Zeitschrift für Sozialpsychologie: Band 17, Heft 2 1986 [Reprint 2021 ed.]
 9783112469002, 9783112468999

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HERAUSGEBER HUBERT FEGER

C. F. G R A U M A N N KLAUS HOLZKAMP MARTIN IRLE

BAND

15 1 9 8 4 H E F T 2

V E R L A G HANS H U B E R BERN STUTTGART WIEN

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986, Band 17, H e f t 2 INHALT Zu diesem Heft

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Theorie und Methoden Theoretische und methodologische P r o b l e m e bei der E r f o r s c h u n g von Vorurteilen: Vorurteile und menschliche Konstruktion der Realität - Neue Erkenntnisse zu alten P h ä n o menen? O R T H , B . : Meßtheoretisch bedeutsame oder psychologisch sinnvolle Einstellungsmodelle? REHM, J.:

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Empirie KRAMPEN, G . : Handlungstheoretische Analysen politischer Partizipation: A n m e r k u n g e n zu O R T H ( 1 9 8 5 ) sowie weiterführende Überlegungen und B e f u n d e PFRANG, H . & SCHENK, J. : Kontrollüberzeugung als M o d e r a t o r des Z u s a m m e n h a n g s zwischen Verstärkungswert und Verhalten D O H M E N , P., DOLL, J . & O R T H , B . : Modifizierte P r o d u k t s u m m e n m o d e l l e und ihre empirische P r ü f u n g in der Einstellungsforschung

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Diskussion L . C . & LIBHART, D . L . : Eine A n m e r k u n g zu RATTINGERS Algorithmus zur Ermittlung von Cliquen HAISCH, J.: Psychologie im Recht und rechtswissenschaftliche Analysen der Psychologie: Erwiderung zu S C H Ü N E M A N N S Bemerkungen FREEMAN,

119 122

Literatur Rezensionen RAVEN, B . H . & RUBIN, J . Z . 1983. Social Psychology (2nd ed.) K R A H É , B . : Das sozialpsychologische Lehrbuch als Prototyp - Zur Neuauf läge von & R UBINS «Social Psychology» F I E D L E R , K .-.Das Wie, das Wasunddas Wozu eines Lehrbuches MUMMENDEY, A . (Ed.) 1984. Social Psychology of Aggression D A N N , H , - D . : Aggression: soziale Interaktion statt individuelles Handeln ?

125 RAVEN 125 129 133

Neuerscheinungen

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Titel und A b s t r a c t a

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Nachrichten und Mitteilungen

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Autoren

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Errata diabolica

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Copyright 1986 Verlag Hans Huber Bern Stuttgart Toronto Herstellung: Satzatelier Paul Stegmann, Bern Printed in Switzerland Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Library of Congress Catalog Card Number 78-126626 Die Zeitschrift für Sozialpsychologie wird in Social Sciences Citation Index (SSC1) und Current Contents / Social and Behavioral Sciences erfaßt.

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Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986

Zu diesem Heft Ein Heft der Zeitschrift für Sozialpsychologie ist nach den Vorstellungen ihrer Herausgeber dann ein «gutes» Heft, wenn es zu den Facetten sozialpsychologischer Forschung beiträgt, die wir mit den Titeln Theorie, Methodik, Empirie, Diskussion, Literatur, Nachrichten und Dokumentation eher zu akzentuieren als zu unterscheiden suchen. So selbstverständlich diese Akzentuierung sich für Arbeiten und Ereignisse aus dem Alltag der Forschung anbieten, es gelingt nicht immer, alle diese Sparten mit dem nötigen Gewicht zu besetzen, zumal wir seit der Gründung dieser Zeitschrift im Jahre 1970 bemüht waren, sie auch als Forum der wissenschaftlichen Kontroverse anzubieten. Von diesen Ansprüchen her ist das vorliegende Heft ein erfreulicher Prototyp geworden. Wie gut (nun ohne Anführungszeichen) ein Heft qualitativ und wie interessant es wird, hängt selbstverständlich von der Art und Güte der eingereichten Manuskripte ab, unter denen die vier Herausgeber (jeder für sich und nur bei offenkundiger Divergenz in gemeinsamer Beratung) die ihrer Meinung nach besten auswählen. Forschung kann besser sein als Berichte darüber, und Berichte wirken manchmal besser als die Forschung, über die sie Auskunft geben. Aber im großen und ganzen ist die Veröffentlichung einer

