Demonstrativa im Text: Eine vergleichende Untersuchung zum Französischen und Italienischen 9783110938890, 9783484523418

The aim of the study is to identify typical usages and functional profiles of French and Italian demonstratives used for

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German Pages 229 [232] Year 2007

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Table of contents :
Vorwort
Einleitung
1. Die französischen und italienischen Demonstrativa als Formenklasse
1.1. Die etymologische Basis
1.2. Die französischen Demonstrativa
1.3. Die italienischen Demonstrativa
2. Demonstrativität und Deixis
2.1. Zum Begriff der Deixis
2.2. Die Demonstrativa zwischen Wort- und Funktionsklasse
2.3. Der Bezug zu den deiktischen Dimensionen
2.4. Deixis der «dritten Person»: Objektdeixis
3. Die Anaphora
3.1. Konzepte der Anaphora
3.2. Die Anaphora als endophorische Deixis
3.3. Das Anaphorakonzept dieser Arbeit
3.4. Typen von objektdeiktischen Anaphern
4. Merkmale von Referenten
4.1. Einleitung
4.2. «Aktive» und «inaktive» Referenten
4.3. Starke und schwache Topiks
4.4. Thematizität
4.5. Fokus
5. Die französischen und italienischen Demonstrativa in der Anaphora
5.1. Demonstrativische Anaphern als eigenständiger Forschungsgegenstand
5.2. Gegenstand des Kapitels
5.3. Die Demonstrativa in koreferenziellen Anaphern
5.4. Die Demonstrativa in Diskursanaphern
6. Die Kataphora
6.1. Einleitung
6.2. Konzepte der Kataphora
6.3. Das Kataphora-Konzept dieser Arbeit
6.4. Bedingungen kataphorischer Referenz demonstrativischer Ausdrücke
6.5. Die französischen und italienischen Demonstrativa in der Kataphora
7. Zur anamnestischen Funktion demonstrativischer Ausdrücke
7.1. Einleitung
7.2. Forschungsüberblick
7.3. Anamnestische Demonstrativa im Französischen und Italienischen
8. Zusammenfassung
9. Bibliographie
9.1. Korpustexte
9.2. Sekundärquellen
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Demonstrativa im Text: Eine vergleichende Untersuchung zum Französischen und Italienischen
 9783110938890, 9783484523418

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BEIHEFTE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR ROMANISCHE PHILOLOGIE B E G R Ü N D E T V O N GUSTAV G R Ö B E R H E R A U S G E G E B E N V O N G Ü N T E R HOLTUS

Band 341

GEORGIA VELDRE-GERNER

Demonstrativa im Text Eine vergleichende Untersuchung zum Französischen und Italienischen

MAX NIEMEYER VERLAG T Ü B I N G E N 2007

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-484-52341-8

ISSN 0084-5396

© Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2007 Ein Imprint der Walter de Gruyter G m b H & Co. KG http://www. niemeyer. de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Satz: Büro Heimburger. Mössingen Druck: AZ Druck und Datentechnik G m b H , Kempten Einband: Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach

Inhalt

Vorwort

IX

Einleitung

1

1.

Die französischen und italienischen Demonstrativa als Formenklasse . . . .

5

1.1. Die etymologische Basis

5

1.2. Die französischen Demonstrativa 1.2.1. Formenbestand und Abriss der geschichtlichen Entwicklung . 1.2.2. Zur Darstellung der französischen Demonstrativa in der Grammatikographie 1.3. Die italienischen Demonstrativa 1.3.1. Formenbestand und Abriss der geschichtlichen Entwicklung . 1.3.2. Zur Darstellung der italienischen Demonstrativa in der Grammatikographie

7 7

17

Demonstrativität und Deixis

21

2.1. Zum Begriff der Deixis 2.2. Die Demonstrativa zwischen Wort- und Funktionsklasse 2.3. Der Bezug zu den deiktischen Dimensionen 2.3.1. Binäre vs ternäre Systeme 2.3.2. Personaldeixis im Italienischen vs Lokaldeixis im Französischen? 2.3.3. Demonstrativa und kommunikative Rollen 2.3.4. Zur Einordnung von ital. cotest2.3.5. Die Markierung einer Distanzopposition 2.4. Deixis der «dritten Person»: Objektdeixis

21 22 25 25

Die Anaphora

43

3.1. Konzepte der Anaphora 3.2. Die Anaphora als endophorische Deixis 3.3. Das Anaphorakonzept dieser Arbeit 3.3.1. Text, Diskurs und Diskursraum 3.3.2. Text-und Redetypen 3.3.3. Referenten und Referenz 3.3.4. Anaphorische Referenz

43 45 50 50 51 53 54

2.

3.

9 16 16

27 31 33 35 40

V

4.

5.

3.4. Typen von objektdeiktischen Anaphern 3.4.1. Koreferenzielle Anaphern 3.4.1.1. Nicht-kontrastive koreferenzielle Anaphern 3.4.1.2. Kontrastive koreferenzielle Anaphern 3.4.2. Diskursanaphern 3.4.2.1. Zum Begriff «Diskursanapher» 3.4.2.2. «Pronouns of laziness» 3.4.2.3. Assoziative Anaphern 3.4.2.4. «Type»-Anaphern 3.4.2.5. «Token»-Anaphern 3.4.2.6. Nominalisierende Anaphern 3.4.2.7. Propositionale Anaphern 3.4.3. Prädizierende und nicht-prädizierende Anaphern 3.4.3.1. Prädizierende koreferenzielle Anaphern 3.4.3.2. Prädizierende Diskursanaphern

54 55 55 57 58 58 59 60 62 63 64 65 67 67 68

Merkmale von Referenten

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4.1. 4.2. 4.3. 4.4.

Einleitung «Aktive» und «inaktive» Referenten Starke und schwache Topiks Thematizität 4.4.1. Definitionen des «Themas» 4.4.2. Thematizität im Französischen und Italienischen 4.5. Fokus

71 71 77 78 78 82 84

Die französischen und italienischen Demonstrativa in der Anaphora

89

5.1. Demonstrativische Anaphern als eigenständiger Forschungsgegenstand 5.2. Gegenstand des Kapitels 5.3. Die Demonstrativa in koreferenziellen Anaphern 5.3.1. Adnominale Demonstrativa 5.3.1.1. Verwendungsmerkmale adnominaler Demonstrativa 5.3.1.2. Thematisierung eines schwachen Topiks die reprise immediate 5.3.1.3. Aufnahme eines Hyperthemas 5.3.1.4. Herstellung eines impliziten Kontrastes 5.3.1.5. Prädizierende koreferenzielle Anaphern 5.3.1.5.1. Klassifikation 5.3.1.5.2. Variation 5.3.1.5.3. Evaluation 5.3.2. Nominale Demonstrativa 5.3.2.1. Verwendungsmerkmale nominaler Demonstrativa

VI

89 94 95 95 95 96 106 109 115 115 118 120 123 123

5.3.2.2.

6.

Aufnahme eines nicht-thematischen Antezedenten im gleichen Satz 5.3.2.3. Aufnahme eines nicht-thematischen Antezedenten im nachfolgenden Satz 5.3.2.3.1. Thematisierung schwacher Topiks 5.3.2.3.2. Verweis auf sekundäre Referenten 5.3.2.4. «Lokalisierung» von Referenten im expliziten Kontrast 5.3.2.5. Der Verweis auf einen Referenten als «letzter einer Reihe» 5.4. Die Demonstrativa in Diskursanaphern 5.4.1. Token-Anaphern 5.4.2. Type-Anaphern 5.4.3. Nominalisierende Anaphern 5.4.4. Propositionale Anaphern 5.4.4.1. Nicht-prädizierende propositionale Anaphern 5.4.4.2. Prädizierende propositionale Anaphern

137 139 139 144 148 150 151 156

Die Kataphora

161

125 129 129 131 134

6.1. Einleitung 161 6.2. Konzepte der Kataphora 162 6.2.1. Die Kataphora als Antizipation anaphorischer Elemente 162 6.2.2. Die Kataphora als kohäsives Prinzip im Diskurs 164 6.2.3. Die Kataphora als Verweis auf nachfolgende Information . . . 166 6.3. Das Kataphora-Konzept dieser Arbeit 170 6.3.1. Definition 170 6.3.2. Bedingungen kataphorischer Referenz 171 6.4. Bedingungen kataphorischer Referenz demonstrativischer Ausdrücke 177 6.5. Die französischen und italienischen Demonstrativa in der Kataphora 180 6.5.1. Nicht-prädizierende Kataphern 180 6.5.2.2. Nominale Demonstrativa 187 7.

Zur anamnestischen Funktion demonstrativischer Ausdrücke

191

7.1. Einleitung 191 7.2. Forschungsüberblick 192 7.3. Anamnestische Demonstrativa im Französischen und Italienischen . . 195 8.

Zusammenfassung

199

9.

Bibliographie

205

9.1. Korpustexte 9.2. Sekundärquellen

205 205

VII

Vorwort

Das vorliegende Buch stellt die überarbeitete Fassung meiner Habilitationsschrift dar, die im Jahr 2000 vom Fachbereich Kommunikations- und Geschichtswissenschaften der TU Berlin angenommen wurde. Ich danke meinen Gutachtern Prof. Dr. Peter Erdmann, Prof. Dr. Klaus Hunnius sowie besonders herzlich Frau Prof. Dr. Gerda Häßler für kritische Hinweise und Anmerkungen. Für inhaltliche Diskussionen standen die Kollegen des Instituts für Sprache und Kommunikation der TU Berlin zur Verfügung, ihnen allen danke ich, ebenso auch Colette Cortes (Paris). Für die kritische Durchsicht des Manuskripts bin ich Herrn Karl-Philipp Ellerbrock zu besonderem Dank verpflichtet. Außerdem danke ich Herrn Prof. Dr. Günter Holtus für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie sowie Frau Dr. Ulrike Dedner und Herrn Norbert Alvermann für die freundliche und kompetente verlegerische Betreuung. In allen Phasen der Arbeit habe ich besondere Unterstützung und inhaltlichen Rat von meinem Mann erfahren. Ihm widme ich dieses Buch. Münster, im Januar 2007

Georgia Veldre-Gerner

IX

Einleitung

Die Demonstrativa des Französischen und Italienischen sind das Resultat zweier unterschiedlicher Wege in der Entwicklung der gemeinsamen - wenn auch nicht völlig einheitlichen - lateinischen Basis. In beiden Sprachen sind die Demonstrativa in mehrgliedrige Systeme eingebunden, deren Elemente in der Sprachbeschreibung üblicherweise als Glieder einer deiktischen Opposition interpretiert werden (frz. celui-ci - celui-lä\ ital. questo - [cotesto] - quello, etc.). Im Mittelpunkt linguistischer Beschreibungen der Demonstrativa steht meist der exophorische (situative) Gebrauch, aus dem auch die Deiktizität der Formen abgeleitet wird. Verwendungen demonstrativischer Ausdrücke in der Endophora - d.h. in der Anaphora und Kataphora - werden bis heute über bestimmte «Standardfalle» hinaus kaum systematisch erfasst. Das gilt auch für die beiden hier behandelten Sprachen: Für das Französische liegt eine Arbeit zur Kataphora vor (Kesik 1989), fur das Italienische eine Untersuchung zu textuellen Funktionen der Demonstrativa in der gesprochenen Sprache (Gaudino-Fallegger 1992).1 Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind die endophorischen Verwendungen demonstrativischer Ausdrücke im heutigen Französischen und Italienischen. Dabei wird ein zweifaches Ziel verfolgt: [1] Die Arbeit soll eine deixistheoretische Einordnung der endophorischen Verwendungen der französischen und italienischen Demonstrativa leisten. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass auch die nicht-situativen (textuellen) Verwendungen der Demonstrativa grundsätzlich als deiktisch anzusehen sind. Bei der vergleichenden Betrachtung der beiden Sprachen sollen daher Auffassungen widerlegt werden, wonach in textuellen Verwendungen die deiktische Komponente «schwach» ausgeprägt oder «neutralisiert» sei. Gleichzeitig soll die Annahme überprüft werden, wonach die deiktischen Merkmale demonstrativischer Formen direkt vom extralinguistischen auf den «textuellen Raum» übertragbar seien. Es soll argumentiert werden, dass in den endophorischen Verwendungen eine eigenständige Realisierung der Deixis vorliegt, die nur in geringem Maße über die Linearität des Textes erfassbar ist. [2] Ein zweites Ziel der Arbeit ist die vollständige Erfassung und Beschreibung der endophorischen Verwendungen der französischen und italienischen Demonstrativa. Ausgangspunkt ist hier zunächst die morphologisch definierte Klasse der Demonstrativa, wobei grundsätzlich nur solche Formen betrachtet werden, die in definiter Refe-

1

Textuelle Funktionen von this/that im Englischen behandelt Krenn (1985). Demonstrativische Funktionen unter universellem Aspekt untersucht Himmelmann (1996 und 1997).

