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German Pages 71 [84] Year 1987
H ERAUSGEBER H U B E R T FEGE.R C. F. G R A U M A N N KLAUS HOLZKAMP MARTIN IRLE
BAND
17 1986 H E F T 1
VERLAG HANS HUBER BERN
STUTTGART
TORONTO
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986, B a n d 17, H e f t 1 INHALT
Zu diesem Heft
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Theorie und Methoden BIEN, W.: S t r u k t u r e l l e A n a l y s e - eine T e i l a n t w o r t auf die Krise in d e r S o z i a l p s y c h o l o g i e . Einige I n f o r m a t i o n e n zu der D i s k u s s i o n u m d a s F o r s c h u n g s p a r a d i g m a in der S o z i a l p s y c h o l o g i e a m Beispiel der s t r u k t u r e l l e n A n a l y s e v o n M o b i l i t ä t s d a t e n REHM, J . : T h e o r e t i s c h e u n d m e t h o d o l o g i s c h e P r o b l e m e bei der E r f o r s c h u n g von V o r u r t e i l e n : Vorurteil u n d Realität - Ist d a s t r a d i t i o n e l l e F o r s c h u n g s p r o g r a m m d e r V o r u r t e i l s f o r s c h u n g gescheitert?
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Empirie HENSS, R . : K o o p e r a t i o n , Stabilität u n d Vertrauen in e i n e m k o o p e r a t i v e n N o r m a l f o r m s p i e l SCHMITT, M . , DALBERT, C . &MONTADA, L . : P e r s o n a l e N o r m e n u n d p r o s o z i a l e s H a n d e l n : Kritische A n m e r k u n g e n u n d eine e m p i r i s c h e U n t e r s u c h u n g z u m M o d e l l v o n S . H . SCHWARTZ
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Diskussion SCHÜNEMANN, B.: F e h l e r r e d u k t i o n im richterlichen H a n d e l n d u r c h « P r o g r a m m i e r t e U n t e r w e i s u n g » ? B e m e r k u n g e n z u m A u f s a t z von HAISCH a u s juristischer Sicht
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Literatur Rezensionen BALES, R . F . & COHEN, S . P . 1979. A system for the multiple level Observation o f groups LILLI, W . :
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Von den Schwierigkeiten einer systematischen Gruppenbeobachtung
Z U M A & INFORMATIONSZENTRUM SOZIALWISSENSCHAFTEN ( H r s g . ) . 1 9 8 3 . Z U M A - H a n d b u c h
55 So-
zialwissenschaftlicher Skalen WERNER, J.:
Verbesserungen der Forschungsinfrastruktur
in den Sozialwissenschaften?....
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Neuerscheinungen
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Titel u n d A b s t r a c t a
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Nachrichten und Mitteilungen
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Autoren
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Copyright 1986 Verlag H a n s H u b e r Bern Stuttgart T o r o n t o Herstellung: Satzatelier Paul S t e g m a n n , Bern Printed in Switzerland Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Library of Congress Catalog Card N u m b e r 78-126626 Die Zeitschrift für Sozialpsychologie wird in Social Sciences Citation Index (SSCI) und Current Contents / Social and Behavioral Sciences e r f a ß t .
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Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986
Zu diesem Heft Es ist fast schon professioneller Brauch geworden, mit dem KuHNschen «Paradigma» und dem LAKATOsschen «Forschungsprogramm» und deren Derivaten auch die Lage innerhalb der Sozialpsychologie zu analysieren und entsprechende Folgerungen daraus zu ziehen. «Krise» (sensu K U H N oder auch nur vulgo) oder noch nicht Krise ist nur das gröbste Fazit. Leben kann die Sozialpsychologie nicht davon, sondern nur von der Forschung im Modus «normal science» und von weiterführenden theoretischen und methodologischen Perspektiven. Das erste H e f t des neuen Jahrgangs spiegelt diese Situation der Sozialpsychologie angemessen wider. Zwei Arbeiten im Theorie- und Methodenteil bereichern die Diskussion um das allgemeine Forschungsparadigma der Sozialpsychologie bzw. um das spezielle Forschungsprog r a m m der Untersuchung von Vorurteilen, und beide kommen im Effekt zu einer Annäherung an Denk- und Arbeitsweisen der Soziologie. Wenn die Anregungen, die von B I E N und R E H M (auch noch im nächsten Heft) gegeben werden, zu Kontroversen führen sollten, ist diese Zeitschrift wie immer seit ihrer Begründung das geeignete Forum d a f ü r .
Auch der Empirieteil bringt nicht nur Berichte über Forschungsarbeiten, sondern ist zum Teil kritische Auseinandersetzung und theoretisch weiterführende Folgerung. Der Diskussionsteil führt eine Kontroverse weiter, die wir im Interesse des notwendigen interdisziplinären Gesprächs zwischen Jurisprudenz und Psychologie abdrucken. Der Literaturteil bringt kritische Rezensionen zu zwei methodisch anspruchsvollen Publikationen und der Nachrichtenteil, der künftig stärker werden soll, Berichte und Kommentare zu zwei sozialpsychologischen Tagungen des Jahres 1985, die besondere Aufmerksamkeit verdienen. Der Unterzeichnete übernimmt mit diesem Heft zum dritten und letzten Male für die Dauer von zwei Jahren die Funktion des geschäftsführenden Herausgebers. Er tut dies mit dem Dank an die effiziente Edition und Redaktion durch KLAUS H O L Z K A M P u n d M O R U S M A R K A R D u n d m i t
der Bitte an alle Leser der Zeitschrift der deutschsprachigen Sozialpsychologie, diese durch ihre Manuskripte, aber auch durch kritische Zuschriften und Vorschläge immer besser zu machen. ^^^ CARL FRIEDRICH GRAUMANN
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Bien: Strukturelle Analyse - eine Teilantwort auf die Krise in der Sozialpsychologie
Theorie und Methoden
Strukturelle Analyse - eine Teilantwort auf die Krise in der Sozialpsychologie Einige Informationen zu der Diskussion um das Forschungsparadigma in der Sozialpsychologie am Beispiel der strukturellen Analyse von Mobilitätsdaten WALTER BIEN
Die strukturelle Analyse von sozialen Systemen (Elemente und Beziehungen zwischen Elementen) wird als Möglichkeit angeboten, zur Lösung der Krise in der Sozialpsychologie beizutragen, und an folgender Fragestellung erläutert: Kann kognitive Informationsverarbeitung von Daten über Ein- und Auswanderungsströme als Grundlage von Entscheidungen für oder gegen die Ein- bzw. Auswanderung entschlüsselt werden? Ausgehend von dieser Frage wird hier versucht, Distanzen zwischen Staaten als relevantes Entscheidungskriterium zu behandeln. Dabei wird die Verwendung euklidischer Räume zur strukturellen Analyse sozialer Systeme aufgezeigt. Hier wird eine Menge von Elementen in verschiedene Räume eingebettet, die sich durch die Art der Beziehungen zwischen den Elementen unterscheiden (Ein- bzw. Auswanderungsdaten, Ähnlichkeiten, Distanzen und erfragte Urteile). Daran anschließend wird die Variation zwischen abgeleiteten Daten und zwischen den euklidischen Repräsentationen der Daten untersucht. Es wurden keinerlei Ähnlichkeiten zwischen den verschiedenen Räumen gefunden. Dieses Ergebnis wurde durch Simulationen abgesichert.
The structural analysis of social systems (elements and relations between elements) is offered as a possibility in solving the crisis of social psychology. This approach is used in solving the following questions: Can cognitive information processing of migration data be identified as base of migration decisions? Beginning with this question we looked at distances between countries as a relevant decision criterion. Also we illustrated the use of euclidean spaces for structural analysis of social systems. Therefore we embedded a set of elements (countries) in different spaces. Spaces differ in specific kind of relations between elements (migration data, similarities, distances, and judgements). Then, we looked for variation between derived data and for variation between euclidean representations of these data. We couldn't find any similarities between the different sets. These results are proved by simulations.
1.
Angestrebt ist «... interaktives Verhalten auf der Ebene der beteiligten Individuen zu analysieren, während die Wechselwirkungen (und deren Eigendynamik), die im eigentlichen Sinn des Begriffs erst Interaktion bedeuten, noch außerhalb der Analyse bleiben» (p.382).
1.1
Einleitung Zustandsbeschreibung
Im Band I der Zeitschrift für Sozialpsychologie kann man in einer Rezension zu M. ARGYLE «Social I n t e r a c t i o n » v o n CRANACH & KÖNAU (1970)
Ähnlich äußert sich MIKULA (1975), der At-
mit dem Titel «Die Elemente der Interaktion als unerkanntes Kerngebiet der Sozialpsychologie: Wissenschaftsfortschritt und Problemzuwachs» nachlesen:
traktionsforschung als «zwischenmenschliche Anziehung nach ihrer Aussagekraft für das Entstehen und für die Entwicklung freiwilliger Sozialbeziehungen» (p. 297) hinterfragt. Er fordert:
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Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986,17,2-17
«... Dann gilt es, komplexere Ansätze zu entwickeln, die unter anderem auch der Wechselseitigkeit interpersonaler Attraktion und der Möglichkeit ihrer Veränderung gerecht werden können» (p.306). Sehr ausführlich fortgesetzt wird diese Diskussion in einem Beitrag von GRAUMANN (1979). Er weist auf die unterschiedlichen Entwicklungen der Sozialpsychologie in den Fächern Psychologie und Soziologie hin und bedauert, daß die psychologische Sozialpsychologie im wesentlichen auf eine Sozialpsychologie des Individuums beschränkt bleibt, während eine Sozialpsychologie der Interaktion oder eine Sozialpsychologie sozialer Strukturen selbst als Fragestellung kaum vertreten ist. Vier Jahre später schreibt IRLE im Vorwort der Herausgeber: «... Mehr Engagement sozialpsychologischer Forscher in quantitativer Soziometrie und der Analyse sozialer Netzwerke ist zu wünschen. Die Kleingruppenforschung könnte hiervon profitieren ...»(p.l). Es kann also vorausgesetzt werden, daß die Herausgeber der Zeitschrift für Sozialpsychologie stark daran interessiert sind, Forschung darzustellen, die sich auf die Interaktionen zwischen sozialen Elementen beziehen. Im Gegensatz zu diesem unterstellten Interesse steht die Anzahl der Artikel, die diesem Forschungsgebiet zugeordnet werden können. Legt man z. B. die Untersuchung von FISCH & DANIEL (1982) zugrunde, dann haben mit 16 Nachweisen von 243, jeweils in den Gebieten Balance Theorie Zwischengruppenbeziehungen Soziometrie Gruppenprozesse und soziale Interaktion
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maximal 6,5% der in der Zeitschrift für Sozialpsychologie im Zeitraum 1970-1980 veröffentlichten Arbeiten einen Bezug zu Interaktionen zwischen sozialen Elementen. Woran liegt dieser Unterschied zwischen dem Interesse der Herausgeber und dem Mangel an Masse? Vordergründig ist er sicherlich auf das Gründungsdatum der Zeitschrift zurückzuführen. Die Welle der Forschungsarbeiten zu Gruppen als Sy-
steme sozialer Interaktion ist in etwa zu dieser Zeit 1970 zum Erliegen gekommen ( M C G R A T H & KRAVITZ, 1982, p.210). Der primäre Grund für das Abflauen des Interesses an empirischen Arbeiten in diesem Gebiet, die dem Anspruch der Herausgeber der Zeitschrift für Sozialpsychologie genügen, liegt woanders. 1.2 Gründe für das Dilemma und ein Vorschlag für die Lösung zitiert STEINER (1974), der eine Antwort auf die Frage gibt, «Was ist bloß der Gruppe in der Sozialpsychologie zugestoßen?» «1) Die Sozialpsychologie ist im Ganzen etwa seit den sechziger Jahren individualistischen geworden, d.h. noch individuumzentrierter als sie es ohnehin schon war. 2) Auch in der Blütezeit der (experimentellen) Kleingruppenforschung dominiert die individualistische Perspektive, ...» ( G R A U M A N N , 1979, p.295). Ersetzt man Individuum durch den Begriff soziale Einheit oder soziales Element, wird die Argumentation von STEINER deutlicher. Die Kleingruppenforschung, wie die gesamte Sozialpsychologie, versucht im wesentlichen Fragen zu den Eigenschaften von sozialen Elementen zu beantworten. Solche Elemente können Individuen oder aber Gruppen sein, die als Einheit betrachtet werden und deren Eigenschaften z.B. mit den Eigenschaften einer anderen Einheit verglichen werden. «Sind autoritär geführte Gruppen leistungsfähiger als demokratisch geführte Gruppen? » wäre eine solche Frage. «Autoritär geführt» oder «demokratisch geführt» sind Eigenschaften eines sozialen Elements (eines sozialen Individuums) mit dem Namen Gruppe. Dies bedeutet, daß vielfach ein nicht hinter fragtes Forschungsparadigma zu gelten scheint, in dem sich Fragen, Hypothesen und Theorien ausschließlich auf Elemente und deren Eigenschaften beziehen. In Wechselwirkung mit diesem Paradigma steht die Problematik des Primats der experimentellen Methodik, auf welches GRAUMANN in seinem Artikel verweist. Er zitiert GERGEN (1978, p.508) mit «Within psychology the pursuit of social unGRAUMANN
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Bien: Strukturelle Analyse - eine Teilantwort auf die Krise in der Sozialpsychologie
derstanding has become virtually synonymous with the experimental m e t h o d . » Erweitert man diese Aussage auf die generelle Abhängigkeit der Forschung von der verfügbaren Methodik, einer Methodik, die sich zum Großteil auf die Analyse von Ähnlichkeit zwischen Variablen (Mengen von willkürlich angeordneten, aber zuordbaren Eigenschaften von Elementen) reduzieren läßt, dann läßt sich die folgende Hypothese aufstellen: Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Praxis ist durch ein zweifelhaftes Paradigma (Elemente als ausschließlicher Fokus der Fragestellung) und eine eingeschränkte Methodik (Verwendung von Variablen als Mengen von Eigenschaften ungeordneter Elemente) unüberwindlich geworden, und Vermeidung dieses Forschungsbereichs ist die einzige Möglichkeit, die einem engagierten Forscher bleibt. Daß sich an dieser Situation bisher wenig geändert hat, liegt u . a . daran, d a ß dieses Paradigm a und die Methodik nicht als einschränkend e m p f u n d e n werden (der Leser dieser Zeilen mag sich selbst prüfen) und daher das e m p f u n d e n e Unbehagen nicht operationalisiert werden kann. Hier wird als eine Erweiterung des beschriebenen Paradigmas empfohlen, Beziehungen zwischen Elementen bei der Forschung explizit mit zu berücksichtigen. P E A K (1958) schrieb in einer Arbeit «Psychologische Struktur und Personenwahrnehmung»: « - The true relations between objects are the only reality we can attain to . . . Science is a system of relations - (POINCARÉ, 1929, 20, p. 349) - In comments such as these, H E N R I POINCARÉ returned again and again to the point that the constancies of physical science are not be found in the things or elements of the science but in relationships. Students of h u m a n behavior are also concerned with relations» (p.338). Diese explizite Berücksichtigung von Beziehungen zwischen Elementen findet man in einer der Soziologie angelehnten Forschungstradition, die sich «Social Network Analysis» nennt. Diese strukturelle Analyse sozialer Systeme « . . . focuses on patterns of relations between individuals and collectivités. It gives analytic attention to a) social structural properties, and not aggregates of individual units;
b) the allocation of scare resources through concrete systems of power, dependency, and coordination; c) complex network structures, rather than dyadic ties; d) questions of network boundaries, clusters, and cross-linkages; e) complex structures and not simple hierarchies of power and dependency. To deal with network analytic issues, distinctive methods, using algebraic techniques and graph theory will be utilized. A series of substantive issues are dealt with, including inter-organizational structures, urban networks and kinship systems.» (INSNA Connections, 1977, 1, 1, 21 - The University of Torontos definition of Social Network Analysis as one of 16 core areas.) Mit «strukturell» ist hier der Bezug zu einer Menge von Elementen und zu einer Menge von Beziehungen zwischen Elementen gemeint. Die Eigenschaften der Elemente und die Eigenschaften der Beziehungen zwischen Elementen bestimmen eine spezifische Struktur. Nur Fragestellungen, Hypothesen und Theorien, die Elemente und Beziehungen gleichzeitig berücksichtigen, können der strukturellen Analyse sozialer Systeme zugerechnet werden. Mit dieser Erweiterung, von der Betrachtung einzelner (ungeordneter) Elemente zu Strukturen, die die Ordnung der Elemente zueinander und die Eigenschaften und Wirkungen der Beziehungen zwischen den Elementen mitberücksichtigt, ging in diesem Forschungsbereich eine Entwicklung der Methodik parallel, die es ermöglicht, Fragestellungen, Hypothesen und Theorien zu operationalisieren und zu überprüfen. Eine Übertragung dieses Ansatzes in die sozialpsychologische Forschung kann eine Antwort in Richtung auf das angesprochene Dilemm a oder die beklagte Krise sein.
1.3 Seh wierigkeiten bei der strukturellen Analyse sozialer Systeme Die Übertragung soll sich im wesentlichen durch eine Veränderung in der Theorie auszeichnen, d . h . sie sollte zu neuen strukturbezogenen Fragen, zu neuen strukturbezogenen Hypothesen und zu neuen strukturbezogenen Theorien f ü h -
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ren, z.B. im Bereich - der Balance in sozialen Systemen, - der Austauschbedingungen in sozialen Systemen, - der Diffusion von Informationen oder Ressourcen oder genereller - der Beschreibung, der Repräsentation und der Veränderung von sozialen Systemen. Die dann benötigte Methodik ist sekundär, sie ergibt sich aus der A n f o r d e r u n g , die operationalisierte Theorie an der Realität zu überprüfen. Eine nicht aus strukturbezogener Theorie begründbare Übertragung von komplexer Methodik in eine Forschungssituation ist eher schädlich als nützlich. Die hier vorgeschlagene Paradigmaerweiterung besteht aus zwei Aspekten: 1) Die Beziehungen zwischen Elementen, als selbständige Beobachtungseinheiten, sind empirisch mit zu berücksichtigen. Empirisch mit zu berücksichtigen bedeutet z.B., d a ß Daten über Beziehungen explizit erhoben werden. Abgeleitete Maße, wiez.B. Ähnlichkeitskoeffizienten zwischen Variablen ( P R E S T E R , 1984) oder Differenzen zwischen Zellenhäufigkeiten, schöpfen die intendierten Möglichkeiten nicht aus. 2) Das Beziehungsgeflecht, zusammengesetzt aus der Vielzahl von Beziehungen zwischen den Elementen, ist empirisch mit zu berücksichtigen. Dies bedeutet, daß die Betrachtung einzelner Beziehungen in Paaren, die wiederum untereinander nicht in definierten Beziehungen stehen (FÜCHSLE et al., 1 9 8 2 ) , das Konzept ebenfalls nicht ausreichend ausfüllen. Intendiert ist ein Strukturmodell, das Regeln enthält, wie die einzelnen Beziehungen einander zugeordnet sind. Solche Modelle können vollständige Systeme bilden , d. h. daß jede mögliche Beziehung, die dieses System zuläßt, wohl definiert und realisiert ist (z.B. metrische Räume), oder aber partielle (lokale) Strukturen beschreiben, die nicht alle möglichen Beziehungen beinhalten. Die Beschränkung auf ein eindimensionales Beziehungsgeflecht, wie man es bei der Skalierung von Reizen häufig findet, ist ein Versuch, ein System vollständig durch die Beziehungen zwischen den Reizen zu beschreiben, um damit auch den zwischen diesen Reizen für Zuordnungen interpretierbar zu machen. Dieser - mathematisch - wohldefinierte Raum d ü r f t e aber
auch nur selten auf soziale Systeme übertragbar sein ( G I G E R E N Z E R , 1 9 8 2 ) . Betrachtet man die Vielzahl von Ähnlichkeitsuntersuchungen, d . h . Untersuchungen von Korrelations- oder Varianzmatrizen (Pfadmodelle, Multidimensionale Skalierung), so läßt sich die Frage stellen, ob die Bevorzugung einer abgeleiteten Eigenschaft von Beziehungen, nämlich die der Ähnlichkeit von Elementen, gegenüber den real erfahrbaren Eigenschaften von Beziehungen (z.B. gemeinsame Gesprächszeit, gemeinsame Gespräche, Menge der wechselseitig ausgetauschten Information, Ein- und Auswanderungsströme u . a . m . ) gerechtfertigt und auch gewollt ist. Selbst wenn man die Notwendigkeit des beschriebenen Vorgehens erkennt, kann die Komplexität der dann notwendigen Methodik abschrecken. Die Anzahl der möglichen (symmetrischen) Zweierbeziehungen (m) in einem vollständigen System wächst z.B. relativ zur steigenden Zahl der Elemente (n) mit m =
= (-—^——)
wesentlich schneller an. Dies führt bei größeren Strukturen, selbst bei der Verwendung rigider Strukturmodelle (euklidische Räume, Graphen usw.), zu Schwierigkeiten in der Interpretation der Ergebnisse, da diese der Alltagsintuition nicht mehr zugänglich sind. Selbstverständlich ist dies aber auch eine Chance für angemessenes wissenschaftliches Vorgehen. Hier ist es zwingend notwendig, den Lösungsraum explizit in bezug zur vorliegenden Fragestellung zu setzen und die mögliche Ergebnisvariation für Entscheidungen zu operationalisieren. Es ist bei der Anwendung struktureller Analyse sozialer Systeme also sowohl in theoretischer, wie auch in methodischer Sicht eine Veränderung in Richtung auf mehr Komplexität vorzunehmen. Als Preis winkt die Aufhebung der Diskrepanz zwischen dem Anspruch: Interaktion und soziale Struktur nicht nur als leere Worthülsen, sondern als operationalisierbare Begriffe zu benutzen, und der Möglichkeit, diesem Anspruch auch im Forschungsalltag gerecht zu werden.
1.4 Zur Wahl des nachfolgenden Beispiels
empirischen
Die folgende Analyse wird nur zum Teil aus in-
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Bien: Strukturelle Analyse - eine Teilantwort auf die Krise in der Sozialpsychologie
haltlichem Interesse vorgestellt. Zum anderen sollen hier Arbeitsweise und Schwierigkeiten der strukturellen Analyse demonstriert werden, wobei ein Strukturmodell (euklidischer Raum) verwendet wurde, dessen Angemessenheit der alltäglichen E r f a h r u n g zumindestens nahekommt (Gebrauch von zwei dimensionalen Landkarten zur Bestimmung von Distanzen zwischen zwei geographischen Orten). Eingeschränkt wurde die Auswahl von geeigneten Demonstrationsmöglichkeiten durch die Verfügbarkeit entsprechender Daten. Eng mit der methodischen Implikation dieser Arbeit verbunden ist der Versuch, die Validität von hier möglichen Strukturaussagen mitzuberücksichtigen. Deshalb wurden für den gewählten Gegenstandsbereich (eine Menge von Elementen, hier Staaten) mehrere theoretische Strukturen (Elemente und Beziehungen zwischen den Elementen) definiert und auf unterschiedliche Art und Weise operationalisiert. Eine Folge dieses Vorgehens ist, d a ß am Ende der Untersuchung methodische Empfehlungen gegeben werden, während inhaltliche Schlußfolgerungen nur als Hinweise für noch zu leistende generalisierbare Studien zur Verfügung gestellt werden können. Diese Überlegungen führen zu den folgenden Grundgedanken, die bei der Analyse sozialer Systeme zu berücksichtigen sind: 1. Zu jedem Satz von Elementen sind verschiedene Realisationen von Beziehungen zwischen den Elementen möglich, von denen aus theoretischen Gründen erwartet werden kann, daß sie nicht voneinander unabhängig sind.