Wissenschaft auch deren Spiegelbild. Sicher hat diese Zeitschrift kein Monopol für sozialpsychologische Publikationen deutscher Sprache. Aber es gibt auch nicht den von den USA her bekannten Markt und die ihn (angeblich) regulierende Konkurrenz. Die uns benachbarten Zeitschriften, die auch sozialpsychologische Artikel bringen, haben mit einer anderen Orientierung einen auch anderen Leserkreis. Daß uns manches gute Manuskript gar nicht erst erreicht, weil es, auf Englisch verfaßt, für den Export bestimmt ist, müssen auch die Herausgeber dieser Zeitschrift aus prinzipiellen Gründen begrüßen, selbst wenn manche anglound besonders americanophile Sozialpsychologen der Leserschaft deutschsprachiger Fachzeitschriften so allmählich entrücken. Die Zeitschrift für Sozialpsychologie wird wie in diesem Heft auch weiterhin bemüht sein, dem internationalen Charakter unserer gemeinsamen Wissenschaft im Medium der deutschen Sprache gerecht zu werden, was - so glauben wir - auch ohne sprachliche Annäherung an das Englische möglich ist. Stellungnahmen hierzu sind, wie immer, willkommen. ^^^ CARL FRIEDRICH G R A U M A N N

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Rehm: Theoretische und methodologische Probleme bei der Erforschung von Vorurteilen

Theorie und Methoden Theoretische und methodologische Probleme bei der Erforschung von Vorurteilen II: Vorurteile und menschliche Konstruktion der Realität Neue Erkenntnisse zu alten Phänomenen?* JÜRGEN REHM Universität München

Nachdem in Teil I (diese Zeitschrift, Bd. 17, pp. 18-30) das traditionelle Forschungsprogramm der Vorurteilsforschung untersucht worden ist, stehen neuere psychologische Ansätze zum Vorurteil (insbesondere im Rahmen der sozialen Kognitionsforschung) hier im Mittelpunkt der Analyse. Es zeigt sich, daß diese Ansätze den Phänomenbereich der traditionellen Forschung derzeit nicht aufklären können. Durch Einbeziehung von soziologischen Theorien wird versucht, dieses Manko zu beheben.

Having discussed the traditional programme of prejudice research in part I (this journal, Vol.17, pp. 18-30), this article focusses on modern psychological concepts of prejudice (especially on aspects of social information processing). It is shown that modern concepts are not sufficient to explain the phenomena of traditional research. The integration of sociological theories is proposed in order to overcome these problems.

Vorbemerkung

dere geht es um die Frage, inwieweit moderne Theorien im Bereich der sozialen Informationsverarbeitung die Phänomene der klassischen Vorurteilsforschung erklären können. Um die Darstellung lebendiger zu gestalten, werden (wie in Teil I) beispielhaft zwei Experimente diskutiert, ehe allgemeinere Schlußfolgerungen zur Sprache kommen. Den Abschluß dieser Arbeit bilden Vorschläge für eine theoretische Reintegration der soziologischen und psychologischen Vorurteilsforschung.

Während die meisten Arbeiten im traditionellen Forschungsprogramm der Vorurteilsforschung die wichtigsten Grundannahmen teilten (vgl. Teil I; s.a. die Diskussion im Anschluß an Annahme 3 weiter unten), ist diese Einheit in der neueren Vorurteilsforschung weitgehend zerbrochen. Psychologie und Soziologie haben sich auch hier auseinanderentwickelt. Da die neuere soziologische Vorurteilsforschung bereits an anderer Stelle ausführlich analysiert worden ist (theoretisch: ESTEL, 1 9 8 3 , s.a. LILLI & R E H M , 1 9 8 5 ; empirisch und methodologisch: R E H M , 1 9 8 5 ; R E H M , SERVAY & LILLI, 1 9 8 5 ) , stehen wichtige psychologische Theorieentwicklungen im Mittelpunkt dieser Arbeit. Insbeson* Die ungekürzte Fassung dieser Arbeit bildet den zweiten Teil einer Dissertation, die am 12.7.1985 von der Fakultät für Philosophie, Psychologie und Erziehungswissenschaft der Universität Mannheim angenommen wurde.