1

renz auftreten. Außerhalb der Betrachtung bleiben daher grammatikalisierte Verwendungen wie z.B. in frz. ce que sowie frz. celui und ital. quel- in nicht-referenziellem Gebrauch. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage, in welchen endophorischen Funktionen die jeweiligen demonstrativischen Formen im Französischen und Italienischen auftreten und durch welche funktionalen Spezifika sich die einzelnen Formen auszeichnen. Dabei wird auch auf die funktionale Nähe zum definiten Artikel und den drittpersonigen Personalpronomina eingegangen. Die parallele Betrachtung und der Vergleich zweier Sprachen macht es erforderlich, zu einer übereinzelsprachlichen Kategorisierung demonstrativischer Funktionen zu gelangen. Dies spiegelt sich in der Struktur der Arbeit sowie in der Darstellung der Ergebnisse wider. Nach der deixistheoretischen und sprachhistorischen Einordnung der Thematik werden endophorische Funktionstypen von Demonstrativa definiert und voneinander sowie von Funktionen anderer Determinierer abgegrenzt. Die sich hieraus ergebende Klassifizierung der demonstrativischen Funktionen bildet gleichzeitig die Gliederungsbasis für die formenbezogenen Aussagen im zentralen Teil der Arbeit. Die empirischen Aussagen der Arbeit stützen sich auf die Auswertung einer Reihe von Korpora des geschriebenen und gesprochenen Französisch sowie des geschriebenen Italienisch. Den Schwerpunkt innerhalb der geschriebenen Korpora beider Sprachen bilden nicht-narrative «Sachtexte», da endophorische Verwendungen der Demonstrativa gehäuft in solchen Texten auftreten. Allerdings wurden auch narrative Texte mit einbezogen. Die meisten Texte erfassen die moderne Sprache in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zur Beschreibung einiger seltenerer Phänomene wurde die Materialbasis zusätzlich bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts erweitert. Für das geschriebene Französisch konnte auf das von der Association for Computational Linguistics (ACL) veröffentlichte LE MONDE-Zeitungskorpus sowie auf das umfangreiche FRANTEXT-Korpus des Institut National de la Langue Frangaise zurückgegriffen werden. Für das geschriebene Italienisch standen das ebenfalls von der ACL herausgegebene IL MATTINO/LA STAMPA-Zeitungskorpus sowie eine Reihe weiterer narrativer und nicht-narrativer Texte zur Verfügung. Die beiden Zeitungskorpora des Französischen und Italienischen sind dabei für einen direkten Vergleich beider Sprachen besonders geeignet. Das gesprochene Französisch konnte anhand verschiedener orthographisch transkribierter Korpora (ESCHMANN, HÖLKER, LUDWIG) mit einbezogen werden. Im Falle des gesprochenen Italienisch stütze ich mich auf die Resultate der korpusbasierten Arbeit von Gaudino-Fallegger (1992). Genauere Angaben zu den verwendeten Korpora finden sich im bibliographischen Anhang. Mit Ausnahme der drei Korpora des gesprochenen Französisch lagen alle Korpustexte in maschinenlesbarer Form vor, wodurch das Auffinden von Belegstellen im Text erheblich vereinfacht wurde. Auf der Basis aller verwendeten Korpora wurden daher Beispielsammlungen angefertigt, die alle Belegstellen demonstrativischer Formen vollständig erfassten. Im Falle geringfrequenter Formen gingen alle ermittelten Belegstellen in die Untersuchung ein. Im Falle hochfrequenter Formen musste aufgrund des Umfangs einiger Korpustexte eine repräsentative Auswahl getroffen werden, die pro Form und Textkategorie stets mehrere hundert Belegstellen umfasste. Der genaue Umfang der Auswahl ergab sich dabei in erster Linie aus der funktionalen

2

Variabilität der jeweiligen Form. Das Ziel der Untersuchung war dabei weniger eine Ermittlung von absoluten Häufigkeiten als vielmehr eine vollständige Erfassung aller Funktionen. Die Arbeit gliedert sich in insgesamt sechs Kapitel: Im 1. Kapitel («Die französischen und italienischen Demonstrativa als Formenklasse») werden zunächst die einzelnen Formen hinsichtlich ihrer etymologischen Basis und ihrer morphosyntaktischen Aufgliederung (nominal/adnominal) beschrieben. Außerdem werden die jeweiligen grammatikographischen Beschreibungstraditionen einander gegenübergestellt. Das 2. Kapitel («Demonstrativität und Deixis») stellt deixistheoretische Fragestellungen in den Vordergrund. Es setzt sich kritisch mit der Interpretation der demonstrativischen Paradigmen als oppositive deiktische Systeme auseinander, aus der sich die üblicherweise geringe Beachtung der ana- und kataphorischen Funktionen der Demonstrativa ableitet. Aus theoretischer Sicht wird die Beziehung der Demonstrativa als grammatische Elemente der «dritten Person» zur Deixis diskutiert. Die Bindung einer binären Opposition im Französischen an die Lokaldeixis sowie einer ternären Opposition im Italienischen an die Personaldeixis wird dabei kritisch beleuchtet. Das 3. Kapitel («Die Anaphora») behandelt die Kriterien der Anaphorizität von sprachlichen Ausdrücken. Die Anaphora soll hier als deiktische Funktion definiert werden. Im Mittelpunkt des Kapitels steht eine Einteilung der Anaphora in unterschiedliche Anapherntypen, die daraufhin untersucht werden, ob sie durch demonstrativische Ausdrücke realisierbar sind. Dort, wo es der Gegenstand erfordert, werden zusätzlich der definite Artikel und die drittpersonigen Personalpronomina in die Betrachtung mit einbezogen. Im 4. Kapitel («Merkmale von Referenten») werden einige theoretische Konzepte diskutiert, die für die Beschreibung von Demonstrativa in ihrer konkreten ko-textuellen Umgebung relevant sind. Eine eindimensionale Betrachtung von Anaphern als «alte Information» erweist sich dabei als unzureichend. Wesentliche Verwendungsmerkmale demonstrativischer Ausdrücke sind einmal die «kognitive Präsenz» des Referenten («aktiv» vs «inaktiv») sowie der Grad seiner Verankerung im aktuellen Diskurs («Topikalität»), Eine ebenso wichtige Rolle spielt die Stellung des Referenten in der thematischen und der Informationsstruktur des Satzes. Gegenstand des 5. Kapitels («Die französischen und italienischen Demonstrativa in der Anaphora») ist die ausfuhrliche sprachvergleichende Analyse der demonstrativischen Funktionen in der Anaphora im Französischen und Italienischen. Die in Kapitel 3 unterschiedenen Anapherntypen werden hier im Hinblick auf ihre konkreten Realisierungen durch demonstrativische Ausdrücke in den beiden Sprachen untersucht und dargestellt. Das 6. Kapitel («Die Kataphora») befasst sich mit der Verweisfunktion demonstrativischer Ausdrücke auf den nachfolgenden Ko-Text. Nach einer kurzen Darstellung der Forschungslage soll argumentiert werden, dass es sich bei der Kataphora nicht um eine spiegelbildliche Funktion zur Anaphora, sondern um ein metasprachliches Verweisen des Sprechers auf nachfolgende Information handelt, das u.a. durch demonstrativische Ausdrücke realisiert wird. Daran anschließend werden diejenigen

3

demonstrativischen Formen beschrieben, die im Französischen und Italienischen in kataphorischer Funktion auftreten können. Gegenstand des 7. Kapitels («Zur anamnestischen Funktion demonstrativischer Ausdrücke») ist die Darstellung der sogenannten anamnestischen Funktion demonstrativischer Ausdrücke. Es handelt sich dabei um eine Funktion, die weder der Anaphora noch der Kataphora eindeutig zugeordnet werden kann, sondern einen separaten Funktionsmechanismus zeigt. Den Abschluss bildet mit Kapitel 8 die Zusammenfassung, die die grundlegenden Voraussetzungen des Gebrauchs demonstrativischer Formen in der Endophora beleuchtet. Außerdem werden die funktionalen Merkmale der jeweiligen Formen in beiden Sprachen noch einmal vergleichend betrachtet.

4

1. Die französischen und italienischen Demonstrativa als Formenklasse

1.1. D i e e t y m o l o g i s c h e Basis Die Demonstrativa der heutigen romanischen Sprachen sind keine direkten Nachfolger des klat. Systems, sondern sind in formaler Hinsicht Resultate einer Amplifikation der klat. Formen hic, iste, ille, ipse1 mit der Partikel ecce, die semantisch als Element der Aufmerksamkeitslenkung bezeichnet werden kann. Dadurch erscheinen die romanischen Demonstrativa als Resultate einer Expressivierung der lateinischen Formen (Mair 1992, 208ss.). 2 Als durch gemeinsame etymologische Bestandteile verbundene Formen werden die Demonstrativa z.B. von Damourette/Pichon (1911-1952) in ihrem Essai de Grammaire de la Langue Franqaise (im folgenden EGLF) definiert: «Nous laissons assembles sous le nom de struments demonstratifs les struments phonetiquement caracterises, par la presence, ä l'initiale ou apres un [i], d'un c [s] reste du latin ecce» (EGLF, VI, 437). 3 Diese historische Definition lässt sich auch auf das Italienische übertragen. Implizit wird damit etymologische und formale, nicht jedoch funktionale Homogenität angenommen. Nur in einer idealisierenden Sichtweise stellen die klat. Formen hic, iste, ille ein deiktisches Oppositionssystem mit klaren Funktionsabgrenzungen dar. Es scheint, dass schon hier eher von einer partiellen bzw. okkasionellen Opposition der einzelnen Formen ausgegangen werden muss. Hic, iste, ille sind mit Identitätspronomina wie is, ipse, idem als Teile eines Systems zum Ausdruck von Definitheit anzusehen, dessen Besonderheit gegenüber dem der romanischen Sprachen in zweifacher Hinsicht be-

1

2

3

Die Form ipse ist zum einen materielle Basis einiger Demonstrativa (port, esse, span, ese, ait. esso), zum anderen Vorläufer des Artikels z.B. im Sardischen (Abel 1971, 28) sowie der standarditalienischen Personalpronomina esso, essa. Außerdem war sie vlat. «Konkurrenzform» gegenüber lat. ille als Vorstufe des romanischen Artikels, also des grammatikalisierten Ausdrucks der Definitheit in einigen Teilen der Romania. Seine referenziell identifizierende semantische Komponente stellt ipse in die Nähe von ille, mit dem Unterschied, dass es nicht Teil des dreigliedrigen Systems hic-iste-ille ist (cf. ausführlich dazu Aebischer 1948, Selig 1991, 177-184, Wanner 1987, 70ss.). Zum Umbau des lat. Demonstrativsystems und zur Entstehung der Nominaldetermination im Romanischen cf. Abel (1971), Iliescu (1975/76), Marchello-Nizia (1979,1992,1995), Heinz (1982), Selig (1991). Unter struments werden syntaktisch selbständige grammatische Elemente mit «Grammem»Status verstanden: «ils font partie du materiel constructif du discours, ils expriment des idees simples, cardinales, classees et servant ä classer les autres» (EGLF, I, 80-82). Die zitierte Definition weist außerdem auf eine historische Sichtweise hin, die die mitttelfranzösischen Formen icil, icist und deren Kasusformen einschließt.

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steht: Definitheit wird erstens nur okkasionell durch eine Form explizit ausgedrückt, und zwar bei textkohäsiven oder expressiven Funktionen, also bei im weitesten Sinne diskurspragmatisch «markierten Ausdrucksverfahren» (Selig 1991, 123). Zweitens gibt es mit dem Anaphorikon is eine ausschließlich endophorisch auftretende Form für die Markierung von Definitheit. Die adnominale 4 Verwendung eines Demonstrativums ist im klassischen Latein, da sie syntaktisch fakultativ ist, grundsätzlich pragmatisch markiert. Die nominale Verwendung schließt dagegen auch einen unmarkierten Fall ein, und zwar die anaphorische Aufnahme eines Referenten im Objektkasus durch ein Pronomen. Hier steht im Lateinischen neben den markierten Formen hic, iste, ille das erwähnte unmarkierte is zur Verfügung, das überwiegend pronominal verwendet wird (Abel 1971, 25-27; Marchello-Nizia 1995, 119s.; Selig 1991, 158). Is hat in der Entwicklung zum Romanischen im Gegensatz zu den übrigen Formen keine Fortsetzung gefunden. Kein Unterschied hingegen besteht zwischen dem Lateinischen und dem Romanischen darin, dass die Demonstrativa (ausgenommen das unbetonte lat. is) nicht auf die situative, d.h. exophorische Verwendung beschränkt sind, sondern auch endophorisch auftreten. Unter «Exophora» verstehe ich in Anlehnung an Halliday/Hasan (1976, 33) die Referenzherstellung im außersprachlichen Kontext, dem «context of situation». In der «Endophora» wird die Referenz dagegen unter Bezug auf andere sprachliche Ausdrücke, meist im vorangehenden Text, hergestellt. 5 Obwohl Merkmale wie «Nähe» und «Distanz» auch auf den Text übertragbar sind, ist in dieser texttopologischen Komponente allein nicht das Wesen des endophorisehen Gebrauchs der Demonstrativa - weder im Lateinischen noch in anderen Sprachen - zu sehen. Für ille wird beispielsweise der Gebrauch als sogenannte «Gelenkspartikel» vor attributivem Adjektiv, wie etwa in porcus ille silvaticus (Petron, z.n. Himmelmann 1997, 184), oder auch der «notorische» Gebrauch bei Eigen- und Ortsnamen (Ithacam illam, Cie. De orat., I, 196, z.n. Himmelmann 1997, 187) beschrieben. 6 Die französischen wie die italienischen Demonstrativa basieren auf Zusammensetzungen mit der lat. Form ecce > eccu.7 Direkt von ecce abgeleitet sind die französische nominale Form ce < ςο < ecce hoc sowie die italienische Form cid < ecce hoc. Der heutige Formenbestand des Französischen und des Italienischen soll nun in den restlichen Abschnitten dieses Kapitels hinsichtlich seiner geschichtlichen Entwicklung und