Beobachtete Realität
2. Meist wird vorausgesetzt, d a ß Elemente und die sie verbindenden Beziehungen ein System bilden, dessen Struktur bestimmten Regeln (Restriktionen) unterliegt. Gelten diese Restriktionen überall in diesem System, können vollständige Strukturmodelle entwickelt werden, die die Verhältnisse im System widerspiegeln sollen. 3. Die Vielzahl der möglichen Strukturen führt bei der Bewertung von Aussagen über Strukturen und Strukturmodellen zu allgemeinen meßtheoretischen Problemen. Hier spielen die Falsifizierbarkeit, Merkmalsstabilität und Bedeutsamkeit eine Rolle. Für die vorliegende Untersuchung wurden vier verschiedene Arten von Beziehungen beobachtet (Ebene 1), die auf verschiedene Art und Weise operationalisiert wurden (Ebene 2 und 3), um dann die Adäquatheit eines Strukturmodells f ü r diese Operationalisierungen zu überprüfen. Es ergab sich eine Situation, wie sie im folgenden Diagramm beschrieben ist (nach SUCK, 1985). Die Beschreibung der Knoten bezieht sich auf die Operationalisierungen in der Untersuchung und wird an geeigneter Stelle gegeben werden:
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Generell gilt für die hier beschriebene Forschungssituation : 1. Ebene der unterschiedlichen theoretischen Strukturen. Sind die theoretisch möglichen unterschiedlichen Beziehungsarten empirisch nicht zu unterscheiden, d. h. ist es nicht notwendig zwischen diesen Arten zu differenzieren, dürfen auf der ersten Ebene keine Unterschiede zwischen den Realisierungen auftreten. Treten Unterschiede auf, muß die Wahl der jeweils untersuchten Art der Beziehung in entsprechenden Untersuchungen theoretisch begründet sein. Treten keine Unterschiede auf, ist die Auswahl arbiträr. 2. Erste Ebene von Operationalisierungen (isolierte Menge vs. eingebettete Menge von Elementen). Da theoretisch zwischen eingebetteten und nicht eingebetteten Daten kein Unterschied bestehen dürfte, müssen beide Operationalisierungen zu denselben Ergebnissen führen. 3. Zweite Ebene der Operationalisierungen (symmetrische vs. asymmetrische Beziehungen). Da theoretisch zwischen symmetrischen und asymmetrischen Daten kein Unterschied bestehen dürfte, müssen beide Operationalisierungen zu denselben Ergebnissen führen. 4. Ebene der in das Strukturmodell transformierten Werte. Wenn die Transformation in das Strukturmodell bedeutsam sein soll, dürfen sich die Strukturaussagen, die auf der Datenebene getroffen werden, nicht von den Strukturaussagen unterscheiden, die auf Strukturmodellebene getroffen werde. Bevor eine Interpretation innerhalb einer Realisation (eines Pfades) vorgenommen wird, soll hier überprüft werden, ob eine solche Interpretation überhaupt sinnvoll ist. Das heißt: 1) daß keine Informationsverfälschung durch die Operationalisierung oder durch die Transformation in Strukturmodelle sichtbar werden darf, 2) daß die theoretisch erwarteten Strukturen sich auch untereinander in der theoretisch erwarteten Weise darstellen. Erst wenn dies gegeben ist, erscheint es uns sinnvoll, Interpretationen innerhalb der einzelnen Strukturen vorzunehmen. 2.
Das Problem
Ausgangspunkt war die Frage: Warum ziehen Familien um?
7 Dieses Thema wird z.B. von P . H . Rossi (1980) in seinem Buch «Why Families move: A Study in the social psychology of urban residential mobility» behandelt. Eine Vielzahl von Einflüssen auf die individuelle Entscheidung werden in diesem Buch aufgeführt. Eine wichtige Information, die Entfernung zum neuen Wohnsitz, bleibt allerdings ausgespart, ein Tatbestand, der von Rossi bedauert wird: «Perhaps the most seriously neglected aspect of mobility is its spatial p a t t e r n i n g . . . . Of course, the spatial patterning of mobility has received considerable attention in previous studies. Aspects of spatial patterning and this dimension might well deserve the attention of future research» (p.231). SPEARE et al. (1975) sind ausführlich auf Modelle eingegangen, die geographische Distanzen zwischen dem Auszugsgebiet und dem Einzugsgebiet berücksichtigen, z. B. in Kapitel 7 «A theory of geographical mobility». Aus methodischen Gründen erscheinen uns diese Modelle allerdings unangebracht. Ein Ausweg kann im Versuch einer strukturellen Analyse des Problems liegen. Hierbei soll das System, bestehend aus verschiedenen Staaten und den geographischen Distanzen zwischen den Staaten, simultan als Ganzes analysiert und bei der Modellbildung berücksichtigt werden. Zusammengefaßt geht es um die Frage: «Besteht ein Zusammenhang zwischen den geographischen Distanzen und den Ab- bzw. Zuzugsströmen, die zwischen verschiedenen Gebieten bestehen (Verhaltensebene), und wie ist diese Situation möglicherweise kognitiv bei den Entscheidungsträgern (den Umziehenden) repräsentiert (Einstellungsebene), wenn eine Entscheidung für oder gegen einen alternativen Zuzugsort getroffen wird?» Wie immer stehen zur Beantwortung solcher Fragen eine Vielzahl von Operationalisierungsmöglichkeiten und methodischen Instrumenten zur Verfügung. Wenn man euklidische Räume als relevant für die Beantwortung der Frage ansieht, eine Hypothese, die bei der gebräuchlichen Darstellung von geographischen Distanzen auf zweidimensionalen Karten zumindestens nicht abwegig erscheint, können auch hier mehrere Alternativen sinnvoll sein. Hier soll untersucht werden, wie diese Alternativen in bezug zueinander stehen, und wie sich die entsprechenden Daten, sowie die Repräsenta-
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Bien: Strukturelle Analyse - eine Teilantwort auf die Krise in der Sozialpsychologie
tionen dieser Daten in euklidischen Räumen zueinander verhalten. 3.
Die Forschungssituation
Eine Untersuchung, die Eigenschaften von Beziehungen zwischen Elementen berücksichtigt, ist notgedrungen beschränkt auf die wenigen Datensätze, die solche Informationen enthalten. Hier wurde auf einen Datensatz der Vereinten Nationen zurückgegriffen, der internationale Ein- bzw. Auswanderungsströme beschreibt, da nationale Daten über Umzugsströme nicht vorlagen. Es handelt sich hier um Daten aus dem Jahr 1970 zu zwei Mengen von Elementen (Staaten). Eine Bemerkung zur Auswahl der Datenmengen. Zur Validierung von gefundenen Konfigurationen ist es üblich, eine weitere Menge von Elementen zu untersuchen, für die die ursprüngliche Menge eine echte Teilmenge darstellt. Die Interpretation der ursprünglichen Konfiguration dient dann als Voraussage für die Verhältnisse in der neuen Konfiguration. Nur wenn sich diese Voraussagen in der neuen Konfiguration wiederfinden lassen, sind die Interpretationen kontextunabhängig bedeutsam. Aus diesem Grund wurde die Menge A, für deren strukturelle Eigenschaften wir uns interessieren, in bezug zur Menge B gesetzt. Analysen, die für A X A andere Ergebnisse liefern, als für B X B sind dann als äußerst problematisch anzusehen. Menge A (Kenia, Südafrika, USA, Brasilien, Argentinien, Australien, Israel, Japan, Frankreich, Italien, Großbritannien und Kanada) ist eine echte Teilmenge der Menge B (Kenia, Südafrika, USA, Brasilien, Argentinien, Australien, Israel, Japan, Frankreich, Italien, Großbritannien, Kanada, Ghana, Nigeria, Mexiko, Malaysia, Dänemark, Philippinen, Bundesrepublik Deutschland, Griechenland, Niederlande, Spanien und Schweden). Die Auswahl der Länder ist nahezu determiniert, wenn man die Menge der fehlenden Daten, bei einem gegebenen Maß an Repräsentivität, optimal klein halten will.
Nimmt man die Menge B als einen Vektor, in dem die Elemente von Kenia (1) bis Schweden (23) geordnet sind, und bildet dann das Kreuzprodukt B X B so ist die Tabelle mit den Ausgangsinformationen, das unter der Diagonale liegende Feld, in der Matrix, die dieses Kreuzprodukt repräsentiert. Jede Zeile der Tabelle enthält vier Werte, z.B. Südafrika 369 156
Kenia 127
12
Der erste Wert bezeichnet die Zahl der Auswanderer vom zweiten Land des bestimmenden Paars ins erste Land, nach den Statistiken des ersten Landes. Z.B. Südafrika gibt an, 369 Einwanderer von Kenia registriert zu haben. Der zweite Wert bezeichnet die Zahl der Auswanderer vom zweiten Land des bestimmenden Paars ins erste Land, nach den Statistiken des zweiten Landes. Z.B. Kenia gibt an, 156 Auswanderer nach Südafrika registriert zu haben. Der dritte Wert bezeichnet die Zahl der Auswanderer vom ersten Land des bestimmenden Paars in das zweite Land, nach den Statistiken des zweiten Landes. Z.B. Kenia gibt an, 127 Einwanderer von Südafrika registriert zu haben. Der vierte Wert bezeichnet die Zahl der Auswanderer vom ersten Land des bestimmenden Paars ins zweite Land, nach den Statistiken des ersten Landes. Z.B. Südafrika gibt an, 12 Auswanderer nach Kenia registriert zu haben. 23 Die Ausgangsdatentabelle enthält alle ( 2 ) = 253 Kombinationen. Ein Vergleich der Statistiken zweier verschiedener Länder zum selben Tatbestand macht deutlich, daß die Interpretation der absoluten Zahlen problematisch ist. Z.B. nennt Großbritannien eine Zahl von 21500 Auswanderern in die USA, die USA haben aber nur eine Zahl von 13563 Einwanderern aus Großbritannien registriert. Ungefähr 8000 Menschen sind danach verschwunden. (Vielleicht ist dies ein neues Geheimnis des Bermuda Dreiecks?) Betrachtet man die Zahlen über alle Zellen genauer, fällt auf, daß die Rangordnungen der
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Zellen werte bei weitem stabiler sind, als die absoluten Zahlen, deshalb wurden die Ränge als Analysebasis gewählt. Es gibt nun mehrere Möglichkeiten, die Ausgangsdaten in Datenmatrizen zu transformieren, welche Ranginformationen über die Beziehungen zwischen den Ländern beinhalten. Nimmt man die kartesischen Produkte A X A
und
B X B,
so lassen sich zeilenkonditionale (Einwanderungsland-konditionale) Rangreihen erstellen, indem man für jedes Land die 11 (bzw. 22) Zellen, die die Einwanderungsziffern für dieses Land enthalten, miteinander vergleicht (z.B. über die Mittelwertbildung) und Ränge ableitet; z . B . Südafrika 127
USA 748
Kenia 12
Kenia 0
Konditional zu Kenia gilt Südafrika 127 + 1 2
Meßebene
Vergleich
\
/
Mittelung der Abweichungen Abb. 1: Annahmen in der Studie von
CLARKE & CAMPBELL
Zwei wichtige Probleme kennzeichnen diese Untersuchung: 1. Inwieweit kann die Einschätzung von Testleistungen als Ausdruck von Stereotypen bezeichnet werden? 2. Inwieweit lassen Testleistungen Schlüsse auf die wirklich bestehenden intellektuellen Fähigkeiten zu? Zu 1.: Sicher wird die Einschätzung der Testleistungen auch von anderen Faktoren als dem je-
weils vorhandenen Stereotyp beeinflußt. Im Falle der Studie von C L A R K E & CAMPBELL ( 1 9 5 5 ) ist in erster Linie die Kenntnis der einzelnen Individuen zu nennen. Außerdem ist die Beziehung zwischen einem allgemeinen Stereotyp über eine Gruppe und Einzelurteilen über Individuen weder theoretisch noch empirisch eindeutig geklärt. Zu 2.: Für den Vergleich mit dem Stereotyp sind die Testleistungen nur dann interessant, wenn sie einen Schluß auf die allgemeinen intellektuellen Fähigkeiten zulassen. Im Falle der Studie von C L A R K E & CAMPBELL ( 1 9 5 5 ) handelte es sich um Tests über die Verfassungen der USA und einzelner Bundesstaaten sowie um arithmetische Aufgaben. Die Autoren spezifizieren weder die Art des Tests noch geben sie an, warum gerade diese Tests objektive Sachverhalte über die intellektuelle Fähigkeit der Getesteten zu messen erlauben. Angesichts des Standes der Diskussion über Validität psychologischer Testverfahren darf dieser Anspruch auch bezweifelt werden. Wie für die Untersuchung von L A P I E R E ( 1 9 3 6 ) konnten auch für die Arbeit von C L A R K E & CAMPBELL ( 1 9 5 5 ) wichtige Einwände gegen den Vergleich von Stereotypen bzw. Vorurteilen mit objektiven Tatsachen nicht ausgeschlossen werden. Beide Untersuchungen können als prototypisch für die bisherigen Versuche angesehen werden, Vorurteile auf ihren Realitätsgehalt zu überprüfen: 1. Man versucht, den Realitätsgehalt von Vorurteilen (Stereotypen) dadurch zu überprüfen, daß man diese Urteile mit Sozialstatistiken oder anderem statistischem Material in Beziehung setzt. 2. Psychologische Verfahren zur Erhebung von Persönlichkeitseigenschaften dienen als Grundlage für einen Vergleichsstandard für Stereotype und Vorurteile. Jede Statistik ist mit Fehlern behaftet, ebenso wie auch Meßmethoden für Stereotype und Vorurteile keineswegs fehlerfreie Ergebnisse liefern (vgl. dazu die Bemerkungen von ALBERT, 1 9 8 2 , zum Fallibilismus). Da aber menschliche Erkenntnis niemals sicher sein kann, reicht dieses Argument allein nicht aus, um gegen die erste Methode zu sprechen. 9 Hinzu kommt aber, daß 9 Wenn man die Ansicht vertreten würde, Statistiken enthielten im Vergleich zu anderen wissenschaftlichen Verfahren wesentlich mehr Fehlerquellen, spräche allein diese Fehler-
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Vorurteile und Stereotypen typischerweise Eigenschaftsangaben über Gruppen von Individuen enthalten (vgl. dazu ASHMORE & D E L B O C A , 1 9 8 1 , p. 13: «In practice, then, the content of stereotypes as personal attributes has been restricted to trait adjectives.» Vgl. dazu auch C A U T H E N et al., 1 9 7 1 ) ; zu dieser Frage gibt es aber wenige entsprechende Statistiken (welche Statistik könnte konsultiert werden, wenn beispielsweise die Habgier von Chinesen überprüft werden sollte?). Außerdem - und dieses Problem wurde weiter oben schon mehrmals behandelt - müßte in den entsprechenden Forschungen erst geklärt werden, was Individuen darunter verstehen, wenn sie einer Gruppe eine Eigenschaft zuordnen. Bedeutet dies, daß die betreffenden Individuen denken, daß mindestens 20% oder 40% oder 60% der jeweiligen Gruppenmitglieder diese Persönlichkeitseigenschaften überdauernd besitzen? Wenn dieses Problem gelöst wäre, wie könnten diese Eigenschaften mit Verhaltensmaßen in Beziehung gesetzt werden (vgl. dazu die Diskussion in H E R R M A N N , 1 9 7 6 ; MISCHEL, 1 9 7 3 ) , die wohl die Grundlage der entsprechenden Statistiken bilden? Zu dieser Problematik gehört auch, daß das Konzept real existierender, überdauernder Persönlichkeitseigenschaften selbst in der differentiellen Psychologie keineswegs unangefochten ist. Auch hierfür waren die Arbeiten von MISCHEL (1968, 1973) wegweisend. Dieser Autor (1973, p.264) kommt bei seiner Aufarbeitung von Forschungen zum Konzept der Persönlichkeitseigenschaften zu folgendem Schluß: «Thus while the traditional personality paradigm views traits as the intrapsychic causes of behavioral consistency, the present position sees them as the summary terms (labels, codes, organizing constructs) applied to observed behavior. In the present view, the study of global traits may ultimately reveal more about the cognitive activity of the trait theorist than about the causes of behavior ...». Sind stabile Persönlichkeitseigenschaften also keine realen Sachverhalte, sondern lediglich
haftigkeit gegen die weitere Verwendung dieser Methode (vgl. dazu die Argumente von KITSUSE & CICOUREL, 1963, und CICOUREL, 1968/1974, gegen die Verwendung von behördlichen Statistiken in der soziologischen Forschung über Devianz).
27 Hilfskonstrukte 1 0 von Laien und Psychologen, die Wahrnehmung und Orientierung in einer komplexen Umgebung erst möglich machen? Wenn man mit MISCHEL und anderen diese Frage bejaht, wäre jede Eigenschaftszuschreibung bei Personen ein Vorurteil, weil ein solches Urteil keine Entsprechung in der Realität findet (bei dieser Argumentation wird die traditionelle Art der Definition von Vorurteilen vorausgesetzt). Eine solche Interpretation war aber von den Theoretikern des Vorurteils sicher nicht beabsichtigt. Diese Forscher gingen zum einen davon aus, daß stabile Persönlichkeitseigenschaften existieren, und zum anderen, daß solche Eigenschaften meßbar sind. Stellt man beide Voraussetzungen in Frage, so entfällt die Möglichkeit einer sinnvollen P r ü f u n g traditioneller Vorurteilskonzepte. Die Möglichkeit empirischer P r ü f u n g und damit einer Widerlegung (= Kriterium der Falsifizierbarkeit) ist aber nach P O P P E R (1934/ 1982) Grundlage jeglichen Erkenntnisfortschritts. Aus diesem Grunde ergeben sich aus dem oben Gesagten nachstehende Folgerungen: Folgerung 2: Die traditionelle Konzeption von Vorurteilen (bzw. Stereotypen) als von der Realität abweichenden Einstellungen oder Urteilen hat experimentelle Prüfungen nicht erlaubt. Als Folge davon läßt sich zumindest aus kritisch-rationalistischer Sicht - über den Wahrheitsgehalt der einzelnen Theorien nichts aussagen. Folgerung 3: Gegeben den heutigen Stand der psychologischen und soziologischen Theorienbildung, läßt sich mit der traditionellen, realistischen Konzeption von Vorurteilen in nächster Zeit weiterhin kein Erkenntnisfortschritt erzielen. Zusammenfassend lassen sich drei Punkte anführen, die die zuletzt genannte Folgerung begründen: 10 Vgl. dazu den Begriff des «hypothetischen Konstrukts» bei HERRMANN (1976); dieser Autor verwendet den Begriff anders als MCCORQUODALE & MEEHL, 1948 - nicht in einem realistischen Sinn.
28
Rehm: Theoretische und methodologische Probleme bei der Erforschung von Vorurteilen
- Das psychologisch-inhaltliche Problem, ob stabile Persönlichkeitseigenschaften überhaupt existieren; - das damit verbundene praktische Problem, wie solche Eigenschaften beispielsweise in bezug auf Großgruppen wie Nationen erfaßt werden könnten; und - das wissenschaftstheoretische Problem, daß Wahrheitsnähe von Theorien (vgl. POPPER, 1973) bisher nur intuitiv erfaßt werden kann (vgl. SCHRAMM, 1980, p . 6 9 0 ) .
Exkurs zur wissenschaftstheoretischen Grundlage
Grundlagen aller bisherigen Aussagen waren kritisch-rationalistische Positionen: - Ein kritischer Realismus, d.h. die Annahme einer Welt unabhängig von unseren Erkenntnissen über diese Welt; - ein methodischer Rationalismus, d.h. die Annahme, daß Problemlösungen, obwohl nicht letztbegründbar, kritisch empirisch geprüft werden können sowie daß das Ergebnis dieser Prüfungen Entscheidungen über die Präferenz gewisser Lösungen über andere ermöglicht (vgl. auch ALBERT, 1982, p. 9 ff., der diese beiden Positionen zusammen mit einem konsequenten Fallibilismus als Charakteristika des Kritischen Rationalismus nennt); - die Verknüpfung von Erkenntnis mit Falsifizierbarkeit und Falsifikation von Hypothesen (vgl. dazu POPPER, 1 9 3 4 / 1 9 8 2 ) . Nun werden solche Positionen keineswegs von allen Sozialwissenschaftlern und auch Wissenschaftstheoretikern geteilt (aus einer Fülle abweichender Grundpositionen: für die Psychologie und Sozialpsychologie die Diskussionsbeiträge z u m Artikel v o n MANICAS & SECORD, 1983 im
«American Psychologist» 8 / 1 9 8 4 sowie Mc GUIRE, 1983; für die Sozialwissenschaften allgemein die Beiträge in WATZLAWICK, 1981; innerhalb der bundesdeutschen Psychologie die Positionen von HERRMANN, 1979, 1983 oder HOLZKAMP, 1970, 1983). Dennoch kann davon ausgegangen werden, daß in den letzten 50 Jahren die Mehrzahl der Vorurteilsforscher zumindest implizit die oben skizzierten Positionen vertreten haben. Dies läßt sich schon allein daraus ersehen, daß sie im Verlauf ihrer Forschung im wesentli-
chen gemäß kritisch-rationalistischer Methodologie vorgingen. Hypothesen wurden dementsprechend aus Theorien abgeleitet, experimentell geprüft, und als Ergebnis der Prüfung wurde von Bestätigung oder Falsifikation gesprochen. Man sollte außerdem bedenken, daß abweichende methodologische Vorstellungen für die Psychologie und andere Sozialwissenschaften mit Ausnahme des Pragmatismus (JAMES, 1907) oft neueren Datums sind (allerdings muß darauf hingewiesen werden, daß viele Psychologen zusätzlich zu kritisch-rationalistischen Positionen auch induktive Elemente vertreten, die eigentlich solchen Positionen widersprechen - beispielsweise wird oft von der Möglichkeit einer Generalisierung von Ergebnissen aus Experimenten gesprochen). Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß hier der Versuch gemacht wurde, das traditionelle Forschungsprogramm 11 der Vorurteilsforschung an seinen eigenen methodologischen Grundsätzen zu messen. Eine solche Perspektive wurde gewählt, um diesem Forschungsprogramm auch wirklich gerecht werden zu können. Außerdem erleichtert das Wissen um das Scheitern eines bestimmten Forschungsprogramms an seinen Maßstäben in vielen Fällen auch das Verständnis für die darauf folgenden Entwicklungen.
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11 Um mögliche Mißverständnisse zu vermeiden, möchte ich darauf hinweisen, daß der Begriff «Forschungsprogramm» hier an schwächere Voraussetzungen als bei LAKATOS (1974) gebunden ist.