Annahme 1: Seit Beginn der 80er Jahre hat sich zumindest in der amerikanischen Sozialpsychologie - das Forschungsprogramm der sozialen Informationsverarbeitung durchgesetzt. Seit Mitte der 70er Jahre gibt es in den USA und Kanada Bestrebungen, neuere Konzepte der

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kognitiven Psychologie und der Computer-Wissenschaft in die Sozialpsychologie (und andere Teilgebiete der Psychologie) zu integrieren. OSTROM ( 1 9 8 4 , p.2) beschreibt diese Bestrebungen als einen Umwälzungsprozeß, der an vielen Universitäten gleichzeitig begann und sich rasant ausbreitete: «This new awakening could be found in all regions of the United States and Canada. Unlike many topics that arise periodically in psychology, this one could not be traced back to a single influential paper, to the insights of one dominant scholar, or even to one center of graduate training. This intellectual spore was cast across the entire continent. - This created an intellectual climate that may be unique in the history of social psychology (and perhaps even for psychology as a whole).» 1

Bald stellten Arbeiten zur sozialen Informationsverarbeitung (social cognition) einen Großteil der Beiträge auf Symposia und Kongressen sowie in den verlegten Sammelbänden zur Sozialpsychologie in den USA und Kanada (z.B. HIGGINS et al., 1981). 1980 wurde ein Teilgebiet der einflußreichen Zeitschrift «Journal of Personality and Social Psychology» in «Attitudes and Social Cognition» umbenannt; 1982 erschien eine neue Zeitschrift mit dem Namen «Social Cognition». 1984 erschienen schließlich sowohl das erste umfassende Lehrbuch über «Social Cognition» (FISKE & TAYLOR) als auch das «Handbook of Social Cognition» in drei Bänden, herausgegeb e n v o n ROBERT S . W Y E R u n d THOMAS S . S R U L L .

Aber nicht nur in Nordamerika, auch in Europa scheint das neue Forschungsprogramm langsam Fuß zu fassen. So erschien 1981 in einer Serie europäischer Monographien der Sozialpsychologie die von J.P. FORGAS herausgegebene Band «Social Cognition». Dieser Sammelband versuchte, europäische Traditionen der Sozialpsychologie für die soziale Kognitionsforschung fruchtbar zu machen. Allerdings lassen sich in Europa die oben beschriebenen Symptome eines Aufbruchs nicht ausmachen. Dieser Sachverhalt 1 Bei dieser fast euphorischen Schilderung der Entstehung eines neuen Forschungsprogramms denkt man unwillkürlich an einen (Forschungs-)Paradigmenwechsel im KuHNschen Sinne (1962/1979). Der ursprüngliche Paradigmabegriff bei KUHN umfaßte nicht nur Experimentalparadigmata als Musterbeispiele, sondern auch die zu einer bestimmten Zeit geltenden Gesetzesaussagen, Theorien, Modellvorstellungen,

Begriffe, Bewertungskriterien und Methoden sowie Hintergrundannahmen und stillschweigend geteilte metaphysische Überzeugungen der Forscher.

75 kann auch damit zusammenhängen, daß üblicherweise eine bestimmte Zeitspanne verstreicht, ehe neue Forschungsrichtungen aus Nordamerika rezipiert werden. Annahme 1 bezieht sich aber vorwiegend auf die amerikanische Sozialpsychologie und kann deshalb vorerst aufrecht erhalten werden. Annahme 2: Innerhalb des Forschungsprogrammes der sozialen Informationsverarbeitung spielt der Begriff «Vorurteil» keine Rolle mehr. Diese Annahme wirkt auf den ersten Blick überraschend, denn den Bereich der Vorurteilsforschung ordnet man spontan dem Forschungsprogramm der sozialen Informationsverarbeitung zu. Dennoch findet sich weder im «Handbook of Social Cognition» ( W Y E R & SRULL, 1984) noch im Lehrbuch «Social Cognition» (FISKE & TAYLOR, 1984) ein Stichwort «prejudice». Wie ist dieser unerwartete Sachverhalt zu erklären? Die traditionelle Vorurteilsforschung hat, wie in Teil I ausführlicher dargestellt, viel Gewicht auf das Verhältnis von Stimulusqualitäten (z.B. Eigenschaften und Charakteristika von Völkern) und Urteilen über diese Stimuli gelegt. Sie steht damit im Rahmen einer Sozialpsychologie, die W Y E R (1980, p.558) folgendermaßen kennzeichnet: «In most of this research, the primary objective has been to identify the relation among input factors 2 (e. g., the characteristics of information, its source, and the context in which it occurs) and output variables (attitudes, beliefs or decisions).»

