevorrechtigten Gläubiger An die Quote der nichtbevorrechtigten Gläubiger wurden seit dem 17.03.2005 keine Anforderungen mehr gestellt. Welche Quote den creditori chirografari zugesichert wurde, war also Verhandlungssache.397 (b) Mindestquote hinsichtlich der privilegierten Gläubiger Wie bereits erwähnt, ließ die Reformgesetzgebung hinsichtlich der Mindestquote der privilegierten Gläubiger unterschiedliche, einander widersprechende Rückschlüsse zu: (aa) Vollständige Befriedigung der privilegierten Gläubiger erforderlich Ein gewichtiges Argument für die Notwendigkeit, die privilegierten Gläubiger vollständig zu befriedigen, ließ sich weiterhin aus Art. 177 LF ableiten.398 Die gegenüber der früheren Fassung nur leicht modifizierte Norm ordnete an, dass die mit einem Vorzugsrecht, einem Pfandrecht oder einer Hypothek ausgestatten Gläubiger bei der Abstimmung über die Annahme des Ausgleichsvorschlags kein Stimmrecht hatten, soweit sie nicht auf das Recht der vorzugsweisen Befriedigung verzichteten. Die Verfechter einer Pflicht zur vollständigen Befriedigung der privilegierten Gläubiger argumentierten, würde man im Zuge der Reform den privilegierten Gläubigern das Recht auf vollständige Befriedigung absprechen, stehe dem Entzug des Stimmrechts gem. Art. 177 III LF n. F. keine Befriedigungsgarantie als Ausgleich mehr gegenüber. Den privilegierten Gläubigern werde also entschädigungslos ihr Stimmrecht genommen bzw. die privilegierten Gläubiger 397
Costa, ZInsO 2006, 1071 (104). Cass., Urteil Nr. 12632 vom 26.11.1992, abgedruckt in Il Fallimento 1993, 707 ff.; Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 34 ff.; Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 270 ff.; Santangeli-Allegriti, Art. 177 Anm. 1, S. 746; Panzani, Il D. L. 35/2005, la Legge 14 maggio 2005, n. 80 e la Riforma della Legge Fallimentare, S. 6, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007; Pacchi Pesucci, Il nuovo concordato preventivo, S. 18, abzurufen auf www. ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007; Alemagna/Borella/Subitosi, Il nuovo codice del fallimento, Art. 160, Anm. c), S. 587. 398
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würden gezwungen, durch den Verzicht auf ihre gesetzlich begründeten Vorrechte ihr Stimmrecht zu erkaufen. Das sei nicht nur ungerechtfertigt und unverständlich,399 sondern sogar verfassungsrechtlich bedenklich.400 Schließlich unterschieden sich die privilegierten Gläubiger hinsichtlich ihrer Befriedigungsaussichten nicht von den nichtbevorrechtigten Gläubigern, falls man das Fehlen einer Befriedigungsgarantie annehme. Vor diesem Hintergrund sei es nicht einzusehen, dass die nichtbevorrechtigten Gläubiger in jedem Fall zur Abstimmung zugelassen seien, die privilegierten Gläubiger aber nur ausnahmsweise. (bb) Teilweise Befriedigung der privilegierten Gläubiger zulässig Das Konkursgesetz bot jedoch auch einen Anhaltspunkt für die Zulässigkeit der teilweisen Befriedigung von privilegierten Gläubigern, nämlich Art. 160 I d) LF n. F.401 Dort hieß es, der Plan könne vorsehen, Gläubiger, die verschiedenen Klassen angehören, unterschiedlich zu behandeln. Das Gesetz beschränkte die Einteilbarkeit der Gläubiger nicht auf die nichtbevorrrechtigten Gläubiger. Aus dieser Tatsache folgerten diejenigen, die die teilweise Befriedigung der privilegierten Gläubiger für zulässig hielten, dass auch die privilegierten Gläubiger untereinander in Klassen einteilbar sein müssten.402 Die Einteilung der privilegierten Gläubiger in unterschied399
Trib. Sulmona, Beschluss vom 06.06.2.05, abgedruckt in Il fallimento 2005, 793 (800); Trib. Bari, Il fallimento 2006, 52; Trib. Turino, Beschluss vom 17.11.2005, abgedruckt in Il Fallimento 2006, 691 ff.; Panzani, Il D. L. 35/2005, la Legge 14 maggio 2005, n. 80 e la Riforma della Legge Fallimentare, S. 6, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007; Pacchi Pesucci, Il nuovo concordato preventivo, S. 18, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06. 2007; Ferro, Il Fallimento 2005, 587 (592); Lo Cascio, Il Fallimento 2006, 999 (1004); unentschieden Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 132. 400 Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 35; Panzani, Il D. L. 35/2005, la Legge 14 maggio 2005, n. 80 e la Riforma della Legge Fallimentare, S. 6, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007; Canale, Riv. Dir. proc. 2005, 897 (908); Trib. Sulmona, Beschluss vom 06.06.2005, abgedruckt in Il fallimento 2005, 793 (800), das eine teilweise Befriedigung der privilegierten Gläubiger bei gleichzeitiger Einschränkung des Stimmrechts gem. Art. 177 III LF für unvereinbar mit Art. 3, 24 der italienischen Verfassung hält. 401 Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 34 ff.; AmbrosiniScovazzo, La riforma della legge fallimentare, S. 329; Ferri, Il Fallimento 2006, 1026 (1026); ders., Il Fallimento 2006, 691 (691, 695); Censoni, Giur. comm. 2005, I, 723 (723 f.); Vitiello, L’approvazione del concordato preventivo, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007; Gaballo, Il nuovo concordato preventivo, le novità della riforma e prime applicazioni giurisprudenziali, S. 3 f., abzurufen auf www.ilcaso.it/arch_interventi.php, Stand: 15.05.2006. 402 Trib. Modena, Beschluss Nr. 839/2006 vom 07.04.2006; Bünger, DZWIR 2006, 455 (458); Gaballo, Il nuovo concordato preventivo, le novità della riforma e
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lich zu behandelnde Klassen sei jedoch nur dann sinnvoll, wenn den einzelnen Klassen von Gesetzes wegen verschiedene Befriedigungsquoten und Zahlungsfristen vorgeschlagen werden dürften. Den privilegierten Gläubigern müsse also gerade nicht eine einheitliche Befriedigungsquote von 100% angeboten werden. Mit anderen Worten dürfe mit den privilegierten Gläubigern eine teilweise Befriedigung vereinbart werden.403 Auch die Rechtsnatur des concordato preventivo als vertragliche Vereinbarung wurde als Argument für die Zulässigkeit einer teilweisen Befriedigung vorgebracht.404 Die gesetzliche Festlegung einer hundertprozentigen Befriedigungsquote sei mit dem Charakter einer vertraglichen Vereinbarung unvereinbar, denn sie lasse keinen Raum mehr für Verhandlungen. Diese seien jedoch gerade wesenstypisch für vertragliche Vereinbarungen wie den concordato preventivo. Folglich müsse die den privilegierten Gläubigern zuzuweisende Quote Verhandlungssache sein, was auch die Möglichkeit einer teilweisen Befriedigung einschließe. (cc) Stellungnahme Vor dem Hintergrund der zwischen dem 17.03.2005 und dem 01.01.2008 geltenden Rechtslage sprachen die überzeugenderen Argumente für die Zulässigkeit einer teilweisen Befriedigung der privilegierten Gläubiger. Ein besonders gewichtiges Argument ließ sich aus Art. 182-ter I LF ableiten, der den Vergleich mit der Steuerbehörde betraf und der im Zuge der Reform eingeführt worden war. Art. 182-ter I LF setzte nämlich implizit voraus, dass die privilegierten Gläubiger im Ausgleichsverfahren teilweise befriedigt werden dürfen.405 Denn für den Fall, dass die Steuerschuld durch prime applicazioni giurisprudenziali, S. 3, abzurufen auf www.ilcaso.it/arch_inter venti.php, Stand: 15.05.2006; Cattano/Palladino-Quataro, La riforma del diritto fallimentare, S. LIII; aber strittig, gegen die Einteilbarkeit der privilegierten Gläubiger: Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 274; ders., Il Fallimento 2006, 999 (1002); generell verneinen diejenigen, die die vollständige Befriedigung der privilegierten Gläubiger fordern, die Unterteilbarkeit der privilegierten Gläubiger in Klassen. 403 Ambrosini-Scovazzo, La riforma della legge fallimentare, S. 329; Ferri, Il Fallimento 2006, 1026 (1026); ders., Il Fallimento 2006, 691 (691, 695); Censoni, Giur. comm. 2005, I, 723 (723 f.); Vitiello, L’approvazione del concordato preventivo, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007; Costa, ZInsO 2006, 1071 (1074); Bünger, DZWIR 2006, 455 (458); Gaballo, Il nuovo concordato preventivo, le novità della riforma e prime applicazioni giurisprudenziali, S. 3 f., abzurufen auf www.ilcaso.it/arch_interventi.php, Stand: 15.05.2006; Cattano/PalladinoQuataro, La riforma del diritto fallimentare, S. LV; Mandrioli, Il Fallimento 2005, 1337 (1337); Fabiani, Foro it. 2005, V, 153 (158 f.). 404 Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 36 Fn. 87 mit Verweis auf Demarchi, Il nuovo rito civile, Bd. 3, Kommentar zu Art. 177.
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ein Vorrecht gesichert war, ordnete Art. 182-ter I LF an, dass die Befriedigungsquote406, die mit der Steuerbehörde vereinbart wurde, nicht schlechter sein durfte als die Befriedigungsquote, die den mit einem Vorrecht niederen Ranges ausgestatteten Gläubigern in dem Plan i. S. d. Art. 160 I LF zugesichert wurde. Art. 182-ter I LF ging also davon aus, dass mit den bevorrechtigten Gläubigern – und zwar auch und insbesondere mit solchen, die nicht Gläubiger einer Steuerschuld waren – in Abhängigkeit vom Rang ihres Vorrechtes unterschiedliche Befriedigungsquoten ausgehandelt werden konnten. Eine Pflicht zur einheitlichen, vollständigen Befriedigung privilegierter Gläubiger bestand demnach gerade nicht.407 Die Art. 124 III und Art. 182-ter LF, die beim Zwangsausgleich bzw. beim Vergleich mit der Steuerbehörde eine teilweise Befriedigung privilegierter Gläubiger zuließen, belegten außerdem, dass das Prinzip der vollständigen Befriedigung privilegierter Gläubiger nicht zu den fundamentalen, unantastbaren Grundregeln des italienischen Insolvenzrechts gehörte.408 Zudem legten teleologische Erwägungen die Schlussfolgerung nahe, dass die teilweise Befriedigung privilegierter Gläubiger zulässig sein müsse: Der Gesetzgeber wollte im Zuge der Reform das Ausgleichsverfahren flexibler gestalten und die Rettung insolventer Unternehmen vereinfachen.409 Mit dieser Zielsetzung wäre die Notwendigkeit der vollständigen Befriedigung aller privilegierten Gläubiger unvereinbar.410 Denn die vollständige Befriedigung lässt sich – wenn überhaupt – in der Regel nur durch die Liquidation sämtlicher Vermögenswerte erreichen.411 Bei bereits zahlungsunfähigen 405
Ferro, Il Fallimento 2006, 695 (696 f.). Sowie weitere Konditionen wie Fälligkeit und Sicherheiten, die hier aber nicht interessieren. 407 Ferro, Il Fallimento 2006, 695 (696 f.). 408 Cattano/Palladino-Quataro, La riforma del diritto fallimentare, S. LV; Tedeschi, Manuale del nuovo diritto fallimentare, S. 545; Santangeli-Allegriti, Art. 177, Anm. 1, S. 748; Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 270; Ambrosini-Scovazzo, La riforma della legge fallimentare, S. 330; Ferri, Il Fallimento 2006, 1026 (1031); ders., Il Fallimento 2006, 695 (695 f.). 409 Dazu siehe oben unter A.III., S. 96 f.; siehe auch insbesondere die Gesetzesmaterialien: Relazione illustrativa al D. LGS. 9 Gennaio 2006, N. 5, abgedruckt bei Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, S. LXXXIII f. 410 Panzani, Il D. L. 35/2005, la Legge 14 maggio 2005, n. 80 e la Riforma della Legge Fallimentare, S. 6, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007; Bünger, DZWIR 2006, 455 (458); Gaballo, Il nuovo concordato preventivo, le novità della riforma e prime applicazioni giurisprudenziali, S. 3, abzurufen auf www. ilcaso.it/arch_interventi.php, Stand: 15.05.2006; Jorio, in: Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. XII; Ambrosini-Scovazzo, La riforma della legge fallimentare, S. 329 f.; Ferri, Il Fallimento 2006, 695 (695). 411 Bünger, DZWIR 2006, 455 (458). 406
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Unternehmen wird die vollständige Befriedigung der privilegierten Gläubiger häufig gar unerreichbar sein. Es fragt sich daher, warum insolvente Unternehmer gem. Art. 160 II LF überhaupt zum Ausgleichsverfahren zugelassen werden konnten, wenn sie doch spätestens an der erforderlichen Mindestquote scheiterten. Fordert man die vollständige Befriedigung der privilegierten Gläubiger, verkleinert sich der Kreis der Unternehmen, die am Ausgleichsverfahren teilnehmen können, erheblich. Selbst die Unternehmen, die diesem kleinen Kreis angehören, hätten schlechte Sanierungschancen. Nach der Befriedigung der privilegierten Gläubiger verbliebe nämlich kaum Kapital, das für die Rettung und Fortführung des Unternehmens genutzt werden könnte. Die Reformgesetzgebung würde also weder eine Erleichterung der Sanierung von insolventen Unternehmen bewirken, noch würde das Ausgleichsverfahren flexibler gestaltet.412 Schuldner und Gläubiger würden im Gegenteil durch die Bindung an eine fixe Quote daran gehindert, jede erdenkliche, im Einzelfall sinnvolle Sanierungslösung zu vereinbaren. Eine solche starre und sanierungsfeindliche Regelung würde der Intention des Gesetzgebers widersprechen. Daher musste eine teleologische Auslegung der Art. 160, 177 LF zu dem Schluss kommen, dass Art. 177 LF nicht die vollständige Befriedigung der privilegierten Gläubiger vorschrieb, auch wenn der teilweise unverändert gebliebene Wortlaut der genannten Norm eine andere Deutung zulassen mochte.413 Der Gesetzgeber war allerdings aufgefordert, durch die Überarbeitung des Art. 177 III LF oder durch eine Ergänzung des Art. 160 I LF Klarheit hinsichtlich der Behandlung privilegierter Gläubiger zu schaffen. Die – zumindest nach der Auffassung eines Teils von Rechtsprechung und Lehre erfolgte – Abschaffung der Befriedigungsgarantie bot neben der Vereinbarkeit mit den gesetzgeberischen Zielsetzungen noch weitere Vorteile. So erledigte sich die bislang bestehende und nur schwer zu rechtfertigende Pflicht des Schuldners, einen privilegierten Gläubiger auch dann vollständig zu befriedigen, wenn der mit einem Vorrecht besicherte Gegenstand zwischenzeitlich seinen Wert verloren hatte.414 Außerdem gab es keinen Anlass mehr für die bisher verbreiteten „Wettrennen“ um Hypothekeneintragungen zu dem alleinigen Zweck, einen Anspruch auf vollständige Befriedigung zu begründen.415 412
Bünger, DZWIR 2006, 455 (458). Fabiani/Patti-Patti, La tutela dei diritti, S. 294 ff.; Ferri, Il Fallimento 2006, 695 ff.; ders., Il Fallimento 2006, 1026 (1032); ders., Giur. comm. 2006, I, 553 ff.; Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 272, der sich aber i. E. gegen eine teleologische Auslegung entscheidet und deswegen zu dem Schluss kommt, dass die privilegierten Gläubiger vollständig zu befriedigen sind. 414 Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 271; Costa, ZInsO 2006, 1071 (1074). 415 Costa, ZInsO 2006, 1071 (1074). 413
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(3) Rechtslage seit dem 01.01.2008 Der Gesetzgeber ist der an ihn gerichteten Aufforderung, durch die Überarbeitung des Art. 177 LF oder durch eine Ergänzung des Art. 160 LF Klarheit hinsichtlich der Behandlung der privilegierten Gläubiger zu schaffen, inzwischen nachgekommen. Tatsächlich sieht das am 01.01.2008 in Kraft getretene decreto correttivo nämlich sowohl eine Ergänzung des Art. 160 LF als auch des Art. 177 LF vor: Dem Art. 160 LF wird ein Absatz hinzugefügt, der ausdrücklich die Möglichkeit normiert, die privilegierten Gläubiger teilweise zu befriedigen. Die Zulässigkeit der teilweisen Befriedigung ist lediglich an die Voraussetzung geknüpft, dass die im Plan vorgesehene Befriedigung nicht geringer ist als jene, die in Anbetracht der bevorzugten Stellung im Falle einer Liquidation aus dem Erlös erzielt werden könnte, wobei der Marktwert der zu verwertenden Sache zu berücksichtigen ist. Diese Regelung entspricht im Wesentlichen dem Art. 124 III LF im Zusammenhang mit dem Zwangsausgleich. Art. 177 LF wird um einen Absatz ergänzt, der die nicht gänzlich zu befriedigenden privilegierten Gläubiger für den verbleibenden Teil ihrer Forderung den nichtbevorrechtigten Gläubigern gleichstellt. Soweit die privilegierten Gläubiger nicht vollständig befriedigt werden, sind sie also ebenso wie die nichtbevorrechtigten Gläubiger zur Abstimmung über den Ausgleich zugelassen. Nach der Klarstellung durch das decreto correttivo kann folglich die Zulässigkeit der teilweisen Befriedigung von privilegierten Gläubigern künftig nicht mehr zweifelhaft sein. Es ist zu begrüßen, dass eine so wesentliche Frage des italienischen Insolvenzrechts endlich eindeutig in dem beschriebenen Sinne gelöst wird. dd) Weitere Voraussetzungen für die Zulassung zum Ausgleichsverfahren Die Zulassung zum Ausgleichsverfahren setzt(e) die Erfüllung weiterer Anforderungen voraus: (1) Rechtslage vor dem 17.03.2005 (a) Ausgleichswürdigkeit des Schuldners Vor der Reform war die Zulassung zum Ausgleichsverfahren an das Wohlverhalten des Schuldners gebunden, der sich gem. Art. 181 I Nr. 4 i. V. m. Art. 160 I LF a. F. des Ausgleichs würdig erweisen musste. Das Ver-
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fahren sollte, wie es einige Kommentatoren schlagwortartig umschreiben, dem „ehrlichen, aber glücklosen Unternehmer“ („imprenditore onesto, ma sfortunato“) vorbehalten bleiben.416 Konkret forderte Art. 160 LF a. F., dass der Schuldner a) seit mindestens zwei Jahren oder seit Beginn seiner Tätigkeit, sofern dieser weniger als zwei Jahre zurück lag, im Unternehmensregister verzeichnet war, dass er b) in diesem Zeitraum ausnahmslos seine Bücher ordentlich führte, dass er c) in den vergangenen fünf Jahren nicht für insolvent erklärt worden oder zum Ausgleichsverfahren zugelassen worden war und schließlich d) nicht wegen Bankrotts oder wegen Straftaten gegen das Vermögen, den öffentlichen Glauben, die öffentliche Wirtschaft, die Industrie oder den Handel vorbestraft war. (b) Vorlage der notwendigen Unterlagen Zusammen mit dem Ausgleichsantrag musste der Schuldner gem. Art. 161 LF a. F. verschiedene Buchführungsunterlagen vorlegen. Außerdem waren die Insolvenzursachen darzulegen und der Ausgleichsvorschlag zu begründen. (2) Rechtslage seit dem 17.03.2005 (a) Verzicht auf Ausgleichswürdigkeit Die reformierte Fassung des Art. 160 LF verzichtet völlig auf moralische Anforderungen an den Schuldner. Diese Änderung ist zu begrüßen. Denn in einer Zeit, in der die meisten Unternehmen nicht von natürlichen, sondern von juristischen Personen betrieben werden, stellen solche Anforderungen einen Anachronismus dar.417 Auch der „unehrliche und glücklose Unternehmer“ kann also nunmehr zum Ausgleichsverfahren zugelassen werden. (b) Vorlage der notwendigen Unterlagen Um zum Ausgleichsverfahren zugelassen werden zu können, muss der Schuldner nach wie vor eine formale Voraussetzung erfüllen: Er muss die in Art. 161 II LF aufgezählten Unterlagen vorlegen, zu denen u. a. ein Bericht über die Vermögens-, Wirtschafts- und Finanzlage des Unternehmens 416 Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 158; Costa, ZInsO 2006, 1071 (1073); Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 4; Munari, Giur. comm. 1998, I, 47 (47); Pacchi-Pacchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 9. 417 Perugini/Massei, La nuova legge fallimentare, S. 361.
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und ein Forderungsverzeichnis gehören. Die Durchführbarkeit des Plans, der dem Ausgleichsvorschlag zu Grunde liegt, sowie die Richtigkeit der Betriebsdaten müssen durch einen in Art. 28 LF genannten Freiberufler (u. a. Rechtsanwalt, Doktor in Wirtschaftswissenschaften) bestätigt werden. Das entsprechende Gutachten ist den übrigen Unterlagen i. S. d. Art. 161 II LF beizulegen. c) Erfolgsfaktor: Senkung der Hemmschwelle des Schuldners Das Ausgleichsverfahren kann allein auf Initiative des Schuldners eingeleitet werden, denn nur der Schuldner ist gem. Art. 160 I LF berechtigt, den Gläubigern einen Ausgleich vorzuschlagen. Allerdings wird der Schuldner einen Ausgleich regelmäßig nur dann anstreben, wenn dieses Instrument ihm einen Vorteil gegenüber dem regulären Konkursverfahren bietet. Fraglich ist also, was den Ausgleich aus Schuldnersicht so attraktiv erscheinen lässt, dass der Schuldner aus Eigeninitiative das Ausgleichsverfahren einleitet. Einen gewichtigen Vorteil des Ausgleichsverfahrens offenbart Art. 167 LF, der die Vermögensverwaltung während des Ausgleichsverfahrens regelt. Nach Art. 167 I LF behält der Schuldner während des Ausgleichsverfahrens die Befugnis zur Verwaltung seines Vermögens und zur Führung des Unternehmens unter der Aufsicht des „Ausgleichsverwalters“ (commissario giudiziale)418. Die insofern bestehende Parallele zur Eigenverwaltung gem. §§ 270 ff. InsO ist offensichtlich. Im regulären Konkursverfahren wird dem Schuldner hingegen gem. Art. 42 LF durch das Konkurseröffnungsurteil die Verwaltung und die Verfügungsgewalt über seine am Tag der Konkurseröffnung vorhandenen Sachen entzogen. Das Ausgleichsverfahren ermöglicht dem Schuldner also, „Herr im Haus“ zu bleiben, während im Konkursverfahren die Entmachtung des Schuldners samt dem damit verbundenen Ansehensverlust unausweichlich ist. Nach der früheren Fassung des Art. 167 LF stand der Schuldner bei der Verwaltung seines Vermögens und bei der Führung seines Unternehmens nicht nur unter der Aufsicht des „Ausgleichsverwalters“, sondern auch unter der Leitung des beauftragten Richters (la direzione del giudice delegato). Durch die Streichung des letzten Halbsatzes des Art. 167 I LF, der die führende Rolle des Richters betraf, soll die Autonomie des Schuldners bei der Führung seiner Geschäfte gestärkt werden.419 In dieselbe Richtung zielt die 418 Bauer/König/Kreuzer, Das neue italienische Gesetz über Konkurs und andere Insolvenzverfahren, übersetzen commissario giudiziale mit dem Begriff des Gerichtskommissärs, der aber m. E. in der deutschen Rechtssprache nicht geläufig ist. 419 Relazione illustrativa zu Art. 167, abgedruckt bei Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, S. 197; Santangeli-Allegritti, Art. 167.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
neuerdings in Art. 167 LF eingefügte Regelung des Art. 167 III LF. Nach Art. 167 III LF n. F. kann das Gericht eine Wertgrenze festsetzen, unterhalb der solche Rechtshandlungen, die nicht zur ordentlichen Verwaltung gehören, ausnahmsweise keiner richterlichen Genehmigung bedürfen. Grundsätzlich sind gem. Art. 167 II LF Rechtshandlungen, die nicht zur ordentlichen Verwaltung gehören (Beispiele gem. Art. 167 II LF: Abschluss von Darlehensverträgen, Vergleichen, Veräußerung von unbeweglichen Sachen) ohne schriftliche Genehmigung des beauftragten Richters relativ420 unwirksam. Durch die Möglichkeit der Befreiung von der Genehmigungspflicht gem. Art. 167 III LF wird der Entscheidungsspielraum des Schuldners erheblich ausgeweitet, jedenfalls hinsichtlich der außerordentlichen Rechtshandlungen von geringer wirtschaftlicher Tragweite.421 Zugleich wird das Ausgleichsverfahren entlastet,422 denn die Befassung des Richters mit wenig bedeutsamen Geschäften ist nun entbehrlich. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Möglichkeit zur weitgehend selbstbestimmten Fortführung des Unternehmens aus Schuldnersicht den Reiz des Ausgleichsverfahrens ausmacht. Diese Möglichkeit wurde durch die Änderungen des Art. 167 LF noch attraktiver gestaltet. d) Erfolgsfaktor: Nutzung der besonderen Sachkunde des Schuldners Indem die Fortführung des Unternehmens dem eigenverantwortlich handelnden Schuldner überlassen wird, können die Erfahrungen und die besondere Sachkunde des Schuldners für die Zwecke des Insolvenzverfahrens genutzt werden. Das gilt im Hinblick auf das italienische Ausgleichsverfahren ebenso wie im Hinblick auf das deutsche Eigenverwaltungsverfahren. Der Austausch von Organträgern des schuldnerischen Unternehmens gegen Sanierungsexperten im Verlauf des Ausgleichsverfahrens scheint nicht verbreitet zu sein.423 Jedenfalls finden sich keine Hinweise auf eine solche Vorgehensweise in Rechtsprechung und Literatur. Es fehlt also in Italien eine Problematik, die ähnlich gelagert ist wie die Frage nach der Zulässigkeit der Neubesetzung des Vorstandes mit Sanierungsfachleuten im Eigenver420 Gegenüber den „dem Ausgleich vorangegangenen Gläubigern“ (so die Übersetzung von Bauer/König/Kreuzer). 421 Relazione illustrativa zu Art. 167, abgedruckt bei Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, S. 197; Santangeli-Allegritti, Art. 167. 422 Ebd. (Fn. 421). 423 Mögliche Erklärung für diesen Befund: Der Schuldner behält gem. Art. 167 LF kraft Gesetzes seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis. Er muss also nicht dem „Bock als Gärtner“-Einwand durch den Austausch der Unternehmensführung zuvorkommen, um sich in den Augen des Gerichts für die Eigenverwaltung zu qualifizieren (vgl. §§ 270 ff. InsO).
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waltungsverfahren. Ein Vergleich der deutschen und der italienischen Rechtslage erübrigt sich insofern. e) Erfolgsfaktor: Maßvolle Anforderungen an die Annahme des Ausgleichsvorschlags Je höher die zur Annahme des Ausgleichsvorschlags erforderliche Mehrheit ist, desto unwahrscheinlicher erscheint die Annahme des Vorschlags. Auf diesen Zusammenhang wurde bereits hingewiesen.424 Da also maßvolle Anforderungen an die Annahme des Ausgleichsvorschlags einen Erfolgsfaktor des Ausgleichsverfahrens darstellen, ist die nähere Betrachtung der Abstimmungsregeln im Ausgleichsverfahren von Interesse. Die Annahme des Ausgleichsvorschlags erfolgt in zwei Schritten – zunächst durch die Gläubiger selbst und nachfolgend durch das Konkursgericht, das den Ausgleich im Beschlussverfahren bestätigen muss.425 aa) Annahme des Ausgleichs durch die Gläubiger Die Annahme des Ausgleichs durch die Gläubiger richtet sich nach Art. 177 LF. (1) Rechtslage vor dem 17.03.2005 Art. 177 LF forderte in seiner ursprünglichen Fassung die doppelte Mehrheit der Gläubiger, nämlich sowohl die Mehrheit nach Köpfen als auch die Mehrheit nach der Gesamthöhe der Forderungen: Notwendig für die Annahme des Ausgleichs war die Zustimmung der Mehrheit der Gläubiger, die zugleich mindestens zwei Drittel der Forderungen repräsentieren mussten. (2) Rechtslage zwischen dem 17.03.2005 und dem 01.01.2008 (a) Erforderliche Mehrheit, falls keine Klassen gebildet wurden In der Absicht, die Vereinbarung eines Ausgleichs zu erleichtern, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an das erforderliche Quorum verringert:426 424 Siehe oben im 2. Kapitel unter A.II., S. 36 f., die dort zum Insolvenzplanverfahren gemachten Ausführungen gelten für das Ausgleichsverfahren entsprechend. 425 Bünger, DZWIR 2006, 455 (458). 426 Santangeli-Allegritti, Art. 177 Anm. 1, S. 745 sowie Art. 178, S. 751; Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 115.
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Zur Annahme des Augleichs ist nunmehr gem. Art. 177 I 1 LF n. F. nur noch die einfache Mehrheit nach der Forderungshöhe nötig. Der Ausgleich ist mit anderen Worten angenommen, wenn er die Zustimmung der Gläubiger findet, die die Mehrheit der zur Stimmabgabe zugelassenen Forderungen vertreten. Diese Regelung schien allerdings zunächst (bis zu einer Korrektur durch den Gesetzgeber im Rahmen des decreto correttivo) im Widerspruch zu Art. 178 IV LF zu stehen, wo von einer Mehrheit der abstimmenden Gläubiger die Rede war. Vereinzelt wurde aus der Zusammenschau von Art. 177 I 1 und Art. 178 IV LF geschlossen, dass auch nach der Reform nach wie vor sowohl die Mehrheit nach Köpfen als auch die Mehrheit nach der Forderungshöhe zur Annahme des Ausgleichs erforderlich sei.427 Diese Ansicht schien jedoch mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut des Art. 177 I 1 LF schwer vertretbar. Es lag vielmehr nahe, dass der grundlegend geänderte Art. 177 LF nicht mit dem bereits bestehenden und unverändert gebliebenen Art. 178 LF abgestimmt worden war.428 Das dürfte auch erklären, warum Art. 178 IV 2 LF immer noch von der Mehrheit von zwei Dritteln der Gesamtsumme der Forderungen sprach, obwohl die Zwei-Drittel-Regelung ausdrücklich aus Art. 177 I 1 LF n. F. gestrichen worden war. Unter Berücksichtigung dieses Befundes ließ Art. 178 IV LF keinen Rückschluss auf eine vom Gesetzgeber geforderte Mehrheit nach Köpfen zu. Stattdessen blieb es bei der gem. Art. 177 I 1 LF n. F. erforderlichen Zustimmung der einfachen Gläubigermehrheit nach der Forderungshöhe.429 (b) Erforderliche Mehrheit, falls Klassen gebildet wurden Falls die Gläubiger in Klassen unterteilt worden waren, war der Ausgleich gem. Art. 177 I 2 LF angenommen, wenn er die Zustimmung der Gläubiger erhielt, die in der jeweiligen Klasse die Mehrheit der zur Stimmabgabe zugelassenen Forderungen vertraten. Lehnten einzelne Klassen die Zustimmung zum Ausgleich ab, konnte das Konkursgericht deren Zustim427 Panzani, Il D. L. 35/2005, la Legge 14 maggio 2005, n. 80 e la Riforma della Legge Fallimentare, S. 2, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007. 428 Bünger, DZWIR 2006, 455 (458); Santangeli-Allegritti, Art. 178, S. 750; für eine stillschweigende Abschaffung des Art. 178 IV LF daher: Bozza, Il Fallimento 2005, 1208 (1215); ders., Il Fallimento 2005, 801 (802, 803); Bonfatti/FalconeD’Orazio, La riforma della legge fallimentare, S. 303; Pacchi Pesucci, Il nuovo concordato preventivo, S. 21, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007; Vitiello, L’approvazione del concordato preventivo, S. 3, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007. 429 In diesem Sinne auch Trib. Taranto, Beschluss vom 01.07.2005, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 15.06.2007.
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mung ersetzen, wenn die Mehrheit der Klassen dem Ausgleich zugestimmt hatte und wenn die sonstigen Voraussetzungen des Art. 180 IV 2 LF vorlagen.430 Der Ausgleichsvorschlag konnte also nur Erfolg haben, wenn sich jedenfalls die Mehrheit der Klassen für den Ausgleich aussprach, nachdem innerhalb der einzelnen Klassen jeweils die Repräsentanten der Mehrheit der zugelassenen Forderungen dem Ausgleich zugestimmt hatten. Es wurde allerdings vertreten, dass sich nicht nur innerhalb der einzelnen Klassen die Mehrheit nach der Forderungshöhe für die Annahme des Ausgleichsvorschlags aussprechen müsse, sondern dass darüber hinaus die zustimmenden Gläubiger in ihrer Gesamtheit mehr als 50% der Gesamtforderungen vertreten müssten.431 Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass Großgläubiger von Klein(st)gläubigern überstimmt werden können, sofern die Mehrheit der (beispielsweise aus Kleingläubigern bestehenden) Klassen dem Ausgleich zustimmt. Für einen solchen Schutz der Großgläubiger, die auf Grund ihrer besonderen Betroffenheit durch den Augleich selbstverständlich ein entsprechend gewichtiges Mitsprachrecht bei der Gestaltung des Ausgleichs haben müssen, bestand jedoch kein Anlass. Denn die (Groß-)Gläubiger, die ihre Zustimmung zum Ausgleich versagten, wurden bereits durch Art. 180 IV 2 LF hinreichend geschützt.432 Die Zustimmung der Mehrheit der Klassen war nämlich nur dann ausreichend für die Annahme des Augleichsvorschlags, wenn die Klassen, die ihre Zustimmung versagten, durch den Ausgleich nicht schlechter als durch Alternativlösungen gestellt wurden. Nur unter dieser Voraussetzung konnte das Konkursgericht trotz der fehlenden Zustimmung einer oder mehrerer Klassen den Ausgleich gem. Art. 180 IV 2 LF annehmen. Es war somit unnötig, zusätzlich zu fordern, dass die zustimmenden Gläubiger mehr als 50% der Gesamtforderungen repräsentieren müssten. (3) Rechtslage seit dem 01.01.2008 Das am 01.01.2008 in Kraft getretene decreto correttivo stellt jedoch klar, dass der Ausgleich in jedem Fall – unabhängig von der Existenz von Klassen – von der Kapitalmehrheit (maggioranza dei crediti ammessi al voto) angenommen werden muss, Art. 177 I 1 LF. Für den Fall, dass Klassen gebildet wurden, ist zusätzlich erforderlich, dass sich die Kapitalmehr430
Dazu siehe unter C.I.1.f), S. 130 f. Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 116, 117; Bozza, Il Fallimento 2005, 801 (803 f.); ders., Il Fallimento 2005, 1208 (1200, 1210); Stanghellini, Il Fallimento 2006, 1059 (1060). 432 Panzani, Il D. L. 35/2005, la Legge 14 maggio 2005, n. 80 e la Riforma della Legge Fallimentare, S. 12, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007. 431
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heit in der Mehrzahl der Klassen für die Annahme des Ausgleichs ausspricht. Dass die zuletzt genannte Voraussetzung lediglich ein zusätzliches Kriterium darstellt, ergibt sich aus der Formulierung „außerdem“ (inoltre) in Art. 177 I 2 LF. Von einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Forderungen ist im neu gefassten Art. 178 IV LF keine Rede mehr, ebenso wenig von einer Mehrheit der abstimmenden Gläubiger. Die zwischen Art. 177 I und Art. 178 IV LF a. F. zu Tage getretenen Unstimmigkeiten wurden folglich beseitigt. Der Gesetzgeber hat also mit dem decreto correttivo endlich eine eindeutige Regelung hinsichtlich der Mehrheitserfordernisse bei der Abstimmung über den Ausgleich geschaffen. bb) Bestätigung des Ausgleichs durch das Konkursgericht Das Konkursgericht bestätigt den Ausgleich stets, wenn die Gläubiger in einem ordnungsgemäßen Verfahren mit der erforderlichen Mehrheit dem Ausgleich zugestimmt haben und keine Einwände gegen den Ausgleichsvorschlag erhoben wurden (Art. 180 I i. V. m. III LF n. F. bzw. Art. 180 IV 1 LF a. F.) oder wenn die Versagung der Zustimmung bzw. die erhobenen Einwände unbeachtlich sind (Art. 180 IV 1, 2 LF n. F. bzw. Art. 180 IV 2 LF a. F.). f) Erfolgsfaktor: Überwindung von Blockadeverhalten Wie bereits angedeutet wurde,433 kennt auch das italienische Recht eine Regelung zur Überwindung von taktischen Blockaden, die in Anlehnung an das US-amerikanische Vorbild als „meccanismo di cram-down“434 bezeichnet wird. aa) Rechtslage vor dem 17.03.2005 Diese Regelung existiert allerdings erst seit dem 17.03.2005. Zuvor war die Einteilung der Gläubiger in Klassen nicht gestattet. Die Frage, wie die Versagung der Zustimmung durch einzelne Klassen überwunden werden könne, stellte sich somit bis zum 17.03.2005 nicht.
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Siehe oben unter C.I.1.e)aa)(2)(b), S. 128 f. Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 117; Bünger, DZWIR 2006, 455 (459); Santangeli-Allegritti, Art. 177, Anm. 2, S. 749 und Art. 180, Anm. 2, S. 762; Terranova-Bruno, Art. 177, S. 340. 434
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bb) Rechtslage zwischen dem 17.03.2005 und dem 01.01.2008 Mit der Reform vom 17.03.2005 wurde eine cram-down-Regelung eingeführt. Sie fand sich in Art. 180 IV 2 LF sowie annähernd wortgleich in Art. 177 II LF. Nach den genannten Normen konnte das Konkursgericht den Ausgleich trotz der Ablehnung durch eine oder mehrere Klassen annehmen, wenn die Mehrheit der Klassen mit einer internen Mehrheit den Ausgleichsvorschlag angenommen hatte und wenn das Gericht der Ansicht war, dass die Gläubiger, die den ablehnenden Klassen angehörten, durch den Ausgleich in einem nicht geringeren Ausmaß befriedigt werden konnten als dies durch andere, tatsächlich durchführbare Lösungen geschehen konnte. Diese Formulierung schien klar und eindeutig, doch drängte sich die entscheidende Frage auf, was im Einzelfall unter „anderen, tatsächlich durchführbaren Lösungen“ zu verstehen war. Da das Ausgleichsverfahren in der Regel zur Fortführung und Sanierung des Unternehmens genutzt wird, dürfte der Vergleich mit Alternativlösungen auf einen Vergleich mit den Folgen eines regulären Konkursverfahrens, d.h. mit der Liquidation der Unternehmenswerte hinauslaufen.435 Lo Cascio bemängelte allerdings zu Recht, dass die Lösungen zur Bewältigung einer unternehmerischen Krise oder der Insolvenz so vielgestaltig sein können, dass es angesichts der unzähligen Alternativlösungen keine gesicherten Vergleichsdaten gibt, die den Rückschluss zulassen, dass die Befriedigung der Gläubiger im Ausgleichsverfahren jedenfalls nicht geringer ist als bei anderen Vorgehensweisen.436 Ambrosini und Demarchi fragten sich grundlegend, in welcher Hinsicht sich die Alternativlösung nach dem Willen des Gesetzgebers von der Ausgleichslösung unterscheiden solle:437 Soll davon ausgegangen werden, dass die Gläubiger bei der Alternativlösung anders in Klassen eingeteilt werden? Oder soll sogar von der Abschaffung der Klassen ausgegangen werden? Oder aber soll die „Umwandlung“ des Ausgleichs in einen Konkurs unterstellt werden? Oder soll jeder denkbare Vorschlag, den die Verfahrensbeteiligten im Laufe des Ausgleichsverfahrens erörtert haben, als Alternativlösung betrachtet werden? Die allgemein gehaltene Formulierung des Tatbestands von Art. 180 IV 2 bzw. 177 II LF und die aus Prognoseunsicherheiten resultierenden Unwägbarkeiten bei der Gegenüberstellung des concordato preventivo mit Alternativlösungen wurden auch von anderen 435 Santangeli-Allegritti, Art. 180, Anm. 2, S. 762; Genoviva, Il Fallimento 2006, 361 (367); Pacchi Pesucci, Il nuovo concordato preventivo, S. 18 f., abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 04.06.2007; Bünger, DZWIR 2006, 455 (459); Galletti, La formazione di classi nel concordato preventivo: ipotesi applicative, S. 12, abzurufen auf www.ilcaso.it, Stand: 23.07.07. 436 Lo Cascio, Il Fallimento 2005, 361 (362). 437 Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 118.
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Autoren kritisiert.438 Insbesondere die Einschätzung der konkreten Praktikabilität von Alternativlösungen verlangt quasi hellseherische Fähigkeiten. Dem Gericht wurde also im italienischen Insolvenzrecht ebenso wie im deutschen (§ 245 InsO) zugemutet, Prognosen anzustellen und wirtschaftliche Bewertungen vorzunehmen. Die Kritik, die das Obstruktionsverbot gem. § 245 InsO erfahren hat,439 lässt sich daher spiegelbildlich auf die cram-down-Regelung der Art. 180 IV 2, 177 II LF übertragen. Folglich kann die Regelung der Art. 180 IV 2, 177 II LF nicht als Vorbild für eine Neufassung des § 245 InsO dienen. Lediglich nebensächlich war das Problem, das aus der mangelhaften Abstimmung des neu gefassten Art. 177 LF mit dem alten Art. 179 LF entstand: Nach Art. 179 LF informierte der beauftragte Richter das Konkursgericht, wenn die zur Annahme des Ausgleichs erforderlichen Mehrheiten nicht erreicht worden waren. Das Konkursgericht war jedoch gem. Art. 177, 180 LF ohnehin mit der Feststellung der Mehrheiten und der Annahme des Ausgleichs befasst, so dass sich die Unterrichtung durch den beauftragten Richter erübrigte. – Ein weiteres Beispiel für die zahlreichen gesetzgeberischen Fehlleistungen im Zusammenhang mit der Koordination von alten und neuen Normen. Am überzeugendsten ließen sich die Ungereimtheiten zwischen Art. 177 LF und Art. 179 LF auflösen, indem man von der stillschweigenden Abschaffung des Art. 179 LF ausging.440 Die Annahme einer stillschweigenden Streichung bestimmter Normen stellt auch in anderen Fällen einen probaten Ausweg aus dem gesetzgeberischen Normenchaos dar, wie noch zu zeigen sein wird.441 cc) Rechtslage seit dem 01.01.2008 Mit dem jüngsten Eingriff des Gesetzgebers in Form des am 01.01.2008 in Kraft getretenen decreto correttivo wurde die cram-down-Regelung aus Art. 177 LF gestrichen. In Art. 180 IV LF findet sie sich zwar weiterhin, doch wurde sie modifiziert. Der entscheidende Unterschied zu der vorherigen Fassung betrifft die Initiative zur Prüfung der cram-down-Voraussetzungen: Während der Richter bislang von Amts wegen zu prüfen hatte, ob die 438 Ferro, Il Fallimento 2005, 587 (593); Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 117, 119. 439 Dazu siehe oben im 2. Kapitel unter A.III.2., S. 39 ff. 440 Bozza, Il Fallimento 2005, 801 (803); ders., Il Fallimento 2005, 1208 (1208 ff.); Terranova-Bruno, Art. 180, S. 345; Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 740. 441 Dazu siehe unten unter C.I.1.j)aa)(2), S. 147 ff. im Bezug auf die konkludente Streichung des Art. 162 I, 2. HS. LF.
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fehlende Zustimmung einer Klasse gem. Art. 180 IV 2 LF a. F. unbeachtlich war, nimmt der Richter nunmehr nur noch auf Antrag eine Prüfung der cram-down-Voraussetzungen gem. Art. 180 IV 2 LF n. F. vor.442 Ein Gläubiger, der einer ablehnenden Klasse angehört, muss nämlich zunächst die Angemessenheit des Ausgleichsvorschlags bestreiten, bevor der Richter in die inhaltliche Prüfung des Vorschlags einsteigen darf. Es bleibt bei einem vom Richter vorzunehmenden Vergleich zwischen den im Ausgleich vorgesehenen Befriedigungsmöglichkeiten und den Befriedigungsaussichten im Falle anderer, tatsächlich durchführbarer Lösungen. Die Kritik, die die Regelung des Art. 180 IV 2 LF a. F. wegen der allgemein gehaltenen Formulierung des Tatbestands und der aus Prognoseunsicherheiten resultierenden Unwägbarkeiten erfahren hat, bleibt folglich aktuell. Auch die Neufassung des Art. 180 IV 2 LF kann daher nicht als Vorbild für eine Überarbeitung des § 245 InsO dienen. g) Exkurs: Rechtsschutz gegen die Bestätigung des Ausgleichs Ein Rechtsmittelverfahren kann wegen der damit verbundenen Verzögerung einen Plan zu Fall bringen und somit die erfolgreiche Sanierung eines insolventen Unternehmens verhindern.443 Zutreffend ist deswegen sogar vom „Sanierungshemmnis Rechtsbeschwerdeverfahren“ die Rede.444 Ein eindrückliches Beispiel für die langen Laufzeiten eines Rechtsmittelverfahrens und die aus ihnen resultierenden Gefahren für die Sanierung eines laufenden Betriebes liefert der Fall „Senator“.445 Dort griff ein einzelner Gläubiger den Beschluss an, mit dem das Insolvenzgericht den Insolvenzplan bestätigt hatte.446 Dieses Rechtsbeschwerdeverfahren verzögerte den Abschluss des Insolvenzverfahrens um über ein Jahr.447 Hätte gar die letztinstanzliche Entscheidung abgewartet werden müssen – was vorliegend wegen der zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme des Rechtsmittels obsolet war – wäre mit einem noch größeren Zeitverlust zu rechnen gewesen. Der 442
Perugini/Massei, La nuova legge fallimentare, Art. 180, S. 357. Ähnlich Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 16.9; Wimmer-Jaffé, § 253 Rn. 11 ff.; Uhlenbruck, NZI 2008, 201 (204), der als Beispiel den Fall Konsum-Genossenschaft Berlin u. Umland e.G., BGHZ 163, 344 nennt, dazu Smid, NZI 2005, 296 ff. 444 Fritze, DZWIR 2007, 89 (90). 445 Zur Sanierung der Senator AG siehe bereits oben im 2. Kapitel unter A.IV.4., S. 45 f. und unter B.III., S. 60 f., stets unter Berufung auf Fritze, DZWIR 2007, 89 ff. 446 LG Berlin, Az. 86 T 5/05, abgedruckt z. B. in DZWIR 2005, 301 ff.; BGH Az. IX ZB 82/05. 447 Fritze, DZWIR 2007, 89 (92, 93). 443
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
mit dem Senator-Verfahren vertraute Insolvenzrechtler Fritze urteilte über die rechtsmittelbedingte Verzögerung: „Allein das gut aufgestellte langfristige Geschäft von Senator verhinderte Schlimmeres. Bei einem im Tagesgeschäft arbeitenden Handelsunternehmen oder im produzierenden Gewerbe hätte dies möglicherweise desaströse Folgen.“448 Die soeben umrissene Bedeutung von Rechtsmitteln für den Sanierungserfolg rechtfertigt es, sich dieser Problematik mit einem Blick auf die italienische Rechtslage zu widmen. Der folgende Abschnitt befasst sich daher mit dem Rechtsschutz gegen die Bestätigung des Ausgleichsplans. aa) Beschwerdebefugnis Art. 183 I LF sieht vor, dass gegen den Beschluss (i. e. gegen den Beschluss, der den Ausgleichsplan gem. Art. 180 III, IV LF bestätigt bzw. gem. Art. 180 IV, VII LF abweist) Beschwerde (reclamo) zum Berufungsgericht erhoben werden kann. Wer beschwerdebefugt ist, geht aus dem Wortlaut des Art. 183 LF allerdings nicht hervor. Es liegt nahe, jedenfalls den Schuldner als beschwerdebefugt anzusehen. Dasselbe gilt für diejenigen Gläubiger, die gegen den Plan gestimmt haben und ihm gem. Art. 180 IV LF in der für die Planbestätigung angesetzten Sitzung widersprochen haben. Weniger eindeutig ist hingegen, ob auch solche Gläubiger beschwerdebefugt sind, die zwar gegen den Plan gestimmt, ihm aber nicht gem. Art. 180 IV LF widersprochen haben. Solchen Gläubigern wurde vor der Neufassung449 des Art. 183 LF zugestanden, gegen das planbestätigende Urteil als Dritte i. S. d. Art. 344 codice di procedura civile (Zivilverfahrensgesetz, kurz: cpc) Berufung einzulegen. Vor diesem Hintergrund wird vertreten, dass solche Gläubiger auch nach der Reform berechtigt seien, die Planbestätigung mit Rechtsmitteln anzugreifen, und zwar nunmehr als Interessierte i. S. d. Art. 180 II LF.450 Interessierte451 gehören nämlich zu den widerspruchs- und folglich beschwerdebefugten Subjek448
Fritze, DZWIR 2007, 89 (93). Neufassung durch das sog. decreto correttivo, in Kraft getreten zum 01.01.2008. 450 Cecchella, Il Fallimento 2008, 316 (316); Panzani, L’omologazione del concordato preventivo, S. 10 (noch nicht veröffentlicht). 451 Interessiert in diesem Sinne ist jeder, der einen unverzüglichen und unmittelbaren Nachteil („pregiudizio immediato e diretto“) auf Grund des den Plan abweisenden oder bestätigenden Beschlusses erleiden kann, so Trib. di Reggio Emilia, Beschluss vom 01.03.2007, abzurufen unter www.ilcaso.it, Sezione I, S. 1140, Stand: 05.06.2008; als typische Beispiele werden genannt: 1) ein Gläubiger, der sich bei der Abstimmung über den Plan enthält, aber dennoch an den Ausgleich gebunden ist, 2) jemand, der sich wegen der mit Planabweisung erfolgenden Konkurs449
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ten.452 Ob zudem der Ausgleichsverwalter beschwerdebefugt ist, erscheint zweifelhaft. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob man den Verwalter lediglich als Hilfsorgan des Richters betrachtet (dann wäre die Beschwerdebefugnis zu verneinen) oder vielmehr als Partei (dann wäre die Beschwerdebefugnis zu bejahen). Die Positionierung von Rechtsprechung und Literatur bleibt insoweit noch abzuwarten. Schließlich ist der Staatsanwalt in den Fällen beschwerdebefugt, in denen er am Verfahren teilnimmt, um bei Ablehnung des Ausgleichsplans gem. Art. 180 VII LF einen Konkursantrag zu stellen.453 (1) „Abkaufen“ der Beschwerdebefugnis Angesichts der drohenden Verschleppung des Insolvenzverfahrens mag es auf den ersten Blick verführerisch erscheinen, Gläubiger durch die Gewährung besonderer Vorteile zum Rechtsmittelverzicht zu bewegen, ihnen also die Beschwerdebefugnis gleichsam „abzukaufen“. Wer dieser Versuchung jedoch nachgibt, risikiert die Nichtigkeit des auf den Rechtsmittelverzicht gerichteten Abkommens. Zwar kennt das italienische Recht keine Norm, die – wie § 226 III InsO – die Nichtigkeit ausdrücklich anordnet. Diese Rechtsfolge lässt sich aber aus der ratio legis verschiedener Vorschriften aus dem Bereich des Insolvenzstrafrechts herleiten:454 So stellt Art. 233 LF den Stimmenkauf beim Zwangsausgleich unter Strafe. Art 236 IV LF erklärt den Art. 233 LF auch im Fall des Ausgleichs für anwendbar. Die „Bestechung“ von Gläubigern und die daraus folgende Manipulation des Insolvenzverfahrens unter Durchbrechung des par condicio-Grundsatzes sollen auf diese Weise verhindert werden. Dieser ratio legis entspricht es, nicht nur die Gewährung von Vorteilen im Gegenzug für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten zu sanktionieren, sondern vielmehr auch die Gewährung von Vorteilen im Gegenzug für die (Nicht-)Ausübung des Beschwerderechts auszuschließen. Es versteht sich von selbst, dass eine solche erweiternde Auslegung des Art. 236 IV i. V. m. Art. 233 LF auf strafrechtlicher Ebene aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 25 II Costituzione, ~ Art. 103 II eröffnung (Art. 180 VII LF) der Konkursanfechtung ausgesetzt sieht oder dessen Vertragsbeziehungen zum Schuldner ex lege erlöschen. 452 Panzani, L’omologazione del concordato preventivo, S. 9 (noch nicht veröffentlicht). 453 Panzani, L’omologazione del concordato preventivo, S. 10 (noch nicht veröffentlicht). 454 Die folgenden Erwägungen stützen sich maßgeblich auf die äußerst hilfreichen Anregungen von Herrn Dott. Luciano Panzani, Richter am obersten italienischen Gerichtshof in Rom (Corte Suprema di Cassazione), dem ich für die fruchtbare Diskussion danke.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
GG) ausscheidet. Auf zivilrechtlicher Ebene ist sie jedoch unbedenklich und sogar geboten. Ein Vertrag, durch den sich ein Gläubiger verpflichtet, gegen die Gewährung von Vorteilen auf die Ausübung des Beschwerderechts zu verzichen, ist demnach grundsätzlich unwirksam.455 Ausnahmsweise erlaubt ist eine Vereinbarung mit dem folgenden Inhalt: Der Gläubiger einer streitigen Forderung, dem vom Gericht im Rahmen der Abstimmung über den Plan kein Stimmrecht zuerkannt wurde, darf für den Fall auf die Ausübung seines Widerspruchs- bzw. Beschwerderechts verzichten, dass der Schuldner seine Forderung anerkennt und zu den im Ausgleich vereinbarten Bedingungen befriedigt. Gegen eine solche Vereinbarung bestehen keine Bedenken, weil der betreffende Gläubiger im Verhältnis zu den übrigen Beteiligten des Ausgleichs keine Sondervorteile erhält, eine Durchbrechung des par condicio-Prinzips findet also gerade nicht statt. (2) Abtretung der Beschwerdebefugnis Die Abtretung einer prozessualen Befugnis kommt nur dann in Betracht, wenn sie ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist. Im Bezug auf die Abtretung des Beschwerderechts fehlt eine entsprechende Vorschrift. Sich die Beschwerdebefugnis abtreten zu lassen um sicherzugehen, dass ein Gläubiger nicht von seiner Beschwerdebefugnis Gebrauch macht, ist somit ausgeschlossen. bb) Beschwerdefrist Ebensowenig wie die Beschwerdebefugnis regelt Art. 183 LF die Beschwerdefrist. Aus Art. 183 I a. E. LF geht lediglich hervor, dass ein Kammerverfahren durchgeführt wird. Hinsichtlich der Frist greifen deswegen die allgemeinen Grundsätze des Kammerverfahrens, normiert in den Art. 737 ff. cpc.456 Demnach beträgt die Beschwerdefrist gem. Art. 739 cpc zehn Tage. Sie beginnt für den Schuldner und den Staatsanwalt mit der Benachrichtigung i. S. d. Art. 180 V LF, für die Gläubiger und die übrigen Beschwerdeberechtigten mit der Bekanntgabe i. S. d. Art. 739 II cpc.457
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Ebenso Panzani in einer Korrespondenz mit der Verfasserin. Panzani, L’omologazione del concordato preventivo, S. 9 (noch nicht veröffentlicht). 457 Panzani, L’omologazione del concordato preventivo, S. 9 (noch nicht veröffentlicht) unter Berufung auf Corte cost., Urteil Nr. 255 vom 12.11.1974. 456
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cc) Verfahrensablauf Auch zum Verfahrensablauf trifft Art. 183 LF keine Regelung. Es gelten deswegen die allgemeinen Vorschriften (i. e. Art. 737 ff. cpc). In jedem Fall muss das Berufungsgericht an das Insolvenzgericht zurückverweisen, damit dieses das Konkursverfahren eröffnen kann (im Falle der Abweisung des Ausgleichsplans) bzw. weitere Schritte nach der Bestätigung des Ausgleichsplans einleiten kann (beispielsweise die Einsetzung eines Gläubigerausschusses beim Ausgleich unter Abtretung von Gütern). Was die Konkurseröffnung angeht, ergibt sich die Notwendigkeit der Rückverweisung aus Art. 22 IV LF. In Bezug auf die weiteren Schritte nach der Bestätigung des Ausgleichs folgt diese Notwendigkeit aus dem Grundsatz, dass das verfahrensbestimmende Organ – d. h. das Insolvenzgericht – die gewöhnlichen Verfügungen erlassen muss.458 Eine diesbezügliche Klarstellung durch den Gesetzgeber wäre jedoch wünschenswert. dd) Instanzenzug Ob gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wiederum ein Rechtsmittel eingelegt werden kann, lässt Art. 183 LF – wie die meisten der aufgeworfenen Fragen – offen. Da durch die Entscheidung des Berufungsgerichts in subjektive Rechte eingegriffen wird, lässt sich die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde zur Corte di Cassazione aus Art. 111 VII der Verfassung herleiten.459 Auch an dieser Stelle wäre eine Klarstellung durch den Gesetzgeber allerdings angebracht. h) Exkurs: Wirkungen des Ausgleichs Um dem Leser eine präzisere Vorstellung von der Rechtsnatur des Ausgleichs zu ermöglichen, sollen kurz die Wirkungen des Ausgleichs beschrieben werden. Nach Art. 168 I LF löst der Antrag auf Eröffnung des Ausgleichsverfahrens eine Vollstreckungshemmung aus. Vom Tag der Einreichung des Antrags bis zur Rechtskraft des Urteils über die Bestätigung des Ausgleichs können nämlich Gläubiger, deren Forderungen hinsichtlich des Rechtstitels oder des Grundes vor dem Zulassungsbeschluss entstanden sind, Vollstreckungsverfahren über das Vermögen des Schuldners weder beginnen noch fortsetzen. Anderenfalls droht die Nichtigkeit der Vollstreckungshand458 Panzani, L’omologazione del concordato preventivo, S. 10 (noch nicht veröffentlicht). 459 Panzani, L’omologazione del concordato preventivo, S. 11 (noch nicht veröffentlicht).
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lungen. Zudem bewirkt die Einreichung des Eröffnungsantrags gem. Art. 168 II LF eine Verjährungshemmung. Schließlich ist es Gläubigern gem. Art. 168 III LF unter Androhung der Unwirksamkeit untersagt – vorbehaltlich einer richterlichen Genehmigung – ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung gegenüber anderen teilnehmenden Gläubigern zu begründen. Die zeitlichen Beschränkungen für dieses Verbot sind dieselben wie in Art. 168 I LF, auch wenn sich dieses nicht ausdrücklich aus Art. 168 III LF ergibt.460 Dass der unveränderte Art. 168 I LF von einem Urteil über die Bestätigung des Ausgleichs spricht, während im neu gefassten Art. 180 IV LF sowie in Art. 181 LF von einem Bestätigungsbeschluss die Rede ist, zeigt wiederum, dass alte und neue Normen im Zuge der Reform nicht hinreichend aufeinander abgestimmt wurden.461 Die Beispiele für solche gesetzgeberischen Fehlleistungen sind leider zahlreich und wurden schon an verschiedenen Stellen dieser Arbeit aufgezeigt. Haben die Gläubiger dem Ausgleichsvorschlag zugestimmt und wurde dieser vom Konkursgericht bestätigt, verpflichtet der Ausgleich gem. Art. 184 I 1 LF alle vor dem Beschluss auf Eröffnung des Ausgleichsverfahrens vorhandenen Gläubiger bindend. Diese können allerdings gem. Art. 184 I 2 LF weiterhin gegen Mitverpflichtete des Schuldners sowie gegen dessen Bürgen und Regresspflichtige vorgehen. Ist der ausgleichswillige Schuldner eine Gesellschaft, wirkt der Ausgleich gem. Art. 184 II LF auch gegenüber den unbeschränkt haftenden Gesellschaftern. i) Erfolgsfaktor: Frisches Kapital Die Bedeutung von frischem Kapital für das Gelingen der Sanierungsbemühungen wurde bereits mehrfach betont. Deswegen soll im Folgenden untersucht werden, inwiefern das italienische Recht potentiellen Kreditgebern Anreize bietet, die Fortführung des Unternehmens durch die Gewährung von frischem Kapital zu unterstützen. aa) Ausschluss der Anfechtung von Sicherheitsleistungen Stellt das schuldnerische Unternehmen eine Sicherheit zur Verfügung, um den nach der Bestätigung462 des Ausgleichs bewilligten Kredit zu sichern, 460 Ferro-Filocamo, La legge fallimentare, Art. 168, Anm. XIII 35., S. 1271; Cass. Urteil Nr. 6166 vom 17.04. 2003, abgedruckt in Giust. civ. 2003, 4. 461 Santangeli-Allegritti, Art. 168, S. 734. 462 Der zeitliche Geltungsbereich des Art. 67 III e) LF ist umstritten; einige nehmen eine Ausnahme von der Anfechtbarkeit bereits ab dem Antrag auf Eröffnung
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ist die Bestellung dieser Sicherheit im Falle eines nachfolgenden Konkursverfahrens nicht anfechtbar, Art. 67 III e), 1. Alt. LF. Diese Schutzbestimmung für Neufinanzierungen stellt einen Anreiz in dem oben beschriebenen Sinne dar. Allerdings wird das Unternehmen in der Krise häufig wenige Sicherheiten bieten können, weil die Mehrzahl der Vermögensgegenstände bereits vor Einleitung des Ausgleichsverfahrens anderweitig als Sicherheit eingesetzt wurde. Der Anfechtungsschutz des Art. 67 III e), 1. Alt. LF ist insofern nur begrenzt effektiv. bb) Vorrangige Befriedigung von Krediten Die Zusicherung, im Falle eines Anschlusskonkurses vorrangig befriedigt zu werden, könnte Kreditgeber zur Bereitstellung von liquiden Mitteln motivieren. Wünschenswert wäre deswegen eine vorrangige Befriedigung von sanierungsunterstützenden Krediten für den Fall, dass sich die Konkurseröffnung schließlich trotz der Sanierungsbemühungen während des Ausgleichsverfahrens nicht verhindern lässt. (1) Rechtslage vor dem 16.07.2006 Art. 111 I LF a. F., der die Befriedigungsreihenfolge im Konkursverfahren regelte, sah bis zu seiner Neufassung im Jahre 2006 eine vorrangige Befriedigung der Kosten vor. Der Begriff der Kosten wurde gesetzlich konkretisiert: Umfasst seien die Kosten des Fiskus sowie die Verbindlichkeiten, die zum Zwecke der Durchführung des Konkursverfahrens und der genehmigten Fortführung des Unternehmens eingegangen worden seien. Aus der systematischen Stellung des Art. 111 LF im Abschnitt „Konkurs“ ließ sich schließen, dass mit den Verbindlichkeiten aus der Fortführung des Unternehmens allein solche Forderungen gemeint waren, die im Zusammenhang mit der Betriebserhaltung während des Konkursverfahrens entstanden waren. Die höchstrichterliche Rechtsprechung nahm jedoch eine extensive463 Auslegung des Art. 111 I LF a. F. vor, indem sie auch Verbindlichkeiten aus vorkonkurslichen Verfahren in die Kosten i. S. d. Art. 111 I LF a. F. einbezog. Diese extensive Auslegung wurde allerdings nicht im Hinblick auf alle Verfahrensarten befürwortet, die vor der Konkurseröffnung durchlaufen werden können. Vielmehr wurde zwischen verschiedenen Verfahren unterschieden: des Ausgleichsverfahrens an. In diesem Sinne Jorio-D’Ambrosio, Art. 67 III d,), e), g), Anm. 4, S. 998; Bonfatti, Le procedure di composizione negoziale, S. 312. Jedenfalls greift die Ausnahme spätestens ab der Bestätigung des Ausgleichs. 463 Den Unterschied zwischen analoger und extensiver Auslegung betonend Cavalaglio, Dir. fall. 2005, I, 510 (522).
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(a) Rechtslage im Hinblick auf die amministrazione controllata Die Verbindlichkeiten aus der Fortführung des Unternehmens im Rahmen der amministrazione controllata wurden als vorrangig zu befriedigende Kosten i. S. d. Art. 111 I a. F. LF anerkannt.464 Denn die Entstehung solcher Verbindlichkeiten sei insofern im Wesen der amministrazione controllata angelegt, als diese das gesetzlich vorgesehene Instrument zur Erhaltung und Fortführung des Unternehmens sei.465 (Allerdings wurde die amministrazione controllata im Zuge der Reform abgeschafft.) (b) Rechtslage im Hinblick auf den concordato preventivo Hingegen wurde die vorrangige Befriedigung von Verbindlichkeiten aus einem vorkonkurslichen Ausgleichsverfahren grundsätzlich abgelehnt.466 Kredite, die nach der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens in Anspruch genommen worden waren, um die Fortführung des Unternehmens zu ermöglichen, wurden somit grundsätzlich nicht gegenüber anderen Konkursforderungen privilegiert. Die Fortführung des Unternehmens sei dem concordato preventivo wesensfremd.467 Er komme schließlich nicht schon bei vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten zum Einsatz – wie die amministrazione controllata – sondern erst bei einer unwiderruflichen Zerrüttung der Vermögensverhältnisse.468 Ausnahmsweise jedoch konnten die Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit der Fortführung des Unternehmens im Rahmen des concordato 464 Cort. Cost., Urteil Nr. 202 vom 20.12.1970; Cort. Cost., Urteil Nr. 32 vom 27.01.1995, abgedruckt in Il Fallimento 1995, 346; Cass., Urteil Nr. 6852 vom 17.06.1995, abgedruckt in Il Fallimento 1996, 46 f.; Cass., Urteil Nr. 8590 vom 15.07.1992, abgedruckt in Il Fallimento 1993, 40 f.; Cass., Urteil Nr. 4892 vom 16.11.1989, abgedruckt in Dir. fall. 1990, II, 349 f.; Cass., Urteil Nr. 2069 vom 26.02.1988, abgedruckt in Il Fallimento 1988, 552 f.; Cass., Urteil Nr. 3369 vom 16.05.1983, abgedruckt in Giur. it. 1984, I, 521 f.; Cass., Urteil Nr. 1274 vom 27.02.1979. 465 Siehe Fn. 464; außerdem Cavalaglio, Dir. fall. 2005, I, 510 (521); PacchiPacchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 50. 466 Cass., Urteil Nr. 3325 vom 05.05.1988, abgedruckt in Il Fallimento 1988, 967 f.; Cass., Urteil Nr. 3636 vom 04.06.1980, abgedruckt in Foro it. 1981, I, 815 f.; Cass., Urteil Nr. 353 vom 18.01.1979, abgedruckt in Il Fallimento 1919, 426 f. 467 Cass., Urteil Nr. 11216 vom 27.10.1995, abgedruckt in Il Fallimento 1996, 529; Cass., Urteil Nr. 8013 vom 26.06.1992, abgedruckt in Il Fallimento 1992, 1027; Cass., Urteil Nr. 1258 vom 05.02.1988, abgedruckt in Il Fallimento 1988, 453 f.; Cass., Urteil Nr. 353 vom 18.01.1979, abgedruckt in Il Fallimento 1979, 426 f.; Cavalaglio, Dir. fall. 2005, I, 510 (521, 524); Pacchi-Pacchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 50. 468 Pacchi-Pacchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 50.