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Empirie
Kooperation, Stabilität und Vertrauen in einem kooperativen Normalformspiel* RONALD HENSS Universität d e s S a a r l a n d e s , S a a r b r ü c k e n
Die v o r l i e g e n d e Arbeit b e t r a c h t e t V e r h a n d l u n g e n u n d Koalit i o n s b i l d u n g e n in einem k o o p e r a t i v e n N o r m a l f o r m s p i e l . Resultate a u s einer f r ü h e r e n U n t e r s u c h u n g w e r d e n d u r c h die Ergebnisse einer n e u e n E x p e r i m e n t a l s e r i e e r g ä n z t , die in zwei wesentlichen A s p e k t e n von f r ü h e r e n E x p e r i m e n t e n a b weicht: Die V e r s u c h s p e r s o n e n sind (im G e g e n s a t z zu f r ü h e r « n a i v e n » ) « e r f a h r e n » , u n d sie t r e f f e n ( a n d e r s als z u v o r ) in aufeinanderfolgenden Verhandlungen mehrfach aufeinand e r . Die e r f a h r e n e n Spieler m a c h e n s t ä r k e r G e b r a u c h von d e n u n t e r s c h i e d l i c h e n M ö g l i c h k e i t e n zur K o a l i t i o n s b i l d u n g , u n d es zeigen sich zwischen den E x p e r i m e n t a l s e r i e n d e u t l i c h e U n t e r s c h i e d e hinsichtlich der C h a r a k t e r i s t i k a von Abweic h u n g e n von einer g e t r o f f e n e n A b s p r a c h e . In bezug a u f die Wahl k o o p e r a t i v e r u n d n i c h t - k o o p e r a t i v e r L ö s u n g s k o n z e p t e ergeben sich hingegen keine U n t e r s c h i e d e . Die z u s a m m e n f a s s e n d e B e t r a c h t u n g ermöglicht die I d e n t i f i k a t i o n von M e r k m a l e n der K o n f l i k t s i t u a t i o n , welche mit s t a b i l e n / i n s t a b i l e n E i n i g u n g e n e i n h e r g e h e n . B e o b a c h t e t e Z u s a m m e n h ä n g e zwischen den s t r u k t u r e l l e n M e r k m a l e n des Spiels u n d der gew ä h l t e n K o a l i t i o n s s t r u k t u r sind r i c h t u n g s w e i s e n d f ü r Weit e r e n t w i c k l u n g e n der t h e o r e t i s c h e n L ö s u n g s k o n z e p t e .
T h e present p a p e r c o n s i d e r s b a r g a i n i n g a n d c o a l i t i o n f o r m a tion in a c o o p e r a t i v e n o r m a l - f o r m g a m e . Based u p o n a n earlier s t u d y , r e p o r t e d elsewhere, a f u r t h e r series of e x p e r i m e n t s w a s carried o u t . W h i l e in t h e f o r m e r s t u d y s u b j e c t s w e r e « n a i v e » a n d never played with p a r t n e r s they a l r e a d y n e g o tiated with b e f o r e , they n o w w e r e « s o p h i s t i c a t e d » b a r g a i n e r s w h o met each o t h e r m o r e t h a n o n c e in successive experim e n t a l g a m e s . D a t a indicate that t h e s o p h i s t i c a t e d players a r e m a k i n g m o r e fully use of t h e d i f f e r e n t possibilities of coalition f o r m a t i o n t h a n did t h e naive s u b j e c t s . T h e r e a r e clearcut d i f f e r e n c e s b e t w e e n these g r o u p s with respect t o s o m e f e a t u r e s of d e v i a t i o n s f r o m t h e r a t i f i e d a g r e e m e n t s . As reg a r d s t h e choice of c o o p e r a t i v e a n d n o n - c o o p e r a t i v e s o l u t i o n c o n c e p t s , n o d i f f e r e n c e s o b t a i n . P u t t i n g t o g e t h e r t h e d a t a of b o t h series of e x p e r i m e n t s e n a b l e s t h e i d e n t i f i c a t i o n o f structural f e a t u r e s o f t h e conflict s i t u a t i o n s which a r e c o r r e l a t e d with s t a b l e / i n s t a b l e a g r e e m e n t s . O b s e r v e d c o r r e l a t i o n s between certain c h a r a c t e r i s t i c s o f the g a m e s a n d r a t i f i e d coalition s t r u c t u r e s indicate in which w a y existing g a m e t h e o r e t i c s o l u t i o n c o n c e p t s s h o u l d be f u r t h e r d e v e l o p e d .
1.
nisse zweier darauf basierender Experimentalserien dargestellt (HENSS, 1 9 8 5 ; HENSS & OSTMANN,
Einleitung
Kürzlich wurden in dieser Zeitschrift mit dem «Matrix-Spiel» eine experimentelle Anordnung zur Untersuchung von Verhandlungen und Koalitionsbildungen in einem spezifischen Interessenkonflikt eingeführt, zugehörige spieltheoretische Lösungskonzepte entwickelt und die Ergeb-
* Diese Arbeit e n t s t a n d im R a h m e n des F o r s c h u n g s p r o j e k t s « F o r m a l e M o d e l l e k o o p e r a t i v e r K o n f l i k t l ö s u n g » , das u n t e r Ta 5 6 / 3 von der Deutschen F o r s c h u n g s g e m e i n s c h a f t u n t e r s t ü t z t wird. Teile dieser Arbeit w u r d e n a u f der 27.Tag u n g experimentell a r b e i t e n d e r P s y c h o l o g e n ( W u p p e r t a l , 1985) v o r g e t r a g e n .
1985).
Aufbauend auf der in HENSS & OSTMANN beschriebenen Experimentalserie 2 wurde eine weitere Versuchsreihe durchgeführt, deren Versuchsbedingungen in zwei wesentlichen Punkten von den vorangegangenen Experimenten abweicht: An den früher berichteten Untersuchungen nahmen «naive» Versuchspersonen teil, die in aufeinanderfolgenden Verhandlungen stets mit Mitspielern konfrontiert wurden, mit denen sie zuvor noch nicht zusammengetroffen waren, so daß im Falle von Verletzungen einer getroffenen Absprache keine Konsequenzen in künftigen Ver-
32
Henss: K o o p e r a t i o n , Stabilität und Vertrauen in einem kooperativen N o r m a l f o r m s p i e l
handlungsrunden zu befürchten waren. Im Gegensatz dazu waren die Versuchsteilnehmer der neuen (dritten) Experimentalserie «erfahrene» Spieler, welche zudem im Laufe der Versuchsserie mehrfach aufeinander trafen. Im folgenden sollen Ergebnisse dieser dritten Untersuchung dargestellt und mit jenen der Experimentalserie 2 verglichen werden 1 . Dieser Vergleich soll unter anderem Aufschluß darüber liefern, inwieweit früher berichtete Resultate auf mangelnde Erfahrung der Spieler oder auf spezifische Durchführungsbedingungen zurückzuführen sind. Die gemeinsame Betrachtung der beiden Versuchsserien wird Zusammenhänge zwischen theoretischen Lösungskonzepten und Verhandlungsergebnissen deutlich machen, die bislang nicht erkennbar waren und die für Weiterentwicklungen der formalen Lösungsmodelle richtungsweisend sind.
2.
Durchführung der Versuche
Versuchspersonen der Experimentalserie 3 waren 7 Männer und 2 Frauen, die zuvor schon an Spielen der Serie 2 teilgenommen hatten. Dort wurden sie aufgrund ihrer Argumentationsweise durch die jeweiligen Versuchsleiter als Versuchspersonen eingeschätzt, welche die komplexe Struktur des Matrix-Spiels besonders gut durchschaut hatten. Jede der in diesem Sinne «erfahrenen» Versuchspersonen nahm an 12 zusätzlichen Verhandlungsrunden teil. Im Verlauf dieser dritten Experimentalserie trafen die Versuchsteilnehmer zwangsläufig mehrfach aufeinander; es wurde jedoch darauf geachtet, daß in keinem Falle die gleiche Dreiergruppe in zwei verschiedenen Spielen miteinander verhandelte. Den Ausgangspunkt der dritten Experimentalserie bildete der Versuchsplan der Serie 2. Dieser basierte seinerseits auf der systematischen Variation dreier unabhängiger Variablen (vgl.
(am weitesten führende kooperative Lösungskonzept) Minimal-Core entsprach. - Durch die unabhängige Variable B wurde manipuliert, welcher Argumentationstyp scheiterte, das heißt auf ein leeres Core führte. - Durch die unabhängige Variable C wurde die Relation zwischen dem kooperativen Lösungskonzept Minimal-Core und dem nicht-kooperativen Lösungskonzept Gleichgewicht in folgender Weise variiert: CO: Kein Gleichgewicht vorhanden, Minimal-Core (wie in allen Spielen) nicht-leer. C l : Gleichgewichte sind zwar vorhanden, sie liegen aber nicht im Minimal-Core. C2: Die Menge der Gleichgewichte und das Minimal-Core haben einen nicht-leeren Durchschnitt (kooperative und nicht-kooperative Lösungskonzepte stimmen somit (partiell) überein). (Für die anschließenden Betrachtungen ist die Manipulation der Variablen C von zentraler Bedeutung.) Aus dem gerade skizzierten Versuchsplan wurden in folgender Weise 12 «schwere» Spiele ausgewählt: Zum einen wurden in der dritten Experimentalserie nur solche Spiele vorgelegt, bei denen wenigstens ein Argumentationstyp scheiterte (das heißt, daß zumindest das ß-Core oder das yCore leer war), und zum anderen wurden auch jene Konfliktsituationen nicht berücksichtigt, bei denen die Menge der Gleichgewichte und das Minimal-Core einen nicht-leeren Durchschnitt aufwiesen (Versuchsbedingung C2). Jedes der ausgewählten 12 Spiele wurde jeder Versuchsperson genau einmal vorgelegt, so daß sich im Rahmen der Experimentalserie 3 insgesamt 36 Verhandlungen ergaben. (Anmerkung: Die dieser Teilmenge entsprechenden Spiele der Experimentalserie 2 bezeichnen wir im folgenden als Experimentalserie 2*. Für den Vergleich der Serien 2* und 3 liegen jeweils 4 bzw. 3 Spiele vor.)
HENSS & OSTMANN, 1 9 8 5 , p p . 1 1 9 - 1 2 0 ) :
3.
- Durch die unabhängige Variable A wurde manipuliert, welchem Argumentationstyp das
3.1
1
Eine vollständige D o k u m e n t a t i o n der beiden Experimentalserien ist a u f A n f r a g e v o m A u t o r erhältlich.
Ergebnisse Koalitionsbildung
Tabelle 1 zeigt, daß hinsichtlich der Koalitionsbildung deutliche Unterschiede zwischen den beiden Experimentalserien bestehen.
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Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986,17,31-39
Bei dem in Abbildung l a dargestellten Spiel wurde in der Serie 2 jeweils eine Einigung im Rahmen der Großen Koalition erzielt; in allen Fällen wich dann jedoch zumindest ein Spieler von der vereinbarten Wahl ab (Einigung Ergebnis: ruy -» swy, suy -»• sux, twy -> rwx, rvx rvz). Innerhalb der Serie 3 konnten sich in dieser Situation die Spieler nur einmal im Rahmen der Großen Koalition einigen; und auch hier hielt sich ein Spieler nicht an die getroffene Vereinbarung (ruy -> suy). In den verbleibenden beiden Fällen zogen die Spieler hingegen die Nicht-Einigung vor. Sie umgingen die aus dem Vorhandensein attraktiver Abweichungsmöglichkeiten resultierende Unsicherheit in der Weise, daß sie das Spiel gewissermaßen in ein Glücksspiel umdeuteten, welches jedem gleiche Chancen einräumt (diese Interpretation basiert auf den von den Spielern im Laufe der Verhandlung geäußerten Aussagen; es sei an dieser Stelle noch angemerkt, daß in beiden Fällen eine Minimal-Core-Auszahlung als Endergebnis resultierte). Betrachtet man nun die Gesamtheit aller Spiele der Serien 2 und 3, so offenbart sich ein enger Zusammenhang zwischen den gewählten Koali-
Tab. 1: Koalitionsbildung. Vergleich der Serien 2* und 3. Serie 2 *
Keine Einigung Paarkoalitionen Große Koalition
Serie 3
CO
C1
CO
C1
1 3 20
1 3 20
6 4 8
1 4 13
Der Anteil von Großen Koalitionen ist im Rahmen der Experimentalserie 3 wesentlich geringer als dies bei den entsprechenden Spielen der zweiten Serie der Fall war. Die erfahrenen Versuchspersonen scheinen sensibler auf Unterschiede zwischen den Spielen der Bedingungen CO bzw. C1 reagiert und in größerem Umfange von den verschiedenen Koalitionsbildungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht zu haben. Waren in Serie 2 noch zahlreiche «unechte» Große Koalitionen zu beobachten (vgl. H E N S S & O S T M A N N , 1985, p. 124), so fällt innerhalb der Serie 3 vor allem der recht hohe Anteil von Nicht-Einigungen auf. Abbildung l a zeigt eine Konfliktsituation, die in zwei Fällen zur Koalitionsstruktur [A, B, C), also zur Nicht-Einigung, führte. s
Abb. la: Beispiel einer Konfliktsituation mit leerem ß-Core. Minimal-Core = C(y) = (rwz, suy, swy, twxl. Kein Gleichgewicht vorhanden.
34
H e n s s : K o o p e r a t i o n , S t a b i l i t ä t u n d V e r t r a u e n in e i n e m k o o p e r a t i v e n N o r m a l f o r m s p i e l
s
Abb. Ib: Beispiel einer Konfliktsituation mit leerem y-Core. Minimal-Core = C(ß) = (rvz, twx|. Kein Gleichgewicht vorhanden.
s
Abb.lc: Beispiel einer Konfliktsituation der Versuchsbedingung C2. Minimal-Core = C(ß) = (rvz, twx|. Gleichgewichte = Irvz, tuy).
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Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986,17,31-39
tionsstrukturen und den strukturellen Eigenschaften der Konfliktsituationen: - Nicht-Einigungen beschränken sich ausschließlich auf solche Situationen, in denen das ß-Core leer ist (dies trifft für das Beispiel aus A b b . l a zu). - Von den insgesamt 23 Paarkoalitionen entfallen 16 auf Spiele mit leerem y-Core. Eine solche Situation ist in Abbildung l b dargestellt. (Serie 2: - v z -> svz, t - x tux, - u z tuz, tuy tuy; Serie 3: t - x twx, t - x twx, - v z svz.) In der abschließenden Diskussion soll angedeutet werden, inwiefern sich aus den beobachteten Zusammenhängen Hinweise für eventuell sinnvolle Erweiterungen der theoretischen Lösungskonzepte ergeben.
3.2
Abweichungen
Eine besondere Eigenart des Matrix-Spiels besteht in der Möglichkeit, bei der endgültigen Entscheidung von einer vereinbarten Wahl abzuweichen. Die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen haben gezeigt, daß bei Vorhandensein attraktiver Alternativen häufig von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird. Wie eingangs schon dargelegt, wurde die Experimentalserie 3 auf dem Hintergrund dieses Befundes so konzipiert, daß nun Abweichungen insofern riskanter waren, als sie auch noch Konsequenzen für künftige Verhandlungen haben konnten. Ganz im Sinne dieser Überlegungen wurde in den jeweils ersten Spielen dieser Serie zumindest von einem Spieler das Argument vorgebracht, daß Abweichungen sich nicht lohnen würden, da sich die anderen in kommenden Verhandlungen j a rächen könnten. Abweichungen kämen somit bestenfalls f ü r die letzten Spiele der Versuchsserie in Frage; sie kamen in diesen ersten Spielen nicht vor. Im Verlauf der zweiten Verhandlungsrunde wich dann allerdings doch ein Spieler von der vereinbarten Wahl ab. Dieses «Ereignis» sprach sich wie ein Lauffeuer in der Gruppe herum, und es führte dazu, daß die nun folgenden Verhandlungen durch ein Klima gegenseitigen Mißtrauens gekennzeichnet waren. Dieser Eindruck ergibt sich nicht nur aus den Beobachtungen der Verhandlungen, er läßt sich auch anhand von Nachbefragungen belegen, bei denen die Spieler große
Unzufriedenheit mit der zerstörten Vertrauensbasis äußerten. Vergleicht man die Spiele der Serien 2* und 3 miteinander, so ergeben sich im Hinblick auf die relative Häufigkeit von Abweichungen keine statistisch bedeutsamen Unterschiede. Deutliche Differenzen zwischen den beiden Serien zeigen sich aber d a n n , wenn m a n danach fragt, welcher Spieler es ist, der abweicht und mit welchem «Erfolg» er dies tut. Innerhalb der Versuchsserie 2 wich in der Regel jener Spieler ab, der im Einigungsfeld den geringsten Punktwert aufwies. Doppel-Abweichungen kamen kaum vor und nur wenige Abweichungen können als «Präventiv»-Abweichungen a u f g e f a ß t werden. Innerhalb der Serie 3 war es hingegen häufig jener Spieler, der im Einigungsfeld den höchsten Punktwert aufwies, welcher schließlich von der vereinbarten Wahl abwich. Dies wird nur d a n n verständlich, wenn man annimmt, daß dieser Spieler Abweichungen der anderen befürchtete und daß er daher zur Vermeidung eigener Verluste selbst abwich. Da sich aber in vielen Fällen die anderen Spieler doch an die getroffene Abmachung hielten, hatte dies für den abweichenden Spieler häufig eine Verschlechterung zur Folge. Tabelle 2 läßt deutliche Unterschiede zwischen den beiden Versuchsserien hinsichtlich der Konsequenzen von Abweichungen erkennen.
Tab.2: Konsequenzen für die jeweils abweichenden Spieler (+: Verbesserung; =: keine Veränderung; - : Verschlechterung). + Serie 2* Serie 3
5 11
2 2
19 8
3.3 Stabile und instabile Einigungen Im folgenden erweitern wir unsere bisherige Perspektive, indem wir nach Merkmalen von Konfliktsituationen fragen, in denen besonders selten bzw. besonders o f t beständige Einigungen erzielt werden. Zu diesem Zweck bezeichnen wir eine Einigung (in einer Paar- oder in der Großen Koalition) d a n n als stabil, wenn sie nicht von einer Abweichung gefolgt wird; instabil sind in diesem
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Henss: Kooperation, Stabilität und Vertrauen in einem kooperativen Normalformspiel
Sinne alle Nicht-Einigungen und alle von Abweichungen gefolgten Einigungen. Untersucht man die Zufallsvariable stabile/ instabile Einigungen vor dem Hintergrund der Manipulation der Variablen C, so zeigen sich zwischen den Serien 2* und 3 keine statistisch bedeutsamen Unterschiede. Für die folgenden Betrachtungen fassen wir daher die Spiele dieser beiden Serien zusammen. Da die Betrachtung der Koalitionsstrukturen gezeigt hatte, daß Nicht-Einigungen sich auf Spiele mit leerem ß-Core beschränkten, untersuchen wir die Verteilung von stabilen bzw. instabilen Einigungen nicht nur vor dem Hintergrund der Manipulation der Variablen C, sondern auch unter Berücksichtigung des ß-Core. Tabelle 3 enthält die entsprechenden Häufigkeiten.
Tab.3: Verteilung von stabilen/instabilen Einigungen in Abhängigkeit von der unabhängigen Variablen C und dem Vorhandensein/Nicht-Vorhandensein des ß-Core. C(ß)*0
C(ß) = 0
instabil stabil
CO
C1
C2
CO
C1
C2
18
12
0
9
12
1
3
9
12
20
17
19
Die Hypothese, daß sich die Verteilung von stabilen und instabilen Einigungen aus den Produktwahrscheinlichkeiten der Randverteilungen erklären läßt, kann signifikant zurückgewiesen werden (x 2 (df=7) = 40.9; p < .001). Nachgeschobene Tests über den Zusammenhang zwischen der Manipulation der unabhängigen Variablen und der Verteilung von stabilen/instabilen Einigungen (vgl. LIENERT, 1 9 7 8 , Kap. 1 7 ) lassen folgende Interpretationen zu: - Stabile Einigungen finden sich insbesondere in Konfliktsituationen, in denen Minimal-Core und Gleichgewicht (partiell) übereinstimmen (C2). - Instabile Einigungen ergeben sich vor allem dann, wenn das ß-Core leer ist. - Der letztgenannte Effekt tritt besonders deutlich hervor, wenn überdies auch kein Gleichgewicht vorhanden ist (C(ß) = 0 und CO).
3.4 Einigungen und Ergebnisse Wie schon im Rahmen der Experimentalserie 2 spielten Gleichgewichte als Einigungspunkte auch innerhalb der Serie 3 keine Rolle: Nur in einem einzigen Falle verständigten sich die Spieler auf die Wahl eines Gleichgewichtes. Die Resultate der Serie 2 hatten gezeigt, daß im Gegensatz zum nicht-kooperativen Konzept Gleichgewicht die kooperativen Konzepte einen recht hohen deskriptiven Wert besitzen; dies gilt insbesondere auch für das Minimal-Core (MC). Vergleichen wir die Serien 2* und 3 miteinander, so ergeben sich im Hinblick auf MC-Einigungen nahezu identische Verteilungen, so daß wir auch diesen Aspekt im folgenden für alle Spiele insgesamt betrachten können. Während wir bislang nur die expliziten Einigungen im Rahmen der Großen Koalition berücksichtigten, da nur diese einen eindeutigen Einigungspunkt definieren, wollen wir im folgenden eine Erweiterung unserer Sichtweise vornehmen: Wir beachten zusätzlich auch noch, ob sich die Einigungen im Rahmen von Paarkoalitionen als implizite Einigung auf eine MC-Auszahlung interpretieren lassen. Hierzu betrachten wir, ob sich bei optimalem Verhalten des isolierten Spielers eine MC-Einigung ergeben würde (wir unterstellen hier also, daß sich der isolierte Spieler dem durch das y-Konzept definierten Zwang beugt). Tabelle 4 zeigt die Verteilungen von expliziten bzw. impliziten MC-Einigungen in Abhängigkeit von der unabhängigen Variablen C.
Tab. 4: Einigungen im Minimal-Core in Abhängigkeit von der unabhängigen Variablen C. explizit
nein ja
implizit
CO
C1
C2
CO
C1
C2
35 15
17 33
13 19
30 20
12 38
6 26
Es zeigt sich, daß der Anteil an MC-Einigungen unter Bedingung CO sehr gering ist. Dagegen ist dieser unter Bedingung C1 jeweils sehr hoch. Unter Bedingung C2 tritt der hohe Anteil von MC-Einigungen insbesondere dann sehr stark hervor, wenn man auch die impliziten Einigun-
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Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986,17,31-39
gen im Rahmen von Paarkoalitionen berücksichtigt. (An dieser Stelle ist eine Anmerkung angebracht: Jene 6 Fälle aus C2, welche nicht zu einer (zumindest impliziten) MC-Einigung führten, sind auf zwei Konfliktsituationen (jeweils C(y) = MC; eine davon ist in A b b . l c dargestellt) beschränkt. In einem Falle wurde die unattraktive, da nicht einmal Pareto-optimale, Gleichaufteilung (3/3/3) gewählt - und prompt von einer Abweichung (der einzigen bei C2) gefolgt; und in den anderen 5 Fällen wurde jeweils die Auszahlung (5/4/4) gewählt. Als «Konkurrent» zu MCAuszahlungen treten somit in Versuchsbedingung C2 ausschließlich (Fast-)Gleichaufteilungen auf.) Betrachten wir nun aber die tatsächlich realisierten Ergebnisse (zwischen den Serien 2* und 3 zeigen sich in dieser Hinsicht keine Unterschiede), so stoßen wir auf ein bemerkenswertes Resultat, welches wir Tabelle 5 entnehmen.