4

5

6

7

Die Bezeichnungen «nominal» und «adnominal» erscheinen mir entgegen gängigen Bezeichnungen insbesondere der Schulgrammatik («substantivisch», «adjektivisch») geeignet, um voreilige Assoziationen und Oleichsetzungen mit Wortklassen zu vermeiden. Grundlage der Unterscheidung ist die syntaktische Funktion als Kopf («nominal») oder Modifikator («adnominal») einer Nominalphrase. Vom außersprachlichen «Kontext» ist der sprachliche «Ko-Text» abzugrenzen, der die Voraussetzung endophorischer Verwendung sprachlicher Formen bildet. Zur detaillierten Beschreibung des Verwendungsspektrums der lateinischen Demonstrativa im Spätlatein cf. Abel (1971) und Selig (1991, 153ss.). Bezüglich der Formen, die zu den Demonstrativa zu zählen sind, besteht keine einheitliche Auffassung. Im weiteren Sinne können auch die «verstärkenden Pronomina» it. stesso (< islipsu) und medesimo (< metipsimus) hinzugezählt werden (Rohlfs 1949/1972, 248s.).

6

hinsichtlich seiner jeweiligen grammatikographischen Beschreibungstradition näher dargestellt werden.

1.2.

Die f r a n z ö s i s c h e n D e m o n s t r a t i v a

1.2.1. Formenbestand und Abriss der geschichtlichen Entwicklung Im heutigen Französisch finden sich die folgenden nominalen und adnominalen Demonstrativa: (1)

nominale Formen ce («neutre») ( < ρ o < ecce hoc) celui (< eccu illui) (+ -cillä) ceci/cela ( < mfrz. ce + ci/lä) ceux ( < ceus < eccu illos) celle (< cele, celi < ecce illa[m]) Celles ( < celes < ecce illas)

adnominale Formen ce ( < ces, analog zu le/les) ces ( < afrz. cez < celes, cestes, cels) cet/cette ( < afrz. cest[e\)

In der modernen Sprache (seit der Mitte des 17. Jahrhunderts) nicht mehr gebrauchte Formen sind:8 (2)

cetui/cetuy/cestui iceluy/icelle

( < eccu istui)

Auffallend ist zunächst die Inkonsistenz des nfrz. Formenspektrums, die ihre Hauptursache in der schrittweisen funktionalen Aufspaltung «nominal» vs «adnominal» der ursprünglich syntaktisch variablen Formen hat. Im Altfranzösischen und auch noch im Mittelfranzösischen existierten nebeneinander zwei Formenreihen mit den Basisformen eist (< ecce iste ) als «Näheausdruck» und eil (< ecce ille) als «Distanzausdruck», dazu die Feminina und Pluralia jeweils im Subjekt-und Objektkasus. Beide Formenreihen waren mit dem Präfix i- kombinierbar (icist, icil, etc.) und traten grundsätzlich sowohl nominal als auch adnominal auf. Die nfrz. Form celui basiert auf einer Obliquusform des ille-Paradigmas. Sie tritt in der modernen Sprache nur nominal auf. Eine wte-basierte Parallelform fehlt im Neufranzösischen. Die Vorstellung einer strikten Parallelität von Näheausdruck (eist) und Distanzausdruck (eil) ist allerdings in verschiedenen Untersuchungen relativiert worden. Die Formen der c/'i?-Reihe sind demnach aufgrund ihrer im Vergleich zu eil größeren funktionalen Einschränkungen als markiert anzusehen. Insbesondere tritt eist nicht in denjenigen Funktionen von eil auf, die sich den Funktionen des definiten Artikels annähern. Die Markiertheit von eist wird von Marchello-Nizia (1992,43) als Bindung an «un element du contexte immediat» beschrieben. Sie zeigt sich laut Raible (1972,174) auch in der tendenziellen Bindung an bestimmte Diskurstypen im Altfranzösischen:

8

In einigen Quellen (z.B. Lemme 1906, 22s.) wird auch die Form celor (cellour, eillour) erwähnt, allerdings nur unter Nennung weniger Beispiele aus einem einzigen Text (Pharsale, v. Nicolas von Verona). Wunderli bezeichnet celor deshalb als «forme fantöme des grammaires de l'ancien fran^ais» und als möglichen Italianismus (Wunderli 1980b, 34).

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«Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit kommt eil in Erzähl- und eist in Dialogtexten oder Texten mit direkter Rede vor» (cf. dagegen Guiraud 1967 sowie auch MarchelloNizia 1979, 121). Raibles Schlussfolgerung, dass eil ein «anaphorischer Artikel», eist dagegen ein «deiktischer Artikel» sei, folgt der üblichen Trennung beider Phänomene und hält indirekt die Nähe/Distanz-Auffassung aufrecht (ib.). Außerdem werden dadurch «deiktisch» und «anaphorisch» zu gegensätzlichen Begriffen. Kleiber (1987) spezifiziert die These des markierten eist dadurch, dass die Opposition zu eil als fakultativ und kasuell definiert wird. Scheinbar widersprüchliche Verwendungen von eil, wie beispielsweise in Cil chevalier sont fuit a moi (z.n. Kleiber 1987, 14) lassen sich so erklären. Hier ist der Referent unmittelbar präsent, wird aber nicht als ausdrücklich präsent kodiert. Gegenüber der Annahme einer semantischen Neutralisierung der Opposition (Yvon 1952) oder ihres eventuell fiktiven Charakters (Price 1968) erscheint die Interpretation von eist und eil als Elemente einer partiellen Opposition als sehr plausibel. Sie erklärt, warum das c/sz-Paradigma generell gegenüber eil etc. an Bedeutung verlieren konnte (eist tritt ab dem 13. Jahrhundert tendenziell eher adnominal und damit natürlich seltener als eil auf), aber gleichzeitig das Nähe-Merkmal in Form der Partikel -ei neu eingeführt wurde. Als Zeitraum fur die vollständige Etablierung der Partikeln -ei und -lä ermittelte Marchello-Nizia in ihrer breiten korpusbasierten Untersuchung des Mittelfranzösischen (1995, 170) das 15. Jahrhundert. Die Formen dienten danach nicht der Restaurierung der vermeintlich «verlorenen» deiktischen Opposition «Nähe»/«Distanz», da sie selbst von Beginn an nicht konsequent semantisch opponiert waren. Eher muss eine bislang wenig beachtete Eigenschaft der NPs mit nachstehender Partikel hervorgehoben werden: die Betonung. Nach Marchello-Nizia spielen die Partikeln eine wesentliche Rolle in der Schaffung eines eigenständigen Akzentes der jeweiligen NP, vergleichbar dem Präfix /'- im 13. Jahrhundert, das z.B. obligatorisch bei satzinitialen Objekten auftrat, also in ungewöhnlicher syntaktischer Position: Ieeste espee porterai en Arabe (Chanson de Roland, 2282, z.n. Marchello-Nizia 1992, 48). Wenn diese These zutrifft, lässt sich auch erklären, warum sich in der Entwicklung des Neufranzösischen (außerhalb der kombinierten Verwendung, cf. ceei ou cela) nie eine klare funktionale Abgrenzung von -ei und -lä herausbilden konnte, da ja morphosyntaktisch und in ihrer Auswirkung auf die Betonung beide Partikeln gleichwertig sind.9 Die Fragestellung wird für das Neufranzösische in der Arbeit noch ausführlich behandelt. Das adnominale Paradigma ce/cet/eette/ees hat keine einheitliche Herkunft. Die Form ees/eez erschien zu Beginn des 13. Jahrhunderts vor der Singularform als ausschließlich adnominale und genusneutrale Pluralform beider Paradigmen. Hier sind also sowohl die Genusopposition als auch die fakultative funktionale Opposition von eist und eil neutralisiert. Für die Entstehung der adnominalen maskulinen Form ce gibt es zwei Hypothesen, von denen die erste eine Analogiebildung nach dem Pa-

Schon im 16. Jahrhundert steht ce Ν-/ά mit celceste Ν in Opposition, wobei ce N-/a stärker als im modernen Französisch in verschiedenen Anaphemtypen etabliert ist, ohne dass ein klares funktionales Profil erkennbar ist. Auch sein Gebrauch in der Kataphora ist nicht ausgeschlossen.

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radigma des bestimmten Artikels ansetzt. Die zweite Annahme geht von lautlichem Zusammenfall der afrz. nominalen/adnominalen maskulinen Obliquusformen cest (< ecce iste) und cel (< ecce ille) aus. Sie wird von Dees (1971) nach Auswertung von Urkundenmaterial allerdings angezweifelt. Neben den genannten Formen gibt es eine sogenannte «neutrale» pronominale Formenreihe, die den Bezug zu nominalen Referenten im Normalfall10 ausschließt: ce-ceci-cela. Alle Formen leiten sich von lat. ecce hoc > go ab. Durch die Kombination mit der singulären Form ce fanden die Partikeln -ci und -lä zuerst Eingang in die demonstrativischen Paradigmen (Marchello-Nizia 1992, 50). Erst im 14. Jahrhundert waren ceci und cela fest etabliert, während ce «neutre» bereits seit dem 10. Jahrhundert regelmäßig auftrat (Lemme 1906, 127, Wunderli 1980a, 274). Für das Mittelfranzösische lässt sich nach Wunderli keine Verwendung der Formen ceci und cela entsprechend einer systematischen Distanzopposition feststellen, vielmehr ist cela als ausschließlich anaphorische Form gegenüber ana- und kataphorischem ceci anzusehen (p. 271). Diese funktionale Aufteilung lässt sich fiir das moderne Französisch grundsätzlich bestätigen, sie findet allerdings in der Grammatikographie kaum Berücksichtigung. Will man eine Aussage hinsichtlich der Rolle von -ci und -lä in der Kodierung von Nähe und Distanz in Bezug auf den Sprecher treffen, ist jedes einzelne der demonstrativischen Subsysteme (adnominale, nominale, nominal/neutrale Formen) gesondert zu betrachten. Zwar ist grundsätzlich festzustellen, dass die -c/'-Formen (ceci, celui-ci, ce N-ci) die «physische» Präsenz des Referenten oder dessen unmittelbare Nähe im vorangehenden Text voraussetzen, allerdings sind sie in den meisten Fällen durch die -/«-Formen ersetzbar. Eine Ausnahme stellt ce N-cz' dar (wie z.B. in ce mois-ci). Die Form ce Ν weist von allen adnominalen Formen im Französischen die größte funktionale Breite auf und kann nur aus etymologischer Sicht, nicht aber hinsichtlich seiner Funktionen, als schwaches oder «verblasstes» Demonstrativum angesehen werden. Das zeigt sich auch im Sprachvergleich.

1.2.2. Zur Darstellung der französischen Demonstrativa in der Grammatikographie In den ersten humanistischen Grammatiken des Französischen werden die Demonstrativa als Teil der pronoms erfasst, die eine ausschließlich substitutive Kategorie im Sinne der lateinischen Beschreibungstradition bilden («suppleer le nom», Meigret 1980 [1550], 49). Louis Meigret zählt in seinem Traite de la grammaire frangaise zu den «pronoms demonstratifs» neben cetuy-cy, cetuy-lä, celuy, ce, cecy, cela auch die Personalpronomina je, tu, il, moi, etc. Er folgt der Tradition lateinischer Grammatiker, u.a. der Priscians (6. Jh.), indem er die «demonstratio» der «relatio», dem Bezug auf

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Eine Ausnahme bildet ςα, das sich seit dem 17. Jahrhundert als Variante von cela in der gesprochenen Sprache etabliert hat. Hier ist in generischer Referenz, meist in einer Dislokation, auch der Bezug auf nominale Referenten möglich: «Les petites epreuves, 9a apporte des richesses, comme dans un couple» (LE MONDE, a03, 1104). Zu den Funktionen von cela und ς α im 17. Jahrhundert cf. z.B. Fournier (1998, 201s.).