Dieser Art der Forschung wird durch das Forschungsprogramm der sozialen Informationsverarbeitung eine neue Perspektive entgegengesetzt, die sich vorwiegend mit kognitiven Prozessen beschäftigt (insbesondere mit Enkodieren, Organisieren, Abspeichern und Abrufen von Informationen). Das Verhältnis von Stimuluseigenschaften und Reaktionsweisen (wie Urteilen) gilt nicht mehr unbedingt als legitimes Forschungsinteresse: 2 Schon in der Sprache, d.h. bei der Wahl der Begriffe, wird im Forschungsprogramm der sozialen Informationsverarbeitung der Einfluß der Informatik deutlich (input, output, program, processing . . . ; vgl. dazu auch LACHMAN, LACHMAN & BUTTERFIELD, 1979, in bezug auf kognitive Psychologie und Informationsverarbeitung allgemein).

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«In recent years, however, there has been a move away from a concern with these relations (among input factors and output variables; J. R.) per se, and toward the development of a more fundamental understanding of the cognitive processes that mediate them» (WYER, 1980, p. 558).

Konsistent mit den Grundannahmen des Ansatzes der sozialen Informationsverarbeitung ist auch die Betonung von Erinnerungsmaßen und Reaktionszeit als wichtigste abhängige Variablen (vgl. dazu SRULL, 1 9 8 4 , der in einem methodischen Überblicksartikel für dieses Gebiet ausschließlich auf Erinnerungsmaße und Reaktionszeit eingeht). Der Verwendung des zuletzt genannten Maßes liegt - wieder analog zum Computer (s. o.) - die Überlegung zugrunde, daß komplexere Prozesse längere Verarbeitungszeiten in Anspruch nehmen. Andere, eher traditionelle Maße wie Attitüden- oder Urteilsskalen werden zwar noch verwendet - z.B. in Arbeiten, die die Auswirkungen bestimmter Arten der kognitiven Verarbeitung auf Urteile untersuchen wollen (s. LINVILLE & JONES, 1 9 8 0 ; LINVILLE, 1 9 8 2 ) - , treten aber zunehmend in den Hintergrund. Es erscheint konsequent, daß traditionelle Forschungsarbeiten über Vorurteil und Stereotyp mit wenigen Ausnahmen bei einer derartigen Sichtweise keinen Platz mehr finden. Die wichtigste Ausnahme bilden Theorie und Experimentalparadigmata von TAJFEL, die sowohl das Verhältnis von Input- und Output-Variablen als auch vermittelnde Prozesse behandeln. Annahme 3: Theorien und Konzepte der sozialen Informationsverarbeitung hellen zur Zeit nur einen Teil des Phänomenbereichs der traditionellen Vorurteilsforschung auf.

Um diese Annahme zu belegen, muß zunächst geklärt werden, welchen Phänomenbereich die traditionelle Vorurteilsforschung umfaßt hat. Dazu sollen wieder Definitionen (vgl. Teil I) aus wichtigen Forschungsarbeiten untersucht werden. Fast allen diesen Definitionen ist gemeinsam, daß Vorurteile - als falsch bzw. nicht mit der Realität übereinstimmend angesehen werden, - negative Bewertungen enthalten, - eine Teilklasse der Einstellungen (Attitüden) darstellen,