Tab. 5: Ergebnis im Minimal-Core in Abhängigkeit von der unabhängigen Variablen C.
nein ja
CO
Cl
C2
29 21
26 24
8 24
Der hohe Anteil von MC-Wahlen unter Bedingung C2 bleibt auch dann noch erhalten, wenn wir anstelle der Einigungen die Ergebnisse betrachten. Auch in bezug auf die Bedingung CO hat sich nichts verändert, der Anteil von MCWahlen bleibt sehr niedrig. Eine dramatische Veränderung hat sich hingegen unter Bedingung C1 vollzogen: Erfolgte der weitaus größte Teil der Einigungen noch auf MC-Auszahlungen, so liegt dieser Anteil im Falle der tatsächlich realisierten Ergebnisse weitaus niedriger; er ist mit dem aus Bedingung CO vergleichbar.
4.
Diskussion
Wir fassen eine Verhandlung als einen zweistufigen Prozeß auf, bei dem bis zum Zustandekommen des endgültigen Ergebnisses zwei Hürden zu überwinden sind:
- Die Teilnehmer müssen sich zuerst auf eine gemeinsame Entscheidung einigen. - Diese muß auch bei der Schlußabstimmung noch Bestand haben. Aus diesem Blickwinkel läßt sich nun das letztgenannte Resultat wie folgt zusammenfassen: - Ist überhaupt kein Gleichgewicht vorhanden, so wird häufig keine der beiden Hürden genommen. - Sind zwar Gleichgewichte vorhanden, liegen diese aber nicht im Minimal-Core, so wird zwar fast immer die erste, in vielen Fällen aber nicht mehr die zweite Hürde genommen. - Sind hingegen das kooperative Lösungskonzept Minimal-Core und das nicht-kooperative Lösungskonzept Gleichgewicht miteinander vereinbar, so werden in der Regel beide Hürden genommen. Der früher berichtete Effekt, daß das Vorhandensein eines Gleichgewichtes kooperative Lösungen zu stabilisieren scheint (vgl. HENSS & OSTMANN, 1985, p. 126), ist also dahingehend zu relativieren, daß dies zwar für die Einigungen, nicht aber auch für das tatsächlich realisierte Ergebnis zutrifft. Beim Übergang von der erzielten Einigung zum letztendlich zustande gekommenen Ergebnis wird die unter den Bedingungen CO und C 1 beobachtete Instabilität aus einer etwas veränderten Perspektive sichtbar. Bemerkenswert ist nun, daß bei diesem Übergang der Anteil von MC-Wahlen zwar unter Bedingung C l , nicht aber unter Bedingung CO merklich abnimmt. Die eingehendere Analyse zeigt, daß insgesamt nur in 7 Fällen ein MC-Ergebnis erzielt wurde, ohne daß man sich zuvor auf eine entsprechende Auszahlung geeinigt hatte. Diese sind ausschließlich auf Spiele der Bedingung CO beschränkt. In 5 Fällen folgte ein derartiges Ergebnis auf vorangegangene Nicht-Einigungen (!), in den verbleibenden beiden Fällen kam es als Folge von Abweichungen zustande. In der weit überwiegenden Zahl führten Abweichungen allerdings nicht zu MCErgebnissen. Da Abweichungen unter den Bedingungen CO und C l etwa gleichhäufig auftraten, wurden hierdurch insbesondere die zahlreichen MC-Einigungen unter Bedingung C l betroffen. Da unter dieser Bedingung auch noch die erwähnten, bei den Spielen aus CO aufgetretenen, gegenläufigen Tendenzen ausblieben, sank der Anteil von MC-Ergebnissen auf das niedrige Niveau von Bedingung CO ab.
38
H e n s s : K o o p e r a t i o n , Stabilität u n d Vertrauen in einem k o o p e r a t i v e n N o r m a l f o r m s p i e l
Der Vergleich der Serien 2 und 3 hat gezeigt, daß die erfahrenen Spieler zumindest in dem Sinne besser mit den doch sehr komplexen Konfliktsituationen zurecht kamen, als sie offensichtlich in größerem Umfange von den unterschiedlichen Möglichkeiten zur Koalitionsbildung Gebrauch machten. Die Beobachtung der Verhandlungen vermittelte zudem den Eindruck, daß diese Spieler auch rascher die wesentlichen Charakteristika der jeweiligen Situation erfaßten. Umso mehr verwundert zunächst der sehr hohe Anteil von Abweichungsfällen in dieser Gruppe. Obgleich gerade die erfahrenen Spieler im Verlauf der Verhandlungen selbst, sowie auch im Rahmen von Nachbefragungen deutlichen Unmut über das Klima gegenseitigen Mißtrauens äußerten, waren sie doch nicht in der Lage, den nach dem ersten Abweichungsfall entstandenen Teufelskreis zu durchbrechen. Innerhalb dieser spezifischen Personengruppe haben die veränderten Durchführungsbedingungen - ganz entgegen den ursprünglichen Erwartungen - anscheinend zur Destabilisierung der Situation beigetragen. Die nähere Betrachtung der Abweichungsfälle hat gezeigt, daß die «naiven» Spieler der Serie 2 die Vertrauenswürdigkeit ihrer Mitspieler häufig in dem Sinne falsch beurteilten, daß sie die Kooperationsbereitschaft des (im Einigungspunkt) «schwächsten» Spielers überschätzten; die erfahrenen Spieler scheinen hingegen in vielen Fällen dessen Vertrauenswürdigkeit unterschätzt zu haben. An diese Beobachtung kann indes eine interessante Spekulation angeschlossen werden: Innerhalb der Experimentalserie 2 wurden zusätzlich auch Konfliktsituationen der Versuchsbedingung C2 vorgelegt, welche, von einer Ausnahme abgesehen, stets mit stabilen Einigungen einhergingen. Da darüberhinaus die Teilnehmer dieser Experimentalserie jeweils nur an vier Verhandlungen teilnahmen, waren die einzelnen Spieler dieser Gruppe insgesamt nicht sehr häufig mit Abweichungsfällen konfrontiert; ein ausgeprägtes Klima gegenseitigen Mißtrauens konnte sich in dieser Versuchsserie nicht etablieren. Die erfahrenen Spieler nahmen dagegen an sehr viel mehr Spielen teil, und in der Versuchsserie 3 wurden ihnen zudem ausschließlich «schwere» Spiele vorgelegt. Abweichungen waren hier eher die Regel als die Ausnahme, Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der Mitspieler angezeigt. Möglicher-
weise sind gerade diese die Ursache dafür, daß hier der «schwächste» Spieler nicht so häufig von der vereinbarten Wahl abwich: Wenn er die Präventiv-Abweichung des «stärksten» Spielers antizipierte, konnte er gerade dadurch eine Verbesserung seines Ergebnisses erzielen, daß er sich selbst an die getroffene Absprache hielt. Die spezifische Ausgestaltung der Spielregeln des Matrix-Spiels macht einen außerordentlich bedeutsamen Themenkomplex der experimentellen Untersuchung zugänglich: Fragen nach der Bereitschaft zur Kooperation «ohne Zwang», nach dem gegenseitigen Vertrauen in Konfliktsituationen und nach der Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit der beteiligten Konfliktparteien charakterisieren Problemfelder, die in allen Bereichen sozialer Interaktion persistieren. Möglicherweise ist die hier vorgeschlagene Versuchsanordnung besser als bisher eingesetzte experimentelle Konfliktsituationen (etwa das «Prisoner's-Dilemma-Spiel»; vgl. hierzu K R I V O H LAVY, 1 9 7 4 ) geeignet, Antworten auf diese dringlichen Fragen zu finden. Dies vor allem dann, wenn über die bloße Betrachtung der erzielten Einigungen und Ergebnisse hinaus zusätzliche Informationsquellen (zum Beispiel die Ergebnisse von Nachbefragungen oder die Tonbandaufzeichnungen der Verhandlungen) stärker als bislang genutzt und den bei den Versuchspersonen ablaufenden kognitiven Prozessen wesentlich mehr Aufmerksamkeit als bisher geschenkt wird. In diese Richtung zielende methodische Entwicklungsarbeiten sind im Gange, sie werden künftig noch forciert werden ( H E N S S & M O M P E R , 1 9 8 5 ; TACK, in Vorb.).
Für Weiterentwicklungen der spieltheoretischen Lösungskonzepte sind vor allem die beobachteten Zusammenhänge zwischen den strukturellen Merkmalen der Konfliktsituationen und den gewählten Koalitionsstrukturen richtungsweisend. So mag auf den ersten Blick das Zusammentreffen von Nicht-Einigungen und leerem ßCore überraschen; da in diesen Fällen das y-Core stets nicht-leer war, hätte hier jeweils die mit einer Nicht-Einigung verbundene Unsicherheit dadurch umgangen werden können, daß eine Koalition die aktive Rolle übernimmt und die Opposition im Sinne des y-Konzeptes zur Entscheidung zwingt. Schaut man sich aber die beispielhaft in Abbildung l a dargestellte Konfliktsituation näher an, so wird deutlich, daß man sie etwa so cha-
39
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986,17,31-39
rakterisieren kann: «Wenn zwei sich einigen, freut sich der Dritte.» Hier ist es aufgrund externer Effekte offenbar sinnvoll, nicht die aktive Rolle zu übernehmen. Theoretische Weiterentwicklungen werden diesen Gesichtspunkt noch stärker als bislang berücksichtigen müssen (vgl. OSTMANN, 1984a). Eng damit zusammen hängt die Frage, welche Koalitionsstruktur «rational» ist. Die bisher betrachteten kooperativen Lösungskonzepte gehen ausnahmslos davon aus, daß die Große Koalition gebildet wird. Zum einen ist dies jedoch nicht immer der Fall und zum anderen ließen sich in zahlreichen Fällen zustandegekommene Große Koalitionen als «unecht» klassifizieren. Verfeinerungen der theoretischen Konzepte werden die Betrachtung von Lösungsmodellen auf (beliebige) Koalitionsstrukturen ausdehnen müssen (für den Bereich von Spielen in charakteristischer Funktion vgl. AUMANN & DREZE, 1974; SHENOY, 1979; OSTMANN, 1984b). Literatur AUMANN, R . J . , DREZE, J . H . 1974. Cooperative games with coalition structures. International Journal of Game Theory, 3, 217-237.
HENSS, R. 1985. Verhandlungsergebnisse und Koalitionsbildung in einem kooperativen Normalformspiel. Theoretische Lösungskonzepte. Zeitschrift für Sozialpsychologie, 16, 9 1 - 1 0 0 .
HENSS, R.,MOMPER, M. 1985. Neue Ansätze zur Erforschung des Verhandlungsverhaltens in experimentellen 3-Personen-Spielen (Arbeiten der Fachrichtung Psychologie Nr.97). Saarbrücken: Universität des Saarlandes. HENSS, R . , OSTMANN, A . 1 9 8 5 . V e r h a n d l u n g s e r g e b n i s s e u n d
Koalitionsbildung in einem kooperativen Normalformspiel. Empirische Befunde. Zeitschrift für Sozialpsychologie, 1 6 , 1 1 6 - 1 2 7 .
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Schmitt et al.: Personale Normen und prosoziales Handeln
Personale Normen und prosoziales Handeln: Kritische Anmerkungen und eine empirische Untersuchung zum Modell von S . H . S C H W A R T Z * M A N F R E D SCHMITT, CLAUDIA DALBERT & LEO MONTADA Universität Trier
Die vorliegende Arbeit ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Prozeßmodell prosozialen Verhaltens von SCHWARTZ (z.B. 1977). Gemessen an einigen grundlegenden Kriterien für die empirische Ü b e r p r ü f u n g theoretischer Modelle prosozialen Verhaltens m u ß die Frage, ob bisherige Untersuchungen geeignet waren, das Modell von SCHWARTZ auf eine empirische Bewährungsprobe zu stellen, verneint werden. Daten aus einer Untersuchung prosozialer Leistungen erwachsener Töchter an ihre Mutter (N = 673) stehen nicht im Einklang mit einer Kernaussage der Theorie von SCHWARTZ, bei hohen Hilfeleistungskosten moderiere die Tendenz zu Verantwortlichkeitsabwehr den Effekt personaler Normen auf Hilfehandeln. Vielmehr erweisen sich andere Variablen als bedeutsame Moderatoren der Abhängigkeit des Hilfehandelns - bzw. der Absicht hierzu - von personalen N o r m e n . Die Antizipation negativer Konsequenzen unterlassener Hilfe verstärkt, die Güte der Beziehung zwischen Hilfeempfänger und Hilfegeber und das Ausmaß der Notlage mindern den Einfluß personaler Normen auf die Absicht zur Hilfe. Entgegen den Erwartungen, die die Theorie von SCHWARTZ nahelegt, mindern Hilfeleistungskosten nicht den Einfluß personaler Normen auf prosoziale Leistungen, sondern verstärken ihn.
The validity is questioned of the process model that SCHWARTZ (e.g. 1977) has proposed to explain decisions for or against prosocial behavior. On the basis of some basic criteria for an appropriate empirical test of theoretical models, existing research on SCHWARTZ'S theory is reviewed. It is concluded that an appropriate empirical test of SCHWARTZ'S model has not yet been performed; hence, its validity is open to question. Data f r o m a study on prosocial behavior of adult daughters towards their mothers (N = 673) contradict one of the central assumptions of SCHWARTZ'S model, i.e. the moderating effect of responsibility denial on the relationship between personal norms and helping. Instead of responsibility denial, other variables were found to be significant moderators who affect the dependency on personal norms of both, prosocial behavior as well as the intention to behave prosocially. The relationship between the intention to behave prosocially and personal norms was closest when (a) negative consequences of refusing help for the person in need were anticipated, (b) the quality of the relationship between helper and person in need was poor, and (c) the degree of need was low. Contrary to what might be expected f r o m SCHWARTZ'S theory, cost of helping did not lower but even enhanced the effect of personal norms on helping.
1.
potentielle Helfer muß zunächst (a) die Notlage eines anderen als solche wahrnehmen. Dies wird er um so eher, (aL) je eindeutiger die Notlage signalisiert wird und (aj) je ausgeprägter seine Bereitschaft und Kompetenz sind, negative Konsequenzen für den Notleidenden im Falle der Nichthilfe zu antizipieren. Ferner muß er (b) erkennen, wie die Notlage zu beseitigen ist. Er muß sich (c) selbst für kompetent und (d) für verantwortlich halten, für Abhilfe zu sorgen. Je deutlicher die objektive Verantwortlichkeit auf ihm lastet, weil er (d : ) kompetent ist oder (dj) sich die Verantwortlichkeit nicht auf mehrere Personen verteilt, desto eher wird er sich verantwortlich fühlen. Sind a, b, c und d (Aktivierungsschritte) gegeben, konstruiert der potentielle Helfer für das in Frage kommende Handeln seine persönliche Norm (Verpflichtungsschritt). Diese persönliche Norm leitet sich aus seinem allgemeinen Wertsy-
Das Prozeßmodell prosozialen Handelns von SCHWARTZ und Kriterien für seine empirische Überprüfung
SCHWARTZ (1977) hat ein Prozeßmodell prosozialen Handelns konstruiert, in dessen Zentrum das Konstrukt der persönlichen (oder personalen) Normen steht. Im Unterschied zu sozialen Normen sind personale Normen keine Fremdsondern Selbsterwartungen. Ihre Erfüllung soll zu Zufriedenheit, Stolz und Selbstachtung führen, ihre Verletzung zu Schuldgefühlen und Selbstverachtung. SCHWARTZ
(1977;
SCHWARTZ
&
HOWARD,
1982) nimmt an, daß persönliche Normen nur unter mehreren Bedingungen wirksam werden. Der * Die Untersuchung wurde durch eine Sachbeihilfe der Stiftung Volkswagenwerk unterstützt.
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stem ab und konkretisiert sich situations- und handlungsspezifisch (vgl. SCHWARTZ, 1 9 7 7 ) . Verpflichtet die persönliche Norm zu Hilfe, stellt der potentielle Helfer eine Kosten-NutzenAnalyse an. Er verrechnet die antizipierten physischen, sozialen und psychischen/moralischen Kosten und Nutzen von Hilfe und Nichthilfe. Spricht die Kosten-Nutzen-Bilanz nicht deutlich für Helfen, tendiert der potentielle Helfer dazu, die aktualisierten persönlichen Normen nachträglich zu neutralisieren. Dadurch schützt er sich gegen Schuldgefühle. Personale Normen führen nach ihrer Aktualisierung also nur dann zu prosozialem Verhalten, wenn (e) dessen Kosten nicht als zu hoch eingeschätzt werden. Die Kosten-Nutzen-Bilanz hängt neben (ei) der objektiven Höhe der materiellen Kosten (und Nutzen) auch von (e^ den Zentralitäten der sozialen und personalen Normen ab, da sich aus diesen die Höhe der subjektiven (sozialen, moralischen) Handlungskonsequenzen ergibt. Außer den Kosten ist aber auch eine Personeigenschaft entscheidend dafür, ob eine personale Norm in einer prosozialen Entscheidung mündet oder nicht: (f) Je stärker die interindividuell variierende Disposition zur Abwehr von Verantwortlichkeit ausgeprägt ist, desto wahrscheinlicher kommt es nach der Normaktualisierung zu einer defensiven Neubewertung der Entscheidungslage. Dabei wird die Tendenz zu Verantwortlichkeitsabwehr um so eher wirksam, je mehr Argumente sich finden lassen, eine Entscheidung gegen Hilfe zu rechtfertigen, d.h. z. B. je ausgeglichener die Kosten-Nutzen-Bilanz ist. Personen mit ausgeprägter Tendenz zur Verantwortlichkeitsabwehr werden in diesem Fall eine Reanalyse und Umgewichtung der Kosten und Nutzen vornehmen oder die Notlage als weniger ernsthaft einschätzen oder die eigene Kompetenz oder Verantwortlichkeit als nicht gegeben betrachten. In diesen Fällen wird die zuvor konstruierte Norm hinfällig. Die Abwehr kann auch an den Normen unmittelbar ansetzen, indem sie als unangemessen eingeschätzt werden. Das Modell von SCHWARTZ ist also ein Prozeßmodell mit rekursiven Schleifen. Eine angemessene empirische Überprüfung kommt nicht ohne eine prozessuale Messung der spezifischen Variablen aus, d.h. daß beispielsweise die personalen Normen vor und nach der Kostenanalyse erfaßt werden müssen. In keiner uns bekannten Unter-
41 suchung wurde diese notwendige Verlaufsmessung vorgenommen. Der von SCHWARTZ angenommene Prozeß der Normaktivierung und (eventuellen) Normneutralisierung muß als empirisch unüberprüft gelten. Der strukturelle Kern des ScHWARTZschen Modells ist die bedingte Abhängigkeit prosozialen Handelns von prosozialen Normen. Folgende Wechselwirkungen zwischen personalen Normen, Verantwortlichkeitsabwehr, Kosten und den vier Aktivierungsschritten sind zu erwarten: Bei geringen Kosten für eine Hilfeleistung und niedriger Tendenz zu Verantwortlichkeitsabwehr wird eine deutliche Abhängigkeit der Handlungsentscheidung von personalen Normen angenommen, da weder situative noch personale Faktoren für eine Normneutralisation sprechen. Bei hohen Kosten und hoher Bereitschaft zur Abwehr von Verantwortlichkeit ist der Effekt der personalen Normen auf die Hilfsbereitschaft reduziert, da defensive Neubewertungen der Entscheidungslage wahrscheinlich werden. Dies wird um so eher der Fall sein, je mehr Argumente zur Rechtfertigung von Hilfeunterlassung verfügbar sind. Daraus folgt, daß der Einfluß personaler Normen auf die Handlungsentscheidung am niedrigsten ist, wenn die Kosten hoch sind, die Tendenz zu Verantwortlichkeitsabwehr stark ist und gleichzeitig die Aktivierungsvariablen a bis d (siehe oben) gering ausgeprägt sind. Formal ausgedrückt werden also die folgenden Interaktionseffekte dritter Ordnung erwartet: Personale Normen x Kosten x Verantwortlichkeitsabwehr x Ausmaß der Notlage bzw. ersatzweise für letzteres oder zusätzlich (d.h. additive Wechselwirkungseffekte): Verfügbarkeit von Handlungsmitteln, eigene Hilfeleistungskompetenz, eigene Verantwortlichkeit. Voraussetzung für die empirische Überprüfung dieser strukturellen Hypothesen des ScHWARTZschen Modells ist die Erfassung aller an den erwarteten Wechselwirkungen beteiligten Variablen in einer Untersuchung. Eine empirische Bewährungsprobe für ein theoretisches Modell verlangt, daß sich Differenzierungsgrad der Theorie und Auflösungsgrad der Daten entsprechen. Zwar sind sparsame Untersuchungen von Einzelphänomenen, etwa wie Hilfsbereitschaft abhängt von den experimentell nahegelegten Ursachen einer Notlage (z.B. G R U D E R , ROMER & KORTH, 1978), heuristisch fruchtbar und deshalb
42
Schmitt et al.: Personale Normen und prosoziales Handeln
nützlich im Prozeß der Theoriebildung, sie sind aber kaum brauchbar, wenn ein elaboriertes theoretisches Modell empirisch überprüft werden soll. Ergebnissen partieller Modellüberprüfungen, selbst wenn sie als Untersuchungsreihen das Modell scheinbar lückenlos abdecken, muß mißtraut werden, denn der Nachweis der bedingten Wirksamkeit einzelner Variablen bleibt auf die Menge der jeweils berücksichtigten Untersuchungsvariablen beschränkt. Nur wenn alle vom Modell spezifizierten Variablen in einer Untersuchung gleichzeitig experimentell oder statistisch kontrollierbar sind, können-Scheineffekte ausgeschlossen werden (z.B. bei korrelierten Personeigenschaften oder konfundierten Situationsmerkmalen) und Variablen, die nur in Wechselwirkung mit anderen bedeutsam sind, als solche (Moderatorvariablen) erkannt werden. Von diesem Ideal ist die gängige Forschungspraxis nicht nur im Bereich prosozialen Handelns weit entfernt. Dürfen, gemessen an diesen Überlegungen, die strukturellen Hypothesen des theoretischen Modells von SCHWARTZ als empirisch überprüft gelten? Wir meinen nein, denn uns ist keine Untersuchung von SCHWARTZ oder anderen bekannt, die die Forderung nach der simultanen Erhebung und Analyse der entscheidenden Modellkomponenten erfüllt. SCHWARTZ teilt diese Auffassung: «No Single study has tested the füll causal process represented in the complete model, but tests of connections among various parts have been reported» (SCHWARTZ & H O W A R D , 1981, p.195). Entweder wurden die personalen Normen überhaupt nicht erhoben ( z . B . SCHWARTZ, 1970; SCHWARTZ & BEN DAVID, 1 9 7 6 ; SCHWARTZ
&
1970) oder aber die relevanten Interaktionseffekte (siehe oben) wurden nicht geprüft CLAUSEN, (z.B.