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etwas Vorerwähntes, gegenüberstellt." Daher umfassen diepronomina demonstrativeι bei Meigret alle Formen, die ohne Bezug zu vorangehenden Nennungen auftreten können. Einfluss auf den Gebrauch der Demonstrativa in der französischen Literatursprache und damit auf die Herausbildung der generellen Sprachnorm haben die Äußerungen der normativen Grammatikographie im 17. Jahrhundert. Die wichtigsten Vertreter dieser Richtung sind Charles Maupas (1566-1629), Antoine Oudin (1595-1653) und Laurent Chiflet (1598-1658) sowie der primär als Registrator des höfischen Sprachgebrauchs und nur indirekt als Grammatiker auftretende Claude Favre de Vaugelas (1585-1650). In ihren jeweiligen Schriften vermischen sich bereits Deskription und Präskription. Gleichzeitig ist das System der Demonstrativa selbst noch in einer labilen Umbruchphase, da die nominal wie adnominal gebrauchte Form cetui/cetuy noch nicht eliminiert ist. So erscheinen ce N, cetay N, ce N-c; als Varianten ohne funktionale Differenzierung. Erst mit dem Verschwinden von cetuy wird celui ausschließlich pronominal und Ausdrücke wie celui temps werden nicht mehr verwendet. Die Funktionsbereiche von adnominalem ce und dem definiten Artikel le sind im 17. Jahrhundert entsprechend dem heutigen Stand bereits abgegrenzt. Die Form ce stellt ein grammatisches Beschreibungsproblem dar, da sie nicht ohne weiteres als Teil der Pronomenklasse definierbar ist. Ihre Einordnung erfährt im Laufe der Zeit die größten Veränderungen im Vergleich zu der der übrigen demonstrativischen Formen. Charles Maupas beschreibt adnominales ce in seiner Grammaire et Syntaxe Frangoise (' 1607) als «pronom conjoint» und stellt eine funktionale Skala zwischen ce und den komplexen Formen mit -ci und -lä auf: «11 demontre tous-jours chose certaine, & pour plus expresse demonstration nous y adjoutons les syllabes adverbiales cy & lä: Cy, pour demontrer chose proche, Lä, pour une esloignee. Mais il faut que le substantif demonstre, soit interpose entre le demonstratif & lesdites syllabes. Exemp. Ce livre-cy. Cette plume-lä» (Maupas 1973 [1618], 69). Was hierbei unter «demonstration» genau zu verstehen ist, wird nicht näher erklärt. Oudin fügt in seiner Grammaire Frangoise rapportee au langage du temps (' 1640) der ansonsten wörtlich von Maupas übernommenen Definition folgendes hinzu: «[...] je vous diray en passant, que pour la particularite de demonstrer une chose proche ou esloignee, nous ne l'observons gueres bien, car de ce que je tiens ä ma main, qui ne peut estre plus proche, je puis dire la: ce papier la que je tiens: & ainsi des autres, comme d'un homme proche de moy, cet homme la, &c. de sorte que la ne se peut mettre au lieu de cy, mais jamais cy ne se construit ä la place de Ια» (Oudin 1972 [1640], 110).

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In der lateinischen Grammatik Priscians (Institutionum grammaticarum libri XVIII) wird das «pronomen» als Kategorie definiert, die Rollen in der Sprechhandlung thematisiert: «Pronomen est pars orationis quae pro nomine proprio uniuseuiusque aeipitur personasque finitas reeipit» (Keil 1855, II, 577.2-3.). Das Pronomen wird den zwei Prozeduren demonstratio (prima cogniiio) und relatio (secunda cognitio) zugeordnet. Demonstratio liegt vor, wenn ein Sprecher das Wort ego als Antwort auf eine Frage gebraucht. Relatio liegt beim Verweis auf vorerwähnte Nomina vor. Dieser Verweis geschieht im klat. z.B. durch is. Beide Verfahren werden voneinander abgegrenzt: «[...] prima enim cognitio est per demonstrativa pronomina, secunda vero per relativa» (ib., 579.26-7). Zur Verknüpfung der Wortklassenfrage mit der Erfassung der anaphorischen Funktion in den Grammatiken der lateinischen Tradition cf. Percival (1988). 10

Während Maupas die fakultative Setzung von -cyl-lä als Möglichkeit inhaltlicher Verstärkung und Oudin -ci als eine freie Variante von -lä beschreibt, hat für Laurent Chiflet (1659) die Partikel -cy zumindest bei den adnominalen Demonstrativa keine eigenständige Funktion. Für ihn besteht zwischen cet homme und cet komme icy bzw. cet homme-cy lediglich ein stilistischer Unterschied. Die geschriebene Sprache bevorzuge cet homme, die übrigen Formen seien umgangssprachlich bzw. gehörten zum «style comique, satyrique, ou burlesque» (1973 [1659], 40s.). Chiflet orientiert sich dabei an Vaugelas, der in seinen Remarques sur la langue frangaise (' 1647) unter dem Stichwort «Ci joint aux substantifs» (1981 [1647], 212), der Partikel ci keinen inhaltlichen Wert beimisst. Typisch für die grammatikographische Darstellung der Demonstrativa ist die zurückhaltende Differenzierung der Funktionen einzelner Formen: «les pronoms demonstratifs [...] servent ä designer la personne ou la chose dont on parle: [...] cecy, cela, celuy, celle etc.» (Chiflet 1659, 35). Erst in der Grammatikographie des 18. Jahrhunderts werden nominale und adnominale Formen unterschiedlichen Wortklassen zugeordnet. Das geschieht in dem Maße, wie die latinisierende Terminologie als unzureichend für die Erfassung der Sprache angesehen wird. Hinzu kommt der Versuch, in der philosophischen Grammatik logische und sprachliche Kategorien miteinander in Einklang zu bringen. Die unterschiedlichen Ansätze sind z.B. in den sprachbezogenen Artikeln der Encyclopedic, ou dictionnaire raisonne des sciences, des arts et des metiers (1751-1780) dokumentiert. Dort werden sowohl unter dem Stichwort adjectif als auch unter dem Stichwort pronom jeweils von unterschiedlichen Autoren einzelne Demonstrativa aufgeführt. Einer der Autoren ist Cesar Ch. Dumarsais (1676-1756).12 Er nimmt eine übergeordnete syntaktische Kategorie adjectif an, die nominale, verbale, numerale und pronominale Elemente enthält.13 Zu den adjectifs pronominaux zählen die «adjektivischen» Personal·, Possessiv-, Indefinit- und Demonstrativformen, also auch adnominales ce, cette (p. 137). Die Demonstrativa ce, cet, cette, leisten als adjectifs pronominaux wie chaque, quel, tel, certain eine «simple presentation» (p. 138). Parallel hierzu werden die adjectifs in physiques und metaphysiques unterteilt. Die adjectifs metaphysiques sind solche, die sich auf abstrakte Inhalte beziehen (p. 133). Hierzu zählen die Demonstrativa ce, cet etc. und auch der definite Artikel: «meme le, la, les, sont de veritables adjectifs metaphysiques, puisqu'ils modifient des substantifs, & les font regarder sous des points de vüe particuliers» (p. 134). Die Kategorie «Pronomen» erhält Dumarsais aufrecht, um nominale von adnominalen Verwendungen etymologisch verbundener Elemente zu unterscheiden. Er verweist an dieser Stelle auf den von ihm geplanten aber nicht realisierten Artikel Pronom. Der später von Nicolas Beauzee (1717-1789) verfasste Artikel Pronom der Encyclopedie spiegelt die Absicht des Autors wider, die Wortarten als universelle, zumindest

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Während Dumarsais bis zu seinem Tod 1756 alle wesentlichen grammatischen Artikel (145 von insgesamt 338 Artikeln) bis zum Buchstaben G abfasste, führte ab 1757 Beauzee die Aufgabe weiter. So wird ein Gegenstand z.T. in mehreren, sogar gegensätzlichen Kontexten abgehandelt.

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Der \ri\ke\ Adjectif steht in vol. 1 der Encyclopedie, pp. 133-138. 11

aber als übereinzelsprachliche Kategorien zu bestimmen.14 Großen Raum nimmt die Auseinandersetzung mit den traditionellen latinisierenden Definitionen ein. Die Kategorie Pronom wird neu gefasst und hinsichtlich einer «relation personnelle ä l'acte de la parole» direkt in Beziehung mit der grammatischen Person gebracht (p. 450). Für Beauzee sind Pronomina ausschließlich «ceux que Γ on nomme communement personnels» (p. 451), alle anderen üblicherweise «pronominalen» Elemente werden neu kategorisiert. Die Demonstrativa sind fur Beauzee teils no ms, teils adjectifs. Ihre Zuordnung ist aus morphosyntaktischer Sicht widersprüchlich. Es scheint, dass Beauzee Formen, die sich obligatorisch auf vorerwähnte, also «bekannte» Gegenstände beziehen, als noms ansieht, während für ihn bei den anderen Formen die situationsgebundene «Präsentationsfunktion» ausschlaggebend für die Zuordnung ist. Zu den «noms repiites pronoms» wird das neutrale Demonstrativum ce gerechnet, «lorsqu'il est employe pour enoncer par lui-meme un etre determine, ce qui arrive chaque fois qu'il n'accompagne & ne precede pas un autre nom» (p. 453). Als «nom general [...] il indique un etre dont la nature est determinee d'ailleurs» (p. 453). Damit wird eine anaphorische Funktion beschrieben, die gerade für Beauzee die «Nominalität» begründet. Ebenfalls nominal sind ceci, cela, «qui peuvent designer toutes les natures, par la raison qu'ils n'en determinent aucune, quoique dans l'usage ils en supposent une connue» (p. 453). Die referenzielle Variabilität wird aus semantischer Vagheit abgeleitet. In seiner 1767 erschienenen Grammaire betont Beauzee nochmals den nominalen Charakter der Formen: «il est certain que dans tous deux l'idee de chose est la principale, & que Celles de demonstration & de distinction ne sont qu'accessoires» (1974 [1767], 282). Adnominales ce, cet, cette werden wie auch celui, celle und celui-ci, celui-la, als «adjectifs demonstratifs» bezeichnet, «[qui] ne presentent ä l'esprit que des etres indetermines designee seulement par une idee precise qui peut s'adapter ä plusieurs natures; car voilä la veritable notion des adjectifs» (p. 454). Ce «designe un etre quelconque par une idee precise d'indication» (p. 454).15 Für Beauzee steht nicht die Frage des korrekten Formengebrauchs, sondern die Ableitung morphosyntaktischer Merkmale aus logischen Prinzipien, die durch Wortklassen repräsentiert werden, im Vordergrund. Daher wird der Bezug zur Deixis, die eine Thematisierung des Sprechers als Bezugspunkt voraussetzt, nicht hergestellt. Moderne grammatische Beschreibungen der französischen Demonstrativa tragen primär der morphosyntaktischen Abgrenzung adnominaler {ce N, ce Ν-ci/lä) und nominaler (celui-ci/-lä, ceci, cela) Formen Rechnung.16 Ihr untergeordnet ist die Erfassung oppositiver (cecilcela; celui-ci/celui-lä) vs singulärer (ce, celui) Formen. Die 14

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Der Artikel Pronom steht in vol. 13 der Encyclopedie, pp. 449-456. Die Darstellung entspricht weitgehend der in Beauzees 1767 erschienenen Grammaire generale ou exposition raisonnee des elements necessaires du langage, pour servir de fondement ä I 'etude de toutes les langues. Adnominales ce zählt Beauzee in seiner später erschienenen Grammaire (1974 [1767], 358) zu den «articles definis demonstratifs, [...] qui determinent les individus par l'idee d'une indication precise», die wiederum eine Unterteilung der «articles connotatifs» darstellen (p. 327). Diesen steht der «article indicatif» le gegenüber (p. 312). So z.B. Grevisse (1980), Grevisse/Goosse (1993), Togeby (1982), Riegel et al. (1994).

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definitorische Bindung von «Demonstrativität» an die Exophora fuhrt dabei zu Widersprüchen in der Abgrenzung «deiktischer» von «anaphorischen» Verwendungen.17 Die Grammatik von Grevisse/Goosse (1993, 1017) kann in dieser Hinsicht als repräsentatives Beispiel gelten: «Les pronoms demonstratifs designent un etre ou une chose en les situant dans l'espace, eventuellement avec un geste ä l'appui (fonction deictique); ils peuvent aussi renvoyer ä un terme qui precede (fonction anaphorique) ou qui suit (fonction cataphorique) dans le contexte.» Beispiele hierfür sind: Prenez ceci; Si vous cherchez un beau livre, prenez celui-ci plutöt que celui-lä. Davon werden solche Fälle abgegrenzt, in denen die «idee demonstrative» stark abgeschwächt sei: Ceux qui vivent, ce sont ceux qui luttent (ib.). Gegenüber den formes composdes «qui explicitent la valeur demonstrative gräce ä un adverbe de lieu, ci (=ici), qui sert pour des etres ou des objets proches (demonstratif prochain), ou lä, qui sert en principe pour des etres ou des objets eloignes, ou moins proches (demonstratif lointain)», haben die formes simples die valeur demonstrative verloren (p. 1018). Diese werden in nominaux «pour representer des personnes» und representants (v.a. mit relativischem, präpositionalem Anschluss, celui qui, celui de) unterteilt. Auch die determinants demonstratifs werden in formes simples (ce N) und formes renforcees (ce livre-ci, ce livre-lä) unterteilt (p. 917s.). Als vorhanden gilt die valeur demonstrative hier sowohl in der «fonction deictique» als auch in der «fonction anaphorique», in der die Formen mit den pronominalen representants inhaltlich vergleichbar seien, sowie im kataphorisehen Gebrauch (p. 919-921): (3)

«Je vous offre ces fleurs pour vous remercier (= les fleurs que le locuteur a dans ses mains)» (deiktisch).