- sich auf Gruppen bzw. auf Gruppenmitglieder beziehen und - handlungsrelevant sind (vgl. dazu auch ESTEL, 1983, insbesondere p,148ff.). Die zuletzt angeführte Handlungsrelevanz wird selten explizit erwähnt, ergibt sich aber implizit aus der Konzeption von Vorurteilen als Einstellungen (Attitüden, s.a. Teil I, Annahme 2). Welche Bedeutung der Handlungsrelevanz von Einstellungen in der psychologischen Forschung beigemessen wurde und zum Teil - z.B. in der Bundesrepublik Deutschland - heute noch beigemessen wird, kann man auch an den vielen Forschungsarbeiten zu diesem Thema ablesen (als einen der letzten Versuche einer Systematisierung: AJZEN & FISHBEIN, 1977, 1980; als kritischer Überblick: MARKARD, 1984, p.lOOff.). An der Handlungsrelevanz läßt sich außerdem der von den meisten heutigen Autoren anerkannte Unterschied zwischen den Konzepten von Vorurteil und Stereotyp darlegen: Während Vorurteile als Teilklasse der Einstellungen als verhaltensrelevant angesehen werden, stellen Stereotype für die meisten Forscher lediglich kognitive Urteile dar (über deren Beziehung zu Handlungen keinerlei Aussagen gemacht werden). Wie könnte das oben eingegrenzte Phänomen «Vorurteil» nun mit Konzepten der sozialen Informationsverarbeitung erklärt werden? Vorurteile und Stereotypen müßten bei einer Erklärung dieser Art Ergebnisse von sozialen Informationsprozessen darstellen, d. h. sie müßten aus (theoretisch postulierten) Eigenarten der Enkodierung, Speicherung, Gedächtnisorganisation oder Abrufung von Informationen gefolgert werden können. In der Tat ist von verschiedenen Forschern versucht worden, informationstheoretische Prinzipien auf die Speicherung von Informationen über Gruppen im allgemeinen und auf stereotype Urteile über Gruppen bzw. Gruppenmitglieder im besonderen anzuwenden. (Auf den Begriff des Vorurteils wird im Rahmen dieser Forschungsrichtung wegen unerwünschter Konnotationen vgl. Annahme2 - verzichtet.) Im folgenden sollen die wichtigsten derartigen Erklärungsversuche und die entsprechenden Ergebnisse vorgestellt werden.

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Allgemeine Prinzipien der Speicherung von Informationen über Gruppen (WYER, BODENHAUSEN & SRULL, 1 9 8 4 ) u n d

Folgerungen für die Stereotypenforschung et al. (1984) haben ein allgemeines Modell für kognitive Repräsentationen von Personen und Gruppen entwickelt, das im folgenden kurz skizziert und dann auf die Stereotypenforschung angewendet werden soll. Dabei versuchten die Autoren zum einen, von wenigen und möglichst allgemeinen Prinzipien kognitiver Prozesse auszugehen, und zum anderen, einen Großteil der früheren (sozialen Kognitions-)Forschung auf diesem Gebiet zu integrieren. In dieser - für die weitere Forschung richtungsweisenden - Integration liegt meiner Meinung nach auch die Bedeutung der Arbeit von W Y E R et al. 3 Im folgenden werden kurz die theoretischen Prinzipien der Arbeit von W Y E R et al. (1984) vorgestellt: WYER

- Allgemein wird ein assoziatives Gedächtnismodell angenommen (vgl. A N D E R S O N , 1976; RAAIJMAKERS & SHIFFRIN, 1981; spezifischer W Y E R et al., 1984, p.447ff.). - Die Speicherung von Informationen über Personen und Gruppen wird mit Hilfe eines allgemeinen Konzepts organisiert («general person concept»; W Y E R et al., 1 9 8 4 , p. 4 4 7 ) , das im wesentlichen aus Strukturen von deskriptiven und evaluativen 4 besteht. - Inkonsistente Verhaltensweisen zu einem bereits aktivierten Personen konzept erregen mehr Aufmerksamkeit, und es wird länger über diese Verhaltensweisen nachgedacht. - Die kognitive Repräsentation von Gruppen unterliegt den gleichen Grundprinzipien wie die kognitive Repräsentation von Personen, wenn es sich um homogene und kohäsive Gruppen mit häufigen Interaktionen der Gruppenmitglieder handelt (WYER denkt hier vor allem an Kleingruppen). Für

3 Ähnliche, allerdings meist restriktivere theoretische Annahmen finden sich im Prototypansatz (z.B. CANTOR & M I SCHEL, 1 9 7 7 ) , in verschiedenen Schema-Konzeptionen (z.B. M A R K U S , 1 9 7 7 ) oder im Ansatz der impliziten Persönlichkeitstheorie (z.B. S C H N E I D E R , 1 9 7 3 ; für eine detailliertere Gegenüberstellung s. W Y E R & G O R D O N , 1 9 8 4 ; in bezugauf allgemeine Hintergrundannahmen s. S C H W A R Z , 1 9 8 5 ) . 4 Es scheint lohnend, die wechselnden Bedeutungen des -Begriffs einmal näher zu untersuchen. Stand dieser Begriffin der traditionellen Persönlichkeitspsychologie für reale und stabile Persönlichkeitseigenschaften bzw. -dispositionen, so wird er heute fast ausschließlich im Sinne einer kognitiven Orientierungshilfe bei der individuellen Gedächtnisorganisation benutzt, d.h. sind in den Augen der heutigen Psychologen naive Laienannahmen über stabile Persönlichkeitseigenschaften - vgl. dazu die Diskussion von Annahme 5 in Teil 1 sowie die Diskussion der Ergebnisse von W Y E R et al. weiter unten.