SCHWARTZ,
1973;
SCHWARTZ &
FLEISH-
1978). Das liegt nicht zuletzt an der Präferenz für die experimentelle Untersuchungsmethode, die mit Zweifeln an der Erfahrbarkeit der relevanten Kognitionen durch Selbstauskünfte von Versuchspersonen begründet wird (SCHWARTZ & H O WARD, 1981). Diese Zweifel sind sicher nicht unberechtigt. Andererseits birgt der experimentelle Ansatz eine Reihe von Nachteilen für die Prüfung komplexer Modelle: (a) Die Zahl experimentell variierbarer und kontrollierbarer Fakto-
MANN,
ren ist aus praktischen Gründen sehr begrenzt; (b) experimentelle Ergebnisse sind interpretationsoffen, und die Interpretationen fußen auf Annahmen (z.B. daß die objektiv realisierten experimentellen Bedingungen von den Versuchspersonen in der intendierten Weise subjektiv rezipiert wurden), die entweder ungeprüft sind oder zu deren Überprüfung auf die angeblich vertrauensunwürdigen Selbstauskünfte der Versuchspersonen zurückgegriffen werden muß (Manipulationskontrolle über postexperimentelle Befragung), (c) Experimente zu prosozialem Handeln sind auf eine bestimmte Klasse von Notlagen beschränkt, beispielsweise auf Notlagen eines dem Helfer unbekannten Hilfebedürftigen. Ob Befunde aus solchen Experimenten gültig sind für andere Klassen von Notlagen und Hilfehandeln, etwa zwischen Bekannten, Freunden und innerhalb von Familien, ist offen. Damit ist die Frage nach der ökologischen Repräsentativität der realisierten Untersuchungsbedingungen und der externen Validität der Untersuchungsbefunde gestellt. An eine empirische Überprüfung eines theoretischen Modells darf der Anspruch erhoben werden, Erkenntnis zu liefern über die Randbedingungen, unter denen das Modell gilt bzw. über die Folgen der Veränderung von Randbedingungen für modellinterne Zusammenhänge. Randbedingungen oder Außenvariablen sind nicht anderer Art als Variablen des Modells. Außenvariablen können beispielsweise ebenso wie Modellvariablen Personeigenschaften sein. Nur wenn auch modellexterne Faktoren in einer empirischen Untersuchung variiert werden, läßt sich ausschließen, daß modellinterne Zusammenhänge Scheineffekte sind, d.h. daß sie durch modellexterne Faktoren hergestellt werden. Ebenso kann nur bei Berücksichtigung von Außenvariablen geprüft werden, ob und wie modellinterne Zusammenhänge von deren Ausprägung abhängen (Außenvariablen als Moderatorvariablen). Die Gewähr der Eigenständigkeit modellinterner Effekte und deren Robustheit gegenüber der Variation von Randbedingungen können also nur solche empirischen Untersuchungen geben, die alle modellinternen Variablen und möglichst viele der als relevant bekannten oder vermuteten Außenvariablen gleichzeitig berücksichtigen. Als problematisch ist deshalb jede empirische Überprüfung eines Modells zu bewerten, die bloß
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auf der Grundlage von Annahmen über die Irrelevanz von Außenvariablen auf deren Kontrolle verzichtet. Problematischer noch ist der Verzicht auf Außenvariablen, wenn deren Effekte auf modellinterne Zusammenhänge bekannt sind oder vermutet werden müssen (Störvariablen). Schuldantizipation, soziale Normen (Fremderwartungen an das eigene Verhalten) und Einstellungen zum gefragten Hilfehandeln korrelieren mit personalen Normen (POMAZAL & JACCARD,
1976;
SCHWARTZ,
1977;
SCHWARTZ
personale Normen x Verantwortlichkeitsabwehr - ein Herzstück des ScHWARTzschen Modells statistisch bedeutungslos. Zusammenfassend meinen wir, daß die uns bekannten empirischen Untersuchungen zum Modell von SCHWARTZ als unzureichend für einen Modelltest nach den hier gesetzten Maßstäben (simultane Erhebung aller Modellkomponenten und kritischer Außenvariablen) gelten müssen.
&
FLEISHMAN, 1 9 7 8 ; SCHWARTZ & H O W A R D , 1 9 8 5 ; Z U C K E R M A N & REIS, 1 9 7 8 ) . Sie sind deshalb potentielle Störvariablen in bezug auf das Modell von SCHWARTZ. Freilich ist die Korrelation einer Modellvariable mit einer Außenvariable weder notwendige noch hinreichende Voraussetzung, diese zur Störvariable zu erheben (auch eine mit allen Modellvariablen unkorrelierte Außenvariable kann als Moderator modellinterner Zusammenhänge Störvariable sein), aber ihre vorsorgliche Kontrolle empfiehlt sich. Das läßt sich an Untersuchungen zum Modell von SCHWARTZ demonstrieren. In den Untersuchungen von POMAZAL & J A C C A R D ( 1 9 7 6 ) , SCHWARTZ & TESSLER ( 1 9 7 2 ) , Z U C K E R M A N & REIS ( 1 9 7 8 ) erwiesen sich soziale Normen und Einstellungen über personale Normen hinaus als bedeutsame Prädiktoren des Hilfehandelns bzw. der Intention zum Hilfehandeln. In der Untersuchung von ZUCKERMAN & REIS ( 1 9 7 8 ) waren ebenso wie in einer eigenen Untersuchung (SCHMITT et al., 1 9 8 6 ) die Einstellungen den personalen Normen als Prädiktor des Hilfehandelns bzw. der Intention sogar überlegen. Wenngleich die relative Bedeutung unterschiedlicher Einflüsse auf prosoziales Handeln vermutlich von anderen Faktoren und der Art der gefragten Hilfe abhängt (vgl. auch M O N T A D A et al., in Vorbereitung; SMITHSON et al., 1 9 8 3 ) , zeigen diese Befunde, daß das normative Modell von SCHWARTZ nicht hinreicht, prosoziales Verhalten zu erklären, und daß die Bedeutung personaler Normen leicht überschätzt werden kann, wenn andere Einflußfaktoren nicht mitberücksichtigt werden.
Wie wichtig es ist, durch Kontrolle von Außenvariablen der Gefahr von modellinternen Scheineffekten zu begegnen, zeigt ein weiteres Ergebnis der Untersuchung von SCHWARTZ & TESSLER (1972): Bei Kontrolle der sozialen Normen und Einstellungen wurde der Wechselwirkungseffekt
2.
Eigener Ansatz und eigene Untersuchung
Der eigene Ansatz ist um Integration vorhandener theoretischer Ansätze und Wissensbestände in ein theoretisches Modell bemüht und um dessen simultane multivariate empirische Überprüfung (vgl. DALBERT, 1982; M O N T A D A , 1981; M O N TADA et al., in Vorbereitung; SCHMITT et al., 1986). Entsprechend groß ist die Zahl der Variablen. Neben demographischen und soziologischen Variablen, die sich als bedeutsam für die Vorhersage der von uns exemplarisch behandelten Klasse prosozialen Handelns - Leistungen er-
wachsener Töchter an ihre Mütter - erwiesen haben (vgl. SCHMITT & G E H L E , 1983), werden die wichtigsten der bekannten psychologischen Faktoren prosozialen Handelns, deren Auswahl an anderer Stelle begründet ist ( M O N T A D A et al., in Vorbereitung), berücksichtigt:
A) Merkmale des sozialen Systems, innerhalb dessen die Hilfeleistungen stattfinden: (1) Zusammenhalt (Familienklimavariable nach ENGFER et al., 1977); (2) Kontrolle (Familienklimavariable nach E N G F E R et al., 1977); (3) Beziehungsgüte (Familienklimavariable nach K R E U ZER & M O N T A D A , 1983).
B) Nicht-gegenstandsspezifische
Merkmale
des potentiellen Helfers: (1) Empathie; (2) Verantwortlichkeitsabwehr; (3) von personalen und sozialen Hilfeleistungsnormen unabhängige (= übergeordnete) Zielsetzungen (Reziprozität, Dankbarkeit, Beziehungspflege, utilitaristische Hilfemotive).
C) Gegenstandsspezifische, aber nicht-situationsspezifische Merkmale des potentiellen Helfers: (1) Einstellung zum gefragten Hilfeleistungstyp; (2) entsprechende Leistungen in der Vergangenheit.
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D) Gegenstandsund situationsspezifische Variablen ( - spezifische mutmaßlich handlungsleitende Kognitionen des potentiellen Helfers): (1) personale Normen; (2) perzipierte Stärke der Notlage; (3) antizipierte negative Konsequenzen der Notlage für den Hilfsbedürftigen; (4) wahrgenommene Selbstverschuldung der Notlage; (5) wahrgenommene Hilfeleistungskompetenzen des potentiellen Helfers; (6) antizipierte Hilfeleistungskosten für den potentiellen Helfer; (7) eingeschätzte Berechtigung des Hilfsbedürfnisses; (8) Antizipation sozialer Sanktionen durch den Hilfsbedürftigen; (9) Antizipation sozialer Sanktionen durch signifikante Bezugspersonen des potentiellen Helfers; (10) Antizipation von Schuldgefühlen. Von all diesen Variablen ist bekannt, daß sie Hilfehandeln vermittelt und/oder direkt beein-
meinden im Umkreis von Trier), (b) Lebensalter (Geburtsjahrgänge Kohorte 1:1957-1962; Kohorte 2:1947-1952; Kohorte 3: 1929-1934), (c) Familienstand (alleinstehend; verheiratet oder mit Partner zusammenlebend). Die älteste Kohorte ist mit insgesamt 74 Probandinnen deutlich unterrepräsentiert, was sich u.a. daraus erklärt, daß die Mütter hier vielfach bereits verstorben sind. Die Stichprobe weist einen größeren Anteil von Probandinnen mit höherer Bildung auf: H a u p t schule oder Hauptschulabschluß (n = 252); Realschule oder mittlere Reife (n = 183); Abitur, Hochschule oder Hochschulabschluß (n = 237); keine Angabe (n = 1).
f l u s s e n ( v g l . z . B . BAR-TAL, 1 9 7 6 ; BIERHOFF, 1 9 8 0 ; KREBS, 1 9 7 0 ; PLATZKOESTER, 1 9 8 2 ; STAUB, 1 9 7 8 ,
1980). Von vielen ist aber nicht bekannt, ob und wie sie mit anderen wechselwirken bzw. wie groß ihre eigenständige Wirkung ist. Erst ihre gemeinsame Erhebung in einer Untersuchung bietet die Chance einer Antwort auf diese beiden offenen Fragen. Auch das Modell von SCHWARTZ läßt sich mit diesen Variablen prüfen, da sowohl die Kernvariablen des ScHWARTZschen Modells (siehe oben) als auch in diesem Modell nicht berücksichtigte Variablen erhoben wurden. Gleichzeitig lassen sich alternative Modelle der bedingten Abhängigkeit prosozialen Handelns von personalen Normen überprüfen und mit dem Modell von SCHWARTZ v e r g l e i c h e n .
Die Planung der Untersuchung, die Rekrutierung der Stichprobe, die Konstruktion der Erhebungsinstrumente sowie die Untersuchungsdurchführung sind in Projekt berichten umfassend dokumentiert (insbesondere: SCHMITT et al., 1982). Gleiches gilt auch für die Analyse der statistischen Eigenschaften der eingesetzten Erhebungsinstrumente (SCHMITT et al., 1983). Hier werden nur die nötigsten Informationen gegeben.
2.1
Stichprobe
Eine Zufallsstichprobe von 673 erwachsenen Frauen wurde aus einer nach drei Variablen stratifizierten Population gewonnen : (a) geographische Region (Stadt Trier; ländliche Ge-
2.2 Erhebungsinstrumente
und
-modalitäten
Wegen der oben genannten Grenzen des experimentellen Ansatzes wurden alle Daten als Selbstauskünfte der Probandinnen mittels Fragebögen erhoben. Mit Ausnahme der Instrumente zur Erfassung der Familienklimavariablen, die in leicht m o d i f i z i e r t e r F o r m v o n ENGFER et al. (1977) ü b e r n o m m e n
wurden, sowie der Skala zur Erfassung sozialer Erwünschtheit (LÜCK & TIMAEUS, 1969) wurden die Instrumente zur Erfassung aller oben genannten Variablen sowie zweier Kriterien (Absicht zu einer prosozialen Leistung f ü r die Mutter, Ausführung dieser Leistung) selbst konstruiert. Kernstück der Untersuchung ist eine Liste von 34 potentiellen Bedürfnissen oder Wünschen einer Mutter gegenüber ihrer erwachsenen Tochter. Diese Liste enthält ganz unterschiedliche Arten von Wünschen und Bedürfnissen, etwa nach Kontakt, nach praktischen und psychologischen Hilfen sowie nach Akzeptanz von Wertungen der Mutter. Um maximale Zentralität der Thematik f ü r die Probandinnen zu gewährleisten, wurden sie zur individuellen Auswahl derjenigen fünf Bedürfnisse und Wünsche ihrer Mutter aufgefordert, die für diese im Untersuchungszeitraum aus der Sicht der Tochter besonders zentral waren. Alle oben unter C) und D) genannten Variablen sowie die beiden Kriterien beziehen sich auf diese individuell ausgewählten Bedürfnisse. Die unter A) und B) genannten Variablen sind nicht auf spezifische Bedürfnisse der eigenen Mutter bezogen, sondern geben allgemeinere Aspekte der Tochter-Mutter-Beziehung (z.B. Beziehungsgüte) oder als stabil gedachte Personmerkmale wieder, welche entweder gänzlich unspezifisch (Empathie) oder auf alte Menschen und deren Bedürfnisse eingeschränkt (Verantwortlichkeitsabwehr) oder auch auf die eigene Mutter (übergeordnete Zielsetzungen) spezifisch konzipiert sind, nicht aber auf ein konkretes Bedürfnis der eigenen Mutter. Die Skala zur Erfassung der Verantwortlichkeitsabwehr (VA) beispielsweise besteht aus zwölf Items, die sich faktorenanalytisch in zwei Subskalen trennen lassen. VA1 enthält acht Items, in denen Bedürfnisse alter Menschen bagatellisiert werden («Häufig versuchen alte Menschen mit ihren Problemen davon abzulenken, wie gut es ihnen eigentlich geht.»). VA2 besteht aus vier Items, die die Verfügbarkeit von Mitteln zur Hilfe für alte Menschen auf staatliche und karitative Institutionen und Organisationen beschränkt, und dadurch erwachsene Kinder von Verantwortung für ihre Eltern entlastet («Es ist nicht ganz einzusehen, daß Kinder sich um ihre alten Eltern kümmern sollen, der Staat kann das besser.»). Man beachte, daß diese Operationalisierung von der, die SCHWARTZ (1968) vorgeschlagen hat, abweicht. Die hier gewählte Ope-
45
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rationalisierung
ist
gegenstandsspezifischer
als
die
von
SCHWARTZ, enthält aber die von SCHWARTZ angenommenen Strategien der Verantwortlichkeitsabwehr (vgl. auch DALBERTet al., 1985). A l s Beispiel für bedürfnisspezifisch operationalisierte Prädiktoren seien die personalen N o r m e n ( P N ) genannt. Sie werden als Erleben einer Verpflichtung erhoben. Hat eine Probandin beispielsweise das Bedürfnis ihrer Mutter nach regelmäßigen Besuchen durch die Tochter ausgewählt, lautet das Item zur Erfassung der auf die Erfüllung dieses Bedürfnisses bezogenen personalen N o r m der Tochter: «Prinzipiell fühle ich mich verpflichtet, meine Mutter regelmäßig zu besuchen . » I n vergleichbarer Weise wurden auch die restlichen auf die ausgewählten Bedürfnisse bezogenen Variablen und die beiden Kriterien operationalisiert. Die Absichtsoperationalisierung ( A ) lautete: « I c h will dem Bedürfnis oder Wunsch meiner Mutter, regelmäßig von mir besucht zu werden, (voll und ganz/.../überhaupt nicht) n a c h k o m m e n . » In der Instruktion zur Beantwortung dieser Items wurde Absicht auf « i n nächster Z e i t » bezogen. Die Realisierung der Absicht, also die Handlungsausführung ( H ) wurde zum darauffolgenden Untersuchungszeitpunkt, ungefähr drei Wochen später, erfragt: « I c h bin dem Bedürfnis oder Wunsch meiner Mutter, von mir besucht zu werden, (voll und ganz/.../überhaupt nicht) n a c h g e k o m m e n . » In der Instruktion wurde als zeitlicher Rahmen für diese Selbsteinschätzung die Zeit seit dem letzten Untersuchungszeitpunkt festgesetzt. Die Antworten auf die Items aller Fragebögen wurden als Einschätzungen auf sechsstufigen Skalen erhoben. Wegen der Fülle des Untersuchungsmaterials und um die Informationen möglichst analog zu dem unterstellten «natürlichen» Ablauf von Handlungsentscheidungen zu erheben, wurde die Datenerhebung auf sechs Meßzeitpunkte verteilt, zwischen denen jeweils drei bis vier Wochen lagen; sie fand zwischen September 1982 und Januar 1983 statt und wurde postalisch durchgeführt.
2.3 Überprüfung der strukturellen Kernthese von
Die multiple Regressionsanalyse wurde mit Skalenwerten gerechnet, d . h . die bedürfnisspezifisch gemessenen Variablen (BS, F M , P N , K O und beide Kriterien A und H ) wurden über die f ü n f Bedürfnisse aggregiert. Verantwortlichkeitsabwehr ging entweder als Gesamtskalenwert ( V A ) oder als Teilskalenwert ( V A 1 , V A 2 ) in die Analyse ein; es wurde für jede der drei VA-Skalen eine eigene Analyse gerechnet. Die internen K o n sistenzen (Cronbachs A l p h a ) der Skalen waren größtenteils befriedigend (BS (.88); F M (.84); P N (.76); K O (.93); A (.85); H (.83); V A (.81); V A 1 (.82); V A 2 (.55)), so daß die Aggregierung sinnvoll erschien. In die Analyse gingen neben allen H a u p t e f f e k ten alle Interaktionen bis zur Interaktion höchster Ordnung ein (BS x F M x P N x K O x V A / V A 1 / V A 2 ) . Die Interaktionseffekte wurden nach dem bei COHEN (1978, vgl. auch DALBERT & SCHMITT, 1986) beschriebenen Vorgehen geprüft. Keiner der bei Gültigkeit des ScHWARTzschen Modells zu erwartenden Wechselwirkungseffekte ( P N x K O x V A / V A 1 / V A 2 ; BS x P N x K O x VA/VA1/VA2; F M x P N x K O x VA/VA1/VA2; BS x F M x P N x K O x V A / V A 1 / V A 2 ) wurde signifikant. Damit konnte die ScHWARTZsche H y pothese v o n der bedingten Wirksamkeit personaler N o r m e n in dieser Untersuchung keine Bestätigung erfahren.
2.4 Ein alternatives Modell der bedingten Wirksamkeit personaler Normen
SCHWARTZ
Zur Prüfung der von SCHWARTZ angenommenen bedingten Wirksamkeit personaler N o r m e n wurden die additiven und Wechselwirkungseffekte folgender Variablen auf die beiden Kriterien A b sicht und Handlungsausführung bei Konstant-
haltung aller anderen als bedeutsam bekannten Untersuchungsvariablen (vgl. SCHMITT et al., 1986) mittels multipler Regressionsanalyse auf statistische Bedeutsamkeit getestet: Bedürfnisstärke ( B S ) und Hilfeleistungskompetenz im Sinne von Fähigkeiten und Möglichkeiten zur H i l f e ( F M ) als notwendige Voraussetzungen der A k t i vierung einer Hilfeverpflichtung; Personale N o r men ( P N ) ; Bilanz der antizipierten Kosten der Hilfeleistung ( K O ) ; Verantwortlichkeitsabwehr (VA/VA1/VA2).
Aus diesem Ergebnis darf nicht der Schluß gezogen werden, daß der E f f e k t personaler N o r m e n auf Hilfehandeln nicht von anderen Faktoren moderiert werde. Vielmehr konnten wir in einer umfassenden Interaktionsanalyse unserer Untersuchungsvariablen mehrere Moderatoren des E f fektes personaler N o r m e n identifizieren. Je nachdem, o b das Kriterium die Absicht ( A ) zu einer prosozialen Leistung ist oder deren Ausführung ( H ) , wird der Einfluß der personalen N o r men aber v o n anderen Variablen moderiert. Die Absicht zu prosozialen Leistungen an die Mutter ( A ) ist eine Funktion der wahrgenommenen Berechtigung des jeweiligen Bedürfnisses ( B B ; A l p h a = .81), der Fähigkeiten und M ö g l i c h keiten zur H i l f e ( F M ) - also der Hilfeleistungskompetenz - , der Einstellung zu der erwarteten
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Schmitt et al.: Personale Normen und prosoziales Handeln
Leistung (EI; Alpha = .73), der antizipierten Schuldgefühle nach unterlassener Hilfe (SA; Alpha = .88), der personalen Normen (PN), sowie dreier Variablen, die den Einfluß der personalen Normen additiv moderieren: Beziehungsgüte (BG; Alpha = .93), Stärke des Bedürfnisses der Mutter (BS; Alpha = .88) und der antizipierten Beeinträchtigung der Mutter, sofern ihr Wunsch oder Bedürfnis offen bleibt (BM; Alpha = .85). Zu diesem Regressionsmodell mit vier Haupteffekten (BB, FM, EI, SA) und drei Wechselwirkungseffekten (PN X BG, PN x BS, PN X BM) konvergierten schrittweise Modellerweiterungen um bedeutsame Terme (p = .01) und schrittweise Elimination insignifikanter Terme. Das Modell klärt 68% der Varianz des Kriteriums auf. Keine der restlichen Untersuchungsvariablen, Interaktionen dieser untereinander oder mit den im Modell enthaltenen Termen und keine Interaktion höherer Ordnung zwischen diesen Modellkomponenten trägt zusätzlich signifikant ( p < .01) zur Vorhersage der Absicht zu prosozialen Leistungen bei. Das Modell ist robust gegenüber der Variation der übrigen Untersuchungsvariablen. Die folgende unstandardisierte Modellgleichung veranschaulicht Stärke und Richtung der einzelnen Effekte (vgl. DALBERT & SCHMITT, 1986).
ver Konsequenzen unterlassener Hilfe für den Bedürftigen scheint also eine Voraussetzung für die Wirksamkeit personaler Normen zu sein. In entgegengesetzter Richtung wirken die beiden Moderatoren BG und BS. Je besser die Beziehung zwischen Tochter und Mutter und/oder je stärker ausgeprägt ihr Bedürfnis oder Wunsch an die Tochter, desto bedeutungsloser (bei Konstanthaltung aller anderen Variablen) werden personale Normen als Prädiktor der Absicht zu prosozialen Leistungen. Die Prägnanz einer Notlage bzw. die Qualität der Beziehung zwischen Hilfesuchendem und potentiellem Helfer scheinen also die Bedeutung personaler Normen für die Bildung der Absicht zu prosozialen Leistungen zu reduzieren. Sind diese alternativen Hilfemotive aber nicht gegeben, hängt die Absicht stark von den personalen Normen ab. Welches Prognosemodell ist dem Kriterium Handlungsausführung (H) angemessen? Es überrascht nicht, daß die Absicht der beste Einzelprädiktor der Handlungsausführung ist (vgl. auch POMAZAL & JACCARD, 1976; ZUCKERMAN & REIS, 1978). Als zweitbester Prädiktor erweist sich die Häufigkeit, mit der die Tochter die gleiche Leistung in der Vergangenheit erbracht hat (VE für Verhaltenserfahrung; Alpha=.71). Auch die Fähigkeiten und Möglichkeiten zur Hilfe (FM) erweisen sich als bedeutsamer Prädiktor, d.h. neben ihrem indirekten Effekt über die Absicht leisten sie einen unmittelbaren Beitrag zur Vorhersage der Handlungsausführung (H). Allerdings wird dieser Effekt durch die Einstellungen (EI) moderiert: Je positiver die Einstellung, desto stärker der Effekt von FM auf H (vgl. die Modellgleichung unten). Auch der Effekt der personalen Normen (PN) hängt von der Ausprägung eines anderen Faktors der Hilfeleistung ab, den antizipierten Hilfeleistungskosten (KO; Alpha = .93). Je höher die antizipierten Kosten der Hilfeleistung sind, desto deutlicher hängt die Ausführung einer prosozialen Leistung von den personalen Normen ab. Das akzeptierte Regressionsmodell wurde analog dem zur Vorhersage der Absicht explorativ entwickelt. Alle Effekte sind auf dem 1%-Niveau statistisch bedeutsam, keine weitere Untersuchungsvariable erklärt additiv oder multiplikativ einen zusätzlichen signifikanten Varianzanteil des Kriteriums, so daß auch dieses Modell als robust gegenüber der Variation aller restlichen Untersuchungsvariablen
E(A | BB, FM, EI, SA, PN, BG, BS, BM) = .23 + .29 BB + .22 FM + . 18 EI + .14 SA - .16 BG .17 BS + .18 BM + (.008 + .09 BG + .06 BS .09 BM) PN Zur Interpretation dieser Gleichung ist zu wissen, daß alle Skalen einen Wertebereich von 1 (höchste Merkmalsausprägung) bis 6 (niedrigste Merkmalsausprägung) haben. Die Absicht zu prosozialen Leistungen steigt mit der eingeschätzten Berechtigung eines Bedürfnisses, mit den Kompetenzen für diese Leistung, mit den Einstellungen ihnen gegenüber, mit den antizipierten Schuldgefühlen infolge unterlassener Hilfe und mit den personalen Normen, wobei deren Effekt eine Funktion der drei Moderatoren BG, BS und BM ist. Je mehr eine Beeinträchtigung der Mutter (= negative Konsequenzen) bei Offenbleiben eines Bedürfnisses antizipiert wird, desto stärker hängt (bei Konstanthaltung der anderen Variablen) die Absicht zu prosozialen Leistungen von personalen Normen ab. Die Antizipation negati-
47
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986,17,40-49
ist. Es klärt 49% der Kriteriumsvarianz auf. Die unstandardisierte Modellgleichung lautet:
3.