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preventivo entstanden waren, als vorrangig zu befriedigende Kosten i. S. d. Art. 111 I LF a. F. anzusehen sein. Das war nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen dann der Fall, wenn der Ausgleichsplan entweder die Begründung bestimmter Verbindlichkeiten ausdrücklich vorsah oder wenn der Plan wenigstens allgemein die Fortführung des Unternehmens zum Ziel machte, d. h. wenn die Fortführung ein „essentielles Element“ des Ausgleichsvorschlags darstellte.469 Unter diesen Umständen konnten Verbindlichkeiten wie z. B. ein nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens genutzter Massekredit im nachfolgenden Konkursverfahren vorrangig befriedigt werden. (2) Rechtslage seit dem 16.07.2006 Der Wortlaut des Art. 111 LF in der neuen Fassung ist im Vergleich zu seinem Vorgänger weiter: Nach Art. 111 II LF n. F. zählen zu den vorab zu befriedigenden Forderungen pauschal jene, die aus Anlass oder im Zusammenhang mit den im Konkursgesetzbuch vorgesehenen Konkursverfahren entstanden sind. Weitere Einschränkungen fehlen. Aus dieser Tatsache schließen einzelne Kommentatoren des Art. 111 LF, die Gerichte müssten ihre ablehnende Haltung gegenüber der vorrangigen Befriedigung von Verbindlichkeiten aus dem Ausgleichsverfahren überdenken.470 Denn grundsätzlich könnten nunmehr Verbindlichkeiten aus jedem beliebigen vorkonkurslichen Verfahren vorrangig zu befriedigen sein.471 Lediglich aus teleologischen Gründen, die an anderer Stelle dargelegt werden, sei im Hinblick auf die Qualität des Verfahrens eine Einschränkung zu machen:472 Das Verfahren müsse vorsehen, dass in der Phase, die auf die gerichtliche Bestätigung des Abkommens zwischen Schuldner und Gläubigern folge, die Unternehmensführung zu einem Mindestmaß durch das Gericht oder durch eine andere neutrale Instanz überwacht werde. Die Erfüllung des bestätigten 469 Cass., Urteil Nr. 2192 vom 12.03.1999, abgedruckt in Il Fallimento 2000, 370 ff.; Cass., Urteil Nr. 7140 vom 15.08.1996, abgedruckt in Il Fallimento 1997, 269 ff.; Trib. Genova, Urteil vom 17.11.1995, abgedruckt in Il Fallimento 1997, 300 f.; Trib. Milano, Urteil vom 20.06.1996, abgedruckt in Il Fallimento 1996, 1136 f.; Trib. Monza, Urteil vom 31.01.1991, abgedruckt in Il Fallimento 1991, 531 f.; ebenso Pacchi, Giur. Comm. 1986, I, 95 ff.; Apice, Il Fallimento 1996, 721 f. 470 Ferro-Miele, Art. 111, Anm. V 18., S. 875; Panzani, Il Fallimento 2006, 1009 (1016 f.), nach dessen Ansicht bereits ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Begründung der Schuld und dem vorkonkurslichen Verfahren ausreicht, um die vorrangige Befriedigung der Schuld im Konkursverfahren gem. Art. 111 LF n. F. zu rechtfertigen. 471 Ebd. (Fn. 470). 472 Siehe unten unter C.I.3.c)bb)(3), S. 198 f. sowie die dort angegebenen Nachweise.
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Ausgleichs wird gem. Art. 185 LF durch den Verwalter kontrolliert. Das Ausgleichsverfahren erfüllt deswegen die genannte Anforderung und würde daher zu den Konkursverfahren i. S. d. Art. 111 II LF n. F gehören, aus denen vorrangig zu befriedigende Verbindlichkeiten resultieren können. Zur Unterstützung der Sanierungsbemühungen bewilligte Kredite, die im zeitlichen473 und/oder funktionalen Zusammenhang mit dem Ausgleichsverfahren gewährt wurden, wären demnach im nachfolgenden Konkursverfahren vorrangig zu befriedigen. Andere gehen davon aus, die Gerichte würden ihre Rechtsprechung zu Art. 111 I LF a. F. aufrecht erhalten und die vorrangige Befriedigung von Forderungen aus dem Ausgleichsverfahren an die oben beschriebenen einschränkenden Voraussetzungen knüpfen.474 Demnach würden Verbindlichkeiten aus sanierungsunterstützenden Krediten nur dann im Konkursverfahren privilegiert, wenn zumindest die Fortführung des Betriebes ausdrücklich im Ausgleich vorgesehen war. Meines Erachtens wäre die Aufrechterhaltung der einschlägigen Rechtsprechung zu Art. 111 a. F. LF kaum zu rechtfertigen, weil die Argumentationsgrundlage entfallen ist. Der Ausgleich ist heute nämlich nicht mehr in erster Linie ein Liquidationsinstrument, sondern er soll im Gegenteil nach der gesetzgeberischen Konzeption die auf die Sanierung fokussierte Funktion der abgeschafften amministrazione controllata übernehmen.475 In der Praxis dürfte es jedoch keinen Unterschied machen, ob man die vorrangige Befriedigung an keine weiteren Voraussetzungen gebunden sieht oder ob man die weniger großzügige Ansicht der Rechtsprechung teilt. Ist der Ausgleich auf die Erhaltung des Unternehmens gerichtet, sind sanierungsunterstützende Kredite in jedem Fall bei einem Anschlusskonkurs vorrangig zu befriedigen: Da der concordato preventivo seit der Reform nicht mehr allein auf die Liquidation der schuldnerischen Vermögenswerte gerichtet ist, müssen Schuldner und Gläubiger im Rahmen der Vereinbarung des Ausgleichs sowieso festlegen, zu welchem Zweck sie den Ausgleich einsetzen wollen. Ist aber die Fortführung des Betriebes als Verfahrensziel im Ausgleichsplan festgeschrieben, ist automatisch die von der Rechtsprechung formulierte Voraussetzung für die vorrangige Befriedigung von sanierungsunterstützenden Krediten erfüllt. Um vollends Klarheit zu schaffen, hätte der Gesetzgeber eine ausdrückliche Regelung im Hinblick auf die Privilegierung von Krediten, die der 473
Panzani, Il Fallimento 2006, 1009 (1016 f.). Bonfatti-Bonfatti, Azione revocatoria, S. 189; Pacchi-Pacchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 52; Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 652. 475 Dazu siehe auch unten unter C.I.2., S. 180 f. 474
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Unternehmenserhaltung dienen, in das Konkursgesetzbuch aufnehmen sollen. Warum eine solche Regelung fehlt, ist umso weniger verständlich, zumal bei der außerordentlichen Verwaltung (amministrazione straordinaria) anlässlich ihrer Reform eine entsprechende Regelung eingeführt wurde. Art. 52 des Gesetzes Nr. 270/1999 über die außerordentliche Verwaltung bestimmt nämlich: „Die Verbindlichkeiten, die wegen der Fortführung des Unternehmens entstanden sind (. . .) werden gem. Art. 111 I LF vorrangig befriedigt, auch im auf das Verfahren der außerordentlichen Verwaltung folgenden Konkursverfahren.“ Gewährt der Gesellschafter einer GmbH (società a responsabilità limitata) nach der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens der Gesellschaft ein Darlehen, kann er im Falle eines Anschlusskonkurses nicht auf die vorrangige Befriedigung seiner Forderung aus dem Darlehensvertrag hoffen. Art. 2467 I cc ordnet nämlich einen zwingenden Rangrücktritt (postergazione) für den Fall an, dass das Darlehen gem. Art. 2467 II cc in einem Zeitpunkt gewährt worden ist, in dem – auch unter Berücksichtigung der von der Gesellschaft ausgeübten Unternehmenstätigkeit – die Verbindlichkeiten im Verhältnis zum Nettovermögen unverhältnismäßig groß waren oder aber in einer finanziellen Lage der Gesellschaft, in der eine Einlage vernünftig gewesen wäre. Um den Rangrücktritt auszulösen, genügt also eine (drohende) finanziell instabile Lage der Gesellschaft,476 wie sie im Ausgleichsverfahren wegen der bestehenden Krise der Gesellschaft i. S. d. Art. 160 LF stets gegeben ist. Genauso wie im deutschen Recht, wo der Gesellschafter gemäß (§ 264 III i. V. m.) § 39 I Nr. 5 InsO die Stellung eines nachrangigen Insolvenzgläubigers einnimmt, darf also auch im italienischen Recht der kreditgebende Gesellschafter seinen Anspruch auf Rückgewähr des eigenkapitalersetzenden Darlehens nur als nachrangiger Insolvenzgläubiger geltend machen. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nicht vorgesehen, insbesondere kennt das italienische Recht kein dem § 32a III 3 GmbHG vergleichbares Sanierungsprivileg zu Gunsten von Beteiligungserwerbern in der finanziell instabilen Lage der Gesellschaft. Damit die Nachrangigkeit der Gesellschafterforderungen nicht faktisch umgangen werden kann, muss der Gesellschafter die von der Gesellschaft zur Begleichung der Darlehensforderung erhaltenen Beträge erstatten, falls das Konkursverfahren innerhalb eines Jahres nach der Rückzahlung des Darlehens eröffnet wird.477 Im Hinblick auf andere Gesellschaftsformen als die GmbH fehlt eine dem Art. 2467 cc vergleichbare Regelung. Es wird jedoch vorgeschlagen, 476 477
Balp, ZInsO 2007, 1020 (1026). Balp, ZInsO 2007, 1020 (1020).
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die in Art. 2467 cc normierten Grundsätze auf die AG und auf Personengesellschaften wie die KG analog anzuwenden.478 cc) Debt-Equity-Swap Inwiefern ein Zusammenhang zwischen dem Debt-Equity-Swap – also der Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital – und der Beschaffung von frischem Kapital besteht, wurde bereits im zweiten Kapitel aufgezeigt.479 Art. 160 I a) LF sieht mit der „Zuweisung von Aktien, Anteilen (. . .) an die Gläubiger“ ausdrücklich die Möglichkeit des Debt-Equity-Swap vor, und zwar als Mittel zur Befriedigung der Gläubiger. Diese erhalten nämlich eine Beteiligung an der schuldnerischen Gesellschaft, nachdem sie im Gegenzug ihre Forderungen als Sacheinlagen in die Gesellschaft eingebracht haben.480 Wie schon im zweiten Kapitel dargelegt, setzt der Debt-Equity-Swap eine Kapitalerhöhung voraus, bei der die neu auszugebenden Gesellschaftsanteile ausschließlich an die Gläubiger verteilt werden. Diese Beschränkung des Empfängerkreises auf die Gläubiger ist jedoch problematisch, weil den Altgesellschaftern nach italienischem Gesellschaftsrecht (Art. 2441, 2481-bis cc) ebenso wie nach deutschem Gesellschaftsrecht (§ 186 (analog) AktG) ein Bezugsrecht im Hinblick auf die neuen Anteile zusteht. Damit die neuen Anteile an die Gläubiger verteilt werden können, müssen also die Altgesellschafter auf die Ausübung ihrer Bezugsoption verzichten bzw. ihr Bezugsrecht muss von vornherein ausgeschlossen werden. Unter welchen Voraussetzungen ein solcher Ausschluss des Bezugsrechts zulässig ist, hängt von der Gesellschaftsform des betroffenen Unternehmens ab: (1) Ausschluss des Bezugsrechts der Altgesellschafter bei der Aktiengesellschaft In einer Aktiengesellschaft kann das Bezugsrecht (diritto d’opzione) gem. Art. 2441 V cc ausgeschlossen oder beschränkt werden, wenn das Interesse der Gesellschaft diesen Schritt erfordert. Diese Vorschrift ist allerdings nicht 478
Für eine analoge Anwendung des Art. 2467 cc auf die AG: Balp, ZInsO 2007, 1020 (1024); Portale, Banca e borsa 2003, 663 (670); ders., Riv. dir. priv. 2002, 701 (717); Abbadessa/Portale-Tombari, Il nuovo diritto delle società, Bd. 1, S. 536; für eine analoge Anwendung auf Personengesellschaften wie die KG: AmbrosiniIrrera, La riforma delle società, S. 139 f. 479 Siehe oben im 2. Kapitel unter A.IV.4., S. 45 ff. 480 Jorio-Galletti/Brugger, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 160, Anm. 7, S. 2296 f., insb. Fn. 91.
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in dem Sinne zu verstehen, dass der Ausschluss des Bezugsrechts das einzig denkbare Mittel darstellen muss, um dem Interesse der Gesellschaft gerecht zu werden.481 Ausreichend ist vielmehr, dass der Ausschluss unter den gegebenen Gestaltungsmöglichkeiten als die vorzugswürdige und bei vernünftiger Betrachtung angemessenere Lösung erscheint, die einem spezifischen, ernsthaften und beachtlichen Interesse der Gesellschaft entspricht.482 Der Ausschluss bzw. die Beschränkung des Bezugsrechts erfolgt mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss, dem mehr als die Hälfte der Kapitalmehrheit (d.h. eine Gesellschafteranzahl, die mehr als die Hälfte des Gesellschaftskapitals hält) zustimmen muss. (2) Ausschluss des Bezugsrechts der Altgesellschafter bei der GmbH In einer GmbH kann das Bezugsrecht der Altgesellschafter gem. Art. 2481-bis I 2 cc nur ausgeschlossen oder beschränkt werden, wenn das Gründungsstatut der Gesellschaft diese Möglichkeit vorsieht. Der Ausschluss bzw. die Beschränkung erfolgen durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung, dem gem. Art. 2481-bis i. V. m. Art. 2480 S. 2 i. V. m. Art. 2479-bis VI cc mindestens die Hälfte der Kapitalmehrheit zustimmen muss. Selbst wenn das Gründungsstatut die Möglichkeit des Optionsausschlusses vorsieht, ist allerdings zu beachten, dass ein solcher Ausschluss von Gesetzes wegen gem. Art. 2481-bis I 2 i. V. m. 2482-ter I i. V. m. Art. 2463 II Nr. 4 cc unzulässig ist, wenn das Gesellschaftskapital unter den Mindestbetrag von 10.000 Euro gesunken ist. Abweichend wird jedoch vertreten, dass Art. 160 I a) LF als Spezialregelung die eben zitierten Regelungen des Codice civile verdränge, so dass der Ausschluss des Bezugsrechts auch dann vorgenommen werden könne, wenn eine solche Möglichkeit im Gründungsstatut nicht vorgesehen sei und wenn eine Unterschreitung des gesetzlichen Mindestkapitals vorliege.483 Die Notwendigkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung, mit dem die 481 Cass., Urteil Nr. 4089 vom 28.06.1980, abgedruckt in BBTC 1982, II, 134; Trib. Milano, Urteil vom 18.04.1991, abgedruckt in Giur. it. 1991, I, 768; Trib. Napoli, Urteil vom 13.08.1992, abgedruckt in Riv. Not. 1992, 1292; Trib. Saluzzo, Urteil vom 24.02.2001, abgedruckt in Giur. Comm. 2001, II, 623; Bonfante-Ferrari, Art. 2441, Rn. 9, S. 1006. 482 Cass., Urteil Nr. 3458 vom 23.03.1993, abgedruckt in Giur. Comm. 1994, II, 372; Trib. Milano, Urteil vom 31.01.2005, abgedruckt in Giur. it. 2005, 1865; Trib. Torino, Urteil vom 13.07.1978, abgedruckt in Giur. Comm. 1979, II, 129; Marziale/ Proto, Codice delle società, Art. 2441, Anm. VI, 1. und 2., S. 948; Bonfante-Ferrari, Art. 2441, Rn. 9, S. 1006. 483 Ferro-Ferro, La legge fallimentare, Art. 160, Anm. IV 24., S. 1190.
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Kapitalerhöhung und der Ausschluss des Bezugsrechts mehrheitlich befürwortet werden, bleibe bestehen.484 Überzeugend erscheint diese These, die auf dem Vorrang des Art. 160 LF als lex specialis basiert, allerdings nicht. Denn Art. 160 LF regelt nicht, unter welchen Voraussetzungen Gesellschaftsanteile im Zuge einer Kapitalerhöhung Dritten (nämlich den Gläubigern) zugeteilt werden können. Folglich enthält Art. 160 LF erst recht keine spezielleren Regelungen als die einschlägigen Normen des Codice Civile. Es bleibt deswegen bei den in Art. 2481-bis cc vorgesehenen Einschränkungen hinsichtlich des Ausschlusses von Bezugsrechten bei einer Kapitalerhöhung. Anders als auf den beschriebenen Wegen kann die Gesellschafterstruktur im Ausgleichsverfahren nicht verändert werden. Insbesondere ist kein mit Zwang verbundener Eingriff in das gesellschaftliche Organisationsgefüge möglich. Der Schuldner selbst, der als einziger gem. Art. 160 I LF zur Vorlage eines Ausgleichsplans berechtigt ist, bestimmt, ob der Debt-Equity-Swap zur Befriedigung der Gläubiger und zur Beschaffung von frischem Kapital genutzt werden soll. j) Erfolgsfaktor: Umfassende Kontrollbefugnisse des Gerichts Wie bereits ausgeführt,485 kann die umfassende Prüfung des Ausgleichsvorschlags durch eine neutrale Instanz wie das Gericht dazu beitragen, dass die Gläubiger dem Plan aufgeschlossen gegenüber stehen und Vertrauen in die Vorteilhaftigkeit des Plans fassen. Deswegen stellt sich die Frage, inwiefern das Gericht zum Schutz der Gläubiger den Ausgleichsvorschlag überprüft. Das Konkursgericht übt seine Kontrollfunktion, deren Qualität im Folgenden beschrieben wird, im Wesentlichen in zwei bestimmten Phasen des Ausgleichsverfahrens aus: aa) Gerichtliche Kontrolle in der Phase der Zulassung zum Ausgleichsverfahren Zum einen ist die Zulassung zum Ausgleichsverfahren der gerichtlichen Kontrolle unterworfen. Fraglich ist jedoch, wie weit diese Kontrolle reicht. 484
Ebd. (Fn. 483). Siehe oben im 2. Kapitel unter A.V., S. 47; die dort zum Insolvenzplanverfahren gemachten Ausführungen gelten für das Ausgleichsverfahren entsprechend. 485
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(1) Rechtslage vor dem 17.03.2005 Bis zur Reform des Konkursgesetzes im Jahre 2005 musste das Konkursgericht eine Kontrolle des Plans in materieller Hinsicht vornehmen: Das Gericht bewertete gem. Art. 162, 163, 160 I LF a. F. entweder die im Ausgleichsvorschlag angebotenen Personal- oder Realsicherheiten oder das vom Schuldner abzutretende Vermögen, um festzustellen, ob die im Plan festgelegte Vorgehensweise eine Befriedigung der Gläubiger entsprechend den geltenden Mindestquoten erwarten ließ. Zu diesem Zweck musste sich das Gericht außerdem vergewissern, dass der Plan durchführbar war. Zu den Aufgaben des Gerichts gehörte folglich die inhaltliche Prüfung des Plans, insbesondere auf seine Eignung zur angemessenen Befriedigung der Gläubiger. (2) Rechtslage zwischen dem 17.03.2005 und dem 01.01.2008 Nachdem die für die gerichtliche Prüfungskompetenz maßgeblichen Normen im Zuge der Reform geändert worden waren, wurde die Reichweite der richterlichen Kontrolle uneinheitlich beurteilt. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 163 LF prüfte das Konkursgericht die Vollständigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Unterlagen sowie die Richtigkeit der Richtlinien für die Bildung der verschiedenen Klassen, sofern die Gläubiger in Klassen unterteilt worden waren. Dass der Richter darüber hinaus auch zu einer weitergehenden inhaltlichen Bewertung des vorgelegten Ausgleichsvorschlags berechtigt war, ging aus Art. 163 LF nicht hervor. Dennoch wurde eine solche Befugnis des Richters vereinzelt angenommen.486 Diese Ansicht stützte sich auf den von der Reform unberührten Art. 162 I, 2. Hs. LF, insbesondere auf das Verhältnis der genannten Norm zu Art 160 II LF. Nach Art. 162 I, 2. Hs. wurde die Verfahrenseröffnung abgelehnt, wenn der Ausgleichsvorschlag nicht den in Art. 160 II LF bezeichneten Bedingungen entsprach. Dieser Verweis auf Art. 160 II LF lief jedoch insofern ins Leere, als diese Vorschrift in der reformierten Fassung keine Anforderungen an den Ausgleichsvorschlag (mehr) enthielt. Vor der Reform waren in Art. 160 II LF a. F. hingegen die Mindestbefriedigungsquoten sowie die zulässigen Arten der Befriedigung aufgeführt. Dass der unverändert gebliebene Art. 162 LF auf eine Norm verwies, die es in dieser Form und mit diesem Inhalt nicht mehr gab, zeigte, dass alte und neue Vorschriften im Zuge der Reform nicht hinreichend aufeinander abgestimmt worden waren. Dieser Vorwurf wurde ein486
Genoviva, Il Fallimento 2006, 361 (362).
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
stimmig erhoben.487 Uneinheitlich wurde jedoch beurteilt, welche Konsequenzen aus dem Redaktionsversehen hinsichtlich Art. 162 I, 2. Hs. LF – nämlich aus dem fehlerhaften Verweis auf Art. 160 II LF n. F. – zu ziehen waren. Während teilweise aus dem ins Leere laufenden Verweis in Art. 162 I, 2. Hs. LF geschlossen wurde, der Art. 162 I, 2. Hs. LF sei stillschweigend abgeschafft worden,488 ging die Gegenansicht davon aus, dass Art. 162 I, 2. Hs LF nicht jede Bedeutung abgesprochen werden könne, denn die Vorschrift sei gerade nicht abgeschafft worden.489 Aus dem Verweis auf Art. 160 II LF folge vielmehr, dass der Gesetzgeber weiterhin eine inhaltliche Kontrolle des Ausgleichsvorschlags entsprechend Art. 160 II LF a. F. zulassen wolle.490 Diese Ansicht erschien jedoch wenig plausibel. Der Verweis auf Art. 160 II LF war nämlich eindeutig gegenstandslos geworden, weil sich dort keine Vorschrift mehr fand, auf die verwiesen werden konnte. Folglich war die Bedeutung des Verweises entfallen, was einer stillschweigenden Streichung gleichkam. Wer einem gegenstandslos gewordenen Verweis eine Bedeutung zumisst, die er nicht (mehr) hat, bewegt sich im Bereich der Spekulation und maßt sich letztlich die Rolle des Gesetzgebers an. Über die in Art. 163 LF genannten Kriterien hinaus hatte somit keine weitere inhaltliche Kontrolle des Ausgleichsvorschlags durch das Gericht zu erfolgen. Es blieb die Frage, welche Kontrolldichte Art. 163 LF konkret erlaubte und an Hand welcher Maßstäbe die gem. Art. 163 LF zulässige Kontrolle zu erfolgen hatte. Dieser Problematik widmet sich der folgende Abschnitt. Art. 163 LF sah in der Phase der Zulassung zum Verfahren unter anderem die Prüfung der „Ordnungsmäßigkeit der Unterlagen“ durch das Konkursgericht vor. Diese Formulierung warf zunächst die Frage auf, welche Unterlagen gemeint waren. Aus dem systematischen Zusammenhang folgte, dass unter den Unterlagen i. S. d. Art. 163 LF solche zu verstehen waren, die gem. Art. 161 LF vom Schuldner zusammen mit dem Antrag auf Eröffnung des Ausgleichsverfahrens vorzulegen waren. Es handelte sich also um den Ausgleichsplan, um verschiedene Vermögensverzeichnisse und um das 487 Bünger, DZWIR 2006, 455 (457); Jorio, in: Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. XI; Santangeli-Allegritti, Art. 162, S. 723; Schiavon, Dir. fall. 2005, I, 819 (819 f.). 488 Bünger, DZWIR 2006, 455 (457); Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 75; für die vollständige Abschaffung des Art. 162 LF sogar Bozza, Il Fallimento 2005, 801 (801 f.); Canale, Riv. Dir. proc. 2005, 897 (905). 489 Genoviva, Il Fallimento 2006, 361 (362). 490 Diese Kontrolle soll insbesondere die Durchführbarkeit des Plans betreffen, Trib. Sulmona, Beschluss vom 06.06.2005, abgedruckt in Il Fallimento 2005, 793 f.; Trib. Salerno, Urteil Nr. 2980 vom 03.06.2005, abgedruckt in Il Fallimento 2005, 1297 f.
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Gutachten des Freiberuflers i. S. d. Art. 28 LF zur Richtigkeit der Betriebsdaten und zur Durchführbarkeit des Plans.491 Fraglich war zudem, welche Aspekte das Prüfungskriterium der „Ordnungsmäßigkeit“ umfasste. Fest stand, dass die Prüfung der wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit des Plans über eine Prüfung der „Ordnungsmäßigkeit der Unterlagen“ hinausginge und deswegen nicht vom Wortlaut des Art. 163 LF gedeckt wäre. Der Richter sollte durch Art. 163 LF gerade nicht aufgerufen werden, die Angemessenheit des Plans und seine Vorteile zu bewerten, denn diese Beurteilung blieb nach dem privatistischen Konzept der Reformgesetzgebung den Parteien überlassen, genauer gesagt den gem. Art. 177 LF abstimmenden Gläubigern.492 Auch die Durchführbarkeit des Plans war nicht vom Richter zu bewerten – wie es in der Vergangenheit der Fall war –, sondern entsprechend dem privatistischen Konzept von einem Experten aus der Privatwirtschaft.493 Die inhaltliche Prüfung des Plans und seiner Anhänge war weitgehend vom Richter auf den Gutachter i. S. d. Art. 28 LF bzw. auf die Gläubiger verlagert worden, so dass der Schluss nahe lag, das Konkursgericht übe lediglich eine formale Kontrolle aus, ihm sei also bloß eine beinahe notarielle Rolle zugewiesen (funzione pressoché notarile del giudice).494 Diese Beschreibung traf auf die Funktion des Richters jedoch nicht ganz zu. Auch wenn unter der Geltung des reformierten Rechts die Rolle des Gerichts als „Manager“ des Verfahrens zu Gunsten einer zentralen Rolle des Gemeinschuldners und seiner Gläubiger zurückgedrängt werden sollte,495 blieb dem Gericht doch immerhin ein kleiner 491
Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 89. Trib. Milano, Beschluss vom 19.05.2005, Beschluss vom 21.07. 2005, Beschluss vom 29.09.2005; Trib. Reggio Emilia, Verfügung vom 28.06.2005; Trib. Monza, Verfügung vom 28.09.2005, abgedruckt in Il Fallimento 2005, 1406 f., Verfügung vom 16.10.2005, abgedruckt in Il Fallimento 2005, 1402 f.; Mandrioli, Il Fallimento 2005, 1337 (1337); Ambrosini, Il Fallimento 2006, 1033 (1033); Lo Cascio, Il Fallimento 2006, 999 (1001); Santangeli-Allegritti, Art. 163, S. 727. 493 Trib. Torino, Urteil vom 16.10. 2005, abgedruckt in Giur. it. 2006, I, 559; Trib. Pescara, Urteil vom 20.10.2005, abgedruckt in Il Fallimento 2006, 56; Trib. Treviso, Urteil vom 15.07.2005, Il Fallimento 2006, 63; Santangeli-Allegritti, Art. 163, S. 727; Ambrosini, Il Fallimento 2006, 1033 (1033); Guglielmucci, La riforma, S. 88; Censoni, Giur. comm. 2005, I, 723 (723); Alessi, Dir. fall. 2005, I, 1131 (1147). 494 Jorio, in: Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. X; Ambrosini, Il Fallimento 2006, 1033 (1033); Fauceglia, Il Fallimento 2005, 1301 (1301). 495 Bünger, DZWIR 2006, 455 (457); Schlesinger, Il Corriere Giuridico 2006, 1189 (1190); ähnlich Panzani, Il Fallimento 2006, 487 (487) der dem Gläubigerkomitee und dem Verwalter eine zentrale Rolle bescheinigt; durch die „Privatisierung“ des Ausgleichsverfahrens wird nach Ansicht von Canale nicht nur das neuerdings zu beobachtende Vertrauen des Gesetzgebers in die Fähigkeiten des Einzelnen zum Ausdruck gebracht, sondern es wird eine neue Gewichtung bei der Verteilung pro492
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Spielraum zur inhaltlichen Prüfung der Unterlagen i. S. d. Art. 163 LF. Und zwar oblag es dem Konkursgericht, die Ausführungen des Gutachters i. S. d. Art. 161 II, 28 LF darauf zu überprüfen, ob sie auf plausiblen Annahmen beruhten, logisch nachvollziehbar waren und sich umfassend mit aufgeworfenen Problemen auseinandersetzten.496 Nur durch die richterliche Kontrolle konnte gewährleistet werden, dass sich das Gutachten zur korrekten Information der Gläubiger eignete, weil es in ein fundiertes, ernst zu nehmendes Urteil über die Durchführbarkeit des Plans und die Richtigkeit der Betriebsdaten mündete. Diese Kontrolle des Gutachtens sowie der Betriebskennzahlen auf Kohärenz, logische Stringenz und auf eine erschöpfende Behandlung der Fragestellung war eine notwendige Voraussetzung dafür, dass die Gläubiger ihrer Funktion als Richter über die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit und Angemessenheit des Plans gerecht werden konnten. Die Aufgabe des Konkursgerichts lag also darin, eine umfassende und korrekte Information der Gläubiger sicherzustellen, damit diese sich ein begründetes und wohl überlegtes Urteil über die Annehmbarkeit des Ausgleichsvorschlags bilden konnten.497 Der Richter war folglich im Zulassungsverfahren nach der zutreffenden Beschreibung nicht als einfluss- und teilnahmsloser „Notar“ anzusehen, sondern als wachsamer Hüter des Informationsinteresses der Gläubiger (il tribunale è il vigile custode dell’esigenza di una coretta informazione dei creditori).498 Insofern war das Konkursgericht auch zur beschränkten inhaltlichen Kontrolle des Plans und seiner Anlagen im Rahmen der Prüfung der „Ordnungsmäßigkeit der Unterlagen“ gem. Art. 163 LF berechtigt. (3) Rechtslage seit dem 01.01.2008 Durch das decreto correttivo wurden die Art. 162, 163 LF, die die Unzulässigkeit des Ausgleichsvorschlags und die Zulassung zum Verfahren betreffen, grundlegend geändert. Insbesondere die Neufassung des Art. 162 LF schien unausweichlich, weil die genannte Norm mit ihrem bereits angesprochenen fehlerhaften Verweis geradezu exemplarisch die mangelnde Koordination der reformierten Regelungen mit der bereits bestehenden Gesetzzessualer Befugnisse zwischen den Parteien und den unparteilichen Organen des Staates herbeigeführt; außerdem werde der Faktor, der maßgeblich zur Verzögerung der Insolvenzverfahren beigetragen habe, eliminiert: Canale, Riv. Dir. proc. 2005, 897 (897 f.). 496 Jorio, in: Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. X; ders., Il Fallimento 2005, 1453 (1453); Santangeli-Allegritti, Art. 163, S. 727. 497 Jorio, in: Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. X; Santangeli-Allegritti, Art. 163, S. 728; Terranova-Calderazzi, Art. 162, S. 328. 498 Jorio, in: Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. XI.
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gebung verdeutlichte. Nunmehr ordnet Art. 162 II LF an, dass das Gericht den Ausgleichsvorschlag nach einer Anhörung des Schuldners für unzulässig erklärt, wenn es feststellt, dass die Voraussetzungen der Art. 160 I, II, 161 nicht vorliegen. Art. 163 LF knüpft an Art. 162 LF an, indem er das Gericht verpflichtet, das Ausgleichsverfahren zu eröffnen, falls das Gericht nicht entsprechend Art. 162 LF vorgeht (i. e. falls es den Vorschlag nicht wegen Unvereinbarkeit mit Art. 160 I, II, 161 für unzulässig erklärt). Die erwähnten Modifikationen der Art. 162, 163 wirken sich auf die Prüfungsbefugnis des Gerichts im Zulassungsverfahren aus. In diesem Zusammenhang ist insbesondere hervorzuheben, dass die Formulierung „nach Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Unterlagen“, die als Anknüpfungspunkt für eine Befugnis des Gerichts zur beschränkten materiellen Kontrolle des Plans und seiner Anlagen angesehen werden konnte, aus Art. 163 LF gestrichen wurde. Das Gericht soll und muss nach der neuesten Fassung der Art. 162, 163 LF grundsätzlich keine Bewertung des Plans oder seiner Anlagen vornehmen, sondern lediglich formal überprüfen, ob der vom Schuldner vorgelegte Plan einem der in Art. 160 I LF genannten Typen entspricht und von den gem. Art. 161 LF erforderlichen Unterlagen begleitet wird.499 Nur die gem. Art. 163 I, 2. Hs. LF notwendige Kontrolle der Richtigkeit der zur Klassenbildung genutzten Kriterien verlangt nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 162 LF vom Gericht eine „Bewertung“. Wer bislang noch vertrat, aus dem Verweis in Art. 162 I, 2. Hs. LF folge, dass der Gesetzgeber weiterhin eine inhaltliche Kontrolle des Ausgleichsvorschlags entsprechend Art. 160 II LF a. F. zulassen wolle, wird durch die Neufassung des Art. 162 LF seiner Argumente beraubt. Der nunmehr in Art. 162 LF enthaltene Verweis bezieht sich nämlich eindeutig nicht auf Art. 160 II LF a. F. mit seinen damaligen Anforderungen an die Durchführbarkeit des Plans und die zu erwartende Befriedigung der Gläubiger, sondern auf Art. 160 I, II LF n. F., der keine derartigen Anforderungen mehr normiert. Festzuhalten bleibt deswegen, dass das Gericht nach dem geltenden Recht nicht berechtigt ist, während der Zulassungsphase den Ausgleichsplan und seine Anlagen in der Sache zu überprüfen.500
499
Perugini/Massei, La nuova legge fallimentare, Art. 162, S. 326. Perugini/Massei, La nuova legge fallimentare, Art. 162, S. 326, Art. 163. S. 327. 500
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bb) Gerichtliche Kontrolle in der Phase der Bestätigung des Ausgleichs Zum anderen nimmt das Gericht in der Phase der Bestätigung des Ausgleichs eine Kontrollfunktion wahr. Sieht man vom Sonderfall der Cramdown-Regelung in Art. 180 IV 2 LF ab,501 beschränkt sich diese richterliche Kontrolle gem. Art. 180 III LF auf die Prüfung, ob die zur Annahme des Ausgleichsvorschlags erforderlichen Mehrheiten korrekt zustande gekommen sind. Außerdem muss das Konkursgericht gem. Art. 181 LF überprüfen, ob der Antrag auf Eröffnung des Ausgleichsverfahrens in Einklang mit 161 LF gestellt wurde, d. h. insbesondere unter Vorlage der notwendigen Unterlagen. Somit beschränkt sich das Gericht auf die gleichsam notarielle Überprüfung der Einhaltung formeller Kriterien.502 Zwar wird vertreten, dass das Konkursgericht außerdem zur inhaltlichen Überprüfung des erzielten Ausgleichsergebnisses berechtigt sei.503 Diese Ansicht lässt sich jedoch nur auf den Wortlaut des inzwischen abgeschafften Art. 181 LF a. F. stützen, nach dem der Richter die wirtschaftliche Angemessenheit des Plans zu prüfen hatte, insbesondere unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Aktivitäten des Unternehmens und seiner Effizienz. Zudem musste der Richter gem. Art. 181 LF a. F. kontrollieren, ob durch die vom Schuldner gewährten Sicherheiten die Erfüllung des Plans gewährleistet werden konnte und ob der Schuldner sich des Ausgleichs „würdig“504 erwiesen hatte. Eine vergleichbare Regelung fehlt allerdings im geltenden Recht, so dass die Befugnis des Gerichts zur inhaltlichen Kontrolle des Ausgleichsvorschlags nicht aus dem Gesetz abgeleitet werden kann. Zwar mag man der Ansicht sein, das Gericht dürfe nicht gezwungen werden, einen Plan zu bestätigen, der (möglicherweise auf Grund erst nach dem Eröffnungsbeschluss eingetretener neuer Tatsachen) erkennbar undurchführbar erscheint.505 Das Gericht müsse daher berechtigt sein nachzuprüfen, ob die in 501 Nur bei der Prüfung der Tatbestandsmerkmale des Art. 180 IV 2 bzw. des Art. 177 II LF darf das Konkursgericht eine inhaltliche, materiell-rechtliche Kontrolle des Ausgleichs sowie des ihm zu Grunde liegenden Plans vornehmen. 502 Trib. Taranto, Beschluss vom 01.07.2005, abzurufen auf www.ipsoa.it/ fallimento, Stand: 02.07.2007; Panzani, Il D. L. 35/2005, la Legge 14 maggio 2005, n. 80 e la Riforma della Legge Fallimentare, S. 2, 5, abzurufen auf www.ipsoa.it/ fallimento, Stand: 04.06.2007; Santangeli-Allegritti, Art. 180, Anm. 1, S. 754; Scarafoni, Dir. fall. 2005, I, 832 (840); Ferro, Il Fallimento 2005, 587 (593); Bozza, Il Fallimento 2005, 801 (803 f.); ders., Il Fallimento 2006, 1067 (1068). 503 Trib. Salerno, Urteil Nr. 2980 vom 03.06.2005, abgedruckt in Il Fallimento 2005, 1297 ff.; Genoviva, Il Fallimento 2006, 361 (367). 504 Zum Erfordernis der Ausgleichswürdigkeit siehe oben unter C.I.1.b)dd)(1)(a), S. 123. 505 Bünger, DZWIR 2006, 455 (459).
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Art. 162 LF genannten Eröffnungsvoraussetzungen einschließlich der Durchführbarkeit des Plans noch gegeben sind.506 Abgesehen von einer allenfalls gestatten Evidenzkontrolle hinsichtlich der fortbestehenden Durchführbarkeit des Plans ist jedoch keine Befugnis des Gerichts zur inhaltlichen Prüfung des Plans anzuerkennen. Selbst die Prüfung der fortbestehenden Durchführbarkeit des Plans dürfte dem Gericht schwer fallen, denn es ist seit der Neufassung des Art. 180 III LF durch das decreto correttivo nicht mehr berechtigt, von Amts wegen Auskünfte einzuholen und die erforderlichen Beweise zu erheben. Art. 180 III LF a. F., der dem Gericht diese Befugnis zuvor einräumte, wurde nämlich gestrichen. k) Erfolgsfaktor: Auswahl eines fähigen und anerkannten Verwalters Im zweiten Kapitel wurde festgestellt, dass die Auswahl eines fähigen und allseits anerkannten Insolvenzverwalters durch die Regelung in § 56 I InsO nur unzureichend sichergestellt wird.507 Möglicherweise kann die entsprechende Regelung des italienischen Rechts dem deutschen Gesetzgeber bei einer etwaigen Neufassung des § 56 I InsO als Vorbild dienen. Bevor im Rahmen einer rechtsvergleichenden Betrachtung über den Vorbildcharakter der italienischen Regelung entschieden wird,508 soll an dieser Stelle zunächst die Auswahl und Bestellung des Ausgleichsverwalters dargestellt werden. Da der Ausgleichsverwalter lediglich eine kontrollierende und ordnende Funktion hat (siehe Art. 167 I, 172 LF), nicht aber für die Verwaltung des schuldnerischen Vermögens zuständig ist, entspricht seine Bedeutung allerdings nicht der des Insolvenzverwalters im Insolvenzplanverfahren. aa) Kriterien der Verwalterauswahl Die Auswahl des „Ausgleichsverwalters“ (commissario giudiziale) richtet sich wegen des Verweises in Art. 163 II Nr. 3 LF auf die Art. 28, 29 LF nach denselben Kriterien wie die Auswahl und Bestellung des Masseverwalters (curatore) im regulären Konkursverfahren. Art. 28 LF, der die Erfordernisse für die Bestellung zum Masseverwalter (bzw. zum Ausgleichs506
Trib. Salerno, Urteil Nr. 2980 vom 03.06.2005, abgedruckt in Il Fallimento 2005, 1297 ff.; Trib. Monza, Beschluss vom 28.09.2005, abgedruckt in Il Fallimento 2005, 1406 ff.; Trib. Modena, Beschluss Nr. 839/2006 vom 07.04.2006, abzurufen auf http://dottrinaediritto.ipsoa.it/home.jsp. 507 Siehe oben im 2. Kapitel unter A.VI., S. 48 ff. 508 Dazu siehe unten im 5. Kapitel unter A.X., S. 265 ff.
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verwalter) regelt, wurde im Zuge der Insolvenzrechtsreform grundlegend geändert. Ob durch die Reformgesetzgebung der Kreis der potentiellen Verwalter erweitert oder eingeschränkt wurde, wird allerdings uneinheitlich beurteilt. (1) Auswahlkriterien vor dem 16.07.2006 gem. Art. 28 LF a. F. Art. 28 LF a. F., der bis zur Änderung des Konkursgesetzes durch das zum 16.07.2006 in Kraft getretene decreto legislativo Nr. 5 vom 09.01.2006 galt, begnügte sich mit der negativen Aufzählung von Erfordernissen für die Bestellung zum Masseverwalter. Demnach konnte nicht zum Masseverwalter berufen werden, wer entmündigt oder unfähig war. Außerdem waren Personen ausgeschlossen, über deren Vermögen ein Konkursverfahren eröffnet worden war oder die wegen einer strafrechtlichen Verurteilung kein öffentliches Amt bekleiden durften (Art. 28 I LF a. F.). Art. 28 II LF a. F. nahm schließlich aus der Gruppe der potentiellen Verwalter die Verwandten und Gläubiger des Schuldners aus, sowie diejenigen, die innerhalb der letzten zwei Jahre vor Konkurseröffnung in die Betriebsführung des schuldnerischen Unternehmens involviert waren. (2) Auswahlkriterien seit dem 16.07.2006 gem. Art. 28 LF n. F. Die Reform hat eine detaillierte und vor allem positive Definition der Anforderungen an den Verwalter mit sich gebracht. Art. 28 I a) LF n. F. zählt zunächst die Berufsgruppen auf, aus denen sich der Verwalter rekrutieren kann. Zu diesen zählen Rechtsanwälte, Doktoren in Wirtschaftswissenschaften, diplomierte Rechnungsführer und Handelsrechnungsführer. Insofern hat sich der Kreis der potentiellen Verwalter gegenüber Art. 28 LF a. F. verkleinert, denn nach der alten Regelung konnten Angehörige jeder beliebigen Berufsgruppe als Verwalter fungieren, soweit sie nicht wegen Entmündigung o. ä. (Art. 28 I LF a. F.) oder wegen eines befürchteten Interessenkonflikts (Art. 28 II LF a. F.) von der Übernahme dieses Amtes ausgeschlossen waren. Gleichzeitig erweitert Art. 28 I b) LF n. F. den Kreis der potentiellen Verwalter gegenüber der alten Regelung, denn nunmehr können nicht nur natürliche Personen zum Verwalter bestellt werden, sondern es kommen auch Zusammenschlüsse von natürlichen Personen als Kandidaten für das Amt des Verwalters in Betracht. Konkret können Gemeinschaftskanzleien von Freiberuflern oder Gesellschaften unter Freiberuflern (i. e. Partnerschaften i. S. d. § 1 I 1 PartGG) zum Masseverwalter berufen werden, sofern ihre Mitglieder die in Art. 28 I a) LF. n. F. vorgesehenen beruflichen Voraussetzungen erfüllen. Wegen Art. 32 I 1 LF, der die per-
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sönliche Ausübung des Verwalteramtes vorschreibt und die Delegation einzelner Handlungen an Dritte nur mit richterlicher Einwilligung zulässt, muss jedoch eine bestimmte natürliche Person innerhalb der Gesellschaft als Verantwortliche für das Verfahren festgelegt werden.509 Diese Pflicht zur Bezeichnung einer verantwortlichen natürlichen Person normiert Art. 28 I b) LF n. F. Neben den Angehörigen der in Art. 28 I a) LF n. F. genannten Berufsgruppen können auch Personen mit unternehmerischer Erfahrung das Amt des Verwalters bekleiden. Dazu ist es gem. Art. 28 I c) LF n. F. erforderlich, dass der Kandidat Verwaltungs-, Leitungs- und Kontrolltätigkeiten in Aktiengesellschaften ausgeübt hat und dabei angemessene unternehmerische Fähigkeiten bewiesen hat. Als wichtige Einschränkung bestimmt Art. 28 I c) a. E. LF allerdings, dass über das Vermögen des Kandidaten bislang kein Konkursverfahren eröffnet worden sein darf. Ähnlich der in Art. 28 II LF a. F. enthaltenen Regelung sieht Art. 28 III LF n. F. vor, dass weder Verwandte noch Gläubiger des Schuldners zum Verwalter bestellt werden dürfen; dasselbe gilt für Personen, die in den letzten zwei Jahren vor der Konkurseröffnung zur Zerrüttung des Unternehmens beigetragen haben (wie soll das zu beurteilen sein?)510 sowie für jeden, bei dem ein Interessenkonflikt zum Konkurs besteht. (3) Kritik an der Formulierung des Art. 28 LF n. F. Der Ausschluss von (ehemaligen) Konkursschuldnern aus dem Kreis der potentiellen Verwalter gem. Art. 28 I c) a. E. ist das Ergebnis einer hitzigen Kontroverse. Der Entwurf für eine Neufassung des Art. 28 I c) LF sah zunächst vor, dass auch Konkursschuldner das Amt des Verwalters übernehmen durften, sofern seit der Konkurseröffnung zehn Jahre vergangen waren.511 Gegen diese Regelung formierte sich jedoch starker Protest, insbesondere seitens des Rechtsausschusses des Parlaments. Welches Argument gegen den Einsatz ehemaliger Konkursschuldner vorgebracht wurde, lässt sich leicht erahnen: Wer selbst schon einmal ein Unternehmen in den Konkurs gewirtschaftet habe, sei des Amtes eines Verwalters nicht würdig; eine so wichtige und heikle Aufgabe könne nicht von jemanden erfüllt werden, der ausweislich seiner früheren Misswirtschaft letztlich nicht fähiger 509 Den Zusammenhang zwischen Art. 32 I 1 LF einerseits und der Pflicht zur Bezeichnung einer verantwortlichen natürlichen Person andererseits zeigt Nardo auf, in: Santangeli-Nardo, Art. 28, Anm. 3, S. 149. 510 Diese Frage stellt sich auch Tedeschi, Manuale del nuovo diritto fallimentare, S. 160. 511 Zitiert nach Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, Art. 28, S. 40 und Terranova-Calderazzi, Art. 28, S. 60.
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sei als derjenige, dessen Vermögen er verwalten solle.512 Leicht zugespitzt lassen sich die vom Rechtsausschuss geäußerten Bedenken zusammenfassen als Mahnung, der Bock dürfe nicht zum Gärtner gemacht werden. Diese Bedenken sind nicht völlig unbegründet. Um dem „Bock als Gärtner“-Argument zu begegnen, hätte es jedoch m. E. genügt, dem Konkursschuldner im Anschluss an den Konkurs für einen begrenzten Zeitraum die Ausübung des Verwalteramtes zu untersagen. Der im Gesetzesentwurf ursprünglich vorgesehene Zeitraum von zehn Jahren erscheint insofern angemessen. Denjenigen, über dessen Vermögen zu irgendeinem Zeitpunkt der Konkurs eröffnet worden ist, lebenslang zu disqualifizieren, dürfte unverhältnismäßig sein. Aussagekräftiger als ein einmaliges Scheitern – das zudem nicht zwangsläufig auf die Unfähigkeit des Unternehmers zurückzuführen sein muss513 – ist der Anteil der erfolgreichen Unternehmungen unter den vom Kandidaten umgesetzten Geschäftsideen. Kritikwürdig ist der pauschale Ausschluss ehemaliger Konkursschuldner auch deswegen, weil er in einem krassen Gegensatz zu einem der erklärten Ziele der Reform steht:514 Durch die Reform sollen nämlich die als unzeitgemäß empfundenen zivilrechtlichen Sanktionen des Konkurses abgeschafft werden.515 Der Ausschluss der Konkursschuldner aus dem Kreis der potentiellen Verwalter stellt jedoch eine solche Sanktion des Konkurses dar und ist deswegen mit den Zielen der Reform unvereinbar. Um nachzuvollziehen, wer in der Vergangenheit mit seinem Unternehmen Konkurs gegangen ist, müsste außerdem praktischerweise das Konkursregister wieder eingeführt werden. Dieses wurde allerdings gerade im Zuge der Reform abgeschafft, weil man es wegen des (vermeintlichen) Mangels von Sanktionen, die an den Konkurs anknüpfen, für überflüssig hielt.516 Kritik hat auch die Einbeziehung von „Managern“ in den Kreis der Kandidaten für das Amt des Verwalters erfahren. Während einigen diese Neuerung zu weit geht, finden andere sie nicht weit reichend genug. Die Meinungsführer der erstgenannten Gruppe bemängeln, dass von den Managern kein Nachweis von Fachwissen verlangt werde, während von den unter Art. 28 I a) LF aufgeführten Freiberuflern auf Grund ihrer Ausbildung stillschweigend und selbstverständlich ein entsprechendes Fachwissen eingefordert werde.517 Es sei nicht sichergestellt, dass Manager i. S. d. Art. 28 I c) LF über das erforderliche Fachwissen, insbesondere über das theoretische 512
Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, Art. 28, S. 40. Tedeschi, Manuale del nuovo diritto fallimentare, S. 160. 514 Santangeli-Nardo, Art. 28 Anm. 2, S. 148; Tedeschi, Manuale del nuovo diritto fallimentare, S. 160. 515 Zu den Zielen der Reform siehe oben unter A.III., S. 96 ff. 516 Santangeli-Nardo, Art. 28 Anm. 2, S. 148. 517 Santangeli-Nardo, Art. 28 Anm. 4, S. 149 f. 513
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Hintergrundwissen verfügten.518 Diesem Einwand lässt sich jedoch entgegnen, dass es dem Gesetzgeber nicht darum geht, eine Person mit möglichst guten theoretischen Kenntnissen zum Verwalter zu bestellen, sondern vielmehr eine Person, die jedenfalls im Ergebnis in der Lage ist, das Unternehmen erfolgreich fortzuführen bzw. den Schuldner bei der Fortführung zu unterstützen. Was zählt, ist die einschlägige Vorbildung des Verwalters, sei sie eher praktischer oder eher theoretischer Natur. Daher taugt auch eine Person als Verwalter, die sich „nur“ auf Grund ihrer praktischen Erfahrungen im Geschäftsleben auskennt. Die Vertreter der zweiten Meinungsgruppe werfen dem Gesetzgeber vor, er habe unverständlicherweise diejenigen aus Art. 28 I c) LF ausgeklammert, die zwar bereits ihre unternehmerischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt haben, aber dieses nicht in einer Aktiengesellschaft getan haben.519 Tatsächlich verwundert es, dass nur eine Leitungstätigkeit o. ä. in einer Aktiengesellschaft zur Ausübung des Verwalteramtes befähigen soll. Warum der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens (das typischerweise nicht als Aktiengesellschaft organisiert ist) als Verwalter weniger geeignet sein soll als der Vorstand einer AG, leuchtet nicht ein – insbesondere, wenn es sich bei dem zu verwaltenden schuldnerischen Unternehmen zufällig um einen mittelständischen Betrieb handelt. Hier hätte der Gesetzgeber daher den Kreis der potentiellen Verwalter weiter fassen sollen. Er hätte als Abgrenzungskriterium statt der nichts sagenden Gesellschaftsform bestimmte aussagekräftige Kennzahlen verwenden sollen. – Beispielsweise hätte darauf abgestellt werden können, wie viele Angestellte das Unternehmen hat, in dem der Kandidat seine unternehmerische Erfahrung gesammelt hat und welchen Umsatz dieses Unternehmen erwirtschaftet. Unverständlich ist auch, warum sämtliche Mitglieder der Partnerschaft gem. Art. 28 I b) LF n. F. die in Art. 28 I a) LF vorgesehenen beruflichen Voraussetzungen erfüllen müssen.520 Denn es ist nicht zu befürchten, dass die Qualität der Amtsausübung leidet, wenn einige Mitglieder der Gesellschaft zu anderen als den in Art. 28 I a) LF n. F. genannten Berufsgruppen gehören.521 Entscheidend dürfte allein sein, dass die intern mit dem Verfahren betraute Person einer der aufgeführten Berufsgruppen angehört. Schließlich lässt Art. 28 LF n. F. nach der Ansicht von Nardo noch einige Fragen offen:522 Was passiert, wenn das Mitglied einer Gemeinschaftskanzlei, das mit der Durchführung des Verfahrens betraut ist, aus der Kanzlei 518 519 520 521 522
Serao, Italia Oggi vom 29. September 2005, S. 33. Terranova-Calderazzi, Art. 28, S. 60. Ambrosini-Vitiello, La riforma della legge fallimentare, S. 78. Ambrosini-Vitiello, La riforma della legge fallimentare, S. 78. Santangeli-Nardo, Art. 28 Anm. 5, S. 150–153.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
ausscheidet? Behält der einzelne Rechtsanwalt das Mandat oder verbleibt es bei der Kanzlei? Diese Frage lässt sich m. E. anhand des Wortlauts von Art. 28 I 1. Hs. LF n. F. beantworten. Dort heißt es: Zum Amt eines Masseverwalters können berufen werden (. . .) Gemeinschaftskanzleien von Freiberuflern. Amtsträger ist also die Kanzlei, die lediglich intern einen Verantwortlichen bestellt, der sich aber bei Veränderungen im Organisationsgefüge ändern kann. Ist das Konkursgericht nach einer solchen Veränderung nicht mit dem neuen Verantwortlichen zufrieden, kann sie die Bestellung der Kanzlei zum Verwalter widerrufen.523 Bei Haftungsfragen ist ebenfalls zwischen dem Außen- und dem Innenverhältnis zu unterscheiden. – Da die Kanzlei als solche zum Verwalter bestellt wurde, haftet sie (genauer: die juristische Person) im Außenverhältnis. Sie kann aber möglicherweise im Innenverhältnis beim Verantwortlichen Regress nehmen. Unklar ist die Formulierung des Art. 28 LF n. F. insofern nicht. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die neue Fassung des Art. 28 LF zwar unter einigen, bereits aufgezeigten Gesichtspunkten kritikwürdig ist, aber jedenfalls nicht wegen fehlender Klarheit im Bezug auf zivilrechtliche Verantwortlichkeiten. bb) Einfluss der Gläubiger auf die Auswahlentscheidung Eine Einflussnahme der Gläubiger auf die Auswahl und Bestellung des Ausgleichsverwalters ist gesetzlich nicht vorgesehen. Allenfalls nachträglich bietet sich den Gläubigern die Möglichkeit, die vom Richter vorgenommene Auswahl des Verwalters in Frage zu stellen. Insofern ist jedoch zwischen den Befugnissen einzelner Gläubiger und den Befugnissen des Gläubigerausschusses zu unterscheiden. (1) Antrag der Gläubigermehrheit auf Ersetzung des ursprünglichen Verwalters gem. Art. 37-bis LF (a) Rechtslage vor dem 01.01.2008 Nach der bis zum 01.01.2008 aktuellen Rechtslage konnten einzelne Gläubiger im Konkursverfahren mittelfristig erreichen, dass eine von ihnen als geeignet empfundene Person das Amt des Verwalters übernahm. Zwar oblag auch im Konkursverfahren die Auswahl des Verwalters dem Richter, doch konnte eine Gläubigermehrheit (i. e. die Kapitalmehrheit) in der Sitzung, in der der Richter den Schuldenstand bildete (Art. 95, 96 LF) gem. Art. 37-bis I LF die Ersetzung des Verwalters durch einen von den Gläubi523
Terranova-Calderazzi, Art. 28, S. 60.
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gern vorgeschlagenen Kandidaten verlangen. Diesen Kandidaten hatte der Richter zwingend als Verwalter einzusetzen, sofern er die Kriterien des Art. 28 LF erfüllte. Die Gläubiger mussten gem. Art. 37-bis I 1 LF zwar aus Transparenzgründen die Gründe für ihren Antrag auf Ersetzung des Verwalters darlegen. Als Motiv für das Ersuchen um die Ersetzung des Masseverwalters war allerdings bereits das fehlende Vertrauen der Gläubiger in den Verwalter ausreichend, Verfehlungen des Verwalters mussten nicht geltend gemacht werden.524 Mangels eines Verweises ist Art. 37-bis LF, der systematisch dem Konkursverfahren zuzuordnen ist, jedoch nicht auf das Ausgleichsverfahren anwendbar. Im Ausgleichsverfahren ist es einzelnen Gläubigern daher nicht möglich, ihren Wunschkandidaten für das Amt des Verwalters durchzusetzen. (b) Rechtslage seit dem 01.01.2008 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sogar im Konkursverfahren die Ersetzung des ursprünglich eingesetzten Verwalters durch einen Wunschkandidaten seit der Verabschiedung des decreto correttivo nur noch unter engen Voraussetzungen zulässig ist. Seit dem 01.01.2008 kann die Ersetzung des Verwalters gem. Art. 37-bis LF erst nach dem Abschluss der Versammlung stattfinden, in der die Prüfung des Schuldenstandes vorgenommen wird. Durch diese Regelung soll sichergestellt werden, dass der Richter im Zeitpunkt des Ersetzungsantrags bereits einen Überblick über die zugelassenen Forderungen hat. Auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass bei der Verifizierung der erforderlichen Mehrheit nicht nur auf die Forderungen der Gläubiger abgestellt wird, die zufällig in der Versammlung anwesend sind, sondern vielmehr auf die Gesamthöhe aller zugelassenen Forderungen. Eine willkürliche Mehrheitsbildung soll so verhindert werden.525 Eine wesentliche Neuerung, die das decreto correttivo mit sich bringt, liegt außerdem in einer Ausweitung der Entscheidungsfreiheit des Richters. Dieser ist nämlich nach der neuesten Fassung des Art. 37-bis LF nicht mehr in jedem Fall verpflichtet, dem Ersetzungsantrag der Gläubiger (bei hinreichender Qualifikation des vorgeschlagenen Kandidaten, versteht sich) stattzugeben. Vielmehr prüft der Richter, ob wichtige Gründe das Ersuchen um Ersetzung des Verwalters rechtfertigen. Dem Richter wird also eine ähnliche Befugnis zur inhaltlichen Prüfung des Antrags verliehen wie im Fall 524
Jorio-Abete, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 37-bis, Anm. 6, S. 635 f. Siehe die Gesetzesmaterialien, Relazione al decreto legislativo 7 settembre 2007, Art. 3. 525
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
des Art. 37 LF im Zusammenhang mit der Enthebung des Masseverwalters.526 Die Möglichkeiten der Gläubiger, den ursprünglich eingesetzten Verwalter durch einen Wunschkandidaten zu ersetzen, werden insofern eingeschränkt. (2) Antrag des Gläubigerausschusses auf Enthebung des ursprünglichen Verwalters gem. Art. 37 LF Während einzelne Gläubiger auch nachträglich die Auswahl des Ausgleichsverwalters nicht in Frage stellen können, hat der Gläubigerausschuss i. S. d. Art. 40 LF als Vertretungsorgan der Gläubiger weiter reichende Kompetenzen. Der Ausschuss kann nämlich gem. Art. 165 II i. V. m. Art. 37 LF jederzeit die Enthebung des Verwalters beantragen. Welche Gründe eine Enthebung rechtfertigen, geht aus dem Gesetz nicht hervor. Aus teleologischen Erwägungen folgt, dass grundsätzlich jede Tatsache die Enthebung des Verwalters rechtfertigen kann, sofern sie die Amtsausübung durch den bisherigen Verwalter als unvereinbar mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens erscheinen lässt.527 Das ist beispielsweise der Fall, wenn dem Verwalter bestimmte, für die Verwertung des schuldnerischen Vermögens notwendige Fähigkeiten fehlen528 oder wenn der Verwalter seinen Verpflichtungen verschuldensunabhängig nicht rechtzeitig oder nicht kontinuierlich nachkommen kann529. Anders als Art. 37-bis LF a. F., der den Richter zur Ernennung des (hinreichend qualifizierten) Wunschkandidaten der Gläubigermehrheit verpflichtete, stellt Art. 165 II i. V. m. Art. 37 LF die Entscheidung über die Enthebung des Verwalters in das Ermessen des Richters.530 Der Einfluss der Gläubiger ist im Fall des Art. 165 II i. V. m. Art. 37 LF insofern verhältnismäßig schwach. Selbst wenn der Richter dem Antrag des Gläubigeraus526 Dieser Hinweis auf die Parallele zu Art. 37 LF findet sich in den Gesetzesmaterialien, Relazione al decreto legislativo 7 settembre 2007, Art. 3; zu Art. 37 LF siehe unten unter C.I.1.k)bb)(2), S. 160 f. 527 Colesanti/Pajardi-Bocchiola, Art. 37, Anm. 2, S. 286 f. 528 Jorio-Abete, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 37, Anm. 1, S. 618; Ferro-Ruggiero, La legge fallimentare, Art. 37, Anm. III 18., S. 280. 529 Trib. Roma, Urteil vom 04.12.1996, abgedruckt in Il Fallimento 1997, 432 f.; ebenso Trib. Roma, Urteil vom 20.04.1995, abgedruckt in Il Fallimento 1995, 974 f.; Trib. Roma, Urteil vom 07.07.1994, abgedruckt in Il Fallimento 1995, 99 f.; App. Milano, Urteil vom 30.04.1991, abgedruckt in Società bilancio e contabilità 1991, 1366; Jorio-Abete, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 37, Anm. 1, S. 618; Ferro-Ruggiero, La legge fallimentare, Art. 37, Anm. III 18., S. 280. 530 Ferro-Ruggiero, La legge fallimentare, Art. 37, Anm. II 9., S. 278; Maffei Alberti-Pacchi, Diritto fallimentare, S. 113.
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schusses gem. Art. 165 II i. V. m. Art. 37 LF stattgibt, ist damit nicht gesagt, dass der ersatzweise bestellte, neue Verwalter den Wünschen der Gläubigermehrheit entspricht. Welchen Verwalter der Richter als Ersatz wählt, bleibt ihm nämlich überlassen. Deswegen kann ein Antrag auf Enthebung des Ausgleichsverwalters gem. Art. 165 II i. V. m. Art. 37 LF nicht sicherstellen, dass mittelfristig ein von der Gläubigermehrheit akzeptierter Verwalter zum Einsatz kommt. cc) Einblick in die Praxis Nach einem Gespräch mit mehreren italienischen Juristen kann an dieser Stelle wenigstens in einem beschränkten Rahmen ein Einblick in die Praxis gegeben werden, und zwar was die Vorauswahl des Verwalters und seine Bestellung im Einzelfall angeht. Zunächst zur Vorauswahl: Jedes Insolvenzgericht führt eine (offene) Liste, auf der die als Verwalter in Betracht kommenden Personen aufgeführt sind. Diese Liste ist nur zum internen Gebrauch bestimmt und wird folglich nicht veröffentlicht. Um ein Bild von den Fähigkeiten der Verwalter-Kandidaten zu erhalten, werden die Kandidaten gebeten, einen Fragebogen auszufüllen. Im Anhang zu dieser Untersuchung ist beispielhaft der Fragebogen des Landgerichts Mailand abgedruckt.531 Wie aus diesem Fragebogen hervorgeht, werden unter anderem Informationen zur universitären Bildung, zu den Sprachkenntnissen, zu den bisherigen beruflichen Aktivitäten und zur Organisation des Büros verlangt. Nach der Aussage eines Mailänder Rechtsanwaltes wird unter den aufgeführten Kriterien insbesondere auf die Berufserfahrung Wert gelegt. Die Liste der Kandidaten wird gemäß einer verbreiteten Praxis in verschiedene Kategorien eingeteilt, üblicherweise in fünf Stück. In die erste Kategorie werden die fähigsten Verwalter aufgenommen, in die zweite Kategorie die etwas weniger fähigen usw. In der fünften Kategorie finden sich die Kandidaten, die – beispielsweise aus Altersgründen – künftig nicht mehr als Verwalter eingesetzt werden. Ein Richterausschuss entscheidet alle sechs Monate über die Einordnung der einzelnen Kandidaten in die verschiedenen Kategorien, ohne dass die Kandidaten von ihrem jeweiligen Ranking erfahren. Die wichtigsten (und in der Regel zugleich einträglichsten) Verfahren werden dann an Kandidaten aus der ersten Kategorie vergeben, die etwas weniger wichtigen an diejenigen aus der zweiten Kategorie usw. Berufsanfänger werden grundsätzlich zunächst der vierten Kategorie zugeteilt und erhalten dann die Möglichkeit, sich zu bewähren und in der Folge in die Kategorien I–III aufzusteigen. 531
Siehe Anhang unter E., S. 306.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
Zu der Bestellung des Verwalters im Einzelfall ergab das erwähnte Gespräch, dass die Möglichkeit, Manager als Verwalter einzusetzen, nur auf dem Papier existiere. Tatsächlich habe kein Gericht jemals einen Verwalter aus dieser Kategorie ausgewählt. Zudem werde wegen der Befürchtung der Befangenheit bei der Bestellung des Verwalters im Einzelfall Wert darauf gelegt, dass die als Verwalter in Aussicht genommene Person nicht bereits im Vorfeld mit der Insolvenz des Schuldnerunternehmens befasst gewesen sei, beispielsweise als Berater des Schuldners. Diese Haltung hat zur Folge, dass bedauerlicherweise gerade derjenige, der mit der Problematik im Einzelfall besonders vertraut ist (z. B. weil er den Schuldner bei der Erstellung des Ausgleichsplans beraten hat), von vornherein nicht als Verwalter in Betracht kommt. l) Erfolgsfaktor: Erhaltung des Unternehmens als funktionsfähige wirtschaftliche Einheit Die Fortführung des Unternehmens im Ausgleichsverfahren setzt voraus, dass das Unternehmen als funktionsfähige wirtschaftliche Einheit erhalten bleibt. Das Ausgleichsverfahren kann – wie bereits erwähnt532 – sowohl zur Fortführung und Sanierung des Unternehmens als auch zur Liquidation genutzt werden. Um die Entscheidung über diese Verwertungsalternativen offen zu halten, bis eine der Alternativen im concordato preventivo verbindlich vereinbart wurde, ordnet Art. 168 I LF eine Vollstreckungshemmung an. Diese greift bereits ab der Einreichung des Antrags auf Eröffnung des Ausgleichsverfahrens ein, so dass die Gläubiger des schuldnerischen Unternehmens nicht vor der Abstimmung über den Ausgleichsvorschlag auf das schuldnerische Vermögen zugreifen können. Auf diese Weise wird die Aushöhlung des Betriebsvermögens durch vorzeitige Vollstreckungshandlungen verhindert, damit etwaigen Fortführungsbemühungen nicht von vornherein die Grundlage entzogen wird. Art. 168 I LF stellt also durch die Anordnung einer Vollstreckungshemmung sicher, dass das schuldnerische Unternehmen wenigstens vorübergehend bis zu einer Entscheidung über den Ausgleich als funktionsfähige wirtschaftliche Einheit erhalten bleibt. m) Die übertragende Sanierung im Ausgleichsverfahren und ihre Erfolgsfaktoren Im zweiten Kapitel wurde bereits aufgezeigt, dass die übertragende Sanierung in Deutschland zu den wichtigsten, am häufigsten eingesetzten Sa532
Siehe oben unter C.I.1.a), S. 99 f.