(4)

«Nicole fut sur le point de se jeter dans les bras de sa tante, raais eile reprima cet elan» (anaphorisch).

(5)

«Elle avait [...] ce privilege d'etre pour chacun une source de courage [...]»(kataphorisch).

Zum deiktischen Gebrauch zählt für Grevisse/Goosse (1993) auch der Ausdruck von «proximite dans le temps». Das gilt sowohl für den recit, als auch für den discours: (6)

«Les moissons sont belles cette annee.»

(7)

«J'etais ä cette epoque tres loin de Paris.»

(8)

«II a beaueoup plu cette semaine(-ci).»

17

Auch das Begriffspaar «konkret» vs «abstrakt» dient zur Erfassung demonstrativischer Funktionen, wie die Definition von Dauzat (1947, 279) zeigt. Die Funktion in der Exophora als versprachlichte, lokalisierende Zeiggeste wird als phylogenetisch und daher (sprach)historisch primär dargestellt: «Le demonstratif est une particule expressive situant l'etre ou l'objet dans l'espace et, par extension, dans le temps. II correspondait a l'origine encore ä un geste, pour montrer ce qu'on designe; Passant du concret ä l'abstrait, le demonstratif indique l'etre ou l'objet en question - dont on a parle, dont on vient de parier [...] - plus ou moins eloigne dans le temps ou dans l'espace.» 13

(9)

«Ce matin-lä, j'etais tres en retard pour aller ä l'ecole» (p. 922s.).

Als nicht-deiktisch und nicht-anaphorisch, sondern als «expressiv» gilt die Verwendung von ce Ν in folgenden Beispielen: (10)

«Ces dames aux chapeaux verts.»

(11)

«Ce Perrichon n'arrive pas!» (p. 923).

In der nominalen Reihe wird Deiktizität ausschließlich an die Lokalpartikeln gebunden, so dass anaphorisches celui in celui du Ν als nicht-deiktisch gilt. In der adnominalen Reihe ist die Grenzziehung weniger deutlich, da ce Ν entgegen den zusammengesetzten Formen deiktisch, anaphorisch und auch expressiv gebraucht werde und nur die beiden ersten Funktionen zur valeur demonstrative gezählt werden. Die valeur demonstrative erweist sich als eine letztlich formenbezogene Eigenschaft, die an die ausgedrückte Lokalisierung durch die Partikeln ci/lä gebunden wird. Eine differenziertere Beschreibung der Demonstrativa auf der Basis eines expliziten Deixiskonzepts versuchen die Grammaire methodique du franqais (1994), von M. Riegel et al. sowie die Grammaire critique du Franqais (1997) von M. Wilmet. In der Grammmaire methodique (1994) werden die Demonstrativa nach morphosyntaktischen und parallel dazu nach funktionalen Kriterien hinsichtlich der Referenz erfasst. Die Grammatik hat den Anspruch, Referenztypen (generisch, partikulär, etc.) den einzelnen referenziellen Ausdrücken zuzuordnen. Dabei werden aber eher morphologische Kategorien beschrieben. Das bedeutet hinsichtlich der Demonstrativa, dass eine «expression referentielle demonstrative» ausschließlich durch die Verwendung eines Demonstrativums entsteht, jedoch eine «expression referentielle pronominale» durch Personalpronomina sowie auch durch Demonstrativa zustandekommt (p. 572). Die adnominalen Demonstrativa werden als «determinants demonstratifs» den «determinatifs du groupe nominal», die nominalen Formen als «pronoms demonstratifs» den «Substituts du groupe nominal» zugeordnet (Riegel et al. 1994, 151 ss., 192ss.). Für beide Gruppen wird ein deiktischer und ein nicht-deiktischer Gebrauch unterschieden. Nicht-deiktisch bedeutet dabei «anaphorique» im Sinne von Vorerwähnung, deiktisch dagegen bedeutet, dass der Referent präsent «dans la situation de discours ou accessible ä partir d'elle» ist (p. 156, 196). Zugleich werden an anderer Stelle die deiktische und anaphorische Referenzweise als zwei Typen einer «localisation du referent» definiert (p. 572). Riegel et al. versuchen, alle Verwendungen der Demonstrativa durch das Begriffspaar deiktisch-anaphorisch zu erklären. Diese Abgrenzung wird durch die gewählten Beispiele aber nicht plausibel illustriert, was durch die Anfuhrung isolierter Sätze auch kaum möglich ist. Im Vergleich der Funktionen von definitem Artikel und adnominalem Demonstrativum (ce) wird die demonstrativische Referenz in der Anaphora als «directe» und daher unabhängig von der Bezeichnung («designation») des Antezedenten charakterisiert (p. 156). Damit sollen auch Verwendungen wie die folgenden miterfasst werden, die ohne weiteren Ko-Text nicht interpretierbar sind: (12)

«Cet imbecile n'a rien compris.»

(13)

«Ah, cette pagaille» (Riegel et al. 1994, 157).

14

Die Beispiele zeigen, dass demonstrativische Ausdrücke neben dem Rückbezug auf Vorerwähntes auch zusätzliche Prädikationen (N est un imbecile) enthalten können. Dabei handelt es sich aber nicht um eine konstante Eigenschaft des Demonstrativums, das ebenso auch isolierte Koreferenz ausdrücken kann (un komme ... cet homme). Die Grammaire methodique ist gegenüber anderen Grammatiken hervorzuheben, da hier die Anaphora als wesentlicher, wenn auch sekundärer, Funktionsbereich der Demonstrativa in die Beschreibung aufgenommen wird. Allerdings gründet sich die Beschreibung auch hier auf die Annahme, dass Deixis und Anaphora zwei getrennte Verfahren sind. Auch Wilmet (1997) verknüpft in seiner Grammatik die deixistheoretische mit der deskriptiven Komponente. Die Demonstrativa werden hier als quantifiants-caractirisants deictiques beschrieben. Dabei wird keine funktionale Unterscheidung zwischen nominalen und adnominalen Formen getroffen. Die Definition ergibt sich aus Wilmets Annahme, dass zwischen den Formen, die definite Referenz kennzeichnen (definiter Artikel und Personalpronomen), und den demonstrativischen Formen ein graduelles Verhältnis vorliegt. Es wird allerdings nur für die adnominale Form gegenüber dem definiten Artikel explizit formuliert: «Les ce (cet devant voyelle), cette, ces, seuls ou combines aux particules -ci/-lä, cumulent la fonction quantifiante de le, la, ou les avec un caracterisant Δ disponible (Δ 'delta' est le symbole du vide en attente de completude, sur la valeur duquel on s'interrogera» (Wilmet 1997, 230).

Die Entfernung Wilmets von der traditionellen Grammatik zeigt sich am deutlichsten in der eigenständigen Behandlung der demonstrativischen Funktionen in der Endophora und in der Exophora. In der zur Endophora gehörigen Anaphora werden mehrere Typen unterschieden, wobei nur auf adnominales ce Ν eingegangen wird. 18 Dabei wird über die koreferenzielle Anapher hinaus («anaphore repetitive») auch der anaphorische Verweis auf nicht-nominale Referenten bzw. Propositionen beschrieben: (14)

«La seule personne qui me refut mal, et dont j'aurais le moins attendu cette fut Mme de Bezenval» (J.-J. Rousseau, z.n. Wilmet 1997, 235).

injustice,

Dieser Anapherntyp, in Grammatiken meist unterschlagen, wird in den Abschnitten 3.4.3.2 und 5.4.4.2 dieser Arbeit als ein Typ von Diskursanaphern näher beschrieben. Es handelt sich hierbei um einen zentralen Bereich demonstrativischer Funktionen, da definiter Artikel und Personalpronomen in dieser Verwendung weitgehend ausgeschlossen sind. Explizit rückt Wilmet auch von der tradierten Auffassung ab, dass die ci-/ä-Opposition a priori ein Distanzverhältnis kodiere: «On aurait tort de borner les particules -ci et -la ä l'indication de la proximite ou de l'eloignement (temporal, spatial, cotextuel). Premierement, la rarefaction des formes en -ci tend ä redefinir le couple sur la base des formes simples composees en -lä» (Wilmet 1997, 231).

18

Allerdings bleibt auch Wilmet in der konservativen Tradition, seine Beispiele z.T. aus dem 16. bis 18. Jahrhundert zu wählen.

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In den neueren Grammatiken des Französischen werden die vorhandene Parallelität von -ci und -lä und die Generalisierung von -la in den meisten Funktionen als Verlust an Deiktizität interpretiert. Der Grund liegt in der Identifizierung von Deixis mit «Situationsdeixis», in der die Demonstrativa als Zeiggestenäquivalente erscheinen. Die Reduktion auf nur eine Form in den «textuellen» Funktionen erscheint als Bestätigung dafür, dass diese Funktionen außerhalb der Deixis angesiedelt sind. Ein generelles Beschreibungsproblem stellt die adnominale Form ce dar, die außerhalb der lokalisierenden Opposition steht. Die Betonung der Analogie mit dem definiten Artikel, die nicht erst in den neueren Grammatiken hergestellt wird (cf. Beauzee), erfasst wiederum nur einen Teil von dessen Funktionen, nämlich den Bezug zu nominalen Referenten im vorangehenden Text.

1.3.

Die italienischen Demonstrativa

1.3.1. Formenbestand und Abriss der geschichtlichen Entwicklung Im heutigen Standarditalienischen finden sich folgende demonstrativische Formen: (15)

questo (< eccu-istu) cotesto (< eccu-ti[bi]istu) quello (< eccu-illu) cid (< ecce-hoc)

costui (< eccu-istui) cotestui (< eccu-ti[bi]-istui) colui (< eccu-illui)

Während im Französischen morphologisch getrennte Reihen nominaler (celui-ci/-lä; ceci-cela; celui; ce «neutre») und adnominaler Demonstrativa (ce N, ce Ν-ci/lä) existieren, werden im Italienischen alle adnominalen Formen (questo N, codesto N, quello N)19 in der modernen Sprache (seit der Mitte des 19. Jahrhunderts) auch nominal gebraucht. In umgekehrter Richtung gilt die Restriktion, dass ausschließlich nominale Demonstrativa solche sind, die in der Referenz auf Personen gebraucht werden (costui, costei, costoro; colui, colei, coloro; questi, quegli).20 Die «/-Formen sind ursprünglich Dativformen der Nominative questi, quegli, wobei die dritte Form, cotesti, samt ihren Kasusformen cotestui und cotestoro bereits vor dem 15. Jahrhundert außer Gebrauch kam (Brodin 1970, 87s.). Die heute generalisierten -o-Formen (questo, quello) sind ursprüngliche Obliquus-Formen. Im Gegensatz zum Französischen ist im Toskanischen bereits im 10. bis 11. Jahrhundert der Übergang zu dem Formensystem abgeschlossen, das bis heute in der Standardsprache grundsätzlich (bis auf einige Reduktionen) erhalten ist.21 In einigen Dia-

19

20

21

Diese Aussage bezieht sich nicht auf die aphäretische ältere Form sto/sta Ν (< esto/estä), die nur noch in feststehenden Wendungen auftaucht (stamattina, stanotte) (Rohlfs 1972, 241, Brunet 1981,4). Neben den ursprünglichen Obliquusformen costui, colui (und dem bereits im Altitalienischen seltenen cotestui) sind die beiden singularischen Formen questi, quegli nur auf Personen anwendbar. Sie treten gegenüber den erstgenannten fast nur in Subjektposition auf (cf. Brunet 1981, 26-28; Rohlfs 1972, 242; Gaudino-Fallegger 1992, 92). Zu den dialektalen Formen auf dem Gebiet Italiens cf. Rohlfs (1972, 244ss.) und Tekavcic (1972, 196ss.).