E(H | A, VE, FM, EI, PN, KO) = - 1.13 + .52 A + .33 VE + .21 EI + .18 KO + (.51 - .13 EI) FM + (.54 - .11 KO) PN
Die Ergebnisse unserer Untersuchung widersprechen in zwei Punkten der Theorie von SCHWARTZ : (1) Das ScHWARTzsche Modell erwies sich als ergänzungsbedürftig, denn mehrere Variablen, die in diesem Modell nicht enthalten sind, leisten einen bedeutsamen eigenständigen Beitrag zur Erklärung der Absicht zu prosozialen Handlungen bzw. zur Erklärung von deren Ausführung. (2) Die gefundenen Bedingungen der Wirksamkeit personaler Normen sind gänzlich andere als die, welche SCHWARTZ annimmt. Die Gültigkeit des Modells von SCHWARTZ zur Erklärung prosozialen Handelns erscheint also fraglich. Zwei Einschränkungen dieser Schlußfolgerung sind geboten. Zum einen wurde auch in dieser Untersuchung nur der strukturelle Teil, nicht jedoch die dynamische Komponente des Modells von SCHWARTZ untersucht. Allerdings erscheint es schwierig, eine dem angenommenen Entscheidungsprozeß, der in Geschwindigkeit und Zahl der Reevaluationsschritte interindividuell höchst unterschiedlich ablaufen mag, analoge Diagnostik zu realisieren, auch deshalb, weil eine solche Messung nur reaktiv angelegt sein kann und dadurch den Entscheidungsprozeß selbst vermutlich nachhaltig beeinflußt. Eine zweite Einschränkung betrifft die Klasse prosozialen Handelns. Inwieweit das hier untersuchte prosoziale Handeln erwachsener Töchter ihren Müttern gegenüber repräsentativ ist für die Klasse prosozialen Handelns, für die das ScHWARTzsche Modell Gültigkeit beanspruchen will, ist eine offene Frage. Insofern können keine Aussagen über die Randbedingung «Art der gefragten prosozialen Leistung» gemacht werden. Es gibt Hinweise in unseren Daten, die es ratsam erscheinen lassen, diese Frage ernst zu nehmen: Die beiden oben als gültig akzeptierten Modelle zur Erklärung der Absicht zu prosozialem Handeln und zur Erklärung von dessen Ausführung beruhen auf einem breiten Querschnitt von Bedürfnissen und einer Personstichprobe mit beträchtlicher Altersvarianz. Bedürfnisspezifische und altersspezifische Analysen zeigen, daß eine Generalisierung der Modelle über alle Bedürfnisse und alle Altersstufen unzulässig ist, wenn auch die erforderlichen Einschränkungen nur vergleichsweise selten, d.h. bei wenigen Bedürfnissen und lediglich bezüglich einiger weniger Modellkomponenten
Die Skalenwerte reichen wiederum von 1 (höchste) bis 6 (niedrigste Merkmalsausprägung). Das Ausmaß prosozialer Leistungen steigt mit der Absicht, diese auszuführen und mit der Häufigkeit gleicher Leistungen in der Vergangenheit. Bei positiver Einstellung begünstigen Fähigkeiten und Möglichkeiten zu einer prosozialen Leistung deren Erbringung. Auf diesen Wechselwirkungseffekt weisen auch POMAZAL & JACCARD (1976) hin. Schließlich hängt das Ausmaß prosozialer Leistungen von personalen Normen ab und zwar um so mehr, je höher die antizipierten Kosten der Leistung sind. Dieser letztgenannte Befund ist dem ScHWARTZschen Modell genau entgegengesetzt. Die hier berichteten Untersuchungsergebnisse legen die Hypothese nahe, daß Faktoren, die einer prosozialen Leistung entgegenstehen (hier Kosten), die Bedeutung personaler Normen nicht mindern sondern verstärken. Zu dieser Interpretation passen auch die Moderatoreffekte von Beziehungsgüte und Bedürfnisstärke bei der Vorhersage der Absicht zu einer prosozialen Leistung: Je mehr gute Gründe für eine solche Leistung bestehen, desto weniger gründet sich der Vorsatz, diese zu erbringen, auf personale Normen. Dieser Befund, daß personale Normen besonders dann einen starken Einfluß auf die Entscheidung für oder gegen eine prosoziale Leistung an die eigenen Eltern haben, wenn keine anderen Faktoren dafür oder sogar Gründe dagegen sprechen, steht im Einklang mit einem Ergebnis der Untersuchung von ADAMS ( 1 9 6 8 ) . Seine Versuchspersonen (ebenfalls erwachsene Kinder) gaben wesentlich häufiger Verpflichtung (Obligation) als Begründung für Kontakt mit den eigenen Eltern an, wenn sie zu diesen ein distanziertes Verhältnis hatten, als wenn sie sich ihnen nahe und verbunden fühlten.
Diskussion und Ausblick
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Schmitt et al.: Personale Normen und prosoziales Handeln
vorgenommen werden müssen. Beispielsweise erweist sich die wahrgenommene Selbstverschuldung des Bedürfnisses nur in der jüngsten Kohorte als signifikanter Prädiktor der Absicht zu prosozialen Leistungen an die Mutter. In den beiden anderen Kohorten ist diese Bewertung offenbar kein relevantes Entscheidungsargument. Für die jüngste Kohorte müßte also das Modell zur Erklärung der Absichtsbildung um diesen Faktor ergänzt werden. Dieser Befund der teilweise eingeschränkten Gültigkeit der Modelle zur Erklärung der Absicht zu prosozialen Leistungen und zur Erklärung deren Ausführung wird an anderer Stelle ausführlich erörtert (MONTADA et al., in Vorbereitung). Er unterstreicht die hier vertretene Auffassung, daß eine empirische Überprüfung eines theoretischen Modells mindestens den Differenzierungsgrad der Theorie erreichen, besser übersteigen sollte.
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Schünemann: Fehlerreduktion im richterlichen Handeln
Diskussion Fehlerreduktion im richterlichen Handeln durch «Programmierte Unterweisung»? Bemerkungen zum Aufsatz von HAISCH* aus juristischer Sicht B E R N D SCHÜNEMANN Universität Mannheim
Die von HAISCH in der Zeitschrift für Sozialpsychologie (1984, p.269ff.) vorgestellte «Programmierte Unterweisung» zur Fehlerreduktion im richterlichen Handeln durch Verweisung auf eine Falsifikations-Strategie wird aus juristischer Sicht analysiert und vor allem unter drei Aspekten kritisiert: Das Falsifikations-Konzept des Kritischen Rationalismus läßt sich auf (straf-)richterliche Entscheidungen deshalb nicht übertragen, weil erstens die Gesetze und die Gesetzesanwendung in der präskriptiven Sprache formuliert werden (während bei der Rekonstruktion des unter das Gesetz zu subsumierenden historischen Sachverhalts - also eines Basissatzes - empirische Gesetzmäßigkeiten nicht Ziel, sondern Mittel der Erkenntnis sind) und weil zweitens der Richter im Zweifel für den Angeklagten entscheiden m u ß («in dubio pro reo»), so daß auch noch so viele gescheiterte Falsifikationstests keine Verurteilung zu begründen vermögen. In psychologischer Hinsicht würden sie aber die Gefahr bergen, daß die systematische Überschätzung von Wahrscheinlichkeiten als plausible richtertypische Konstante der Informationsverzerrung noch verstärkt wird. Auch die Ergebnisse von HAISCHS Experiment sprechen nicht d a f ü r , d a ß die «Programmierte Unterweisung» jene systematische Informationsverzerrung zu korrigieren vermag, die im Strafverfahren aufgrund des Inertia- und des Schulterschluß-Effektes in Form einer subjektiven und objektiven Urteilsperseveranz in Erscheinung tritt. Trotz dieser Kritik ist HAISCHS Pionierleistung jedoch zu begrüßen und durch weitere Forschungen f o r t z u f ü h r e n .
I.
D e n Ausgangspunkt von HAISCH, daß ein Be-
dürfnis zur Fehlerreduktion im richterlichen Handeln besteht, wird man als Rechtswissenschaftler vorbehaltlos teilen, zumal wenn man sich aufgrund eigener empirischer Untersuchungen davon überzeugt hat, daß die von HAISCH * In: Zeitschrift f ü r Sozialpsychologie 1984, p . 2 6 9 f f .
HAISCH'S concept of the «Programmed Instruction» to reduce sources of error in judicial behavior by referring to a falsification strategy is analyzed f r o m a juristic point of view and mainly criticised under three aspects: The falsification concept of the critical rationalism theory is not adaptable to judicial decisions. On the one h a n d , laws and applications of laws are defined in prescriptive sentences and on the other hand empirical rules are not understood as goals but as instruments of finding the necessary facts in order to reconstruct the historical circumstances which have to be subsumed under the law. Moreover, the judge has to give the accused the benefit of the doubt («in dubio pro reo»). For this reason a good deal of failed falsification tests may not be able to give reason to a condemnation. With regard to psychological aspects these falsification tests may imply the risk of increasing systematic overestimation of probabilities as a plausible way of information distortion by judges. T h e results of HAISCH'S experiment give no clue to the assumption that the systematic information distortion can be corrected by his concept of «Programmed Instruction». This information distortion appearing in criminal procedure is based on the «Inertia-Effect» and the «SchulterschluB-Effekt» (which means that the judge is solidary with the decisions of the public prosecutor) in form of subjective and objective judgement perseverance. In spite of this criticism HAISCH has done commendable pioneer work which should be continued.
thematisierte «Urteilsperseveranz» für das deutsche Strafverfahren typisch ist und hier zu einer systematischen Verzerrung der Informationsverarbeitung führt1. Da die nach dem Urteil aller Ex1 Vgl. dazu S C H Ü N E M A N N , in Kerrter-Kury-Sessar, Deutsche Forschungen zur Kriminalitätsentstehung und Kriminalitätskontrolle (Bd.6 der «Interdisziplinären Beiträge zur kriminologischen Forschung» des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen e.V.), K ö l n / B e r l i n / B o n n / München 1983, 1109ff. m . z . w . N . ; ausführlicher als: SCHÜ-
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1 9 8 6 , 1 7 , 5 0 - 5 4
perten erforderliche Reform der für die Urteilsperseveranz zumindest mitverantwortlichen Prozeßstruktur2 aus politischen Gründen in absehbarer Zeit kaum zu erwarten ist, könnte die sozialtechnologische Substitution dieses Handlungsbedarfs eine pragmatisch vernünftige Lösung darstellen, falls dadurch ein spürbarer Optimierungseffekt erreicht werden kann. HAISCHS Konzept, im Anschluß an seine zahlreichen empirischen Untersuchungen zur Erklärung des strafrichterlichen Handelns ein solches Optimierungsmodell zu entwickeln und zu testen, stellt deshalb eine verdienstliche Pionierleistung dar, auch wenn gegenüber seinen inhaltlichen Vorschlägen, wie nachfolgend dargelegt werden soll, Skepsis angebracht erscheint. 1. Grundidee, das Verifikations-Modell des Strafverfahrens durch eine aus der Wissenschaftstheorie des kritischen Rationalismus abgeleitete Falsifikations-Strategie zu ersetzen, ist nicht nur in epistemologischer Hinsicht bedenklich (s.u. a)), sondern vor allem auch mit dem formellen normativen Programm des Strafverfahrens nicht zu vereinbaren (s.u. b)). HAISCHS
a) Die Grundidee des kritischen Rationalismus, daß Gesetzeshypothesen niemals verifiziert, sondern nur Falsifikationsversuchen unterworfen und je nach der Anzahl der gescheiterten Falsifikationsversuche als mehr oder weniger gut bestätigt be-
NEMANN et al.: Experimentelle Untersuchungen zur Reform der Hauptverhandlung in Strafsachen. Forschungsbericht aus dem Sonderforschungsbereich 24, Mannheim 1983; ferner BANDILLA et al.: Informationsverzerrung in der Hauptverhandlung des deutschen Strafverfahrens in Abhängigkeit von Vorinformationen. Bericht aus dem Sonderforschungsbereich 24, Mannheim 1983. 2
Vgl. etwa ROXIN, in: Lüttger (Hrsg.): Probleme der Strafprozeßreform. Berlin/New York 1975, 5 2 f f . ; ders., in: Festschrift für Schmidt-Leichner. München 1977, 145ff.; SCHÖCH, Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht 1981, 2 9 3 f f . , 3 0 9 f f . ; ders., in: Schreiber (Hrsg.): Strafprozeß und Reform. Neuwied/Darmstadt 1979, 5 2 f f . ; WEISSMANN, Die Stellung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung. Göttingen 1982; Alternativ-Entwurf Novelle zur Strafprozeßordnung, Reform der Hauptverhandlung. Tübingen 1985; SCHÜNEMANN, Goltdammer's Archiv für Strafrecht 1978, 161ff.; w . N . b . SCHÜNEMANN ( F u ß n . l ) , 1149, Fußn. 1 u. 2.
51 zeichnet werden können 3 , ist auf das Erkenntnisproblem des Gerichtsverfahrens nicht unmittelbar anwendbar, weil es hier nicht um die Bestätigung von Naturgesetzen, sondern um die Rekonstruktion eines historischen Sachverhalts (also um einen «Basissatz») geht, empirische Gesetzmäßigkeiten demnach nicht Ziel, sondern Mittel der Erkenntnis sind. HAISCHS Gedanke einer analogen Anwendung durch Explikation der Rechtsregeln in Entsprechung zur formalen Struktur empirischer Theorien (p.270) verkennt, daß die vom Richter anzuwendende Rechtsnorm in der präskriptiven Sprache, der zu verhandelnde Sachverhalt hingegen in der deskriptiven Sprache formuliert ist, so daß die Sachverhaltsfeststellung im Gerichtsverfahren ohne einen naturalistischen Fehlschluß nicht als Bestätigung oder Falsifizierung des (normativen) Gesetzes angeführt werden kann. HAISCHS zweiter empirischer Test, «die Vereinbarkeit der Rechtsfolgen mit dem praktischen Fall zu prüfen» (p.271), scheint mir deshalb ebenso an dem unübersteigbaren logischen Graben zwischen Sein und Sollen zu scheitern, wie sein dritter Test (Vergleich der bisherigen Anwendungsfälle des Gesetzes mit einer Kontrollgruppe der Nichtanwendung trotz gegebener Tatbestandsvoraussetzungen 4 ) zwar als empirische Implementationsforschung oder rechtspolitische Gesetzesschelte bedeutsam, für den auf die Gesetzesanwendung verpflichteten Richter aber irrelevant ist 5 . 3 Vgl. nur POPPER, Logik der Forschung, 4. Aufl. Tübingen 1 9 7 1 , 1 4 f . , 4 7 f f . , 198ff.; ALBERT, Traktat über kritische Vernunft, 2. Aufl. Tübingen 1 9 6 9 , 2 9 f f . POPPER selbst hat in: Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie, Tübingen 1979, p.378, die empirische Verifizierbarkeit singulärer empirischer Sätze («besonderer Wirklichkeitsaussagen»), um die es im Strafverfahren geht, für möglich erklärt, freilich auch in: Logik der Forschung, p.74, die Tatsachenfeststellung durch das Schwurgericht als Basissatz dem Theoriensystem «Strafrechtssystem» zugeordnet, was ich aus den im Text dargelegten Gründen für logisch zweifelhaft halte. 4 Wobei nur am Rande anzumerken ist, daß solche Untersuchungen allenfalls in großen kriminologischen Forschungsprojekten, nicht aber in einem einzelnen Gerichtsverfahren geleistet werden können. 5 Das von HAISCH gewählte konkrete Beispiel - § 63 StGB - führt bei dem dritten Test zudem in weitere Probleme hinein, weil die soziale Gefährlichkeit des Beschuldigten als gesetzliche Voraussetzung für seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ein theoretisches Konstrukt ohne in der Strafjustizpraxis bisher gelungene operationale Definition darstellt, so daß sich eine Kontrollgruppe (Nichtunterbringung trotz Gefährlichkeit) nicht ermitteln läßt.
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Schünemann: Fehlerreduktion im richterlichen Handeln
b) Die Falsifikations-Strategie kann infolgedessen schon aus logischen Gründen nicht auf das Strafgesetz, sondern nur auf die in der Anklageschrift behauptete Hypothese über die Existenz des historischen Sachverhalts «Tatgeschehen» angewendet werden. Unter diesem Aspekt hat sie als heuristisches Prinzip der Beweiserhebung und -Würdigung immer schon eine erhebliche Rolle gespielt, etwa wenn durch einen lückenlosen Alibi-Nachweis die Täterschaft des Angeklagten widerlegt wird. Als Modell der strafrichterlichen Tatsachenfeststellung kommt sie aber schon wegen des entgegengesetzten formellen normativen Programms nicht in Betracht, weil der Strafrichter wegen des Rechtsgrundsatzes «in dubio pro reo» (Im Zweifelsfall für den Angeklagten) nur verurteilen darf, wenn er von der Täterschaft des Angeklagten positiv überzeugt6, d. h. wenn er auf der Grundlage einer hochgradigen objektiven Wahrscheinlichkeit zu subjektiver Gewißheit gelangt ist7. Daß die Realisierung dieses Programmes unter informationstheoretischen und -psychologischen Gesichtspunkten ungeheure Schwierigkeiten bereitet, weil es für die Transformation von objektiver Wahrscheinlichkeit in subjektive Gewißheit keine rationale und kontrollierbare Methode gibt8, liegt auf der Hand, muß im Hinblick auf HAISCHS Idee aber besonders hervorgehoben werden. Denn die Hypothese über einen historischen Sachverhalt kann - anders als die Bewährung einer Gesetzeshypothese in methodischen Experimenten - auch nach noch so vielen gescheiterten Falsifikations-Versuchen nicht als praktisch gut bestätigt gelten, weil sich in beiden Fällen unter dem gleichen Terminus des Falsifikationstests etwas logisch und inhaltlich Verschiedenes verbirgt: Während die Überprüfung einer in Form einer Wenn-Dann-Beziehung formulierten Gesetzeshypothese dadurch erfolgt, daß die Situation der Wenn-Komponente im Experiment hergestellt und das Eintreten der Dann-Komponente oder deren Ausbleiben beob-
6
Heute gesetzlich geregelt in A r t . 6 A b s . 2 der Menschenrechtskonvention und § 261 Strafprozeßordnung. 7 Vgl. nur ROXIN, Strafverfahrensrecht, 1 8 . A u f l . München 1983, 7 4 m . w . N . 8 Näher dazu SCHÜNEMANN, in: Lampe (Hrsg.), Beiträge zur Rechtsanthropologie (ARSP-Beiheft 22). Wiesbaden 1985, p . 6 8 f f .
achtet wird, so daß sich also bei jedem gescheiterten Falsifikationsversuch die Gesetzeshypothese in der Anschauung bewährt, bestimmt beim Falsifikationstest im Rahmen von historischen Rekonstruktionen nicht die Hypothese selbst, sondern ihr Gegenteil das Forschungsdesign, so daß eine Nichtbestätigung der Gegenhypothese schon aus logischen Gründen keine Bewährung der Ausgangshypothese bedeutet 9 . Weil man solche wissenschaftstheoretischen Differenzierungen nun aber wiederum von Justizpraktikern nicht erwarten kann, birgt der Falsifikationstest in entscheidungspsychologischer Hinsicht die enorme Gefahr, daß der Richter sein Scheitern mit einer Bestätigung der Anklagehypothese verwechselt und dadurch jene richtertypische Konstante der Informationsverzerrung noch verstärkt, die ich in der systematischen Überschätzung von Wahrscheinlichkeiten dingfest gemacht zu haben glaube10. 2.
Daß HAISCHS billigenswertes Ziel einer sozialtechnologischen Fehlerreduktion im richterlichen Handeln durch die Einübung in Falsifikationstests erreicht werden kann, ist deshalb vom theoretischen Bezugsrahmen her zu bezweifeln, und zwar sowohl wegen der Besonderheiten des normativen richterlichen Handlungsprogrammes als auch aus wissenschaftstheoretischen und entscheidungspsychologischen Gründen. Diese theoretischen Bedenken können auch nicht durch HAISCHS empirische Ergebnisse zerstreut werden, weil bei deren Interpretation wegen gewisser Probleme seines Forschungsdesigns wie auch des von den Versuchspersonen anzuwendenden normativen Entscheidungsprogrammes eine erhebliche Zurückhaltung angebracht erscheint. a) H A I S C H geht es um die Verbesserung und damit im Experiment um die Messung der «Güte» von Entscheidungen als Ergebnis einer verzerrungs9 U m das am Alibi-Beweis zu demonstrieren: Der gelungene Alibi-Beweis widerlegt zwar die Hypothese der Täterschaft, der mißlungene Alibi-Beweis bedeutet aber kein positives Indiz für die Täterschaft, weil es beliebig viele andere Erklärungen dafür gibt, weshalb jemand seinen Aufenthaltsort zum Tatzeitpunkt nicht zweifelsfrei nachweisen kann. 10
Vgl. SCHÜNEMANN (Fußn.8), p . 8 0 .