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nierungsinstrumenten gehört.533 Es stellt sich daher die Frage, ob auch das italienische Recht die Möglichkeit der übertragenden Sanierung oder aber wenigstens ein funktionales Äquivalent kennt. aa) Zulässigkeit der übertragenden Sanierung Art. 160 I a) LF lässt pauschal die Befriedigung der Forderungen in jedweder Form zu. Wie die Mittel gewonnen werden, die für die Befriedigung aufgewendet werden, bleibt wegen der einschränkungslosen Formulierung des Art. 160 I a) LF dem Willen der Parteien überlassen.534 Das Kapital für die Befriedigung der Gläubiger kann beispielsweise aus dem Verkauf des Unternehmens stammen, weil Art. 160 LF auch eine Liquidation auf der Grundlage des Ausgleichsplans zulässt.535 Die übertragende Sanierung, die den Verkauf des Unternehmens voraussetzt und zu einer Befriedigung der Gläubiger aus dem Verkaufserlös führt, stellt lediglich eine Sonderform der Liquidation dar. Sie ist also auf der Grundlage des Ausgleichsplans zulässig. bb) Ausdrückliche Regelung der übertragenden Sanierung Fraglich ist weniger die grundsätzliche Zulässigkeit der übertragenden Sanierung, als vielmehr ihre ausdrückliche Regelung im Konkursgesetz. Mehrere Anknüpfungspunkte bieten sich an: (1) Übertragende Sanierung durch „Abtretung von Sachen“ gem. Art. 160 I a) LF Denkbar wäre, dass die Formulierung „Abtretung von Sachen“ (cessione dei beni) in Art. 160 I a), 2. Hs. LF eine Umschreibung der übertragenden Sanierung darstellt. Genauer gesagt könnte die Abtretung von Sachen unter Beteiligung eines Dritten (dazu unten) einer übertragenden Sanierung entsprechen. Da nach deutschem Rechtsverständnis allenfalls die Abtretung von Rechten möglich ist, nicht jedoch die Abtretung von Sachen, soll zunächst geklärt werden, was unter einer Abtretung von Sachen i. S. d. Art. 160 I LF zu verstehen ist und welche Wirkungen sie auslöst: Art. 1977 cc definiert die „cessione dei beni“ als einen Vertrag, durch den der Schuldner einen oder mehrere Gläubiger beauftragt, einige oder alle seiner Aktiva zu liquidieren 533 534 535
Siehe oben im Kapitel 2 unter B., S. 58 ff. Ferro-Ferro, La legge fallimentare, Art. 160, Anm. III 9., S. 1188. Siehe oben unter C.I.1.a), S. 99 f.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
und den Erlös unter den Gläubigern zur Befriedigung ihrer Forderungen zu verteilen. Dieser Begriff der „Abtretung von Sachen“ liegt auch dem Art. 160 I a), 2. Hs. LF zu Grunde.536 Sogar nach der Abtretung seiner Güter bleibt der Schuldner deren verfügungsbefugter Eigentümer (Art. 167 I LF). Der Schuldner ermächtigt die Gläubiger zu Verfügungen über sein Vermögen, wobei die den Gläubigern übertragene Verwertung des schuldnerischen Vermögens von einem gerichtlich bestellten Liquidator i. S. d. Art. 182 LF durchgeführt wird.537 Bei der Abtretung von Sachen kann ein Dritter eine Rolle spielen: Der Schuldner kann einen Ausgleichsplan vorlegen, der den Verkauf aller abgetretenen Unternehmensgüter zu einem zuvor vereinbarten Festpreis an einen Dritten vorsieht.538 Diese Vorgehensweise, d. h. die Übertragung der schuldnerischen Vermögenswerte auf einen Dritten, aus dessen Mitteln die Gläubiger zu befriedigen sind, entspricht der Vorgehensweise bei einer übertragenden Sanierung nach deutschem Muster. Die übertragende Sanierung lässt sich daher unter die Befriedigung durch Abtretung von Sachen gem. Art. 160 I a), 2. Hs. LF fassen. Allerdings enthält Art. 160 I a), 2. Hs. LF keine über die bloße Erwähnung hinausgehende Regelung dieser Abtretung, so dass sich kein Erkenntnisgewinn im Hinblick auf die übertragende Sanierung aus Art. 160 I a), 2. Hs. LF ziehen lässt. (2) Übertragende Sanierung durch „Zuweisung der Tätigkeiten an einen Übernehmer“ gem. Art. 160 I b) LF Aufschlussreicher ist möglicherweise Art. 160 I b) LF. Dort heißt es, der Ausgleichsplan könne vorsehen, die Tätigkeiten der vom Ausgleichsvorschlag betroffen Unternehmen einem Übernehmer zuzuweisen. Fraglich ist, ob mit dieser Zuweisung der Tätigkeiten an einen Übernehmer eine übertragende Sanierung gemeint ist. Der Gesetzeswortlaut lässt offen, wie die Zuweisung i. S. d. Art. 160 I b) LF geschieht. Typischerweise enthalte die Prozedur ein schuldrechtliches 536
Alemagna/Borella/Subitosi, Il nuovo codice del fallimento, Art. 160, Anm. d), S. 588; Caringella/Ciafardini/Izzo-Caringella, Art. 1977, Anm. 1, S. 2177. 537 Eine zusammenfassende Beschreibung dieses Verfahrens findet sich bei Rose, Betriebsübergänge, S. 54. 538 Zu dieser Vorgehensweise: Cass., Urteil Nr. 19398 vom 28.09.2004, abgedruckt in Giust. civ. 2004, 11; Trib. Terni, Urteil vom 20.05.2000, abgedruckt in Dir. fall. 2001, II, 472 f.; Trib. Catania, Urteil vom 16.02.1983, abgedruckt in Dir. fall. 1983, II, 1010 f.; Provinciali, Trattato, S. 2234; Terranova-Calderazzi, Art. 160, S. 324; zur neuen Fassung des Art. 160 LF Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 24.
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Element sowie ein „Übernahmeelement“ (elemento traslativo), so einhellig ohne weitere Begründung die Kommentatoren, die sich zum Ablauf der Zuweisung äußern.539 (a) Schuldrechtliches Element der Zuweisung i. S. d. Art. 160 I b) LF Das schuldrechtliche Element bestehe in einer Schuldübernahme durch den Erwerber. Regelmäßig handele es sich um eine kumulative Schuldübernahme, so dass der Gemeinschuldner und der Erwerber gesamtschuldnerisch für die Verpflichtungen aus dem Ausgleich hafteten.540 Nur ausnahmsweise werde der Gemeinschuldner von seinen Verpflichtungen befreit, nämlich wenn eine entsprechende Klausel ausdrücklich im Ausgleich vorgesehen sei.541 Geht man davon aus, dass die Schuldübernahme ein Charakteristikum der Zuweisung gem. Art. 160 I b) LF darstellt, unterscheidet sich die Zuweisung von Tätigkeiten an einen Übernehmer grundlegend von einer übertragenden Sanierung nach deutschem Muster. Denn die übertragende Sanierung zielt gerade darauf, das Betriebsvermögen des Veräußerers zu übertragen, ohne zugleich Verbindlichkeiten des Veräußerers übergehen zu lassen. Die Passiva des Gemeinschuldners sollen in der Insolvenzmasse zurückgelassen werden, während die erwerbende Gesellschaft allein die Aktiva für sich in Anspruch nimmt. Eine solche Konstruktion ist nach Art. 160 I b) LF wegen der mit der Zuweisung verbundenen Schuldübernahme nicht möglich, so dass die Zuweisung der Tätigkeiten an einen Übernehmer gem. Art. 160 I b) LF nicht einer übertragenden Sanierung entspricht. (b) „Übernahmeelement“ der Zuweisung i. S. d. Art. 160 I b) LF Lediglich das Übernahmeelement hat die Zuweisung i. S. d. Art. 160 I b) LF mit der übertragenden Sanierung gemein. Zwar bleibt im Dunkeln, was genau das Übernahmeelement – bestehend in der „Abtretung der Tätigkeiten“542 – umfasst. Jedenfalls kann der Erwerber aber nur dann die Tätigkeiten des Veräußerers übernehmen, wenn er dessen Betrieb fortführt. Ebenso 539 De Crescienzo/Panzani, Il nuovo diritto fallimentare, S. 22; Ferro-Ferro, La legge fallimentare, Art. 160 Anm. VI 34. und 32, S. 1191 unter Bezugnahme auf Roberto Pincione, Il concordato con assunzione, atti del convegno „La riforma delle legge fallimentare“, Mailand 14.–15.06.2005 (nicht veröffentlicht); Santangeli-Allegritti, Art. 160, Anm. 3, S. 711, Fn. 14. 540 Ebd. (Fn. 539). 541 Ebd. (Fn. 539). 542 Ebd. (Fn. 539).
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wie mit der übertragenden Sanierung ist also auch mit der Zuweisung der Tätigkeiten an einen Übernehmer gem. Art. 160 I b) LF ein Betriebsübergang verbunden.543 (3) Übertragende Sanierung durch Verkauf des Betriebes als Ganzes gem. Art. 105 LF Am stärksten weckt Art. 105 LF die Assoziation der übertragenden Sanierung. In Art. 105 LF ist nämlich ausdrücklich vom Verkauf des Betriebes als Ganzes die Rede. Es finden sich dort zudem präzise Regelungen der Haftung des Erwerbers (Art. 105 IV LF) und des Übergangs von Personal (Art. 105 III LF). Allerdings gilt Art. 105 LF nach seiner systematischen Stellung im zweiten Titel des Konkursgesetzbuchs, der mit „Konkurs“ überschrieben ist, nur im Konkursverfahren. Die übertragende Sanierung im Ausgleichsverfahren, um die es hier geht, wird folglich nicht von Art. 105 LF erfasst. (4) Ergebnis Festzuhalten bleibt demnach, dass es zwar grundsätzlich eine Regelung der übertragenden Sanierung im Konkursgesetzbuch gibt (Art. 105 LF). Diese ist jedoch nicht im Ausgleichsverfahren anwendbar, so dass es in diesem Zusammenhang bei der bloßen Andeutung der Existenz dieses Institutes in Art. 160 I a), 2. Hs. LF bleibt. Statt an die Formulierung „Abtretung von Sachen“ anzuknüpfen, dürfte es ebenso vertretbar sein, die Übertragung des Betriebes als ein „anderes außerordentliches Geschäft“ i. S. d. Generalklausel Art. 160 I a) LF aufzufassen.544 Das ändert allerdings nichts daran, dass eine ausdrückliche Regelung der übertragenden Sanierung im Hinblick auf das Ausgleichsverfahren fehlt. cc) Erfolgsfaktor: Abbau von Personalüberhang Bereits im zweiten Kapitel wurde die Bedeutung des Personalabbaus für das Gelingen der übertragenden Sanierung dargelegt.545 Interessant ist deswegen, welche Instrumente zum Abbau von Personalüberhang das italienische Recht im Zusammenhang mit einer übertragenden Sanierung gem. Art. 160 I a) LF zur Verfügung stellt. 543
Ebenso Caiafa, Dir. fall. 2005, I, 882 (900 ff.), der im Fall der Zuweisung an einen Übernehmer gem. Art. 160 I b) LF einen Betriebsübergang annimmt. 544 So Ferro-Ferro, La legge fallimentare, Art. 160, Anm. III 20., S. 1189. 545 Siehe oben im 2. Kapitel unter B.V., S. 61 ff.
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(1) Kündigung auf Grund der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens Zunächst ist festzustellen, dass die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens keinen Einfluss auf den Bestand von Arbeitsverhältnissen hat. Allein die Verfahrenseröffnung führt also weder zu einer automatischen Auflösung des Arbeitsverhältnisses, noch kann sie eine Kündigung rechtfertigen.546 (2) Kündigung auf Grund des Betriebsübergangs Ebenso wenig kann eine Kündigung auf Grund des Betriebsübergangs547, der mit der übertragenden Sanierung regelmäßig verbunden ist, ausgesprochen werden. Die europäische Richtlinie548, auf der § 613a BGB beruht, wurde nämlich auch in Italien umgesetzt, so dass sich eine § 613a I BGB vergleichbare Regelung im italienischen Recht findet. Es handelt sich um Art. 2112 IV 1 cc. Dort heißt es: „Während die Möglichkeit des Veräußerers, unter Beachtung der allgemeinen Regeln zu kündigen, bestehen bleibt, stellt der Betriebsübergang an sich keinen Kündigungsgrund dar.“ Art. 2112 I cc bestimmt zudem, dass das Arbeitsverhältnis automatisch mit dem Erwerber fortgesetzt wird. Im zweiten Kapitel wurde jedoch bereits aufgezeigt, dass zumindest nach deutschem Recht trotz des Kündigungsverbots eine Kündigung im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang zulässig sein kann. Beispielsweise kann überzähliges Personal in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Betriebsübergang auf der Grundlage eines Erwerberkonzepts gekündigt werden.549
546 Cass., Urteil Nr. 2187 vom 28.03.1985, abgedruckt in Dir. fall. 1985, II, 737 f.; Trib. Neapel, Urteil vom 29.05.1982, abgedruckt in Dir. fall. 1982, II, 1234; Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 618; Caiafa, Il Fallimento 1992, 313 f.; ders., Nuovo diritto, S. 547; ders., Dir. fall. 2005, I, 882 (904); Dimundo-Patti, I rapporti giuridici, S. 318. 547 Der Begriff des Betriebsübergangs wird in Art. 2112 V cc legaldefiniert. Charakteristisch ist ein Wechsel in der Inhaberschaft einer wirtschaftlichen Organisationseinheit infolge einer vertraglichen Übertragung oder einer Verschmelzung. Art. 2112 V cc knüpft an den Begriff der „azienda“ (Betrieb) an, der wiederum in Art. 2555 cc legaldefiniert wird als Gesamtheit der vom Unternehmer zur Ausübung des Unternehmens organisierten Güter. 548 Richtlinie 2001/23/EG (Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Ansprüche der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ABlEG, L 82, S. 16) sowie als Vorläufer Richtlinie 77/187/EWG v. 14.2.1977 (Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen). 549 Zur Kündigung auf der Grundlage eines Erwerberkonzepts siehe schon oben im 2. Kapitel unter B.V.1.c)aa)(2)(a), S. 65 f.
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(3) Kündigung auf Grund eines Erwerberkonzepts Möglicherweise besteht die Möglichkeit zur Kündigung auf Grund eines Erwerberkonzepts auch nach italienischem Recht. Art. 2112 cc, der die arbeitsrechtlichen Folgen eines Betriebsübergangs regelt, wurde nach seiner Einführung im Jahre 1942 mehrfach geändert.550 Schon zu der ursprünglichen Fassung des Art. 2112 cc entwickelte sich eine gefestigte Rechtsprechung, nach der eine Kündigung gerechtfertigt ist, wenn sie vom Veräußerer vorgenommen wird, um einen vom Erwerber entwickelten Umstrukturierungsplan umzusetzen551 oder um die vom Erwerber formulierten Bedingungen für den Kauf zu erfüllen552. Zwar hatte die Rechtsprechung im Zeitpunkt dieser Entscheidungen noch keine Vorschrift zu beachten, nach der eine Kündigung auf Grund des Betriebsübergangs ausgeschlossen ist (vgl. Art. 2112 IV 1 cc n. F.).553 Doch ging die Rechtsprechung dennoch – genauso wie die Literatur – schon im Zeitpunkt der zitierten Entscheidungen davon aus, dass ein Betriebsübergang keine Kündigung rechtfertigen könne.554 Die erwähnten Entscheidungen wären folglich nicht anders ausgefallen, hätte das Kündigungsverbot gem. Art. 2112 IV 1 cc schon bestanden. Auch nach der Einführung des Kündigungsverbots gem. Art. 2112 IV 1 cc wurde die dargelegte Rechtsprechung aufrechterhalten. Insbesondere hält die Rechtsprechung weiterhin daran fest, dass Arbeitnehmer rechtmäßig im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang gekündigt werden können, wenn der Erwerber einen drastischen Abbau des Personals zur Bedingung für die Übernahme des Betriebes macht.555 Das Bestreben des Erwerbers, das Organisationsgefüge des Betriebes nach einem als geeignet empfundenen Mo550 Änderungen des Art. 2112 cc ergaben sich im Dezember 1990 im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 77/187/EWG durch den italienischen Gesetzgeber. Weitere Änderungen erfolgten durch das Gesetzesdekret Nr. 18/2001 sowie durch das Gesetzesdekret Nr. 276/2003. 551 Cass., Urteil vom 14.11. 1978, abgedruckt in Il diritto del lavoro 1979, II, 134; Cass., Urteil vom 18.10.1978, abgedruckt in Rivista giuridica del lavoro e della previdenza sociale 1979, II, 75; Cass., Urteil vom 29.01.1988, abgedruckt in Foro it. 1989, I, Sp. 3184. 552 Cass., Urteil Nr. 3991 vom 09.07.1984, abgedruckt in Giust. civ. 1984, I, 3288; Cass., Urteil vom 06.05.1986, abgedruckt in Giur. it., 1987, I, Sp. 1062. 553 Das Kündigungsverbot des Art. 2112 IV cc existiert erst seit Dezember 1990. 554 Statt vieler: Cass., Urteil Nr. 5255 vom 14.11.1978; Cass., Urteil Nr. 3901 vom 18.08.1978; Tillmann/Eller, Jahrbuch für italienisches Recht 18 (2005), S. 191(198); Rose, Betriebsübergänge, S. 50. 555 Cass., Urteil Nr. 9462 vom 09.09.1991, abgedruckt in Lavoro e previdenza oggi 1992, 1773 ff.; Perretti, Lavoro e previdenza oggi 1996, 883 (890); Caringella/ Ciafardini/Izzo-Ciafardini, Art. 2112, Anm. 4, S. 2581.
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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dell umzustrukturieren, sei legitim und vom Gericht anzuerkennen.556 Auf der Grundlage der aktuellen Rechtslage ist es dem Erwerber also nach Ansicht der Gerichte möglich, überzähliges Personal schon vor dem Betriebsübergang kündigen zu lassen. Vereinzelt wird in der Literatur aus dem Verbot einer durch den Betriebsübergang motivierten Kündigung auf die Unzulässigkeit der Kündigung auf Grund eines Erwerberkonzepts geschlossen.557 Dieser Ansicht ist jedoch entgegen zu halten, dass das Kündigungsverbot des Art. 2112 IV 1 cc nur die Kündigung wegen des Betriebsübergangs für unzulässig erklärt, nicht jedoch die Kündigung wegen eines beim Erwerber eintretenden Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit. Gerade ein solcher Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit tritt ein, wenn der Erwerber Umstrukturierungen plant, die den Abbau von Arbeitsplätzen erfordern. Die Kündigung auf Grund eines Erwerberkonzepts erfolgt also letztlich nicht wegen des Betriebsübergangs, sondern wegen des zu erwartenden Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit nach dem Übergang des Betriebes an den Erwerber. Insofern ist die Kündigung auf der Grundlage eines Erwerberkonzepts mit dem Kündigungsverbot des Art. 2112 IV 1 cc vereinbar. Auch nach italienischem Recht ist demnach die Kündigung auf Grund eines Erwerberkonzepts zulässig. (4) Mobilitätsverfahren nach dem Bezug von Lohnersatzzahlungen Das italienische Recht kennt eine Regelung, die dem Verwalter eine Überlegungsfrist im Bezug auf das weitere Schicksal des insolventen Unternehmens verschaffen soll.558 Es handelt sich um Art. 3 des Gesetzes Nr. 223/1991 vom 23. Juli 1991559, nach dem der Verwalter im Anschluss an die Erklärung des Konkurses oder nach der gerichtlichen Bestätigung des Ausgleichs unter Abtretung von Gütern Lohnersatzzahlungen der Ausgleichskasse (Cassa integrazione guadagni) für einen Zeitraum von maximal 12 Monaten beantragen kann. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt und dass die Geschäftstätigkeit eingestellt wurde. Die Arbeitsverhältnisse ruhen während des Bezugs der Lohnersatzzahlungen.560 Stellt sich während oder nach Ablauf des Bezugszeit556 Cass., Urteil Nr. 9462 vom 09.09.1991, abgedruckt in Lavoro e previdenza oggi 1992, 1773 (1179). 557 Tinti, Nuove leggi civili commentate 1992, 647 (660); Lambertucci, Rivista italiana di diritto del lavoro 1992, I, 152 (198). 558 Zum Regelungszweck Rose, Betriebsübergänge, S. 51. 559 G. U. Nr. 175 vom 27 Juli 1991. 560 Rose, Betriebsübergänge, S. 51; Liebmann, Schutz des Arbeitnehmers, S. 101.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
raumes schließlich heraus, dass eine Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit nicht möglich ist oder – und dieser Fall ist bei einer übertragenden Sanierung relevant – dass der Beschäftigungsstand nur teilweise aufrechterhalten werden kann, so kann der Verwalter gem. Art. 3 III des Gesetzes Nr. 223/1991 die überzähligen Arbeitnehmer „in die Mobilität setzen“ (collocare in mobilità), i. e. kündigen. Das Mobilitätsverfahren gem. Art. 4 des Gesetzes Nr. 223/1991, das letztlich ein umfassendes Konsultationsverfahren darstellt, ist zeitraubend.561 Es entspricht dem ebenfalls in Art. 4 des Gesetzes 223/1991 geregelten gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahren bei sog. Massenentlassungen562. Das Verfahren beginnt mit einer Mitteilung des Verwalters an die Betriebsvertretungen und Gewerkschaften über die beabsichtigten Kündigungen. Aus dieser Mitteilung muss u. a. hervorgehen, warum andere Maßnahmen als Kündigungen nicht getroffen werden können. Die genannten Arbeitnehmervertretungen haben dann sieben Tage Zeit, eine gemeinsame Überprüfung der Kündigungen mit dem Ziel zu verlangen, die Ursachen für den Personalüberschuss und die Möglichkeiten zur Vermeidung oder zur zahlenmäßigen Begrenzung der Kündigungen zu untersuchen. Für die Überprüfung werden 30 Tage angesetzt. Kann ein Einvernehmen mit den Arbeitnehmervertretern nicht erreicht werden, findet eine weitere Prüfung durch das Ufficio provinciale di lavoro gem. Art. 4 VII des Gesetzes Nr. 223/1991 statt. Erst wenn eine Einigung erzielt oder aber das Verfahren gem. Art. 4 VI–VIII des Gesetzes Nr. 223/1991 vollständig durchgeführt wurde, dürfen die Arbeitnehmer entlassen werden, wobei die jeweils maßgebliche Kündigungsfrist einzuhalten ist. Aus Sicht eines potentiellen Erwerbers ist es unattraktiv, das langwierige Mobilitätsverfahren abwarten zu müssen. Gegenüber der geschilderten Vorgehensweise ist daher der Personalabbau im Rahmen des gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahrens gem. Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 (s. folgender Abschnitt) vorzuziehen. (5) Personalabbau im Zusammenhang mit einem gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahren gem. Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 Mit dem Art. 47 des Gesetzes Nr. 428 vom 29.12.1990563, kurz als Gesetz Nr. 428/1990 bezeichnet, wurde in Italien ein spezielles Verfahren zum 561
Liebmann, Schutz des Arbeitnehmers, S. 104. Nach Art. 24 des Gesetzes Nr. 223/1991 ist eine Massenentlassung gegeben, wenn ein Unternehmen mit mind. 15 Beschäftigten innerhalb von 120 Tagen mindestens 5 Arbeitnehmern aus einer Produktionseinheit kündigt und diese Kündigungen auf Grund einer Verringerung oder Umstrukturierung der Geschäftstätigkeit oder der Arbeit erfolgen. 563 G. U. Nr. 10 vom 12. Januar 1991. 562
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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Betriebsübergang eingeführt, an dem die Gewerkschaften maßgeblich beteiligt sind. (a) Überblick über den Regelungsgehalt des Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 Unter bestimmten – im Folgenden564 zu erläuternden – Voraussetzungen kann gem. Art. 47 V 1 des Gesetzes Nr. 428/1990 erreicht werden, dass Art. 2112 cc beim Betriebsübergang keine Anwendung auf Arbeitnehmer findet, deren Arbeitsverhältnisse mit dem Erwerber fortgesetzt werden. Zudem kann gem. Art 47 V 2 des Gesetzes Nr. 428/1990 im Rahmen eines gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahrens vereinbart werden, dass der Betriebsübergang nicht das überzählige Personal betrifft und dass letzteres ganz oder teilweise im Dienst des Veräußerers verbleibt. Aus Sicht des Erwerbers besteht somit keine Notwendigkeit, durch Kündigungen einen Personalabbau herbeizuführen. Vielmehr verzichtet der Erwerber von vornherein darauf, das nicht benötigte Personal zu übernehmen. Der Problemkomplex, der sich aus dem Konflikt zwischen dem Kündigungsverbot des Art. 2112 IV 1 cc einerseits und dem Bedürfnis nach Personalabbau im Zusammenhang mit einer übertragenden Sanierung andererseits ergibt, entfällt folglich völlig. Aus Sicht des Veräußerers ergeben sich keine rechtlichen Schwierigkeiten im Hinblick auf den Abbau des verbliebenen Personals. Denn Kündigungen des Veräußerers sind regelmäßig wegen eines Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit gerechtfertigt: Ein solcher Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit tritt typischerweise ein, weil der Veräußerer nicht mehr über einen Betrieb verfügt – dieser wurde bereits auf den Erwerber übertragen. Der Veräußerer kann daher im Zusammenhang mit einem gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahren gem. Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 dem verbliebenen Personal aus wirtschaftlichen Gründen (i. e. wegen fehlender Beschäftigungsmöglichkeit) kündigen. (b) Die Voraussetzungen des Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 Wie angekündigt565, sollen die Voraussetzungen für die Abdingbarkeit des Art. 2112 cc sowie für die Beschränkung des Übergangs auf bestimmte Arbeitsverhältnisse gem. Art. 47 V 1, 2 des Gesetzes Nr. 428/1990 kurz geschildert werden. 564 565
Siehe unten unter C.I.1.m)cc(5)(b), S. 171. Siehe oben unter C.I.1.m)cc(5)(a), S. 171.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
(aa) Konsultation i. S. d. Art. 47 I, II des Gesetzes Nr. 428/1990 Art. 47 V 1 des Gesetzes Nr. 428 /1990 setzt zunächst voraus, dass eine „Konsultation im Sinne der vorstehenden Absätze“ stattgefunden hat. Unter dieser Konsultation ist das Treffen des Betriebsrats oder der Gewerkschaftsvertreter mit dem Arbeitgeber und dem Betriebserwerber gem. Art. 47 I, II des Gesetzes Nr. 428/1990 zu verstehen. Ein solches Treffen wird anberaumt, wenn die Durchführung eines gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahrens geboten ist und wenn die weiteren Voraussetzungen des Art. 47 II des Gesetzes Nr. 428/1990 erfüllt sind. Die Durchführung eines gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahrens ist gem. Art. 47 I des Gesetzes Nr. 428/1990 geboten, wenn ein Betriebsübergang geplant ist, der einen Betrieb mit mehr als 15 Mitarbeitern betrifft.566 Zu den weiteren Voraussetzungen des Art. 47 II des Gesetzes Nr. 428/1990 zählt die Beantragung eines Gesprächstermins in einem formalisierten Verfahren: Der alte und der neue Betriebsinhaber müssen den Betriebsräten sowie den Gewerkschaften, die die Tarifverträge unterzeichnet haben, die in beiden vom Übergang betroffenen Unternehmen Anwendung finden, gem. Art. 47 I des Gesetzes Nr. 428 /1990 eine schriftliche Mitteilung über den Betriebsübergang zukommen lassen. Diese Mitteilung muss mindestens 25 Tage vor dem Betriebsübergang erfolgen und Angaben zum Datum des Betriebsübergangs, zu den Motiven des Übergangs, den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen für die Arbeitnehmer sowie zu den für die Arbeitnehmer vorgesehenen Maßnahmen enthalten. Innerhalb von sieben Tagen ab Erhalt der Mitteilung können der Betriebsrat oder die Gewerkschaften beantragen, ein Treffen mit dem Arbeitgeber und dem Betriebserwerber durchzuführen. Dieses Treffen ist gem. Art. 47 II des Gesetzes Nr. 428/1990 innerhalb von sieben Tagen ab Erhalt des entsprechenden Antrags anzuberaumen und durchzuführen.567
566 Allerdings kann das Beteiligungsverfahren auch durchgeführt werden, wenn der betroffene Betrieb 15 oder weniger Mitarbeiter beschäftigt. Die Abbedingung des Art. 2112 cc gem. Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 ist folglich bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen auch in einem Unternehmen mit 15 oder weniger Arbeitnehmern möglich. In diesem Sinne Menghini, Rivista giuridica del lavoro e della previdenza sociale 2000, I, 209 (234); Liebmann, Schutz des Arbeitnehmers, S. 109 f.; Corrado/Corrado, I rapporti di lavoro nel fallimento, S. 238; Menghini, I contratti di lavoro, S. 633; Cosio, Discipline del trasferimento, S. 93. 567 Dieses Verfahren wird beschrieben von Tillmann/Eller, Jahrbuch für italienisches Recht 18 (2005), S. 191 (211); siehe außerdem Corrado/Corrado, I rapporti di lavoro nel fallimento, S. 222 ff.
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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(bb) (Teilweise) Erhaltung der Arbeitsplätze als Ergebnis der Konsultation Das beschriebene Treffen bzw. die sog. „Konsultation“ muss gem. Art. 47 V 1 des Gesetzes Nr. 428/1990 zu einer Vereinbarung über die auch nur teilweise Erhaltung der Arbeitsplätze geführt haben. (cc) Vorliegen einer wirtschaftlichen Krisensituation oder Eröffnung eines Konkursverfahrens Art. 47 V 1 des Gesetzes Nr. 428/1990 setzt zudem voraus, dass bei dem Unternehmen, das vom Übergang betroffen ist, vom CIPI (Comitato di ministri per il coordinamento della politica industriale, interministerieller Ausschuss zur Koordinierung der Industriepolitik) eine Krise i. S. d. Art. 2 V c) des Gesetzes Nr. 675 vom 12.08.1977 festgestellt wurde. Wann eine solche Krise vorliegt, geht aus dem Gesetz Nr. 675/1977 nicht hervor. Lediglich die Qualität der Krise wird genauer beschrieben: Nach Art. 2 V c) des Gesetzes Nr. 675/1977 muss die Krise von besonderer sozialer Relevanz für die lokale Beschäftigungssituation und die Produktionslage in dem jeweiligen Wirtschaftssektor sein. Der EuGH hat angenommen, dass eine Krise bei solchen Unternehmen feststellbar sei, deren Vermögenslage die Fortsetzung des Betriebes ohne erhebliche Unterbrechung der Produktionstätigkeit erlaube und für die konkrete Sanierungsaussichten bestünden.568 Zahlungsunfähigkeit muss nicht eingetreten sein und die Krise leitet auch kein Insolvenzoder Sanierungsverfahren ein.569 Der Krisenbegriff des Art. 47 V 1 des Gesetzes Nr. 428/1990 ist folglich nicht mit dem des Art. 160 I LF identisch. Alternativ zur Feststellung der Krise durch das CIPI muss eines der in Art. 47 V 1 des Gesetzes Nr. 428/1990 genannten Verfahren eröffnet worden sein, wozu neben der außerordentlichen Verwaltung und der Zwangsliquidation im Verwaltungsweg auch der Ausgleich unter Abtretung von Gütern (concordato con cessione dei beni) zählt. (dd) Nichtfortführung oder Einstellung der Geschäftstätigkeit Schließlich setzt Art. 47 V 1 des Gesetzes Nr. 428/1990 voraus, dass die Fortführung der Geschäftstätigkeit nicht angeordnet oder diese Tätigkeit eingestellt worden ist. Fraglich ist, ob sich diese Einschränkung allein auf das Verfahren der außerordentlichen Verwaltung bezieht oder aber auf alle 568 569
EuGH, Urteil vom 07.12.1995 (Spano), RS. C-472/93, NZA 1995, 305 (307). Rose, Betriebsübergänge, S. 52.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
aufgezählten Verfahrensarten. Der Wortlaut570 der Norm lässt beide Deutungen zu. Allerdings ist nur im Verfahren der außerordentlichen Verwaltung die Anordnung der Fortführung der Geschäftsführung ausdrücklich vorgesehen.571 Dieser Befund spricht dafür, dass die zuletzt genannte Voraussetzung nur im Falle der Eröffnung eines Verfahrens der außerordentlichen Verwaltung erfüllt sein muss.572 Gerade der Betriebsübergang im Rahmen der außerordentlichen Verwaltung wurde jedoch nach Einführung des Art. 47 des Gesetzes Nr. 428/1990 speziell in Art. 63 des Gesetzes Nr. 270/1999 geregelt, so dass Art. 47 des Gesetzes Nr. 428/1990 wegen des lex posterior- und des lex specialis-Grundsatzes nicht mehr auf den Betriebsübergang im Rahmen der amministrazione straordinaria anwendbar ist.573 Da das Kriterium der Nichtfortführung oder Einstellung der Geschäftstätigkeit nur für die außerordentliche Verwaltung gilt und diese inzwischen anderweitig geregelt ist, läuft die genannte Voraussetzung nunmehr leer. Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 ist daher so zu lesen, als sei das Kriterium, wonach die Fortführung der Geschäftstätigkeit nicht angeordnet bzw. beendet sein muss, nicht vorhanden.574 570 Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 wurde vom Übersetzungsdienst des EuGH in der Rs C-145/01, Urteil vom 05.06.2003, Slg. 2003, I-05581Rn. 7 wie folgt übersetzt: „Beim Übergang von Unternehmen oder Produktionsstätten, bei denen das CIPI eine Krise im Sinne von Artikel 2 Absatz 5 Buchstabe c des Gesetzes Nr. 675 vom 12. August 1977 festgestellt hat, oder von Unternehmen, die sich im Konkurs befinden oder über die ein gerichtlich bestätigter Vergleich zur Vermögensabtretung geschlossen worden ist, oder von Unternehmen, deren behördliche Zwangsabwicklung bekannt gemacht worden ist oder die der außerordentlichen Verwaltung unterstellt worden sind, findet in Fällen, in denen die Fortsetzung der Tätigkeit nicht vorgesehen oder diese Tätigkeit eingestellt worden ist und die Konsultation im Sinne der vorstehenden Absätze zu einer Vereinbarung über die auch nur teilweise Erhaltung der Arbeitsplätze geführt hat, Artikel 2112 des Zivilgesetzbuchs keine Anwendung auf Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber fortgesetzt wird, es sei denn, dass die Vereinbarung günstigere Bedingungen vorsieht. In der genannten Vereinbarung kann auch vorgesehen werden, dass der Übergang nicht das überzählige Personal betrifft und dass dieses ganz oder teilweise im Dienst des Veräußerers verbleibt.“. 571 Art. 2 I des Gesetzes Nr. 95 vom 03.04.1979, beruhend auf der decreto legge Nr. 26 vom 30.01.1979 – alte Rechtslage. 572 Villani, Nuove leggi civili commentate 1992, 663 (671); Menghini, Rivista giuridica del lavoro e della previdenza sociale 2000, I, 209 (233 f.); Liebmann, Schutz des Arbeitnehmers, S. 108; Lambertucci, Rivista italiana di diritto del lavoro 1992, I, 152 (200); Pelissero, Rivista giuridica del lavoro e della previdenza sociale 1999, II, 812 (826 f.); Romei, MasS. Giur. lav. 1995, 489 (489); Pelaggi, MasS. Giur. lav. 1998, 626 (626 f.). 573 Corrado/Corrado, I rapporti di lavoro nel fallimento, S. 233, 238. 574 Menghini, Rivista giuridica del lavoro e della previdenza sociale 2000, I, 209 (234); Liebmann, Schutz des Arbeitnehmers, S. 109.
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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(c) Vereinbarkeit des Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 mit europarechtlichen Vorgaben Wie bereits gezeigt, beruhen die arbeitsrechtlichen Regelungen zum Betriebsübergang auf euro-parechtlichen Vorgaben. Deswegen stellt sich die Frage nach der Richtlinienkonformität der italienischen Regelungen zum Betriebsübergang. Insbesondere erscheint zweifelhaft, ob die durch Art. 47 V 2 des Gesetzes Nr. 428/1990 eröffnete Möglichkeit, bestimmte Arbeitsverhältnisse vom Übergang auszunehmen, mit den europäischen Mindeststandards des Arbeitnehmerschutzes vereinbar ist. (aa) Vereinbarkeit mit der Richtlinie 77/187/EWG Die Richtlinie 77/187/EWG, durch die erstmals Mindeststandards zum Arbeitnehmerschutz bei Betriebsübergängen aufgestellt wurden, sah keine Ausnahmetatbestände für Krise oder Insolvenz vor. Gemäß Art. 3 I der genannten Richtlinie gingen Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag stets auf Grund des Übergangs auf den Erwerber über. Art. 47 V 2 des Gesetzes Nr. 428/ 1990, der regelt, dass unter bestimmten Voraussetzungen Arbeitsverhältnisse bei einem Betriebsübergang nicht übergehen, verstößt insofern gegen die Richtlinie 77/187/EWG. Diese Auffassung vertrat auch die Kommission, die deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 226 II EG-Vertrag gegen den Mitgliedsstaat Italien anstrengte. Da der EuGH jedoch im Vorverfahren die Verteidigungsrechte der Republik Italien verletzt sah, wurde die Klage der Kommission vom 29.03.2001 im Ergebnis als unzulässig abgewiesen.575 (bb) Vereinbarkeit mit der Richtlinie 98/50/EG Durch die Richtlinie 98/50/EWG wurde in die Richtlinie 77/187/EWG ein Art. 4a eingefügt, wonach Ausnahmeregelungen bei Insolvenz, nicht jedoch bei einfacher Krise zulässig waren. Angesichts dieser Rechtslage verstieß Art. 47 V 2 des Gesetzes Nr. 428/1990 zumindest teilweise gegen europäische Vorgaben.
575 EuGH vom 05.06.2003 – RS. C-145/01, abgedruckt in Foro it. 2004, IV, 186; zur Unvereinbarkeit der italienischen Regelung mit der Richtlinie Rose, Betriebsübergänge, S. 177 ff. unter Berufung auf EuGH vom 07.12.1995, RS. C 472/93 (Spano), EuGH Slg. 1995, I-4321 ff.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
(cc) Vereinbarkeit mit der Richtlinie 2001/23/EG Art. 5 der Richtlinie 2001/23/EG, die die Richtlinie 77/187/EG in der Fassung der Richtlinie 98/50/EG kodifiziert, sieht die Möglichkeit von Ausnahmeregelungen bei Krise und Insolvenz vor. Es scheint daher zunächst so, als sei die italienische Regelung in Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 mit dem europäischen Recht vereinbar. Bei genauerer Betrachtung drängt sich jedoch ein anderer Eindruck auf, wobei danach zu differenzieren ist, in welchem Zustand sich das vom Betriebsübergang betroffene Unternehmen befindet: (a) Vereinbarkeit bei Vorliegen einer Krise Die Krise i. S. d. Art. 47 V 1 des Gesetzes Nr. 428/1999 i. V. m. Art. 2 V c) des Gesetzes Nr. 675/1977 entspricht der schwierigen Lage i. S. d. Art. 5 III der Richtlinie.576 Befindet sich das vom Betriebsübergang betroffene Unternehmen in einer solchen schwierigen wirtschaftlichen Lage bzw. in einer Krise, gesteht Art. 5 III der Richtlinie den Mitgliedsstaaten einen gewissen Spielraum zu, damit sie den Fortbestand des Unternehmens sichern können. Dieser Spielraum beschränkt sich allerdings darauf, dass ein Mitgliedsstaat gem. Art. 5 III i. V. m. II b) der Richtlinie vorsehen kann, dass die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer im Zuge des Betriebsüberganges geändert werden können. Art. 47 V 2 des Gesetzes Nr. 428/1990 sieht hingegen für den Fall einer Krise nicht nur eine Änderung der Arbeitsbedingungen vor. Er erlaubt vielmehr, dass die Arbeitsverhältnisse gewisser Arbeitnehmer vom Übergang ausgenommen werden. Insofern überdehnt die italienische Regelung den von der Richtlinie gewährten Freiraum. Wörtlich heißt es im Bericht der Kommission vom 18.06.2007 über die Richtlinie 2001/23/EG: „Die Kommission ist jedoch der Auffassung, dass die italienische Rechtsvorschrift weit über diese bloße Änderung der Arbeitsbedingungen hinausgeht, da sie die Rechte der Arbeitnehmer aus den Artikeln 3 und 4 der Richtlinie aushöhlt. Deshalb hat die Kommission beschlossen, Italien gemäß Artikel 226 EG zur Abgabe einer Stellungnahme aufzufordern (Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2005/2433).“577 Zwar bleibt der 576 Bericht der Kommission über die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens – oder Betriebsteilen [SEK (2007) 812], Dokument vom 18.06.2007, Abschnitt „Übergänge, bei denen sich der Veräußerer in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befindet“. 577 Bericht der Kommission über die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten. Die Aussage der Kommission lässt jedoch bereits erahnen, dass die Verurteilung der Republik Italien im Vertragsverletzungsverfahren mit größter Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 ist richtlinienwidrig, soweit er für den Fall einer Krise mehr gestattet als eine Änderung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer (Art. 5 II b) der Richtlinie). (b) Vereinbarkeit bei Eröffnung eines Verfahrens mit dem Ziel der Vermögensauflösung Befindet sich das vom Betriebsübergang betroffene Unternehmen in einem Konkursverfahren oder in einem entsprechenden Verfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers, sind gem. Art. 5 I der Richtlinie die Artikel 3 und 4 der Richtlinie (die durch Art. 2112 cc in einfaches italienisches Recht umgesetzt wurden) grundsätzlich nicht anwendbar. Der besondere Schutz des Arbeitnehmers beim Betriebsübergang entfällt also grundsätzlich, wenn der Betriebsübergang im Rahmen eines Konkursverfahrens o. ä. erfolgt. Etwas anderes würde gem. Art. 5 I der Richtlinie nur bei einer abweichenden Regelung durch den Mitgliedsstaat gelten, die aber in Italien fehlt.578 Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990, der die Anwendbarkeit der Arbeitnehmerschutzregelungen beim Betriebsübergang ausschließt, ist deswegen richtlinienkonform, sofern es sich bei den in Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 genannten Verfahren um Konkursverfahren i. S. d. Art. 5 I der Richtlinie handelt. Dass die Zwangsliquidation im Verwaltungsweg auf die Auflösung des Vermögens des Schuldners bzw. des Veräußerers gerichtet ist, lässt sich bereits der Bezeichnung dieses Verfahrens entnehmen. Bei der Zwangsliquidation im Verwaltungsweg handelt es sich folglich um ein Konkursverfahren i. S. d. Art. 5 I der Richtlinie, so dass die Abbedingung der arbeitnehmerschützenden Vorschriften beim Betriebsübergang im Rahmen der liquidazione coatta amministrativa mit dem europäischen Recht vereinbar ist. Auch der Ausgleich unter Abtretung von Gütern (cessione dei beni) hat nach der gesetzlichen Definition der „cessione dei beni“ in Art. 1977 cc stets die Liquidation des schuldnerischen Vermögens zum Ziel.579 Zwar Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens – oder Betriebsteilen [SEK (2007) 812], Dokument vom 18.06.2007, Abschnitt „Übergänge, bei denen sich der Veräußerer in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befindet“. 578 So die Selbstauskunft der Republik Italien, die im Bericht der Kommission (Fn. 576) wiedergegeben wird, dort Anhang I, Frage 2.5. 579 Zur cessione dei beni siehe oben unter C.I.1.m)bb)(1), S. 163 f.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
kann das schuldnerische Unternehmen bei der Übertragung der Gesamtheit aller Produktionsmittel auf einen Dritten ausnahmsweise als Ganzes erhalten bleiben. Diese Tatsache ändert jedoch nichts am grundsätzlichen Ziel der Auflösung des Vermögens des Schuldners.580 Der Ausgleich unter Abtretung von Gütern zählt deswegen zu den Konkursverfahren i. S. d. Art. 5 I der Richtlinie. Es gilt im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit der Richtlinie also das zur Zwangsliquidation im Verwaltungsweg Gesagte. Der Betriebsübergang im Rahmen der außerordentlichen Verwaltung wird zwar inzwischen durch Art. 63 des Gesetzes Nr. 270/1999 geregelt und nicht mehr durch Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990. Doch lässt Art. 63 III des Gesetzes Nr. 270/1999 übereinstimmend mit Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 zu, dass nur ein Teil der Arbeitsverhältnisse vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht. Da die beiden Normen insofern folglich einen identischen Regelungsgehalt aufweisen, gelten die Ausführungen zu Art. 47 V Nr. 428/1990 ebenso für die Neuregelung in Art. 63 des Gesetzes Nr. 270/1999. Die amministrazione controllata ist nach Art. 1 des Gesetzes Nr. 270/1999 auf die Erhaltung des „Produktionsvermögens“ (patrimonio produttivo) gerichtet. Sie erfolgt also gerade nicht mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers. Deswegen gehört die amministrazione controllata nicht zu den Konkursverfahren i. S. d. Art. 5 I der Richtlinie. Indem Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 bzw. Art. 63 des Gesetzes Nr. 270/1999 dennoch die Abbedingung der Arbeitnehmerschutzvorschriften im Zuge des Betriebsübergangs gestattet, verstößt er gegen die oben genannte Richtlinie.581 (dd) Ergebnis Im Hinblick auf das hier interessierende Ausgleichsverfahren ist Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 europarechtskonform. Die Abbedingung des Art. 2112 cc und der Verbleib des Personals beim Veräußerer sind – gemessen am Maßstab der jüngsten Richtlinie 2001/23/EG – zulässig. Demnach bietet die erfolgreiche Durchführung des gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahrens i. S. d. Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 dem Erwerber die Chance, ohne Rücksicht auf das Kündigungsverbot des Art. 2112 IV cc so580
Corrado/Corrado, I rapporti di lavoro nel fallimento, S. 236 f. Ebenso Cass., Urteil Nr. 4073 vom 21.03.2001, abgedruckt in Diritto e pratica del lavoro 2001, 2413 (2414); Liebmann, Schutz des Arbeitnehmers, S. 117; Marinelli, Rivista italiana di diritto del lavoro 2001, 522 (531); zu den Konsequenzen dieses Richtlinienverstoßes siehe unten unter C.III.2.b)bb)(3)(a)(aa), S. 225 und unter C.III.2.b)bb)(3)(a)(bb), S. 226 f. 581
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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wie auf die Übernahmepflicht aus Art. 2112 I cc den notwendigen Personalabbau herbeiführen zu können. Kommt im Rahmen des gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahrens allerdings keine Vereinbarung i. S. d. Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 zustande, stellt sich aus der Sicht des Erwerbers doch die Frage, wie der Personalabbau in Einklang mit dem Kündigungsverbot des Art. 2112 IV 1 cc gestaltet werden kann. Die Antwort liegt in der verbleibenden Möglichkeit, überzähliges Personal noch vor dem Betriebsübergang durch den Veräußerer kündigen zu lassen, und zwar auf der Grundlage eines Erwerberkonzepts. Diese Möglichkeit wurde bereits beleuchtet.582 dd) Erfolgsfaktor: Ausschluss der Haftung des Erwerbers für Altverbindlichkeiten Art. 2112 II 1 cc ordnet an, dass der Veräußerer und der Übernehmer gesamtschuldnerisch für die Erfüllung der Forderungen haften, die der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Übergangs hatte. Eine solche Haftung für Altverbindlichkeiten macht die Übernahme des Betriebs aus Sicht des Erwerbers unattraktiv. Art. 2112 II 1 cc könnte deswegen ein Hemmnis für die übertragende Sanierung darstellen. Allerdings sieht das italienische Recht eine Möglichkeit vor, um die Haftung für Altverbindlichkeiten i. S. d. Art. 2112 II cc auszuschließen: Unter den in Art. 47 V 1 des Gesetzes Nr. 428/1990 aufgezählten Voraussetzungen, die bereits dargelegt worden sind,583 findet Art. 2112 cc keine Anwendung auf Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber fortgesetzt wird. Diese Abbedingung des Art. 2112 cc gem. Art. 47 V 1 des Gesetzes Nr. 428/1990 hat zur Folge, dass Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer fortgesetzt wird, sich nicht auf Art. 2112 II 1 cc berufen können. Es ist ihnen mit anderen Worten versagt, vom Erwerber die Erfüllung solcher Verbindlichkeiten zu verlangen, die noch vor dem Betriebsübergang entstanden sind.584 Dem Erwerber steht folglich mit dem in Art. 47 V 1 des Gesetzes Nr. 428/1990 beschriebenen Verfahren ein Weg offen, der Haftung für Altverbindlichkeiten aus dem Arbeitsverhältnis zu entgehen.
582
Siehe oben unter C.I.1.m)cc)(3), S. 168 f. Zu den Voraussetzungen des Art. 47 V 1 des Gesetzes Nr. 428/1990 siehe oben unter C.I.1.m)cc)(5)(b), S. 171 ff. 584 Trib. Milano, Urteil vom 07.05.1993, abgedruckt in Riv. crit. dir. lav. 1993, 860; Trib. Milano, Urteil vom 10.07.1999, abgedruckt in Lav. nella giur. 1999, 1162; Favalli-Favalli, Codice di diritto del lavoro, Art. 2112, Anm. 4, S. 333. 583
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
ee) Erfolgsfaktor: Ausschluss des Anfechtungsrisikos Geschieht die übertragende Sanierung auf der Grundlage eines Ausgleichsplans i. S. d. Art. 160 I LF, braucht der Erwerber keine Anfechtung der Unternehmensübertragung zu befürchten. Nach Art. 67 III e), 1. Hs. LF unterliegen nämlich Verfügungen und Zahlungen, die in Durchführung eines Ausgleichs getätigt worden sind, nicht der Anfechtung. Das Anfechtungsrisiko ist somit gesetzlich ausgeschlossen. 2. Die Geschäftsaufsicht (amministrazione controllata) gem. Art. 187 ff. LF a. F. Die amministrazione controllata, also die Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkurses, war ursprünglich in den Art. 187 ff. LF a. F. geregelt. Sie wurde jedoch im Zuge der Reform abgeschafft und ist insofern inzwischen nur noch von rechtshistorischem Interesse. Der Vollständigkeit halber sei die amministrazione controllata dennoch knapp beschrieben: a) Voraussetzungen und Ablauf der amministrazione controllata Die amministrazione controllata konnte vom Unternehmer beantragt werden, sofern er sich in zeitweiligen Zahlungsschwierigkeiten befand und begründete Möglichkeiten der Unternehmenssanierung bestanden. Nach der Genehmigung des Verfahrens konnte der Unternehmer den Betrieb unter gerichtlicher Aufsicht fortführen, ohne dass die Gläubiger Vollstreckungsmaßnahmen durchführen durften. Diese Vollstreckungssperre galt während eines zuvor festgelegten Zeitraums von maximal zwei Jahren.585 b) Kritik an der amministrazione controllata Diese zeitliche Begrenzung der Vollstreckungshemmung wurde als hinderlich empfunden, weil der Zeitraum für eine erfolgreiche Sanierung zu kurz bemessen sei.586 Hauptkritikpunkt war jedoch der enge Anwendungsbereich der amministrazione controllata: Zum Verfahren zugelassen werden konnten gem. Art. 187 I LF a. F. nur Unternehmer, denen es vorübergehend schwer fiel, 585 Costa, ZInsO 2006, 1071 (1072 Fn. 7); Correnti/Schulte-Frohlinde, ZInsO 2006, 1020 (1020). 586 Jorio-Galletti/Brugger, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 160, Anm. 7, S. 2295 (dort insb. Fn. 84).
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
181
ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen (temporanea difficoltà di adiempere le proprie obbligazioni). Was unter „vorübergehend“ zu verstehen war, ergab sich im Rückschluss aus Art. 193 LF a. F., der anordnete, dass der Schuldner bis zum Ende des Verfahrens – d. h. gem. Art. 187 I LF a. F. bis zum Ablauf von maximal zwei Jahren – seine Verbindlichkeiten vollständig erfüllen musste. Gedacht war die amministrazione controllata also für Unternehmer, die innerhalb von maximal zwei Jahren wieder solvent werden konnten. Gerade solche Unternehmer konnten und können ihre zeitweiligen Zahlungsschwierigkeiten allerdings auch außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens ausräumen. Aus diesem Grund und angesichts der geringen Vorteile, die die Geschäftsaufsicht bot, hatten kurzzeitig illiquide Unternehmen wenig Interesse daran, sich der gerichtlichen Kontrolle innerhalb des Verfahrens der amministrazione controllata zu unterwerfen.587 Die Geschäftsaufsicht verkam deswegen zu einem quasi nutzlosen Verfahren.588 Selbst wenn die Geschäftsaufsicht ausnahmsweise zum Einsatz kam, wurde sie im Umfeld des betroffenen Unternehmens nicht als erfolgversprechendes Sanierungsinstrument angesehen.589 Vielmehr kündigten Banken und Zulieferer nach Bekanntwerden des Antrags auf Geschäftsaufsicht ihre Kredite und qualifizierte Arbeitnehmer begaben sich auf Jobsuche. Das geringe Vertrauen in die Geschäftsaufsicht als Instrument zur Rettung des Unternehmens mag darauf zurückzuführen sein, dass in der Praxis oftmals Gerichte dem Druck von Lokalpolitikern und Gewerkschaften nachgaben, bereits nicht mehr sanierungsfähige Unternehmen trotz der von Art. 187 LF a. F. vorgegebenen engen Grenzen zum Verfahren der Geschäftsaufsicht zuzulassen.590 Zum Misserfolg der Geschäftsaufsicht trug nicht nur die beschriebene Anwendung dieses Instruments in der Praxis bei. Bemängelt wurde auch die lückenhafte Regelung der amministrazione controllata.591 Der Gesetzgeber hatte sich mit sieben Artikeln zur Regelung dieser Materie begnügt und dabei an mehreren Stellen auf die Vorschriften zum concordato preventivo verwiesen. Wegen der konträren Zielsetzung von concordato preventivo (auf die Liquidation des Unternehmens gerichtet) und amministrazione controllata (auf 587
Maffei Alberti, Dir. fall. 1988, I, 534 (537). Maffei Alberti, Dir. fall. 1988, I, 534 (537); Jorio-Galletti/Brugger, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 160, Anm. 7, S. 2295; Fois, Il Fallimento 2000, 827 (828). 589 Panzani, The Italian Bankruptcy law reform – Act III, Manuskript zu einem Vortrag anlässlich des „2. Congreso Nacional de Derecho Concursal“, 14.–16.5.2008, Guadalajara, Mexiko, S. 3 (nicht veröffentlicht). 590 Zu dieser weiten Auslegung des Art. 187 LF a. F. und ihren Gründen Panzani (Fn. 589). 591 Fois, Il Fallimento 2000, 827 (828); Pacchi Pesucci, L’amministrazione controllata, S. 12 f. 588
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
die Erhaltung und Fortführung des Unternehmens gerichtet) ließen sich Regelungen des Ausgleichs aber kaum auf die Geschäftaufsicht übertragen.592 c) Gegenwärtige Rechtslage Die aufgezeigten Defizite der amministrazione controllata haben den Gesetzgeber schließlich dazu bewogen, dieses Verfahren abzuschaffen. Die Funktion der amministrazione controllata soll jetzt der concordato preventivo übernehmen,593 dessen Zielrichtung sich entsprechend verändert hat. Wie bereits mehrfach erwähnt, ist der concordato preventivo nunmehr vorrangig zur Erhaltung des schuldnerischen Unternehmens gedacht. Die amministrazione controllata als zusätzliches Verfahren zur Unternehmenssanierung beizubehalten, erschiene überflüssig.594 3. Die Vereinbarungen über die Umschichtung der Schulden (accordi di ristrutturazione dei debiti) gem. Art. 182-bis LF Neben dem Ausgleich gibt es weitere, zuvor bereits angesprochene Instrumente zur Abwendung der Konkurseröffnung.595 Eines von ihnen soll an dieser Stelle vorgestellt werden, nämlich die Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis LF: Im Jahr 2005 wurde im Zuge der Reform die Vorschrift des Art. 182-bis LF in das Konkursgesetzbuch eingefügt. Sie regelt ausweislich der Normüberschrift die accordi di ristrutturazione dei debiti, also die Vereinbarungen über die Umschichtung der Schulden. Dieses Rechtsinstitut gehört neben dem Sanierungsplan (piano di risanamento), auf den später596 einzugehen sein wird, zu den absoluten Neuheiten, die die Insolvenzrechtsreform mit sich gebracht hat.597 a) Möglicher Inhalt einer Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis LF Man sollte erwarten, dass gerade ein völlig neues Instrument eingehend gesetzlich geregelt wird, um dem Rechtsanwender eine präzise Vorstellung 592
Ebd. (Fn. 591). Correnti/Schulte-Frohlinde, ZInsO 2006, 1020 (1020); Pacchi-Coppola, Il nuovo concordato preventivo, S. 285 Fn. 31. 594 Ebd. (Fn. 593). 595 Eine Übersicht über die Instrumente zur Abwendung der Konkurseröffnung findet sich unter B., S. 97 ff. 596 Zum piano di risanamento siehe unten unter C.I.4., S. 204 ff. 597 Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 180; TerranovaBruno, Art. 182-bis, S. 349. 593
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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von seinen Voraussetzungen und seinem Nutzen zu geben. Doch hinsichtlich des accordo di ristrutturazione ist das Gegenteil der Fall. Die Formulierung des Art. 182-bis LF ist, wie noch zu zeigen sein wird, an einigen Stellen mehrdeutig und in vielerlei Hinsicht ausgesprochen lückenhaft. Zu einer wesentlichen Frage, nämlich zu der nach dem zulässigen Inhalt eines accordo di ristrutturazione, schweigt das Gesetz. Die Bezeichnung „Vereinbarung über die Umschichtung der Schulden“ besagt nur, dass die Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis LF zu einer wenigstens teilweisen Umstrukturierung der Passiva führen muss, doch bleibt unklar, wie und zu welchem Zweck diese Umstrukturierung erfolgen kann.598 Zunächst zum Zweck der Umstrukturierung: Da das Gesetz keine diesbezüglichen Einschränkungen enthält, gehen die ersten Kommentatoren des Art. 182-bis LF davon aus, dass die Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis LF nicht zwingend auf die Sanierung und Erhaltung des Unternehmens zielen müsse. Nichts stehe einer Vereinbarung entgegen, die auf die Liquidation gerichtet sei.599 Allerdings bevorzuge die Regelung des Art. 182-bis LF eine Sanierungslösung, denn nur im Falle der Fortführung des Unternehmens komme der wesentliche Vorteil der Vereinbarung über die Umschichtung der Schulden zum Tragen.600 Dieser liege nämlich in der von Art. 67 III e) LF angeordneten Unanfechtbarkeit solcher Verfügungen, Zahlungen und Sicherheiten, die in Durchführung einer gerichtlich bestätigten Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis LF getätigt bzw. gewährt worden sind. Wird im accordo di ristrutturazione hingegen die Liquidation der Vermögenswerte vereinbart, kommt es in der Regel nicht mehr zu weiteren Verfügungen, Zahlungen oder zur Bestellung von Sicherheiten, so dass der Anfechtungsschutz des Art. 67 III e) LF leer läuft und insofern keinen Vorteil bringt. Der vorrangige Anwendungsbereich der accordi di ristrutturazione sei außerdem deswegen im Bereich der Fortführung des Unternehmens zu sehen, weil in der Liquidationsphase die Schulden nicht umstrukturiert, sondern beglichen werden müssten.601 Nun zu den Möglichkeiten, eine Umstrukturierung der Passiva herbeizuführen: Da der Gesetzgeber im Vertrauen auf die Effizienz privatautonomer Entscheidungen von Vorgaben im Hinblick auf den Vertragsinhalt ab598
Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 395. Jorio-Ambrosini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 182-bis, Anm. 3, S. 2540; Bonfatti/Falcone-Pacchi, La riforma della legge fallimentare, S. 212; AmbrosiniPresti, La riforma della legge fallimentare, S. 393; Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 190; Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 885; Bello, Riv. not. 2006, I, 321 (332); Pacchi-Coppola, Il nuovo concordato preventivo, S. 285 f. 600 Santangeli-Marano, Art. 182-bis, Anm. 2, S. 780. 601 Proto, Il Fallimento 2006, 129 (129). 599
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
gesehen hat, ergibt sich eine Vielfalt von Gestaltungsmöglichkeiten. Im Einzelnen können sich Gläubiger und Schuldner im Rahmen des accordo di ristrutturazione beispielsweise auf den (teilweisen) Erlass von Schulden, auf eine Stundung, auf eine Schuldübernahme, auf die Bestellung von Sicherheiten oder auf die Gewährung von frischem Kapital einigen sowie auf andere, in Art. 160 I LF beschriebene Formen der Umschichtung von Schulden.602 b) Voraussetzungen für den Abschluss einer Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis LF Unter welchen Voraussetzungen eine Vereinbarung über die Umschichtung der Schulden getroffen werden darf, geht nur bruchstückhaft aus Art. 182-bis LF hervor. aa) Anforderungen an die Rechtsnatur des Schuldners Die Norm verzichtet darauf, die Parteien der Vereinbarung zu spezifizieren. Pauschal ist von dem „Unternehmer“ (bis zum 01.01.2008 sogar noch allgemeiner: „Schuldner“) die Rede. Doch obwohl einschränkende Anforderungen an die Qualität des Schuldners nicht ausdrücklich gestellt werden, lassen sich solche aus dem systematischen Zusammenhang ableiten. Nach Art. 182-bis II LF ist die Vereinbarung im Handelsregister zu veröffentlichen. Diese Vorgabe lässt den Rückschluss zu, dass es sich bei dem Schuldner um ein Handelsunternehmen (imprenditore commerciale) handeln muss.603 Für den Fall, dass die Fortführungsbemühungen scheitern und es nach Abschluss des accordo di ristrutturazione zum Konkursverfahren kommt, sieht Art. 67 III e) LF bestimmte, bereits genannte Ausnahmen von der Anfechtbarkeit vor. Da ein Konkursverfahren nur dann eröffnet werden kann, wenn der Schuldner insolvenzfähig i. S. d. Art. 1 LF ist, muss es sich bei dem Schuldner i. S. d. Art. 182-bis LF gem. Art. 1 LF um einen insolvenzfähigen Handelsunternehmer des Privatrechts handeln, der nicht zu den ehemals als „Kleinunternehmer“ bezeichneten Unternehmern zählt (Art. 1 II LF n. F.).604 Insofern offenbart die aufmerksame Lektüre der Art. 182-bis 602 Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 190; AmbrosiniPresti, La riforma della legge fallimentare, S. 395; Bello, Riv. not. 2006, I, 321 (332 f.); Terranova-Bruno, Art. 182-bis, S. 348; Pacchi-Coppola, Il nuovo concordato preventivo, S. 286 f.; ausführlicher Überblick bei Proto, Il Fallimento 2006, 129 (129). 603 Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 393; Bonfatti/Falcone-Pacchi, La riforma della legge fallimentare, S. 221; Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 890; Proto, Il Fallimento 2006, 129 (130).