77 den Fall weniger homogener Gruppen (wie Nationen oder ethnisch definierter Gruppen) werden andere Gesetzmäßigkeiten in bezug auf die Verarbeitung von inkonsistenten Verhaltensweisen postuliert. Der wichtigste Unterschied im Gegensatz zur Verarbeitung von Informationen über homogene Gruppen (bzw. über Personen) besteht dabei nach W Y E R et al. ( 1 9 8 4 ) darin, daß bei wenig homogenen Gruppen inkonsistente Verhaltensweisen einzelner Gruppenmitglieder nicht unbedingt den Erwartungen widersprechen und deshalb keine besondere Verarbeitung erfahren (vgl. dazu auch die theoretischen Prinzipien von CRAIK & LOCKHART, 1 9 7 2 ) .

Ohne auf die weiteren Variablen von W Y E R et al. näher einzugehen (die sich im wesentlichen auf Versuchsdurchführungsvarianten, z.B. Aufgabenstellung, bezogen), sollen gleich die Ergebnisse dieser Untersuchung dargelegt werden: Dabei zeigte sich, daß die theoretischen Annahmen in erstaunlicher Weise bestätigt wurden: Im Gegensatz zur Erinnerung über Personen wurden über weniger homogene Gruppen bei Eindrucksbildungsaufgaben tatsächlich mehr konsistente als inkonsistente Verhaltensweisen erinnert. Welche Schlußfolgerungen lassen sich aus diesen Ergebnissen für die Stereotypisierungsforschung ziehen? Zunächst kann man feststellen, daß ethnisch abgegrenzte Großgruppen den Wyerschen Kriterien relativ wenig kohäsiver Gruppen mit geringen Interaktionshäufigkeiten der Gruppenmitglieder entsprechen. Daraus läßt sich folgern, daß über solche Gruppen eher konsistente als inkonsistente Verhaltensweisen erinnert werden. Außerdem sollten die Wyerschen Gedächtnismodelle (vgl. W Y E R et al., 1984; W Y E R & G O R D O N , 1984) beim derzeitigen Stand der Forschung beibehalten werden, d.h. es erscheint nützlich, von einem gespeicherten Gruppenkonzept auszugehen, das auf basiert. Setzt man weiterhin voraus, daß die Urteilsbildung stark von heuristischen Prinzipien gesteuert ist (vgl. N I S B E T T & Ross, 1980; TVERSKY & K A H N E MAN, 1974) und damit unter anderem von der Verfügbarkeit gespeicherter Informationen abhängt 5 , so sind insgesamt eher konsistente, d.h. 5 Diese Voraussetzung wird nicht von allen Forschern im Bereich sozialer Informationsverarbeitung geteilt; LINVILLE (1982, p.205) kommt z.B. zum Schluß, daß Erinnerungen von Einzelverhaltensweisen nicht in Beziehung zu den jeweiligen Personenbewertungen stehen (vgl. auch D R E B E N et al., 1979). Folgt man ihrer Argumentationslinie, müßte man alle Experimente im Paradigma von W Y E R et al. (1984) als wenig relevant für die Stereotyp- bzw. Vorurteilsforschung ansehen. Für die Thematik meiner Arbeit würde dies bedeuten, daß das Kon-

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mit dem allgemeinen Konzept übereinstimmende Urteile zu erwarten. Solche Urteile würden im allgemeinen deshalb als «stereotyp» bezeichnet werden, weil sie stärker von einem gespeicherten Konzept als von den spezifischen Einzelverhaltensweisen abzuhängen scheinen. (Vgl. dazu auch die ursprünglichen Ausführungen von LIPPMAN, 1922/1961, der davon ausging, daß Urteile wie andere Handlungen vor allem auf den Bildern in unseren Köpfen - «pictures in our heads»; p.2 basieren.) Insgesamt zeigt sich in den Arbeiten von Wyer aber eine veränderte Auffassung des Phänomens «Stereotyp» (vgl. W Y E R & G O R D O N , 1 9 8 4 , p.136): «A common assumption underlying this theory and research is that stereotypes bias the perception of individual members of the stereotyped category, leading to better recall of instances that confirm the stereotype than those that disconform it.»