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freien Informationsverarbeitung. Das wäre methodisch einfach, wenn jeder Entscheider bei der Nutzung aller relevanten Informationen anhand von logischen Folgerungen zu dem gleichen Ergebnis kommen müßte, wenn das benutzte Stimulus-Material also einen klaren «Wahrheitsmaßstab» enthält. Für strafprozessuale Entscheidungssituationen, die H A I S C H im Experiment nachbildet (Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens anhand der Anklageschrift nebst «weiterer Fakten und Indizien», p.272), sind dagegen erhebliche Ermessensspielräume in der Auswahl und Gewichtung von Informationen typisch, so daß es schwierig wird, Vergleichsgrößen für die Güte der Entscheidungen zu gewinnen. Die «Urteilsperseveranz», d.h. das Festhalten an einer früheren Entscheidung, belegt per se noch keine Informationsverzerrung, sondern könnte theoretisch ja auch als Bestätigung für die Richtigkeit der früheren Entscheidung gewertet werden. Voraussetzung für eine negative Akzentuierung der Urteilsperseveranz ist deshalb, daß sie eine Folge des sog. InertiaEffekts ist, d.h. der im Bezugsrahmen der Dissonanztheorie zu erklärenden, im Laborexperiment vielfältig festgestellten und von mir für den Bereich der Strafjustiz bei Experimenten unter Feldbedingungen ebenfalls bestätigt gefundenen Disposition des Entscheiders, neue Informationen, die zu einer von ihm getroffenen Vor-Entscheidung konsonant sind, systematisch zu überschätzen und dissonante Informationen systematisch abzuwerten 11 . Auf diesen Inertia-Effekt kann sich H A I S C H in seinem Versuchsdesign jedoch nicht berufen, weil seine Versuchspersonen ja keine eigenen Vor-Entscheidungen getroffen, sondern über die Anklage eines Dritten (der Staatsanwaltschaft) zu entscheiden haben, so daß der Begriff der «Urteils-Perseveranz» bei H A I S C H nicht auf den individuellen Entscheider,
sondern auf das Strafjustizsystem insgesamt bezogen wird 12 . Zwar dürfte dieses Phänomen, daß der Richter in Fällen kognitiver Unsicherheit regelmäßig die von der Staatsanwaltschaft vorgegebene Handlungsalternative übernimmt, für die Strafjustiz tatsächlich kennzeichnend sein, da noch unveröffentlichte eigene empirische Untersuchungen hierfür eindrucksvolle Belege erbracht haben und sich dieser von mir sog. «Schulterschluß-Effekt» (seil, zwischen Richter und Staatsanwalt) auch mit Hilfe der Theorie der sozialen Vergleichsprozesse gut erklären läßt 13 . Gerade für das von H A I S C H benutzte Probandenmaterial (Rechtsreferendare) ist der SchulterschlußEffekt bisher aber nicht nachgewiesen worden und auch nicht einmal plausibel, weil die ihn auslösende Disposition vermutlich erst durch berufsspezifische tertiäre Sozialisation im Justizsystem gelernt wird 14 und deshalb bei Rechtsreferendaren noch nicht ausgeprägt sein dürfte. b) Infolgedessen halte ich es für sehr schwierig, die von H A I S C H gefundenen Ergebnisse systematisch zu interpretieren und zu erklären, zumal sein Stimulus-Material auch spezifische Rechtsprobleme als intervenierende Variable aufweist. So erklärt sich etwa die von H A I S C H auf p.274 angesprochene unterschiedliche Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Delikte zwanglos durch unterschiedliche Rechtskenntnisse der Probanden, die nach dem normativen Pro-
12 HAISCH führt auf p . 2 7 5 selbst aus, daß er nicht kontrolliert habe, o b die Versuchspersonen tatsächlich die im A n k l a gesatz angegebenen Alternativen von A n b e g i n n an als Entscheidung präferierten - so daß die Urteilsperseveranz bei ihm o f f e n b a r nicht auf eine Disposition des Entscheiders zielt, sondern nur ein objektiv-äußerliches Kontinuum ausdrückt. 13
Näher dazu meine Überlegungen, a . a . O .
(Fußn.8),
p.83f.
11 Vgl. u . a . KOZIELECKI, in: Int. Congress of P s y c h o l o g y , S y m p o s i u m 25, M o s k a u 1966; PITTS/DOWNING/REINHOLD, in: Canad. Journ. Psychol. 1971, 21 f f . ; GRABITZ/HAISCH, Psychol. 1 2 4 ( 1 9 7 2 ) , 1 3 3 f f . ; zur Dissonanztheorie und zu den Voraussetzungen des Inertia-Effektes vgl. im übrigen FESTINGER, A Theory o f Cognitive Dissonance. Stanford 1957; IRLE, Lehrbuch der Sozialpsychologie. Göttingen 1975, 3 1 0 f f . , 3 5 9 f f . ; IRLE/MÖNTMANN, in: I r l e / M ö n t m a n n (Hrsg.): Festinger, Theorie der kognitiven Dissonanz. Stuttgart 1978, 285 f f . ; FREY, in: Frey (Hrsg.): Kognitive Theorien der Sozialpsychologie. Stuttgart 1978, 2 4 3 f f .
14 Interessant dürfte in diesem Z u s a m m e n h a n g auch sein, daß ich im Rahmen meiner experimentellen Strafjustizforschungen wiederholt die (für die termingerechte D u r c h f ü h rung der Forschungsprojekte sehr verdrießliche) Erfahrung machen mußte, daß Strafrichter das von mir aus der Praxis e n t n o m m e n e Stimulus-Material systematisch anders (nämlich belastender für den Beschuldigten!) bewerteten als Rechtsreferendare, so daß etwa implementierte Manipulationen zwar bei Rechtsreferendaren als im Pretest benutzten P r o b a n d e n , nicht aber bei Richtern als Versuchspersonen salient waren (vgl. näher SCHÜNEMANN et al. - F u ß n . l - , 2 1 f . , 2 5 f . ; die gleiche Erfahrung wiederholte sich bei einer Versuchsreihe im Jahre 1984).
54 gramm der §§ 206, 207 Abs.2, 264 StPO an sich alle tateinheitlich begangenen Delikte unabhängig von der Würdigung in der Anklageschrift gemeinsam abzuurteilen haben. Noch gar nicht interpretationsfähig scheint mir ferner HAISCHS Ergebnis zu sein, daß die Teilnehmer der Programmierten Unterweisung zu milderen Strafen neigen (p.274), weil zwischen der verzerrungsfreien Sachverhaltsfeststellung und dem freilich sehr vagen Strafzumessungsprogramm des § 46 StGB kein systematischer Zusammenhang besteht, wenn man nicht zu der überaus gewagten Hypothese seine Zuflucht nehmen will, daß Zweifel bei der Schuldfeststellung durch eine Milderung der verhängten Strafe kompensiert würden, daß also die seit dem 19. Jahrhundert verpönte «Verdachtsstrafe» in der Praxis fest etabliert sei (was zweifellos weiterer Erforschung würdig wäre, aber wohl selbst für eine Formulierung als Hypothese erst weiterer Absicherung bedürfte). Angesichts dieser Schwierigkeiten, die Resultate von HAISCHS Untersuchung und den Effekt der Programmierten Unterweisung zu erklären, dürfte es auch noch zu früh sein, über spezifische Wirksamkeitsvoraussetzungen nachzudenken; die unterschiedlichen Auswirkungen in den einzelnen Experimenten dürften außerdem eher auf
Schünemann: Fehlerreduktion im richterlichen Handeln
faktischen Besonderheiten des jeweils verwendeten S t i m u l u s - M a t e r i a l s als auf der v o n HAISCH
(p.275) vermuteten Abhängigkeit von bestimmten Straftatbeständen beruhen.
II. Eine kritische Betrachtung von HAISCHS Idee, zur «Fehlerreduktion im richterlichen Handeln» spezifische Sozialtechnologien zu entwickeln, macht deshalb deutlich, welche enormen theoretischen und forschungspraktischen Probleme hier noch zu bewältigen sind, bevor man alle Mängel der gegenwärtigen Informationsverarbeitung im Strafverfahren zu erklären und praktikable Abhilfestrategien zu entwerfen vermag. Wegen des schlechthin unerschöpflichen Optimierungsbedarfs der Strafrechtspflege als des schärfsten und gefährlichsten Instrumentes der sozialen Steuerung sollte das aber in der Justizforschung nicht zu Beckmesserei oder Resignation, sondern umgekehrt zum Aufgreifen der Impulse und zur Intensivierung des Dialogs zwischen Rechts- und Sozialwissenschaftlern be^ ^ nutzt werden. | J
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Literatur Rezensionen F. & C O H E N , S.P. 1 9 7 9 . Symlog. A system for the multiple level observation of groups. New York : The Free Press (Übersetzung von J . SCHNEIDER & P. ORLIK bei Klett-Cotta, Stuttgart, 1 9 8 2 erschienen).
BALES, R .
Von den Schwierigkeiten einer systematischen Gruppenbeobachtung WALDEMAR LILLI Universität Mannheim
Vorbemerkungen 1. Das Buch von BALES & C O H E N und unter Mitarbeit von WILLIAMSON, welches hier besprochen werden soll, ist bereits 1979 erschienen. Ein Leser, der sich angesichts der Schnellebigkeit der Forschung über den späten Besprechungszeitpunkt wundern mag, kann sofort beruhigt werden: Der Symlog-Ansatz wird in diesem Buch in seinen theoretischen Aspekten, seiner Methodik und vor allem seiner praktischen Anwendung dargestellt als das Ergebnis jahrzehntelanger systematischer Forschungsentwicklung zur Gruppenbeobachtung - eine Präsentation, die in geringer Gefahr steht, schnell zu veralten, zumal wir es hier mit einem der seltenen Beispiele eines theoriegeleiteten und dennoch praxisnah geschriebenen Werkes zur Gruppenpsychologie zu tun haben. SCHNEIDER & ORLIK haben 1 9 8 2 eine vorzügliche Übersetzung des Buches ins Deutsche besorgt. 2. Diese Rezension ist über weite Strecken (nur) eine inhaltliche Charakterisierung. Das ist insbesondere in dieser Zeitschrift etwas ungewöhnlich. Zwei Gründe sprechen dennoch für diese Vorgehensweise. Zum einen ist dieses Buch von einem Denksystem eigener Art geprägt, des-
sen kritische Würdigung m . E . nicht selbstevident ist. Zum zweiten ist der Symlog-Ansatz auch innerhalb der Sozialpsychologie erstaunlich wenig bekannt. Die hier nebenbei und ansatzweise versuchte Steigerung des Bekanntheitsgrades darf als eine Wertung verstanden werden.
Einführung Das Buch ist in der Tat keines der üblichen sozialwissenschaftlichen Arbeiten. Es will eine Anleitung zur praktischen Erhebung von Beobachtungsdaten bei natürlichen Kleingruppen wie Familien, Schulklassen, Arbeitsgruppen geben. Zwei Erhebungsmethoden stehen zur Verfügung, um die individuellen Eigenarten von Gruppenmitgliedern und ihren Interaktionen zu erfassen und im zentralen Bezugsrahmen, einem dreidimensionalen faktorenanalytischen Raum, gemeinsam abzubilden. Im Zentrum des Systems steht die Interaktions-Erfassungsmethode (Interaction-Scoring), die der zugrunde liegenden den entscheidenden operationalen Ausdruck verleiht. Das Buch ist in fünf Teile gegliedert. In Teil I (pp. 3 - 1 5 8 ) beschreibt BALES in knapper Form die
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Lilli: Von den Schwierigkeiten einer systematischen Gruppenbeobachtung
systematische Mehrebenen-Feld-Theorie, auf der das (symlog) basiert. Hier wird zunächst das Eigenschafts-Beurteilungs-Verfahren (adjective rating) am Beispiel detailliert veranschaulicht, eine Methode zur Messung der individuellen Wahrnehmungen von Gruppenmitgliedern. Im Teil II (pp. 161-238) stellen BALES & C O H E N die Symlog Interaktions-Erfassungs-Methode (interaction scoring) ausführlich vor, mit deren Hilfe das verbale und nonverbale beobachtbare Verhalten sowie der kommunizierte Inhalt ermittelt werden kann. Adjektiv-Rating und Interaktions-Scoring ergänzen sich insofern, als sie das Verhalten in Gruppen von verschiedenen Perspektiven aus beschreiben. Die MehrebenenFeld-Theorie soll die Daten der beiden Methoden zu integrieren erlauben als zwei unabhängige Ebenen, und die gleiche Art der Darstellung wird benutzt, um beide zu veranschaulichen. In Teil III (pp.241-299) werden die in den beiden vorausgehenden Teilen vorgestellten Methoden von C O H E N nach ihren Charakteristiken und gegenseitigen Ergänzungsfunktionen, ihren Reliabilitäten und Validitäten verglichen. Teil IV (pp. SOSS S I , BALES, C O H E N & WILLIAMSON) i s t d e m
Ge-
brauch der beiden Methoden im Feedback zu den Gruppenmitgliedern gewidmet und dem Training von Beobachtern. Teil V (pp. 355-513, BALES, mit Beiträgen von C O H E N , S W A N N & POLLEY) ist ein technischer Anhang mit detailgenauen Anweisungen für die Anwendung und Charakterisierungen beider Methoden, z.B. ihrer faktoriellen Struktur, ihrer numerischen und graphischen Darstellung, dem Gewicht der Beobachtungseinheiten und ihren Interkorrelationen, der Form der interpersonalen Matrix, den Voraussetzungen der Erstellung von Felddiagrammen und dergleichen mehr bis hin zu einem Katalog von Computer-Programmen zur Verarbeitung der Symlog-Daten. Letzterer dürfte bei der stürmischen Entwicklung auf diesem Gebiet schon überholt sein.
Ausgangslage und Hintergründe Der Senior-Autor des Buches ist seit 25 Jahren mit der Beobachtung von Interaktionen in Kleingruppen beschäftigt. Symlog, das hier vorgestellte System zur Selbst- und Fremdbeobachtung der
Wahrnehmungen von Gruppenmitgliedern und ihren Interaktionen, ist das Ergebnis der Untersuchung zahlreicher Selbstanalyse-Gruppen, die seit 1954 im Psychologischen Institut der Harvard-Universität im Rahmen von Lehrveranstaltungen zur Gruppenpsychologie wissenschaftlich begleitet wurden. Entscheidende Marksteine der Entwicklung des Symlog stellen die beiden Bücher von B A L E S , (1950) und P e r sonality and Interpersonal Behavior> (1970), dar. Dort wurden bereits eine Interaktions-Erfassungs-Methode für Beobachter und ein Rating-Verfahren für den Gebrauch durch Gruppenmitglieder entworfen und in einen dreidimensionalen faktorenanalytischen Bezugsrahmen gestellt.
Die systematische Mehrebenen-Feld-Theorie Mit der dem Symlog zugrunde liegenden Theorie wird versucht, eine Reihe von Elementen und Annahmen, die anderen sozialwissenschaftlichen Theorien entnommen sind, zu einem breiten Konzept des dynamischen Interaktionsgeschehens in Gruppen zusammenzufassen. BALES spricht es jedoch in Kapitel 1 selbst aus, was das Inhaltsverzeichnis schon deutlich macht: Das Anliegen dieses Buches ist die praktische Anwendung des Symlog, die Theorie ist noch nicht mehr als ein Bezugsrahmen mit einigen heuristischen Hypothesen. Aber die Mehrebenen-Feld-Theorie (systematic multiple level field theory) will alles andere als eine eklektische A n h ä u f u n g von Elementen aus einschlägigen psychologischen und soziologischen Theorien sein, sondern ein neu entwickeltes und integriertes Ganzes mit eigenen Beobachtungsmethoden und neuem Begriffsinventar. Sie ist eben nicht entstanden durch Synthese von Ableitungen aus anderen Theorien, sondern auf induktivem Wege, soziale Interaktionen aus der Beobachtung heraus zu verstehen und Meßinstrumente zur Erfassung der Dynamik in Gruppen und des individuellen Feedback zu entwickeln. Wesentlicher Bestandteil der Theorie ist die wechselseitige Verschränkung der individuellen Persönlichkeit der Gruppenmitglieder mit dem sozialen Feld innerhalb der Einheit von Gruppe und Situation. Um Individuum und Gruppenkonstellation gleichzeitig betrachten zu
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können, wird für beide Ebenen das identische Koordinatensystem, der dreidimensionale Symlog-Raum, bereitgestellt. Beobachtung, Messung und begriffliche Beschreibung nicht nur des individuellen Wahrnehmungsfeldes, sondern auch des sozialen Interaktionsfeldes sind danach möglich. Es kommt BALES in seiner Darstellung der Mehrebenen-Feld-Theorie darauf an, die Unterschiede zur psychoanalytischen Theorie FREUDS und zur Feldtheorie L E W I N S , aus deren Gedankengut er ganz wesentlich schöpft, herauszuarbeiten und damit die Eigenart ihrer Konstruktion zu präzisieren. Die Argumente sind im wesentlichen diese: (1) Das soziale Interaktionsfeld wird von BALES a priori operational definiert, während L E W I N von einer Abstraktion, dem Lebensraum, ausging. (2) Die Variablenmessung ist zeitbezogen, L E W I N dagegen orientierte sich am physikalischen Feldmodell und glaubte, alle wichtigen Variablen innerhalb des gegenwärtigen Feldes messen zu können. (3) Die Symlog-Theorie geht von der Existenz multipler Felder aus, in dem sie nebeneinander zu einem gegebenen Zeitpunkt (a) das individuelle Wahrnehmungsfeld, (b) das auf mehreren Ebenen stattfindende individuelle Verhalten, (c) den Interaktionsprozeß über die Zeit hinweg, (d) die Entwicklung wechselseitiger Beziehungen in der Gruppe, (e) das gesamte soziale Interaktionsfeld während eines gegebenen Zeitraums und (f) die Veränderungen des sozialen Interaktionsfeldes über die Zeit hinweg betrachtet. Demgegenüber gehen sowohl LEWIN als auch F R E U D stets vom einzelnen Individuum aus, und die Ausweitung individueller Gegebenheiten auf die miteinander in Interaktion stehenden Individuen wird nicht geleistet. (4) Weder für F R E U D noch für L E W I N ist die soziale Interaktion eine unmittelbar angetroffene Realität wie für BALES, daher konnten sie die Gleichzeitigkeit der Personenvielfalt und die Mehrstufigkeit der sozialen Interaktion nicht berücksichtigen. (5) Die Symlog-Feldtheorie ist - obwohl auf Verhaltens-Beobachtung beruhend - keine behavioristische Theorie, da sie die subjektive Sichtweise jedes Handelnden berücksichtigt; insofern ist sie phänomenologisch und auch dem symbolischen Interaktionismus verwandt, da sie die Definition der Situation jedes handelnden Individuums berücksichtigt. (6) Die Symlog-Theorie ist kasuistisch und naturalistisch; bei der Anwendung des
Systems geht es in erster Linie um die Eigenart der jeweils untersuchten konkreten Interaktionen. (7) Die Aussagefähigkeit des Symlog beruht auf der Vielfalt der in die Beobachtung eingehenden Elemente und der differenzierten Beschreibung jeder einzelnen Interaktion jedes einzelnen Individuums. Die Erfassung eines einzigen Verhaltenselements mittels der Interaktions-ScoringMethode erfordert die gleichzeitige Charakterisierung auf den Ebenen (1) der Verhaltenselemente und (2) der Vorstellungsbilder, die in der Kommunikation zutage treten, sowie (3) der Werturteile des Handelnden.
Das Mehrebenen-Beobachtungssystem Die generelle Operationalisierung der Theorie erfolgt mittels des dreidimensionalen Symlog-Raumes, der durch die Dimensionen (1) upwarddownward, d.h. Einfluß nehmend versus auf Einfluß verzichtend, (2) positive-negative, d.h. freundlich-unfreundlich, und (3) forward-backward, d.h. zielgerichtet-kontrolliert versus gefühlsbetont-ausdrucksvoll gebildet wird. Jede der Dimensionen besitzt drei Ausprägungen - die beiden Pole sowie den dazwischen liegenden Nullpunkt. Es ergeben sich 26 Beobachtungskategorien aufgrund von Richtungskombinationen (27, wenn man den Nullpunkt aller drei Dimensionen mit berücksichtigt), wobei Orthogonalität der Dimensionen unterstellt wird. Sowohl die Erhebungsdaten des AdjektivRating als auch die des Interaktions-Scoring lassen sich im Symlog-Raum darstellen und miteinander verbinden; beide Instrumente enthalten 26 Kategorien gemäß den Richtungskombinationen. Prinzipiell können beide Erhebungsmethoden von unabhängigen Beobachtern und - von den Autoren hier ganz in den Vordergrund gestellt - von Gruppenteilnehmern zu Selbstanalyse-Zwecken verwendet werden. Ohne den eminenten praktischen Wert der Gruppen-Selbstanalyse in Frage stellen zu wollen: Aber das dahinter stehende Ziel der Selbstaufklärung von Gruppenteilnehmern, die gleichzeitig Beobachter und Beobachtete sind, scheint für eine wissenschaftliche Analyse aus methodischen und theoretischen Gründen ungeeignet; datenwirksame Verzerrungen durch die Beobachter-Teilnehmer etwa in der Verfolgung egoistischer Ziele in der Gruppe
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u . a . m . ergeben ein Bündel unkontrollierbarer Einflüsse. Eine Entwicklung und Verbesserung von Symlog könnte man am ehesten erwarten, wenn trainierte Beobachter unabhängig von den zu beobachtenden Gruppen eingesetzt werden. Während der Senior-Autor BALES wohl ganz den Selbstanalyse-Gesichtspunkt im Auge hat und das Buch damit weitgehend beherrscht wird, versucht sein Mitautor C O H E N , die methodische Problematik aufzuwerfen, wobei z.B. die Reliabilitäts- und Validitätsuntersuchungen im Teil III bezeichnenderweise aufgrund gruppenunabhängiger Messungen erfolgen. Ohne ins Detail zu gehen: Die im Teil III präsentierten Daten zum Adjektiv-Rating- und Interaktions-Scoring-Verfahren sind ermutigend; sie geben deutliche Hinweise für die Verifikation der dreidimensionalen Struktur des Symlog-Raumes, wobei sich die Dimensionen nicht als unkorreliert erweisen, da sie die a priori definierten (orthogonalen) Faktoren nicht genau repräsentieren. Verbesserungsmöglichkeiten wie z.B. die Herausnahme kritischer Beobachtungskategorien werden vorgeschlagen.
Arten von Feldern werden unterschieden, (1) das individuelle Wahrnehmungsfeld, in das die Vorstellungsinhalte der beobachteten Teilnehmer (aber auch die Bewertungen des jeweiligen Beobachters!) eingehen, und (2) das soziale Interaktionsfeld, das die Gesamtheit der individuellen Wahrnehmungsfelder und des offenen gegenseitigen Verhaltens umfaßt. Die längliche, sehr anschauliche Schilderung des Fallbeispiels gibt unmittelbare Einsicht in die Vielfalt ableitbarer Fragestellungen: Ein Vergleich der individuellen Wahrnehmungen mit dem Gruppendurchschnitt über die Zeit hinweg kann Aufschluß geben über die Durchsetzung von Positionen, das Gruppierungsgefüge kann den Grad des Gruppenkonsensus erschließen, die Unifikations-Polarisationsstruktur erlaubt, Meinungsführer und Vermittler-Rollen zu identifizieren usw. Durch die große Detailtreue in der Darstellung des Selbstanalyse-Beispiels wird für den aufmerksamen Leser der Wert dieses Verfahrens für nonreaktive Beobachtungszwecke durchaus einsehbar.