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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II, 67 III e) LF, dass der Abschluss eines accordo di ristrutturazione zunächst die in Art. 1 LF beschriebene Qualität des Schuldners voraussetzt.605 bb) Anforderungen an die wirtschaftliche Lage des Schuldners (1) Rechtslage bis zum 01.01.2008 Über die Anforderungen, die an die wirtschaftliche Lage des schuldnerischen Unternehmens zu stellen sind, gab Art. 182-bis LF zunächst keinen Aufschluss. In der Literatur606 und auch in der Rechtsprechung607 schien die Ansicht vorzuherrschen, dass der Schuldner sich im Zeitpunkt der Vereinbarung in einer Krisenlage i. S. d. Art. 160 I LF befinden müsse, während vereinzelt608 Autoren davon ausgingen, dass der Krisenzustand keine Voraussetzung für den Abschluss eines accordo di ristrutturazione darstelle. Letztlich hatte diese Streitfrage jedoch wenig praktische Relevanz: Denn wie Marano zu Recht bemerkte, wird kein Unternehmer ohne Veranlassung den Imageschaden riskieren, der durch die Veröffentlichung der Umschuldungsvereinbarung im Handelsregister gem. Art. 182-bis II LF eintreten kann.609 Dass der Schuldner trotz wirtschaftlicher Gesundheit den Abschluss eines in der Öffentlichkeit negativ wahrgenommenen accordo di ristrutturazione anstrebt, ist kaum vorstellbar. 604
Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 393; Santangeli-Marano, Art. 182-bis, Anm. 3, S. 781; zu den Voraussetzungen der Insolvenzfähigkeit bereits siehe oben unter C.I.1.b)aa), S. 102 ff. 605 Trib. Bari, Urteil vom 21.11.2005, abgedruckt in Il Fallimento 2006, 169 ff.; Ambrosini, Il Fallimento 2005, 949 (950); Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 890; Fabiani, Foro it. 2006, I, 263 (263); Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 189; Santangeli-Marano, Art. 182-bis, Anm. 3, S. 781; PacchiCoppola, Il nuovo concordato preventivo, S. 279; Fauceglia, Dir. fall. 2005, I, 842 (843); Bello, Riv. not. 2006, I, 321 (331); Bonfatti, Le procedure di composizione negoziale, S. 275; Proto, Il Fallimento 2006, 129 (129). 606 Trib. Brescia, Urteil vom 22.02.2006, abgedruckt in Foro it. 2006, IX, 2563 ff.; Jorio, Il Fallimento 2005, 1457 (1457); Bonfatti/Falcone-Pacchi, La riforma della legge fallimentare, S. 221; Pacchi-Coppola, Il nuovo concordato preventivo, S. 281 f.; Ambrosini, Il Fallimento 2005, 949 (950); Bonfatti-Falcone, Azione revocatoria, S. 180; Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 189 f.; Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 395; Bello, Riv. not. 2006, I, 321 (331). 607 Soweit ersichtlich bislang die einzige Entscheidung zu dieser Frage: Trib. Bari, Urteil vom 21.11.2005, abgedruckt in Il Fallimento 2006, 169 ff. 608 Caffi, Dir. fall. 2005, I, 876 (878); Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 892 f. 609 Santangeli-Marano, Art. 182-bis, Anm. 3, S. 782; ebenso Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 395.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
(2) Rechtslage seit dem 01.01.2008 Das decreto correttivo formuliert nunmehr ausdrücklich, was bereits zuvor nahe lag: Um ein Umschichtungsabkommen i. S. d. Art. 182-bis LF vereinbaren zu können, muss sich der betroffene Unternehmer in einer Krisenlage befinden, Art. 182-bis I 1 LF n. F. Der in Art. 182-bis LF gebrauchte Begriff der Krisenlage ist allerdings nicht vollständig mit dem des Art. 160 I LF identisch, weil er nicht den Zustand der Insolvenz umfasst.610 In Art. 182-bis LF fehlt nämlich eine dem Art. 160 III LF vergleichbare Regelung, wonach auch der Zustand der Insolvenz eine Krisenlage darstellt. cc) Sonstige Voraussetzungen Außerdem ist der Abschluss einer Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis I LF an weitere Voraussetzungen gebunden: (1) Erreichung des erforderlichen Quorums Art. 182-bis I LF schreibt vor, dass die Vereinbarung über die Umschichtung der Schulden mit Gläubigern abgeschlossen worden sein muss, die wenigstens sechzig Prozent der Forderungen vertreten. Von wem, wann und wie die Erreichung des erforderlichen Quorums festgestellt und kontrolliert werden soll, bleibt im Dunkeln.611 (2) Vorlage bestimmter Dokumente Zusammen mit der Vereinbarung über die Umschichtung der Schulden muss der Schuldner gem. Art. 182-bis I, 1. Hs. LF die Unterlagen, die in Art 161 LF vorgesehen sind, beim Konkursgericht vorlegen. Zudem forderte Art. 181-bis I, 1. Hs. LF in der bis zum 01.01.2008 geltenden Fassung die Vorlage der Erklärung i. S. d. Art. 161 LF. In Art. 161 LF ist jedoch nicht von einer Erklärung (dichiarazione) die Rede, so dass der Verweis auf die genannte Norm insofern ins Leere lief.612 Hier zeigt sich zum wiederholten Male, dass der italienische Gesetzgeber die Reformgesetzgebung übereilt und unsorgfältig in das bereits bestehende Normgefüge eingefügt 610
Perugini/Massei, La nuova legge fallimentare, Art. 182-bis, S. 364. Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 394; zu den Möglichkeiten der Gläubiger, ihre Zustimmung zum accordo auszudrücken SantangeliMarano, Art. 182-bis, Anm. 1, S. 774. 612 Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 394; Giannelli, Dir. fall. 2005, I, 1156 (1169); Cattano/Palladino, La riforma del diritto fallimentare, Art. 182-bis, S. 207. 611
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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hat.613 Inzwischen wurde das beschriebene Redaktionsversehen durch das zum 01.01.2008 in Kraft getretene decreto correttivo behoben, indem der Begriff „Erklärung“ aus Art. 182-bis I LF gestrichen wurde. Neben den erwähnten Unterlagen i. S. d. Art. 161 LF (Vermögensverzeichnisse, Bilanzen etc.) muss der Schuldner einen Bericht über die Durchführbarkeit der Umschuldungsvereinbarung vorlegen, wobei dieser Bericht gem. Art. 182-bis I LF insbesondere zur Eignung der Vereinbarung, die ordnungsgemäße Bezahlung der nicht beteiligten Gläubiger sicherzustellen, Stellung nehmen soll. Der Bericht i. S. d. Art. 182-bis I LF muss gem. Art. 182-bis I a. E. LF von einem Fachmann verfasst worden sein. Allerdings ließ das Gesetz in der bis zum 01.01.2008 geltenden Fassung offen, durch welche Qualifikation sich dieser Fachmann auszeichnen soll. Es wurde vorgeschlagen, die Anforderungen, die an den Freiberufler i. S. d. Art. 161 III i. V. m. Art. 28 LF gestellt werden, auf den Fachmann i. S. d. Art. 182-bis I LF zu übertragen.614 Das lag zumindest insofern nahe, als der Aufgabenbereich des Freiberuflers i. S. d. Art. 161 III LF stark dem des Fachmanns i. S. d. Art. 182-bis I LF ähnelte: In beiden Fällen ging es darum, die Durchführbarkeit eines Plans zu beurteilen. Welche Qualifikationen der Gesetzgeber für erforderlich hält, um die Durchführbarkeit des Plans kompetent beurteilen zu können, geht aus Art. 28 LF hervor. Es bot sich daher an, den Fachmann i. S. d. Art. 182-bis LF nach den in Art. 28 LF dargelegten Kriterien auszuwählen. Inzwischen wurden die Anforderungen an den Gutachter allerdings durch das decreto correttivo präzisiert. Statt ein Gutachten eines nicht näher bezeichneten „Fachmannes“ zu fordern, verlangt Art. 182-bis I LF n. F. nunmehr die Stellungnahme eines Rechnungsprüfers gem. Art. 67 III d) LF i. V. m. Art. 2501-bis cc. Unklar bleibt jedoch, durch wen dieser Rechnungsprüfer auszuwählen ist. Insofern sind mehrere Lösungen denkbar: Der Rechnungsprüfer könnte von einer der/den Parteien der Vereinbarung ausgesucht werden (i. e. allein vom Schuldner oder allein von den Gläubigern oder von den Gläubigern und dem Schuldner gemeinsam) oder aber vom Insolvenzgericht. Für eine Auswahl durch die Parteien der Vereinbarung spricht der Charakter der Absprache.615 Bei dem Abkommen zwischen Gläubigern und 613 Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 382; Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 333 vermutet, der Gesetzgeber habe sich statt auf Art. 161 LF auf Art. 160 LF beziehen wollen, so dass es sich bei der Erklärung i. S. d. Art. 161 LF tatsächlich um die Erklärung des Krisenzustandes gem. Art. 160 LF handele. 614 Terranova-Bruno, Art. 182-bis, S. 349; Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 191; Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 900. 615 Domenichini/De Tomas, Global Insolvency and Restructuring Review 2007/2008, S. 50.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
Schuldner handelt es sich nämlich in erster Linie um einen außergerichtlich geschlossenen, privatrechtlichen Vertrag. Da die Vereinbarung von Privaten ohne gerichtliche Beteiligung getroffen wird, erscheint es konsequent, auch die Auswahl des Rechnungsprüfers den Parteien zu überlassen. Andererseits stellt die befürwortende Stellungnahme des Rechnungsprüfers eine wesentliche Voraussetzung für die richterliche Bestätigung der Absprache dar. Es obliegt vorrangig dem Rechnungsprüfer, die Vereinbarung inhaltlich zu überprüfen; der Richter muss sich auf die Einschätzung dieses neutralen Dritten verlassen können. Angesichts dieser schwerwiegenden Verantwortung des Rechnungsprüfers und der enormen Bedeutung seines Gutachtens müssen seine Neutralität und seine Zuverlässigkeit unbedingt sichergestellt sein. Die Auswahl des Rechnungsprüfers durch die Parteien würde einen Spielraum für Manipulationen eröffnen, weil ein parteilicher Gutachter ausgesucht werden könnte. Um dieses Risiko auszuschließen, sollte der Rechnungsprüfer vom Insolvenzgericht bestellt werden.616 (3) Ordnungsgemäße Bezahlung der nicht beteiligten Gläubiger Die nicht beteiligten Gläubiger, also diejenigen, die die Vereinbarung abgelehnt haben oder sie nicht kennen, müssen gem. Art. 182-bis I LF ordnungsgemäß bezahlt werden. Die Umschichtungsvereinbarung muss geeignet sein, die ordnungsgemäße Bezahlung dieser Gläubiger sicherzustellen. Was unter der „ordnungsgemäßen Bezahlung“ (regolare pagamento) in diesem Zusammenhang zu verstehen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Nach der Ansicht einer Minderheit lässt es Art. 182-bis I LF zu, die nicht beteiligten Gläubiger zu denselben Konditionen zu befriedigen wie die beteiligten Gläubiger, d. h. in Höhe derselben Quote und innerhalb derselben Fristen.617 Die Formulierung des Art. 182-bis I LF sei deswegen in dem beschriebenen Sinne zu verstehen, weil anderenfalls (i. e. im Falle einer Pflicht zur vollständigen Befriedigung der nicht beteiligten Gläubiger) dem Schuldner eine schwere Last aufgebürdet würde, die praktisch jede Umschichtungsvereinbarung undurchführbar werden lasse.618 Dieses Argument erscheint wenig stichhaltig, weil es sich allein am praktischen Nutzen der Regelung orientiert, ohne aber den Wortlaut des Gesetzes zu berücksichti616
Ebenfalls die Auswahl durch das Gericht favorisierend Domenichini/De Tomas, Global Insolvency and Restructuring Review 2007/2008, S. 50. 617 Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 333 f.; Proto, Il Fallimento 2006, 129 (140) gibt dieselbe Ansicht ohne Nachweise wieder, distanziert sich im Ergebnis aber. 618 Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 334; diese Begründung wird von Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 192, zutreffend als unzureichendes „argumentum ab inconvenienti“ bezeichnet.
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gen. Denn warum sollte Art. 182-bis LF zwischen den beteiligten und den nicht beteiligten Gläubigern unterscheiden, wenn beide Gläubigergruppen zu identischen Bedingungen befriedigt werden können? Schon der erste Anschein spricht daher eher für die Ansicht, die von der Mehrheit in Rechsprechung und Lehre geteilt wird, nämlich für die Notwendigkeit der vollständigen und pünktlichen Befriedigung der unbeteiligten Gläubiger.619 Letztlich lässt sich die Frage nach dem Bedeutungsgehalt der Formulierung „ordnungsgemäße Bezahlung“ aber auf eine viel bedeutendere, grundsätzliche Frage zurückführen: Für die Auslegung des Begriffs „ordnungsgemäße Bezahlung“ kommt es entscheidend darauf an, ob der accordo di ristrutturazione auch die nicht beteiligten Gläubiger binden kann. Nimmt man eine solche Bindungswirkung an, wäre die Ordnungsmäßigkeit der Bezahlung am Maßstab der Umschichtungsvereinbarung zu beurteilen. Unter der „ordnungsgemäßen Bezahlung“ wäre also die Bezahlung zu den im accordo vereinbarten Bedingungen zu verstehen. Spricht man der Umschichtungsvereinbarung hingegen eine Bindungswirkung gegenüber den nicht beteiligten Gläubigern ab, wäre die Ordnungsmäßigkeit der Bezahlung am Maßstab der Absprachen zu messen, die zwischen dem Schuldner und seinem Gläubiger bei der Begründung der Schuld getroffen wurden. Die „ordnungsgemäße Bezahlung“ würde also regelmäßig in der Befriedigung des Gläubigers in voller Höhe bei Fälligkeit bestehen. Die grundsätzliche Frage nach der Bindungswirkung des accordo di ristrutturazione soll an dieser Stelle zurückgestellt werden, bis die Wirkungen der Umschichtungsvereinbarung umfassend geklärt sind.620 Der Frage nach der Wirkung des accordo di ristrutturazione widmet sich daher der folgende Abschnitt. c) Wirkungen des accordo di ristrutturazione dei debiti Eine Umschuldungsvereinbarung ist auch dann rechtswirksam, wenn die Parteien die Abrede ohne gerichtliche Beteiligung in der Form eines Vertrages treffen. Damit die Parteien den Aufwand und den etwaigen Zeitverlust in Kauf nehmen, der mit der Vorlage der gem. 182-bis I LF erforderlichen 619 Trib. Brescia, Urteil vom 22.02.2006, abgedruckt in Foro it. 2006, IX, 2563 ff.; Santangeli-Marano, Art. 182-bis, Anm. 1, S. 776; Terranova-Bruno, Art. 182-bis, S. 348; Lo Cascio, Il Fallimento 2005, 361 (362); Ferro, Il Fallimento 2005, 587 (596 ff.); Panzani, Il d. l. 35/2005 e la riforma della legge fallimentare, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 24.07.2007; Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 191; Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 396; weitere Nachweise siehe unten Fn. 650. 620 Die Frage nach der Bindungswirkung des accordo di ristrutturazione wird schließlich im Abschnitt C.I.3.c)bb)(1), S. 196 ff. beantwortet.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
Unterlagen und der anschließenden gerichtlichen Bestätigung i. S. d. Art. 182-bis III LF verbunden ist, muss die Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis I LF also einen Vorteil bieten, den eine einfache außergerichtliche Vereinbarung nicht aufweist. Art. 67 III e) LF offenbart, wodurch sich die Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis I LF aus Sicht der Parteien positiv von einer Einigung ohne gerichtliche Beteiligung abhebt: nämlich durch die Unanfechtbarkeit von Verfügungen, Zahlungen und Sicherheiten, die in Durchführung der Vereinbarung geleistet wurden. Dieser Effekt des accordo di ristrutturazione ergibt sich ausdrücklich und unmittelbar aus dem Gesetz. Ob die Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis I LF jedoch über die Unanfechtbarkeit gem. Art. 67 III e) LF hinaus weitere Wirkungen entfaltet und wenn ja, welche, ist mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung Auslegungssache und wird entsprechend uneinheitlich beurteilt. Welche Wirkung man dem accordo di ristrutturazione beimisst, hängt entscheidend davon ab, wie man ihn im Verhältnis zum concordato preventivo einordnet.621 Der concordato preventivo bewirkt eine Vollstreckungshemmung (Art. 168 I LF), er bindet alle Gläubiger (Art. 184 LF), er lässt die vorzugsweise Befriedigung von sanierungsunterstützenden Krediten im Falle einer Folgeinsolvenz zu (Art. 111 II LF), er kann trotz des Blockadeverhaltens einzelner Gläubiger zustande kommen (Art. 180 IV 2 LF). Teilt der accordo di ristrutturazione als Unterfall des concordato preventivo dessen Rechtsnatur, gelten die Aussagen über die Wirkung des concordato preventivo ebenso für den accordo di ristrutturazione. Die Regelungen des concordato preventivo sind dann nämlich auch auf den accordo di ristrutturazione anzuwenden, soweit sie nicht von Art. 182-bis LF abbedungen werden.622 Deswegen ist es von nicht zu unterschätzender praktischer Relevanz, die eher abstrakt-dogmatisch anmutende Frage nach dem Verhältnis des accordo di ristrutturazione zum concordato preventivo zu klären. aa) Verhältnis des accordo di ristrutturazione zum concordato preventivo Was die Rechtsnatur des accordo di ristrutturazione angeht, genauer gesagt sein Verhältnis zum concordato preventivo, liefert das Konkursgesetz verschiedene Anhaltspunkte. Diese weisen jedoch in unterschiedliche Richtungen: 621 Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 184; Proto, Il Fallimento 2006, 129 (139 f.). 622 Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 184; Proto, Il Fallimento 2006, 129 (139 f.). Jorio-Ambrosini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 182-bis, Anm. 3, S. 2541.
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(1) Accordo di ristrutturazione als Unterfall des concordato preventivo Für die Ansicht, der accordo di ristrutturazione gehöre zur Gattung „concordato“, sprechen zwei (schwache) systematische Argumente. So verweist Art. 182-bis LF auf eine Regelung des concordato, nämlich auf Art. 161 LF.623 Zudem sind der Ausgleich und das Abkommen zur Umschichtung beide in demselben Titel des Konkursgesetzes geregelt.624 Einem weiteren Argument wurde zwischenzeitlich durch eine Gesetzesänderung der Boden entzogen: Die Tatsache, dass Art. 182-bis LF in einem Abschnitt des Gesetzes (Titel III, 4. Abschnitt LF) steht, der bislang mit „Bestätigung und Durchführung des Ausgleichs“ überschrieben war, erweckte zunächst den Eindruck, dass Art. 182-bis LF eine Form des Ausgleichs regele. Inzwischen kann dieser Eindruck jedoch nicht mehr entstehen, denn der Gesetzgeber hat korrigierend eingegriffen und den betreffenden Abschnitt umbenannt. Der Wortlaut der Abschnittsüberschrift wurde um „Vereinbarungen zur Umschichtung der Schulden“ ergänzt, so dass sich aus der Abschnittsüberschrift nunmehr keine Rückschlüsse auf das Verhältnis des Ausgleichs zur Umschichtungsvereinbarung ziehen lassen. Wenig aufschlussreich ist auch die Lektüre der Gesetzesmaterialien, wo es heißt: „Der Ausgleich wird das Instrument, mit dessen Hilfe die Krise des Unternehmens überwunden werden kann, und zwar auch durch außergerichtliche Vereinbarungen, die die Restrukturierung des Unternehmens zum Gegenstand haben.“ (Il concordato diviene lo strumento attraverso il quale la crisi dell’impresa può essere risolta anche attraverso accordi stragiudiziali che abbiano ad oggetto la ristrutturazione dell’impresa.)625 Ob die Restrukturierungsvereinbarungen nach dem Willen des historischen Gesetzgebers gegenüber dem Ausgleich selbständig sein sollen, geht nicht eindeutig aus dem zitierten Abschnitt der Gesetzesbegründung hervor. Um die These zu stützen, der accordo di ristrutturazione gehöre zur Gattung „concordato“, wird schließlich ein Argument vorgebracht, das auf den praktischen Nutzen des accordo di ristrutturazione abstellt: Wozu sei der accordo gut, wenn er nicht die typischen Wirkungen eines concordato aufweise – in erster Linie die Bindung sämtlicher Gläubiger und die Vollstre623 Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 185; Ferro, Il Fallimento 2005, 587 (595); Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 333; Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 889. 624 Santangeli-Marano, Art. 182-bis, Anm. 2, S. 778; Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 385. 625 Relazione illustrativa al decreto legge n. 35 del 2005, zitiert nach Ambrosini/ Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 184.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
ckungshemmung?626 Es sei unverständlich, warum eine Vereinbarung, für deren Abschluss sogar eine höhere Mehrheit als beim Ausgleich erforderlich sei (mind. 60% beim accordo di ristrutturazione im Vergleich zu 50% + 1 beim concordato preventivo) und die ebenso wie der Ausgleich gerichtlich bestätigt werden müsse, nicht dieselben Effekte auslösen können sollte wie der Ausgleich.627 (2) Accordo di ristrutturazione als Institut eigener Art Für die Annahme, der accordo di ristrutturazione stelle im Verhältnis zum concordato preventivo ein Institut eigener Art dar, spricht hingegen der Wortlaut des Art. 67 III e) LF.628 Dort wird ausdrücklich zwischen dem Ausgleich einerseits und der gem. Art. 182-bis LF bestätigten Vereinbarung andererseits unterschieden – die beiden Instrumente stehen zueinander in einem durch die Konjunktion „oder“ (seit dem 01.01.2008: „sowie“) verdeutlichten Alternativverhältnis.629 Würde der accordo di ristrutturazione zur Gattung „concordato“ gehören, hätte es genügt, in Art. 67 III e) LF allein den Ausgleich als umfassenden Oberbegriff zu nennen und auf die zusätzliche Nennung der Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis LF zu verzichten. Auch in der Überschrift des dritten Titels des Konkursgesetzbuchs findet sich zwischen dem Begriffen „Ausgleich“ und „Abkommen zur Umschichtung“ eine Konjunktion, nämlich „und“. Aus der Verwendung einer Konjunktion lässt sich wiederum der – allerdings keinesfalls zwingende – Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber zwischen dem Ausgleich und dem Abkommen zur Umschichtung unterscheidet.630 Man mag zudem der Ansicht sein, die unterschiedliche Rechtsnatur von accordo di ristrutturazione und concordato preventivo spiegele sich darin wider, dass es sich beim concordato preventivo um ein rein gerichtliches Verfahren handele, während sich das zweistufige accordo-Verfahren in eine außer- bzw. „vorgerichtliche“ Phase und in eine gerichtliche Phase gliedern lasse: In der außergerichtlichen Phase verhandelten Schuldner und Gläubi626
Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 386. Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 386. 628 Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 185; SantangeliMarano, Art. 182-bis, Anm. 2, S. 777; Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 889; Jorio-Ambrosini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 182-bis, Anm. 3, S. 2542. 629 Art. 67 III e) LF im Wortlaut: „Verfügungen, Zahlungen oder Sicherheiten, die in Durchführung eines Ausgleichs oder einer gemäß Art. 182-bis bestätigten Vereinbarung getätigt worden sind“. 630 Santangeli-Marano, Art. 182-bis, Anm. 2, S. 777; Jorio-Ambrosini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 182-bis, Anm. 3, S. 2542. 627
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ger über den Inhalt des Umschichtungsabkommens.631 Diese Phase münde in den Abschluss eines Vertrags über die Umschichtung der Schulden, nämlich in die Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis I LF.632 In der anschließenden gerichtlichen Phase werde die – gem. Art. 182-bis I LF bereits vor (!) Anrufung des Gerichts abgeschlossene – Vereinbarung im Handelsregister öffentlich bekannt gemacht und durch das Konkursgericht bestätigt.633 (3) Stellungnahme Der accordo di ristrutturazione und der concordato preventivo unterscheiden sich in einer Hinsicht fundamental:634 Wird der Plan, der dem Ausgleich zu Grunde liegt, nicht mit der erforderlichen Mehrheit angenommen, wird das Ausgleichsverfahren abgebrochen und es kommt keine Einigung zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern zu Stande.635 Nach Art. 179 i. V. m. Art. 162 II LF wird sogar von Amts wegen das Konkursverfahren eröffnet.636 Kann die Umschichtungsvereinbarung hingegen nicht die in Art. 182-bis LF vorgesehene Gläubigermehrheit überzeugen, ist die Vereinbarung zwischen dem Schuldner und den zustimmenden Gläubigern dennoch wirksam.637 Denn es handelt sich bei dem Umschichtungsabkommen, das in der 631 Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 889; Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 184; Jorio-Ambrosini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 182-bis, Anm. 3, S. 2541. 632 Ebd. (Fn. 631). 633 Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 890; Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 184. Jorio-Ambrosini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 182-bis, Anm. 3, S. 2541. 634 Die folgende Argumentation ist angelehnt an Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 386 f. 635 Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 386. 636 Allerdings ist zweifelhaft, ob das Konkursverfahren in jedem Fall bei Verfehlung der für den Ausgleich erforderlichen Mehrheit eingeleitet werden darf. Die Konkurseröffnung setzt nämlich gem. Art. 5 LF die Insolvenz des Schuldners voraus, während das Ausgleichsverfahren auch bei einer Krisenlage des Schuldners unterhalb der Insolvenzschwelle eröffnet werden kann. Vor Überleitung des Ausgleichs- in ein Konkursverfahren muss das Gericht also zunächst prüfen, ob das ausgleichswillige Unternehmen insolvent i. S. d. Art. 5 LF ist, Santangeli-Allegritti, Art. 179, S. 752; Canale, Riv. Dir. proc. 2005, 897 (905, 909); Pacchi-Pacchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 217; die Notwendigkeit einer entsprechenden Prüfung ergibt sich neuerdings (d.h. seit Inkrafttreten des decreto correttivo am 01.01.2008) unmittelbar aus Art. 162 II LF. 637 Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 387; Art. 182-bis V LF, nach dem die Wirksamkeit der Vereinbarung mit ihrer Veröffentlichung im Handelsregister eintritt, scheint zwar in eine andere Richtung zu weisen. Allerdings ist
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außergerichtlichen Phase des accordo-Verfahrens beschlossen wird, in erster Linie um einen Vertrag zwischen Privaten, der zu seiner Wirksamkeit nur der Willensübereinstimmung zwischen den Parteien bedarf.638 Die fehlende Erreichung der 60%-Mehrheit wirkt sich also nicht auf die Wirksamkeit der Vereinbarung aus. Aus der mangelnden Erreichung des Quorums i. S. d. Art. 182-bis I LF folgt lediglich, dass das Umschuldungsabkommen keinen Anfechtungsschutz gem. Art. 67 III e) LF genießt.639 Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass der Ausgleich bei Verfehlung der erforderlichen Mehrheit keine Rechtswirkungen erzeugt, während ein Umschuldungsabkommen schon im Falle der Zustimmung eines einzigen Gläubigers – unabhängig davon, ob dieser eine Mehrheit der Forderungen repräsentiert oder nicht – Rechtswirkungen auslösen kann.640 Dieser grundlegende Unterschied zwischen dem accordo di ristrutturazione und dem concordato preventivo zeigt, dass es sich bei den genannten Rechtsinstituten um zwei wesensverschiedene Instrumente handelt, die unabhängig voneinander betrachtet werden müssen. Der accordo teilt nicht die Rechtsnatur des concordato, so dass die Regelungen des concordato nicht auf den accordo angewendet werden können.641 Die Argumente, die für die identische Rechtsnatur von accordo und concordato zu sprechen scheinen, überzeugen im Ergebnis nicht. Der Verweis in Art. 182-bis I LF auf Art. 161 LF betrifft lediglich verfahrensrechtliche Art. 182-bisV LF nicht auf eine Vereinbarung anwendbar, die von Gläubigern abgeschlossen worden ist, die weniger als 60% der Forderungen vertreten. Das folgt daraus, dass sich Art. 182-bis V LF auf eine Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis I LF bezieht, i. e. eine Vereinbarung, die mit der in Art. 182-bis I LF vorausgesetzten Kapitalmehrheit abgeschlossen wurde. Zudem ist Art. 182-bis V LF so zu verstehen, dass die besondere Wirkung der Vereinbarung, d. h. ihre Unanfechtbarkeit, erst mit der Veröffentlichung eintritt, Proto, Il Fallimento 2006, 129 (139). Die gerichtliche Bestätigung bewirkt also die Unanfechtbarkeit des accordo rückwirkend ab der Veröffentlichung der Vereinbarung, Art. 67 III e) i. V. m. Art. 182-bis V LF; ebenso Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 401; Santangeli-Marano, Art. 182-bis, Anm. 5, S. 787. 638 Trib. Brescia, Urteil vom 22.02.2006, abgedruckt in Foro it. 2006, IX, 2563 ff.; Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 889; Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 387, 389; Proto, Il Fallimento 2006, 129 (131). 639 Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 387. 640 Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 387. 641 Ebenso: Trib. Bari, Urteil vom 21.11.2005, abgedruckt in Il Fallimento 2006, 169 ff.; Trib. Roma, Beschluss Nr. 4 vom 16.10.2006, abzurufen auf www.ilcaso.it; Stand: 12.09.1007; Trib. Brescia, Urteil vom 22.02.2006, abgedruckt in Foro it. 2006, IX, 2563 ff.; Presti, Il Fallimento 2006, 171 (171); Proto, Il Fallimento 2006, 129 (129 f.); Verna, Dir. fall. 2005, I, 865; Fabiani, Foro it. 2006, I, 263 (263 f.); Caffi, Dir. fall. 2005, I, 876 ff.; Nardecchia, Il Fallimento 2006, 670 (670); JorioAmbrosini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 182-bis, Anm. 3, S. 2543.
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Vorgaben, sagt aber in materieller Hinsicht nichts über die Rechtsnatur des Umschuldungsabkommens aus.642 Aus der Tatsache, dass sowohl der Ausgleich als auch die Umschichtungsvereinbarung gerichtlich bestätigt werden müssen, lässt sich ebenfalls kein Rückschluss auf die identische Rechtsnatur von accordo und concordato ziehen. Denn es erscheint durchaus plausibel, dass die gerichtliche Bestätigung im Ausgleichsverfahren einem anderen Zweck dient als die Bestätigung im Verfahren zum Abschluss einer Umschichtungsvereinbarung: Im Ausgleichsverfahren soll die Bestätigung durch das Gericht sicherstellen, dass nur eine solche Vereinbarung sämtliche Gläubiger bindet, die in einem formell rechtmäßigen Verfahren zu Stande gekommen ist. Erst mit der richterlichen Bestätigung tritt die Bindungswirkung gem. Art. 184 I LF ein. Im accordo-Verfahren soll die gerichtliche Prüfung und Bestätigung der Umschichtungsvereinbarung hingegen verhindern, dass sich einige Gläubiger auf Kosten anderer (insbesondere unbeteiligter) Gläubiger einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil verschaffen.643 Lässt sich ein Gläubiger nämlich im Rahmen der Umschichtungsvereinbarung beispielsweise neue Sicherheiten bestellen, vermindert sich entsprechend die Masse, aus der die Gesamtheit der Gläubiger im Falle der Insolvenz befriedigt werden könnte. Wegen Art. 67 III e) LF, der die Unanfechtbarkeit solcher Sicherheiten garantiert, wäre die Begünstigung des gesicherten Gläubigers auf Kosten der übrigen Gläubiger endgültig. Um sicherzustellen, dass die beteiligten Gläubiger den accordo di ristrutturazione nicht zu solchen Machenschaften missbrauchen, die sich im Falle der Insolvenz vor allem zu Lasten der unbeteiligten Gläubiger auswirken, überprüft das Gericht die Umschichtungsvereinbarung nicht nur auf die Einhaltung formeller Kriterien (wie im Ausgleichsverfahren), sondern auch inhaltlich auf die Eignung der Vereinbarung, die ordnungsgemäße Bezahlung der nicht beteiligten Gläubiger sicherzustellen.644 Der Anfechtungsschutz, der die Beständigkeit der Vermögensverschiebung garantiert, setzt gem. Art. 67 III e) LF die gerichtliche Bestätigung der Vereinbarung voraus. Die gerichtliche Bestätigung im concordato-Verfahren ist also nach ihrem Zweck und nach der Intensität der der Bestätigung vorausgehenden Prüfung nicht mit der gerichtlichen Bestätigung im accordo-Verfahren zu vergleichen. Die Zugehörigkeit des accordo zur Gattung „concordato“ an der Tatsache festzumachen, dass sowohl der 642
Santangeli-Marano, Art. 182-bis, Anm. 2, S. 777 unter Berufung auf Trib. Bari, Bari, Urteil vom 21.11.2005, abgedruckt in Il Fallimento 2006, 169 ff. 643 Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 390 ff. (insb. 392). 644 Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 912; Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 400; Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 193.
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Ausgleich als auch die Umschichtungsvereinbarung der richterlichen Bestätigung bedürfen, ist folglich wenig überzeugend. Unzutreffend ist schließlich der Vorwurf, der accordo di ristrutturazione sei unbrauchbar, wenn er nicht ebenso wie ein concordato die unbeteiligten Gläubiger binden und eine Vollstreckungshemmung auslösen könne. Tatsächlich sind der Ausgleich und das Umschichtungsabkommen für verschiedene Situationen gedacht:645 Konzentrieren sich die Forderungen in der Hand von wenigen Gläubigern (häufig Banken), treten also verhältnismäßig geringe Koordinationsschwierigkeiten auf, und sind die einzelnen Gläubiger hinreichend über die Vermögenssituation des Schuldners informiert, bietet sich der accordo di ristrutturazione an. Dieser kann relativ zügig vereinbart werden, weil die Notwendigkeit, sämtlichen Gläubigern Gelegenheit zur Anmeldung ihrer Forderungen zu geben, entfällt. Sind die Forderungen allerdings in der Hand vieler verschiedener Einzelgläubiger, ist das Ausgleichsverfahren das Instrument der Wahl. Festzuhalten bleibt nach alldem, dass die besseren Argumente für die rechtliche Selbständigkeit des accordo di ristrutturazione gegenüber dem concordato preventivo sprechen. Beim Umschichtungsabkommen handelt es sich somit um ein Institut eigener Art, das nicht den Regelungen über den Ausgleich unterworfen ist. bb) Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Wirkungen des accordo di ristrutturazione dei debiti Nach der gerade646 vorgenommenen Weichenstellung lassen sich die Wirkungen des accordo di ristrutturazione ohne Schwierigkeiten bestimmen. (1) Bindungswirkung gegenüber den nicht beteiligten Gläubigern Die zunächst647 offen gelassene Frage nach der Bindungswirkung des Umschichtungsabkommens gegenüber den nicht beteiligten Gläubigern ist wie folgt zu beantworten: Nach dem auch im italienischen Recht geltenden Grundsatz der Relativität von Vertragsbeziehungen (Art. 1372 cc) kann die Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis I LF andere Personen als die Parteien nur dann binden, wenn eine Erstreckung der Wirkungen auf Dritte ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist. Eine entsprechende Vorschrift, die sich unmittelbar auf den accordo di ristrutturazione bezieht, fehlt. Allenfalls könnte 645 646 647
Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 393. Siehe oben unter C.I.3.c)aa)(3), S. 193 ff. Siehe oben unter C.I.3.b)cc)(3), S. 188 ff.
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Art. 184 I LF, der dem concordato preventivo eine Bindungswirkung gegenüber Unbeteiligten verleiht, auch für den accordo di ristrutturazione gelten. Das wäre allerdings nur dann der Fall, wenn die Regelungen des Ausgleichs auf die Umschichtungsvereinbarung anwendbar wären, d. h. wenn es sich beim Umschichtungsabkommen i. S. d. Art. 182-bis I LF um eine Form des Ausgleichs handeln würde. Das trifft – wie oben648 gezeigt – nicht zu. Folglich bleibt es bei dem Grundsatz, dass der accordo di ristrutturazione als vertragliche Vereinbarung nur die Parteien binden kann.649 Die ordnungsgemäße Bezahlung der nicht beteiligten Gläubiger gem. Art. 182-bis I LF ist somit nicht am Maßstab der Umschichtungsvereinbarung zu beurteilen, sondern anhand der zwischen Schuldner und Gläubiger bei Begründung der Schuld getroffenen Absprachen. Unter der ordnungsgemäßen Bezahlung ist daher in der Regel die Befriedigung der Forderung in voller Höhe im Zeitpunkt der Fälligkeit zu verstehen.650 Diese Auslegung wird schließlich bestätigt durch die Gesetzesmaterialien zum decreto correttivo, wo die ordnungsgemäße Bezahlung ebenfalls mit der vollständigen Bezahlung bei Fälligkeit gleichgesetzt wird.651 (2) Vollstreckungshemmende Wirkung (a) Rechtslage vor dem 01.01.2008 Eine vollstreckungshemmende Wirkung könnte vom accordo di ristrutturazione nur dann ausgehen, wenn eine solche ausdrücklich gesetzlich normiert wäre oder wenn die Regelungen des concordato preventivo (hier Art. 168 I LF) auch auf den accordo anwendbar wären. Da eine ausdrück648
Siehe oben unter C.I.3.c)aa), S. 190 ff. Ebenso: Trib. Brescia, Urteil vom 22.02.2006, abgedruckt in Foro it. 2006, IX, 2563 ff.; Frascaroli Santi, Dir. fall. 2005, I, 849 (850); Giannelli, Dir. fall. 2005, I, 1156 (1170); Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 401; Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 182; Santangeli-Marano, Art. 182-bis, Anm. 2, S. 778, Anm. 5, S. 788; Canale, Riv. Dir. proc. 2005, 897 (919, 921); Marano, Il Fallimento 2006, 101 (102 f.); Giannelli, Dir. fall. 2005, I, 1156 (1170); Guglielmucci, Lezioni di diritto fallimentare, S. 136; Proto, Il Fallimento 2006, 129 (140). 650 Trib. Brescia, Urteil vom 22.02.2006, abgedruckt in Foro it. 2006, IX, 2563 ff.; S Trib. Bari, Urteil vom 21.11.2005, abgedruckt in Il Fallimento 2006, 169 ff.; Santangeli-Marano, Art. 182-bis, Anm. 1, S. 776; Terranova-Bruno, Art. 182-bis, S. 348; Lo Cascio, Il Fallimento 2005, 361 (362); Ferro, Il Fallimento 2005, 587 (596 ff.); Panzani, Il d. l. 35/2005 e la riforma della legge fallimentare, abzurufen auf www.ipsoa.it/fallimento, Stand: 24.07.2007; Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 191; Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 396; Proto, Il Fallimento 2006, 129 (132). 651 Relazione al decreto legislativo 12 settembre 2007, Art. 16. 649
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liche gesetzliche Regelung bis zum Inkrafttreten des decreto correttivo fehlte und die Anwendung der concordato-Regelungen auf den accordo di ristrutturazione ausgeschlossen ist,652 entfaltete das Umschichtungsabkommen i. S. d Art. 182-bis I LF zunächst keine vollstreckungshemmende Wirkung.653 (b) Rechtslage seit dem 01.01.2008 Wie bereits angedeutet, änderte sich die beschriebene Rechtslage mit dem Inkrafttreten des decreto correttivo am 01.01.2008. Durch das genannte Gesetz wurde nämlich eine sechzigtägige Vollstreckungs- und Verjährungshemmung ab dem Tag der Veröffentlichung der Vereinbarung im Handelsregister eingeführt, Art. 182-bis III LF n. F. (3) Auswirkungen auf den Rang von Krediten Die Fortführung eines Unternehmens in der Krise verlangt in der Regel nach neuen liquiden Mitteln. Zum Erfolg der Sanierungsbemühungen, die mit dem accordo die ristrutturazione verfolgt werden, würde es daher beitragen, potentielle Kreditgeber zur finanziellen Unterstützung der Unternehmenserhaltung zu motivieren. Um potentielle Kreditgeber entsprechend zu motivieren, könnten ihnen beispielsweise besonders hohe Befriedigungschancen zugesichert werden. Das könnte geschehen, indem Kredite, die in Ausführung des Umschichtungsabkommens gewährt wurden (d. h. nach der gerichtlichen Bestätigung des Abkommens und mit dem Ziel, die ordnungsgemäße Bezahlung der nicht beteiligten Gläubiger sowie die Fortführung des Unternehmens sicherzustellen) im Falle der Insolvenz des betroffenen Unternehmens vorrangig befriedigt werden. Von Interesse ist folglich die Behandlung des sog. frischen Kapitals („nuova finanza“) für den Fall, dass sich trotz der Umschichtungsvereinbarung i. S. d. Art. 182-bis die Konkurseröffnung schließlich nicht verhindern lässt. Es gibt keine Norm, die ausdrücklich im Bezug auf den accordo di ristrutturazione die Privilegierung von Sanierungskrediten anordnet. Das Schweigen des Gesetzes spricht dafür, dass eine solche Privilegierung nicht erwünscht ist.654 Möglicherweise fallen Kredite, die in Ausführung eines 652
Siehe oben unter C.I.3.c)aa), S. 190 ff. Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 401, 403; Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 182; Proto, Il Fallimento 2006, 129 (139). 654 Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 195; Proto, Il Fallimento 2006, 129 (139); Ambrosini, Il Fallimento 2005, 949 (951). 653
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Umschichtungsabkommens i. S. d. Art. 182-bis I LF gewährt wurden, jedoch unter die nur vage definierten „vorab zu befriedigenden Forderungen“ i. S. d. Art. 111 I LF. Zu solchen Forderungen gehören gem. Art. 111 II LF u. a. „jene, die aus Anlass oder in Zusammenhang mit den im vorliegenden Gesetz (i. e. das Konkursgesetz, der Verf.) vorgesehenen Konkursverfahren entstanden sind“. Dass es sich bei dem accordo di ristrutturazione um ein Konkursverfahren i. S. d. Art. 111 II LF handelt, erscheint allerdings zweifelhaft.655 Denn zu solchen Verfahren zählen bei teleologischer Betrachtung allein diejenigen, die zu einem Mindestmaß durch das Gericht oder durch eine andere neutrale Instanz überwacht werden.656 Das folgt aus Erwägungen, die sich an der Legitimation der Privilegierung von Sanierungskrediten orientieren und die hier am Beispiel des Ausgleichsverfahrens veranschaulicht werden: Die Inanspruchnahme eines (Sanierungs-)Kredits durch den Ausgleichsschuldner nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens erfolgt auch im Interesse der Gläubiger, deren Forderungen bereits vor Eröffnung des Ausgleichsverfahrens begründet wurden (im Folgenden: ursprüngliche Gläubiger). Denn die Sanierung des Unternehmens, von der sich die ursprünglichen Gläubiger eine höhere Quote im Vergleich zu den Befriedigungsaussichten beim Scheitern der Sanierungsbemühungen versprechen, wird durch die Akquise von frischem Kapital erst ermöglicht. Dieser Vorteil des Sanierungskredits gleicht den Nachteil aus, den die ursprünglichen Gläubiger dadurch erleiden, dass ihre Forderungen im Falle eines nachfolgenden Konkursverfahrens gegenüber den Forderungen aus Sanierungskrediten nachrangig sind. Jedoch stellt sich eine solche Ausgewogenheit von Vor- und Nachteilen nur dann ein, wenn die nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens in Anspruch genommenen Kredite tatsächlich im Interesse der ursprünglichen Gläubiger zur Erreichung des Sanierungserfolges verwendet werden. Deswegen muss durch eine neutrale Instanz überwacht werden, dass die Betriebsführung auf die Sanierung des Unternehmens zielt und dass die zu diesem Zweck akquirierten Mittel entsprechend eingesetzt werden. Nur so lässt sich die Benachteiligung der ursprünglichen Gläubiger ge655 Santangeli-Marano, Art. 182-bis, Anm. 5, S. 789; Presti, Il Fallimento 2006, 171 (172 f.); Ambrosini, Il Fallimento 2005, 949 (951); Pacchi-Coppola, Il nuovo concordato preventivo, S. 303 f.; entschieden gegen die Einordnung des accordi di ristrutturazione als Konkursverfahren i. S. d. Art. 111 LF Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 401; Jorio-Ambrosini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 182-bis, Anm. 3, S. 2557. 656 Pacchi-Pacchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 52; Ambrosini, Il Fallimento 2005, 949 (951); Bonfatti-Bonfatti, Azione revocatoria, S. 190; Bello, Riv. not. 2006, I, 321 (323), die allerdings diese Voraussetzung nicht ausdrücklich formulieren, sondern eine vorrangige Befriedigung der hier fraglichen Kredite mit dem Argument ablehnen, es finde im Anschluss an die Bestätigung des Umschichtungsabkommens keine Überwachung der Unternehmensführung statt.
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genüber den Inhabern von Forderungen aus einem Sanierungskredit rechtfertigen. Die Unternehmensführung nach Bestätigung des Umschichtungsabkommens unterliegt aber keiner gerichtlichen oder sonstigen Kontrolle, die die Ausgewogenheit in dem eben beschriebenen Sinne sicherstellen könnte. Es fehlt folglich das entscheidende Element, das die Privilegierung von Sanierungskrediten – und somit eine Durchbrechung des „par conditio“-Prinzips – rechtfertigen würde. Daher zählt das Umschichtungsverfahren nicht zu den von Art. 111 II LF umfassten Konkursverfahren. Kredite, die in Ausführung eines Umschichtungsabkommens i. S. d. Art. 182-bis I LF gewährt wurden, stellen also keine vorab zu befriedigenden Forderungen i. S. d. Art. 111 I LF dar.657 d) Kritische Würdigung der accordi di ristrutturazione dei debiti Angesichts der soeben aufgezeigten Defizite der Umschichtungsvereinbarung i. S. d. Art. 182-bis I LF drängt sich die Frage auf, welchen Sinn die Einführung dieses neuen Instruments zur Krisenbewältigung hat. aa) Nachteile des accordo di ristrutturazione gegenüber dem concordato preventivo Die Schwachpunkte der Umschichtungsvereinbarung liegen auf der Hand: Im Gegensatz zum Ausgleich bewirkte das Umschichtungsabkommen zunächst keine Vollstreckungshemmung.658 Auch wenn die Verhandlungen über die Vereinbarung eines Umschichtungsabkommens „im kleinen Kreis“ geführt werden können, lässt sich die vollständige Geheimhaltung des Verfahrens in den wenigsten Fällen realisieren. Unter diesen Umständen liegt es nahe, dass Gläubiger, die kein Interesse am Abschluss einer Umschichtungsvereinbarung haben, schleunigst die Einzelvollstreckung betreiben, sobald sich die Nachricht vom Krisenzustand herum gesprochen hat und solange weder die Eröffnung eines Ausgleichs- noch eines Konkursverfahrens die Einzelvollstreckung verbieten. Deswegen läuft das Unternehmen Gefahr, noch in der Phase, in der der Schuldner um Zustimmung zur Sanie657 Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 405, 406; Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 181, 195; Ambrosini, Il Fallimento 2005, 949 (951); Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 890, 905 f.; Santangeli-Marano, Art. 182-bis, Anm. 5, S. 789 f.; Proto, Il Fallimento 2006, 129 (139); Pacchi-Pacchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 52; Bonfatti-Bonfatti, Azione revocatoria, S. 190; Bello, Riv. not. 2006, I, 321 (323); Jorio-Ambrosini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 182-bis, Anm. 10, S. 2559. 658 Siehe oben unter C.I.3.c)bb)(2), S. 197.
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rung auf der Grundlage eines Umschichtungsabkommens wirbt, die Grundlage für die Unternehmensfortführung zu verlieren (z. B. durch die Vollstreckung in wichtige Produktionsmittel). Dieses Risiko besteht im Ausgleichsverfahren nicht, weil der Schuldner gem. Art. 168 I LF bereits ab dem Antrag auf Eröffnung des Verfahrens vor Vollstreckungsmaßnahmen geschützt ist. Zwar wurde mit dem decreto correttivo eine sechzigtägige Vollstreckungssperre ab der Veröffentlichung des Umschichtungsabkommens eingeführt. In der Phase, in der der Schuldner um Zustimmung zum Abkommen wirbt, bleibt er jedoch weiterhin schutzlos gestellt. Ebenso schwer wie die zunächst fehlende Vollstreckungshemmung wiegt die mangelnde Privilegierung von Krediten, die in Durchführung des accordo gewährt wurden. Denn die Akquise von frischem Kapital stellt eine grundlegende Voraussetzung für die erfolgreiche Fortführung des Unternehmens dar. bb) Vorteile des accordo di ristrutturazione gegenüber dem concordato preventivo Nach der Ansicht von Ambrosini und Demarchi bietet der accordo di ristrutturazione gegenüber dem concordato preventivo den Vorteil, dass den privilegierten Gläubigern im Umschichtungsverfahren nicht zwingend die vollständige Befriedigung zugesichert werden muss.659 Ob die privilegierten Gläubiger im Gegensatz dazu im Ausgleichsverfahren vollständig zu befriedigen sind, war bis zu einer Klarstellung durch das decreto correttivo umstritten.660 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde das Bestehen einer solchen Pflicht verneint.661 Spätestens seit der Einführung des Art. 160 II n. F. zum 01.01.2008 steht fest, dass die privilegierten Gläubiger weder im Ausgleichs- noch im Umschichtungsverfahren vollständig befriedigt werden müssen. Der accordo di ristrutturazione hebt sich folglich in dieser Hinsicht nicht positiv vom concordato preventivo ab. Ein Umschichtungsabkommen lässt sich jedoch möglicherweise schneller vereinbaren als ein Ausgleich. Denn die Umschichtungsvereinbarung kann „im kleinen Kreis“ zwischen dem Schuldner und den wichtigsten Gläubigern – z. B. Banken – getroffen werden. Eine Pflicht, vor Abschluss der Vereinbarung die übrigen Gläubiger zu informieren, ihnen Gelegenheit zur Anmeldung ihrer Forderungen zu geben und ihre Entscheidung über die Vorteilhaftigkeit der Vereinbarung abzuwarten, besteht nicht. Wertvolle Zeit wird auf diese Weise gespart. 659 660 661
Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 196. Zu diesem Streit siehe oben unter C.I.1.b)cc)(1)(b), S. 117 ff. Siehe oben unter C.I.1.b)cc)(2)(b)(cc), S. 120 f.
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Zudem lässt sich bei Verhandlungen mit nur wenigen Beteiligten die Geheimhaltung der Diskussionsinhalte leichter realisieren, auch wenn absolute Diskretion ein unerreichbares Ziel darstellen dürfte. Die Verhandlungspartner können also im Vorfeld der Vereinbarung eines Umschichtungsabkommens von einer gewissen „Privatsphäre“ profitieren. Die Offenlegung entscheidender Daten wird so begünstigt, so dass die Vereinbarung auf einer sicheren Tatsachengrundlage getroffen werden kann. Vor allem aber kann der Krisenzustand des Unternehmens auf diese Weise vor anderen Marktteilnehmern zunächst leichter geheimgehalten werden als in einem komplett gerichtlichen Verfahren wie dem Ausgleichsverfahren. Die Signalwirkung, die von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ausginge und die beispielsweise die Handelspartner des betroffenen Unternehmens zu einem Abbruch der Geschäftsbeziehungen verleiten würde, bleibt möglicherweise aus. Allerdings endet die Vertraulichkeit des Umschichtungsverfahrens spätestens mit der obligatorischen Veröffentlichung der Vereinbarung im Handelsregister gem. Art. 182-bis II LF. Das Publikwerden der Krise ist also vorprogrammiert. Zusammenfassen lassen sich die Vorteile des accordo di ristrutturazione somit mit den Schlagworten „Zeitersparnis“ und „anfängliche Geheimhaltung“. cc) Fazit Der fehlende Vollstreckungsschutz während des Umschichtungsverfahrens stellte einen schwerwiegenden Nachteil dar, der allein durch die Möglichkeit zur schnellen Abwicklung des Verfahrens kaum aufgewogen werden konnte. Vor diesem Hintergrund hatte die Commissione Giuliano schon im Juli 2005 im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen, den Art. 182-bis LF zu ergänzen. Der Schuldner sollte nach dem Entwurf der Giuliano-Kommission beim Gericht den einstweiligen Schutz seines Vermögens vor dem Zugriff der Gläubiger beantragen können. Das Gericht konnte dem Antrag entsprechen, indem es für einen Zeitraum von maximal sechzig Tagen die Vollstreckung untersagte. Dieser Entwurf wurde, obwohl man ihn für sinnvoll erachtete, schließlich abgelehnt, weil insbesondere der Wirtschaftsminister fürchtete, die Grenzen der legge delega würden durch eine solche Regelung überschritten.662 Hier hatte sich der Gesetzgeber zunächst zu zurückhaltend gezeigt663 – das Defizit einer fehlenden Vollstreckungshemmung musste behoben werden, damit Schuldner im accordo di ristrutturazione eine ernst zu nehmende, attraktive Alternative zum concordato pre662 Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 404; zum Prinzip der legge delega siehe oben in Fn. 298. 663 Ebenso: Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 182.
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ventivo sehen konnten. Bis zur Verabschiedung des decreto correttivo stellte der accordo di ristrutturazione nämlich ein mäßig attraktives Mittelding zwischen dem concordato preventivo und dem piano di risanamento dar: Einerseits konnte der accordo dem Schuldner und den zustimmenden Gläubigern nicht die Vorteile eines concordato bieten (Vollstreckungshemmung, Bindungswirkung, vorrangige Befriedigung hinsichtlich des frischen Kapitals), andererseits musste er im Gegensatz zum Sanierungsplan gerichtlich bestätigt werden.664 Gerade auf Grund der unbefriedigenden Stellung des accordo als „Mittelding“ war zu befürchten, dass Schuldner nur wenig vom Umschichtungsabkommen gem. Art. 182-bis LF Gebrauch machten und stattdessen den Ausgleich mit seinen ausgeprägten Vorteilen vorzogen. Das Instrument der Umschichtungsvereinbarung i. S. d. Art. 182-bis I LF lief Gefahr, nur auf dem Papier zu existieren.665 Tatsächlich hatte die Verbreitung des Umschichtungsabkommens bis zur Abfassung des decreto correttivo noch nicht den gewünschten Grad erreicht.666 Vor dem Hintergrund dieser (Fehl-)Entwicklung griff der Gesetzgeber schließlich doch den erwähnten Entwurf der Giuliano-Kommission auf, um die Verbreitung des Umschichtungsabkommens zu fördern.667 Die seitdem bestehende vollstreckungshemmende Wirkung des Umschichtungsabkommens ist zu begrüßen. Sie verhindert endlich voreilige Vollstreckungshandlungen, die die Umsetzung des Abkommens sowie insbesondere seine Eignung zur ordnungsgemäßen Befriedigung der unbeteiligten Gläubiger gefährden könnten.668 Von einem großen Wurf des Gesetzgebers zu sprechen, erscheint trotzdem verfehlt. Das gilt insbesondere, zumal wesentliche Fragen vom Gesetzgeber offen gelassen wurden – Fragen zum Inhalt des accordo di ristrutturazione, zu seinen Voraussetzungen und insbesondere zu seinen Wirkungen, aber auch beispielsweise die Frage nach der Anpassungsfähigkeit der Umschichtungsvereinbarung: Was passiert, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Vereinbarung nicht durchführbar und/oder nicht zur ordnungsgemäßen Befriedigung der unbeteiligten Gläubiger geeignet ist?669 Sind dann im664 Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 380, 392; Jorio-Ambrosini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 182-bis, Anm. 10, S. 2560. 665 Jorio, in: Ambrosini/Demarchi, Il nuovo concordato preventivo, S. XIII; Proto, Il Fallimento 2006, 129 (129); überzeugt von der nachrangigen Bedeutung des accordo gegenüber dem concordato auch Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 912. 666 Siehe die Gesetzesmaterialien, Relazione al decreto legislativo 7 settembre 2007, Art. 16. 667 Siehe die Gesetzesmaterialien, Relazione al decreto legislativo 7 settembre 2007, Art. 16 sowie Perugini/Massei, La nuova legge fallimentare, Art. 182-bis, S. 365. 668 Siehe die Gesetzesmaterialien, Relazione al decreto legislativo 7 settembre 2007, Art. 16.
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mer noch die Zahlungen und Sicherheiten, die in Durchführung des accordo geleistet werden, von der Anfechtbarkeit ausgenommen? Ist es dann möglich, die gerichtliche Bestätigung des accordo zu widerrufen? Wenn ja, wie?670 An diesen Schwachpunkten der Regelung des Art. 182-bis LF besteht ein offensichtlicher Nachbesserungsbedarf, der den Gesetzgeber hoffentlich zu einer Ergänzung des Tatbestandes veranlassen wird. Die Gelegenheit, die aufgeworfenen Fragen im Rahmen des decreto correttivo zu beantworten, hat der Gesetzgeber allerdings ungenutzt verstreichen lassen. 4. Der Sanierungsplan (piano di risanamento) gem. Art. 67 III d) LF Im Verhältnis zum Sanierungsplan erscheint das Umschuldungsabkommen geradezu erschöpfend geregelt – dass es die Möglichkeit zur Vereinbarung eines Sanierungsplans gibt, ergibt sich nämlich nur aus einer einzigen Norm. Dort, i. e. in Art. 67 III d) LF, heißt es, Verfügungen, Zahlungen und Sicherheiten unterlägen nicht der Anfechtung, sofern sie in Durchführung eines Plans geleistet worden seien, der geeignet erschien, die Schuldenbelastung des Unternehmens zu bereinigen und wieder eine ausgeglichene Finanzlage herbeizuführen. Ein solcher Plan wird in der Literatur kurz als Sanierungsplan (piano di risanamento) bezeichnet, auch wenn das Konkursgesetz diesen Begriff nicht gebraucht.671 a) Inhalt und Voraussetzungen des Sanierungsplans An den Inhalt des Sanierungsplans werden keine näheren Anforderungen gestellt. Das Konkursgesetz gibt lediglich das Ziel der Vereinbarung vor – gem. Art. 67 III d) LF muss der sog. Sanierungsplan im Gegensatz zum Ausgleich und zur Umschichtungsvereinbarung zwingend auf die Erhaltung und wirtschaftliche Gesundung des betroffenen Unternehmens gerichtet sein. Wie diese Gesundung herbeigeführt wird, bleibt jedoch den Parteien überlassen. Denkbare Methoden sind beispielsweise die Gewährung von frischem Kapital oder die Einräumung eines Moratoriums.672 Aus der Zielvor669 Diese Frage wird aufgeworfen von Santangeli-Marano, Art. 182-bis, Anm. 5, S. 788. 670 Diese Fragen werden aufgeworfen von Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 402. 671 Der Begriff „Sanierungsplan“ wird beispielsweise gebraucht von AmbrosiniPresti, La riforma della legge fallimentare, S. 380; Ambrosini-Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 409 ff.; Santangeli-Santangeli, Art. 67, Anm. 7, S. 288; Ferro, Il Fallimento 2005, 587 ff.; Bello, Riv. not. 2006, I, 321 (327 f.); Stasi, Il Fallimento 2006, 861 ff.
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gabe in Art. 67 III d) LF ergibt sich die Einschränkung, dass der Sanierungsplan nur in Fällen vereinbart werden darf, in denen die Herbeiführung einer ausgeglichenen Finanzlage noch möglich erscheint.673 Sanierungsunfähige Unternehmen müssen zur Insolvenzbewältigung im Verhandlungswege auf den Ausgleich zurückgreifen. Über die Sanierungsfähigkeit hinaus lassen sich keine Voraussetzungen für die Vereinbarung eines Plans i. S. d. Art. 67 III d) LF aus dem Gesetz ableiten. b) Inhaltliche Prüfung des Plans Der Sanierungsplan wird ohne gerichtliche Beteiligung vereinbart und muss nicht veröffentlicht werden. Wollte man die verschiedenen Insolvenzverfahren nach dem Grad ihrer gerichtlichen Kontrolle ordnen, würde also das Ausgleichsverfahren als gerichtliches Verfahren eines der Extreme bilden, in der Mitte stünde das zweistufige Umschichtungsverfahren mit seiner außergerichtlichen sowie seiner gerichtlichen Phase und das andere Extrem würde das Verfahren zur Vereinbarung eines Sanierungsplans als außergerichtliches Verfahren darstellen.674 Dass das Gericht sich nicht mit dem Sanierungsplan befasst, bedeutet jedoch nicht, dass der Plan ohne Überprüfung durch eine neutrale Instanz den Anfechtungsschutz des Art. 67 III d) LF genießen kann. Nach Art. 67 III d) LF muss im Gegenteil die Erfolgsaussicht des Planes von einem in das Verzeichnis der Buchprüfer eingetragenen Berufstätigen bescheinigt werden, der die Voraussetzungen des Art. 28 a), b) LF i.V.m. Art. 2501-bis IV cc erfüllt. Art. 2501-bis cc, auf den Art. 67 III d) LF verweist, verlangt den Bericht eines Rechnungsprüfers oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Was unter dem wolkigen Begriff der Erfolgsaussicht (ragionevolezza) konkret zu verstehen ist, bleibt dem jeweiligen Gutachter überlassen.675 Im Interesse einer einheitlichen Handhabung und zum Schutz der Gläubiger hätte der Gesetzgeber gut daran getan, den Prüfungsmaßstab zu präzisieren. Jedoch gehört – wie Grossi überspitzt, aber zutreffend behauptet – Klarheit nicht zu den Stärken des Reformgesetzgebers („Purtroppo la chiarezza non è la dote precipua del nuovo legislatore.“).676 672 Santangeli-Santangeli, Art. 67, Anm. 7, S. 289; Ambrosini-Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 412. 673 Ambrosini-Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 412. 674 Ambrosini-Presti, La riforma della legge fallimentare, S. 380, 381. 675 Zum Prüfungsprogramm des Experten Stasi, Il Fallimento 2006, 861 (866), nach dessen Ansicht der Gutachter u. a. überprüfen muss, ob anerkannte Methoden zur Erforschung der Ursache der Unternehmenskrise angewandt wurden, ob eine Sanierung erfolgversprechend ist, ob die angegebenen Unternehmenskennzahlen stimmen und ob die Sanierungsbudgets realistisch kalkuliert wurden. 676 Ambrosini-Grossi, La riforma della legge fallimentare, S. 413.
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c) Wirkungen des Plans Der Sanierungsplan hat als außergerichtliche Vereinbarung einige Nachteile gegenüber dem gerichtlich geprüften Ausgleich: Einigen sich Gläubiger und Schuldner auf einen Sanierungsplan, bindet diese Vereinbarung mangels anderweitiger gesetzlicher Bestimmung nur die Parteien. Eine Vollstreckungshemmung tritt nicht ein. Ebenso wenig können Kredite, die in Durchführung des Planes gewährt wurden, im Falle eines Anschlusskonkurses vorrangig befriedigt werden. Nur in einer einzigen Hinsicht unterscheidet sich der Sanierungsplan i. S. d. Art. 67 III d) LF positiv von anderen außergerichtlichen Vereinbarungen, nämlich durch den Anfechtungsschutz, den Art. 67 III d) LF gewährt. Dieser Vorteil mag die Inkaufnahme des Zeit- und Kostenaufwandes, der mit der Erstellung des Gutachtens i. S. d. Art. 67 III d) LF i. V. m. Art. 2501-bis cc verbunden ist, rechtfertigen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich erst dann erweist, ob der Sanierungsplan und das ihn begleitende Gutachten den gesetzlichen Anforderungen genügen und daher eine Anfechtungssperre auslösen, wenn der Konkursverwalter die im Sanierungsplan geregelten Maßnahmen anficht. Denn nur in diesem Falle wird der Sanierungsplan gerichtlich überprüft. Zuvor können der Plan und die Stellungnahme des Gutachters vollständig geheimgehalten werden, sie verschwinden – wie Panzani es formuliert – in „der Schublade und werden lediglich bei Konkurseröffnung herausgeholt“677. Der Preis für diese Geheimhaltung liegt in dem Restrisiko, dass das Gericht die Voraussetzungen des Art. 67 III d) LF als nicht erfüllt ansieht und sich daher nachträglich herausstellt, dass eine Anfechtungssperre nicht gegeben ist. Wollen die Gläubiger hinsichtlich der Anfechtungssperre sichergehen, ist ihnen zur Vereinbarung eines Umschichtungsabkommens zu raten, das unmittelbar nach seinem Abschluss gerichtlich bestätigt wird und somit unzweifelhaft eine anfechtungsausschließende Wirkung entfaltet. Geheimhaltungsinteresse einerseits und das Interesse an Rechtssicherheit andererseits müssen die Gläubiger bei ihrer Entscheidung zwischen dem Umschichtungsabkommen und dem Sanierungsplan gegeneinander abwägen. In diese Abwägung sollten die Gläubiger einbeziehen, dass die den Gläubigern zur Verfügung stehende Haftungsmasse in der Regel bei einer außergerichtlichen Unternehmenssanierung wegen der Einsparung von direkten und indirekten Insolvenzkosten größer ist als bei einer gerichtlich überwachten Sanierung.678
677 Panzani, The Italian Bankruptcy law reform – Act III, Manuskript zu einem Vortrag anlässlich des „2. Congreso Nacional de Derecho Concursal“, 14.–16.5. 2008, Guadalajara, Mexiko, S. 14 (nicht veröffentlicht). 678 Eidenmüller, BB Beilage 1, Heft 40/1998, 19 (19 f.).
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II. Zerschlagungsabwendende Verfahren nach Konkurseröffnung: Der Zwangsausgleich (concordato fallimentare) gem. Art. 124 ff. LF Die zerschlagungsabwendenden Verfahren, die der Schuldner vor der Eröffnung des Konkursverfahrens durchlaufen kann, sind bereits beleuchtet worden. Auch nach der Konkurseröffnung kann ein Instrument zum Einsatz kommen, mit dessen Hilfe die Zerschlagung des Unternehmens verhindert werden kann. Es handelt sich um den Zwangsausgleich (concordato fallimentare), der in den Art. 124 ff. LF geregelt ist. Die Lektüre der einschlägigen Normen erweckt den Eindruck, der Zwangsausgleich sei nichts anderes als ein Ausgleich, dessen Abschluss in das Konkursverfahren eingebettet worden ist. Zu Recht stellt Lo Cascio deswegen eine starke Annäherung von concordato preventivo und concordato fallimentare fest.679 Einige (wenige) Unterschiede ergeben sich jedoch im Detail, vor allem im Bereich der Antragsbefugnis und der Abstimmungsregeln. 1. Voraussetzungen für die Vereinbarung des Zwangsausgleichs Die Vereinbarung eines Zwangsausgleichs ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die im Folgenden erläutert werden. a) Eröffnung des Konkursverfahrens Zunächst muss das Konkursverfahren eröffnet worden sein. Die Konkurseröffnung setzt ihrerseits voraus, dass sich der gem. Art. 1 LF insolvenzfähige Unternehmer im Zustand der Insolvenz i. S. d. Art. 5 LF befindet. Der Zustand der Insolvenz offenbart sich gem. Art. 5 LF durch die Nichterfüllung von Verpflichtungen oder durch andere äußere Geschehnisse, die zeigen, dass der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, seinen Verpflichtungen regelmäßig nachzukommen. Dieser Zustand wird vom Landgericht (i. e. dem Konkursgericht) im Konkurseröffnungsverfahren gem. Art. 15 LF festgestellt, nachdem der Schuldner, einer oder mehrere Gläubiger oder die die Staatsanwaltschaft die Konkurseröffnung beantragt haben. Im Konkurseröffnungsverfahren prüft das Konkursgericht außerdem gem. Art. 15 IX LF, ob die Höhe der fälligen und nicht bezahlten Schulden, die sich aus den Akten des Konkurseröffnungsverfahrens ergeben, mindestens 30.000 Euro beträgt. Liegen die genannten Voraussetzungen vor, eröffnet das Konkursgericht 679
Lo Cascio, Il concordato preventivo, S. 167.
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nach Abschluss des Eröffnungsverfahrens gem. Art. 16 LF durch ein Urteil den Konkurs. Dieses Konkursverfahrens wird entweder durch die Aufhebung des Konkurses gem. 118 LF beendet, z. B. weil die Schlussverteilung des Vermögens abgeschlossen ist (Art. 118 I Nr. 3 LF), oder aber durch den Zwangsausgleich gem. Art. 124 LF ff. b) Einbringung des Vorschlags durch einen Befugten Der Zwangsausgleichsvorschlag muss von einem Befugten i. S. d. Art. 124 I LF eingebracht werden. Dazu zählen die Gläubiger (wobei gleichgültig ist, ob der Vorschlag von einem oder von mehreren Gläubigern eingereicht wird), ein Dritter sowie der Gemeinschuldner. Nach der zwischen dem 16.07.2006 und dem 01.01.2008 geltenden Rechtslage war zudem der Masseverwalter gem. Art. 129 II LF a. F. vorlageberechtigt. Die entsprechende Bestimmung wurde jedoch durch das decreto correttivo aus Art. 129 II LF gestrichen, ohne dass die Gründe für diese gesetzgeberische Entscheidung bekannt wären. Es wird vermutet, die Vorlage eines Vorschlags durch den Verwalter sei nicht mit dessen Rolle als Prüfer des Vorschlags vereinbar.680 Außerdem sei der Verwalter im Konkursverfahren schon mit so wichtigen und aufwendigen Aufgaben wie der Erstellung des Vermögensverzeichnisses und der Ermittlung des Schuldenstandes beschäftigt, so dass er die parallele Erarbeitung eines Zwangsausgleichsvorschlags nicht leisten könne.681 aa) Zeitliche Beschränkung des Vorschlagsrechts des Schuldners Die Einbringung des Vorschlags durch den Schuldner unterliegt allerdings in doppelter Hinsicht einer zeitlichen Beschränkung: Zum einen müssen seit der Konkurseröffnung mindestens sechs Monate vergangen sein. Diese Zeitspanne wurde durch das decreto correttivo sogar auf ein Jahr erhöht. Zum anderen muss der Beschluss, mit dem der Schuldenstand gem. Art. 96 LF für vollstreckbar erklärt worden ist, weniger als zwei Jahre zurückliegen. bb) Gründe für die zeitliche Beschränkung Es drängt sich die Frage auf, warum der Gesetzgeber einen Vorschlag des Schuldners nur in dem beschriebenen Zeitfenster zulässt.
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Perugini/Massei, La nuova legge fallimentare, Art. 129, S. 279. Ebd. (Fn. 680).