16

lekten, z.B. im Gebiet Umbriens, finden sich im späten Mittelalter auch Fortsetzungen der lateinischen einfachen Formen (ista hora), bzw. im Florentinischen auch esso (< ipsu) (Michel 1997, 181, Rohlfs 1972, 241). Die grundlegenden Veränderungen seit dem Altitalienischen sind bereits in den Quellen des 13. Jahrhunderts erkennbar. Am wichtigsten ist zweifellos die funktionale Labilität von cotesti/cotesto als Form, die den Adressatenbezug herstellt. Es nähert sich bereits in dieser Zeit der Bedeutung von questo an (cf. Brodin 1970, 71; Rohlfs 1972, 240). Daraus folgt, dass schon in der Hochphase des Toskanischen als Literatursprache die Tendenz zu einem binären System questo vs quello besteht. Eine zweite Tendenz im Funktionsprofil der ital. Demonstrativa besteht darin, dass die ursprünglichen Obliquusformen zunehmend in allen Kasus, auch im Subjektkasus auftraten. Auch diese Tendenz lässt sich schon im Trecento erkennen, allerdings werden «abweichende» Verwendungen in der konservativ-normativen Grammatikographie des Toskanischen ausdrücklich als Fehler («error di stampa») interpretiert: Questo canto gli errori, e le fatiche delfigliuol di Laerte (z.n. Buommattei 1807, 213). Die Ausbreitung der Obliquusformen auf Kosten der ausschließlich nominalen Subjektformen questi, quegli, etc. kann so gleichzeitig als Übernahme der koreferenziellen Substitutfunktion durch die auch adnominal auftretenden Formen questo und quello (codesto) angesehen werden. Dadurch erscheint koreferenzielles nominales questo (Ho vis to Paolo. Questo...) im Vergleich mit dem Französischen eher als elliptische Form. Das spiegelt sich in der Sprachbeschreibung deutlich wider. 1.3.2. Zur Darstellung der italienischen Demonstrativa in der Grammatikographie Kennzeichnend fur die Beschreibung der Demonstrativa in der italienischen Grammatikographie bereits seit dem 17. Jahrhundert ist die Herleitung der einzelnen Funktionen aus der Sprecher-Adressat-Relation. Die endophorische Funktion wird, sofern sie überhaupt beschrieben wird, von der Exophora abgeleitet. Eine der bis zum 19. Jahrhundert für die toskanische Literatur- und spätere Standardsprache maßgeblichen Grammatiken war die Ί643 erschienene Schrift Deila Lingua toscana des Sekretärs der Crusca, Benedetto Buommattei (1581-1647). Hier wird der Gebrauch der toskanischen Demonstrativa («pronomi dimostrativi»)22 wie folgt beschrieben: «Osservino dunque coloro, che d'ubbidire hanno voglia alle buone regole. che questo e questa accenna la cosa presente, ο vicina a chi parla. [...] Ma se scriverö a qualcuno, che si trovi a Venezia, [...] dovrö scrivere ο dire cotesta cittä. [...] Se poi mi occorrerä, scrivendo a

22

Erst im 18. Jahrhundert werden adnominale und nominale Formen als eigenständige Wortklassen definiert. Buommattei unterteilt die Pronomen, die zu den Nomen gerechnet werden, in «sustantivi» vs «aggiuntivi» (p. 137). Zu den sustantivi zählen solche, die sich auf Personen beziehen. Zu den übrigen, die Eigenschaften der Nomen («alcun accidente») bezeichnen, zählen alle anderen Formen. Damit werden syntaktische Aspekte (adnominaler Gebrauch) und inhaltliche Aspekte (Bezug auf ein vorerwähntes Nomen) vermischt. Zur Beschreibungstradition der Wortarten in der italienischen Grammatikographie cf. auch Padley (1988), Kaitz (1983), Kukenheim (1974), Michel (1997).

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Venezia, trattar di Roma, ο di Napoli, dov'io non sono, [...] bisognerä ch'io dica quella cittä [...]»(Buommattei 1807,211s.).

Damit wird eine direkte Beziehung zwischen der Dreiheit der Demonstrativa und den drei grammatischen Personen hergestellt, allerdings verstanden als Relation zwischen dem Sprecher und dem Adressaten gegenüber dem besprochenen Gegenstand. Diese Sichtweise führt zu einer «negativen» Definition desjenigen Demonstrativums, das sich nicht auf Sprecher- oder adressatenseitige Gegebenheiten bezieht, also quelle. Ein Beispiel ist die Definition des Grammatikers Salvadore Corticelli (1690-1758) in den einhundert Jahre später erschienenen Regole ed osservazioni della lingua toscana ridotte a metodo (' 1745), wonach quello «dimostra cosa terza, non prossima a' parlanti» (Corticelli 1768,42). Die meisten Grammatiker des 17. und 18. Jahrhunderts übernehmen Buommatteis Definition der Demonstrativa, in der die triadische Unterteilung aus den lateinischen Formen (hic-iste-ille) abgeleitet wird. Sprachliche Basis der Grammatiken von Buommattei und Corticelli ist die Literatursprache des 13. und 14. Jahrhunderts, v.a. die von Boccaccios Decamerone (13491353). Dies gilt auch für die meisten anderen Grammatiken des 18. Jahrhunderts.23 In nicht wenigen älteren Grammatiken wird jedoch schon auf den labilen Status des dreiteiligen Demonstrativsystems im alltäglichen Sprachgebrauch und generell außerhalb der Toskana hingewiesen. Buommattei vermerkt am Schluss seiner Darstellung: «Ne mai si sentirä in ciö far errore da verun del nostro paese, ancorche rivendugliolo, ο battilano, ο di altra professione piü sprezzata» (Buommattei 1807, 212).

Im 18. Jahrhundert schreibt der Grammatiker Domenico Maria Manni zu diesem Thema: «Passo finalmente ai Pronomi questo e questa, cotesto e cotesta, quello e quella; e dico, che molti non toscani errano in essi bene spesso, dicendo cotesto di cosa presente, e facendolo equivalere oppunto al Pronome questo, e cotanto diverso» (Manni 1737, 155).

Grundsätzlich gilt, dass bei der Beispielauswahl der Grammatiken die exophorischen Verwendungen der Demonstrativa im Vordergrund stehen. Umso interessanter sind die wenigen Hinweise auf demonstrativische Funktionen außerhalb der Exophora, die nur am Rande auftreten und nicht näher erläutert werden. Buommattei beschreibt z.B. textuelle Funktionen, die offenkundig den von ihm selbst formulierten Regeln widersprechen: «[...] tutti luoghi accennati, e altri molti simili servono per osservar una certa proprietä di parlare, che talora si tratta di cose lontane, come se fusser presenti, quasi voglia dire: costui, cioe questo tale, di cui viparlo [...] Ε che ciö sia vero, veggasi, che dallo stesso e detta questa per quella: Avvenne che una di queste barbiere, che sifaceva chiamare Madonna... [..] dove si vede, che si trovavano in Sicilia, ma non accennava con tant'evidenza la proprietä del parlar di colui, che novellando ragiona» (Buommattei 1807, 216).

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Die wichtigsten Grammatiken dieser Periode sind neben den genannten die Lezioni di Lingua Toscana von Domenico Maria Manni (Firenze 1737), die Lezioni di lingua toscana von Girolamo Gigli (Venezia 1744 [ Ί 7 2 4 ] ) und die stark von der philosophischen Tradition in Frankreich inspirierte Grammatik von Francesco Soave, Grammatica ragionata della lingua Italiana. addatta all 'uso e all 'intelligenza comune (Milano 1847 [' 1770]). Die Demonstrativa werden hier weitgehend analog zu Buommattei beschrieben.

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Buommattei deutet damit ein Phänomen an, das im weitesten Sinne als Versetzung der deiktischen «origo» oder «versetzte Deixis» beschrieben werden kann und das in der Narration zur Markierung und Abgrenzung der einzelnen Diskurstypen (direkte Rede, indirekte Rede etc.) dient. In seiner Grammatica ragionata (' 1770) bezieht sich der Sprachphilosoph Francesco Soave direkt auf den anaphorischen Gebrauch der nominalen Demonstrativa, wenn er ihre Funktion wie folgt beschreibt: «si riferiscono a qualche nome espresso innanzi» (Soave 1847,37). Die hier vorgestellte Beschreibung der Demonstrativa findet sich nur unwesentlich verändert auch noch in Grammatiken des 20. Jahrhunderts. Die Besonderheit der italienischen Grammatikographie gegenüber der französischen zeigt sich sehr plastisch darin, dass auch heute noch in den meisten Darstellungen die Dreistufigkeit und damit die Bindung an die drei «Personen» aufrechterhalten wird. Als Beispiel einer solchen grammatischen Darstellung kann Regula/Jernej (1965, 135) gelten: «[II] Pronome e aggettivo dimostrativo determina un essere ο una cosa secondo il rapporto di prossimita ο di lontananza nello spazio, nel tempo ο nel discorso. [...] 1. Questo indica vicinanza alla persona che parla: (guarda questo palazzo, questi beifiori). 2. Codesto (o anche cotesto) denota un essere ο una cosa vicina a chi ascolta e lontana da chi parla: Dammi codesta rivista. 3. Quelle indica un essere ο una cosa lontana da chi parla e da chi acsolta, oppure un fatto lontano nel tempo: Vedi quel graitacielo?»

Daneben wird bezüglich questo (weniger quello) auf eine emphatische Bedeutung («valore affettivo, enfatico») hingewiesen: Questo povero bambino; Questi ragazzi, che cattivi! (ib.). Neuere Grammatiken ziehen zwar eine formale Trennlinie zwischen adnominalen und nominalen Formen, behalten aber die traditionelle, exophorisch orientierte Definition bei. Hierzu gehört z.B. die Grammatica italiana con nozioni di linguistica von Dardano/Trifone (1989). Allerdings wird der Nähe- und Distanz-Begriff auch auf die Endophora übertragen: «questo indica una persona ο una cosa vicina a chi parla (Vicinanza nello spazio/tempo/ discorso). codesto indica una persona ο una cosa vicina a chi ascolta. II suo uso e limitato alla Toscana e al linguaggio letterario e burocratico - (nella lingua comune viene sostituito da questo). quello indica una persona ο una cosa lontana da chi parla e da chi ascolta» (Dardano/Trifone 1989, 227s.).

Auch in der Grammatik von Schwarze (1988) werden die Demonstrativa sowohl unter den «Artikelwörtern» als auch unter den Pronomina behandelt, die Distanzopposition wird jedoch grundsätzlich aufrechterhalten: «quest- und quel- stehen zueinander, genau wie die gleichlautenden Artikelwörter, in einer Opposition des Distanzgrades: quest- verweist, vom Sprecher aus gesehen, auf Gegenstände innerhalb des Nahbereichs und quel- außerhalb des Nahbereichs» (Schwarze 1988, 283).

Allerdings wird auf eine endophorische Funktion von quest- verwiesen, für die quelweitgehend ausgeschlossen ist und die in der vorliegenden Arbeit als diskursanaphorisch bezeichnet werden soll (Ε molto che non ho avuto sue notizie. Questo mi preoccupa., p. 283). Auch der aphorische Gebrauch der Demonstrativa in emphatischen 19

Äußerungen wird beschrieben (/ 'ho visto con questi miei occhi; ho avuto una di quelle paure, p. 228). Die stärkste funktionale Differenzierung bietet die Grammatik von Renzi (1988). Hier wird auf einige Besonderheiten des endophorischen Gebrauchs der Demonstrativa, allerdings ohne systematischen Anspruch, eingegangen. Dazu gehört z.B. die Blockierung der Koreferenz bei syntaktischer Abhängigkeit zwischen Antezedent und Anapher (Carlo loda sempre questo/*quello, p. 623). In keiner der untersuchten italienischen Grammatiken lassen sich detailliertere Aussagen zum Verhältnis von questo und quello finden, die über die Unterscheidung von Sprechernähe und Sprecherferne bzw. den Ausschluss einzelner Formen in bestimmten Funktionen hinausgingen. In Renzi (1988) wird regelmäßig der Gebrauch von quest- vs quel unkommentiert als alternativ markiert (Metti questo/quel mio vestito, p. 619; Voglio questo/quello rosso, p. 620). Außerdem überwiegen, wie auch in den französischen Darstellungen, generell exophorische Beispiele, in denen die Demonstrativa Zeiggesten begleiten. Die vorgestellten italienischen Grammatiken leiten die Funktionen der einzelnen Demonstrativa aus der Dreigliedrigkeit der Paradigmen her. Diese bildet die alternative Zuordnung eines «Objekts» zum Sprecher oder den anderen Rollen der Sprechhandlung ab, wobei das Objekt selbst im Hintergrund steht. Daraus ergibt sich eine nur eingeschränkte Erfassung demonstrativischer Relationen: Im Mittelpunkt steht die situationsbezogene Zeighandlung zwischen Sprecher und Adressat. Der Bezug zu Objekten außerhalb dieser Relation wird «negativ», als externer oder neutraler Bereich definiert.

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2.