Adjektiv-Rating-Verfahren Interaktions-Scoring-Verfahren Der Rating-Bogen enthält 26 Beobachtungskategorien mit je einer f ü n f - oder dreistufigen Intensitäts-Antwortskala. Danach kann jedes Gruppenmitglied einzeln bezüglich des gezeigten Interaktionsverhaltens und der geäußerten Vorstellungsinhalte in einem bestimmten Zeitabschnitt beurteilt werden. In der Gruppenbeobachtung zu Selbstanalyse-Zwecken beurteilt jeder Teilnehmer jeden anderen und sich selbst, allerdings werden dabei die Rating-Bogen aus naheliegenden Gründen erst am Ende einer Sitzung ausgefüllt, so daß eine retrospektive Messung vorliegt. Die Daten sollen für die Teilnehmer maximale Einsicht in das Gruppengeschehen und ihre eigene Rolle erbringen. An der Auswertung einer seiner zahlreichen Selbstanalyse-Gruppen, die BALES als teilnehmender Beobachter betreut hat, macht er dies ausführlich deutlich. Felddiagramme, die durch zwei der drei Dimensionen des SymlogRaumes gebildet werden, erlauben die graphische Darstellung der interessierenden Informationen über die Gruppenmitglieder; diese Diagramme enthalten Einzelbeobachtungen, die über die Zeit hinweg angesammelt wurden. Zwei
Auch bei diesem Verfahren steht der Selbstanalyse-Zweck im Vordergrund. Da es wesentlich komplizierter ist als das Rating-Verfahren und die Beobachtungsdaten direkt bei ihrer Entstehung aufgenommen werden sollen, wurde ein Rotations-System eingesetzt, bei dem die Gruppe zunächst in Beobachter und Teilnehmer aufgeteilt wird und diese Rollen bei der nächsten Sitzung vertauscht werden. Der Interaktions-Signierungs-Bogen enthält Spalten (1) für die laufende Nummer der Beobachtung, (2) die Beobachtungszeit, (3) die beobachtete Person, (4) an wen sich der Beobachtete gewendet hat, (5) ob er offenes oder nonverbales Verhalten zeigte, (6) die Richtung dieses Verhaltens, (7) der Inhalt seiner Botschaft - ob Vorstellungsbilder oder Verhalten - , (8) zustimmende oder ablehnende Haltung zu seiner Botschaft, (9) die Richtung des Beobachtungselements entsprechend den 26 Kategorien des Symlog-Raumes sowie (10) die Stufen des Vorstellungsbildes. Kurz gesagt, es werden die drei Hauptstufen Verhalten, Vorstellungsbilder und Werturteile unter-
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schieden. Verhalten wird unter (5) erfaßt, Vorstellungsbilder (10) umfassen die sechs Unterstufen des Selbst, anderer, der Gruppe, der Situation, der Gesellschaft und der Phantasie. Werturteilsstufen ergeben sich aus (8). Für das Scoring-Verfahren ist entscheidend, daß jeder beobachtete Vorgang auf allen drei Ebenen beschrieben werden kann. Jedes beobachtete Element wird analog zu den drei Dimensionen des Symlog-Raumes (mit 26 Beobachtungskategorien) beurteilt, die in festgelegter Reihenfolge zu behandeln sind. Der Beobachter muß diese Fragen beantworten: 1. Wie einflußnehmend-einordnungsbereit ist es, oder trifft dies nicht zu? 2. Wie freundlich-unfreundlich wirkt dies auf mich, oder kommt diese Dimension nicht in Frage? 3. Ist es kontrolliert oder gefühlsbetont oder keines von beiden? Die genaue Darstellung der Verfahrensschritte hier soll darauf aufmerksam machen, was vom Symlog-Beobachter alles verlangt wird: Er muß genaue Kenntnis der Bedeutungen aller 26 Kategorien zur Beschreibung des Symlog-Raumes haben, um sie adäquat verwenden zu können. Er muß diese in einer festgelegten Reihenfolge abrufen und dazu die verschiedenen Stufen der Vorstellungsbilder korrekt identifizieren können. Man fragt sich, wielange und intensiv ein BeobachterTraining sein wird, bis Theorie und Sprache von Symlog beherrscht werden! Die Autoren legen sich hier nicht fest; das ist ohne Zweifel ein Punkt, der auch ein Licht auf die Praktikabilität des Interaktions-Scoring-Verfahrens wirft.
Abschließende Wertungen Das Buch gibt eine anschauliche und detailgenaue Anleitung für das praktische Arbeiten mit Symlog, der Mehrebenen-Beobachtung von Gruppen. Aber: Es wird vor allem der Wert von Symlog für Selbstanalyse-Zwecke gesehen, und die vorgeführten Beispiele entstammen alle diesem Anwendungsfall. Ohne Zweifel wird damit etwas geboten, was im Wildwuchs der wohltuend wirkt. Die Verwendungsvielfalt von Symlog wird verschiedentlich angesprochen - und dies ist auch nachvollziehbar - , aber konkrete Erfahrungen fehlen fast völlig. Wünschenswert wären jedenfalls Erfahrungen insbesondere mit nonreaktiven Beobachtungen bei Alltagsgruppen - z.B. Jugendgruppen oder Entscheidungsgremien aber auch mit Gruppen, die für ganz andere Forschungszwecke zusammengestellt sind. Die Ausweitung der Methode auf andere Erfahrungsfelder ist für die Erprobung und Weiterentwicklung von Symlog dringend erforderlich. Die Autoren sind selbstkritisch genug, um die noch sehr globale Theoriebindung des Verfahrens zu erkennen. Man fragt sich, wie der dreidimensionale Symlog-Raum aus der MehrebenenTheorie ableitbar sein könnte. Der empirische Nachweis einer dreidimensionalen Datenstruktur behebt dieses Problem keineswegs. Theoriebezogene Dateninterpretationen sind zum jetzigen Zeitpunkt kaum möglich, daher ist vieles der Intuition des Forschers überlassen. Alles in allem bleibt dennoch der Eindruck eines bemerkenswerten Buches zu einem faszinierenden Thema. OjH Auf die Weiterentwicklung von Symlog darf man gespannt sein. | J
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Werner: Verbesserung der Forschungsinfrastruktur in den Sozialwissenschaften?
ZUMA -
Z E N T R U M FÜR UMFRAGEN, METHODEN U N D ANALYSEN & INFORMATIONSZENTRUM SOZIALWIS-
(Hrsg.). 1983. ZUMA-Handbuch Sozialwissenschaftlicher Skalen (Teile 1 und 2). Mannheim/Bonn
SENSCHAFTEN
Verbesserung der Forschungsinfrastruktur in den Sozialwissenschaften? JOACHIM W E R N E R Universität Heidelberg
Das Handbuch umfaßt 2 Bände und enthält die Dokumentation von 120 sozialwissenschaftlichen Skalen zu den Themenbereichen: A B C D E F G H I K L M N O P
Soziales System/Soziale Schichtung Sozialer Wandel Organisation Individuum/Persönlichkeit Soziale Gruppen Sozialisation/Familie Soziale Probleme Arbeit und Beruf Kultur/Religion/Wissenschaft Kommunikation/Medien/Sprache Medizin Räumliche Umwelt Politik Recht Response-Sets
wobei die Bereiche M, O und K später ergänzt werden. Die Skalen wurden aus insgesamt 300 (nicht 3000, wie ein Rezensent schreibt) ausgewählt, und zwar nach folgenden 2 Haupt- und weiteren 2 Nebenauswahlkriterien: 1. Generalität, d.h. «die Skala sollte sowohl für allgemeine Zielpopulationen anwendbar sein als auch eine fächerübergreifende Qualität aufweisen» (vgl. DE 9) 2. Methodische Qualität, darunter werden vorrangig Standardkriterien der Testtheorie aufgeführt 3. Theoretischer Bezug 4. Häufigkeit der Anwendung
Die letzten beiden Auswahlkriterien sind insofern zweitrangig als eine Nichterfüllung der Punkte 3. und 4. nicht schon allein deswegen zur Nichtaufnahme der Skala führten, hingegen implizierte das Fehlen der Angaben zu Punkt 1. und 2. die Zurückweisung einer Skala. Daraus wird das gesteckte Ziel des ZUMA-Handbuches klar: «Verbesserung der Forschungsinfrastruktur in den Sozialwissenschaften» (vgl. Vorwort). Dieses Ziel ist nun kein geringes und wie aus dem Informationsmaterial ersichtlich, das ZUMA zwecks Dokumentation zur Verfügung stand, ist die Verfolgung dieses Zieles von großer Dringlichkeit, denn selbst in den ausgesuchten Skalen ist noch eine Reihe von methodischen Mängeln mit sehr unterschiedlicher Schwere enthalten. Sofern die Autoren der Skalen zu den Testgütekriterien keine entsprechenden Angaben machen (11% der dokumentierten Skalen, vgl. DE 11) bleibt den Herausgebern des Handbuches eigentlich nur die Alternative statt zu dokumentieren, die Skalen mit unvollständigen Angaben wegzulassen, wofür ich auch dann plädieren würde, wenn die Skalen noch so «theoretisch bedeutend» oder «populär» sind (vgl. DE 11). Bei fehlenden Güteangaben kann und sollte den Autoren dieser Skalen mit der Maßnahme der Nichtbeachtung ihrer Skala deutlich gemacht werden, daß es doch wenigstens einige (wenige) Standardanforderungen an die Qualität sozialwissenschaftlicher Skalen gibt. In diesem Sinne verstehe ich auch die theoretische Einleitung des Skalenhandbuches. Aller-
Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986,17,60-62
dings möchte ich den Verfasser des TE-Teils ausdrücklich ermuntern (und bitten), den Abschnitt über Meßfehler-Testtheorie zu erweitern und ggf. durch pragmatische Aspekte zu ergänzen. Dazu würde ich z.B. zählen, d a ß im TE-Teil Hinweise auf Fehler bei der Skalenkonstruktion gegeben werden u n d / o d e r auch darauf a u f m e r k s a m gemacht wird, welchen Konstrukten bei der Skalenkonstruktion bislang (zu)wenig Beachtung geschenkt
wurde
(vgl. z . B .
HEISE-,
JÖRESKOG-,
WiLEY/WiLEY-Modell usw.). Auf alle Fälle - und d a f ü r gibt es auch noch andere Wege - würde ich mir eine engere Verknüpfung des TE- mit dem Dokumentationsteil wünschen. Aber auch bezüglich der theoretischen Darstellung wäre eine stärkere Integration begrüßenswert, denn z. B. ist die im Abschnitt 13.3 gegebene Definition der xÄquivalenz nicht kongruent mit der in Abschnitt 23 unter «Strengere Homogenität» aufgeführten Beschreibung der Bedingungen für T-Äquivalenz. Wenn nämlich |i, \i' unrestringiert sind, kann E(X) = E ( X ' ) nicht richtig sein, denn E(|i + Xt + e) * E(|x' + Xx + 8'), es sei denn n = (J.'. Die bereits angesprochenen Mängel der im H a n d b u c h aufgenommenen Skalen betreffen nicht nur das Außerachtlassen von Testgütekriterien, sondern auch - und dies ist nicht weniger bedeutend - die Großzügigkeit der «Interpretation» wissenschaftlicher Terminologie und Verfahren. Dabei ist es dann natürlich nicht mehr erstaunlich, daß Fehler auftreten. Bezüglich dieser inhaltlichen und sprachlichen Fehler kann ich die Herausgeber des Handbuches nicht recht exkulpieren, denn ich würde erwarten, daß es dem «Kundigen» schwerfallen m u ß , Fehler der unten aufgeführten Art unkommentiert zu übernehmen, wenn er sie nicht gleich besser komplett eliminieren sollte. Mir ist klar, daß diese Forderung ein etliches Mehr an A u f w a n d bedeutet, aber gerade darin, daß nämlich die Dokumentation im H a n d b u c h «besser» ist als die der Skalen-Konstrukteure läge der (dann) unschätzbare Wert des ZUMA-Handbuches. Die Kritikpunkte der Einzeldarstellungen der Skalen sind zu 6 Gruppen zusammengestellt. Tritt das a u f g e f ü h r t e Problem in mehr als 5 der dokumentierten Skalen a u f , erscheint im Anschluß an die entsprechenden Ausführungen der Zusatz ( > 5), ansonsten werden exemplarische Hinweise auf die entsprechenden Skalen gegeben:
61 1. Falsch ist, a) wenn f ü r eindeutig mehrdimensionale Skalen Maße der Internen Konsistenz bestimmt werden (> 5) (vgl. T E z.B. Formel 19.2). b) wenn die Varianzanteile rotierter Faktoren aus den Eigenwerten der Faktorenanalyse abgelesen werden ( > 5) 2. Termini technici, die eine festgeschriebene Bedeutung haben, sind a) Trennschärfe und Réhabilitât, sie sollten nicht gleichbedeutend verwendet werden (> 5); b) Hauptkomponentenanalyse, Hauptachsenmethode und Faktorenanalyse nach dem Modell mehrerer gemeinsamer Faktoren; somit gibt es keine Hauptkomponentenanalyse mit geschätzten Kommunalitäten (z.B. D26, D34) c) «split-half-Stabilität» ( C l ) 3. Obwohl es keine Folgekomplikationen geben d ü r f t e und jeder zugegebenermaßen weiß, was gemeint ist, sollten folgende Verbalisierungen vermieden werden: a) orthogonale Varimax-Rotation (S> 5), da tautologisch b) Varimax, orthogonal rotiert ( I I ) c) Eigenwert des Faktors ist h **2 ( I I ) (Eigenwert ist anders definiert und diese Beziehung gilt nur f ü r die Hauptachsenmethode) d) oblique Faktorenanalyse (z.B. E2) (gibt nur oblique Rotationen) 4. In der Dokumentation über Skalen sollten die verwendeten Verfahren und gewählten Operationalisierungen exakt gekennzeichnet sein, denn die generelle Nennung der a) Faktorenanalyse ( > 5) b) Rotation ( > 5) c) Trennschärfe ( > 5) (Korrektur?) d) Clusteranalyse (D35) e) Retest-Koeffizienten (z.B. D19) f) Spearman-Brown Formel (D39, N 1 2 - N 2 2 ) g) Reliabilitäten ( > 5) h) Kuder-Richardson-Formeln ( > 5) i) Homogenitätskoeffizienten (13) j) Interne Konsistenz (D26) ohne weitere Spezifikation ist uninformativ. 5. Die Notation sollte vereinheitlicht werden, z.B. finden sich f ü r die Trennschärfe folgende Schreibweisen
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Werner: Verbesserung der Forschungsinfrastruktur in den Sozialwissenschaften?
a) r tt (z.B. D22) b) rc (z.B. D38) c) r,g_, (z.B. D24, H3) d) riM (z.B. D i l , D26) und die Schreibweise M (P4) für eine mittlere Trennschärfe ist überzogen. 6. Einige Formulierungen sind sprachlich unschön und unverständlich a) «Aufmacher»-items (> 5) b) Schrottproduktion (C2) c) Kreuzanalysestichprobe (D2) d) ... mit p = .005 o.t. signifikant... (D6) e) «probability levels» (H7) f) «Skalabilitätskoeffizient» (II) g) «unvolvierte Ladungen» (D8) h) kontinuitätsgeprüfte split-half-Reliabilität (D21) i) faktorielle Varianzanalyse (D26) j) ... Cronbachs a und Spearman-Brown (D24)
k) Spearman-Brown = s = 2,6 (D36) 1) «Für die acht als skalierbar betrachteten Items betrug die mittlere Itemkorrelation r = .89 (Spearman/Brown)» (15) m)r = - . 9 9 (D26) Da die technische Gestaltung des Handbuches in Form der Loseblattsammlung und der damit verbundenen Ergänzbarkeit mit Recht so vielfältig gelobt wird, komme ich nicht umhin, auch auf einen Nachteil hinzuweisen: Der Schnellhefter, d.h. exakt die eckigen Bügel des Hefters, sorgen dafür, daß die einzelnen Blätter nicht sehr langlebig sind, da sie sich ständig verklemmen, was aber die Herausgeber insgesamt wohl nicht als sehr gravierend empfunden haben mögen, da die Dokumentation der Skalen sowieso ständig erneuert und ergänzt wird.
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Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986,17
Neuerscheinungen B R A U N , K . - H . , DREIER, O . , HOLLITSCHER,
W.,
HOLZKAMP, K . , M A R K A R D , M . , M I N Z , G .
&
K. 1 9 8 5 . Geschichte und Kritik der Psychoanalyse. Bericht von der 3. internationalen Ferienuniversität Kritische Psychologie (Innsbruck). Marburg: Verlag Arbeiterbewegung und Gesellschaft, pp. 188, DM 20.-. BUGGLE, F. 1985. Die Entwicklungspsychologie Jean Piagets. Stuttgart: Kohlhammer, pp. 124, DM 20.-. CLARIDGE, G . 1985. The origins of mental illness. Oxford: Blackwell, pp.213, £ 22.50. DAIBER, K.-F. & JOSUTTIS, M . (Hrsg.) 1985. Dogmatismus. Studien über den Umgang des Theologen mit Theologie. München: Kaiser, pp.232, DM 39.-. WETZEL,
FISCHER, A . , F U C H S , W . & ZINNECKER, J . 1 9 8 5 .
Jugendliche und Erwachsene 85. Generationen im Vergleich. Herausgegeben vom Jugendwerk der Deutschen Shell. 5 Bände. Leverkusen: Leske&Budrich, pp. etwa 2000, DM 39.-. GEISE, W . 1 9 8 4 . Einstellung und Marktverhalten. Analyse der empirisch-theoretischen Bedeutung des Einstellungskonzepts im Marketing und Entwicklung eines alternativen Forschungsprogramms aus alltagstheoretischer Perspektive. Frankfurt: Deutsch, pp.317, DM 39.80.
K.E. (Eds.) 1 9 8 5 . The social construction of the person. New York: Springer, pp.276, DM 118.-. H A U B E N S A K , G. 1985. Absolutes und vergleichendes Urteil. Eine Einführung in die Theorie psychischer Bezugssysteme. Berlin: Springer, pp. 198, DM 54.-.
G E R G E N , K . J . & DAVIS,
W. (Ed.) 1985. Compatible and incompatible relationships. New York: Springer, pp. 288, DM etwa 124.-. L E H M A N N , G. 1985. Modell-und rekursionstheoretische Grundlagen psychologischer Theorienbildung. Berlin: Springer, pp.297, DM 78.-. M Ö B U S , C . & SCHNEIDER, W . (Hrsg.) 1 9 8 5 . Strukturmodelle für Längsschnittdaten und Zeitreihen. Bern: Huber, pp.248, DM etwa ICKES,
44.-. NEUBERGER,
O.,
CONRADI,
W.
&
MAIER,
W.
1985. Individuelles Handeln und sozialer Einfluß. Einführung in die Sozialpsychologie. Opladen: Westdeutscher Verlag, pp.258, DM 22.80. G U M I N , H . & MÖHLER, A. (Hrsg.) Psychologie, Psychologisierung, Psychologismus. Schriften der Carl Friedrich von Siemens Stiftung; mit Beiträgen von O . M a r q u a r d , W.S. Nicklis, H . J . Eysenck, N.Birbaumer, W.Bräutigam, Th. Herrmann, C.F. Graumann. München: Oldenbourg, pp. 160. PRYOR, J . B . & DAY, J . D . (Eds.) 1985. The development of social cognition. New York: Springer, pp.239, DM 120.-. SHAVER, K.G. 1985. The attribution of blame. Causality, responsibility, and blameworthiness. New York: Springer, pp.192, DM 98.-. THOMPSON, J. 1985. Psychological aspects of nuclear war. Leicester: British Psychological Society, pp.127.
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Titel und Abstracta
DOBRICK, M. 1985. Gegenseitiges ( M i ß v e r s t e hen in der dyadischen Kommunikation. Münster: Aschendorff, pp.208, DM 28.-.
LIPPITZ, W. 1984. Lebenswelt oder Wissenschaft. Eine problematische Alternative. Bildung und Erziehung, 37,169-177.
«Der Autor diskutiert theoretische und empirische Ansätze aus Sprachproduktions- und Sprachrezeptionsforschung (einschließlich Sprechakttheorie). Er entwickelt ein Kommunikationsmodell, mit dem verstehensrelevante Aspekte dieser beiden, bislang separat verlaufenen Forschungstraditionen in eine dyadische Perspektive gebracht werden. Damit wird dem individuumzentrierten Verstehensbegriff der Rezeptionsforschung ein dyadischer Verstehensbegriff gegenübergestellt. Dieser gestattet es, Kriterien für Richtig-Verstehen im Vergleich zu Mißverstehen zu entwickeln. Es wird die Notwendigkeit aufgewiesen, solches Verstehen empirisch auch in dyadischen Situationen (mit zwei echten Versuchspersonen) zu untersuchen. Über ein Experiment wird berichtet, in dem beispielhaft zwei aus dem Modell abgeleitete Hypothesen geprüft werden. Dabei geht es um Mißverstehen aufgrund unterschiedlicher Absichten der Gesprächspartner, sowie aufgrund der Annahmen über die Absicht des jeweils anderen. Denkbare Maßnahmen zur Verstehensverbesserung werden diskutiert. Hinweise auf die Relevanz der Fragestellung für den Unterricht schließen das Buch a b . » (Verlagstext)
«Summary: In contemporary discussions concerning the theory and methodology of the social sciences and education theory, the concept of the life-world is the title of both a trend which is antagonistic to science, i.e. a trend which, in view of the problem of alienation, plays off the world of everyday life against the of science, as well as trend within the sciences in the direction of qualitative modes of research and phenomenologically oriented conceptions of theory.
GRAUMANN, C.F. (Hrsg.) 1985. Psychologie im Nationalsozialismus. Berlin: Springer, pp. 318, D M 24.80. «Wenn bisher von der Beziehung zwischen Psychologie und Nationalsozialismus die Rede war, lag der Schwerpunkt auf den O p f e r n , die die Psychologie wie auch andere Wissenschaften dem staatlichen Rassismus hatte bringen müssen. Sie verlor die besten Fachvertreter, weil sie Juden waren. Die anderen blieben, von wenigen notorisch gewordenen Fällen abgesehen, in ihren Positionen bzw. rückten in die frei gewordenen nach. Während die Psychologie in der Emigration auch international Aufmerksamkeit gefunden hat, f a n d , aus sehr unterschiedlichen Gründen, die Psychologie im ) in developing those aspects of the concept of the life-world which have a critical potential with respect to the sciences. The recourse to pre-scientific, corporeal and socio-culturally mediated structures of signification which are indicated by the concept of the life-world are understood as that which make scientific perspectives possible in the first place, while simultaneously serving as a critique of what are often thought to be scientific attitudes.»
OSWALD, H . & KRAPPMANN, L . 1984. K o n s t a n z
und Veränderung in den sozialen Beziehungen von Schulkindern. Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie, 4, 271-286. «Die Daten einer qualitativen Longitundinalstudie der Kinder einer Berliner Grundschulklasse (Jahrgangsstufe vier bis sechs) ergeben, daß enge dyadische Beziehungen innerhalb wie außerhalb der Klasse über einen Zeitraum von zwei Jahren ebenso häufig beibehalten wie gewechselt werden. Es lassen sich aber Kindertypen unterscheiden, die in unterschiedlichem Maße Konstanz und Wechsel unterliegen. Auch bei den sozialen Formationen (Gruppen, Geflechte, Interaktionsfelder) gibt es Konstanz wie Veränderung. Die sozialen Prozesse unter den Kindern verlaufen nicht willkürlich und zufällig, sondern können als im Kontext des Geschehens sinnvolle Vorgänge gedeutet werden.» (Zusammenfassung) Aus der A n m . l (p.285): «Das Projekt