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(1) Rechtfertigung der Sperrfrist Die sechsmonatige bzw. einjährige Wartefrist, die der Schuldner einhalten muss, kann diesen motivieren, schon im Vorfeld der Konkurseröffnung eine Einigung mit den Gläubigern anzustreben.682 Dem Schuldner steht zu diesem Zweck vor allem das Instrument des concordato preventivo zur Verfügung. Lässt der Schuldner die Gelegenheit zur Bewältigung der Krise außerhalb eines Konkursverfahrens ungenutzt verstreichen, wird sein Verhalten durch eine Vorschlagssperre sanktioniert und der Schuldner muss befürchten, dass andere rechtmäßig über sein Vermögen disponieren. Das Recht zur Einbringung eines Vorschlags steht dann vorrangig den Gläubigern zu, die im Ausgleichsverfahren nicht antragsbefugt sind und deswegen vor der Eröffnung des Konkursverfahrens keine Gelegenheit hatten, einen Einigungsvorschlag im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens vorzulegen. (2) Rechtfertigung des Stichtags Die Gründe für die Einführung des Zwei-Jahres-Limits erscheinen weniger offensichtlich. Der Hinweis auf den Stichtag kann den Schuldner möglicherweise davon abhalten, das Konkursverfahren durch das wiederholte Einbringen von wenig überzeugenden Vorschlägen unnötig zu verzögern. Statt nacheinander mehrere Vorschläge einzureichen, deren Erfolgaussichten gering sind, um auf diese Weise Zeit zu schinden, soll der Schuldner rechtzeitig einen angemessenen Vorschlag formulieren.683 Das Zwei-Jahres-Limit verhindert außerdem, dass der Zwangausgleich erst angestrebt wird, nachdem sich die Liquidation nach Ablauf einer längeren Zeit als unattraktiv herausgestellt hat.684 cc) Zeitliche Beschränkung des Vorschlagsrechts der übrigen Befugten Die übrigen Personen, die zur Einreichung eines Zwangsausgleichsvorschlags berechtigt sind, dürfen ihren Vorschlag schon wesentlich früher einreichen als der Schuldner. Der Vorschlag darf gem. Art. 124 I LF eingebracht werden, sobald es die Buchungsunterlagen und die weiteren verfügbaren Kenntnisse dem Masseverwalter ermöglichen, eine vorläufige Auf682 Santangeli-Allegritti, Art. 124, Anm. 2, S. 602; Jorio-Stanghellini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 124, Anm. 2.3, S. 1950; De Crescienzo/Mattei/Panzani, La riforma organica delle procedure concorsuali, S. 138. 683 Jorio-Stanghellini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 124, Anm. 2.3, S. 1951. 684 Santangeli-Allegritti, Art. 124, Anm. 2, S. 602.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
stellung der Gläubiger des Gemeinschuldners zu errichten, die dem beauftragten Richter zur Genehmigung vorgelegt werden kann. Ist diese Voraussetzung erfüllt, spielt es keine Rolle, ob der Beschluss, mit dem der Schuldenstand gem. Art. 96 LF nach der Erstellung des Gläubigerverzeichnisses und der Prüfung der angemeldeten Forderungen für vollstreckbar erklärt wird, im Zeitpunkt des Vorschlags bereits ergangen ist. Ein Stichtag, bis zu dem der Vorschlag spätestens vorliegen muss, ist nicht vorgesehen. dd) Konsequenzen (1) Rechtslage bis zum 01.01.2008 Wie bereits dargelegt,685 soll die Sperrfrist des Art. 124 I LF aus der Sicht des Schuldners einen Anreiz darstellen, rechtzeitig das Ausgleichsverfahren zur Erzielung einer Einigung mit den Gläubigern zu nutzen. Da der Ausgleich und der Zwangsausgleich beinahe identische Gestaltungsmöglichkeiten bieten, wäre der Ausgleich unattraktiv, wenn der Schuldner sofort nach der Eröffnung des Konkursverfahrens durch den Zwangsausgleich dieselbe Lösung erreichen könnte wie durch den Ausgleich, aber auf einem einfacheren Weg.686 (Zu den Vereinfachungen im Zwangsausgleichsverfahren gegenüber dem Ausgleichsverfahren wegen der unterschiedlichen Abstimmungsregeln später.687) Eine Sperrfrist ist deswegen notwendig und sinnvoll. Im Hinblick auf die bis zum 01.01.2008 maßgebliche sechsmonatige Sperrfrist wurde jedoch befürchtet, dass die Frist des Art. 124 I LF zu kurz bemessen sei.688 Sie erziele deswegen nicht den gewünschten Effekt, sondern führe im Gegenteil zu einer Vermeidung des Ausgleichsverfahrens. Diese Vermeidungsstrategie sei das Ergebnis eines Zusammenwirkens von verschiedenen Faktoren:689 Gerade wenn ein dem Konkurs voran gegangener Ausgleich gescheitert sei, stünden typischerweise schon unmittelbar nach Eröffnung des Konkursverfahrens ausreichend Informationen zur Verfügung, um die Errichtung eines vorläufigen Gläubigerverzeichnisses gem. Art. 124 I LF zu erlauben. Das habe zur Folge, dass die Gläubiger oder Dritte nach einem gescheiterten Ausgleichsversuch sofort nach der Konkurseröffnung einen Zwangsausgleichsvorschlag einbringen könnten, wäh685
Siehe oben unter C.II.1.b)bb)(1), S. 209 f. Jorio-Stanghellini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 124, Anm. 2.3, S. 1951. 687 Siehe unten unter C.II.2, S. 213 f. 688 Jorio-Stanghellini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 124, Anm. 2.3, S. 1951; Santangeli-Allegritti, Art. 124, Anm. 2, S. 602. 689 Die folgende Argumentation ist angelehnt an Jorio-Stanghellini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 124, Anm. 2.3, S. 1951, 1957. 686
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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rend dem Schuldner in den ersten sechs Monaten des Verfahrens die Hände gebunden seien. Es sei zu erwarten, dass der Schuldner aus dieser Sachlage die Konsequenz ziehe, keinen Ausgleichsversuch zu wagen. Denn dank des Verzichts auf den Ausgleich bleibe dem Schuldner das Risiko erspart, im Augleichsverfahren Informationen preiszugeben, die im Anschlusskonkurs die Gläubiger oder einen Dritten zur sofortigen Einbringung eines Zwangsausgleichsvorschlags befähigen würden. Stünden die für die Erstellung des Gläubigerverzeichnisses notwendigen Informationen nicht schon wegen des voran gegangenen Ausgleichsverfahrens zur Verfügung, nehme die Ermittlung dieser Informationen die ersten Monate des Konkursverfahrens in Anspruch. Der Schuldner könne dann in Ruhe den Ablauf der Sperrfrist abwarten, um anschließend nach sechs Monaten selbst einen Einigungsvorschlag einzubringen, ohne dass ihm die Gläubiger zuvorkommen könnten. Die Kombination aus der verhältnismäßig kurzen Sperrfrist und der frühzeitigen Möglichkeit der Gläubiger und eines etwaigen Dritten, einen Zwangsausgleichvorschlag einzubringen, führe also letztlich dazu, dass der Schuldner das Ausgleichsverfahren vermeide. In der derzeitigen Ausgestaltung sei die Sperrfrist kontraproduktiv und müsse deswegen verlängert werden. Dem ist zuzustimmen. Schon die Verlängerung der Wartefrist auf ein Jahr könnte den Schuldner davon abhalten, tatenlos den Konkurs abzuwarten, um dann einen (für den Schuldner) vorteilhaften Zwangsausgleichvorschlag einzubringen. Die in einem Entwurf des Justizministeriums ursprünglich vorgesehene Zeitspanne von einem Jahr erscheint also angemessen und hätte deswegen in die Endfassung des Gesetzes übernommen werden sollen.690 (2) Rechtslage seit dem 01.01.2008 Tatsächlich hat sich der Gesetzgeber bei der Abfassung des decreto correttivo schließlich auf die ursprünglich vorgesehene Jahresfrist besonnen und die Wartefrist nunmehr auf ein Jahr verlängert. Diese Änderung ist aus den bereits beschriebenen Gründen zu begrüßen. c) Zulässiger Inhalt Der Zwangsausgleichsvorschlag muss nicht nur von einem Befugten zur rechten Zeit eingebracht werden, sondern er muss zudem einen gem. Art. 124 LF zulässigen Inhalt aufweisen. Es wurde bereits angedeutet, dass 690 Ebenso Jorio-Stanghellini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 124, Anm. 2.3, S. 1951 Fn. 8.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
der Zwangsausgleich und der Ausgleich annähernd übereinstimmende Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Insbesondere kann der Zwangsausgleich ebenso wie der Ausgleich dazu genutzt werden, die Fortführung des Unternehmens sicherzustellen.691 Tatsächlich sind Art. 124 II LF und Art. 160 I LF, in denen es jeweils um den möglichen Inhalt des Vorschlags geht, mit einer relevanten Einschränkung wortgleich. Diese Einschränkungen liegt darin, dass eine dem Art. 160 I b) LF entsprechende Vorschrift, die die Zuweisung der Tätigkeiten an einen Übernehmer erlaubt, in Art. 124 II LF fehlt. Außerdem ist die Reihenfolge der einzelnen Regelungen in Art. 124 II LF gegenüber Art. 160 I LF vertauscht, was aber am Sinngehalt nichts ändert. Über diesen im Verhältnis zu Art. 160 I LF identischen Teil hinaus enthält Art. 124 LF noch Regelungen über die Abtretung der Konkursmasse an einen Dritten, nämlich in Art. 124 IV LF, und über die teilweise Befriedigung von privilegierten Gläubigern, nämlich in Art. 124 III. (Eine solche Regelung ist seit dem 01.01.2008 allerdings auch in Art. 160 LF enthalten.) Soweit Art. 124 II LF und Art. 160 I LF übereinstimmen, wird auf die Ausführungen zum möglichen Inhalt des Ausgleichs verwiesen. Im Übrigen folgen kurze Ausführungen zur Abtretung der Konkursmasse an einen Dritten und zur teilweisen Befriedigung privilegierter Gläubiger. Wird der Zwangsausgleichsvorschlag von einem Dritten eingebracht, kann der Vorschlag nicht nur die schon aus dem Ausgleichsverfahren bekannte Abtretung von Gütern vorsehen, sondern auch die Abtretung der der Masse zustehenden Klagsansprüche692. Letztere müssen gem. Art. 124 IV 1, 2. Hs. LF vom beauftragten Richter unter genauer Angabe des Inhalts und des Rechtsgrundes des Anspruchs genehmigt worden sein. Mit der Abtretung der Konkursmasse an den Dritten übernimmt dieser (sog. terzo assuntore) das Liquidationsrisiko, indem er sich – gegebenenfalls gemeinschaftlich mit dem Schuldner – verpflichtet, den Zwangsausgleich zu erfüllen und indem er auf eigene Rechnung die Liquidation durchführt.693 Auch wenn der terzo assuntore infolge der Übernahme der Konkursmasse und der Ausgleichsverpflichtungen in gewisser Weise die Stellung des Schuldners übernimmt, kann er doch im Gegensatz zum Schuldner seine Haftung aus 691
Caiafa, Nuovo diritto, S. 488. Die Übersetzung „Klagsansprüche“ (azioni di pertinenza della massa) stammt aus der zweisprachigen Gesetzesausgabe von Bauer/König/Kreuzer. Gemeint ist das Recht, klageweise Ansprüche geltend zu machen, die der Masse zustehen, beispielsweise durch eine Anfechtungsklage. Dieses Klagerecht steht sonst dem Verwalter zu, Tedeschi, Manuale del nuovo diritto fallimentare, S. 489. 693 Fiale, Diritto fallimentare, S. 277; zur Figur des Übernehmers (assuntore) siehe auch Caiafa, Nuovo diritto, S. 492 ff.; Jorio-Stanghellini, Il nuovo diritto fallimentare, Art. 124, Anm. 2.8, S. 1959, Anm. 4, S. 1985. 692
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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dem Zwangsausgleich beschränken. Dem Dritten ist es nämlich gem. Art. 124 IV 2 LF erlaubt, die mit dem Zwangsausgleich übernommenen Verpflichtungen auf die zum Schuldenstand auch nur vorläufig zugelassenen Gläubiger und auf jene einzuschränken, die zum Zeitpunkt des Vorschlags gegen den Schuldenstand Widerspruch erhoben oder eine verspätete Forderungsanmeldung eingebracht haben. Für die Befriedigung der übrigen Gläubiger, beispielsweise solcher, die ihre Forderungen nicht zum Schuldenstand angemeldet haben, ist dann allein der Schuldner gem. Art. 124 IV 3 LF verantwortlich. Die Haftung des Schuldners ist lediglich für den Fall ausgeschlossen, dass der Schuldner gem. Art. 142 LF ff entschuldet worden ist, was aber nur bei einer natürlichen Person in Betracht kommt. Die im Zusammenhang mit dem Ausgleich bis zu einer Klarstellung durch das decreto correttivo viel diskutierte Frage nach der Zulässigkeit einer teilweisen Befriedigung von privilegierten Gläubigern stellt sich im Zusammenhang mit dem Zwangausgleich nicht. Art. 124 III LF bestimmt nämlich ausdrücklich und eindeutig, dass der Vorschlag vorsehen kann, dass Gläubiger, die mit einem Recht der vorzugsweisen Befriedigung ausgestattet sind, nicht zur Gänze befriedigt werden. Die nach der alten Rechtslage bestehende Pflicht zur vollständigen Befriedigung der privilegierten Gläubiger wurde also aufgehoben.694 Die teilweise Befriedigung ist allerdings gem. Art. 124 III 1 LF nur dann zulässig, wenn die im Plan vorgesehene Befriedigung nicht geringer ist als jene, die in Anbetracht der bevorzugten Stellung im Falle eines Verkaufs aus dem Erlös erzielt werden könnte. Bei der Ermittlung dieses Wertes ist der Marktwert der zu verkaufenden Sache zu berücksichtigen, der von einem gerichtlich bestellten Experten i. S. d. Art. 67 II d) LF (z. B. Buchprüfer) angegeben worden ist, Art. 124 III 1 LF. 2. Annahme des Zwangsausgleichs Ist der Vorschlag von einem Befugten zur rechten Zeit mit einem zulässigen Inhalt beim beauftragten Richter eingereicht worden, holt dieser gem. Art. 125 I, II LF die Stellungnahme des Gläubigerausschusses695 und des Masseverwalters ein, und zwar insbesondere zu den wahrscheinlichen Ergebnissen der Verwertung. Danach sowie gegebenenfalls nach einer gerichtlichen Überprüfung der korrekten Klassenbildung wird der Vorschlag den Gläubigern mitgeteilt, die zugleich zur Abstimmung über den Vorschlag aufgerufen werden. Für die Annahme des Zwangsausgleichs gem. Art. 128 694
Zur alten Rechtslage Fiale, Diritto fallimentare, S. 275. Der Zwangsausgleichsvorschlag ist nur annahmefähig, wenn die Stellungnahme des Gläubigerausschusses positiv ausfällt. 695
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
LF gelten dieselben Mehrheitserfordernisse wie für die Annahme des Ausgleichs gem. Art. 177 LF. Trotzdem erfolgt die Annahme des Zwangsausgleichs unter vereinfachten Bedingungen, nämlich dank einer Zustimmungsfiktion: Nach Art. 128 II werden Gläubiger, die ihre Ablehnung nicht in der vom beauftragten Richter festgesetzten Frist erklärt haben, für zustimmend gehalten. Die Erklärungsfrist kann gem. Art. 125 II 2 LF zwischen zwanzig und dreißig Tagen betragen. Wird der Ausgleich mit der erforderlichen Mehrheit angenommen und werden innerhalb einer vom Richter gem. Art. 129 LF bestimmten Frist keine Widersprüche erhoben, bestätigt der Richter den Ausgleich. Ebenso verfährt er, wenn die fehlende Erreichung der notwendigen Mehrheit wegen des Obstruktionsverbots gem. Art. 129 V 2 LF unbeachtlich ist. Die Formulierung des Art. 129 V 2 LF stimmt mit der des Art. 180 IV 2 LF überein, so dass Blockadeverhalten im Zwangsausgleichsverfahren unter denselben Voraussetzungen überwunden werden kann wie im Ausgleichsverfahren. Es wird deswegen auf die entsprechenden Ausführungen zum Ausgleichsverfahren verwiesen.696 3. Wirkungen des Zwangsausgleichs Der bestätigte Zwangsausgleich löst verschiedene Wirkungen aus: Zum einen bindet er gem. Art. 135 I LF sämtliche Gläubiger, die vor der Konkurseröffnung vorhanden waren. Zum anderen verpflichtet er den Konkursschuldner oder den Dritten, der an Stelle des Schuldners die Ausgleichsverpflichtungen übernommen hat. Schließlich führt die rechtskräftige Bestätigung des Zwangsausgleichs gem. Art. 130 II LF zur Aufhebung des Konkurses, die ihrerseits verschiedene Effekte nach sich zieht:697 Mit der Aufhebung des Konkurses erhält der Schuldner die Güter zurück, die nicht auf den Dritten übertragen wurden und die nicht an den Zwangsausgleich gebunden sind. Zugleich geht gem. Art. 120 I LF auch die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis, die dem Schuldner gem. Art. 42 LF mit der Konkurseröffnung entzogen wurde, wieder auf den Schuldner über. Dasselbe gilt für die prozessuale Aktiv- und Passivlegitimation. Besteht eine Differenz zwischen der Gesamthöhe der Schulden und der gemäß dem Zwangsausgleich zu zahlenden Quote, wird der Schuldner in Höhe der Differenz von seiner Schuld befreit. Die Gläubiger werden – wie bereits erwähnt – durch den Zwangsausgleich gebunden, sie können aber auch nach dem Abschluss des Zwangs696
Siehe oben unter C.I.1.f), S. 130 ff. Siehe die Übersichten über die Wirkungen der Konkursaufhebung bei Fiale, Diritto fallimentare, S. 286; Tedeschi, Manuale del nuovo diritto fallimentare, S. 485 f. 697
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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ausgleichs und der Aufhebung des Konkurses noch gem. Art. 135 II LF gegen die Mitverpflichteten des Schuldners, dessen Bürgen und die Regresspflichtigen vorgehen. 4. Erfolgsfaktoren Insbesondere im Zusammenhang mit dem Ausgleichsverfahren ist bereits untersucht worden, inwiefern die italienische Rechtsordnung verschiedene Faktoren, die die Erhaltung eines insolventen Unternehmens begünstigen, bei der Regelung zerschlagungsabwendender Verfahren berücksichtigt. Unter derselben Fragestellung soll auch das Zwangsausgleichsverfahren betrachtet werden. Dabei wird wegen der starken Ähnlichkeit zwischen dem Zwangsausgleich und dem Ausgleich häufig auf die entsprechenden Ausführungen zum Ausgleichsverfahren verwiesen werden können. Was den Erfolgfaktor „Niedrige Zugangsschwelle“ angeht, gilt das zum Ausgleichsverfahren Gesagte698 mit dem einzigen Unterschied, dass der Zwangsausgleich nicht schon beim Vorliegen eines Krisenzustandes unterhalb der Insolvenzschwelle zulässig ist. Der Erfolgsfaktor „Senkung der Hemmschwelle des Schuldners, das Verfahren einzuleiten“, spielt im Zwangsausgleichsverfahren keine Rolle. Denn es kommt für die Vereinbarung eines Zwangsausgleichs nicht auf die Initiative des Schuldners an – ebenso kann ein Gläubiger oder ein Dritter gem. Art. 124 I LF einen Zwangsausgleich anregen. Auch das Konkursverfahren, in dessen Rahmen das Zwangsausgleichsverfahren eingebettet ist, ist gem. Art. 6 I LF nicht von der Initiative des Schuldners abhängig. Dieser würde wohl kaum ohne Zwang ein Verfahren einleiten, in dessen Verlauf ihm die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen entzogen wird (Art. 42 I LF). Immerhin ist der Konkurs seit der Reform nicht mehr mit persönlichen Sanktionen für den Schuldner verbunden. Auch der Erfolgsfaktor „Nutzung der besonderen Sachkunde des Schuldners“ bleibt im Zwangsausgleichsverfahren unberücksichtigt, weil der Schuldner nach Eröffnung des Konkursverfahrens gem. Art. 42 I LF nicht mehr an der Leitung seines Unternehmens beteiligt ist. Was den Erfolgsfaktor „Maßvolle Anforderungen an die Annahme des Vorschlags“ angeht, gilt das zum Ausgleichsverfahren Gesagte699 mit der Einschränkung, dass die Annahme im Zwangsausgleichsverfahren wegen der Zustimmungsfiktion gem. Art. 128 II LF sogar unter vereinfachten Bedingungen herbeigeführt werden kann. 698 699
Siehe oben unter C.I.1.b), S. 102 ff. Siehe oben unter C.I.1.e), S. 127 ff.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
Im Hinblick auf den Erfolgsfaktor „Überwindung von Blockadeverhalten“ kann in vollem Umfang auf die entsprechenden Ausführungen zum Ausgleichsverfahren verwiesen werden.700 Hinsichtlich des Erfolgsfaktors „Umfassende Kontrollbefugnisse des Gerichts“ stellt sich die Sachlage ebenfalls im Wesentlichen so dar wie im Ausgleichsverfahren, d. h. dem Gericht obliegt in der Regel nur die Kontrolle des Vorschlags auf die Einhaltung formeller Kriterien. In der Sache wird der Vorschlag lediglich geprüft, wenn das Gericht eine cram-downEntscheidung gem. Art. 129 V 2 LF treffen muss.701 Die Auswahl des Verwalters erfolgt wegen des Verweises in Art. 163 II Nr. 3 LF auf Art. 28 LF im Ausgleichsverfahren nach denselben Kriterien wie im Zwangsausgleichsverfahren. Deswegen wird im Bezug auf den Erfolgsfaktor „Auswahl eines fähigen und anerkannten Verwalters“ auf die entsprechenden Ausführungen zum Ausgleichsverfahren verwiesen.702 Wegen der insofern identischen Formulierung von Art. 160 I LF und Art. 124 II LF ist die übertragende Sanierung im Zwangsausgleichsverfahren ebenso möglich wie im Ausgleichsverfahren, und zwar wiederum als „anderes außerordentliches Geschäft“ oder als „Abtretung von Sachen“. Insofern gilt das zur übertragenden Sanierung im Ausgleichsverfahren Gesagte.703 Allerdings bietet es sich nicht an, eine übertragende Sanierung zum Gegenstand eines Zwangsausgleichs zu machen. Denn die übertragende Sanierung ist auch außerhalb eines Zwangausgleichs im Regelkonkursverfahren möglich. In diesem Zusammenhang stellt die übertragende Sanierung sogar die vorrangige Verwertungsvariante dar. Denn eine Verwertung des Unternehmens durch den Verkauf einzelner Vermögensgegenstände wird gem. Art. 105 I LF nur angeordnet, wenn der Verkauf des gesamten Betriebes im Ganzen keine höhere Befriedigung der Gläubiger verspricht. Art. 105 VII LF nennt sogar ausdrücklich die Möglichkeit, den Betrieb, einen Betriebszweig, Sachen oder Forderungen samt den diesbezüglichen diesbezüglichen laufenden Vertragsverhältnissen in eine oder mehrere Gesellschaften einzubringen, die gegebenenfalls erst neu gegründet werden müssen. Wird der Betrieb auf einen Erwerber übertragen, können der Masseverwalter, der Erwerber und Arbeitnehmervertreter gem. Art. 105 III LF im Rahmen der Beratungen mit den Gewerkschaften eine bloß teilweise Übernahme der Arbeitnehmer durch den Erwerber sowie weitere Änderun700
Siehe oben unter C.I.1.f), S. 130 ff. Tedeschi, Manuale del nuovo diritto fallimentare, S. 496; Fiale, Diritto fallimentare, S. 280 f., 283. 702 Siehe oben unter C.I.1.k), S. 153 ff. 703 Siehe oben unter C.I.1.m), S. 162 ff. 701
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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gen des Arbeitsverhältnisses vereinbaren. Diese Vorgehensweise ist bereits aus Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 bekannt. Da es sich beim italienischen Regelkonkursverfahren um ein Konkursverfahren i. S. d. Art. 5 I der Richtlinie 2001/23/EG handelt, ist die von Art. 105 III LF normierte Abweichung von den Arbeitnehmerschutzregeln des Art. 2112 cc richtlinienkonform. Ergänzend wird auf die Ausführungen zur Rechtmäßigkeit des Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 verwiesen.704 Bei der Übertragung des Betriebes im Regelkonkursverfahren ist gem. Art. 105 IV LF die Haftung des Erwerbers für Schulden, die vor der Übertragung entstanden sind und die Geschäftstätigkeit der abgetretenen Betriebe betreffen, ausgeschlossen. Wegen der beschriebenen umfänglichen Regelung der übertragenden Sanierung im Konkursverfahren erscheint es angebracht, die übertragende Sanierung im Regelkonkursverfahren durchzuführen und auf den zusätzlichen zeitlichen und personellen Aufwand, den die Vereinbarung eines Zwangsausgleichs verursachen würde, zu verzichten.
III. Insolvenzverfahren eigener Art: Außerordentliche Verwaltung (amministrazione straordinaria) Es folgt ein Abriss über das Verfahren der außerordentlichen Verwaltung. Die außerordentliche Verwaltung (amministrazione straordinaria) stellt ein spezielles Insolvenzverfahren dar, mit dessen Hilfe die Zerschlagung großer Unternehmen mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung verhindert werden soll.705 Dem Verfahren der außerordentlichen Verwaltung wurde in jüngerer Vergangenheit zum Beispiel die Parmalat S.p.A. unterstellt. Eigens zur Bewältigung der Parmalat-Insolvenz wurde die gesetzliche Regelung der außerordentlichen Verwaltung in Abstimmung mit dem betroffenen Schuldnerunternehmen modifiziert, so dass nunmehr die Verfahrenseröffnung ohne Vorverfahren möglich ist.706 Dieses Beispiel zeigt, dass die Vorschriften über die amministrazione straordinaria teilweise stark einzelfallorientiert sind.707 704
Siehe oben unter C.I.1.m.cc)(5)(c), S. 175 ff. Correnti/Schulte-Frohlinde, ZInsO 2006, 1020 (1021). 706 Gesetzesverordnung (Decreto legge) vom 23.12.2003, Nr. 347, G. U. Nr. 298 vom 24. Dezember 2003 – sog. Decreto Parmalat, umgewandelt in ein Gesetz durch Legge di conversione vom 18.2.2004, Nr. 39 – sog. Legge Marzano, G. U. Nr. 42 vom 20. Februar 2004, geändert durch die Gesetze Nr. 166 vom 05.07.2004, G. U. Nr. 156 vom 6. Juli 2004 und Nr. 281 vom 29.11.2004. 707 Die Legge Marzano wurde beispielsweise später abgeändert durch Decreto legge Nr. 281 vom 29.11.2004, um die Anwendung der amministrazione straordinaria auf den Fall „Volare“ zu erlauben; dazu Frascaroli Santi, Crisi dell’impresa, S. 149; die Anpassung der Vorschriften an individuelle Bedürfnisse des Einzelfalls bemerkt auch Caiafa, Nuovo diritto, S. 599. 705
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
Wegen des beschriebenen Sondercharakters soll das Verfahren der amministrazione straordinaria nur am Rande Gegenstand dieser Untersuchung sein. 1. Entwicklung der amministrazione straordinaria Das Verfahren der amministrazione straordinaria wurde 1979 durch die sog. „Legge Prodi“708 eingeführt. Die genaue Bezeichnung des Verfahrens lautete amministrazione straordinaria delle grandi imprese in crisi, also außerordentliche Verwaltung der großen Unternehmen in der Krise. Die durch die Legge Prodi geschaffene Rechtslage stellte sich allerdings als unvereinbar mit dem europäischen Recht heraus, insbesondere im Hinblick auf wettbewerbs- und beihilferechtliche Vorschriften.709 Die Legge Prodi wurde daher im Jahr 1999 durch das Gesetz Nr. 270/1999 abgelöst.710 Mit der neuen Regelung wurde das Verfahren in amministrazione straordinaria delle grandi imprese in stato di insolvenza umbenannt, also in außerordentliche Verwaltung der großen Unternehmen im Zustand der Insolvenz. Das Gesetz Nr. 270/1999 soll durch verschiedene Vorschriften die Vereinbarkeit der staatlich gelenkten Sanierung von Großunternehmen mit dem Gemeinschaftsrecht sicherstellen: So stellt Art. 55 des Gesetzes Nr. 270/1999 klar, dass staatliche Vergünstigungen, die nicht zu den von der Europäischen Kommission genehmigten Maßnahmen gehören, den europarechtlichen Anforderungen an staatliche Beihilfen zur Rettung und Restrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten genügen müssen. Art. 58 bestimmt zudem, dass die Frist zur ministeriellen Genehmigung des Sanierungsprogramms erst mit der Entscheidung der Europäischen Kommission beginnt, sofern das Programm genehmigungspflichtige Beihilfen vorsieht (Abs. 1) und dass der Verwalter ein neues Programm ausarbeiten muss, falls die Kommission die vorgesehenen Beihilfen nicht (rechtzeitig) genehmigt (Abs. 2). Art. 101 sieht schließlich vor, dass das Finanzministerium die Ausführungsbestimmungen für die Ge708
Decreto legge Nr. 26 vom 30.01.1979, umgewandelt in ein Gesetz durch die legge Nr. 95 vom 03.04.1979. 709 EuGH Slg. 1998, I-07907 ff. (RS. C-200/97), Unvereinbarkeit vor allem wegen der Gewährung von Vergünstigungen wie staatlichen Bürgschaften, einem verringerten Abgabensatz, Verzicht auf öffentliche Forderungen wie Geldbußen und andere Zwangsgelder; zur Rechtswidrigkeit der Legge Prodi siehe auch Caiafa, Nuovo diritto, S. 597 f.; Tedeschi, Manuale del nuovo diritto fallimentare, S. 617 sowie ausführlicher Montanari, Dir. fall. 1999, I, 346 ff.; Roberti, Gli aiuti di Stato nel diritto comunitario. 710 Decreto legislativo Nr. 270 vom 08.07.1999, G. U. Nr. 185 vom 09. August 1999, beruhend auf der legge delega Nr. 274 vom 30.07.1998, G. U. Nr. 186 vom 11. August 1998.
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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währung von staatlichen Bürgschaften an die europarechtlichen Beihilferegelungen anpasst. Trotzdem konnten die Widersprüche zwischen den EU-Beihilfevorschriften einerseits und den italienischen Vorschriften über staatlich gewährte Vergünstigungen im Rahmen der außerordentlichen Verwaltung andererseits nicht völlig beseitigt werden. Noch im März 2004 entschied die Europäische Kommission, dass die italienische Regelung über die Ermäßigung der Sozialversicherungsbeiträge beim Erwerb eines unter außerordentlicher Verwaltung stehenden Unternehmens rechtswidrig sei, so dass die Republik Italien die entsprechenden Vergünstigungen von den Begünstigten zurückfordern müsse.711 Mit dem bereits erwähnten712 „Decreto Parmalat“ bzw. der „Legge Marzano“ wurde wenige Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 270/1999 eine weitere Form der amministrazione straordinaria geschaffen, und zwar mit dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung.713 Die beiden Verfahrensarten (i. e. die alte „langsame“ und die neue „schnelle“ amministrazione straordinaria) bestehen nebeneinander fort, sie haben jedoch unterschiedliche Anwendungsbereiche. Nur ein kleiner Ausschnitt der Unternehmen, die nach dem Gesetz Nr. 270/1999 zur amministrazione straordinaria zuzulassen sind, erfüllt auch die strengen Zugangsvoraussetzungen nach der Legge Marzano. Trotzdem haben die beiden Gesetze einige Regelungen gemeinsam, denn Art. 8 der Legge Marzano bestimmt, dass die Normen des Gesetzes Nr. 270/1999 anzuwenden sind, soweit sich aus der Legge Marzano nichts anderes ergibt. Man spricht deswegen von der amministrazione straordinaria nach der Legge Marzano als ammininstrazione straordinaria speciale (spezielle außerordentliche Verwaltung), die auf der amministrazione straordinaria nach dem Gesetz Nr. 270/1999 als amministrazione straordinaria comune (gewöhnliche außerordentliche Verwaltung – scheinbar ein Widerspruch in sich) basiert.714 Die Legge Marzano wurde schließlich durch das Gesetz Nr. 281/2004715 geringfügig abgeändert, um die Anwendung der amministrazione straordina711
Pressemitteilung IP/04/405 der EU vom 30.03.2004, abzurufen unter http://europa.eu, im Bezug auf das Gesetzesdekret Nr. 14 vom 23.02.2003, umgewandelt durch das Gesetz Nr. 8 vom 17.04.2003. 712 Siehe oben, Fn. 706. 713 Siehe die Vorbemerkung zur Gesetzesverordnung Nr. 347 vom 23.12.2003, G. U. Nr. 298 vom 24. Dezember 2003, abgedruckt u. a. bei Caiafa, Nuovo diritto, S. 638. 714 Siehe zu den Bezeichnungen beispielhaft Tedeschi, Manuale del nuovo diritto fallimentare, S. 617, 670. 715 Decreto legislativo Nr. 281 vom 29.11.2004, umgewandelt durch das Gesetz Nr. 6 vom 28.01.2005, G. U. Nr. 22 vom 28. Januar 2005 – sog. Decreto Volare.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
ria speciale auf den Fall „Volare“ zu ermöglichen.716 Die Neufassung betrifft die Voraussetzungen für die Zulassung zum Verfahren, genauer gesagt die Ermittlung der erforderlichen Mitarbeiterzahl. 2. Die amministrazione straordinaria comune Da im Bereich der amministrazione straordinaria speciale vielfach auf die Regelungen der amministrazione straordinaria comune verwiesen wird, soll diese zuerst vorgestellt werden. a) Voraussetzungen für die Eröffnung des Verfahrens Damit ein Unternehmen zur sog. amministrazione straordinaria comune zugelassen werden kann, muss es gem. Art. 2 I des Gesetzes Nr. 270/1999 zunächst insolvenzfähig sein. Insolvenzfähig sind – wie bereits erläutert717 – Handelsunternehmer des Privatrechts, ausgenommen die ehemals als „Kleinunternehmer“ bezeichneten Unternehmer. Zudem muss das Unternehmen gem. Art. 2 I a) des Gesetzes Nr. 270/1999 seit wenigstens einem Jahr mindestens 200 Arbeitnehmer beschäftigen. Die gesamten Verbindlichkeiten des Unternehmens müssen sowohl mindestens zwei Drittel des gesamten Aktivvermögens als auch zwei Drittel der aus den Verkäufen und Leistungen im letzten Geschäftsjahr erzielten Erlöse betragen, Art. 2 I b) des Gesetzes Nr. 270/1999.718 Aus Art. 1 sowie aus den Art. 3–5 des Gesetzes Nr. 270/1999 ergibt sich, dass das Verfahren der außerordentlichen Verwaltung nur eröffnet werden kann, wenn das betroffene Unternehmen insolvent ist. Der hier zu Grunde gelegte Begriff der Insolvenz stimmt mit dem des Art. 5 LF überein.719 Insolvenz ist daher nach der Legaldefinition in Art. 5 LF anzunehmen, wenn der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, seinen Verpflichtungen regelmäßig nachzukommen. Schließlich verpflichtet Art. 27 I des Gesetzes Nr. 270/1999 das Unternehmen aufzuzeigen, dass im Hinblick auf die unternehmerischen Aktivitäten konkrete Aussichten auf die Wiedergewinnung des wirtschaftlichen Gleichgewichts bestehen. Das Unternehmen muss mit anderen Worten seine 716
Siehe Fn. 707. Siehe oben unter C.I.1.b)aa), S. 102 ff. 718 Übersetzung der Norm nach Einhaus, Die außerordentliche Verwaltung, S. 84. 719 Tedeschi, Manuale del nuovo diritto fallimentare, S. 620; Colesanti/PajardiPaluchowski, Art. 3, S. 1792; Alessi, L’amministrazione straordinaria, S. 15; Lo Cascio, Commentario, Art. 3, S. 52; Fabiani, Foro it. 2000, IV, 9 (24). 717
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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Sanierungsfähigkeit darlegen. Die Sanierung bzw. Wiedererlangung des wirtschaftlichen Gleichgewichts muss gem. Art. 27 II des Gesetzes Nr. 270/1999 wahlweise durch a) die Übertragung von Unternehmenseinheiten oder b) durch die wirtschaftlich-finanzielle Restrukturierung innerhalb von zwei Jahren erreichbar sein. b) Ziel und Ablauf des Verfahrens Warum die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens eine entscheidende Rolle spielt, ergibt sich aus Art. 1 des Gesetzes Nr. 270/1999, der das Ziel der amministrazione straordinaria normiert. In der genannten Vorschrift heißt es, die außerordentliche Verwaltung sei auf die Erhaltung des Betriebsvermögens gerichtet, und zwar durch die Fortführung, Wiederaufnahme oder Umwandlung der unternehmerischen Aktivitäten. Um dieses Ziel zu erreichen, wird nach der Prüfung der Voraussetzungen für die Eröffnung des Verfahrens („Diagnosephase“)720 ein Sanierungsprogramm entwickelt und umgesetzt (Planungs- und Durchführungsphase), wobei das schuldnerische Unternehmen durch eine Vollstreckungshemmung gem. Art. 48 des Gesetzes Nr. 270/1999 vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt ist. aa) Diagnosephase Befindet sich ein Unternehmen, das den Anforderungen aus Art. 2 des Gesetzes Nr. 270/1999 im Hinblick auf die Mitarbeiterzahl und den Schuldenstand genügt, im Zustand der Insolvenz, stellt das Insolvenzgericht gem. Art. 3 des Gesetzes Nr. 270/1999 auf Antrag des Schuldners, einer oder mehrerer Gläubiger, der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen den Insolvenzzustand durch Urteil fest. Dieser Entscheidung geht nicht nur eine Prüfung der Tatbestandsmerkmale des Art. 2 des Gesetzes Nr. 270/1999 auf der Grundlage der vom Schuldner gem. Art. 5 beigebrachten Unterlagen voraus, sondern gem. Art. 7 I des Gesetzes Nr. 270/1999 auch eine Anhörung des Schuldners, des Antragstellers (falls dieser vom Schuldner verschieden ist) und eines Vertreters des Industrieministers (Ministro dell’industria, del commercio e dell’artigianato – Minister der Industrie, des Handels und des Handwerks, kurz Industrieminister). Diese Anhörung soll insbesondere dem Schuldner Gelegenheit zur Verteidigung geben721 – wohl deswegen, weil der Schuldner im Falle der Eröffnung der amministrazione straordinaria die Befugnis zur Lenkung des Unternehmens verliert (Art. 40 720 721
Diesen Begriff verwendet Frascaroli, Crisi dell’impresa, S. 145. Tedeschi, Manuale del nuovo diritto fallimentare, S. 625.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
des Gesetzes Nr. 270/1999). Der Minister wird aufgefordert, bis zur Anhörung in Abhängigkeit von der Komplexität des Falles ein bis maximal drei „Justizkommissare“ (commissari giudiziali) zu benennen. Diese kommen nur zum Einsatz, falls es im Anschluss an die Anhörung zur Feststellung des Insolvenzzustandes kommt. Die Aufgabe der Kommissare besteht dann gem. Art. 28 des Gesetzes Nr. 270/1999 darin, innerhalb von dreißig Tagen nach der gerichtlichen Feststellung der Insolvenz einen Bericht zu verfassen, in dem die Gründe für die Insolvenz dargelegt und die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens gem. Art. 27 des Gesetzes Nr. 270/1999 beurteilt wird, damit das Gericht über die Eröffnung der außerordentlichen Verwaltung entscheiden kann. Der Bericht des Kommissars wird dem Industrieministerium zur Kenntnis zugestellt, Schuldner und Gläubiger dürfen ebenfalls Einsicht nehmen. Innerhalb von zehn Tagen nach Erhalt des Berichtes nimmt das Ministerium zu diesem Stellung, Art. 29 des Gesetzes Nr. 270/1999. Unter Berücksichtigung des Berichts, der Stellungnahme und anderen eingereichten Unterlagen trifft das Gericht schließlich die Entscheidung über die Eröffnung der amministrazione straordinaria. Die „Diagnosephase“ ist damit abgeschlossen und es beginnt die Planungs- und Durchführungsphase. (Das gilt zumindest, falls das Gericht positiv über die Eröffnung der amministrazione straordinaria entscheidet, anderenfalls wird von Amts wegen das Konkursverfahren eingeleitet.) Als Besonderheit ist hervorzuheben, dass die Unternehmen, die zu derselben Gruppe (siehe die Legaldefinition in Art. 80 des Gesetzes Nr. 270/ 1999) gehören wie das Unternehmen, das zur amministrazione controllata zugelassen wurde, unter erleichterten Bedingungen ebenfalls zugelassen werden können. Für die Zulassung der übrigen Unternehmen reicht es nämlich gem. Art. 81 des Gesetzes Nr. 270/1999 aus, dass die zur Gruppe gehörigen Unternehmen insolvenzfähig sind und sich im Zustand der Insolvenz befinden, eine bestimmte Mitarbeiterzahl und eine gewisse Höhe der Verbindlichkeiten sind also nicht erforderlich. Zudem müssen die Unternehmen konkrete Sanierungsperspektiven aufzeigen können, was jedoch entbehrlich ist, wenn die Zulassung der zur Gruppe gehörigen Unternehmen angebracht erscheint, weil die einheitliche Bewältigung der Insolvenz innerhalb der Unternehmensgruppe der Erreichung des Verfahrensziels zuträglich ist. bb) Planungs- und Durchführungsphase Die Planung der Sanierungsbemühungen und auch deren Durchführung obliegt im Wesentlichem dem „außerordentlichen Kommissar“ (commissario straordinario). Dieser entwickelt gem. Art. 54, 55 des Gesetzes Nr. 270/ 1999 überwacht durch das Industrieministerium ein Sanierungsprogramm,
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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das entsprechend den beiden Alternativen des Art. 27 entweder die Unternehmensübertragung oder eine Restrukturierung vorsieht. Das Programm enthält u. a. detaillierte Angaben dazu, welche Unternehmensaktivitäten fortgeführt und welche aufgegeben werden sollen und wie der Finanzbedarf des Unternehmens gedeckt werden kann. Nach der Genehmigung des Programms durch das Industrieministerium führt der Kommissar das Programm gem. Art. 61 des Gesetzes Nr. 270/1999 aus, wobei er als Amtsträger eigenständig die Unternehmensleitung und die Verwaltung der Güter gem. Art. 40 des Gesetzes Nr. 270/1999 übernimmt. Diese enorme Verantwortung des Kommissars rechtfertigt es, ihn als wichtigstes Organ im Verfahren der amministrazione straordinaria zu bezeichnen.722 Ebenso wie die Auswahl des Verwalters die „Schicksalsfrage des Konkurses“ ist, stellt daher die Auswahl des commissario straordinario die Schicksalsfrage der außerordentlichen Verwaltung dar. (1) Erfolgsfaktor: Auswahl eines fähigen und anerkannten „Verwalters“ Entsprechend der starken Stellung der Exekutive im Verfahren der außerordentlichen Verwaltung wird der außerordentliche Kommissar (bzw. werden bei besonderer Schwierigkeit des Falles die drei außerordentlichen Kommissare) gem. Art. 38 des Gesetzes Nr. 270/1999 nicht durch das Gericht ernannt, sondern durch den Industrieminister. Dem Insolvenzgericht wird der Ernennungsbeschluss lediglich informationshalber übersandt. Nach welchen Kriterien der außerordentliche Kommissar auszuwählen ist, ist nicht gesetzlich geregelt. Gemäß Art. 39 des Gesetzes Nr. 270/1999 legt der Industrieminister vielmehr selbst in Abstimmung mit dem Justizminister fest, welche Anforderungen an die Justizkommissare und an die außerordentlichen Kommissare im Hinblick auf ihre Professionalität und ihren Ruf zu stellen sind. (2) Einfluss der Gläubiger auf den Ablauf des Verfahrens Wiederum entsprechend der starken Stellung der Exekutive sind die Einflussmöglichkeiten der Gläubiger auf den Ablauf des Verfahrens gering. Die nichtbevorrechtigten Gläubiger stellen gem. Art. 45 I des Gesetzes Nr. 270/1999 ein Mitglied von dreien im Überwachungskomitee (comitato di sorveglianza). Dieses Komitee hat allein eine beratende Funktion. Es wird gehört, bevor das Ministerium über genehmigungspflichtige Akte des 722
Tedeschi, Manuale del nuovo diritto fallimentare, S. 641.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
commissario straordinario i. S. d. Art. 42 des Gesetzes Nr. 270/1999 entscheidet sowie bei jeder anderen Gelegenheit, bei der das Ministerium eine Anhörung für angebracht hält, Art. 46 I des Gesetzes Nr. 270/1999. Da das Komitee seine Beschlüsse mehrheitlich fasst, die nichtbevorrechtigten Gläubiger aber nur eine Minderheit der Komiteemitglieder stellen, kann sich der Repräsentant der nichtbevorrechtigten Gläubiger im Zweifel nicht durchsetzen. Die nichtbevorrechtigten Gläubiger haben also eine ausgeprägt schwache Stellung, weil aus ihrer Mitte nur ein Vertreter in das Überwachungskomitee gesandt wird, weil dieser eine Vertreter zudem durch den Industrieminister ausgewählt wird und weil schließlich das Komitee als solches keine nennenswerten Einflussmöglichkeiten hat. Die privilegierten Gläubiger haben sogar kein Vertretungsorgan. Tröstlich kann allenfalls sein, dass der commissario straordinario bei der Entwicklung des Sanierungsprogramms gem. Art. 55 des Gesetzes Nr. 270/1999 die Interessen der Gläubiger zu berücksichtigen hat. (3) Möglichkeit der übertragenden Sanierung Die schon aus anderen Verfahren bekannte Vorgehensweise der übertragenden Sanierung ist im Gesetz Nr. 270/1999 sogar ausdrücklich geregelt, nämlich in Art. 63. Dort findet sich auch eine Vorschrift zur Bewertung des Betriebsvermögens (Abs. 1). Demnach hat das Wertgutachten, das durch einen Sachverständigen erstellt wird, neben dem Wert des zu übertragenden Anlagevermögens auch die voraussichtliche Ertragsfähigkeit des Unternehmens zu berücksichtigen. Das gilt ausdrücklich auch für den Fall einer negativen Ertragsfähigkeit, so dass die während der Verfahrensdauer von maximal zwei Jahren zu erwartenden Verluste vom Wert des Unternehmens und somit auch vom Kaufpreis abgezogen werden können. Für den Erwerber ist diese Regelung doppelt vorteilhaft, denn er muss einerseits wegen des geminderten Kaufpreises die Anlauf- und Investitionskosten aus den ersten beiden Jahren nicht selbst tragen und er kann andererseits den bei der Wertermittlung zu berücksichtigen Verlust steuerlich als Verlustvortrag geltend machen. Diese Gestaltungsmöglichkeiten machen die Übernahme eines unter außerordentlicher Verwaltung stehenden Unternehmens attraktiv. (a) Erfolgsfaktor: Abbau von Personalüberhang Der Zuschnitt des zu übernehmenden Unternehmens auf die Bedürfnisse des Erwerbers kann gem. Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 geschehen, indem der außerordentliche Kommissar, der Erwerber und Arbeitnehmervertreter im Rahmen der Konsultation gem. Art. 47 des Gesetzes Nr. 428/
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1990 vereinbaren, dass nur ein Teil des Personal im Zuge des Betriebsübergangs übergeht. Wie bereits gezeigt, ist diese Beschränkung des Übergangs jedoch nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.723 Fraglich ist deswegen, welche Konsequenzen sich aus der Diskonformität des Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 mit dem europäischen Recht – insbesondere mit Art. 5 der Richtlinie 2001/23/EG – ergeben. (aa) Möglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung des Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 Aus dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts und dem in diesem enthaltenen Grundsatz der Gemeinschaftstreue (Art. 10 EG) in Verbindung mit dem Umsetzungsgebot (Art. 249 III EG) folgt die Verpflichtung der Gerichte der Mitgliedstaaten, die Übereinstimmung des nationalen Rechts mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen.724 Zu diesem Zweck hat jedes nationale Gericht die Auslegung innerstaatlichen Rechts so weit wie möglich am Wortlaut und am Zweck einschlägiger Richtlinien auszurichten.725 Möglicherweise lässt sich eine solche richtlinienkonforme Auslegung auch im Hinblick auf Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 vornehmen: Die genannte Norm gestattet den Parteien, einen bloß teilweisen Übergang der Beschäftigungsverhältnisse auf den Erwerber zu vereinbaren. Zulässig wäre gem. Art. 5 II b) der Richtlinie 2001/23/EG aber allenfalls eine Vereinbarung über Änderungen der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer. Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 müsste also richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass lediglich Änderungen der Arbeitsbedingungen im Rahmen des Betriebsübergangs vereinbart werden dürfen. Eine solche Auslegung würde jedoch den Wortlaut des Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 ignorieren und außerdem im Widerspruch zum erkennbaren Willen des Gesetzgebers stehen. Dieser hat nämlich in Art. 63 IV a. E. des Gesetzes Nr. 270/1999 die Möglichkeit, die Arbeitsbedingungen zu verändern, ausdrücklich aufgeführt und durch die zusätzliche Eröffnung der in Art. 63 IV, 1. Hs. genannten Möglichkeit klargestellt, dass er den Parteien eine über die Veränderung der Arbeitsbedingungen hinausgehende Vereinbarungsfreiheit 723
Siehe oben unter C.I.1.m)cc)(5)(c)(cc)(b), S. 177 ff. EuGH vom 10.04.1984 (von Colson und Kamann), Slg. 1984, I-1891 Rn. 26; vom 13.11.1990 (Marleasing), Slg. 1990, I-4135 (4156); vom 24.09.1998 (EvoBus Austria GmbH), Slg. 1998, I-5411 (5427)); BAG, Beschl. vom 18.02.2003, Az. 1 ABR 2/02, Rn. 66, veröffentlicht z. B. in BB 2003, 2071 ff.; ErfKo-Wißmann, Vor EG, Rn. 24. 725 EuGH vom 14.07.1994 (Faccini Dori), Slg. 1994, I-3347 (3357); vom 10.04.1984 (von Colson und Kamann), Slg. 1984, I-1891 Rn. 26; ErfKo-Wißmann, Vor EG, Rn. 24. 724
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
zugestehen möchte. Das Verbot, sich über den erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegzusetzen, beschränkt die Möglichkeiten der richtlinienkonformen Auslegung.726 Da vorliegend die Vereinbarkeit des Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 mit dem Gemeinschaftsrecht nicht hergestellt werden kann, ohne den erkennbaren Willen des Gesetzgebers zu verändern, muss eine richtlinienkonforme Auslegung scheitern. Eine richtlinienkonforme Auslegung des Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 ist also nicht möglich, soweit er den teilweisen Verbleib des Personals beim Veräußerer gestattet. (bb) Anwendbarkeit des Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 trotz Richtlinienwidrigkeit Es stellt sich folglich die Frage, ob Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 trotz seiner Richtlinienwidrigkeit in vollem Umfang angewendet werden darf oder ob die Richtlinie 2001/23/EG insoweit einen Anwendungsvorrang genießt. (a) Anwendbarkeit im Verhältnis zwischen privatem Arbeitgeber und Arbeitnehmer Der Anwendungsvorrang setzt eine unmittelbare Geltung und Wirkung des Gemeinschaftsrechts voraus.727 Richtlinien sind jedoch gem. Art. 249 III EG nicht auf eine unmittelbare Gestaltung der Rechtsordnung gerichtet, sondern sie verpflichten ihre Adressaten – nämlich die Mitgliedstaaten –, die nationale Rechtslage an die in der Richtlinie enthaltenen Vorgaben anzupassen. Nur ausnahmsweise entfalten Richtlinien unmittelbare Wirkung, so unter Umständen in Fällen fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Umsetzung in nationales Recht.728 Selbst dann beschränkt sich jedoch die unmittelbare Wirkung und der damit verbundende Anwendungsvorrang der Richtlinie auf das Verhältnis zwischen Bürger und Staat.729 Im Verhältnis 726 EuGH vom 04.07.2006 (Adeneler), AP Richtlinie 1999/70/EG Nr. 1, Rn. 110; BVerfGE 93, 37 (79 f.); ErfKo-Wißmann, Vor EG, Rn. 26. 727 BAG, Beschl. vom 18.02.2003, Az. 1 ABR 2/02, Rn. 85, veröffentlicht z. B. in BB 2003, 2071 ff.; ErfKo-Wißmann, Vor EG, Rn. 28. 728 Eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie zu Gunsten des Bürgers kann angenommen werden, wenn ein Mitgliedstaat eine Richtlinie nicht oder nicht ordnungsgemäß innerhalb der vorgesehenen Frist umgesetzt hat und wenn die betreffende Vorschrift eine inhaltlich hinreichend bestimmte und unbedingte Regelung enthält, EuGH vom 05.04.1979 (Ratti), Slg. 1979, 1629; vom 12.07.1990 (Foster), Slg. 1990, I-3313 (3343); vom 04.12.1997 (Kampelmann), Slg. 1997, I-6907. 729 EuGH vom 14.07.1994 (Faccini Dori), Slg. 1994, I-3325 (3347); EuGH vom 05.10.2004 (Pfeiffer), NZA 2004, 1145 ff.; BAG, Beschl. vom 18.02.2003, Az. 1
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zwischen einem privaten Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern kann die Richtlinie daher auch dann keine Rechte oder Pflichten begründen, wenn sie nicht oder nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt worden ist. Das Bundesarbeitsgericht, das die Anwendbarkeit von richtlinienwidrigen Normen des Arbeitszeitgesetzes zu beurteilen hatte, befand insofern unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH: „Liegen die Voraussetzungen für eine unmittelbare Wirkung der Richtline – wie stets im Verhältnis privater Personen – nicht vor, kommt ein Anwendungsvorrang der Richtlinie und die damit verbundende Unanwendbarkeit der entgegenstehenden nationalen Vorschrift nicht in Betracht. Einen solchen Mechanismus zur Eliminierung nationaler Vorschriften kennt das Gemeinschaftsrecht nicht.“730 Aus diesen Erwägungen folgt, dass Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 trotz seiner Richtlinienwidrigkeit im Verhältnis zwischen einem privaten Arbeitgeber und Arbeitnehmern anwendbar bleibt.731 (b) Anwendbarkeit im Verhältnis zwischen staatlichem Arbeitgeber und Arbeitnehmer Allenfalls im Verhältnis zwischen staatlichen Arbeitgebern und deren Arbeitnehmern kann eine Richtlinie unmittelbare Rechte und Pflichten erzeugen,732 so dass die Richtlinie 2001/23/EG einen Anwendungsvorrang vor Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 entfalten könnte. Da öffentliche Körperschaften wegen Art. 2 I des Gesetzes Nr. 270/1999 i. V. m. Art. 1 I a. E. LF allerdings der Zugang zum Verfahren der außerordentlichen Verwaltung verwehrt ist, ist Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 auf staatliche Arbeitgeber sowieso nicht anwendbar, sofern diese als öffentliche Körperschaften verfasst sind. Die Entscheidung über einen etwaigen Anwendungsvorrang erübrigt sich insofern. Lediglich für den Fall, dass ein staatlicher733 ArbeitABR 2/02, Rn. 82, veröffentlicht z. B. in BB 2003, 2071 ff.; ErfKo-Wißmann, Vor EG, Rn. 11 f., 13; Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, Rn. 102. 730 BAG, Beschl. vom 18.02.2003, Az. 1 ABR 2/02, Rn. 86, veröffentlicht z. B. in BB 2003, 2071 ff., unter Berufung auf EuGH vom 26.09.1996 (Arcaro), Slg. 1996, I-4705 (4719); ebenso ErfKo-Wißmann, Vor EG, Rn. 11 f. 731 Ebenso im Bezug auf Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990, auf den Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270 /1999 verweist: Cass., Urteil Nr. 4073 vom 21.03.2001, abgedruckt in Diritto e pratica del lavoro 2001, 2413 (2414), mit der Begründung, der Richtlinie komme keine horizontale Wirkung zwischen Privaten zu. 732 EuGH vom 08.10.1987 (Kolpinghuis Nijmegen), Slg. 1987, I-3969 (3986); ErfKo-Wißmann, Vor EG, Rn. 13 f. 733 Als „Staat“, demgegenüber eine Richtlinie unter bestimmten Voraussetzungen unmittelbare Wirkung entfaltet, sind nach der Rechtsprechung des EuGH nicht nur Gebietskörperschaften anzusehen. Vielmehr sind darunter alle Organisationen und Einrichtungen zu verstehen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
geber privatrechtlich organisiert ist – beispielsweise als privatrechtlicher Eigenbetrieb einer öffentlichen Körperschaft – wird die oben aufgeworfene Frage nach dem Anwendungsvorrang relevant. In diesem Fall wäre Art. 5 II der Richtlinie 2001/23/EG, der wegen seiner inhaltlich bestimmten und unbedingten Formulierung die Voraussetzungen erfüllt, um unmittelbare Wirkung zu entfalten, vorrangig vor Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 anzuwenden. (cc) Ergebnis Dem privaten Arbeitgeber stehen folglich mehrere Möglichkeiten offen, im Verfahren der amministrazione straordinaria den notwendigen Personalabbau durchzuführen: Der Erwerber kann gem. Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 in richtlinienwidriger Weise im Rahmen eines gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahrens einen bloß teilweisen Übergang der Arbeitsverhältnisse erwirken, weil sich die Arbeitnehmer gegenüber dem privaten Arbeitgeber nicht auf die Geltung der Richtlinie 2001/23/EG berufen können. Alternativ kann der Arbeitgeber auf die Möglichkeit der Kündigung auf der Grundlage eines Erwerberkonzepts zurückgreifen.734 (b) Erfolgsfaktor: Ausschluss der Haftung für Altverbindlichkeiten Die Haftung des Erwerbers für Verbindlichkeiten, die durch das Betreiben des Betriebes vor dem Übergang entstanden sind, ist gem. Art. 63 V des Gesetzes Nr. 270/1999 ausgeschlossen. (4) Erfolgsfaktor: Frisches Kapital Die Frage nach der vorrangigen Befriedigung von Sanierungskrediten lässt sich im Zusammenhang mit der außerordentlichen Verwaltung leicht beantworten: Die Verbindlichkeiten, die wegen der Fortführung des Unternehmens entstanden sind, sind sämtlich gem. Art. 111 I LF vorrangig zu befriedigen. Das bestimmt Art. 20 des Gesetzes Nr. 270/1999 hinsichtlich der Verbindlichkeiten, die nach der Feststellung des Insolvenzzustandes entstanden sind und Art. 52 des Gesetzes Nr. 270/1999 hinsichtlich solcher die mit besonderen Rechten ausgestattet sind, welche über diejenigen hinausgehen, die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten, EuGH vom 12.07.1990 (Foster), Slg. 1990I- 3313 (3343, 3347 f.); das Beispiel der Eigenbetriebe öffentlicher Körperschaften nennt ErfKo-Wißmann, Vor EG, Rn. 14 unter Berufung auf EuGH vom 07.09.2006 (Marrosu), NZA 2006, 1265 (1266). 734 Dazu siehe oben unter C.I.1.m)cc)(3), S. 168 f.
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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Verbindlichkeiten, die nach der Eröffnung der amministrazione straordinaria entstanden sind. Sanierungskredite dienen dazu, die Fortführung des Unternehmens zu finanzieren. Verbindlichkeiten aus solchen Krediten entstehen daher wegen der Fortführung des Unternehmens und sind insofern gem. Art. 20 bzw. 52 des Gesetzes Nr. 270/1999 i. V. m. Art. 111 I LF vorrangig zu befriedigen. 3. Die amministrazione straordinaria speciale Während die amministrazione straordinaria comune auch mittelgroßen Unternehmen (ab 200 Beschäftigten) offen steht, ist die amministrazione straordinaria speciale nur für Großinsolvenzen gedacht, die sich erheblich auf die italienische Wirtschaft, insbesondere auf den Arbeitsmarkt, auswirken können. a) Voraussetzungen für die Zulassung zum Verfahren In welchen Dimensionen sich die Anzahl der bedrohten Arbeitsplätze und die Höhe der offenen Verbindlichkeiten bewegen müssen, zeigt Art. 1 der Legge Marzano: Demnach kann ein insolvenzfähiges Unternehmen, das sich im Zustand der Insolvenz befindet, zum Verfahren zugelassen werden, wenn es seit mindestens einem Jahr nicht weniger als 500 Arbeitnehmer beschäftigt und sich seine Schulden auf nicht weniger als 300 Millionen Euro belaufen. Seit der Änderung durch das Gesetz Nr. 281/2004 reicht es bereits aus, wenn die zum Verfahren der außerordentlichen Verwaltung zuzulassenden Unternehmen als Gruppe735 die beiden Kriterien erfüllen. Das betreffende Unternehmen bzw. die Unternehmensgruppe muss beabsichtigen, sich einer wirtschaftlich-finanziellen Restrukturierung i. S. d. Art 27 II b) des Gesetzes Nr. 270/1999 zu unterziehen, denn diese ist als vorrangiges Mittel zur Wiedergewinnung des wirtschaftlichen Gleichgewichts im Verfahren der amministrazione straordinaria speciale vorgesehen. b) Unterschiede im Vergleich zur amministrazione straordinaria comune Die amministrazione straordinaria speciale unterscheidet sich von ihrem „gewöhnlichen“ Pendant sowohl im Hinblick auf den Ablauf des Verfahrens als auch im Hinblick auf dessen Inhalt. Hinsichtlich des Ablaufs ist vor allem zu bemerken, dass vor der Zulassung zur amministrazione straordinaria 735
Diese Gruppe muss seit mindestens einem Jahr bestehen.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
speciale kein Vorverfahren durchlaufen werden muss, die Diagnosephase fehlt also. Stattdessen wird das Unternehmen, nachdem es beim Minister für Produktionsaktivitäten (ministro delle attività produttive) die Eröffnung des Verfahrens beantragt hat und zugleich beim Insolvenzgericht einen Antrag auf Feststellung des Insolvenzzustandes gestellt hat, bei Vorliegen der Voraussetzungen aus Art. 1 der Legge Marzano sofort vom Minister per Beschluss zum Verfahren zugelassen. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass zu den Voraussetzungen für die Zulassung zum Verfahren – anders als bei der amministrazione straordinaria comune – nicht die Darlegung der Sanierungsfähigkeit gehört. Zugleich mit der Verfahrenseröffnung benennt der Minister den außerordentlichen Kommissar gem. Art. 2 II der Legge Marzano. Sollte das Gericht nach dem Eröffnungsbeschluss des Ministers feststellen, dass kein Insolvenzzustand gegeben ist, verliert der Beschluss des Ministers seine Wirkung, doch bleiben die rechtmäßig durchgeführten Akte der Verfahrensorgane wirksam, Art. 4 I-bis der Legge Marzano. Wie schon aus dem Verfahren der amministrazione straordinaria comune bekannt, ist der commissario straordinario für die Entwicklung eines Sanierungsprogramms zuständig. Dieses sieht jedoch im Unterschied zur amministrazione straordinaria comune gem. Art. 4 II der Legge Marzano vorrangig eine Restrukturierung i. S. d. Art. 27 II b) des Gesetzes Nr. 270/1999 vor und nur bei fehlender Genehmigung des Restrukturierungsprogramms durch den Minister kann die Übertragung des Unternehmens gem. Art. 27 II a) des Gesetzes Nr. 270/1999 in Betracht gezogen werden. Für die Entwicklung des Programms hat der außerordentliche Kommissar drei Mal so viel Zeit wie bei der amministrazione straordinaria comune – nämlich 180 Tage ab dem Ernennungsbeschluss. Das Restrukturierungsprogramm kann gem. Art. 4-bis der Legge Marzano vorsehen, dass die Gläubiger im Rahmen eines Vergleichs befriedigt werden, dessen Konditionen und gegebenenfalls zu gewährende Sicherheiten vom außerordentlichen Kommissar im Detail beschrieben werden. Der mögliche Inhalt des Vergleichs ist im Wesentlichen derselbe wie beim Ausgleich,736 so dass er hier nur stichwortartig angedeutet werden soll: Einteilung der Gläubiger in Klassen, unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Klassen angehörigen Gläubiger, die Restrukturierung der Verbindlichkeiten und die Befriedigung der Gläubiger in jeder Form, u. a. durch einen (nicht ausdrücklich so bezeichneten) Debt-equity-swap sowie die Zuweisung der Tätigkeiten des/der Unternehmen(s) an einen Übernehmer. Mehrere Unternehmen aus derselben Unternehmensgruppe können ihm Rahmen des Vergleichs einheitlich behandelt werden, die Insolvenzmassen der einzelnen Unternehmen werden jedoch getrennt voneinander betrachtet, Art. 4-bis II der Legge Marzano. Die 736
Zum möglichen Inhalt des Ausgleichs siehe oben unter C.I.1.a), S. 99 f.
C. Die zerschlagungsabwendenden Verfahren im Einzelnen
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Mehrheitserfordernisse bei der Abstimmung über den Vergleich sind ebenfalls dieselben wie beim Ausgleich. Insofern wird auf die voran gegangenen Ausführungen verwiesen.737 Dasselbe gilt für die Möglichkeit, taktische Blockaden zu überwinden (siehe das Obstruktionsverbot in Art. 4-bis IX der Legge Marzano), die bereits an anderer Stelle beschrieben worden ist.738 Das Instrument des Vergleichs gibt es auch in der gewöhnlichen außerordentlichen Verwaltung, doch ist es dort anders ausgestaltet: Nach Art. 78 I des Gesetzes Nr. 270/1999 kann das Industrieministerium den für insolvent erklärten Unternehmer oder einen Dritten ermächtigen, dem Insolvenzgericht einen Vergleich vorzuschlagen. Das Gericht entscheidet dann gem. Art. 78 III 1 des Gesetzes Nr. 270/1999 i. V. m. Art. 214 III 1 LF über die Genehmigung des Vergleichs. Eine Zustimmung der Gläubiger ist also nicht erforderlich; vor der Entscheidung über den Vergleich wird lediglich ein Vertreter der nichtbevorrechtigten Gläubiger im Rahmen der Anhörung des Überwachungskomitees gehört, Art. 78 I des Gesetzes Nr. 270/1999. 4. Verhältnis der amministrazione straordinaria zu anderen Insolvenzverfahren Abschließend soll kurz das Verhältnis der amministrazione straordinaria zu anderen Insolvenzverfahren erläutert werden. a) Verhältnis zum fallimento Die außerordentliche Verwaltung setzt ebenso wie der Konkurs (fallimento) die Insolvenz des betroffenen Unternehmens voraus. Wegen der insofern identischen Voraussetzungen der beiden Verfahrensarten kann die außerordentliche Verwaltung immer dann in ein Konkursverfahren übergeleitet werden, wenn die amministrazione straordinaria scheitert. Das kann z. B. der Fall sein, weil der Schuldner bis zum vorgesehenen Zeitpunkt, d. h. bis zum Ende des Verfahrens nicht die Fähigkeit wiedererlangt hat, seine Verpflichtungen ordnungsgemäß zu erfüllen oder weil die Übertragung des Unternehmens bis zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht stattgefunden hat (Art. 70 des Gesetzes Nr. 270/1999) oder weil sich herausstellt, dass das Verfahren der außerordentlichen Verwaltung nicht sinnvoll durchgeführt werden kann (Art. 69 des Gesetzes Nr. 270/1999). 737 Zu den Mehrheitserfordernissen beim Ausgleich siehe oben unter C.I.1.e) aa)(2), S. 127 ff. 738 Zum Obstruktionsverbot siehe oben unter C.I.1.f), S. 130 f.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
Umgekehrt kann aber auch das Konkursverfahren in ein Verfahren der außerordentlichen Verwaltung umgewandelt werden. So kann gem. Art. 84 des Gesetzes Nr. 270/1999 ein Unternehmen, das zu einer Gruppe gehört und über dessen Vermögen der Konkurs eröffnet wurde, nachträglich unter außerordentliche Verwaltung gestellt werden, wenn ein anderes Unternehmen derselben Gruppe zur außerordentlichen Verwaltung zugelassen wurde. b) Verhältnis zum concordato preventivo Zum Verhältnis zwischen amministrazione straordinaria und concordato preventivo schweigt das Gesetz. Nach der Ansicht einiger Vertreter der Lehre folgt aus dem Prinzip der Abstufung, dass ein Unternehmen, das die Zugangsvoraussetzungen der außerordentlichen Verwaltung erfüllt, zunächst das weniger wirksame Mittel des Ausgleichs nutzen kann, bevor es der außerordentlichen Verwaltung unterstellt wird, die im Verhältnis zum Ausgleich weitergehende Möglichkeiten bietet.739 (Diese weitergehenden Möglichkeiten liegen beispielsweise in der Entmachtung des Schuldners und in der Übertragung des Unternehmens zu einem wegen erwarteter Verluste geminderten Kaufpreis.) Außerordentliche Verwaltung und Ausgleich stehen folglich nicht in einem Alternativverhältnis zueinander, sondern sie können nacheinander durchlaufen werden.
D. Zusammenfassung: Rahmenbedingungen der Unternehmenssanierung im italienischen Recht Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen lassen sich die Rahmenbedingungen der Unternehmenssanierung im italienischen Recht zusammenfassend folgendermaßen beschreiben: Schon frühzeitig kann der Schuldner versuchen, seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten in einem gerichtlichen Verfahren im Einvernehmen mit den Gläubigern zu bewältigen. Die Einleitung eines Ausgleichsverfahrens gem. Art. 160 ff. LF ist nämlich nach der hier vertretenen Auffassung bereits ab der drohenden Zahlungsunfähigkeit möglich.740 Den Reiz des Ausgleichsverfahrens macht aus Schuldnersicht die Möglichkeit zur weitgehend selbst739 Pacchi-Pacchi, Il nuovo concordato preventivo, S. 32; Napoleoni, Il Fallimento 2002, 1105 (1105 f.); Colesanti/Pajardi-Paluchowski, Codice del fallimento, Art. 3, S. 1795. 740 Siehe oben unter C.I.1.b)bb)(2)(b)(bb), S. 115 f.