Demonstrativität und Deixis

2.1. Zum Begriff der Deixis Die sprachliche Deixis basiert auf der Beziehung zwischen einer sprachlichen Äußerung und der Äußerungssituation.1 Als «deiktisch» sind dabei nicht die Gegebenheiten der Äußerungssituation selbst, sondern erst die (sprachliche) Bezugnahme des Sprechers auf diese Gegebenheiten anzusehen (Heger 1965, 78). Deixis umfasst damit zwangsläufig zugleich Sprachliches und Nicht-Sprachliches. Die vorliegenden Beschreibungen der Deixis beziehen in unterschiedlicher Weise die pragmatische Ebene, also die Relation zwischen Sprache als Zeicheninventar, Sprechhandlung und Sprecher mit ein, jedoch werden unterschiedliche Komponenten in den Vordergrund gestellt (z.B. die Abhängigkeit der Referenz von Zeiggesten und/oder vom außersprachlichen Kontext, der Verweis auf außersprachliches Wissen des Sprechers/Adressaten, der Bezug zum sprechenden Subjekt). Die Frage, inwieweit es sprachliche Formen gibt, die per se deiktisch sind, wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Als deiktisch gelten üblicherweise solche Ausdrücke, deren Referenz in Bezug zu einer konkreten Äußerungssituation steht (cf. z.B. Levinson 1990, 55; Klein/Weissenborn 1982, 3s.). Obligatorisch auf die Sprechsituation verweisen Wörter wie ich, hier, jetzt. Hinzu kommt bei Elementen wie du, dort, morgen/gestern die Kodierung einer semantischen Relation zwischen Sprechergegebenheiten und Referenzebene. Es ist jedoch auch für solche Wörter nicht ausgeschlossen, dass sie - z.B. in metasprachlicher Verwendung - den Bezug zur aktuellen Äußerungssituation verlieren (beispielsweise bei dem «Ich des Erzählers»). Darin zeigt sich, dass die Deixis keine einfache Versprachlichung von Zeiggesten, sondern ein Merkmal von konkreten Zeichenverwendungen ist. Die üblicherweise als «deiktisch» beschriebenen Wörter setzen wie alle sprachlichen Zeichen grundsätzlich eine intersubjektive, abstrakte Zeichenbedeutung voraus. Diese ermöglicht es jedem Sprecher, das von ihm aktuell «Gemeinte» zu kodieren. Im Falle der Personalpronomina ich und du oder der Orts- und Zeitadverbien ist der Bezug zu den Koordinaten der Sprechhandlung lexikalisiert. Von Deixis kann aber nur dann gesprochen werden, wenn die konkrete Zeichenbedeutung durch den Be-

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Die wissenschaftshistorische Dimension der Deixisdiskussion soll hier nur insoweit berücksichtigt werden, wie sie fur die Beschreibung der Demonstrativa von Interesse ist (cf. Abschnitt 2.2). Zu einer breiteren Darstellung deiktischer Theorien aus historischer Sicht cf. z.B. Ehlich (1979, insbesondere Kapitel 3), Pinborg (1972,33ss.) sowie zu neueren Theorien auch Consten (2004, Kapitel 1).

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zug zur Sprechhandlung selbst bestimmt wird. Diese Bestimmung kann maximal sein (z.B. durch die Aussprache des Wortes du in mündlicher Kommunikation oder beim Zeigen auf einen sichtbaren Gegenstand: dieser Tisch) oder auch minimal (z.B. durch die Aussprache von der Mann, ohne dass die bezeichnete Person anwesend ist, oder auch bei der Verwendung von du in der wiedergegebenen Rede). In diesem Fall kommen Wissensannahmen, sprachliche Informationen und Inferenzen hinzu. Genauer betrachtet ist bei den sogenannten «Deiktika» nur die Wahrscheinlichkeit höher, direkt auf die aktuelle Sprechhandlung bezogen zu werden als bei beliebigen Appellativa (Mann, Tisch, etc.), bei deren Nennung der Sprecher gemeinsames Wissen über die Merkmale und die Identität des besprochenen Gegenstandes voraussetzt. Ich gehe daher davon aus, dass es kaum per se deiktische Wörter gibt, sondern v.a. solche, die entweder typischerweise oder überwiegend deiktisch auftreten. Eine Wortklasse, deren Elemente sowohl Gemeinsamkeiten mit den Personalpronomina ich, du und den Orts- und Zeitadverbien als auch mit den Appellativa aufweisen, sind die Demonstrativa. Diese können ihre konkrete Bedeutung [1] aus der Sprechsituation beziehen oder [2] aus dem Bezug auf vorangehende Sprechsituationen und aus vom Sprecher vorausgesetztem Wissen. Im ersten Fall sind die Demonstrativa - im Gegensatz zu den erst- und zweitpersonigen Personalpronomina - tendenziell an Zeiggesten gebunden (Regarde celle-la; Guarda quella-Ιϊ). Im zweiten Fall werden sie üblicherweise als nicht-deiktisch bzw. anaphorisch definiert (II etait un homme ... cet homme\ C'era un uomo ... quest'uomo). Während Orts- und Zeitadverbien (ici, maintenant, oggi) und die Personalpronomina der ersten und zweiten Person den jeweiligen außersprachlichen Bezugspunkt in der Äußerung direkt kodieren, ist die Deiktizität von Elementen der dritten Person, wie sie die Demonstrativa darstellen, nur über den Umweg eines bezeichneten Objekts gegeben. Darin stimmen sie mit den Appellativa überein. Das Verhältnis der Demonstrativa zur Deixis muss daher unabhängig von dem der erst- und zweitpersonigen Personalpronomina und dem der Orts- und Zeitadverbien bestimmt werden. Auf die Frage, inwieweit sich die deiktischen Eigenschaften der Demonstrativa von denen der drittpersonigen Personalpronomina unterscheiden, werde ich in Abschnitt 2.4 gesondert eingehen.

2.2. D i e D e m o n s t r a t i v a zwischen Wort- u n d Funktionsklasse Die Besonderheit der Demonstrativa gegenüber den lokaldeiktischen Adverbien (hier, ici, qui etc.) besteht darin, dass sie auf zwei verschiedenen Wegen mit der Deixis in Verbindung gebracht werden: [1] In Anlehnung an Karl Bühlers (1982 [1934]) Zweifelderlehre lassen sich Demonstrativa und Deixis einmal über den origo-Bezug der Referenz, der als semantische Eigenschaft von Wörtern beschrieben wird, aufeinander beziehen. Über die positionsbezogene Zeigfunktion der «Zeigwörter» wird die Nähe der Demonstrativa zu deiktischen Ortsadverbien hergestellt. 2 Die Kontextabhängig2

Gegenbegriff des Zeigworts ist bei Bühler das «Nennwort», das als «Begriffszeichen, [...] im Munde jedes und aller als Symbol für denselben Gegenstand verwendet wird» (Bühler 1982 [1934], 103) und damit die Klasse der «Appellativa» umfasst.

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keit der Referenz wird damit «lokalistisch» interpretiert (Krenn 1985, 20). [2] Der zweite Weg, Demonstrativa und Deixis zueinander in Beziehung zu setzen, verläuft direkt über die Zugehörigkeit zur Klasse der Pronomina. In beiden Konzepten wird die Anaphora gegenüber der Deixis als verwandt, aber trotzdem eigenständig verstanden. Die Demonstrativa spiegeln in ihren Funktionen diese Ambivalenz wider. Im folgenden sollen beide Konzepte kurz besprochen werden. In den Sprachbegriff Bühlers wird die Deixis über das «Zeigfeld» eingeführt, das dem «Symbolfeld» als Voraussetzung für die Darstellungsfunktion gegenübergestellt wird (1982 [1934], 79). In das Zeigfeld ordnen sich die «Zeigwörter» ein, die für Bühler «nicht des Symbolfeldes der Sprache [bedürfen], um ihre volle und präzise Leistung zu erfüllen; sie bedürfen aber des Zeigfeldes und der Determination von Fall zu Fall aus dem Zeigfeld oder [...] der anschaulichen Momente einer gegebenen Sprechsituation» (p. 119). Das sprechende Subjekt gilt seit Karl Bühlers Sprachtheorie als Ausgangspunkt oder origo eines als «hier-jetzt-ich-System der subjektiven Orientierung» verstandenen «Zeigfeldes» (Bühler 1982 [1934], 31). Das «Zeigfeld» ist die Grundlage, um in der Beschreibung sprachlicher Deixis eine personale, lokale und temporale Dimension zu unterscheiden, in deren Zentrum der Sprecher steht (cf. z.B. Fillmore 1972, Levinson 1983, Wunderlich 1982, Rauh 1984b).3 Zu den Zeigwörtern gehören für Bühler neben den Personalpronomina ich und du die «Grundzeigwörter» hier, jetzt und auch die meisten pronominalen Elemente, darunter dieser, jener etc. (Bühler 1934, 107, 120s.). Der Begriff «Pronomen» wird in unterschiedlicher Weise in das Konzept der Deixis eingebunden. In der Grammatikographie ist bis heute von den «Demonstrativpronomina» (pronoms demonstratifs; pronomi dimostrativi, etc.) als übergreifender Klassenbezeichnung die Rede. Dadurch wird eine Verbindung zur antiken Grammatiktradition dokumentiert, in der das Pronomen (antonymia) eine bestimmte - «deiktische» - Referenzweise bedeutet und gleichzeitig - identisch mit dem «Personalpronomen» - Realisierungsform der grammatischen Person ist. In der grammatischen Tradition läßt sich zweierlei erkennen: zum einen die Gleichsetzung der Pronomina mit den nach der grammatischen Person spezifizierten Personalia bzw. Possessiva (D. Thrax), zum anderen die Konzentration auf die Dichotomie «pronominal» («substantivisch») vs «artikelhaft» («adjektivisch»), innerhalb derer die Personalia als pronomina finita (Donatus) oder als pronomina substantiva beschrieben werden (cf. das Resümee bei Herbermann 1994, 90ss.; auch De Libera/Rosier 1992). Damit überlagern sich morphologische (personale Spezifizierung) und syntaktische (selbständiger vs unselbständiger Gebrauch) Kriterien, denen die Unterscheidung «deiktisch» vs «anaphorisch» untergeordnet wird. In Priscians Institutionum grammaticarum libri XVIII sind die pronomina demonstrativa solche Formen, die neben dem sekundären Merkmal «Markierung der Rolle in der Sprechhandlung» die «demonstratio», also

3

Neben den genannten Dimensionen - zugleich den in der Deixisdiskussion am wenigsten umstrittenen - wurden noch weitere Dimensionen, beispielsweise die der «sozialen Deixis» (cf. Fillmore 1971, dagegen Lyons 1977) oder der «emotionalen Deixis» (Lakoff 1974) eingeführt. Zur Diskussion cf. Rauh (1984b, 3ss.).

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die «prima cognitio» eines Kommunikationsgegenstandes, signalisieren. Zu ihnen gehören neben den Personalpronomina der ersten und zweiten Person (ego, tu, nos) auch hic und iste4 (Keil II, 579). Dieser die Referenz- und Diskursebene verbindende Aspekt, der Mehrfachzuordnungen von Formen und Funktionen zulässt, gerät in der späteren mittelalterlichen Grammatik zunehmend zugunsten einer Beschreibung der Pronomina als nominale Substitute in den Hintergrund. Für Bühler steht die Klasse der Pronomina für die Verankerung der Nennfunktion im «Zeigfeld», er grenzt sie von den «Nennwörtern» ab, die «ihren Gegenstand als ein Etwas, unterschieden von anderem, nach seiner Wasbestimmtheit [...] fassen, während die Pronomina sich nach Apollonios mit einer Deixis auf das Etwas hin, das sie treffen wollen, begnügen» (1982 [1934], 119). Im Rahmen seines weiten Deixisbegriffs, der die Anaphora einbezieht, ordnet Bühler die Substitutfunktion der Pronomina der wortklassenübergreifenden Zeigfunktion unter. Bühler interpretiert die Pronomina als paradigmatische Substituentia. In eine direkte Verbindung werden die Begriffe «Deixis» und «Pronomen» schon von dem Junggrammatiker Karl Brugmann gebracht, der Demonstrativa und «deiktische Pronomina» gleichsetzt (1904, 4s.). Die Demonstrativa werden als für sich selbst stehende Hinweiswörter definiert, die eigentlich die räumliche Präsenz des Gegenstandes erfordern: «Ursprünglich scheinen die Demonstrativa nur auf Elemente der unmittelbaren Sinneswahrnehmung bezogen worden zu sein. Der Sprechende behandelte dann aber seine gesamte Vorstellungswelt nach Analogie der gegenwärtigen Anschauung, und das Wesen dieser Klasse von Pronomina, wie sie in geschichtlichen Zeiten allenthalben gebraucht werden, bestimmt man wohl am besten so: sie sind die sprachliche Hinweisung auf etwas, dem der Sprechende seine Aufmerksamkeit zugewendet hat, und fordern den Angesprochenen auf, den Gegenstand ebenfalls ins Auge zu fassen» (Brugmann 1904, 15).

Aus dieser sprachhistorisch und zugleich phylogenetisch «ursprünglichen» Bedeutung der Demonstrativa leiten sich in diesem Beschreibungskontext zwei Prozesse ab: die Ausdehnung ihres Gebrauchs auf nicht räumlich präsente Gegenstände in der Anaphora und die Entstehung der drittpersonigen Personalpronomina als inhaltliche Substitute von Nomina aus «abgeschwächten» Demonstrativa. Die Anaphora wird damit als übertragene Verwendung deiktischer Formen interpretiert. Gleichzeitig gelten grammatische Substitutfunktion und Deixis als entgegengesetzt. Der sekundäre Charakter anaphorischer gegenüber deiktischen Verwendungen liefert bei Brugmann zugleich die Erklärung für die Entstehung pronominaler - in diesem Kontext also ausschließlich substituierender - Elemente: «Zum Pronomen der dritten Person können Demonstrativa naturgemäß nur dann werden, wenn sie keine speziellere feste Beziehung zur ersten oder zweiten Person hatten. Wo ein Demonstrativum nur noch als ER-Pronomen erscheint, wird der Hergang dieses Wandels in der Regel folgender gewesen sein: das Demonstrativum wurde zunächst als Substantivum teils mit energischerer Deixis in Sinn gebraucht, während es als anaphorisches Adjektivum nur stärker deiktisch war; alsdann verschwand es aus dem stärker deiktischen und damit aus dem ganzen adjektivischen Gebrauch» (Brugmann 1904, 127s.).