D. Zusammenfassung
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bestimmten Fortführung des Unternehmens gem. Art. 167 LF aus.741 Was die inhaltliche Gestaltung des dem Ausgleich zu Grunde liegenden Plans angeht, eröffnet Art. 160 LF eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten.742 Möglicherweise wurde die Gestaltungsfreiheit der Parteien jedoch bis zum Inkrafttreten des decreto correttivo am 01.01.2008 durch eine Pflicht zur vollständigen Befriedigung der privilegierten Gläubiger eingeschränkt. Da die relevanten Vorschriften des Konkursgesetzes (i. e. Art. 160, 177 LF) im Hinblick auf die Behandlung der privilegierten Gläubiger unterschiedliche Deutungen zuließen, herrschte gerade bei der Beurteilung dieser zentralen Problematik des italienischen Insolvenzrechts Uneinigkeit.743 Die Klarstellung durch den Gesetzgeber im Zuge der „Reform der Reform“ bereitet diesem Zustand endlich ein Ende: Die privilegierten Gläubiger dürfen teilweise befriedigt werden, die zwingende Mindestquote von 100% entspricht nicht mehr dem geltenden Recht. Der Verhandlungsspielraum der Parteien wurde insofern erweitert. Einschränkend ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Befriedigung der privilegierten Gläubiger nach dem Ausgleichsplan nicht geringer ausfallen darf als bei einer Liquidation. Unbegrenzt ist der Verhandlungsspielraum der Parteien neuerdings im Hinblick auf die Befriedigung der nichtbevorrechtigten Gläubiger. Die in diesem Zusammenhang ursprünglich maßgebliche Mindestquote von 40% ist seit der Reform nicht mehr einzuhalten. Sieht die Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubigern eine übertragende Sanierung des schuldnerischen Unternehmens vor, kann der für die Sanierung regelmäßig erforderliche Abbau des überzähligen Personals entweder durch die Kündigung auf der Grundlage eines Erwerberkonzepts744 geschehen oder aber auf der Basis einer in einem gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahren745 getroffenen Absprache zwischen Arbeitnehmervertretern, dem Veräußerer und dem Erwerber. Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/ 1990, der die zuletzt beschriebene Möglichkeit eröffnet, ist insoweit richtlinienkonform.746 Die Attraktivität der übertragenden Sanierung wird durch die mögliche Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung747 des Erwerbers gem. Art. 47 V 1 des Gesetzes Nr. 428/1990 und durch den Ausschluss des Anfechtungsrisikos748 gem. Art. 67 III e), 1. Hs. LF gesteigert. 741 742 743 744 745 746 747 748
Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe
oben oben oben oben oben oben oben oben
unter unter unter unter unter unter unter unter
C.I.1.c), S. 125. C.I.1.a), S. 99. C.I.1.b)cc)(1)(b), S. 117 ff. C.I.1.m)cc)(3), S. 168 f. C.I.1.m)cc)(5), S. 170 ff. C.I.1.m)cc)(5)(c)(dd), S. 178 f. C.I.1.m)dd), S. 179 f. C.I.1.m)ee), S. 180.
234
4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
Entsprechend der starken Stellung der Parteien im Ausgleichsverfahren beschränkt sich die Funktion des Richters im Wesentlichen auf die Kontrolle formaler Kriterien. Jedenfalls ist das Gericht – abgesehen vom Sonderfall einer cram-down-Entscheidung – nicht zur Überprüfung der Angemessenheit und der (aus Gläubigersicht zu beurteilenden) Vorteilhaftigkeit des Plans befugt.749 Entgegen der starken Stellung der Parteien obliegt die Auswahl des Ausgleichsverwalters, der gem. Art. 28 LF auch eine Partnerschaft sein kann, allerdings allein dem Richter. Allenfalls nachträglich kann der Gläubigerausschuss durch einen Antrag auf Enthebung des Verwalters gem. Art. 165 II i. V. m. Art. 37 LF die vom Richter vorgenommene Auswahl in Frage stellen.750 Ob der Richter diesem Antrag stattgibt, liegt dann in seinem Ermessen. Potentielle Kreditgeber können durch einen Hinweis auf Art. 111 LF zur Gewährung von frischem Kapital im Ausgleichsverfahren motiviert werden: Verbindlichkeiten, die während des Ausgleichsverfahrens begründet werden, um die im Ausgleichsplan vorgesehene Fortführung des Unternehmens zu ermöglichen, sind gem. Art. 111 LF im Falle eines Anschlusskonkurses nämlich vorrangig zu befriedigen.751 Scheut der Schuldner den Zeit- und Kostenaufwand, der mit einem Ausgleichsverfahren verbunden ist, kann er mit Gläubigern, die mindestens 60% der Forderungen vertreten, gem. Art. 182-bis ein Umschichtungsabkommen vereinbaren, das anschließend gerichtlich bestätigt wird. Diese Vorgehensweise bietet sich vor allem an, wenn sich ein Großteil der Forderungen in der Hand weniger Großgläubiger konzentriert, so dass durch gezielte Verhandlungen mit den Großgläubigern zügig eine Lösung zur Krisenbewältigung gefunden werden kann. Der Preis für die Erleichterungen gegenüber dem Ausgleichsverfahren, beispielsweise die typischerweise geringere Verfahrensdauer, liegt in der fehlenden Bindungswirkung des Umschichtungsabkommens hinsichtlich der nicht teilnehmenden Gläubiger. Da das Umschichtungsabkommen gegenüber dem Ausgleich ein eigenständiges Rechtsinstitut darstellt, gilt die von Art. 184 I 1 LF normierte Bindungswirkung des Ausgleichs nämlich nicht für das Umschichtungsabkommen.752 Immerhin bewirkt das Umschichtungsabkommen aber eine maximal sechzigtägige Vollstreckungshemmung ab der Veröffentlichung der Vereinbarung im Handelsregister. Ein weiterer Vorteil des Abkommens i. S. d. Art. 182-bis 749 750 751 752
Siehe Siehe Siehe Siehe
oben oben oben oben
unter unter unter unter
C.I.1.j), S. 146 ff. C.I.1.k)bb), S. 158 ff. C.I.1.i)bb)(2), S. 141 ff. C.I.3.c)bb)(1), S. 196.
D. Zusammenfassung
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LF liegt in der von Art. 67 III e) LF angeordneten Unanfechtbarkeit solcher Verfügungen, Zahlungen und Sicherheitsleistungen, die in Durchführung einer gerichtlich bestätigten Vereinbarung i. S. d. Art. 182-bis LF getätigt worden sind. Völlig ohne eine gerichtliche Beteiligung kommt der Sanierungsplan i. S. d. Art. 67 III d) LF aus.753 Er kann schnell und verhältnismäßig unbürokratisch vereinbart werden, weil er lediglich von einem Experten auf seine Erfolgsaussicht überprüft werden muss. Die Parteien des Sanierungsplans müssen jedoch (fast) alle Nachteile in Kauf nehmen, die eine außergerichtliche Einigung gegenüber einem gerichtlichen Verfahren aufweist, also z. B. die fehlende Vollstreckungshemmung. Nur in einer einzigen Hinsicht unterscheidet sich der Sanierungsplan i. S. d. Art. 67 III d) LF positiv von anderen außergerichtlichen Vereinbarungen, nämlich durch den Anfechtungsschutz, den Art. 67 III d) LF gewährt. Speziell für insolvente Unternehmen mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung hält das italienische Insolvenzrecht zusätzlich das Verfahren der außerordentlichen Verwaltung bereit.754 In diesem Verfahren wird der Einfluss der Parteien sehr stark zurückgedrängt zu Gunsten einer überragenden Stellung der Exekutive. Der Schuldner verliert mit der Verfahrenseröffnung die Befugnis zur Verwaltung seines Vermögens. Im Laufe des Verfahrens wird das schuldnerische Unternehmen entsprechend einem vom außerordentlichen Kommissar entwickelten Zwei-Jahres-Programm entweder restrukturiert oder übertragen. Mehrere Unternehmen einer Unternehmensgruppe können dabei einheitlich behandelt werden. Kann durch die zuvor genannten Instrumente der Insolvenzzustand nicht behoben werden oder wird auf die Nutzung der genannten Instrumente verzichtet, kommt es zur Einleitung des Konkursverfahrens. In dessen Rahmen kann gem. Art. 124 ff. LF ein Zwangsausgleich vereinbart werden, der im Wesentlichen denselben Inhalt haben kann wie ein Ausgleich.755 Im Gegensatz zum Ausgleich kann der Zwangsausgleich jedoch auch ohne den Willen des Schuldners abgeschlossen werden. Wird der Zwangsausgleichsvorschlag vom Schuldner eingebracht, liegt automatisch dessen Zustimmung zum Zwangsausgleich vor. Anderenfalls fehlt die Zustimmung des Schuldners, was aber unbeachtlich ist, sofern der Masseverwalter den Vorschlag positiv beurteilt und sich die Gläubiger mehrheitlich für ihn aussprechen.
753 754 755
Siehe oben unter C.I.4, S. 204 ff. Siehe oben unter C.III., S. 217 ff. Siehe oben unter C.II.1.c), S. 211.
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
E. Würdigung der Reformgesetzgebung Auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen erfolgt die bereits im ersten Kapitel angekündigte kritische Stellungnahme zu der These, das italienische Insolvenzrecht habe sich im Zuge der Reform zu einem Mittel der Sanierung entwickelt.756 Obwohl sich die zitierte Aussage nur auf die Reformgesetzgebung der Jahre 2005/2006 bezieht, soll bei der erwähnten kritischen Würdigung auch die Reformgesetzgebung des Jahres 2007 in Form des „decreto correttivo“ berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, das bestehende Konkursgesetz zu modifizieren, anstatt ein völlig neues Konkursgesetz zu schaffen. Diese Gesetzgebungstechnik ist an sich nicht kritikwürdig, sofern die bestehenden Normen und die neu eingefügten Vorschriften hinreichend aufeinander abgestimmt werden. Gerade diese Koordinationsleistung hat der Gesetzgeber jedoch bei der Reform der Jahre 2005/2006 nicht in ausreichendem Maße erbracht, wie die Vielzahl der leer laufenden Verweise und widersprüchlichen Regelungen belegt.757 In der Folge ergeben sich für den Rechtsanwender erhebliche Auslegungsschwierigkeiten und es entsteht Rechtsunsicherheit. Diese Rechtsunsicherheit kann erstens zu einer Verzögerung der Insolvenzverfahren führen, weil im Laufe des Verfahrens über die korrekte Auslegung bestimmter Normen gestritten wird. Zweitens kann die als unsicher empfundene Rechtslage Schuldner davon abhalten, freiwillig ein Verfahren zur Bewältigung der Krisenlage zu initiieren. Denn wer wird schon Zuflucht in einem zerschlagungsabwendenden Verfahren suchen, wenn er nicht weiß, was ihn erwartet? Die handwerklich mangelhafte Durchführung der Reform mindert mit anderen Worten die aus Schuldnersicht entscheidende Berechenbarkeit der Verfahren. Da sowohl die verspätete Einleitung des Insolvenzverfahrens als auch Verzögerungen im Verfahrensablauf die Sanierungschancen des schuldnerischen Unternehmens schmälern, lässt sich also feststellen, dass das italienische Konkursgesetz jedenfalls noch sanierungsfreundlicher wäre, wenn die Reform handwerklich korrekt durchgeführt worden wäre. Einige Auslegungsschwierigkeiten werden immerhin durch das decreto correttivo behoben, so dass demnächst hoffentlich dem geflügelten Wort, das Konkursgesetz sei „deformiert, nicht reformiert“ worden, der Boden entzogen wird. 756 Die These „Das Insolvenzrecht orientiert sich neu zu einem Mittel der Sanierung.“ stellen Correnti/Schulte-Frohlinde in ZInsO 2006, S. 1020 (1029) auf. 757 Die äußerst schlechte Redaktion des Konkursgesetzes bemängelt auch Schlesinger, Il Corriere Giuridico 2006, 1189 (1189); einen Überblick über die Koordinationsmängel im Bereich des concordato preventivo bietet Ambrosini-Demarchi, La riforma della legge fallimentare, S. 349 ff.
E. Würdigung der Reformgesetzgebung
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Zu den sanierungsfeindlichsten Regelungen des italienischen Insolvenzrechts gehörte die Pflicht zur vollständigen Befriedigung der privilegierten Gläubiger im Ausgleichsverfahren. Denn durch diese hohe Hürde wurde einerseits der Zugang zum Ausgleichsverfahren erheblich erschwert.758 Andererseits verblieb nach der Befriedigung der privilegierten Gläubiger kaum Kapital, das für die Rettung und Fortführung des Unternehmens genutzt werden konnte. Das für die Sanierung benötigte Kapital wurde zusätzlich durch die den nichtbevorrechtigten Gläubigern zuzuweisende Quote von mindestens vierzig Prozent aufgezehrt. Indem der Gesetzgeber schließlich sowohl die Vorgaben hinsichtlich einer Mindestquote für die nichtbevorrechtigten Gläubiger als auch die Vorgaben hinsichtlich einer Befriedigungsgarantie für die privilegierten Gläubiger gestrichen hat, hat er ein wesentliches Sanierungshindernis ausgeräumt. Indem die ursprünglich in Art. 160 LF vorgesehenen Alternativen des Ausgleichs unter Sicherheitsleistung (garanzia) und des Ausgleichs unter Abtretung von Abtretung von Sachen (cessione dei beni) um unendlich viele Varianten ergänzt wurden (zulässig ist ja nunmehr der Ausgleich unter Umschichtung der Schulden und Befriedigung der Forderungen in jedweder Form), wurde das Instrument des Ausgleichs flexibler gestaltet, so dass die Parteien eine dem Einzelfall angemessene Lösung aushandeln können. Auf diese Weise wurde auch der Verhandlungsspielraum der Parteien bei der Entwicklung einer Sanierungsstrategie erweitert. Zudem wurde der Anreiz für den Schuldner, frühzeitig einen Ausgleichsvorschlag zu unterbreiten, durch die Einführung einer einjährigen Vorschlagssperre im Konkursverfahren erhöht. In der Praxis scheinen diese Neuerungen durch die Reformgesetzgebung die Verbreitung des Ausgleichs zu begünstigen. Jedenfalls betrug der Anteil der Ausgleichsverfahren unter den Insolvenzverfahren im ersten Quartal 2007 über 65 Prozent, während er zwischen 2003 und Juni 2006 zwischen 26 und 49 Prozent schwankte.759 Gegenüber dem Vorjahreszeitraum stieg die Zahl der Ausgleichsverfahren im ersten Quartal 2007 um sechzig Prozent.760 Die Neuerungen durch die Reformgesetzgebung betreffen jedoch nicht nur das Ausgleichsverfahren: Die Palette der Instrumente zur Bewältigung 758 Die Pflicht zur vollständigen Befriedigung der privilegierten Gläubiger stellte nach Aussage von Scovazzo in der Praxis die größte Schwierigkeit dar, die den Zugang zum Ausgleichsverfahren blockierte, Ambrosini-Scovazzo, La riforma della legge fallimentare, S. 328. 759 Il sole 24 ore vom 23.07.2007, S. 15 unter Berufung auf vom CERVED erhobene Daten in dem Bericht „I fallimenti in Italia e in Europa“. 760 Ebd. (Fn. 759).
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4. Kap.: Zerschlagungsabwendende Verfahren im italienischen Recht
der Unternehmenskrise im Verhandlungswege wurde zudem um die Umschichtungsvereinbarung und den Sanierungsplan erweitert, die beide besonders schnell und unkompliziert vereinbart werden können. Angesichts der aufgezeigten Entwicklungen erscheint die Behauptung gerechtfertigt, das italienische Insolvenzrecht (insbesondere das Recht des Ausgleichs) habe sich im Zuge der Reform zu einem Mittel der Sanierung entwickelt. Allerdings ist hinzuzufügen, dass das italienische Insolvenzrecht schon vor der Reform einige sanierungsfreundliche Aspekte aufwies. Dazu gehört insbesondere die Möglichkeit zum Personalabbau auf der Grundlage einer gewerkschaftlichen Vereinbarung gem. Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 sowie die Möglichkeit zur Restrukturierung oder Übertragung des Unternehmens im speziell auf die Sanierung ausgerichteten Verfahren der außerordentlichen Verwaltung. Zu wünschen bleibt, dass Praktiker wie Richter und Verwalter sich für die Reformgesetzgebung öffnen und sich mit ihr vertraut machen. Die Änderung der Gesetzeslage ist nur der erste Schritt. Der zweite Schritt, der in einer Veränderung der Mentalität und der gewohnten Abläufe liegt, braucht nach Einschätzung eines prominenten italienischen Insolvenzrechtlers noch Zeit.761
761 Panzani, The Italian Bankruptcy law reform – Act III, Manuskript zu einem Vortrag anlässlich des „2. Congreso Nacional de Derecho Concursal“, 14.–16.5. 2008, Guadalajara, Mexiko, S. 12 (nicht veröffentlicht): „The advisors, the administrators and trustees appointed by the courts, also the courts’ judges are the same people who were accustomed to deal with the old law and they must change their mind. This is not easy and will require more time.“.
5. Kapitel
Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts Im dritten Kapitel wurden Fragestellungen zur Analyse des italienischen Insolvenzrechts entwickelt.762 Nachdem die dort aufgeworfenen Fragen im Rahmen der Darstellung der italienischen Rechtslage im vierten Kapitel beantwortet worden sind,763 kann nun festgestellt werden, inwiefern sich die deutsche und die italienische Rechtsordnung hinsichtlich der betrachteten Fragestellungen unterscheiden. Insbesondere kann bewertet werden, ob und ggf. in welchen Punkten sich die untersuchten italienischen Regelungen unter dem Aspekt der Zerschlagungsabwendung positiv von den entsprechenden deutschen Bestimmungen abheben. Die so gewonnenen Erkenntnisse sollen die Entwicklung von Vorschlägen ermöglichen, die die Modifikation des deutschen Insolvenzrechts in Anlehnung an das italienische Vorbild betreffen. In einem ersten Schritt ist somit unter Berücksichtigung der zuvor betrachteten Fragestellungen zu klären, ob und ggf. inwiefern die italienische Rechtsordnung einen tauglicheren rechtlichen Rahmen für eine erfolgreiche Zerschlagungsabwendung bilden kann als das deutsche Insolvenzrecht.
A. Mögliche Vorteile der italienischen Rechtsordnung I. Berechenbarkeit des Verfahrens Die Berechenbarkeit des Verfahrens aus Schuldnersicht wurde bislang nicht als Erfolgsfaktor zerschlagungsabwendender Verfahren berücksichtigt. Sie hängt jedoch eng mit dem bereits erörterten Erfolgsfaktor „Senkung der Hemmschwelle des Schuldners“ zusammen. Denn die Geschäftsführung des schuldnerischen Unternehmens wird nur dann die frühzeitige Einleitung eines Insolvenzverfahrens erwägen, wenn sie sicher sein kann, auch nach Stellung des Insolvenzantrags „das Heft in der Hand zu behalten“. Bietet sich der Geschäftsführung und den Altgesellschaftern hingegen nach der In762 763
Siehe oben S. 89 ff. Siehe oben S. 89 ff.
240 5. Kap.: Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts
solvenzeröffnung diesbezüglich eine unsichere Perspektive, wird im Zweifel auf die unter Sanierungsgesichtspunkten unverzichtbare frühzeitige Stellung des Insolvenzantrags verzichtet und stattdessen die Insolvenz verschleppt. Insbesondere in Deutschland wird in den meisten Fällen, in denen ein erhaltungsfähiger Unternehmenskern gegeben ist, eine übertragende Sanierung vorgenommen. Sowohl die Geschäftsführung des schuldnerischen Unternehmens als auch seine Altgesellschafter müssen dann fürchten, im Laufe des Insolvenzverfahrens ihre Position zu verlieren bzw. erheblich entwertet zu sehen.764 Vor diesem Hintergrund erscheint es nachvollziehbar, dass die Geschäftsführung angesichts ihrer ungewissen Perspektive die Stellung des Insolvenzantrages so lange wie möglich hinauszögert. Wäre der Ablauf des Insolvenzverfahrens aus Schuldnersicht steuerbar und berechenbar, würde dies dazu beitragen, die beschriebenen Hemmungen der Geschäftsführung abzubauen. Die unter Sanierungsgesichtspunkten besonders wünschenswerte frühzeitige Stellung des Insolvenzantrags würde auf diese Weise begünstigt. 1. Vermögensverwaltung und Unternehmensführung Die italienische Rechtslage stellt sich folgendermaßen dar: Leitet die Geschäftsführung des schuldnerischen Unternehmens ein Ausgleichsverfahren nach italienischem Recht ein, kann sie sicher sein, im Laufe des Verfahrens ihre Befugnis zur Vermögensverwaltung und zur Führung des Unternehmens zu behalten.765 Dieses garantiert die Vorschrift des Art. 167 LF. Während die Eigenverwaltung nach deutschem Recht einen Ausnahmefall darstellt, dessen Eintritt von der ungewissen, nicht durch Rechtsmittel zu erzwingenden richterlichen Anordnung gem. § 270 II InsO abhängt,766 wird das Unternehmen im italienischen Ausgleichsverfahren also zwangsläufig kraft Gesetzes in Eigenverwaltung geführt. Die Geschäftsführung behält mit anderen Worten stets „das Heft in der Hand“. Deswegen ist das Ausgleichsverfahren für den Schuldner berechenbarer.
764
Rendels/Zabel, INDAT-Report 03/2007, 28 (30). Allerdings kann sie sich – anders als ein Konkursverwalter – nicht von solchen Verträgen lösen, die für die Restrukturierung unbedeutend sind. Dieses Defizit kritisiert Panzani als „serious limit to the efficiency of the new system“, in: The Italian Bankruptcy law reform – Act III, Manuskript zu einem Vortrag anlässlich des „2. Congreso Nacional de Derecho Concursal“, 14.–16.5.2008, Guadalajara, Mexiko, S. 12 (nicht veröffentlicht). 766 So die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BGH NJW-RR 2007, 559 ff. sowie NJW-RR 2007, 561 ff.), die die Existenz eines Rechtsbehelfs gegen die Ablehnung der Eigenverwaltung verneint; für die Gegenansicht sprechen jedoch beachtliche Argumente, siehe unten unter C.I.1.a)aa)(1)(c), S. 272 ff. 765
A. Mögliche Vorteile der italienischen Rechtsordnung
241
2. Plangestaltung Eine übertragende Sanierung, die die Geschäftsführung des veräußerten Unternehmens regelmäßig ihre Stellung kostet und die Gesellschafter des bisherigen Rechtsträgers mit wirtschaftlich wertlosen Anteilen zurücklässt, ist nach italienischem Recht im Ausgleichsverfahren nicht ohne Zustimmung der Geschäftsführung bzw. der Gesellschafter möglich. Art. 161 IV i. V. m. Art. 152 LF verlangt nämlich bei einer Personengesellschaft, dass der Ausgleichsvorschlag und die Bedingungen des Ausgleichs von den Gesellschaftern genehmigt werden, welche die absolute Mehrheit des Kapitals vertreten (Art. 152 II a) LF). Bei Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung ist ein entsprechender Beschluss des Vorstands bzw. der Geschäftsführer erforderlich (Art. 152 II a) LF). Generell kann der Ausgleichsplan also keine Maßnahme vorsehen, die nicht von der Geschäftsführung bzw. den Gesellschaftern des schuldnerischen Unternehmens gewünscht wird. Das gilt insbesondere schon deshalb, weil lediglich der Schuldner gem. Art. 160 I LF zur Vorlage eines Ausgleichsvorschlags berechtigt ist, so dass er allein den Inhalt des Ausgleichsplans bestimmen kann. Die Verfahrensabläufe im Ausgleichsverfahren erscheinen daher dem Schuldner nicht als eine Art „black box“767, sondern im Gegenteil als ein kontrollierbarer, eigenhändig gesteuerter und vorhersehbarer Prozess. Angesichts der dem Schuldner gewährleisteten Planungssicherheit fällt es dem Schuldner bzw. der Geschäftsführung des schuldnerischen Unternehmens verhältnismäßig leicht, frühzeitig im Ausgleichsverfahren Zuflucht zu suchen. Im Hinblick auf die Berechenbarkeit des Verfahrens hebt sich also das italiensche Ausgleichsverfahren positiv von dem vergleichbaren deutschen Insolvenzplanverfahren ab und begünstigt auf diese Weise die die Sanierungschancen erhöhende rechtzeitige Einleitung eines Insolvenzverfahrens.
II. Insolvenzabwendung 1. Anfechtungsfeste Vereinbarungen in vorkonkurslichen Sanierungsrunden Das italienische Insolvenzrecht kennt seit seiner Reform in den Jahren 2005/2006 zwei Instrumente zur Abwendung der Insolvenz768: Die Um767 So Rendels/Zabel, INDAT-Report 03/2007, 28 (31) im Bezug auf das deutsche Insolvenzverfahren; ebenfalls die mangelnde Kalkulierbarkeit des deutschen Insolvenzverfahrens beklagend Paulus, ZIP 2005, 2301 (2301). 768 Ob es hier um die Abwendung des Insolvenzzustandes oder vielmehr allein um die Abwendung des Insolvenzverfahrens geht, wird im Folgenden diskutiert unter A.II.3.a), S. 243.
242 5. Kap.: Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts
schichtungsvereinbarung gem. Art. 182-bis LF und den Sanierungsplan gem. Art. 67 III d) LF. Die Umschichtungsvereinbarung hat ihre besondere Berechtigung dann, wenn das Unternehmen in eine wirtschaftliche Krise geraten ist, ohne insolvent zu sein. Der Sanierungsplan kann eingesetzt werden, solange die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens fortbesteht. Beide Vereinbarungen werden außergerichtlich getroffen, bevor sie gerichtlich bestätigt werden (Art. 182-bis IV LF) bzw. von einem Buchprüfer gebilligt werden (Art. 67 III d) a. E. LF). Indem der Gesetzgeber sowohl dem Umschichtungsabkommen als auch dem Sanierungsplan eine die Anfechtbarkeit ausschließende Wirkung i. S. d. Art. 67 III d), e) LF zugestanden hat, wurde die in Italien schon vor der Reform übliche Praxis der außergerichtlichen Vereinbarungen schließlich gesetzlich anerkannt. Nach italienischem Recht ist es folglich möglich, in einer außergerichtlichen, vorkonkurslichen Sanierungsrunde anfechtungsfeste Vereinbarungen zu treffen, die beispielsweise die Gewährung von frischem Kapital im Gegenzug für die Einräumung von Sicherheiten betreffen. 2. Vergleich der italienischen Rechtslage mit der deutschen Auch nach deutschem Recht können Gläubigerforderungen anfechtungsfest (vorbehaltlich einer Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung i. S. d. § 133 I InsO) gesichert werden, und zwar nach den Regeln des Bargeschäfts gem. § 142 InsO.769 Der Unterschied im Verhältnis zur italienischen Rechtslage ist eher psychologischer Natur: Das deutsche Anfechtungsrecht gem. §§ 129 ff. InsO wirkt kompliziert und geprägt durch Einzelfallentscheidungen der Gerichte. Im Gegensatz zur italienischen Rechtslage fehlt ein Instrument, das es den Parteien einer Sanierungsrunde ermöglicht, im Hinblick auf die Unanfechtbarkeit der getroffenen Vereinbarungen Rechtssicherheit zu erlangen. Abgeschreckt durch die Unwägbarkeiten des Anfechtungsrechts stehen potentielle Geldgeber der Gewährung von frischem Kapital skeptisch gegenüber, weil sie z. B. die Anfechtung der vereinbarten Sicherheitsleistungen in einem eventuell folgenden Insolvenzverfahren befürchten. Das italienische Recht minimiert diese Furcht durch die für die Gläubiger mit Rechtssicherheit verbundene Möglichkeit, im Rahmen einer Umschichtungsvereinbarung garantiert anfechtungsfeste Absprachen zu treffen. (Der Sanierungsplan kann aus bereits dargelegten 769 Wimmer-Dauernheim, § 142 Rn. 1; MüInsO-Kirchhof, § 142 Rn. 5a; HessWeis, § 142 Rn. 28; HK-InsO/Kreft, § 142 Rn. 3; der Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung des § 142 a. E. i. V. m. § 133 I InsO ist allerdings sehr begrenzt – die Anfechtung bleibt allenfalls insoweit möglich, wie eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung eintritt, Andres/Leithaus-Leithaus, InsO, § 142 Rn. 7; MüInsOKirchhof, § 142 Rn. 24.
A. Mögliche Vorteile der italienischen Rechtsordnung
243
Gründen nicht dieselbe Rechtssicherheit bieten wie eine Umschichtungsvereinbarung.)770 Außergerichtliche Vereinbarungen, die den Eintritt der Insolvenz in Absprache mit den Hauptgläubigern und potentiellen Geldgebern verhindern sollen, werden auf diese Weise begünstigt. Sanierungsrunden werden gesetzlich verankert und institutionalisiert. 3. Kritische Würdigung der italienischen Rechtslage – Vergleich mit dem österreichischen URG Das italienische Recht scheint daher mit dem Umschichtungsabkommen ein geeignetes Mittel zur Insolvenzabwendung zu kennen. Letztlich bestehen aber Zweifel an der Tauglichkeit dieses Instruments. Sie werden bestärkt durch den Befund, dass ein ähnlicher Vorstoß im österreichischen Recht (vgl. § 20 URG771, nach dem die im Rahmen der Reorganisation gewährten Sanierungskredite in gewissem Umfang anfechtungsfest sind) sich als gesetzgeberischer Fehlschlag erwiesen hat. Den Kritikpunkten im Einzelnen sowie den Parallelen zum österreichischen Recht widmen sich die folgenden Abschnitte. a) Abwendung des Insolvenzverfahrens Der Einwand, das Umschichtungsabkommen diene nicht der Abwendung des Insolvenzzustandes, sondern allenfalls der Abwendung (i. e. Verschleppung) des Insolvenzverfahrens, lässt sich nicht völlig von der Hand weisen. Folgende Überlegungen lassen diesen Schluss zu: Nur wenn die fragliche Rechtshandlung in den anfechtungsrelevanten Zeitraum fällt, ist ein Instrument wie das Umschichtungsabkommen überhaupt notwendig, um die Insolvenzanfechtung auszuschließen. Der anfechtungsrelevante Zeitraum umfasst die Zeitspanne nach dem Eintritt der materiellen Insolvenz (vgl. Art. 67 I, II a. E. LF: „Zahlungsunfähigkeit“). Zu diesem Zeitpunkt ist es für eine Abwendung des Insolvenzzustandes bereits zu spät, es kann lediglich das Insolvenzverfahren abgewendet (i. e. verschleppt) werden. So plausibel diese Kritik auch erscheint, ist dennoch eine differenzierte Betrachtung geboten: Ein Umschichtungsabkommen kann gem. Art. 182-bis I 1 LF vereinbart werden, wenn sich der Schuldner in einer Krisenlage unterhalb der Insolvenzschwelle befindet. Im Zeitpunkt der Vereinbarung ist es folglich für die Abwendung des Insolvenzzustandes noch nicht zu spät. 770
Siehe oben im 4. Kapitel unter C.I.4.c), S. 206 f. Unternehmensreorganisationsgesetz, Art. XI des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes (IRÄG) 1997, BGBl. I 114. 771
244 5. Kap.: Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts
Es mag jedoch sein, dass der Schuldner in der Phase der Durchführung des Abkommens schließlich insolvent wird. Dann kann das Umschichtungsabkommen das vom Gesetzgeber anvisierte Ziel der Insolvenzprävention tatsächlich nicht mehr erreichen, es kann vielmehr zur Insolvenzverschleppung kommen. Deswegen müsste es in Italien eine dem § 14 I, II URG vergleichbare Regelung geben. Die genannte Norm sieht vor, dass der Unternehmer bzw. der Reorganisationsprüfer den Eintritt der Insolvenz unverzüglich anzuzeigen hat mit der Folge, dass der Anfechtungsschutz ex nunc entfällt und somit die Fortsetzung des vorkonkurslichen Sanierungsverfahrens sinnlos wird.772 Da eine entsprechende Vorschrift im italienischen Insolvenzrecht bislang fehlt, ist nicht sichergestellt, dass das Umschichtungsverfahren nur solange fortgeführt wird, wie der Insolvenzzustand noch abgewendet werden kann. b) Rechtssicherheit vs. Gläubigergleichbehandlung Im vierten Kapitel wurde bereits die Frage aufgeworfen, was geschieht, wenn sich nachträglich (z. B. auf Grund von Umständen, die dem Gutachter i. S. d. Art. 182-bis I LF unbekannt waren) herausstellt, dass das Umschichtungsabkommen nicht zur ordnungsgemäßen Befriedigung der unbeteiligten Gläubiger geeignet ist.773 Insofern sind zwei Reaktionen denkbar – je nachdem, ob man der Rechtssicherheit oder der Gläubigergleichbehandlung den Vorzug gibt: Erstens könnte die gerichtliche Bestätigung des Umschichtungsabkommens widerrufen und die Unanfechtbarkeit aufgehoben werden (vgl. § 20 II 1 URG). Dann wäre die Gläubigergleichbehandlung sichergestellt. Denn Vermögensgegenstände, die sich einzelne Sicherungsnehmer aus der Masse beschafft haben, könnten im Wege der Konkursanfechtung zu Gunsten der Gläubigergemeinschaft zurückgeholt werden. Der Preis, der für diese Gläubigergleichbehandlung zu zahlen wäre, läge jedoch in der fehlenden Rechtssicherheit. Der entscheidende Vorteil des Umschichtungsabkommens, der in der Gewährung von Rechtssicherheit liegt, ginge folglich verloren. Zweitens könnten die Zahlungen und Sicherheiten, die in Durchführung des Abkommens geleistet wurden, trotz der veränderten Umstände bzw. der neuen Erkenntisse weiterhin von der Anfechtbarkeit ausgenommen sein. Das hätte wiederum zur Folge, dass eine Sanierung auf dem Rücken der unbeteiligten Gläubiger stattfinden könnte.774 Das Schicksal des sanie772
Zum Wegfall des Anfechtungsschutzes Mohr, URG, § 20 Rn. 8. Siehe oben im 4. Kapitel unter C.I.3.d)cc), S. 202 ff. 774 Ebenso im Bezug auf die Einschränkung der Anfechtung gem. § 20 URG Jenatschek, Unternehmensreorganisationsgesetz, S. 47. 773
A. Mögliche Vorteile der italienischen Rechtsordnung
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rungsbedürftigen Unternehmens läge allein in den Händen der am Umschichtungsabkommen beteiligten Gläubiger, alle anderen wären auf Gedeih und Verderb deren Reorganisations- und Sanierungsbemühungen ausgeliefert.775 Die eine Alternative ist ebenso unattraktiv wie die andere. Es zeigt sich somit im Hinblick auf die Regelung des Umschichtungsabkommens ein grundlegendes Problem, das sich nicht befriedigend lösen lässt. – Ein Grund für den deutschen Gesetzgeber, ein Institut wie das Umschichtungsabkommen gar nicht erst einzuführen. c) Praktikabilität In Österreich konnte sich das gerichtliche Reorganisationsverfahren, das ebenso wie das italienische Umschichtungsverfahren die Möglichkeit zur anfechtungsfesten Gestaltung von Sanierungskrediten bietet (vgl. § 20 URG), praktisch nicht durchsetzen. Zwischen 1997 und 2001 wurde sogar nur ein einziges solches Verfahren durchgeführt,776 obwohl ein Zusammenspiel von verschiedenen positiven und negativen Anreizen (Bonus-MalusSystem) den Unternehmer zur Einleitung des Reorganisationsverfahrens motivieren soll. Es ist von Interesse, welche Faktoren zu der geschilderten Ablehnung durch die Praxis beitragen. Denn möglicherweise lässt sich die Kritik am Reorganisationsverfahren auf das Umschichtungsverfahren übertragen, so dass sich Rückschlüsse auf die Praktikabilität des italienischen Verfahrens ziehen lassen: aa) Kosten Zum einen wird vorgebracht, das österreichische Verfahren sei zu teuer.777 Denn der Regorganisationsprüfer, der beispielsweise die Erfolgsaussichten des Reorganisationsplans beurteilt, müsse vergütet werden und außerdem müssten die Gerichtskosten bezahlt werden. Desweiteren fielen Kosten für die Erstellung des Reorganisationsplans an. Dazu zählten auch die indirekten Kosten, die durch verlorene Produktivität entstehen.778 – Die 775 Ebenso im Bezug auf die Einschränkung der Anfechtung gem. § 20 URG Smid/Rattunde, Insolvenzplan (1. Aufl.) Rn. 101. 776 Dellinger/Oberhammer, Insolvenzrecht, Rn. 860; Roth, NZG 2003, 1081 (1084) geht von drei Verfahren aus. 777 Dellinger/Oberhammer, Insolvenzrecht, Rn. 860; Dellinger, ZIK 97, 213 (213); Jenatschek, Unternehmensreorganisationsgesetz, S. 127. 778 Eine Auflistung der Kosten findet sich bei Jenatschek, Unternehmensreorganisationsgesetz, S. 127 ff.
246 5. Kap.: Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts
Mitarbeiter des reorganisationsbedürftigen Unternehmens müssen nämlich ihre Arbeitskraft dazu nutzen, die für die Planerstellung notwendigen Informationen zu sammeln und zu verarbeiten, statt anderweitig produktiv zu sein. Auch im italienischen Umschichtungsverfahren entstehen Gerichtskosten sowie Kosten für die Planerstellung und für die Tätigkeit des Gutachters, der die Durchführbarkeit der Vereinbarung beurteilt. Selbstverständlich fallen zudem die beschriebenen indirekten Kosten an. Es ist deswegen zu befürchten, dass das Umschichtungsverfahren ebenso wie das Reorganisationsverfahren in der Praxis als zu teuer angesehen wird. bb) Vertraulichkeit Das Scheitern des Reorganisationsverfahrens wird zum anderen auf die Furcht der Unternehmer vor dem Publikwerden der Krise zurückgeführt.779 Es ist bekannt, dass mit der allgemeinen Kenntnis von der Krisenlage oftmals die Insolvenz eintritt, und zwar wegen der Reaktionen der Geschäftspartner (Lieferung nur noch gegen Barzahlung, Einforderung von Außenständen).780 So kann ein Verfahren, dass eigentlich für zahlungsfähige Unternehmen gedacht ist, jene selbst in zahlungsunfähige verwandeln.781 Der österreichische Gesetzgeber hatte dieses Hindernis vorhergesehen. In der Regierungsvorlage heißt es: „Erfolgreiche Schritte zur Reorganisation eines solventen Unternehmens müssen diskret erfolgen, um den Ruf des zu reorganisierenden Unternehmens nicht zu gefährden (. . .). Daher wird vorgeschlagen, auf die öffentliche Bekanntmachung der Tatsache der Einleitung eines Reorganisationsverfahrens und weiterer Verfahrensschritte zu verzichten (. . .).“782 Trotzdem konnten die Bedenken der Unternehmer hinsichtlich der Vertraulichkeit des Verfahrens anscheinend nicht ausgeräumt werden. Im Gegensatz zum Reorganisationsplan wird das Umschichtungsabkommen nach italienischem Recht sogar öffentlich bekannt gemacht, es ist nämlich gem. Art. 182-bis II LF im Handelsregister zu veröffentlichen. Wenn schon das Reorganisationsverfahren an der Furcht der Unternehmer vor dem Bekanntwerden der Krise scheitert, muss dies folglich erst recht für das Umschichtungsverfahren gelten. 779 Dellinger/Oberhammer, Insolvenzrecht, Rn. 860; Jenatschek, Unternehmensreorganisationsgesetz, S. 108 ff.; allgemein zur Publizität als Hindernis für die frühzeitige Einleitung eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens Uhlenbruck, NZI 2008, 201 (204, 205). 780 Jenatschek, Unternehmensreorganisationsgesetz, S. 110; Hochegger, JBl 1997, 363 (363). 781 Hochegger, JBl 1997, 363 (363). 782 Abgedruckt bei Mohr, URG, S. 16.
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Bei der Vereinbarung eines Sanierungsplans gem. Art. 67 III d) LF besteht zwar keine Veröffentlichungspflicht. Die Parteien müssen dafür aber in Kauf nehmen, dass der Sanierungsplan einen geringeren Grad an Rechtssicherheit bietet als das Umschichtungsabkommen.783 cc) Vollstreckungssperre Gerade infolge des Bekanntwerdens der Krise kann es zu einem Ansturm der Gläubiger kommen.784 Eine Vollstreckungssperre könnte die Aushöhlung des Unternehmens durch die Vollstreckung in wichtige Produktionsmittel verhindern. In Österreich fehlt eine solche Sperre, was zur mangelnden Akzeptanz des Reorganisationsverfahrens in der Praxis beigetragen hat. Art. 182-bis III LF ordnet zwar eine sechzigtägige Vollstreckungshemmung ab der Veröffentlichung des Abkommens an. Es bleibt jedoch dabei, dass der Schuldner in der Phase, in der er mit den Gläubigern verhandelt und um Zustimmung für das Abkommen wirbt, Vollstreckungsversuchen schutzlos ausgeliefert ist. dd) Befriedigung der unbeteiligten Gläubiger Nach Art. 182-bis I LF müssen Gläubiger, die wenigstens sechzig Prozent der Forderungen vertreten, dem Umschichtungsabkommen zustimmen. Die übrigen, unbeteiligten Gläubiger müssen gem. Art. 182-bis I a. E. LF ordnungsgemäß – d. h. bei Fälligkeit und in voller Höhe – bezahlt werden. Daraus folgt, dass immerhin bis zu vierzig Prozent der Forderungen bei Fälligkeit vollständig befriedigt werden müssen. Die Zahlungsschwierigkeiten eines Unternehmens in der Krise werden in der Regel dadurch verschärft, dass mit dem Bekanntwerden der Krise Kredite gekündigt werden, Außenstände eingefordert werden und Lieferanten nur noch gegen Barzahlung zur Lieferung bereit sind. Es drängt sich die Frage auf, wie ein Unternehmen in der Krise zusätzlich noch genügend (Eigen-)Kapital aufbringen können soll, um vierzig Prozent der Altforderungen bei Fälligkeit vollständig zu befriedigen. Die legge fallimentare stellt hier Anforderungen auf, die sich realistischerweise nicht erfüllen lassen.
783 784
Siehe oben im 4. Kapitel unter C.I.4.c), S. 206 f. Dellinger/Oberhammer, Insolvenzrecht, Rn. 860.
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ee) Besteuerung von Sanierungsgewinnen Italienische Unternehmer werden außerdem durch eine unklare steuerrechtliche Lage von der Nutzung des Umschichtungsabkommens abgehalten.785 Ungeklärt ist in diesem Zusammenhang nämlich bislang, ob Sanierungsgewinne, die bei einem Erlöschen von Verbindlichkeiten durch Schuldnachlass entstehen, besteuert werden. In Deutschland wurde die Rechtslage diesbezüglich endlich durch das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 27.03.2003 geklärt.786 Die Finanzverwaltung ist nunmehr angewiesen, in einem 4-stufigen Verfahren zunächst eine Steuerstundung und schließlich einen Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen vorzunehmen.787 In Italien fehlt derzeit eine entsprechende Regelung. d) Zwischenergebnis Es ist nicht zu erwarten, dass das Umschichtungsabkommen i. S. d. Art. 182-bis LF in der Praxis Anklang findet. Denn das Umschichtungsverfahren ist teuer und kann wegen der Veröffentlichungspflicht i. S. d. Art. 182-bis II LF nicht geheimgehalten werden. Das Bekanntwerden der Krise kann einen Ansturm der Gläubiger auslösen, dem der Schuldner in der Verhandlungsphase wegen der fehlenden Vollstreckungshemmung schutzlos ausgeliefert ist. Die genannten Faktoren (Kosten, Vertraulichkeit, Vollstreckungssperre) stellen generell Schwachpunkte eines vorkonkurslichen Sanierungsverfahrens dar. Das zeigt die vergleichende Betrachtung des in der Praxis gescheiterten Reorganisationsverfahrens österreichischen Rechts. Speziell im Hinblick auf die italienische Rechtslage ist anzumerken, dass es unrealistisch ist, von einem Unternehmen in der Krise die pünktliche und vollständige Befriedigung von bis zu vierzig Prozent der Forderungen zu verlangen (vgl. Art. 182-bis I a. E. LF). Außerdem muss geklärt werden, ob und ggf. wie Sanierungsgewinne aus dem Umschichtungsverfahren besteuert werden. Der Gesetzgeber sieht sich bei der Regelung des Umschichtungsabkommens einem Zielkonflikt ausgesetzt, und zwar zwischen der Gewährleistung 785 Panzani, The Italian Bankruptcy law reform – Act III, Manuskript zu einem Vortrag anlässlich des „2. Congreso Nacional de Derecho Concursal“, 14.–16.5. 2008, Guadalajara, Mexiko, S. 13 (nicht veröffentlicht). 786 Abzurufen beispielsweise unter www.lexisnexis.de/downloads/bmf_schreiben_ vom_27._maerz_2003___iv_a_6___s_2140___8_03__; für eine gesetzliche Regelung der Voraussetzungen für eine Nichtbesteuerung des Sanierungsgewinns Uhlenbruck, NZI 2008, 201 (205). 787 Detailliert zur Besteuerung von Sanierungsgewinnen, insbesondere zu beihilferechtlichen Risiken Herrmann, ZInsO 2003, 1069 ff.
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von Rechtssicherheit einerseits und der Gläubigergleichbehandlung andererseits. Bislang hat der italienische Gesetzgeber diesen Zielkonflikt nicht zufriedenstellend gelöst. Er hat zudem nicht sichergestellt, dass das Umschichtungsverfahren nur solange fortgeführt wird, wie die Abwendung des Insolvenzzustandes noch möglich ist. Alles in allem stellt das Umschichtungsverfahren kein lohnendes Vorbild für den deutschen Gesetzgeber dar. Das Scheitern dieses Verfahrens in der Praxis ist vorprogrammiert. Es sollte deswegen nicht in das deutsche Recht übernommen werden.
III. Anfechtungsrisiken Bei ihrem Versuch, Argumente für eine Flucht ins englische Insolvenzrecht auszumachen, weisen Rendels und Zabel auf erhöhte Anfechtungsrisiken nach deutschem Recht hin.788 Als Beispiel nennen sie das Anfechtungsrisiko, das besteht, wenn ein Kreditgeber in Deutschland seine notleidenden Kredite noch in der Krise nachbesichern lässt. Ein Aufkäufer aus dem anglo-amerikanischen Bereich, der die Forderungen (distressed loans) und Sicherheiten anschließend erwerbe, sei sich des bestehenden Anfechtungsrisikos möglicherweise nicht bewusst. Auch die außergerichtliche Sanierung löse in Deutschland hohe Anfechtungsrisiken aus.789 Anders als das deutsche Recht erlaubt es das Umschichtungsabkommen italienischen Musters, Forderungen in der Krise frei von einem Anfechtungsrisiko nachzubesichern. Zudem kann ein Umschichtungsabkommen die außergerichtliche Sanierung erleichtern. Allerdings wurde bereits festgestellt, dass die italienischen Regelungen zum Umschichtungsabkommen kaum praktikabel sind.790 Es bleibt daher festzuhalten, dass ein Instrument wie die Umschichtungsvereinbarung zwar im Ansatz zu begrüßen ist, dass es aber in der in Italien (und ähnlich in Österreich) praktizierten Form von der vorgesehenen Zielgruppe, nämlich den sanierungsbedürftigen Unternehmen, nicht angenommen wird. Es ist dem deutschen Gesetzgeber daher nicht zu empfehlen, sich in dieser Hinsicht am italienischen Vorbild zu orientieren. Im Übrigen wird die übertragende Sanierung nach deutschem Recht ebenso wenig durch Anfechtungsrisiken behindert wie nach italienischem Recht. Denn die Veräußerung des Unternehmens nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist genauso wie die Veräußerung auf der Grundlage eines Ausgleichsplans nicht anfechtbar (vgl. § 129 I InsO, Art. 67 III e) LF). 788 789 790
Rendels/Zabel, INDAT-Report 03/2007, 28 (29 f.). Rendels/Zabel, INDAT-Report 03/2007, 28 (30). Siehe oben unter A.II.3.d), S. 248.
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IV. Zugang zu zerschlagungsabwendenden Verfahren 1. Kleinunternehmer Die im dritten Kapitel791 aufgeworfene Frage, ob aus Schuldnersicht eine der beiden Rechtsordnungen wegen des erleichterten Zugangs zu zerschlagungsabwendenden Verfahren vorzuziehen ist, lässt sich nur im Hinblick auf den ehemals als „Kleinunternehmer“ bezeichneten Unternehmer (Art. 1 II LF n. F.)792 eindeutig beantworten. Diesem ist nach italienischem Recht der Zugang zu zerschlagungsabwendenden Verfahren verwehrt, denn er kann mangels Insolvenzfähigkeit weder einen Ausgleich vereinbaren noch einen Zwangsausgleich vorschlagen, noch ein Umschichtungsabkommen oder einen Sanierungsplan vorlegen. Auch das speziell auf die Erhaltung des Unternehmens gerichtete Verfahren der amministrazione straordinaria setzt die Insolvenzfähigkeit voraus und steht deswegen insolvenzunfähigen „Kleinunternehmern“ nicht offen. Dem insolvenzunfähigen Unternehmer i. S. d. Art. 1 II LF n. F. droht somit ausweglos die Einzelvollstreckung und die damit einhergehende Liquidation der Unternehmensgüter. a) Sanierungsfeindlichkeit Die Einzelvollstreckung ist für den Schuldner nachteilig, weil sein Vermögen mit größter Wahrscheinlichkeit zerschlagen wird.793 Da gerade die Vollstreckung in die besonders wertvollen essentiellen Unternehmensbestandteile aus Gläubigersicht attraktiv erscheint, ist die Einzelvollstreckung in der Regel unvereinbar mit der Erhaltung des Unternehmens als funktionsfähige wirtschaftliche Einheit. Es fragt sich, ob der Gesetzgeber die aus der Unternehmenszerschlagung resultierenden volkswirtschaftlichen Verluste hinreichend berücksichtigt hat, als er im Rahmen einer KostenNutzen-Abwägung entschied, eine Insolvenzschwelle einzuführen und auf diese Weise bestimmte Unternehmer aus dem Kreis der insolvenzfähigen Subjekte auszugrenzen. Das gilt insbesondere, zumal ein wesentlicher Anteil der Unternehmer (allein ein Viertel der Kapitalgesellschaften!)794 zu 791
Siehe oben, S. 61. Die aktuelle Fassung des Art. 1 LF mit seiner Definition des „Kleinunternehmers“ findet sich u. a. im Anhang unter C.I., S. 295 ff. 793 Fauceglia, Il Fallimento 2005, S. 991 ff.; Demarchi, La disciplina delle società nel fallimento, abzurufen auf www.ilcaso.it, Dokument Nr. 94 vom 31.01. 2008, S. 16, Stand: 05.05.2008. 794 Bezogen auf die Gesetzeslage nach dem Erlass des sog. decreto correttivo, zuvor betrug der Anteil der konkurs- und ausgleichsunfähigen Kapitalgesellschaften sogar 30%, Quelle: Il Sole 24 ore vom 05.09.2007, S. 29. 792
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den ausgleichs- und konkursunfähigen Subjekten zählt. Schon auf Grund der zahlenmäßigen Bedeutung der insolvenzunfähigen Unternehmer (wiederum allein 162 000 Kapitalgesellschaften)795 bestehen Zweifel an der Einschätzung, die Zerrüttung eines „kleinen“ Unternehmens ziehe lediglich geringfügige Auswirkungen im wirtschaftlich-sozialen Umfeld nach sich und vermöge daher die Durchführung eines teuren und komplizierten Insolvenzverfahrens nicht zu rechtfertigen.796 Um sicherzustellen, dass der mit einem Insolvenzverfahren verbundene Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zu dem zu erwartenden Ergebnis steht, hätte der italienische Gesetzgeber die Abweisung des Ausgleichs- bzw. Konkursantrags mangels Masse (vgl. § 26 InsO) regeln können, statt bereits tatbestandlich einen beträchtlichen Teil der mittelständischen Unternehmen aus dem Anwendungsbereich der legge fallimentare auszunehmen. Verfehlt und ausgesprochen kurzsichtig – auch unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers – erscheint schließlich die vom Justizausschuss des Senats geäußerte Annahme, die Ausweitung des Ausnahmetatbestandes in Art. 1 II LF n. F. werde eine Entlastung der Gerichte und somit möglicherweise eine Beschleunigung des Insolvenzverfahrens nach sich ziehen.797 Zwar trifft es zu, dass die Arbeitsbelastung der Insolvenzgerichte sinkt, wenn weniger Unternehmen zum Insolvenzverfahren zugelassen werden. Die Arbeitsbelastung der Gerichte, die für die gewöhnliche Zwangsvollstreckung zuständig sind, erhöht sich jedoch entsprechend, weil die Alternative zum Insolvenzverfahren bekanntlich in der Einzelvollstreckung besteht. Zu einer echten Entlastung der Gerichte kommt es also nicht, sondern die Aufgaben werden – wie Demarchi zu Recht bemerkt – von einer Abteilung in die andere verschoben („spostando semplicemente il carico giudiziario da un uffico all’altro“).798 Folgerichtig hat der Gesetzgeber – nachdem die Reformgesetzgebung zunächst auf die Anhebung der Insolvenzschwelle gerichtet war – von dieser ursprünglichen Zielsetzung Abstand genommen und mit dem decreto correttivo im Gegenteil die Absenkung der Insolvenzsschwelle ange795
Il Sole 24 ore vom 05.09.2007, S. 29. Zu dieser Begründung siehe oben im 4. Kapitel unter C.I.1.b)aa)(3)(b), S. 110 sowie bei Demarchi, La disciplina delle società nel fallimento, abzurufen auf www. ilcaso.it, Dokument Nr. 94 vom 31.01.2008, S. 2, 6, Stand: 05.05.2008 unter Berufung auf Cavalli, La dichiarazione di fallimento: presupposti e procedimento, in La riforma della legge fallimentare (Hrsg. Ambrosini), im Erscheinen. 797 Commissione Giustizia del Senato in der Sitzung vom 22.11.2005 in Bezug auf Art. 1 VI des Gesetzes 80/2005 (sog. legge delega), zitiert nach Demarchi, La disciplina delle società nel fallimento, abzurufen auf www.ilcaso.it, Dokument Nr. 94 vom 31.01.2008, S. 11, Stand: 05.05.2008. 798 Demarchi, La disciplina delle società nel fallimento, abzurufen auf www. ilcaso.it, Dokument Nr. 94 vom 31.01.2008, S. 15, Stand: 05.05.2008. 796
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strebt.799 (Konsequenz im Bezug auf die Kapitalgesellschaften: Absinken des Anteils insolvenzunfähiger Kapitalgesellschaften um 5%, nämlich von ehemals 30% auf nunmehr 25%)800 b) Verteilungskonflikte Der Ausschluss des Unternehmers i. S. d. Art. 1 II LF n. F. begegnet auch unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit erheblichen Bedenken.801 Denn die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger entsprechend dem par conditio-Prinzip kann nur im Rahmen eines Insolvenzverfahrens sichergestellt werden. Hingegen kann es bei der Einzelvollstreckung, die im Anwendungsbereich des Art. 1 II LF n. F. das einzig verbleibende Mittel zur Realisierung einer Forderung darstellt, zum gefürchteten „Wettlauf der Gläubiger“ kommen. Die Gläubiger eines Unternehmers i. S. d. Art. 1 II LF n. F. sind dann dem freien Spiel der Kräfte ausgeliefert, wobei besonders gut informierte und schnell reagierende Gläubiger (z. B. Banken) regelmäßig im Vorteil sind. Der aus der Insolvenzunfähigkeit des „Kleinunternehmers“ folgende Zwang zur Einzelvollstreckung ist demnach nicht nur für die betroffenen Unternehmer nachteilig, sondern auch für die Gläubiger, deren gleichmäßige Befriedigung ungewiss erscheint und die in einem langwierigen sowie oftmals teuren Verfahren einen Titel erlangen und anschließend vollstrecken müssen.802 Den Gläubigern fällt es schwer, bereits im Zeitpunkt der Begründung der Schuld abzuschätzen, ob der Schudner insolvenzfähig ist. Ob es zu einem geordneten Insolvenzverfahren oder aber zu einer Vielzahl von Einzelverfahren mit dem damit verbundenen „Wettlauf der Gläubiger“ kommen wird, ist folglich im Vorfeld kaum ersichtlich. Zwar ist bei einem Handelsunternehmer zunächst von der Insolvenzfähigkeit auszugehen, weil die Beweislast für die Insolvenzunfähigkeit (i. e. die Beweislast für die Unterschreitung der in Art. 1 II LF aufgeführten Schwellenwerte im maßgeblichen Zeitraum) beim Schuldner liegt.803 Eine fundierte Einschätzung der Insolvenzfähigkeit ist dem Gläubiger jedoch allenfalls nach der aufwändigen Ein799
Siehe Begründung des Entwurfs zum decreto correttivo (Schema di decreto legislativo recante disposizioni integrative e correttive al R. D. 267/1942 nonché al D. LgS. 5/2006), Teil A, abgedruckt bei Perugini/Massei, La nuova legge fallimentare, S. 13. 800 Il Sole 24 ore vom 05.09.2007, S. 29. 801 Demarchi, La disciplina delle società nel fallimento, abzurufen auf www. ilcaso.it, Dokument Nr. 94 vom 31.01.2008, S. 16, Stand: 05.05.2008. 802 Perugini/Massei, La nuova legge fallimentare, Art. 1, S. 36. 803 Siehe oben im vierten Kapitel unter C.I.1.b)aa)(3)(a)(cc), S. 108 f.
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sichtnahme in die Bilanzen des schuldnerischen Unternehmens möglich. (Kapital- und Personengesellschaften sind gem. Art. 2423 ff. cc verpflichtet, Bilanzen zu erstellen.) Die beschriebene Unsicherheit trägt dazu bei, dass der Ausschluss des ehemals als „Kleinunternehmer“ bezeichneten Unternehmers aus dem Kreis der insolvenzfähigen Subjekte für die Gläubiger mit Nachteilen verbunden ist. Im Bezug auf den Kleinunternehmer ist daher aus Schuldner- wie aus Gläubigersicht die deutsche Rechtsordnung wegen des möglichen Zugangs zu (zerschlagungsabwendenden) Insolvenzverfahren vorzugswürdig. Dasselbe gilt für landwirtschaftliche Unternehmen, die nach italienischem Recht ebenso wenig insolvenzfähig sind wie Kleinunternehmer.804 2. Sonstige Unternehmer Betrachtet man lediglich die insolvenzfähigen Unternehmer, lässt sich keine pauschale Aussage treffen, welche Rechtsordnung erleichterten Zugang zu zerschlagungsabwendenden Verfahren gewährt. Da das italienische Recht kein einheitliches Insolvenzverfahren kennt, ist vielmehr zwischen den verschiedenen Verfahrensarten zu unterscheiden: a) Sanierungsplan Schuldner und Gläubiger können sich auf einen Sanierungsplan einigen, solange die Sanierungsfähigkeit des schuldnerischen Unternehmens fortbesteht.805 Die aus dem deutschen Insolvenzrecht bekannten Kategorien der drohenden Zahlungsunfähigkeit bzw. der Zahlungsunfähigkeit spielen beim italienischen Sanierungsplan keine Rolle, so dass ein Vergleich der Zugangsvoraussetzungen ausscheidet. b) Umschichtungsabkommen Das Umschichtungsabkommen kann zwar bei drohender, nicht jedoch bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit vereinbart werden kann.806 Die Zugangsvoraussetzungen sind somit enger als beim deutschen Insolvenzverfahren.
804
Zur Insolvenzunfähigkeit von landwirtschaftlichen Unternehmen siehe oben im vierten Kapitel unter C.I.1.b)aa)(1), S. 102. 805 Siehe oben im vierten Kapitel unter C.I.4.a), S. 204. 806 Siehe oben im vierten Kapitel unter C.I.3.b)bb), S. 185 ff.
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c) Ausgleichsverfahren Das Ausgleichsverfahren kann sowohl bei drohender als auch bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit eingeleitet werden.807 Die Zugangsvoraussetzungen stimmen insofern – wenn man vom fehlenden Eröffnungsgrund der Überschuldung absieht – mit denen des deutschen Insolvenzverfahrens überein. d) Zwangsausgleichsverfahren Das Zwangsausgleichsverfahren setzt ebenso wie die außerordentliche Verwaltung die Insolvenz des Schuldners i. S. d. Art. 5 LF voraus und somit die Zahlungsunfähigkeit.808 Die Zugangsvoraussetzungen sind folglich enger als im deutschen Recht. 3. Zwischenergebnis In der Tendenz weist das italienische Recht die engeren Voraussetzungen für den Zugang zu zerschlagungsabwendenden Verfahren auf. Die Zugangsvoraussetzungen im deutschen Recht in Anlehnung an das italienische Vorbild ebenfalls enger zu fassen, empfiehlt sich aber nicht: Würde drohend zahlungsunfähigen Unter-nehmen der Zugang zum Insolvenzverfahren verweigert, wäre die unter Sanierungsgesichtspunkten besonders wünschenswerte frühzeitige Einleitung des Insolvenzverfahrens unmöglich. Daher sollte der Zugang zum Insolvenzverfahren nicht auf zahlungsunfähige oder überschuldete Unternehmen beschränkt werden. Zahlungsunfähigen oder überschuldeten Unternehmen darf der Zugang zum Insolvenzverfahren nicht verwehrt werden, weil alternative Wege zur gerichtlich überwachten Insolvenzbewältigung, auf die solche Unternehmen verwiesen werden könnten, fehlen. Den Zugang zum Insolvenzverfahren auf drohend zahlungsunfähige Unternehmen zu beschränken, kommt also nicht in Betracht. Was gegen den im italienischen Recht praktizierten Ausschluss des „Kleinunternehmers“ aus dem Kreis der insolvenzfähigen Subjekte spricht, wurde bereits dargelegt.809 807 808 809
Siehe oben im vierten Kapitel unter C.I.1.b)bb), S. 110 ff. Siehe oben im vierten Kapitel unter C.II.1., S. 110 ff. Siehe oben unter A.IV.1., S. 250 f.
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Im Ergebnis gibt die italienische Rechtslage somit keinen Anlass, den Zugang zu zerschlagungsabwendenden Verfahren nach italienischem Vorbild zu modifizieren.
V. Anforderungen an die Annahme des Plans Der Insolvenzplan muss nach deutschem Insolvenzrecht gem. § 244 I InsO in jeder Gruppe von einer einfachen Kopf- und Summenmehrheit der abstimmenden Gläubiger angenommen werden. Die Anforderungen, die nach italienischem Recht an die Annahme des Plans zur einvernehmlichen Insolvenzbewältigung gestellt werden, scheinen auf den ersten Blick niedriger. Wegen der Verschiedenartigkeit der italienischen Insolvenzverfahren ist bei der Überprüfung dieser These jedoch wiederum eine differenzierte Betrachtung geboten: 1. Ausgleichsverfahren Im Ausgleichsverfahren ist gem. Art. 177 LF die Zustimmung der einfachen Kapitalmehrheit (die sich ggf. zusätzlich in der Mehrzahl der Klassen realisiert haben muss) für die Annahme des Ausgleichsvorschlags erforderlich, auf die Kopfmehrheit kommt es nicht an. Diese Beschränkung auf die Kapitalmehrheit erleichtert die Annahme des Plans, weil eine Einigung unter den wenigen verfahrensbestimmenden Hauptgläubigern oftmals schneller zu erzielen ist als die für die Erreichung der Kopfmehrheit erforderliche Einigung unter einer Vielzahl von Gläubigern. Unter dem Gesichtspunkt der Zerschlagungsabwendung ist die italienische Regelung wegen der Begünstigung einer zügigen Entscheidung über den Plan daher vorzugswürdig. Zwar berücksichtigt Art. 177 LF die Belange von Kleingläubigern nur unzureichend, denn die erwähnte Regelung erlaubt es einer geringen Anzahl von Großgläubigern, eine Vielzahl von Kleingläubigern zu überstimmen. Trotzdem ist die Regelung des Art. 177 LF letztlich interessengerecht: Großgläubiger müssen auf Grund ihrer besonderen Betroffenheit durch den Plan ein entsprechend gewichtiges Mitspracherecht bei seiner Gestaltung haben. „Wer höhere Forderungen gegen den Schuldner hat, hat im wahrsten Sinne des Wortes auch mehr zu verlieren. Die Koppelung von Kapitalanteilen und Stimmgewicht entspricht damit der inneren Logik des Insolvenzrechts.“810 Deswegen und wegen der Begünstigung einer zügigen Einigung über den Plan sollte inspiriert durch das italienische 810 Eidenmüller, ZIP 2007, 1729 (1734); in diese Richtung auch Braun, Festschrift Uhlenbruck, S. 488 ff.
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Vorbild auch in § 244 InsO auf das Erfordernis einer Kopfmehrheit verzichtet werden. In einer anderen Hinsicht hat die italienische Regelung allerdings keinen Vorbildcharakter: Während gem. Art. 177 LF die Gesamtsumme der Forderungen der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Gesamtsumme aller stimmberechtigten Gläubiger betragen muss, kommt es gem. § 244 InsO bei der Berechnung der Summenmehrheit lediglich auf die Forderungen der abstimmenden Gläubiger an. Die Verhinderung der Planannahme durch das Fernbleiben von der Abstimmung oder durch eine Enthaltung ist folglich nach § 244 InsO nicht möglich, nach Art. 177 LF hingegen schon. Art. 177 LF eröffnet den Gläubigern insofern ein nicht wünschenswertes, größeres Blockadepotential. Die Einteilung der Gläubiger in Klassen ist im Ausgleichsverfahren gem. Art. 160 LF fakultativ. Erscheint die Klassenbildung wegen Unsicherheiten bei der Zuordnung einzelner Gläubiger als zu konfliktträchtig und zeitraubend, kann also auf die Einteilung der Gläubiger verzichtet werden. Diese Möglichkeit bietet sich im deutschen Recht wegen des zwingenden811 Charakters des § 222 InsO an sich nicht. Allerdings ist auch nach deutschem Recht eine Plangestaltung denkbar, bei der von der Gruppenbildung abgesehen werden kann. Das ist nämlich dann der Fall, wenn der Planersteller auf einen Eingriff in die Rechtsstellung der absonderungsberechtigten Gläubiger verzichtet und wenn die Rechte nachrangiger Insolvenzgläubiger entsprechend den Anforderungen des § 225 InsO behandelt werden.812 Insofern bietet das italienische Insolvenzrecht mit der Möglichkeit des Verzichts auf die Klassenbildung keinen einzigartigen Vorteil. Bedenkt man, dass regelmäßig „die Gruppenbildung das zentrale Instrument des Planverfassers zur Mehrheitsbeschaffung sein“813 wird, erscheint das Absehen von der Gruppenbildung in den meisten Fällen ohnehin nicht vorzugswürdig. 2. Zwangsausgleichsverfahren Die Mehrheitserfordernisse beim Zwangsausgleich sind gem. Art 128 I LF dieselben wie beim Ausgleich (Kapitalmehrheit der stimmberechtigten Gläubiger). Insofern gilt grundsätzlich das zum Ausgleichsverfahren Ge811
Wimmer-Jaffé, § 222 Rn. 15; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 7.9. Wimmer-Jaffé, § 222 Rn. 5; Hess-Hess, § 222 Rn. 6; Balz/Landfermann, Insolvenzgesetze, Stellungnahme des Rechtsausschusses zu § 265 RegE (= § 222 InsO), S. 473. 813 Wimmer-Jaffé, § 222 Rn. 4; ähnlich Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 7.1; MüInsO-Eidenmüller, § 222 Rn. 6; Andres/Leithaus-Andres, InsO, § 222 Rn. 1; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 602. 812
A. Mögliche Vorteile der italienischen Rechtsordnung
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sagte.814 Allerdings wird die Annahme des Zwangsausgleichs durch eine Zustimmungsfiktion gem. Art. 128 II LF (i. e. fehlender Widerspruch gilt als Zustimmung) erleichtert. Das deutsche Recht kennt keine entsprechende Fiktion. Es stellt sich daher die Frage, ob eine solche Fiktion auch bei der Abstimmung über den Insolvenzplan gem. § 244 InsO eingeführt werden sollte. Im italienischen Recht dient die Zustimmungsfiktion dazu, das soeben beschriebene Blockadepotential auszuräumen, das in der Möglichkeit zur Verhinderung der Planannahme durch bloße Passivität liegt. Ein vergleichbares Blockadepotential, das aus der Wahl der Berechnungsgrundlage bei der Mehrheitsfeststellung resultiert („stimmberechtigte Gläubiger“ bei Art. 177 LF im Vergleich zu „abstimmende Gläubiger“ bei § 244 InsO), besteht jedoch nach deutschem Recht nicht. Da bei der Mehrheitsberechnung gem. § 244 InsO nur auf die abstimmenden Gläubiger abgestellt wird, kann sogar ein Boykott der Abstimmung durch die Großgläubiger die Annahme des Planes nicht verhindern. Für eine an Art. 128 II LF angelehnte Zustimmungsfiktion besteht somit im deutschen Recht kein Bedarf. 3. Verfahren der gewöhnlichen außerordentlichen Verwaltung Bei der gewöhnlichen außerordentlichen Verwaltung entscheiden nicht die Gläubiger über die Annahme des Vergleichs, sondern das Gericht trifft eine entsprechende Entscheidung nach der Anhörung eines Gläubigervertreters. Selbstverständlich erleichtert die Tatsache, nicht auf die Zustimmung der Gläubiger angewiesen zu sein, die Annahme des Vergleichs. Allerdings wäre die Annahme des Insolvenzplanes815 durch andere Verfahrensbeteiligte als die Gläubiger dem deutschen Insolvenzrecht grundsätzlich fremd. Denn die Gläubiger selbst können als Betroffene am besten beurteilen, ob der Insolvenzplan zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger geeignet ist, die gem. § 1 S. 1 InsO das erklärte Ziel des Insolvenzverfahrens darstellt. Bei der außerordentlichen Verwaltung steht jedoch nicht die Befriedigung der Gläubiger als Verfahrensziel im Vordergrund, sondern die Erhaltung des insolventen Unternehmens. Vor diesem Hintergrund erscheint die Beurteilung der Zweckmäßigkeit des Vergleichs allein durch den Richter nachvollziehbar.
814
Siehe oben unter A.V.I., S. 255. Von den gegebenen Instrumenten des deutschen Insolvenzrechts entspricht der Insolvenzplan am ehesten dem Vergleich im Rahmen der gewöhnlichen außerordentlichen Verwaltung. 815
258 5. Kap.: Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts
4. Zwischenergebnis Nach alledem bleibt festzuhalten, dass das italienische Konkursgesetz im Hinblick auf die Anforderungen an die Annahme des Plans lediglich eine Regelung enthält, bezüglich derer sich die Schaffung einer vergleichbaren Regelung de lege ferenda im deutschen Insolvenzrecht anbietet. Es handelt sich um Art. 177 LF, nach dem für die Annahme des Plans allein die Summenmehrheit erforderlich ist.
VI. Überwindung von Blockadeverhalten Möglicherweise vermag das italienische Recht dem deutschen Gesetzgeber als Vorbild zu dienen, um eine Regelung zur Überwindung von Blockadeverhalten zu entwickeln, die weniger Zweifeln an ihrer Praktikabilität ausgesetzt ist als die derzeitige Regelung des Obstruktionsverbots in § 245 InsO. Im vierten Kapitel wurde festgestellt, dass das Gericht sowohl nach Art. 180 IV 2 LF als auch nach § 245 InsO Prognosen anstellen und wirtschaftliche Bewertungen vornehmen muss.816 Die Kritik, die das Obstruktionsverbot gem. § 245 InsO erfahren hat (Prognoseunsicherheiten, übermäßige Komplexität, mangelnde Praktikabilität), lässt sich daher spiegelbildlich auf die cram-down-Regelung des Art. 180 IV 2 LF übertragen. Letztere ist sogar noch vager formuliert als ihr deutsches Pendant. Folglich kann die italienische Regelung insofern nicht als Vorbild für eine Neufassung des § 245 InsO dienen. Vorbildlich könnte die italienische Regelung jedoch in einer anderen Hinsicht sein: Nach italienischem Recht werden die Voraussetzungen der cramdown-Regelung nur auf Antrag einer Partei geprüft, nicht hingegen wie im deutschen Recht817 von Amts wegen. Diese Verschiebung der Prüfungsinitiative erscheint auf den ersten Blick nachahmenswert, weil sie wegen der Beschränkung der richterlichen Prüfungspflicht eine Aufwands- und somit eine Zeitersparnis bewirken könnte. Bei näherer Prüfung entsteht allerdings ein anderer Eindruck. Die Initiative zur richterlichen Überprüfung des Plans einem Gläubiger aus einer ablehnenden Gruppe zu überlassen (wie es im italienischen Recht der Fall ist), ist nur in einer Situation interessengerecht, in der die erforderliche Gläubigermehrheit bereits dem Plan zugestimmt hat. Denn nur dann wird ein ablehnender Gläubiger die Anrufung des Richters erwägen – nämlich um die Bestätigung des Planes zu verhindern (vgl. Minderheitenschutz gem. § 251 InsO). Ist der Plan hingegen nicht mit der 816 817
Siehe oben im 4. Kapitel unter C.I.1.f), S. 130 ff. Sowie im italienischen Recht nach alter Rechtslage.
A. Mögliche Vorteile der italienischen Rechtsordnung
259
erforderlichen Mehrheit angenommen worden, würde ein ablehnender Gläubiger gegen seine eigenen Interessen handeln, wenn er die Prüfung der cram-down-Voraussetzungen initiierte, die zu einer vom ablehnenden Gläubiger gerade nicht gewünschten Annahme des Plans kraft Zustimmungsfiktion (vgl. § 245 I InsO) führen kann. § 245 InsO geht von der Prämisse aus, dass die für die Planannahme notwendige Mehrheit nicht zustande gekommen ist. In einer solchen Situation entspricht die Prüfung der cramdown-Voraussetzungen dem Interesse der zustimmenden Gläubiger. Die Initiative zur richterlichen Überprüfung des Plans müsste also von einem Gläubiger aus einer zustimmenden Gruppe ausgehen. Es liegt nahe, dass dieser sein Initiativrecht in jedem Fall nutzen würde, weil ein Antrag auf Prüfung der cram-down-Voraussetzungen stets einen Versuch wert ist, um die Annahme des Plans trotz der ablehnenden Haltung einzelner Gläubigergruppen zu erreichen. Da es also voraussehbar jedes Mal bei Ablehnung des Planes zu einem Antrag auf Prüfung der cram-down-Voraussetzungen kommen würde, können die Voraussetzungen des § 245 InsO ebenso gut von vornherein von Amts wegen geprüft werden. Eine Aufwands- und Zeitersparnis infolge einer Prüfung lediglich auf Antrag einer Partei (i. e. eines Gläubigers aus einer zustimmenden Gruppe) ist nicht zu erwarten. Deswegen erscheint die Verschiebung des Initiativrechts vor dem Hintergrund des geltenden § 245 InsO letztlich nicht nachahmenswert.
VII. Abbau von Personalüberhang Im zweiten Kapitel wurde festgestellt, dass der für den Sanierungserfolg wesentliche Personalabbau im Rahmen einer übertragenden Sanierung durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Kündigung auf der Grundlage eines Erwerberkonzepts und zum Einsatz einer Beschäftigungsund Qualifizierungsgesellschaft nunmehr erheblich erleichtert wird.818 § 613a I, IV BGB wirkt sich deswegen entgegen der Ansicht einiger Skeptiker nicht als Sanierungshindernis aus.819 Dennoch könnte die italienische Gesetzgebung zum Personalabbau im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang gegenüber den zu dieser Thematik in Deutschland höchstrichterlich entwickelten Gestaltungsmöglichkeiten vorteilhaft sein. Nach italienischem Recht ist es – wie bereits gezeigt820 – möglich, im Rahmen eines gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahrens gem. Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 bzw. gem. Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 eine Verein818
Siehe oben im 2. Kapitel unter B.V.1.d), S. 71 ff. Siehe oben im 2. Kapitel unter B.V.1.d), S. 71 ff. 820 Siehe unten im 4. Kapitel unter C.I.1.m)cc)(5), S. 170 ff. und unter C.III.2.b)bb)(3)(a), S. 224 ff. 819
260 5. Kap.: Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts
barung zu treffen, nach der bestimmte Arbeitsverhältnisse vom Übergang ausgeschlossen werden. Um eine Reduzierung des Personalbestands im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang zu erreichen, ist der „Umweg“ über die Zwischenschaltung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft somit nicht erforderlich. Der Zeit- und der Kostenaufwand, den die Errichtung und der Unterhalt einer solchen Gesellschaft verursachen, kann auf diese Weise vermieden werden. Auf den ersten Blick scheint die italienische Rechtslage – soweit sie europarechtskonform821 ist – in diesem Punkt einen Anreiz für die Einführung einer entsprechenden Regelung in das deutsche Recht zu bieten. Bevor jedoch endgültig über den Vorbildcharakter der italienischen Regelung entschieden wird, ist zunächst auf die Parallelen zwischen dem italienischen Beteiligungsverfahren und dem deutschen Verfahren zur Vereinbarung eines Interessenausgleichs einzugehen. Auf Grund der Ähnlichkeiten zwischen diesen beiden Verfahrensarten liegt nämlich der Eindruck nahe, das deutsche Recht kenne bereits ein dem Beteiligungsverfahren entsprechendes Verfahren, so dass für eine Orientierung am italienischen Recht insoweit kein Bedarf bestehe. 1. Parallelen zu §§ 111, 112 BetrVG Die Vorgehensweise beim gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahren italienischen Musters erinnert an das Verfahren zur Vereinbarung eines Interessenausgleichs bei einer Betriebsänderung gem. §§ 111, 112 BetrVG. Den beiden Verfahren ist gemeinsam, dass sich Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter beraten, um sich angesichts einer drohenden nachteiligen Entwicklung der Beschäftigungssituation auf eine sowohl für das Unternehmen als auch für die Belegschaft akzeptable Lösung zu einigen. Doch auch wenn die mit den jeweiligen Verfahren verfolgten Ziele vergleichbar und die Vorgehensweisen ähnlich sind, so unterscheidet sich die im deutschen Verfahren erzielte Einigung in ihrer Reichweite doch deutlich von der im italienischen Verfahren getroffenen Abrede. Denn während nach italienischem Recht bestimmte Arbeitsverhältnisse kraft der gewerkschaftlichen Vereinbarung dem Geltungsbereich des Art. 2112 cc entzogen werden können, hat der Interessenausgleich im deutschen Recht nur Erschwerungen bei einer vom Arbeitnehmer angestrengten Kündigungsschutzklage zur Folge (§ 125 I 1 Nr. 1 i. V. m. § 128 II InsO)822. Den Geltungsbereich des § 613a BGB 821 Dazu siehe oben im 4. Kapitel unter C.I.1.m)cc)(5)(c)(dd), S. 178 sowie unter C.III.2.b)bb)(3)(a), S. 224 ff. 822 Zu den Details im Bezug auf die Erschwerungen bei einer Kündigungsschutzklage siehe oben im 2. Kapitel, unter B.V.2.b), S. 73 f.
A. Mögliche Vorteile der italienischen Rechtsordnung
261
(~ Art. 2112 cc) einzuschränken, liegt nicht in der Hand der Arbeitnehmerund Arbeitgebervertreter. Diese Abgrenzung verdeutlicht, dass das Verfahren zur Vereinbarung eines Interessenausgleichs gem. §§ 111, 112 BetrVG und das gewerkschaftliche Beteiligungsverfahren gem. Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 bzw. Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 lediglich bei oberflächlicher Betrachtung Parallelen aufweisen. Das deutsche Recht kennt also bislang kein Verfahren, das dem italienischen Beteiligungsverfahren entspricht. Folglich stellt sich die Frage nach dem Vorbildcharakter der betreffenden italienischen Regelung. 2. Praktikabilität Das italienische Recht schreibt im Rahmen des gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahrens eine Konsultation des Betriebsrates oder der Gewerkschaftsvertreter mit dem Arbeitgeber und dem Betriebserwerber vor. Stehen Vertreter verschiedener Gewerkschaften – im noch ausführlich zu schildernden Fall „Alitalia“ waren neun (!) Gewerkschaften beteiligt – der Arbeitgeberseite gegenüber, erschwert die große Zahl von Gesprächspartnern nicht nur eine zügige Einigung. Vielmehr konkurrieren die einzelnen Gewerkschaften darum, möglichst vielen Arbeitnehmern (nach Möglichkeit den eigenen Mitgliedern?) die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses zuzusichern. Bei einem solchen Wettstreit der Gewerkschaften um die Gunst ihrer Mitglieder gerät leicht das Verfahrensziel, nämlich der Personalabbau im Interesse einer erfolgreichen Sanierung, aus den Augen. Überbieten sich die Gewerkschaften gegenseitig in ihrem Ringen um den Erhalt von Arbeitsplätzen, kann dies – wie jüngst im Fall „Alitalia“ geschehen – in der kategorischen Ablehnung von Kündigungen gipfeln. Der Sinn des gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahrens wird auf diese Weise konterkariert. Zudem sind die Gewerkschaftsverteter in der Regel betriebsfremd. Betriebsfremden das Schicksal der Belegschaft zu überlassen ist problematisch, weil die Gefahr besteht, dass nicht einzelfallorientiert im Interesse des betroffenen Betriebes entschieden wird, sondern entsprechend übergeordneten, insbesondere (gewerkschafts-)politischen Leitlinien. Allerdings birgt es ebenso Risiken, die prekäre Aufgabe des Personalabbaus Betriebsangehörigen zu übertragen. Denn diese fühlen sich häufig zu innerbetrieblicher Loyalität verpflichtet. Nicht umsonst haben sich Betriebsräte in Deutschland vielfach geweigert, an der Erstellung von als „Todeslisten“ bzw. „Abschusslisten“ verschrienen Namenslisten im Rahmen eines Interessenausgleichs (vgl. § 125 I InsO) mitzuwirken.823 823 Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, Rn. 376; manche sprachen gar von einem „funktionswidrigen Missbrauch“ des Betriebsrats, ebd., mwN; im Bezug auf die ita-
262 5. Kap.: Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts
Es zeigt sich also, dass die italienische Regelung ein konfliktgeladenes Verhandlungsklima begünstigt, in dem sachfremde Erwägungen Einfluss auf das Verfahren gewinnen. Die aufgezeigten strukturellen Mängel der italienischen Regelung trüben deren Vorbildcharakter. Dass die Bedenken gegen die Praktikabilität des gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahrens begründet sind, zeigen exemplarisch die vom unkooperativen Verhalten der Gewerkschaften geprägten Geschehnisse rund um den drohenden Zusammenbruch der italienischen Fluglinie Alitalia: a) Unkooperatives Verhalten der Gewerkschaften – Bsp. Alitalia Alitalia war im April 2008 akut konkursgefährdet.824 Die neun Gewerkschaften, die es bei Alitalia gibt, hatten jeden Sanierungsplan („stur“, wie es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung heißt)825 abgelehnt. Die geplante Übernahme durch Air France war gescheitert, weil der Verhandlungsführer keine Chance auf die Annahme seiner Übernahmekonditionen sah. Dazu dürften die wochenlangen, von „Protesten, Streiks und Interventionen wohlgesinnter Politiker“ begleiteten Verhandlungen beigetragen haben, die – wenn man der Frankfurter Allgemeinen Zeitung glaubt – in Italien gewöhnlich auftreten.826 Besonders eindrücklich zeigen sich die Uneinsichtigkeit und der Blockadewille der Alitalia-Gewerkschaften in einer Äußerung des Chefs der Transportgewerkschaft Filt-CGIL, die eine Sparte von Italiens größter Gewerkschaft darstellt: „Keiner darf auf der Straße stehen. Wir werlienische Rechtslage ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Gewerkschaftsvertreter keine Namensliste der zu entlassenden Arbeitnehmer aufstellen, sondern die Anzahl der Entlassungen bestimmen und ggf. Kriterien für die Auswahl überzähliger Arbeitnehmer vorgeben, Rose, Betriebsübergänge, S. 113. 824 Stand bei Drucklegung im Oktober 2008: Das Parmalat-Gesetz wurde durch ein Regierungsdekret (Decreto legge Nr. 134 vom 28.08.08, G. U. Nr. 201 vom 28. August 2008) speziell im Hinblick auf die Alitalia-Insolvenz geändert. Unter anderem ist der Sonderkommissar auf Grund dieses Dekretes jeglicher persönlicher Haftung enthoben. Die werthaltigen Teile Alitalias werden auf die neu gegründete „Compagnia Aerea Italiana“ (CAI) übertragen, deren Gesellschafter die Mitglieder eines Investorenkonsortiums sind. Der Chef der Bank Intesa San Paolo warnte, dass ohne Zustimmung der Gewerkschaften keine Hoffnung für Alitalia bestehe (FAZ Nr. 204 vom 01.09.2008, S. 17). Am 25.09.2008 haben auch jene Gewerkschaften zugestimmt, die den Sanierungsplan des Konsortiums CAI in der Woche zuvor zum Scheitern gebracht hatten (Handelsblatt Nr. 188 vom 06.09.2008, S. 20). Schließlich gaben am 30.09.2008 die verbliebenen beiden Arbeitnehmerverbände ihr Okay (Handelsblatt Nr. 190 vom 30.09.2008). 825 „Schuld sind immer nur die anderen“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29.04.2008, Nr. 100, S. 21. 826 „Schuld sind immer nur die anderen“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29.04.2008, Nr. 100, S. 21.
A. Mögliche Vorteile der italienischen Rechtsordnung
263
den keine einzige Entlassung erlauben.“827 In einem derartigen Verhandlungsklima sind Versuche, das Personal im Rahmen eines gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahrens abzubauen, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Insofern bestärkt das geschilderte Beispiel die bereits ausgeführten, grundsätzlichen Zweifel an der Praktikabilität des gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahrens italienischen Musters. b) Rechtsunsicherheit Als hinderlich für den zügigen Personalabbau im Zusammenhang mit einer übertragenden Sanierung erweist sich außerdem eine gewisse Rechtsunsicherheit: Gerade angesichts von unkooperativem Verhalten der Gewerkschaften wäre eine dem § 126 InsO vergleichbare Vorschrift in Italien unerlässlich. Für den Fall, dass innerhalb von drei Wochen nach Verhandlungsbeginn oder schriftlicher Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen ein Interessenausgleich nach § 125 I InsO nicht zustande kommt, räumt § 126 InsO dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit ein, beim Arbeitsgericht die Festellung zu beantragen, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse bestimmter, im Antrag bezeichneter Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und sozial gerechtfertigt ist. Die rechtskräftige Entscheidung im Verfahren nach § 126 InsO bindet gem. § 127 I 1 InsO die Parteien im Prozess um eine vom Arbeitnehmer angestrengte Kündigungsschutzklage. Im italienischen Recht fehlt eine entsprechende Regelung, die es dem Insolvenzverwalter im Falle einer nicht (rechtzeitig) erfolgenden Einigung im gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahren gestattet, eine bindende Vorabentscheidung des Gerichts über die materielle Rechtmäßigkeit bestimmter Kündigungen einzuholen. Dieses Defizit bewirkt, dass der Verwalter keine Rechtssicherheit bezüglich der Wirksamkeit von Kündigungen herbeiführen kann. Rechtssicherheit ist jedoch aus der Sicht von potentiellen Erwerbern des insolventen Unternehmens transaktionsentscheidend, so dass das aufgezeigte Defizit die Chancen auf das Gelingen einer übertragenden Sanierung erheblich verschlechtert. Ebenso wenig wie beim gewerkschaftlichen Beteiligungsverfahren lässt sich eine Vorabentscheidung des Gerichts bei einer Kündigung auf Grund eines Erwerberkonzepts erwirken. Die Kündigung auf Grund eines Erwerberkonzepts leidet zudem daran, dass eine gesetzliche Verkürzung der Kündigungsfrist im Insolvenzverfahren (vgl. § 113 InsO) im italienischen Recht nicht vorgesehen ist. 827 Äußerung durch Fabrizio Solari, zitiert nach Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29.04.2008, Nr. 100, S. 21.
264 5. Kap.: Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts
c) Zwischenergebnis Die Methoden des Personalabbaus, die das italienische Recht bereithält, sind nur schwer umsetzbar. In der Praxis behindern vor allem das unkooperative Verhalten der konkurrierenden Gewerkschaften, Rechtsunsicherheit und die fehlende Verkürzung der Kündigungsfrist im Insolvenzverfahren die zügige und endgültige Reduzierung des Personalbestands. Die italienische Gesetzgebung zum Personalabbau im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang erleichtert i. E. die Durchführung einer übertragenden Sanierung nicht stärker als die zu dieser Thematik in Deutschland entwickelten Gestaltungsmöglichkeiten. Letztlich stellt daher die Regelung des Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 bzw. des Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 kein lohnendes Vorbild für den deutschen Gesetzgeber dar.
VIII. Akquise von frischem Kapital Die Bedeutung frischen Kapitals für die Erhaltung des insolventen Unternehmens wurde inzwischen mehrfach hervorgehoben. Die Ausführungen im vierten Kapitel haben gezeigt, dass Art. 111 II LF im Falle eines Anschlusskonkurses die vorrangige Befriedigung von im Ausgleichsverfahren (genauer: „aus Anlass oder im Zusammenhang“ mit dem Ausgleichsverfahren) entstandenen Darlehensverbindlichkeiten zulässt.828 Das deutsche Recht kennt sowohl die Möglichkeit, Darlehensverbindlichkeiten im laufenden Insolvenzverfahren vorrangig zu befriedigen (nämlich Forderungen aus sog. Massekrediten) als auch die Möglichkeit, Darlehensverbindlichkeiten in einem etwaigen Anschlussinsolvenzverfahren zu privilegieren (nämlich Forderungen aus sog. Sanierungskrediten i. S. d. § 264 InsO). Das italienische Recht eröffnet im Vergleich keine weiter gehenden Gestaltungsmöglichkeiten. Auch der debt-equity-swap ist nach italienischem Recht nicht unter erleichterten Bedingungen im Verhältnis zum deutschen Recht möglich, insbesondere fehlt in beiden Rechtsordnungen die Möglichkeit eines mit Zwang verbundenen Eingriffs in die Gesellschafterstruktur. Die Akquise von frischem Kapital erscheint deswegen unter Geltung des italienischen Insolvenzrechts (mindestens) genauso schwierig wie unter Geltung des deutschen Rechts. Die Nachahmung der italienischen Rechtslage ist folglich nicht empfehlenswert.
828
Siehe oben im 4. Kapitel unter C.I.1.i)bb)(2), S. 141 f.
A. Mögliche Vorteile der italienischen Rechtsordnung
265
IX. Kontrollbefugnisse des Gerichts Weder im deutschen Insolvenzplanverfahren noch im italienischen (Zwangs-)Ausgleichsverfahren nimmt das Gericht eine materiell-rechtliche Prüfung im Hinblick auf die Zweckmäßigkeit des zur Unternehmenserhaltung entwickelten Vorschlags vor. Daher ist das Gericht auch nicht berufen, den Gläubigern die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit des Plans zu bestätigen. Die inhaltliche Prüfung des Plans auf seine wirtschaftliche Angemessenheit obliegt vielmehr in beiden Rechtsordnungen allein den Gläubigern, wenn man vom Ausnahmefall einer richterlichen cram-down-Entscheidung absieht. Folglich sind die Kontrollbefugnisse des Gerichts im deutschen und im italienischen Insolvenzrecht ähnlich schwach ausgeprägt. Das italienische Recht kann also nicht als Vorbild dienen.
X. Verwalterauswahl Möglicherweise bietet das italienische Recht ein gutes Vorbild, was die Auswahlkriterien und die Ausgestaltung der Gläubigerrechte bei der Bestimmung des Insolvenzverwalters angeht. 1. Auswahlkriterien Art. 28 LF, der die Anforderungen an den Masseverwalter regelt, unterscheidet sich von § 56 InsO u. a. durch die Nennung bestimmter Berufsgruppen, aus denen sich der Verwalter rekrutieren kann. Die berufliche Qualifikation eines Bewerbers um das Verwalteramt sagt jedoch nichts über den Erfolg des Kandidaten in seiner bisherigen Sanierungspraxis aus. Um unter den Bewerbern mit identischer beruflicher Qualifikation den fähigsten zu erkennen, braucht das Gericht daher ergänzende Hintergrundinformationen. Zu den notwendigen Informationen sind diejenigen zu zählen, die bei der von Haarmeyer initiierten Zertifizierung von Insolvenzverwaltern abgefragt werden und die bereits an anderer Stelle dargelegt wurden.829 Für sich genommen können Vorgaben bezüglich des Berufes des Kandidaten seine Eignung nicht zuverlässiger sicherstellen als die recht vage und pauschal formulierten Anforderungen in § 56 InsO. Auch in Italien erfragen die Gerichte daher neben der beruflichen Vorbildung des Kandidaten eine Fülle von Informationen, wie der im Anhang abgedruckte Fragebogen des Landgerichts Mailand belegt.830 Diese Informationen werden jedoch nicht dazu 829 830
Siehe oben im 2. Kapitel unter A.VI.2., S. 50 ff. Siehe Anhang unter E., S. 306.
266 5. Kap.: Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts
verwandt, die Verwalter nach objektiven Maßstäben zu zertifizieren, um auf diese Weise ein unparteiliches Ranking zu ermöglichen. Stattdessen erstellt das Gericht hinter verschlossenen Türen nach nicht näher spezifizierten Maßstäben ein internes Bewerberranking, dessen Ergebnis den Betroffenen verschwiegen wird. Ein solches Verfahren kann für sich keine Legitimationswirkung in Anspruch nehmen, sondern begünstigt vielmehr eine Entscheidung nach Gutdünken.831 Jedenfalls lässt sich die sachgerechte Ausübung des richterlichen Auswahlermessens bei der Bestellung des Insolvenzverwalters nicht durch einen pauschalen Verweis auf ein derart zustande gekommenes, gerichtsinternes Ranking begründen. § 56 InsO vermag – wenn die Eignung des Bewerbers ergänzend durch eine Zertifizierung (sowie durch Gläubiger- und Schuldnerbeteiligung) sichergestellt wird – eher die verfassungsgemäße Auswahl eines fähigen Verwalters zu gewährleisten als der durch gerichtsinterne Rankings ergänzte Art. 28 LF. Insofern hat die in Italien verbreitete Praxis der Verwalterauswahl auf der Basis von Art. 28 LF keinen Vorbildcharakter. Nach italienischem Recht ist es zulässig, das Verwalteramt einem Zusammenschluss von natürlichen Personen zu übertragen. Die Abwicklung der Insolvenz durch eine Gesellschaft von Verwaltern kann die kompetente Durchführung des Verfahrens begünstigen, weil Gesellschaften regelmäßig sachlich und personell umfassender ausgestattet sind als Einzelne und außerdem im Gegensatz zu einzelnen Verwaltern auf das Spezialwissen verschiedener Mitarbeiter im Rahmen einer leistungsfähigen Organisation zurückgreifen können.832 Gegen die Einsetzung einer juristischen Person als Insolvenzverwalter bestehen allerdings trotzdem erhebliche Bedenken, die bereits zu § 65 I des Regierungsentwurfs zur InsO vorgebracht worden sind. Sie betreffen insbesondere Haftungs- und Aufsichtsprobleme bei einer juristischen Person mit austauschbaren Vertretern.833 Der Austausch ohne Beteiligung der Gläubiger und des Gerichts sei zudem mit der Bestellungsbefugnis des Insolvenzgerichts und der Abwahlbefugnis der Gläubiger nicht vereinbar.834 Aus Sicht des deutschen Gesetzgebers wiegen diese Bedenken so schwer, dass er von der Übernahme des § 65 I RegEInsO, nach dem auch juristische Personen als Insolvenzverwalter hätten bestellt werden können, in die endgültige Fassung der Insolvenzordnung abgesehen hat. Art. 28 LF 831 Im deutschen Recht dürfte eine solche Entscheidung auch mit Blick auf Art. 12, 3 GG nicht unproblematisch sein. 832 Haberhauer/Meeh, DStR 1995, 1442 (1446). 833 Balz/Landfermann, Insolvenzgesetze, Ausschussbericht zu § 65, S. 135; MüInsO-Graeber, § 56 Rn. 5; Haberhauer/Meeh, DStR 1995, 1442 (1446 f.); HessHess, § 56 Rn. 49 ff.; Smid-Smid, § 56 Rn. 4; Uhlenbruck, AnwBl 1993, 453 ff.; Pape, ZIP 1993, 737 ff.; Braun, BB 1993, 2172 ff. 834 MüInsO-Graeber, § 56 Rn. 5; Smid-Smid, § 56 Rn. 3, 4.
A. Mögliche Vorteile der italienischen Rechtsordnung
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kann deswegen auch im Hinblick auf die Einbeziehung juristischer Personen in den Kreis der potentiellen Verwalter nicht als Vorbild für eine etwaige Neufassung des § 56 InsO dienen. 2. Gläubigerbeteiligung Sowohl nach deutschem als auch nach italienischem Recht obliegen die Auswahl und die Bestellung des Verwalters dem Richter. Allenfalls nachträglich bietet sich den Gläubigern die Gelegenheit, die vom Richter vorgenommene Auswahl des Verwalters in Frage zu stellen. Die Möglichkeiten der Gläubiger, den ursprünglich eingesetzten Verwalter durch einen Wunschkandidaten zu ersetzen, sind im italienischen Recht sogar gegenüber dem deutschen Recht eingeschränkt. Gemäß Art. 37-bis LF prüft der Richter nämlich zunächst, ob wichtige Gründe das Ersuchen um die Ersetzung des Konkursverwalters rechtfertigen, während der Richter bei der Wahl eines anderen Insolvenzverwalters gem. § 57 InsO die Gründe für den Austausch des Verwalters nicht zu hinterfragen hat.835 Noch weniger Handhabe als im Konkursverfahren haben die Gläubiger im Ausgleichsverfahren. Dort kann ein Antrag auf Enthebung des Ausgleichsverwalters gem. Art. 165 II i. V. m. Art. 37 LF nicht sicherstellen, dass mittelfristig ein von der Gläubigermehrheit akzeptierter Verwalter zum Einsatz kommt, weil es dem Richter überlassen bleibt, welchen Verwalter er als Ersatz wählt. Im Sonderverfahren der außerordentlichen Verwaltung haben die Gläubiger schließlich keine Möglichkeit, die Auswahl des Verwalters in Frage zu stellen. Da somit die Gläubigerrechte bei der Bestimmung des Verwalters nach italienischem Recht noch schwächer ausgeprägt sind als nach deutschem Recht, können die italienischen Regelungen nicht besser als ihre deutschen Entsprechungen sicherstellen, dass ein von den Beteiligten anerkannter Verwalter zum Einsatz kommt. Das italienische Insolvenzrecht hat auch insofern also keinen Vorbildcharakter. 3. Zwischenergebnis Demnach lässt sich zusammenfassend feststellen, dass das italienische Recht im Vergleich zum deutschen Insolvenzrecht keine geeigneteren Mechanismen zur Auswahl eines fähigen und anerkannten Verwalters kennt. Insbesondere werden die Gläubiger nach italienischem Recht nicht an der Auswahl des Verwalters beteiligt. 835 Das ergibt sich im Bezug auf das deutsche Recht schon daraus, dass die Abwahl des bei Insolvenzeröffnung gerichtlich bestellten Insolvenzverwalters keiner Begründung bedarf: LG Baden-Baden, ZIP 1997, 1350; Wimmer-Kind, § 57 Rn. 9; Pape, EWiR 1997, S. 945 (945).
268 5. Kap.: Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts
B. Fazit Die bisherigen Ausführungen haben ergeben, dass sich nur wenige der untersuchten italienischen Regelungen positiv von den entsprechenden deutschen Bestimmungen abheben. Unter welchen Gesichtspunkten das italienische Insolvenzrecht ausnahmsweise vorzugswürdig gegenüber dem deutschen erscheint, kann wie folgt zusammengefasst werden:
I. Berechenbarkeit des Verfahrens Das italienische Ausgleichsverfahren ist aus Schuldnersicht berechenbarer als das deutsche Insolvenzplanverfahren. Die höhere Berechenbarkeit, die vor allem auf den Erhalt der Befugnis zur Vermögensverwaltung und Unternehmensführung sowie auf den bestimmenden Einfluss des Schuldners auf die Gestaltung des Plans zurückzuführen ist, begünstigt die rechtzeitige Einleitung eines Insolvenzverfahrens. Diese wiederum erhöht die Sanierungschancen.
II. Annahme des Plans Nach italienischem Recht ist für die Annahme des Ausgleichsplans gem. Art. 177 LF allein die Kapitalmehrheit erforderlich, auf die Kopfmehrheit kommt es hingegen nicht an. Diese Beschränkung begünstigt eine zügige Einigung und entspricht der inneren Logik des Insolvenzrechts. Deswegen ist die italienische Regelung insoweit nachahmenswert.
C. Übertragbarkeit vorbildlicher Regelungen des italienischen Rechts – Lösungen zur Stärkung des Insolvenzstandortes Deutschland Sicherlich ist Vallender zuzustimmen, der angesichts des sich abzeichnenden Wettbewerbs der Rechtssysteme urteilt, Aktionismus sei verfehlt, weil schon die geltenden Bestimmungen des deutschen Insolvenzrechts hinreichende Möglichkeiten für eine erfolgreiche Reorganisation bzw. Sanierung des Unternehmens böten.836 Dennoch mögen vorbildliche Regelungen aus ausländischen Rechtsordnungen – insbesondere aus dem hier betrachteten italienischen Recht – den deutschen Gesetzgeber inspirieren, Lösungen zur weiteren Stärkung des Insolvenzstandortes Deutschland zu entwickeln. 836
Vallender, NZI 2007, 129 (137).
C. Übertragbarkeit vorbildlicher Regelungen des italienischen Rechts
269
Bevor jedoch ein Appell an den Gesetzgeber gerichtet wird, ist zunächst zu bedenken, inwiefern der Rechtsanwender bereits auf der Grundlage der aktuellen Gesetzeslage das durch den Rechtsvergleich verdeutlichte Verbesserungspotential im deutschen Insolvenzrecht ausschöpfen kann. Im Folgenden wird daher zwischen zwei Fragestellungen unterschieden: Zum einen wird zu klären sein, ob die oben837 aufgezeigten vorbildlichen Regelungen des italienischen Insolvenzrechts de lege lata auf das deutsche Recht übertragbar sind. Zum anderen wird der Frage nachgegangen, inwiefern vorbildliche Regelungen des italienischen Insolvenzrechts de lege ferenda auf das deutsche Recht übertragen werden können. Die abschließende Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesenform zeigt die zuvor erarbeiteten Verbesserungsvorschläge auf, die vom Rechtsanwender bzw. vom Gesetzgeber aufgegriffen werden sollten.
I. Berechenbarkeit des Verfahrens Das italienische Ausgleichsverfahren macht den Gang des Insolvenzverfahrens für den Schuldner berechenbar.838 Denn das schuldnerische Unternehmen wird im Ausgleichsverfahren zwangsläufig kraft Gesetzes in Eigenverwaltung geführt, während die Eigenverwaltung nach deutschem Recht von der ungewissen richterlichen Anordnung gem. § 270 II InsO abhängt. Der Vorteil des Ausgleichsverfahrens liegt mit anderen Worten in der Gewissheit, mit der der Schuldner erwarten kann, dass das Verfahren in Eigenverwaltung abgewickelt wird. Diese Gewissheit begünstigt die unter Sanierungsgesichtspunkten besonders wünschenswerte frühzeitige Stellung des Insolvenzantrags. 1. Anordnung der Eigenverwaltung Damit die Anordnung der Eigenverwaltung dem Schuldner gewiss erscheint, könnte ein dem Ausgleichsverfahren entsprechendes Verfahren in das deutsche Recht eingeführt werden. Ein solcher Schritt ist jedoch nicht notwendig, wenn die als vorteilhaft erachtete Gewissheit bezüglich der Anordnung der Eigenverwaltung auch auf andere Weise erreicht werden kann. Insofern sind mehrere Möglichkeiten denkbar: Zum einen könnte dem Schuldner ein Rechtsbehelf gegen die Versagung der Eigenverwaltung gewährt werden.839 Dann wäre sich der Schuldner sicher, die Anordnung der Eigenverwaltung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erzwingen 837 838 839
Siehe oben unter B., S. 268 ff. Siehe oben unter A.I., S. 239 ff. Dazu siehe unten unter C.I.1.a), S. 270 ff.
270 5. Kap.: Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts
zu können. Zum anderen könnte ein im Folgenden näher zu beschreibender Mechanismus in der Insolvenzordnung verankert werden, der es dem Schuldner ermöglicht, unabhängig vom Dafürhalten des Gerichts (aber abhängig vom Gläubigerwillen) zur Eigenverwaltung zugelassen zu werden.840 a) Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über die Eigenverwaltung Zu der positiv zu beurteilenden Gewissheit des Schuldners, wie sie im vorbildlichen Ausgleichsverfahren besteht, würde es also zunächst beitragen, dem Schuldner einen Rechtsbehelf gegen die Versagung der Eigenverwaltung zu gewähren. aa) De lege lata (1) Statthaftigkeit Ob dem Schuldner ein solcher Rechtsbehelf bereits auf der Grundlage des geltenden Rechts zusteht, wird uneinheitlich beurteilt. (a) Unanfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung Nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist kein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über die Eigenverwaltung statthaft.841 Die selbständige Anfechtung der ablehnenden Entscheidung über die Eigenverwaltung komme wegen § 6 I InsO nur dann in Betracht, wenn die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde gegen eine solche Entscheidung zulasse. Die §§ 270 ff. InsO sähen allerdings keine entsprechende Regelung vor, so dass die Entscheidung über die Eigenverwaltung nicht isoliert angefochten werden könne.842 Ebenso sei es ausgeschlossen, die Entscheidung über die Eigenverwaltung mittelbar anzufechten – nämlich über die Anfechtung des Eröffnungsbeschlusses gem. § 6 I i. V. m. § 34 II InsO. 840
Dazu siehe unten unter C.I.1.b), S. 277 ff. BGH NJW-RR 2007, 559 ff.; BGH NJW-RR 2007, 561 ff.; zuvor schon ebenso LG Mönchengladbach NZI 2003, 152 ff.; MüInsO-Wittig, § 270 Rn. 118; Gottwald-Haas, § 87 Rn. 36; Wimmer-Schmerbach, § 6 Rn. 10k; HK-InsO/Kirchhof, § 34 Rn. 13; HK-InsO/Landfermann, § 270 Rn. 18; Braun-Kind, InsO, § 34 Rn. 12; Nerlich/Römermann-Riggert, § 270 Rn. 29; HambK-InsO/Schröder, § 34 Rn. 9; Häsemeyer, InsolvenzR, Rn. 8.09; Vallender, WM 1998, 2129 (2133). 842 BGH NJW-RR 2007, 561 (562); MüInsO-Wittig, § 270 Rn. 118; GottwaldHaas, § 87 Rn. 36. 841
C. Übertragbarkeit vorbildlicher Regelungen des italienischen Rechts
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Die sofortige Beschwerde gem. § 34 II InsO richtet sich ausweislich des Gesetzeswortlauts gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Anordnung bzw. Ablehnung der Eigenverwaltung kann deshalb nur dann Prüfungsgegenstand der sofortigen Beschwerde i. S. d. § 34 II InsO sein, wenn die Entscheidung über die Anordnung der Eigenverwaltung zusammen mit der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung eine rechtliche Einheit bildet, so dass sich die richterliche Prüfung des Eröffnungsbeschlusses auch auf die Entscheidung über die Eigenverwaltung erstreckt. Diese beiden Entscheidungen seien jedoch – so die herrschende Meinung – gerade nicht derart verknüpft. Vielmehr handele es sich bei der Entscheidung über die Anordnung der Eigenverwaltung einerseits und der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung andererseits um gesonderte Entscheidungen, die nur der äußeren Form nach gem. § 270 I 1 InsO in einem einzigen Beschluss zusammengefasst werden könnten.843 Daher sei im Bezug auf die Rechtsschutzmög-lichkeiten zwischen den beiden Entscheidungen zu differenzieren. Fasse das Gericht die anfechtbare Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der unanfechtbaren (Nicht-)Anordnung der Eigenverwaltung in einem einheitlichen Beschluss zusammen, löse diese Verknüpfung keine Veränderung der jeweiligen Rechtsschutzmöglichkeiten aus.844 Die Entscheidung über die Eigenverwaltung bleibe somit unanfechtbar, sie könne auch nicht im Wege der sofortigen Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss angefochten werden.845 (b) Anfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung Hingegen räumen die Vertreter der Mindermeinung zwar ein, dass die Entscheidung über die Eigenverwaltung wegen § 6 I InsO nicht isoliert angefochten werden könne.846 Sie gehen jedoch davon aus, dass die Anfechtbarkeit des Eröffnungsbeschlusses gem. § 6 I i. V. m. § 34 II InsO es dem Schuldner ermögliche, die ablehnende Entscheidung über die Eigenverwal843 BGH NJW-RR 2007, 559 (560 Rn. 10 f.); BGH NJW-RR 2007, 561 (562 Rn. 9). 844 BGH NJW-RR 2007, 559 (560 Rn. 10); BGH NJW-RR 2007, 561 (562 Rn. 9); MüInsO-Ganter, § 6 Rn. 8; Prütting, NZI 2000, 145 (147). 845 Ebenso BGH NJW-RR 2007, 559 ff.; BGH NJW-RR 2007, 561 ff.; MüInsOWittig, § 270 Rn. 118; MüInsO-Schmahl, § 34 Rn. 80; Gottwald-Haas, § 87 Rn. 36; Wimmer-Schmerbach, § 6 Rn. 10k; HK-InsO/Kirchhof, § 34 Rn. 13; HK-InsO/ Landfermann, § 270 Rn. 18, Braun-Kind, InsO, § 34 Rn. 12; Nerlich/RömermannRiggert, § 270 Rn. 29; HambK-InsO/Schröder, § 34 Rn. 9; Häsemeyer, InsolvenzR, Rn. 8.09; Vallender, WM 1998, 2129 (2133). 846 Flöther/Smid/Wehdeking-Smid/Wehdeking, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, Rn. 27; Smid, DZWIR 2007, 488 (490); Uhlenbruck, ZInsO 2003, 821 (822).
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tung mittelbar anzufechten – und zwar über die Anfechtung des Eröffnungsbeschlusses.847 Der Insolvenzeröffnungsbeschluss bilde nämlich mit der Anordnung bzw. Ablehnung der Eigenverwaltung eine rechtliche Einheit.848 Denn über die Eigenverwaltung müsse gem. § 270 I 1 InsO zusammen mit der Eröffnung entschieden werden. Zudem stelle § 270 I 2 InsO eine Verbindung zwischen der Eigenverwaltung und der Anfechtbarkeit des Eröffnungsbeschlusses her.849 Die genannte Norm ordnet die Anwendbarkeit der „allgemeinen Vorschriften“ im Verfahren der Eigenverwaltung an. Von diesem Verweis werde auch § 34 InsO erfasst, der die sofortige Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss regelt.850 Es liege daher nahe, die Anordnung bzw. Ablehnung der Eigenverwaltung über eine sofortige Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss gem. § 6 I i. V. m. § 270 I 2 i. V. m. § 34 II InsO einer rechtlichen Überprüfung zugänglich zu machen. (c) Stellungnahme Die Behauptung, der Verweis in § 270 I 2 InsO erfasse auch § 34 InsO, überzeugt bei systematischer Betrachtung nicht. Denn der mit „Allgemeine Vorschriften“ überschriebene erste Teil der Insolvenzordnung, auf den in § 270 I 2 InsO verwiesen wird, umfasst nur die §§ 1–10 InsO. Auf § 34 InsO wird hingegen nicht Bezug genommen. § 270 I 2 InsO vermag es daher nicht zu rechtfertigen, im Rahmen der Überprüfung des Eröffnungsbeschlusses auch die Ablehnung der Eigenverwaltung einer rechtlichen Überprüfung zu unterziehen. Überzeugend erscheint allerdings, dass die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Entscheidung über die Anordnung der Eigenverwaltung eine rechtliche Einheit bilden. Einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt für diese einheitliche Betrachtungsweise bietet insbesondere § 270 I 1 InsO, nach dem über die Eigenverwaltung zusammen mit der Eröffnung entschieden werden muss und nach dem die Anordnung der Eigenverwaltung zwangsläufig die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens voraussetzt.851 847 Smid-Smid, § 34 Rn. 11; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 34 Rn. 17; ders., ZInsO 2003, 821 f. Wimmer-Foltis, § 270 Rn. 19; Bärenz, EWiR 2003, 483 f.; Flöther/Smid/Wehdeking-Smid/Wehdeking, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, Rn. 27. 848 Uhlenbruck, ZInsO 2003, 821 (822); Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 34 Rn. 18; Bärenz, EWIR 2003, 483 (484). 849 Wimmer-Foltis, § 270 Rn. 19. 850 Wimmer-Foltis, § 270 Rn. 19.
C. Übertragbarkeit vorbildlicher Regelungen des italienischen Rechts
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Es ist auch deswegen zutreffend, von einer einheitlichen Entscheidung auszugehen, weil die Eigenverwaltung eine eigene Verfahrensart darstellt.852 Daher darf nicht zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einerseits und der Entscheidung über die Eigenverwaltung andererseits differenziert werden.853 Den Charakter der Eigenverwaltung als Sonderverfahren belegt § 27 I InsO.854 Dort wird zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Ernennung eines Insolvenzverwalters und der Anordnung der Eigenverwaltung gem. § 270 InsO unterschieden. Die Annahme einer rechtlichen Einheit entspricht zudem der Interessenlage des Schuldners, der nur unter der Voraussetzung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einverstanden ist, dass er seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht an einen Insolvenzverwalter verliert, d. h. dass die Eigenverwaltung angeordnet wird. Schließlich sprechen teleologische Argumente dafür, dem Schuldner einen Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der Eigenverwaltung zu gewähren: Die Versagung eines Rechtsmittels gegen die Ablehnung der Eigenverwaltung widerspricht der Intention des Gesetzgebers.855 Die Möglichkeit der Eigenverwaltung gem. §§ 270 ff. InsO soll bekanntlich den Schuldner motivieren, frühzeitig das Insolvenzverfahren einzuleiten, insbesondere durch einen auf den Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit gestützten Eigenantrag.856 Im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist der Schuldner nicht zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet.857 Er entscheidet sich regelmäßig nur dann aus freien Stücken für einen Insolvenzantrag, wenn ihm die Anordnung der Eigenverwaltung mit ihren typischen Vorteilen für den Schuldner gewiss erscheint. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne die Anordnung der Eigenverwaltung ist in einem solchen Fall weder vom Schuldner beabsichtigt, noch ihm angesichts der fehlenden Antragspflicht zumutbar.858 Deswegen muss es dem Schuldner unter diesen Umständen zumindest möglich sein, sich mittels eines Rechtsbehelfs gegen die ablehnende Entscheidung über den Antrag auf Eigenver851
Uhlenbruck, ZInsO 2003, 821 (821). Uhlenbruck, ZInsO 2003, 821 (822); Jaeger-Schilken, InsO, § 34 Rn. 22. 853 Jaeger-Schilken, InsO, § 34 Rn. 22. 854 Smid, DZWIR 2007, 488 (490); Flöther/Smid/Wehdeking-Smid/Wehdeking, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, Rn. 31. 855 Flöther/Smid/Wehdeking-Smid/Wehdeking, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, Rn. 27; krit. Gottwald-Haas, § 87 Rn. 36. 856 Begründung RegE zu §§ 331 ff. (= §§ 270 ff. InsO), Kübler/Prütting, S. 518. 857 Gottwald-Haas, § 87 Rn. 36. 858 Bärenz, EWiR 2003, 483 (484); Smid-Smid, InsO, § 34 Rn. 11; nur unter Einschränkungen zustimmend Gottwald-Haas, § 87 Rn. 36. 852
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waltung zu wehren. Fehlt ein solcher Rechtsbehelf, so ist zu erwarten, dass der Schuldner aus Furcht vor der Eröffnung eines derart (i. e. ohne Anordnung der Eigenverwaltung) nicht gewollten Insolvenzverfahrens vorsichtshalber auf einen frühzeitigen Eigenantrag verzichtet.859 – Das gilt insbesondere, zumal der Schuldner seinen Insolvenzantrag nicht mehr zurückziehen kann, sobald das Gericht das Insolvenzverfahren (entgegen dem schuldnerischen Antrag ohne Anordnung der Eigenverwaltung) eröffnet hat, vgl. § 13 II, 1. Alt. InsO. – Das vom Gesetzgeber anvisierte Ziel der Eigenverwaltung würde also wegen der beschriebenen Bedenken und der begründeten Scheu des Schuldners verfehlt. Deswegen räumt sogar der Bundesgerichtshof, der im Ergebnis die Existenz eines Rechtsbehelfs gegen die Ablehnung der Eigenverwaltung verneint, ein, dass die Zulassung der sofortigen Beschwerde gegen die Versagung der Eigenverwaltung dem Anliegen des Gesetzgebers gerecht würde.860 Ein Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der Anordnung der Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht ist schließlich nicht schon deswegen entbehrlich, weil die erste Gläubigerversammlung gem. § 271 InsO entgegen der ursprünglich ablehnenden Entscheidung des Gerichts die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung beschließen kann. Denn die Gläubigerversammlung findet gem. § 29 I Nr. 1 InsO bis zu drei Monate nach der Insolvenzeröffnung statt, so dass zwischenzeitlich dem Schuldner bereits jegliche Sanierungschance genommen worden sein kann und die Insolvenzverwaltertätigkeit zu einer irreparablen Beeinträchtigung der Fortführungschancen geführt haben kann.861 Die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung vermag folglich das Fehlen eines Rechtsbehelfs nicht zu kompensieren. Fest steht also, dass es für die Erreichung des Gesetzeszwecks förderlich wäre, dem Schuldner einen Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der Eigenverwaltung zuzuerkennen. Eine entsprechende Auslegung des § 34 II InsO kann sich nicht nur auf die bereits aufgeführten systematischen und teleologischen Argumente stützen. Sie entspricht darüber hinaus auch dem aus Art. 19 IV GG und dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitenden Justizgewährungsanspruch des Schuldners, weil sie den Instanzenzug eröffnet.862 859
Bärenz, EWiR 2003, 483 (484). BGH NJW-RR 2007, 559 (560 Rn. 12). 861 Wimmer-Foltis, § 270 Rn. 19; ähnlich Uhlenbruck, ZInsO 2003, 821 (821); zugestanden auch von BGH NJW-RR 2007, 559 (560). 862 Uhlenbruck, ZInsO 2003, 821 (822); Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 34 Rn. 17. 860
C. Übertragbarkeit vorbildlicher Regelungen des italienischen Rechts
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Somit ist gegen die ablehnende Entscheidung über die Eigenverwaltung die sofortige Beschwerde gem. § 34 II InsO statthaft. Das Beschwerdegericht kann im Rahmen der Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 270 II InsO vorlagen, die Eigenverwaltung also hätte angeordnet werden müssen.863 (2) Zulässigkeit Nach den Grundsätzen des Zivilprozessrechts, die gem. § 4 InsO im Insolvenzverfahren entsprechend anzuwenden sind, setzt die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs die Beschwer des Rechtsbehelfsführers voraus.864 Möglicherweise scheitert die sofortige Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss an der Unzulässigkeit dieses Rechtsbehelfs wegen fehlender Beschwer des Schuldners. Wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, hängt die Beurteilung der Beschwer letztlich wiederum davon ab, ob man den Antrag auf Verfahrenseröffnung und den Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung als eine rechtliche Einheit begreift. (a) Formelle Beschwer Der Rechtsbehelfsführer ist formell beschwert, wenn die mit dem Rechtsbehelf angegriffene Entscheidung zu Lasten des Rechtsbehelfsführers von seinem Antrag abweicht.865 Der Schuldner ist folglich in diesem Sinne beschwert, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Versagung der Eigenverwaltung zu Lasten des Schuldners von seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Anordnung der Eigenverwaltung abweicht. 863 Ebenso: Smid-Smid, § 34 Rn. 11; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 34 Rn. 17, 22; ders., ZInsO 2003, 821 f.; Wimmer-Foltis, § 270 Rn. 19; Bärenz, EWiR 2003, 483 f.; Flöther/Smid/Wehdeking-Smid/Wehdeking, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, Rn. 27. 864 St. Rspr., z. B. RGZ 160, 192; 170, 348; BGHZ 22, 43; 24, 369 (370); 50, 261 (263); Musielak-Ball, ZPO, Vor §§ 511–541, Rn. 16; MüInsO-Schmahl, § 34 Rn. 69; MüInsO-Ganter, § 6 Rn. 30; Wimmer-Schmerbach, § 34 Rn. 13; Andres/ Leithaus-Andres, § 6 Rn. 16; Hess-Hess, § 34 Rn. 18; Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, Vor § 511 Rn. 10; Stein/Jonas-Grunsky, ZPO, Allg. Einleitung Rn. 70. 865 Statt vieler: BGH NJW 1955, 545; NJW 1965, 441; NJW 1978, 887; NJW 1991, 703 (704); Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, Vor § 511 Rn. 13; Thomas/PutzoReichold, ZPO, Vor § 511 Rn. 18; MüInsO-Ganter, § 6 Rn. 31; Stein/Jonas-Grunsky, ZPO, Allg. Einleitung Rn. 78; Flöther/Smid/Wehdeking-Smid/Wehdeking, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, Rn. 29.
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Betrachtet man den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und den Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung nicht als eine Einheit, dann ist im Rahmen des § 34 II InsO eine Übereinstimmung zwischen Antrag und erlassener Entscheidung anzunehmen und deswegen die für die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde erforderliche formelle Beschwer zu verneinen:866 Denn hinsichtlich des Antrags auf Verfahrenseröffnung fehlt es an der Abweichung zwischen Antrag und Entscheidung, weil der Schuldner einen Eigenantrag gestellt hat und das Verfahren folgerichtig eröffnet worden ist. Im Hinblick auf den Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung liegt zwar eine Abweichung zwischen Antrag und Entscheidung vor. Die Entscheidung über die Eigenverwaltung kann jedoch nicht selbständig angefochten werden, weil insofern die sofortige Beschwerde – wie bereits gezeigt – nicht statthaft ist.867 Nimmt man hingegen mit der hier vertretenen Auffassung an, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung eine rechtliche Einheit darstellen,868 muss Folgendes gelten: Die Insolvenzeröffnung unter Versagung der Eigenverwaltung weicht von dem Teil des schuldnerischen Antrags, mit dem der Schuldner die Anordnung der Eigenverwaltung begehrt, zu Lasten des Schuldners ab. Der Schuldner ist durch den Eröffnungsbeschluss also formell beschwert. (b) Materielle Beschwer Dem Schuldner wird gem. § 80 InsO die Verwaltungsbefugnis entzogen, wenn keine Eigenverwaltung angeordnet wird. Es liegt daher auf der Hand, dass die ablehnende Entscheidung über die Eigenverwaltung für den Schuldner einen nachteiligen Inhalt hat, so dass der Schuldner durch diese Entscheidung materiell beschwert ist.869 Da der Schuldner durch die Versagung der Eigenverwaltung folglich sowohl formell als auch materiell beschwert ist, scheitert die sofortige Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss nicht an der Unzulässigkeit dieses Rechtsbehelfs wegen fehlender Beschwer des Rechtsbehelfsführers.
866 MüInsO-Wittig, § 270 Rn. 118; LG Mönchengladbach, ZIP 2003, 728 ebenso wie die Vorinstanz AG Mönchengladbach, ZInsO 2003, 95 (96). 867 Siehe oben unter C.I.1.a)aa)1)(a), S. 270 und unter C.I.1.a)aa)(1)(b), S. 271. 868 Siehe oben unter C.I.1.a)aa)(1)(c), S. 272. 869 So zu Recht auch MüInsO-Ganter, § 6 Rn. 32; Jaeger-Schilken, InsO, § 34 Rn. 22; Flöther/Smid/Wehdeking-Smid/Wehdeking, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, Rn. 30; Bärenz, EWiR 2003, 483 f.
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(3) Ergebnis Der Schuldner kann die Überprüfung der ablehnenden Entscheidung über die Eigenverwaltung erreichen, indem er gem. § 34 II InsO gegen den Eröffnungsbeschluss sofortige Beschwerde einlegt. Die für die Zulässigkeit dieses Rechtsbehelfs erforderliche Beschwer des Schuldners ist gegeben. Bereits das geltende Recht lässt somit bei entsprechender Auslegung einen Rechtsbehelf des Schuldners gegen die Entscheidung über die Eigenverwaltung zu. Die vorgeschlagene Auslegung trägt dazu bei, die Berechenbarkeit des Insolvenzverfahrens zu erhöhen und so einen Anreiz für die unter Sanierungsgesichtspunkten besonders wünschenswerte frühzeitige Stellung des Insolvenzantrages zu schaffen. Zugleich sorgt die hier favorisierte Auslegung des § 34 II InsO dafür, dass sich die Berechenbarkeit des deutschen Insolvenzverfahrens dem des italienischen Ausgleichsverfahrens annähert, so dass die Einführung des Ausgleichsverfahrens in das deutsche Recht entbehrlich wird. bb) De lege ferenda Um die Erzwingbarkeit der Eigenverwaltung sicherzustellen, ist allerdings eine gesetzliche Änderung angezeigt: Um Klarheit zu schaffen und um dem Schuldner endlich den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang versagten Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der Eigenverwaltung zu gewähren, sollte die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die ablehnende Entscheidung über die Eigenverwaltung ausdrücklich normiert werden. Insoweit würde es sich anbieten, entweder den § 34 InsO um eine entsprechende Regelung zu ergänzen oder in die §§ 270 ff. InsO einen neuen Paragraphen mit einem entsprechenden Inhalt einzufügen. Für die Beschwerdefrist sowie die Wirkungen der Entscheidung des Beschwerdegerichts wäre selbstverständlich § 6 II, III InsO als Norm aus dem allgemeinen Teil der Insolvenzordnung maßgeblich. b) Ausschluss von Versagungsgründen Der Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) stößt wegen der Unkalkulierbarkeit gerichtlicher Entscheidungen in der Praxis auf wenig Akzeptanz.870 Ein drohend zahlungsunfähiger Schuldner ver870
Uhlenbruck, ZInsO 2003, 821 (822); ähnlich Rendels/Zabel, INDAT-Report 03/2007, 28 (30); die fehlende praktische Bedeutung dieses Eröffnungsgrundes hebt auch FA-InsR/Hefermehl, S. 37 Rn. 175 hervor.
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bindet seinen Eigenantrag in der Regel mit einem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung. Bei Antragstellung ist dem Schuldner aber unklar, ob das Gericht dem Antrag auf Eigenverwaltung stattgeben wird. Insbesondere lässt sich nicht vorhersehen, ob das Gericht Nachteile für die Gläubiger i. S. d. § 270 II Nr. 3 InsO erkennen wird, die die Versagung der Eigenverwaltung rechtfertigen. (Umstände, die (auch) nachteilig für die Gläubiger sind, lassen sich wahrscheinlich stets finden.)871 In dieser Rechtsunsicherheit – die im vorbildlichen Ausgleichsverfahren gerade nicht besteht – sieht Eidenmüller zutreffend einen wesentlichen Grund, sich gegen Deutschland als Restrukturierungsstandort zu entscheiden.872 Die Gewährung eines Rechtsbehelfs gegen die Ablehnung der Eigenverwaltung ändert nur wenig an der beklagten Unkalkulierbarkeit. Wirksamer wäre die Einführung eines Instruments, das es dem Schuldner von vornherein ermöglicht, sicher – d. h. unabhängig vom Dafürhalten des Gerichts – zur Eigenverwaltung zugelassen zu werden. Systemgerecht wäre es, die Gläubiger frühzeitig in die Entscheidung über die Eigenverwaltung einzubeziehen und den Willen der Gläubiger bei dieser Entscheidung in den Vordergrund zu stellen. Das ergibt sich nicht nur aus der allgemeinen Begründung zum Regierungsentwurf der Insolvenzordnung, wo ausdrücklich klargestellt wird, dass die Eigenverwaltung einzig vom Gläubigerwillen abhängen solle,873 sondern auch aus der Entscheidung des Gesetzgebers, den Gläubigern gem. §§ 271, 272 I Nrn. 1 und 2 InsO die Letztentscheidungskompetenz über die Anordnung bzw. Aufhebung der Eigenverwaltung zuzubilligen. Nach dem geltenden Recht trifft zunächst das Insolvenzgericht eine Entscheidung über die Eigenverwaltung; die Gläubiger erhalten erst in der bis zu drei Monate nach Insolvenzeröffnung stattfindenden ersten Gläubigerversammlung die Gelegenheit zur Korrektur dieser richterlichen Entscheidung. De lege ferenda könnte eine Regelung eingeführt werden, nach der die Gläubiger die Anordnung der Eigenverwaltung bei Verfahrenseröffnung bewirken können, indem sie bereits im Vorfeld der Insolvenzeröffnung verbindlich der Eigenverwaltung zustimmen. Diese Regelung könnte eine unwiderlegbare Vermutung vorsehen: Sprechen sich die Gläubiger für die Ei871
Eidenmüller, ZIP 2007, 1729 (1735). Eidenmüller, ZIP 2007, 1729 (1735); in diese Richtung auch Schiller, Global Insolvency and Restructuring Review 2007/2008, S. 99 f., 102; Griffiths, JUVE Rechtsmarkt 04/2007, 31 (36), der die Skepsis der Insolvenzgerichte gegenüber der Eigenverwaltung beklagt. 873 Balz/Landfermann, Insolvenzgesetze, Allgemeine Begründung RegE 4 h) bb), S. 177. 872
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genverwaltung aus, muss das Gericht unwiderlegbar vermuten, dass die Eigenverwaltung nicht zu Nachteilen für die Gläubiger i. S. d. § 270 II Nr. 3 InsO führen wird. Das Gericht wäre somit gezwungen, dem mit dem Eröffnungsantrag verbundenen Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung stattzugeben. Der Schuldner könnte sich folglich bei Antragstellung sicher sein, dass die Eigenverwaltung angeordnet wird. Die Bedenken des Schuldners, die bislang zur fehlenden Akzeptanz des Eröffnungsgrundes der drohenden Zahlungsunfähigkeit geführt haben, würden ausgeräumt. Die für die Sanierung förderliche frühzeitige Einleitung des Insolvenzverfahrens würde somit begünstigt. aa) Erforderliche Mehrheit Es stellt sich die Frage, welche Mehrheit erforderlich sein sollte, um die besagte unwiderlegbare Vermutung auszulösen. Insofern sind verschiedene Lösungen denkbar: (1) Summenmehrheit in Anlehnung an § 271 InsO In Anlehnung an § 271 i. V. m. §§ 76 II, 77 InsO könnte die einfache Summenmehrheit zu fordern sein. Statt auf die abstimmenden Gläubiger (vgl. § 76 II InsO) müsste allerdings auf die stimmberechtigten Gläubiger abgestellt werden. Denn eine Abstimmung im Rahmen einer Gläubigerversammlung findet vor der Insolvenzeröffnung gerade nicht statt. Welche Gläubiger mit welchen Forderungen gem. § 77 InsO stimmberechtigt sind, lässt sich vor der Insolvenzeröffnung nicht mit Sicherheit sagen, weil die zur Feststellung des Stimmrechts notwendige Anmeldung der Forderungen und ihre Prüfung noch bevorstehen. Es wäre jedoch möglich, eine Prognose anzustellen und die voraussichtlich stimmberechtigten Gläubiger bei der Feststellung der Mehrheit zu berücksichtigen.874 Das setzt allerdings voraus, dass die zur Feststellung der Mehrheit erforderlichen Unterlagen, insbesondere ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen, dem Gericht bereits im Eröffnungsverfahren vorliegen. Auf die Frage, wie das Gericht den Anteil der zustimmenden Gläubiger trotz des im Eröffnungsverfahren typischerweise bestehenden Informationsdefizits zuverlässig ermitteln kann, wird im Folgenden noch näher einzugehen sein.875 874 Gegen diese vorläufige Feststellung des Stimmrechts sollte allerdings kein Rechtsbehelf statthaft sein, weil sonst der Streit über das Stimmrecht zu einer unerwünschten Verfahrensverzögerung führen könnte. 875 Siehe unten unter C.I.1.b)bb), S. 281.
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Zusammenfassend könnte die de lege ferenda zu schaffende Regelung also vorsehen, dass die beschriebene unwiderlegbare Vermutung besteht, wenn die Summenmehrheit der voraussichtlich stimmberechtigten Gläubiger dem Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung zustimmt. (2) Qualifizierte Minderheit Es könnte aber auch bereits eine qualifizierte Minderheit genügen, um die angesprochene unwiderlegbare Vermutung auszulösen – so wie es Eidenmüller verlangt. Bei einer Zustimmung zum Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung, die mindestens 25% der – bei summarischer Prüfung – (voraussichtlich) stimmberechtigten Gläubiger (Summenmehrheit) erteilen, werde unwiderleglich vermutet, dass es zu keinen Nachteilen für die Gläubiger komme.876 Dem liegt die Einschätzung zu Grunde, dass Einbußen durch ein verwalterloses Verfahren bereits dann nicht zu befürchten sind, wenn ein gewichtiger Anteil der Gläubiger (i. e.: weniger als die Summenmehrheit) diese für unwahrscheinlich hält. (3) Stellungnahme Das Erfordernis der einfachen Summenmehrheit stellt eine hohe Hürde für den Schuldner dar. Es kann den Schuldner allein schon vor praktische Probleme stellen, eine Vielzahl der Gläubiger vor Insolvenzeröffnung zu kontaktieren, um bei ihnen um Zustimmung zur Eigenverwaltung zu werben. Zweifel an der Erreichbarkeit der erforderlichen Mehrheit könnten den Schuldner veranlassen, auf den mit einem Antrag auf Eigenverwaltung verbundenen frühzeitigen Eröffnungsantrag von vornherein zu verzichten. Der Zweck der angestrebten Modifikationen der Eigenverwaltung (nämlich die Begünstigung des frühzeitigen Eigenantrags, der die Sanierungschancen erhöht) würde dann letztlich verfehlt. Deswegen bestehen Bedenken gegen die Forderung nach der Summenmehrheit. Die Unterstützung des schuldnerischen Antrags auf Eigenverwaltung durch eine qualifizierte Minderheit der Gläubiger erscheint ausreichend, weil die Gläubigermehrheit in der Gläubigerversammlung jederzeit berechtigt ist, die Entscheidung der Minderheit durch einen Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 272 InsO zu korrigieren. Da die vor Insolvenzeröffnung erfolgende Entscheidung der Gläubiger über die Eigenverwaltung somit nur vorläufiger Natur ist, sind keine hohen Anforderungen an die erforderliche Mehrheit zu stellen. 876
Eidenmüller, ZIP 2007, 1729 (1735).