Brugmann leitet die Entwicklung zum Personalpronomen aus dem Verlust der Deiktizität und damit aus der Übernahme der Repräsentationsfunktion ab, die das frühere Demonstrativum zum «abstrakte[n] Vertreter des Nominalbegriffs» und damit zum Anaphorikon werden lässt (p. 128). Das Personalpronomen der dritten Person ist damit als primär anaphorisches Element charakterisiert.5 Zugleich werden implizit die deiktische und die «adjektivische», also adnominale Verwendung dieser Formen aufeinander bezogen. Diese Interpretation schafft einen Gegensatz zwischen Deixis und Anaphora, der auch in der neueren Linguistik präsent ist. 2.3.

Der Bezug zu den deiktischen Dimensionen

2.3.1. Β inäre vs ternäre Systeme Es ist die Mehrgliedrigkeit der demonstrativischen Paradigmen, aus der üblicherweise ihre interne «Deiktizität» hergeleitet wird. Deiktizität wird traditionell als systemimmanentes Merkmal der Formen und nicht als pragmatische Eigenschaft sprachlicher Handlungen verstanden. Das gilt auch für die romanischen Sprachen. So beschreibt z.B. Abel (1971, 29) die Demonstrativa des Romanischen als «systemes deictiques proprement dits». Von einer «als universal betrachteten Opposition zwischen und » in zweistufigen demonstrativischen Systemen, die in dreistufigen Systemen durch «die Position des (cf. tosk. cotesto < eccum tibi istum)» ergänzt sei, spricht Mair (1992, 212).6 Auch M. Iliescu (1975/76, 33) definiert ihren Beschreibungsgegenstand, die demonstrativischen Formen in verschiedenen romanischen Sprachen, als «systemes ä l'aide desquels les idiomes romans expriment la categorie deictique de l'individualisation par rapport ä l'emetteur». Thematisiert werden die Sprecherzentriertheit, der interne Systemcharakter sowie die gemeinsame Funktion der individualisation. Die Auffassung von einer internen deiktischen Strukturierung der Demonstrativa wurde in der romanistischen Sprachwissenschaft des 20. Jahrhunderts zuerst von dem Saussurianer und Vertreter der «Genfer Schule» Henri Frei vertreten, der zwei universelle Prinzipien deiktischer Systeme, inklusive der Demonstrativa, in den Sprachen beschreibt:

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Brugmann weist auf p. 16 seiner Abhandlung jedoch daraufhin, dass die Personalpronomina der 3. Person auch noch deiktisch verwendbar sind, wenn durch begleitende Gesten oder in betonter Stellung anaphorischer Gebrauch auszuschließen ist. Diese Erscheinung wird in der neueren Forschung u.a. von Harweg (1990) und Herbermann (1994) systematisch zu erfassen versucht. Wunderlich (1982, 41) spricht hier im lokaldeiktischen Sinne von einem Merkmal «medial» bei dreistufigen Systemen, das in einzelnen Sprachen entweder «kurzer Abstand zum Sprecher» oder «nahe beim Hörer» bedeute. Für lat. iste nimmt Wunderlich die erstgenannte Variante an. Cf. dagegen Abel (1971,25s., 205); Selig (1991, 174-176).

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«Classes d'apres le nombre des degres d'eloignement qu'ils signalent, les systemes de deictiques les plus repandus dans les langues du monde sont le systeme binaire et le systeme ternaire. [...] Le type binaire est defini par l'existence de deux degres d'eloignement, proche et eloigne. L'anglais en est un exemple: this/that, here/there. Le type temaire, qui suppose trois termes: //, existe selon les langues sous deux aspects differents, mais dont l'opposition ne tient peut-etre qu'ä une question de degre. Dans les unes, comme Humboldt dcjä l'avait montre, les trois deictiques sont plus ou moins strictement paralleles aux trois personnes (systeme ternaire tripersonnel). En vieux-slave, par exemple, les trois demonstratifs [...] permettaient de distinguer: 1. l'objet en relation avec la personne qui parle; 2. en relation avec la personne ä qui Ton parle; 3. sans relation avec les interlocuteurs. Dans les autres, le parallelisme avec les trois personnes est inexistant ou lache, comme en latin (hic/iste/ille) et surtout en grec ancien. De meme, la serie allemande hier/da/dort n'offre pas de relation obligatoire avec les trois personnes. Dans le systeme binaire, au contraire, le rapport entre les deux deictiques et les trois personnes est, en principe, fortuit» (Frei 1944, 113s.).

Der Unterschied zwischen ternären und binären Systemen besteht für Frei darin, dass die ternären Systeme, wenn auch nicht in linearer Weise, einen Bezug zur Kategorie «Person» haben. Dabei bleibt offen, inwieweit diese Kategorie mit der grammatischen Person gleichzusetzen ist. Die binären Systeme haben nach Frei eine räumliche Definitionsgrundlage. Gleichzeitig stellt er die tendenzielle Zweistufigkeit «eigentlich» ternärer Systeme heraus, die (in bezug auf die Romania) peripher seien: «Certains systemes, ternaires en apparence, sont en realite des oppositions binaires dont Fun des deux termes est subdivise, le etant un derive du second, ou le un derive du premier» (p. 114). Als Beispiele fur den zweiten Fall gelten die Demonstrativa des Italienischen, Spanischen und Portugiesischen, also ital. questo/codesto/ quello, sp. este/ese/aquel, port, este/esse/aquele. Für das Italienische zieht Frei eine inhaltliche Grenze zwischen questo/codesto einerseits und quello andererseits. Das Französische dagegen repräsentiere wie das Deutsche den binären Typ (p. 120). Auch diese Aussage wird von Frei aber relativiert: «[...] beaucoup [de langues] utilisent, ä cöte de leurs deictiques specialises pour les divers degres d'eloignement, un deictique indifferent, qui peut fonctionner ä la place tantöt de l'un, tantöt de l'autre» (p. 116). Zu den «deictiques indifferents» werden dt. dir (vs der als Artikel) und frz. adnominales ce (ce livre) gezählt. Die Zweistufigkeit der französischen Demonstrativa sieht er durch Formen wie ce livre-ci vs ce livre-lä realisiert. Die dargestellte systemhafte Zwei- und Dreistufigkeit wird vom Saussureaner Frei außerdem als Phänomen der langue charakterisiert, dem eine abweichende/wrofe-Situation gegenüberstehe. Diese sei, wie das Beispiel von frz. ici vs lä zeige, durch die Existenz eines gemeinsamen neutralen Elements, also in diesem Fall lä, gekennzeichnet (pp. 117s.). Frei versteht allerdings die von ihm beschriebenen deiktischen Systeme in zweierlei Hinsicht als idealisierte Modelle: Die Kategorie «Demonstrativa» basiert einmal auf deiktischen Oppositionen, die primär aus Funktionen anderer Wortklassen (Personalpronomina bzw. Lokaladverbien) abgeleitet sind, und schließlich sind in der langue vorhandene Oppositionen in der parole neutralisierbar.

26

2.3.2.

Personaldeixis im Italienischen vs Lokaldeixis im Französischen?

Aus der Darstellung Freis lassen sich zwei Annahmen ableiten, die die nachfolgende Diskussion zur sprachlichen Deixis geprägt haben: [1] Deiktizität impliziert interne Oppositionen, deren Realisierung allerdings nur fakultativ ist. [2] Die ternären Systeme tendieren im Sprachgebrauch zur Reduktion, selbst binäre Systeme neutralisieren potentiell die differenzierenden Merkmale. 7 Sogenannte deictiques indifferents wie nfrz. adnominales ce oder dt. der stehen für Frei außerhalb des Systems, indem sie den Endpunkt einer solchen Entwicklung zur Reduktion bilden. Darüber hinaus stehen in der Beschreibung demonstrativischer Funktionen die Betonung der Analogie zu deiktischen Adverbien und die historische, d.h. latinisierende Perspektive bei der Analyse grammatischer Formen im Vordergrund. Dadurch wird Deiktizität an oppositive Strukturen gebunden und der Verlust solcher Strukturen gleichzeitig als Verlust an Deiktizität interpretiert. Die modernen Demonstrativa des Französischen und des Italienischen haben zumindest aus formengeschichtlicher Sicht zwei unterschiedliche deiktische Binnenstrukturen. Die vermeintlich personaldeiktische Strukturierung im Standarditalienischen erhält ihre Begründung vor allem durch die bis heute noch grammatikographisch verankerte «Dreiheit»: quest-, cotest-, quel-. Dagegen wird die lokaldeiktische Strukturierung in den genuin oder okkasionell binären Demonstrativsystemen, wozu das Französische gezählt wird, aus der formalen Abbildung eines kontrastiven Distanzausdrucks «nah» vs «fern» abgeleitet. Die zweigliedrige lokaldeiktische Dimension erscheint bei Frei (1944) als reduzierte Form der dreigliedrigen personaldeiktischen Dimension. Gleichzeitig wird der sprachhistorische Prozess der Neutralisierung oppositiver Strukturen, wie er im Französischen deutlich hervortritt, als Verlust an interner Deiktizität interpretiert (cf. die Bezeichnung von adnominalem frz. ce als «deictique indifferent» in Frei 1944, 116). Hinsichtlich it. questo und quello plädiert Brunet (1981) z.B. für die Unterordnung der binären Distanzrelation unter den personaldeiktischen Bezug: «[...] retenons que QUESTO situe ou tend ä ramener le substantif dans la sphere de la premiere personne - et inclut done la proximite» (1981, 4). «Retenons plus largement que QUELLO est propre ä la sphere de la troisieme personne et inclut done l'eloignement» (1981, 10).

Wunderli (u.a. 1974, 1977, 1990/91) setzt sich ausfuhrlich mit der Zuordnung der französischen und italienischen Demonstrativa zu den deiktischen Dimensionen auseinander. Die Demonstrativa werden hier mit den Personalpronomina und den Possessiva als «systemes deictiques centres sur la personne dans le cadre d'un modele

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Hierfür bringt Frei zwar kein demonstrativisches Beispiel, eine solche Tendenz lässt sich aber auch hier in der textsortenspezifschen Beschränkung auf bestimmte Formen feststellen. Die Beobachtung der sprachlichen Realität zeigt deutlich, dass die Opposition «Nähe»-«Distanz» nur in kontrastiver Verwendung der Formen realisiert ist (cf. ausfuhrlich dazu Abschnitt 5.3.2.4).

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de communication» definiert (Wunderli 1990/91, 31). Der gleichzeitige Bezug zur Lokaldeixis wird deutlich hervorgehoben: «Normalement on parle, dans le cas des demonstratifs, d'une deixis locale, et ceci n'est certainement pas faux, car les demonstratifs designent toujours un lieu (dans un sens tres large du terme). Cependant, ces lieux se definissent toujours par rapport aux personnes communicatives, ou en d'autres termes: le demonstratif est un derive semantique de la personne communicative au meme titre que le possessif, mais ä l'aide d'un autre trait semantique. [...] Le demonstratif designe le lieu (d'une extension variable et changeant d'un acte de parole ä l'autre) oü se trouve soit le locuteur, soit l'allocutaire, soit le delocutaire [...] dans certains cas, on peut aussi constater que les domaines de deux, voire de toutes les personnes communicatives fusionnent et constituent alors un domaine deictique homogene» (1990/91, 35s.).

Diese Aussage, nach der die Demonstrativa sowohl eine lokal- als auch personaldeiktische Komponente besitzen, erhält Wunderli auf der diachronischen Ebene nur für den Anfangspunkt der Entwicklung vom Latein zum Romanischen uneingeschränkt aufrecht. Das Französische und das Italienische werden dabei einander gegenübergestellt. Da der Vergleich beider Sprachen auch in dieser Arbeit im Mittelpunkt steht, soll Wunderiis Argumentation im folgenden ausführlicher beleuchtet werden. Die formale Reduktion auf zwei Basisformen im Altfranzösischen wird von Wunderli als funktionale Reduktion beschrieben: eist vertrete «le domaine du locuteur», eil dagegen «le reste du champ communicatif, c'est ä dire [...] les domaines de l'allocutaire et du delocutaire [= non-locuteur]» (p. 45). Die angenommene personaldeiktische Opposition erscheint als fakultativ. 8 Die Situation im Mittelfranzösischen sieht Wunderli als Übergangsstadium, in dem sich die «si-Formen (außer cestes) zu personaldeiktisch unmarkierten, die «/-Formen dagegen zu hinsichtlich der Sprecherdomäne negativ markierten Termen entwickelten (p. 47). Im Neufiranzösischen wird die morphologische Differenzierung «nominal»- «adnominal» für ihn zum wesentlichen Funktionskriterium: «Le demonstratif n'y partieipe plus ä la distinction des personnes communicatives - ni sous une forme derivee ni de fa