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Um die beschriebene unwiderlegbare Vermutung auszulösen, sollte also bereits die Zustimmung von Gläubigern, die 25% der Forderungen vertreten, genügen. Das Stimmrecht sollte nur vorläufig zu beurteilen sein. bb) Feststellung der Mehrheit Um dem Gericht die Feststellung der Mehrheit zu ermöglichen, müsste der Schuldner entsprechend § 305 I Nr. 3 a. E. InsO ein Verzeichnis vorlegen, in dem die Gläubiger und die gegen den Schuldner gerichteten Forderungen aufgeführt werden. Diesem Verzeichnis wäre zum einen die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind (vgl. § 305 I Nr. 3 InsO). Zum anderen müsste dem Verzeichnis eine Liste beigefügt werden, die die Unterschriften der zustimmenden Gläubiger enthält. Die Konsequenzen, die sich für die Fortsetzung der Eigenverwaltung ergeben, falls der Schuldner in dem vorzulegenden Verzeichnis vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat (vgl. § 290 I Nr. 6 i. V. m. § 305 I Nr. 3 InsO), müssten nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt werden. Die Entscheidung, ob die Eigenverwaltung angesichts des verwerflichen Verhaltens des Schuldners fortgeführt werden soll, könnte vielmehr der Gläubigerversammlung überlassen werden. Nicht nur die erste, sondern jede Gläubigerversammlung ist gem. § 272 I Nr. 1 InsO berechtigt, die Aufhebung der Eigenverwaltung zu beantragen.877 Erscheint die Abwicklung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung wegen der vom Schuldner veranlassten Täuschung nicht tragbar, könnte die Gläubigerversammlung folglich ohne weiteres von ihrer Antragskompetenz Gebrauch machen und auf diese Weise die Aufhebung der Eigenverwaltung bewirken. cc) Sicherungsmaßnahmen Die Gläubiger werden nur dann für die Eigenverwaltung votieren, wenn sie den Schuldner für redlich halten. Wird diese Einschätzung von einem gewichtigen Anteil der Gläubiger geteilt, wird in der Regel auch das Gericht von der Redlichkeit des Schuldners ausgehen. Es wird daher lediglich geringfügige Sicherungsmaßnahmen – wie beispielsweise die Bestellung eines Sachverständigen – für erforderlich i. S. d. § 21 I 1 InsO halten, 877 Balz/Landfermann, Begr RegE zu § 333 (= § 272 InsO), S. 530; WimmerFoltis, § 272 Rn. 8; MüInsO-Wittig, § 272 Rn. 7; Gottwald-Haas, § 88 Rn. 2; HKInsO/Landfermann, § 272 Rn. 2; Nerlich/Römermann-Riggert, § 272 Rn. 2; HessWeis, § 272 Rn. 10.
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um eine den Gläubigern nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Der Schuldner, dem wenigstens eine qualifizierte Minderheit der Gläubiger das Vertrauen ausgesprochen hat, kann daher davon ausgehen, nicht nur während des Insolvenzverfahrens, sondern auch für die Dauer des Eröffnungsverfahrens zur Verfügung über sein Vermögen und zu dessen Verwaltung berechtigt zu bleiben. dd) Vorteile der skizzierten Regelung Die skizzierte Regelung kann für sich in Anspruch nehmen, Rechtssicherheit zu schaffen. Denn der Schuldner kann sich auf die Anordnung der Eigenverwaltung (und sogar auf den Erhalt der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im Eröffnungsverfahren) verlassen – vorausgesetzt er schafft es, wenigstens eine qualifizierte Minderheit der Gläubiger von den Vorteilen der Eigenverwaltung zu überzeugen.878 Gleichzeitig passt die entworfene Regelung in das vorhandene gesetzgeberische Konzept, weil sie den Gläubigerwillen als ausschlaggebendes Kriterium für die Anordnung der Eigenverwaltung anerkennt. Schließlich bietet die Regelung den Vorteil des hinreichenden Gläubigerschutzes, den § 270 II Nr. 3 InsO gerade sicherstellen will. Denn „wenn eine qualifizierte Minderheit durch ein verwalterloses Verfahren keine Einbußen befürchtet, sind solche Einbußen regelmäßig auch nicht zu erwarten“.879 Diese Argumente sprechen in ihrer Gesamtheit dafür, die skizzierte Regelung de lege ferenda in das deutsche Insolvenzrecht zu übernehmen. Würden die Vorschriften über die Eigenverwaltung wie vorgeschlagen modifiziert, wäre für den Schuldner vorhersehbar, ob er während des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen behält. Das deutsche Insolvenzverfahren wäre in dieser Hinsicht ebenso berechenbar wie das vorbildliche Ausgleichsverfahren des italienischen Rechts. 2. Auswahl des Insolvenzverwalters Das Insolvenzverfahren erscheint dem Schuldner auch deswegen als bedrohliche „black box“, weil die Person des Verwalters weder vom Schuldner noch von den Gläubigern bestimmbar ist und deswegen die Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters unkalkulierbar wirkt.880 Wenn der 878 Der Schuldner könnte bei seinen Verhandlungen mit den Gläubigern über die Eigenverwaltung von einem Mediator unterstützt werden. 879 Eidenmüller, ZIP 2007, 1729 (1735).
C. Übertragbarkeit vorbildlicher Regelungen des italienischen Rechts
283
Schuldner nicht – wie im Ausgleichsverfahren – kraft Gesetzes selbst die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen behält, sollte er zumindest damit rechnen können, dass diese Befugnis einer Person seines Vertrauens übertragen wird. Dem beschriebenen Eindruck der Unkalkulierbarkeit könnte entgegen gewirkt werden, indem sowohl dem Schuldner als auch den Gläubigern eine (ggf. gesetzlich garantierte) Möglichkeit eingeräumt wird, die Auswahl des Verwalters zu beeinflussen. a) De lege lata Wie bereits im zweiten Kapitel gezeigt,881 sieht das geltende Recht keine Mitwirkung von Gläubigern und Schuldner bei der Verwalterauswahl vor. Keine Vorschrift verbietet es jedoch dem Richter, Schuldner und Gläubiger vor der richterlichen Entscheidung über die Bestellung eines Verwalters anzuhören, um in einer Art „unechten Mediation“882 die Interessenlage der Beteiligten auszuloten und um gegebenenfalls schließlich mit den Beteiligten Vorfeldabsprachen zur Person des Verwalters zu treffen.883 Solche Anhörungen und Absprachen sind nicht etwa deswegen rechtswidrig, weil der von einem der Beteiligten vorgeschlagene Kandidat für das Verwalteramt automatisch die von § 56 InsO geforderte Unabhängigkeit vermissen lässt.884 Schon die Begründung zum Regierungsentwurf der Insolvenzordnung stellt klar, dass die Tatsache allein, dass der Verwalter von einem 880 Rendels/Zabel, INDAT-Report 03/2007, 28 (29 f.); ähnlich Schiller, Global Insolvency and Restructuring Review 2007/2008, S. 99 f., 102; Vallender, NZI 2007, 129 (136). 881 Siehe oben im 2. Kapitel unter A.VI.3., S. 53 ff. 882 Busch, DZWIR 2004, 353 (358). „Unecht“ deswegen, weil der Richter zwar wie ein Mediator vermittelnd tätig wird und über die erforderliche Neutralität verfügt, im Gegensatz zu einem Mediator ist der Richter jedoch entscheidungsbefugt. 883 So vorgesehen beispielsweise vom „Detmolder Modell“ (vgl. Busch, DZWIR 2004, 353 ff.; ders., Fragen des deutschen und internationalen Insolvenzrechts – Die Bestellung des Insolvenzverwalters nach dem „Detmolder Modell“, S. 121 ff.). Das Detmolder Modell hat bereits Anhänger gefunden: Smid, DZWIR 2007, 488 (492); ders., Praxishandbuch Insolvenzrecht, § 4 Rn. 32, S. 112 f.; Leonhardt, Fragen des des deutschen und internationalen Insolvenzrechts – Voraussetzungen für eine erfolgreiche Unternehmenssanierung in der Insolvenz, S. 97; mit Einschränkungen („wünschenswert, aber nicht unbedenklich“) Uhlenbruck/Mönning, ZIP 2008, 157 (162); allgemein für Vorfeldabsprachen zur Eingrenzung der Person des Verwalters Rendels/Zabel, INDAT-Report 03/2007, 28 (30). 884 So aber ursprünglich Uhlenbruck, der einen von einem Beteiligten vorgeschlagenen Kandidaten für „verbrannt“ (i. e. wegen des Verdachts der fehlenden Unabhängigkeit für das Verfahren ungeeignet) hielt (vgl. Uhlenbruck, KTS 1989, 229 ff., insb. 233, 234, 245). Diese Auffassung wird von Uhlenbruck inzwischen nicht mehr vertreten (vgl. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 56 Rn. 11).
284 5. Kap.: Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts
Gläubiger vorgeschlagen worden ist, keine Zweifel an seiner Unabhängigkeit begründet.885 Im Gegenteil spricht nach allgemeiner Lebenserfahrung eine Vermutung für die Unabhängigkeit des Kandidaten, wenn der von einem Beteiligten vorgebrachte Vorschlag lagerübergreifend sowohl vom Schuldner als auch von den (Haupt-)Gläubigern befürwortet wird und deswegen zur Grundlage der Vorfeldabsprache gemacht wird. Diese Vermutung greift sogar dann (erst recht) ein, wenn es sich bei dem in Rede stehenden Kandidaten um einen ehemaligen Berater des Schuldners handelt. Die gängige Praxis, ehemalige Berater des Schuldners ausnahmslos wegen Vorbefasstheit als befangen zu betrachten und deswegen als Verwalter abzulehnen,886 sollte daher von den Insolvenzgerichten aufgegeben werden. Zu bedenken ist nämlich, dass die Bestellung einer Person, die im Vorfeld beratend für den Schuldner tätig war, auch aus Gläubigersicht wünschenswert sein kann, weil diese Person häufig besonders kompetent und mit der Problematik im Einzelfall vertraut ist.887 Die Anhörung von Gläubigern und Schuldner mit dem Ziel, einen allseits anerkannten Kandidaten für das Verwalteramt auszumachen, ist nicht nur nicht rechtswidrig, sondern sie berücksichtigt im Gegenteil sogar über das gesetzlich geforderte Maß hinaus die Interessen der Beteiligten. Die Anhörung stellt nämlich sicher, dass den Verfahrensbeteiligten vor der Entscheidung über die Person des Insolvenzverwalters rechtliches Gehör i. S. d. Art. 103 I GG gewährt wird.888 Die Beteiligung der Gläubiger und des Schuldners am Auswahlprozess, die die ausgeprägte Kommunikationsbereitschaft aller Akteure einschließlich des Richters voraussetzt, lässt die Bestellung des Insolvenzverwalters wenigstens zu einem Mindestmaß transparent und nachvollziehbar erscheinen.889 Zwar ist es den Hauptgläubigern und dem schuldnerischen Unternehmen nach deutschem Recht bislang nicht möglich, in einem frühen Sta885
Balz/Landfermann, Insolvenzgesetze, Begründung RegE zu § 65 RegE (= § 56 InsO), S. 268. 886 So beispielsweise Vallender, NZI 2007, 129 (131), nach dessen Ansicht die Bestellung eines Beraters des Schuldners nicht mit § 56 InsO vereinbar sei, weil der Berater nicht die erforderliche Unabhängigkeit aufweise; gegen die Bestellung ehemaliger Berater auch die Empfehlungen der sog. Uhlenbruck-Kommission, ZIP 2007, 1432 (1434), Ziff. C. II. (2) c) und d). 887 Diese Vorteile der Vorbefasstheit nennt Eidenmüller, ZIP 2007, 1729 (1733); für die Bestellung des den Planentwurf betreuenden bzw. entwerfenden Beraters zum Insolvenzverwalter Paulus, ZGR 2005, 309 (323, 326); ders., ZIP 2005, 2301 (2302). 888 Smid, DZWIR 2007, 488 (492). 889 Ähnlich Leonhardt, Fragen des des deutschen und internationalen Insolvenzrechts – Voraussetzungen für eine erfolgreiche Unternehmenssanierung in der Insolvenz, S. 98; Rendels/Zabel, INDAT-Report 03/2007, 28 (31).
C. Übertragbarkeit vorbildlicher Regelungen des italienischen Rechts
285
dium des Verfahrens einen bestimmten Insolvenzverwalter durchzusetzen, was als Standortnachteil im internationalen Restrukturierungswettbewerb empfunden wird.890 Die beschriebene Vorgehensweise, bei der Schuldner und Gläubiger in den Entscheidungsprozess einbezogen werden, stellt jedoch ein Schritt in die richtige Richtung dar. Es leuchtet ein, dass die verhältnismäßig aufwändige Konsultation von Gläubigern und Schuldner nicht zum Alltagsgeschäft der Insolvenzrichter gehören sollte, sondern dass sie nur bei Insolvenzverfahren von größerer Bedeutung durchgeführt werden sollte.891 Gerade bei solchen Verfahren sind die verfahrensbestimmenden Gläubiger, die das Gericht zur Verwalterauswahl anhören kann, schon aus den typischerweise vor Insolvenzeröffnung stattfindenden letzten Sanierungsrunden bekannt.892 Eine umfangreiche Recherche nach den Hauptgläubigern, die mit dem Charakter des Insolvenzverfahrens als Eilverfahren unvereinbar wäre, ist folglich entbehrlich. Unter diesen Umständen spricht nichts dagegen, aber vieles dafür, frühzeitig mit dem Schuldner, seinen Beratern und für den Verfahrensablauf entscheidenden Großgläubigern wie Banken und Lieferanten, aber auch Arbeitnehmervertretern in Gespräche einzutreten, um die Entscheidung über die Auswahl der Person des Insolvenzverwalters gewissenhaft vorzubereiten – in einer von vertrauensvoller Kommunikation und Kooperation geprägten Atmosphäre. b) De lege ferenda De lege ferenda könnte der Richter verpflichtet werden, den Schuldner vor der Entscheidung über die Person des Insolvenzverwalters anzuhören. aa) Vorschlagsrecht des Schuldners Dem Schuldner darüber hinaus das Recht einzuräumen, einen verbindlichen Vorschlag für die Bestellung eines bestimmten Verwalters zu unterbreiten, wäre jedoch verfehlt. Denn das Insolvenzverfahren dient gem. § 1 S. 1 InsO dem Interesse der Gläubiger, so dass den Gläubigern das Recht zukommen muss, den von ihnen gewünschten Verwalter durchzusetzen. Dieser Gedanke liegt § 57 InsO zu Grunde, nach dem die Gläubigerver890
Eidenmüller, ZIP 2007, 1729 (1734), der allerdings wörtlich vom „internationalen Regulierungswettbewerb“ spricht; Vallender, NZI 2007, 129 (136); Rendels/Zabel, INDAT-Report 03/2007, 28 (29); Smid, KSI 2007, 11 ff. (insb. S. 14, 15). 891 So auch Rendels/Zabel, INDAT-Report 03/2007, 28 (31). 892 Busch, DZWIR 2004, 353 (358).
286 5. Kap.: Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts
sammlung einen anderen als den ursprünglich vom Insolvenzrichter bestellten Verwalter wählen kann. Er wird zudem ausdrücklich in der Begründung zum Regierungsentwurf der Insolvenzordnung formuliert: „Vielmehr muss in einem Verfahren, dessen vorrangiges Ziel die Befriedigung der Gläubiger ist, eine so entscheidende Frage wie die Auswahl des Verwalters der Mitbestimmung der Gläubiger unterliegen.“893 Dem in § 57 InsO zum Ausdruck kommenden Primat der Gläubigerautonomie gegenüber der richterlichen Leitungskompetenz entspräche ein verbindliches Vorschlagsrecht der Gläubiger hinsichtlich der als (vorläufiger) Verwalter einzusetzenden Person;894 ein Vorschlagsrecht des Schuldners wäre mit dieser Prämisse hingegen nicht vereinbar. bb) Vorschlagsrecht der Gläubiger Möglicherweise wäre mit einem verbindlichen Vorschlagsrecht der Gläubiger aber mittelbar auch dem Schuldner gedient, der die Auswahl des Verwalters wegen dessen weit reichender Befugnis zur Verwaltung des schuldnerischen Vermögens (vgl. § 80 I InsO) beeinflussen möchte. Denn die Gläubiger tun gut daran, im wohl verstandenen Eigeninteresse bei der Auswahl des Verwalters die Belange und Wünsche des Schuldners zu berücksichtigen. Fühlt sich der Schuldner bzw. die Geschäftsführung des schuldnerischen Unternehmens nämlich übergangen, ist zu befürchten, dass die bisherigen Unternehmensorgane eine fruchtbare Kooperation mit dem Verwalter, die u. a. die Vermittlung von Know-how, persönlichen Beziehungen und Branchenkenntnis umfasst, über das von § 97 II, 101 InsO geforderte Mindestmaß hinaus verweigern.895 Dadurch können in nicht unerheblichem Umfang Reibungsverluste entstehen. Erfährt der Insolvenzverwalter keine ausreichende Unterstützung durch die bisherige Unternehmensleitung, muss er insbesondere bei der Fortführung spezialisierter Unternehmen entsprechende Kenntnisse von sachkundigen Dritten „einkaufen“.896 Die auf diese Weise entstehenden Kosten verringern die Insolvenzmasse, aus der die Gläubiger Befriedigung suchen können. Letztlich kann sich die Ignoranz der Gläubiger gegenüber Wünschen und Vorschlägen des Schuldners also zu ihren Lasten auswirken. Daher ist anzunehmen, dass die Gläubiger bei ihrer Beschlussfassung die Wünsche und Vorlieben des Schuldners berücksichtigen würden. 893 Balz/Landfermann, Insolvenzgesetze, Begründung RegE zu § 66 (= 57 InsO), S. 270. 894 Eidenmüller, ZIP 2007, 1729 (1734). 895 Hofmann, ZIP 2007, 260 (261, insb. Fn. 6). 896 Hofmann, ZIP 2007, 260 (261).
C. Übertragbarkeit vorbildlicher Regelungen des italienischen Rechts
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Insofern würde ein verbindliches Vorschlagsrecht der Gläubiger bezüglich der als (vorläufiger) Verwalter einzusetzenden Person sowohl dem Interesse des Schuldners gerecht als auch dem der Gläubiger. Schließlich entspräche ein solches Vorschlagsrecht – wie bereits aufgezeigt – der Wertung des § 57 InsO. Diese Argumente rechtfertigen es, eine entsprechende Regelung, die die Berechenbarkeit des Insolvenzverfahrens für den Schuldner und die Gläubiger erhöht, de lege ferenda in das deutsche Insolvenzrecht einzuführen. cc) Erforderliche Mehrheit Es stellt sich die Frage, welche Mehrheit erforderlich sein sollte, um dem Vorschlag einen verbindlichen Charakter zu verleihen. (1) Summen- und Kopfmehrheit in Anlehnung an § 57 InsO In Anlehnung an § 57 i. V. m. § 76 II InsO könnte die einfache Summenund Kopfmehrheit zu fordern sein. Statt auf die abstimmenden Gläubiger (vgl. § 76 II InsO) müsste allerdings wiederum897 auf die stimmberechtigten Gläubiger abgestellt werden. Denn eine Abstimmung im Rahmen einer Gläubigerversammlung findet vor Insolvenzeröffnung gerade nicht statt. Das Stimmrecht lässt sich in diesem frühen Verfahrensstadium nur vorläufig beurteilen. Zusammenfassend könnte die de lege ferenda zu schaffende Regelung daher vorsehen, dass ein personeller Vorschlag verbindlich ist, wenn die Summen- und Kopfmehrheit der voraussichtlich stimmberechtigten Gläubiger ihm zustimmt. (2) Qualifizierte Minderheit Ein Vorschlag könnte aber auch bereits dann als verbindlich anzusehen sein, wenn er von einer qualifizierten Minderheit von 25% der – bei einer summarischen Prüfung – (voraussichtlich) stimmberechtigten Gläubiger (Summenmehrheit) gemacht wird.898 Auf die Kopfmehrheit abzustellen, ist aus den oben899 bereits genannten Gründen verzichtbar.
897 898 899
Siehe oben unter C.I.1.b)aa)(1), S. 279. Eidenmüller, ZIP 2007, 1729 (1734). Siehe oben unter A.V.I., S. 255 f.
288 5. Kap.: Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts
(3) Stellungnahme Mit den bereits im Zusammenhang mit der Eigenverwaltung vorgebrachten Argumenten (hohe Hürde, praktische Schwierigkeiten)900 ist der erste Vorschlag abzulehnen. Die Unterstützung des personellen Vorschlags durch eine qualifizierte Minderheit der Gläubiger erscheint ausreichend, weil die Gläubigermehrheit in der ersten Gläubigerversammlung berechtigt ist, die Entscheidung der Minderheit durch die Wahl eines anderen Insolvenzverwalters gem. § 57 InsO zu korrigieren. Da die vor Insolvenzeröffnung getroffene Entscheidung der Gläubiger über die Person des Verwalters somit nur vorläufiger Natur ist, sind keine hohen Anforderungen an die erforderliche Mehrheit zu stellen. Um dem personellen Vorschlag einen verbindlichen Charakter zu verleihen, sollte daher bereits die Zustimmung von Gläubigern, die bei vorläufiger Beurteilung des Stimmrechts mindestens 25% der Forderungen vertreten, genügen. Um zu verhindern, dass Vorschläge nur deswegen abgelehnt werden, weil sie von einem bestimmten Beteiligten vorgebracht wurden,901 sollten die Vorschläge übrigens von einem als Moderator dienenden neutralen Dritten wie beispielsweise einem Mediator gesammelt und präsentiert werden. Ein Mediator könnte auf Wunsch der Gläubiger auch zwischen den Gläubigern vermitteln und bei der Entscheidungsfindung behilflich sein. dd) Feststellung der Mehrheit Hinsichtlich der Feststellung der Mehrheit gilt das oben902 Gesagte. Der Schuldner müsste also ein Verzeichnis vorlegen, in dem seine Gläubiger und die gegen ihn gerichteten Forderungen aufgeführt sind.903 Dem Verzeichnis wäre eine Liste beizufügen, auf der Gläubiger unterschrieben haben, die sich für einen bestimmten personellen Vorschlag aussprechen.
900
Siehe oben unter C.I.1.b)aa)(3), S. 280. Sog. reaktive Abwertung, dazu Duve, in: Duve/Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, S. 32 sowie Eidenmüller, BB Beilage 1, Heft 40/1998, 19 (23). 902 C.I.1.b)bb), S. 281. 903 Hingegen lässt Eidenmüller offen, wie die Erreichung der Mehrheit konkret nachgewiesen werden kann. Die Erfüllung des Mehrheitserfordernisses sei vom Vorschlagenden „substantiiert darzulegen“, ZIP 2007, 1729 (1734 Fn. 47). 901
D. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesenform
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ee) Rolle des Richters Die Aufgabe des Richters bestünde nach der de lege ferenda zu schaffenden Regelung darin, die Eignung des vorgeschlagenen Kandidaten für das Amt des (vorläufigen) Insolvenzverwalters sicherzustellen. Zudem hätte der Richter zu gewährleisten, dass nur eine solche Person zum (vorläufigen) Insolvenzverwalter bestellt wird, deren Unabhängigkeit nicht zweifelhaft ist.904 Da der Verwalter verpflichtet ist, dem Insolvenzgericht von sich aus rechtzeitig einen Sachverhalt anzuzeigen, der bei unvoreingenommener, lebensnaher Betrachtungsweise die ernstliche Besorgnis rechtfertigen könnte, dass der Verwalter an seiner Amtsführung verhindert ist,905 könnte der Richter beim Fehlen einer entsprechenden Anzeige und beim Fehlen anderer konkreter Anhaltspunkte für die Parteilichkeit des Vorgeschlagenen zunächst von der Unabhängigkeit des Verwalters ausgehen.
II. Annahme des Plans Aus den bereits beschriebenen Gründen906 sollte in Anlehnung an Art. 177 LF bei der Annahme des Insolvenzplans gem. § 244 InsO auf das Erfordernis der Kopfmehrheit verzichtet werden. § 244 I InsO sollte folglich lauten: „Zur Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger ist erforderlich, dass in jeder Gruppe die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger beträgt.“
D. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesenform Auf der Basis der bisherigen Ausführungen lassen sich die wichtigsten Ergebnisse abschließend wie folgt in Thesenform zusammenfassen: • Das italienische Insolvenzrecht erscheint unter dem Aspekt der Zerschlagungsabwendung in folgenden Punkten nicht vorzugswürdig gegenüber dem deutschen Recht: 904
Ebenso Eidenmüller, ZIP 2007, 1729 (1734): „Die Bindung des Gerichts an den Gläubigervorschlag wäre . . . unter den Vorbehalt der Eignung und der Unabhängigkeit des Vorgeschlagenen zu stellen.“ 905 BGH NJW 1991, 982 (insb. 985); siehe auch den Verhaltenskodex der Mitglieder des Arbeitskreises der Insolvenzverwalter Deutschland e.V. 906 Siehe oben unter A.V.I., S. 255 f.
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1. Zugang zu zerschlagungsabwendenden Verfahren Die italienische Rechtslage gibt keinen Anlass, den Zugang zu zerschlagungsabwendenden Verfahren nach italienischem Vorbild zu modifizieren. Insbesondere ist der Ausschluss des ehemals als „Kleinunternehmer“ bezeichneten Unternehmers aus dem Kreis der insolvenzfähigen Subjekte mit Nachteilen verbunden: Die Regelung des Art. 1 II LF begünstigt sowohl Verteilungskonflikte unter den Gläubigern als auch die Zerschlagung des schuldnerischen Unternehmens. Dem insolvenzunfähigen Unternehmer i. S. d. Art. 1 II LF n. F. droht nämlich ausweglos die Einzelvollstreckung und die damit einhergehende Liquidation der Unternehmensgüter in einem „Wettlauf der Gläubiger“. 2. Insolvenzabwendung Es ist nicht zu erwarten, dass das vorkonkursliche Umschichtungsabkommen i. S. d. Art. 182-bis LF in der Praxis Anklang findet. Denn das Umschichtungsverfahren ist teuer und kann wegen der Veröffentlichungspflicht i. S. d. Art. 182-bis II LF nicht geheimgehalten werden. Das Bekanntwerden der Krise kann einen Ansturm der Gläubiger auslösen, dem der Schuldner in der Verhandlungsphase wegen der fehlenden Vollstreckungshemmung schutzlos ausgeliefert ist. Die genannten Faktoren (Kosten, Vertraulichkeit, Vollstreckungssperre) stellen generell Schwachpunkte eines vorkonkurslichen Sanierungsverfahrens dar. Das zeigt die vergleichende Betrachtung des in der Praxis gescheiterten Reorganisationsverfahrens österreichischen Rechts. Speziell im Hinblick auf die italienische Rechtslage ist anzumerken, dass es unrealistisch ist, von einem in der Krise befindlichen Unternehmen die pünktliche und vollständige Befriedigung von bis zu vierzig Prozent der Forderungen zu verlangen (vgl. Art. 182-bis I a. E. LF). Alles in allem stellt das Umschichtungsverfahren kein lohnendes Vorbild für den deutschen Gesetzgeber dar. Das Scheitern dieses Verfahrens in der Praxis ist vorprogrammiert. Es sollte deswegen nicht in das deutsche Recht übernommen werden. 3. Anfechtungsrisiken Anders als das deutsche Recht erlaubt es das Umschichtungsabkommen italienischen Musters, Forderungen in der Krise frei von einem Anfechtungsrisiko nachzubesichern. Allerdings sind die italienischen Regelungen zum Umschichtungsabkommen kaum praktikabel. Es bleibt daher festzuhalten, dass ein Instrument wie die Umschichtungsvereinbarung zwar im Ansatz zu begrüßen ist, dass es aber in der in Italien (und ähn-
D. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesenform
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lich in Österreich) praktizierten Form von der vorgesehenen Zielgruppe, nämlich den sanierungsbedürftigen Unternehmen, nicht angenommen wird. Es ist dem deutschen Gesetzgeber daher nicht zu empfehlen, sich in dieser Hinsicht am italienischen Vorbild zu orientieren. 4. Überwindung von Blockadeverhalten Das Gericht muss sowohl nach Art. 180 IV 2 LF als auch nach § 245 InsO Prognosen anstellen und wirtschaftliche Bewertungen vornehmen. Die Kritik, die das Obstruktionsverbot gem. § 245 InsO erfahren hat (Prognoseunsicherheiten, übermäßige Komplexität, mangelnde Praktikabilität), lässt sich daher spiegelbildlich auf die cram-down-Regelung des Art. 180 IV 2 LF übertragen. Letztere ist sogar noch vager formuliert als ihr deutsches Pendant. Folglich kann die italienische Regelung insofern nicht als Vorbild für eine Neufassung des § 245 InsO dienen. Auch die Verschiebung des Initiativrechts (i. e. Prüfung der cramdown-Voraussetzungen nur auf Antrag einer Partei statt von Amts wegen) erscheint vor dem Hintergrund des geltenden § 245 InsO letztlich nicht nachahmenswert. Denn eine Aufwands- und Zeitersparnis infolge einer solchen Änderung ist nicht zu erwarten. 5. Abbau von Personalüberhang Die Methoden des Personalabbaus, die das italienische Recht bereithält, sind nur schwer umsetzbar. In der Praxis behindern vor allem das unkooperative Verhalten der konkurrierenden Gewerkschaften, Rechtsunsicherheit und die fehlende Verkürzung der Kündigungsfrist im Insolvenzverfahren die zügige und endgültige Reduzierung des Personalbestands. Die italienische Gesetzgebung zum Personalabbau im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang erleichtert i. E. die Durchführung einer übertragenden Sanierung nicht stärker als die zu dieser Thematik in Deutschland entwickelten Gestaltungsmöglichkeiten. Letztlich stellt daher die Regelung des Art. 47 V des Gesetzes Nr. 428/1990 bzw. des Art. 63 IV des Gesetzes Nr. 270/1999 kein lohnendes Vorbild für den deutschen Gesetzgeber dar. 6. Akquise von frischem Kapital Die Akquise von frischem Kapital erscheint insbesondere hinsichtlich der vorrangigen Befriedigung von Darlehensverbindlichkeiten und hinsichtlich der Durchführung eines debt-equity-swaps unter Geltung des italienischen Insolvenzrechts (mindestens) genauso schwierig wie unter Geltung des deutschen Rechts.
292 5. Kap.: Rechtsvergleich – Wertende Betrachtung des italienischen Rechts
7. Kontrollbefugnisse des Gerichts Die inhaltliche Prüfung des Plans auf seine wirtschaftliche Angemessenheit obliegt in beiden Rechtsordnungen allein den Gläubigern, wenn man vom Ausnahmefall einer richterlichen cram-down-Entscheidung absieht. Folglich sind die Kontrollbefugnisse des Gerichts im deutschen und im italienischen Insolvenzrecht ähnlich schwach ausgeprägt. Das italienische Recht kann also nicht als Vorbild dienen. 8. Verwalterauswahl Das italienische Recht kennt im Vergleich zum deutschen Insolvenzrecht keine geeigneteren Mechanismen zur Auswahl eines fähigen und anerkannten Verwalters. Insbesondere werden die Gläubiger nach italienischem Recht nicht an der Auswahl des Verwalters beteiligt. • Hingegen erscheint das italienische Insolvenzrecht unter dem Aspekt der Zerschlagungsabwendung in folgenden Punkten ausnahmsweise vorzugswürdig gegenüber dem deutschen Recht: 1. Berechenbarkeit Das italienische Ausgleichsverfahren ist berechenbarer als das deutsche Insolvenzverfahren, weil für den sanierungswilligen Schuldner klar ist, dass er Herr des Verfahrens bleibt. 2. Annahme des Plans Das italienische Konkursgesetz enthält im Hinblick auf die Anforderungen an die Annahme des Plans eine Regelung, die dem deutschen Gesetzgeber als Vorbild dienen kann. Es handelt sich um Art. 177 LF, nach dem für die Annahme des Plans allein die Summenmehrheit erforderlich ist. • Aus der vorangegangenen wertenden Betrachtung des italienischen Rechts ergeben sich folgende Konsequenzen für die Ausgestaltung zerschlagungsabwendender Verfahren im deutschen Recht: 1. De lege lata a) Rechtsbehelf gegen die Versagung der Eigenverwaltung Das deutsche Insolvenzverfahren wäre aus Schuldnersicht berechenbarer, wenn die Eigenverwaltung vom Schuldner bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erzwungen werden könnte. Bereits das geltende Recht lässt bei entsprechender Auslegung einen Rechtsbehelf des
D. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesenform
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Schuldners gegen die Versagung der Eigenverwaltung zu. Der Schuldner kann nämlich die Überprüfung der ablehnenden Entscheidung über die Eigenverwaltung erreichen, indem er gem. § 34 II InsO gegen den Eröffnungsbeschluss sofortige Beschwerde einlegt. Die für die Zulässigkeit dieses Rechtsbehelfs erforderliche Beschwer des Schuldners ist gegeben. b) Mündliche Verhandlung im Vorfeld der Verwalterauswahl Zur Berechenbarkeit des Insolvenzverfahrens würde es außerdem beitragen, die Auswahl des Verwalters für die Verfahrensbeteiligten transparent und beeinflussbar zu machen. Gläubiger und Schuldner sollten daher vor der richterlichen Entscheidung über die Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters angehört werden, so wie es bereits das geltende Recht erlaubt. In Großverfahren wäre eine mündliche Verhandlung mit den verfahrensbestimmenden Beteiligten sinnvoll, wobei evtl. Vorfeldabsprachen zur Auswahl des Verwalters getroffen werden können. 2. De lege ferenda a) Normierung eines Rechtsbehelfs gegen die Versagung der Eigenverwaltung Da die Statthaftigkeit eines Rechtsbehelfs gegen die Versagung der Eigenverwaltung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung verneint wird, sollte ein solcher Rechtsbehelf de lege ferenda ausdrücklich normiert werden. b) Erzwingung der Eigenverwaltung unter Hinweis auf den Gläubigerwillen Um das deutsche Insolvenzverfahren noch berechenbarer zu machen, wäre es sinnvoll, de lege ferenda ein Instrument einzuführen, das es dem Schuldner ermöglicht, sicher – d. h. unabhängig vom Dafürhalten des Gerichts – zur Eigenverwaltung zugelassen zu werden. Zu diesem Zweck sollte eine Regelung geschaffen werden, nach der der Schuldner die Anordnung der Eigenverwaltung bei Verfahrenseröffnung erzwingen kann, indem er bereits im Vorfeld der Insolvenzeröffnung die verbindliche Zustimmung der Gläubiger zur Eigenverwaltung einholt und indem er die befürwortenden Stellungnahmen der Gläubiger mit Antragstellung dem Insolvenzgericht vorlegt. Das Gericht müsste dann unwiderleglich vermuten, dass die Eigenverwaltung nicht zu Nachteilen für die Gläubiger i. S. d. § 270 II Nr. 3 InsO führen wird. Dem mit dem Eröffnungsantrag verbundenen Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung wäre folglich stattzugeben.
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c) Verbindliches Vorschlagsrecht der Gläubiger bzgl. Verwalterauswahl De lege ferenda sollte den Gläubigern das Recht zugebilligt werden, dem Gericht einen bestimmten (vorläufigen) Insolvenzverwalter unter dem Vorbehalt der Eignung und der Unabhängigkeit verbindlich vorzuschlagen. d) Planannahme durch Summenmehrheit Nach dem Vorbild des Art. 177 LF sollte für die Annahme des Insolvenzplans gem. § 244 InsO die Summenmehrheit der abstimmenden Gläubiger genügen. Der Verzicht auf das zusätzliche Erfordernis der Kopfmehrheit entspricht nicht nur der inneren Logik des Insolvenzrechts, sondern er begünstigt auch eine zügige Einigung über den Plan. Ergänzend wird auf die jeweilige Zusammenfassung am Ende des zweiten Kapitels (unter D.) sowie am Ende des vierten Kapitels (unter D. und E.) verwiesen.
Anhang A. Zentrale Normen der legge fallimentare Soweit es um die Ursprungsfassung der jeweiligen Normen geht, sind die Übersetzungen dem folgenden Werk entnommen: Max W. Bauer, Bernhard König und Josef Kreuzer (Hrsg. und Übersetzer), Italienisches Konkursrecht und andere Insolvenzverfahren/Fallimento ed altre procedure concorsuali, zweisprachige Ausgabe, Bozen 1988 Soweit es um die Fassung nach der Änderung durch das D. Lgs. 9 gennaio 2006 geht, stammen die Übersetzungen aus: Max W. Bauer, Bernhard König und Josef Kreuzer (Hrsg. und Übersetzer), Das neue Italienische Gesetz über Konkurs und andere Insolvenzverfahren/Il nuovo Codice del Fallimento e delle altre procedure concorsuali, zweisprachige Ausgabe, Bozen 2006 Für die Übersetzung der jüngsten Fassung (d. h. nach der Änderung durch das D. Lgs. 12 settembre 2007) ist die Verfasserin verantwortlich.
I. Artikel 1 1. Ursprungsfassung R. D. 16 marzo 1942, n. 267 a) Wortlaut im Original Imprese soggette al fallimento, al concordato preventivo e all’amministrazione controllata Sono soggetti alle disposizioni sul fallimento, sul concordato preventivo e sull’amministrazione controllata gli imprenditori che esercitano una attività commerciale, esclusi gli enti pubblici e i piccoli imprenditori. Sono considerati piccoli imprenditori gli imprenditori esercenti un’attività commerciale, i quali sono stati riconosciuti, in sede di accertamento ai fini della imposta di ricchezza mobile, titolari di un reddito inferiore al minimo imponibile. Quando è mancato l’accertamento ai fini dell’imposta di ricchezza mobile sono considerati piccoli imprenditori gli imprenditori esercenti una attività commerciale nella cui azienda risulta essere stato investito un capitale non superiore a lire novecentomila. In nessun caso sono considerate piccoli imprenditori le società commerciali.
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b) Deutsche Übersetzung Dem Konkurs, dem Ausgleich und der Geschäftsaufsicht unterliegende Unternehmen Den Bestimmungen über den Konkurs, über den Ausgleich und über die Geschäftsaufsicht unterliegen Unternehmer, die eine Handelstätigkeit ausüben, mit Ausnahme der öffentlichen Körperschaften und der Kleinunternehmer. Als Kleinunternehmer gelten jene Unternehmer, die eine Handelstätigkeit ausüben und die anlässlich der Festsetzung des Einkommens für die Einkommenssteuer als Bezieher eines unter der Mindestbemessungsgrundlage liegenden Einkommens eingestuft wurden. Ist eine Festsetzung des Einkommens für die Einkommenssteuer nicht erfolgt, so gelten als Kleinunternehmer jene eine Handelstätigkeit ausübenden Unternehmer, in deren Betrieb ein Kapital von nicht mehr als neunhunderttausend Lire investiert worden ist. Handelsgesellschaften gelten in keinem Falle als Kleinunternehmer.
2. Fassung nach der Änderung durch das D. Lgs. 9 gennaio 2006, n. 5 a) Wortlaut im Original Imprese soggette al fallimento e al concordato preventivo Sono soggetti alle disposizioni sul fallimento e sul concordato preventivo gli imprenditori che esercitano un’attività commerciale, esclusi gli enti pubblici ed i piccoli imprenditori. Ai fini del primo comma, non sono piccoli imprenditori gli esercenti un’attività commerciale in forma individuale o collettiva che, anche alternativamente: a) hanno effettuato investimenti nell’azienda per un capitale di valore superiore a euro trecentomila; b) hanno realizzato, in qualunque modo risulti, ricavi lordi calcolati sulla media degli ultimi tre anni o dall’inizio dell’attività se di durata inferiore, per un ammontare complessivo annuo superiore a euro duecentomila. I limiti di cui alle lettere a) e b) del secondo comma possono essere aggiornati ogni tre anni, con decreto del Ministro della giustizia, sulla base della media delle variazioni degli indici ISTAT dei prezzi al consumo per le famiglie di operai e impiegati intervenute nel periodo di riferimento.
b) Deutsche Übersetzung Unternehmer, die dem Konkurs und dem Ausgleich unterliegen Den Bestimmungen über den Konkurs und über den Ausgleich unterliegen Unternehmer, die eine Handelstätigkeit ausüben, mit Ausnahme der öffentlichen Körperschaften und der Kleinunternehmer.
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Für die Zwecke des ersten Absatzes gelten diejenigen nicht als Kleinunternehmer, die eine Handelstätigkeit in der Form eines Einzelunternehmens oder gesellschaftlich organisiert ausüben und entweder a) in den Betrieb Kapital in Höhe von über dreihunderttausend Euro investiert haben oder b) sich wie auch immer ergebende Bruttoerträge erzielt haben, die auf den Durchschnitt der lezten drei Jahre oder bei geringerer Dauer ab Beginn der Tätigkeit berechnet, einen Jahresgesamtbetrag von über zweihunderttausend Euro ergeben. Die von den Buchstaben a) und b) des zweiten Absatzes vorgesehenen Grenzen können alle drei Jahre mit Dekret des Ministers für Justiz auf der Grundlage der im Bezugszeitraum eingetretenen durchschnittlichen Änderungen der vom Gesamtstaatlichen Institut für Statistik herausgegebenen Indizes für Verbraucherpreise für Familien von Arbeitern und Angestellten auf den letzten Stand gebracht werden.
3. Fassung nach der Änderung durch das D. Lgs. 12 settembre 2007, n. 169 a) Wortlaut im Original Imprese soggette al fallimento e al concordato preventivo Sono soggetti alle disposizioni sul fallimento e sul concordato preventivo gli imprenditori che esercitano una attività commerciale, esclusi gli enti pubblici. Non sono soggetti alle disposizioni sul fallimento e sul concordato preventivo gli imprenditori di cui al primo comma, i quali dimostrino il possesso congiunto dei seguenti requisiti: a) aver avuto, nei tre esercizi antecedenti la data di deposito della istanza di fallimento o dall’inizio dell’attività se di durata inferiore, un attivo patrimoniale di ammontare complessivo annuo non superiore ad euro trecentomila; b) aver realizzato, in qualunque modo risulti, nei tre esercizi antecedenti la data di deposito dell’istanza di fallimento o dall’inizio dell’attività se di durata inferiore, ricavi lordi per un ammontare complessivo annuo non superiore ad euro duecentomila; c) avere un ammontare di debiti anche non scaduti non superiore ad euro cinquecentomila. I limiti di cui alle lettere a), b e c) del secondo comma possono essere aggiornati ogni tre anni con decreto del Ministro della giustizia, sulla base della media delle variazioni degli indici ISTAT dei prezzi al consumo per le famiglie di operai ed impiegati intervenute nel periodo di riferimento.
b) Deutsche Übersetzung Unternehmer, die dem Konkurs und dem Ausgleich unterliegen Den Bestimmungen über den Konkurs und über den Ausgleich unterliegen Unternehmer,
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die eine Handelstätigkeit ausüben, mit Ausnahme der öffentlichen Körperschaften. Den Bestimmungen über den Konkurs und über den Ausgleich unterliegen nicht die Unternehmer im Sinne des ersten Absatzes, die nachweisen, kumulativ die folgenden Voraussetzungen zu erfüllen: a) in den drei Geschäftsjahren vor dem Insolvenzantrag oder bei geringerer Dauer seit Beginn der Tätigkeit ein Aktivvermögen gehabt zu haben, das den Jahresgesamtbetrag von 300.000 Euro nicht übersteigt; b) in den drei Geschäftsjahren vor dem Insolvenzantrag oder bei geringerer Dauer seit Beginn der Tätigkeit sich wie auch immer ergebende Bruttoerträge erzielt zu haben, die den Jahresgesamtbetrag von 200.000 Euro nicht übersteigen; c) Verbindlichkeiten, auch nicht fällige, zu haben, die 500.000 Euro nicht übersteigen. Die von den Buchstaben a) und b) des zweiten Absatzes vorgesehenen Grenzen können alle drei Jahre mit Dekret des Ministers für Justiz auf der Grundlage der im Bezugszeitraum eingetretenen durchschnittlichen Änderungen der vom Gesamtstaatlichen Institut für Statistik herausgegebenen Indizes für Verbraucherpreise für Familien von Arbeitern und Angestellten auf den letzten Stand gebracht werden.
II. Artikel 160 1. Ursprungsfassung R. D. 16 marzo 1942, n. 267 a) Wortlaut im Original Condizioni per l’ammissione alla procedura L’imprenditore che si trova in istato d’insolvenza, fino a che il suo fallimento non è dichiarato, può proporre ai creditori un concordato preventivo secondo le disposizioni di questo titolo, se: 1) é iscritto nel registro delle imprese da almeno un biennio o almeno dall’inizio dell’impresa, se questa ha avuto una minore durata, ed ha tenuto una regolare contabilità per la stessa durata; 2) nei cinque anni precedenti non è stato dichiarato fallito o non è stato ammesso a una procedura di concordato preventivo; 3) non è stato condannato per bancarotta o per delitto contro il patrimonio, la fede pubblica, l’economia pubblica, l’industria o il commercio. La proposta di concordato deve rispondere ad una delle seguenti condizioni: 1) che il debitore offra serie garanzie reali o personali di pagare almeno il quaranta per cento dell’ammontare dei crediti chirografari entro sei mesi dalla data di omologazione del concordato; ovvero, se è proposta una dilazione maggiore, che egli offra le stesse garanzie per il pagamento degli interessi legali sulle somme da corrispondere oltre i sei mesi; 2) che il debitore offra al creditore per il pagamento dei suoi debiti la cessione di tutti i beni esistenti nel suo patrimonio alla data della proposta di concordato,
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tranne quelli indicati dall’Art. 46, semprechè la valutazione di tali beni faccia fondatamente ritenere che i creditori possano essere soddisfatti almeno nella misura indicata al n. 1.
b) Deutsche Übersetzung Bedingungen für die Zulassung zum Verfahren Der Unternehmer, der sich im Zustand der Zahlungsunfähigkeit befindet, kann, solange sein Konkurs noch nicht eröffnet worden ist, den Gläubigern einen Ausgleich gemäß den Bestimmungen dieses Titels vorschlagen, wenn: 1) er seit wenigstens zwei Jahren oder wenigstens seit Beginn des Unternehmens, wenn dieses weniger land besteht, in das Handelsregister eingetragen ist und er in dieser Zeit eine ordnungsgemäße Buchhaltung geführt hat; 2) in den letzten fünf Jahren über ihn ein Konkurs nicht eröffnet oder er nicht zu einem Ausgleichsverfahren zugelassen worden ist; 3) er nicht wegen Bankrotts oder wegen eines Verbrechens gegen das Vermögen, gegen das öffentliche Vertrauen oder gegen die öffentliche Wirtschaft, das Gewerbe und den Handel verurteilt worden ist. Der Ausgleichsvorschlag muss eine der folgenden Bedingungen erfüllen: 1) dass der Schuldner ernst zu nehmende dingliche oder persönliche Sicherheiten für die Zahlung von wenigstens vierzig Prozent des Betrags der nicht bevorrechtigten Forderungen innerhalb von sechs Monaten ab dem Tag der Bestätigung des Ausgleichs bietet; oder dass er, wenn ein längerer Zahlungsaufschub vorgeschlagen wird, die gleichen Sicherheiten für die Zahlung der gesetzlichen Zinsen jener Beträge, die erst nach den sechs Monaten zu bezahlen sind, bietet; 2) dass der Schuldner den Gläubigern für die Zahlung seiner Schulden die Abtretung aller am Tag des Ausgleichsvorschlags in seinem Vermögen befindlichen Güter mit Ausnahme jener in Artikel 46 genannten anbietet, sofern die Bewertung dieser Güter begründet erwarten lässt, dass die Gläubiger wenigstens in dem in Ziffer 1 genannten Maß befriedigt werden können.
2. Fassung nach der Änderung durch das D. Lgs. 9 gennaio 2006, n. 5 a) Wortlaut im Original Condizioni per l’ammissione alla procedura L’imprenditore che si trova in stato di crisi può proporre ai creditori un concordato preventivo sulla base di un piano che può prevedere: a) la ristrutturazione dei debiti e la soddisfazione dei crediti attraverso qualsiasi forma, anche mediante cessione dei beni, accollo, o altre operazioni straordinarie, ivi compresa l’attribuzione ai creditori, nonché a società da questi partecipate, di azioni, quote, ovvero obbligazioni, anche convertibili in azioni, o altri strumenti finanziari e titoli di debito;
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b) l’attribuzione delle attività delle imprese interessate dalla proposta di concordato ad un assuntore; possono costituirsi come assuntori anche i creditori o società da questi partecipate o da costituire nel corso della procedura, le azioni delle quali siano destinate ad essere attribuite ai creditori per effetto del concordato; c) la suddivisione dei creditori in classi secondo posizione giuridica e interessi economici omogenei; d) trattamenti differenziati tra creditori appartenenti a classi diverse. Ai fini di cui al primo comma per stato di crisi si intende anche lo stato di insolvenza.
b) Deutsche Übersetzung Bedingungen für die Zulassung zum Verfahren Der Unternehmer, der sich in einer Krisenlage befindet, kann den Gläubigern einen Ausgleich auf der Grundlage eines Planes vorschlagen, der vorsehen kann: a) die Umschichtung der Schulden und die Befriedigung der Forderungen in jedweder Form, auch durch Abtretung von Sachen, durch Schuldübernahme oder andere außerordentliche Geschäfte, die auch die Zuweisung von Aktien, Anteilen oder Schuldverschreibungen, einschließlich solcher, die in Aktien oder andere Finanzinstrumente umgewandelt werden können, und von Schuldbriefen an die Gläubiger sowie an Gesellschaften, an denen diese beteiligt sind, umfassen können; b) die Zuweisung der Tätigkeiten jener Unternehmen, die vom Ausgleichsvorschlag betroffen sind, an einen Übernehmer; Übernehmer können auch Gläubiger sein oder Gesellschaften, an denen sie beteiligt sind oder die im Laufe des Verfahrens gegründet werden, und deren Aktien dazu bestimmt sind, den Gläubigern im Wege des Ausgleichs zugewiesen zu werden; c) die Unterteilung der Gläubiger in Klassen nach einheitlicher Rechtsstellung und einheitlichen Wirtschaftsinteressen; d) unterschiedliche Behandlungsweisen zwischen Gläubigern, die verschiedenen Klassen angehören. Auch der Zustand der Insolvenz ist eine Krisenlage im Sinne des ersten Absatzes.
3. Fassung nach der Änderung durch das D. Lgs. 12 settembre 2007, n. 169 a) Wortlaut im Original Presupposti per l’ammissione alla procedura L’imprenditore che si trova in stato di crisi può proporre ai creditori un concordato preventivo sulla base di un piano che può prevedere: a) la ristrutturazione dei debiti e la soddisfazione dei crediti attraverso qualsiasi forma, anche mediante cessione dei beni, accollo, o altre operazioni straordinarie,
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ivi compresa l’attribuzione ai creditori, nonché a società da questi partecipate, di azioni, quote, ovvero obbligazioni, anche convertibili in azioni, o altri strumenti finanziari e titoli di debito; b) l’attribuzione delle attività delle imprese interessate dalla proposta di concordato ad un assuntore; possono costituirsi come assuntori anche i creditori o società da questi partecipate o da costituire nel corso della procedura, le azioni delle quali siano destinate ad essere attribuite ai creditori per effetto del concordato; c) la suddivisione dei creditori in classi secondo posizione giuridica e interessi economici omogenei; d) trattamenti differenziati tra creditori appartenenti a classi diverse. La proposta può prevedere che i creditori muniti di diritto di privilegio, pegno o ipoteca, non vengano soddisfatti integralmente, purché il piano ne preveda la soddisfazione in misura non inferiore a quella realizzabile, in ragione della collocazione preferenziale, sul ricavato in caso di liquidazione, avuto riguardo al valore di mercato attribuibile ai beni o diritti sui quali sussiste la causa di prelazione indicato nella relazione giurata di un professionsita in possesso dei requisiti di cui all’Art. 67, terzo comma, lettera d). Il trattamento stabilito per ciascuna classe non può avere l’effetto di alterare l’ordine delle cause legittime di prelazione. Ai fini di cui al primo comma per stato di crisi si intende anche lo stato di insolvenza.
b) Deutsche Übersetzung Voraussetzungen für die Zulassung zum Verfahren Der Unternehmer, der sich in einer Krisenlage befindet, kann den Gläubigern einen Ausgleich auf der Grundlage eines Planes vorschlagen, der vorsehen kann: a) die Umschichtung der Schulden und die Befriedigung der Forderungen in jedweder Form, auch durch Abtretung von Sachen, durch Schuldübernahme oder andere außerordentliche Geschäfte, die auch die Zuweisung von Aktien, Anteilen oder Schuldverschreibungen, einschließlich solcher, die in Aktien oder andere Finanzinstrumente umgewandelt werden können, und von Schuldbriefen an die Gläubiger sowie an Gesellschaften, an denen diese beteiligt sind, umfassen können; b) die Zuweisung der Tätigkeiten jener Unternehmen, die vom Ausgleichsvorschlag betroffen sind, an einen Übernehmer; Übernehmer können auch Gläubiger sein oder Gesellschaften, an denen sie beteiligt sind oder die im Laufe des Verfahrens gegründet werden, und deren Aktien dazu bestimmt sind, den Gläubigern im Wege des Ausgleichs zugewiesen zu werden; c) die Unterteilung der Gläubiger in Klassen nach einheitlicher Rechtsstellung und einheitlichen Wirtschaftsinteressen; d) unterschiedliche Behandlungsweisen zwischen Gläubigern, die verschiedenen Klassen angehören. Der Vorschlag kann vorsehen, dass die mit einem Vorzugsrecht, einem Pfandrecht oder einer Hypothek ausgestatteten Gläubiger nicht zur Gänze befriedigt werden, sofern der Plan eine Befriedigung vorsieht, die nicht geringer ist als jene, die in
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Anbetracht der bevorzugten Stellung im Falle der Liquidation aus dem Erlös erzielt werden könnte, wobei der Marktwert zu berücksichtigen ist, der dem Gegenstand oder dem Recht, an dem das Recht der vorzugsweisen Befriedigung besteht, entspricht und der in einem beeideten Bericht enthalten ist, der von einem Fachmann, der die Anforderungen des Art. 67 III d) erfüllt, erstellt worden ist. Die für jede Klasse festgesetzte Behandlungsweise darf nicht eine Abänderung der Rangordnung der gesetzlichen Fälle der vorzugsweisen Befriedigung bewirken. Auch der Zustand der Insolvenz ist eine Krisenlage im Sinne des ersten Absatzes.
III. Artikel 182-bis 1. Ursprungsfassung R. D. 16 marzo 1942, n. 267 Nicht vorhanden
2. Fassung nach der Änderung durch das D. Lgs. 9 gennaio 2006, n. 5 a) Wortlaut im Original Accordi di ristrutturazione dei debiti Il debitore può depositare, con la dichiarazione e la documentazione di cui all’ articolo 161, un accordo di ristrutturazione dei debiti stipulato con i creditori rappresentanti almeno il sessanta per cento dei crediti, unitamente ad una relazione redatta da un esperto sull’attuabilità dell’accordo stesso, con particolare riferimento alla sua idoneità ad assicurare il regolare pagamento dei creditori estranei. L’accordo è pubblicato nel registro delle imprese; i creditori ed ogni altro interessato possono proporre opposizione entro trenta giorni dalla pubblicazione. Il tribunale, decise le opposizioni, procede all’omologazione in camera di consiglio con decreto motivato. Il decreto del tribunale è reclamabile alla corte di appello ai sensi dell’ articolo 183, in quanto applicabile, entro quindici giorni dalla sua pubblicazione nel registro delle imprese. L’accordo acquista efficacia dal giorno della sua pubblicazione nel registro delle imprese.
b) Deutsche Übersetzung Vereinbarungen über die Umschichtung der Schulden Der Schuldner kann mit der Erklärung und den Unterlagen, die in Art. 161 vorgesehen sind, eine mit Gläubigern, die wenigstens sechzig Prozent der Forderungen vertreten, abgeschlossene Vereinbarung über die Umschichtung der Schulden zusammen mit einem Bericht über die Durchführbarkeit der Vereinbarung hinterlegen, der von einem Fachmann unter besonderer Bezugnahme auf seine Eignung,
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die ordnungsgemäße Bezahlung der nicht beteiligten Gläubiger zu gewährleisten, abgefasst worden ist. Die Vereinbarung ist im Handelsregister zu veröffentlichen; die Gläubiger und jeder andere, der ein Interesse hat, können innerhalb von dreißig Tagen ab der Veröffentlichung dagegen Widerspruch erheben. Nach der Entscheidung über die Widersprüche nimmt das Landesgericht in nichtöffentlicher Sitzung die Bestätigung mit begründetem Dekret vor. Gegen das Dekret des Landesgerichts kann beim Oberlandesgericht gemäß Artikel 183, soweit dieser anwendbar ist, innerhalb von fünfzehn Tagen ab seiner Veröffentlichung im Handelsregister Beschwerde erhoben werden. Die Vereinbarung wird ab dem Tag ihrer Veröffentlichung im Handelsregister wirksam.
3. Fassung nach der Änderung durch das D. Lgs. 12 settembre 2007, n. 169 a) Wortlaut im Original Accordi di ristrutturazione dei debiti L’imprenditore in stato di crisi può domandare, depositando la documentazione di cui all’articolo 161, l’omologazione di un accordo di ristrutturazione dei debiti stipulato con i creditori rappresentanti almeno il sessanta per cento dei crediti, unitamente ad una relazione redatta da un professionista in possesso dei requisiti di cui all’Art. 67, terzo comma, lettera d) sull’attuabilità dell’accordo stesso, con particolare riferimento alla sua idoneità ad assicurare il regolare pagamento dei creditori estranei. L’accordo è pubblicato nel registro delle imprese e acquista efficacia dal giorno della sua pubblicazione. Dalla data della pubblicazione e per sessanta giorni i creditori per titolo e causa anteriore a tale data non possono iniziare o proseguire azioni cautelari o esecutive sul patrimonio del debitore. Si applica l’Art. 168 secondo comma. Entro trenta giorni dalla pubblicazione i creditori e ogni altro interessato possono proporre opposizione. Il tribunale, decise le opposizioni, procede all’omologazione in camera di consiglio con decreto motivato. Il decreto del tribunale è reclamabile alla corte di appello ai sensi dell’ articolo 183, in quanto applicabile, entro quindici giorni dalla sua pubblicazione nel registro delle imprese.
b) Deutsche Übersetzung Vereinbarungen über die Umschichtung der Schulden Der Unternehmer in einer Krisenlage kann, wenn er die Unterlagen im Sinne des Art. 161 vorlegt, die Bestätigung einer Vereinbarung über die Umschichtung der
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Schulden beantragen, die mit Gläubigern, die wenigstens sechzig Prozent der Forderungen vertreten, abgeschlossen wurde, zusammen mit einem Bericht über die Durchführbarkeit der Vereinbarung, der von einem die Anforderungen des Art. 67 III d) erfüllenden Fachmann unter besonderer Bezugnahme auf die Eignung der Vereinbarung, die ordnungsgemäße Bezahlung der nicht beteiligten Gläubiger zu gewährleisten, abgefasst worden ist. Die Vereinbarung ist im Handelsregister zu veröffentlichen und wird ab dem Tag ihrer Veröffentlichung wirksam. Ab dem Datum der Veröffentlichung und für die Dauer von sechzig Tagen dürfen die Gläubiger, die über einen Titel oder einen Rechtsgrund vor diesem Datum verfügen, keine Sicherungs- oder Vollstreckungsmaßnahmen in Bezug auf das Vermögen des Schuldners beginnen oder fortsetzen. Art. 168 II ist anzuwenden. Die Gläubiger und jeder andere, der ein Interesse hat, können innerhalb von dreißig Tagen ab der Veröffentlichung dagegen Widerspruch erheben. Nach der Entscheidung über die Widersprüche nimmt das Landesgericht in nichtöffentlicher Sitzung die Bestätigung mit begründetem Dekret vor. Gegen das Dekret des Landesgerichts kann beim Oberlandesgericht gemäß Artikel 183, soweit dieser anwendbar ist, innerhalb von fünfzehn Tagen ab seiner Veröffentlichung im Handelsregister Beschwerde erhoben werden.
Eine Synopse aller Normen der legge fallimentare in den Versionen von 1942, 2006 und 2007 findet sich auf der Homepage www.ilcaso.it in der Rubrik „Novità“ unter der Überschrift „Legge fallimentare: Testo a fronte delle modifiche apportate dal decreto correttivo – Tre regimi a confronto“ (Stand: 16.06.2008).
B. Statistik
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B. Statistik Insolvenzverfahren Leonhardt, Westhelle & Partner einschließlich IK-Verfahren, ohne dauerhaft masselose Stundungsfälle Region Berlin/Brandenburg Alle eröffneten Insolvenzen seit 01.01.1999 Verfahren Stand 10.10.08 Per 1.10.2008 Eröffnet: 1050
Davon abgeschlossen 672 (64,0%)
Durchschn. Dauer 2,60 Jahre
Kennzahlen Abgeschlossene Verfahren nach Teilungsmasse, Durchschnitte Teilungsmasse
Anzahl Fälle
in %
Dauer (Jahre)
Quote
Kosten § 4 I 3 InsVV (in % der Masse)
Forderungsrealisierung
0– 10 T e 10– 50 T e 50– 100 T e 100– 250 T e 250– 500 T e 500–1000 T e 1000 T e Gesamt
102 228 88 122 56 34 42 672
15,18% 33,93% 13,10% 18,15% 8,33% 5,06% 6,25% 100,00%
1,72 1,83 2,65 3,34 3,78 3,91 4,03 2,60
1,67% 4,66% 8,52% 15,53% 16,15% 14,49% 23,50% 9,31%
10,07% 11,75% 10,99% 8,66% 7,38% 9,73% 4,48% 9,73%
17,28% 57,79% 50,50% 59,09% 60,11% 71,28% 174,43% 67,30%
Kennzahlen Unternehmensinsolvenzen Mehr als 5 Arbeitnehmer Antragstellung, Durchschnitte Anzahl AN:
Anzahl Fälle
in %
bis 10 85 30,25% 11– 25 85 30,25% 26– 50 66 23,49% 51–100 22 7,83% > 100 23 8,19% Gesamt 281 100,00% In % aller Insolv: 41,8%
Dauer (Jahre)
Quote
Kosten § 4 I 3 InsVV (in % der Masse)
Forderungsrealisierung
2,56 3,11 3,65 4,27 4,22 3,25
12,81% 8,03% 9,05% 12,89% 14,99% 10,66%
9,24% 12,68% 9,40% 7,33% 9,26% 10,17%
69,74% 57,62% 54,70% 47,00% 258,83% 76,28%
Massemehrung Durchschnitt aller abgeschlossenen Verfahren In % der Fälle bzw. e pro Fall Masse bei Abschluß ggü. Prognose Gutachten (%) 155%
Betriebsfortführungen In der vorläufigen Verwaltung 26,04% Nach Verfahrenseröffnung 11,18% Fortführungsgewinn pro Fall 202.555 e
Anfechtung/Haftung % e 49,42%
⁄ 10.203,51
Sanierungen Durchschnitt aller abgeschlossenen Verfahren Keine Fälle mit bei Antragstellung eingestelltem Betrieb berücksichtigt Übertragende Sanierungen Fälle % 82
⁄ 12,3%
Planverfahren Fälle % 14
⁄ 2,1%
Erhaltene Arbeitsplätze pro Fall % 23,22
⁄ 51,4%
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Anhang
C. Fragebogen des Insolvenzgerichts Mailand
C. Fragebogen des Insolvenzgerichts Mailand
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Anhang
C. Fragebogen des Insolvenzgerichts Mailand
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Literaturverzeichnis Abbadessa, Pietro/Portale, Giuseppe B. (Hrsg.): Il nuovo diritto delle società: liber amicorum Gian Franco Campobasso, Bd. 1, 1. Aufl., Turin 2006, zitiert: Abbadessa/Portale-Bearbeiter, Il nuovo diritto delle società Alemagna, Emanuele/Borella, Simone/Gubitosi, Marco: Il nuovo codice del fallimento e delle altre procedure concorsuali, 1. Aufl., Piacenza 2006, zitiert: Il nuovo codice del fallimento Alessi, Giuseppe: Il nuovo concordato preventivo, in: Dir. fall. 2005, I, 1131 ff. – L’amministrazione straordinaria delle grandi imprese insolventi, 1. Aufl., Mailand 2000, zitiert: L’amministrazione straordinaria Ambrosini, Stefano: Gli accordi di ristrutturazione dei debiti nella nuova legge fallimentare: prime riflessioni, in: Il Fallimento 2005, 949 ff. – Gli organi della procedura, in: Il Fallimento 2006, 1033 ff. – (Hrsg.): La riforma delle società: profili della nuova disciplina, 1. Aufl., Turin 2003, zitiert: Ambrosini-Bearbeiter, La riforma delle società Ambrosini, Stefano/Demarchi, Paolo Giovanni (Hrsg.): Il nuovo concordato preventivo, 1. Aufl., Mailand 2005, mit einer Einleitung (S. VII–XIII) von Alberto Jorio Andres, Dirk/Leithaus, Rolf: Insolvenzordnung, 1. Aufl., München 2006, zitiert: Andres/Leithaus-Bearbeiter, InsO Annuß, Georg: Der Betriebsübergang in der Insolvenz – § 613a BGB als Sanierungshindernis?, in: ZInsO 2001, 49 ff. Annuß, Georg/Stamer, Katrin: Die Kündigung des Betriebsveräußerers auf Erwerberkonzept, in: NZA 2003, 1247 ff. Apice, Umberto: Consecuzione di procedure ed effetti del fallimento, in: Il Fallimento 1996, 721 ff. Ascheid, Reiner/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid: Kündigungsrecht – Großkommentar zum gesamten Recht der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, 2. Aufl., München 2004, zitiert: Ascheid/Preis/Schmidt-Bearbeiter Bachner, Michael/Schindele, Friedrich: Beschäftigungssicherung durch Interessenausgleich und Sozialplan, in: NZA 1999, 130 ff. Bailetti, Giacomo: La nozione di piccolo imprenditore dopo l’approvazione della riforma delle procedure concorsuali, in: Il Quotidiano Giuridico vom 23.01.2006, abzurufen unter www.ilquotidianogiuridico.it, Stand: 07.09.2007
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Stichwortverzeichnis Die Verweise beziehen sich jeweils auf die Seitenzahl. Besonders ergiebige Fundstellen sind kursiv gesetzt. Accordo di ristrutturazione 182 ff., 200, 238 ff., 290 Alitalia S. p. A. 262 ff. Amministrazione controllata 180 ff. Amministrazione straordinaria 98, 143, 217 ff., 254 Anfechtungsrisiko 180, 233 ff., 249 ff., 290 ff. Ausgleich 99 ff., 201, 255 ff. Außerordentliche Verwaltung 98, 143, 217 ff., 254
Insolvenzmasse 28, 36, 59, 165, 230 Insolvenzplanverfahren 29, 33 ff., 56, 61, 265, 268 Kapitalersetzende Darlehen 43, 87 Kleinunternehmer 103 ff., 184, 220, 250 ff., 290 Krisenlage 112 ff., 185 ff., 243 Massekredit 41, 49 ff., 141 Mobilitätsverfahren 169 ff. MoMiG 47
Berechenbarkeit 236, 239, 268, 277, 292 Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft 67 ff., 88, 259
Obstruktionsverbot 38 ff., 86, 132, 214, 291
Concordato fallimentare 29, 94, 121, 135, 207 ff., 215, 254 Concordato preventivo 99 ff., 201, 255 ff.
Personalabbau 61 ff., 88, 166 ff., 224, 259 ff., 291 Piano di risanamento 97, 204 ff., 235 ff., 253 Prepackaged plan 85
debt-equity-swap 45 ff., 144 ff., 230, 264 drohende Zahlungsunfähigkeit 34, 80, 115
Rechtsschutz (gegen Bestätigung des Ausgleichs) 133 ff.
Eigenverwaltung 77 ff., 126, 240, 269 ff. Einzelvollstreckung 250 ff., 290
Sanierungsplan 97, 204 ff., 235 ff., 253 Sanierungsprivileg 45, 143 Senator Entertainment AG 45, 60, 133 ff.
Geschäftsaufsicht 180 ff. Gesellschafterdarlehen 43, 87 Gewerkschaft 170 ff., 228, 261 ff., 291
Übertragende Sanierung 27, 58 ff., 162 ff., 216, 240 Umschichtungsabkommen 182 ff., 200, 238 ff., 290
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Stichwortverzeichnis
Vereinbarung über die Umschichtung der Schulden 182 ff., 200, 238 ff., 290 Verteilungskonflikte 252 ff., 290 Verwalterauswahl 48 ff., 153, 265 ff., 283, 292 Vollstreckungssperre 201, 247, 290
Wettlauf der Gläubiger 252 ff., 290 Zertifizierung (von Verwaltern) 51 ff., 87, 265 Zwangsausgleich 29, 94, 121, 135, 207 ff., 215, 254