Zur Erinnerung: In der traditionellen Forschung zum Stereotyp lassen sich keinerlei zentrale Annahmen über Erinnerung von Verhaltensweisen oder Ereignissen finden (vgl. dazu auch die Ausführungen zu Folgerung 1 weiter unten). In welcher Beziehung steht nun der Ansatz von W Y E R et al. ( 1 9 8 4 ) zum ursprünglichen Phänomenbereich der Vorurteilsforschung? 1. Zunächst fällt auf, daß die Handlungsrelevanz der Urteile bei Wyer und seinen Mitarbeitern (wie überhaupt in der kognitiven Psychologie; vgl. LACHMAN et al., 1 9 7 9 ) keine Rolle mehr spielt. Inwieweit soziale Informationsverarbeitung über Phänomene der Erinnerung und des Urteils hinaus für andere Handlungen (im Bereich der Vorurteile z.B. für Diskriminierung) relevant ist, wird nicht diskutiert. 2. Auf das Problem der Wahrheit oder Falschheit von Urteilen über Gruppen ist in Teil I in bezug auf das traditionelle Forschungsprogramm bereits eingegangen worden. Hier soll lediglich erwähnt werden, daß dieses Problem - wie im gesamten Forschungsprogramm der sozialen Kognition (s. W Y E R , 1980, sowie Annahme 2) - bei W Y E R et al. (1984) keine Rolle mehr spielt. Aus diesem Desinteresse für die Wahrheitsproblematik läßt sich auch erklären, daß die Autoren zept von WYER et al. (1984) in diesem Fall noch weniger Phänomene der traditionellen Vorurteilsforschung aufklären könnte, als hier angenommen wird (s. weiter unten).

einfach vorgeben, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob stabile Persönlichkeitseigenschaften (= als Begriff sowohl der Alltagssprache als auch der älteren Persönlichkeitspsychologie) überhaupt existieren. 3. Lediglich die negative Bewertung von Gruppen kann dann erklärt werden, wenn man davon ausgeht, daß das gespeicherte allgemeine Konzept dieser Gruppen auch negativ ist. Allerdings bleibt die wichtige Frage offen, wie das jeweilige negative Konzept entstanden ist.

Schemakomplexität und bewertendes Urteil Uber Fremdgruppen - das Modell von L I N V I L L E (LINVILLE & JONES, 1 9 8 0 ; LINVILLE, 1 9 8 2 )

Auch PATRICIA LINVILLE hat versucht, informationstheoretische Prinzipien auf die Stereotypisierungsforschung anzuwenden. Das Modell, das sie dabei entwickelt hat, läßt sich in drei miteinander verbundenen Hypothesen 6 zusammenfassen (nach LINVILLE, 1982, p. 195-198). 1. Individuen haben über ihre Eigengruppe komplexere kognitive Repräsentationen (Schemata) als über Fremdgruppen. 2. Je weniger komplex die kognitive Repräsentation eines Individuums über einen bestimmten Phänomenbereich ist, desto extremer werden dessen Urteile über diesen Bereich sein. 3. Aus den Hypothesen 1 und 2 folgt, daß Individuen Mitglieder von Fremdgruppen extremer als Mitglieder der Eigengruppe beurteilen. Zur Prüfung ihres Modells wurden verschiedene Experimente durchgeführt, die insgesamt für eine vorläufige Beibehaltung sprechen. Im Zusammenhang dieser Arbeit soll lediglich das zweite Experiment von LINVILLE & JONES (1980, p.696ff.) näher erläutert werden: In diesem Experiment bekamen Versuchspersonen Bewerbungsschreiben für die Aufnahme zum Jurastudium («law school applications») zur Beurteilung vorgelegt, die folgendermaßen variierten (= drei unabhängige Variablen mit je zwei Stufen): - Sie enthielten entweder leicht positive oder leicht negative Gutachten,

6 Strenggenommen handelt es sich bei LINVILLE (1982) um die Darstellung einer (vermuteten) Randbedingung, einer Hypothese und einer Schlußfolgerung.

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- sie wurden entweder weißen oder farbigen Bewerbern zugeschrieben, - sie wurden entweder weiblichen oder männlichen Bewerbern zugeschrieben. Wie erwartet, wurden Mitglieder der jeweiligen Fremdgruppe extremer beurteilt: z.B. beurteilten weiße Vpn farbige Bewerber mit leicht positiven Gutachten als geeigneter im Vergleich zu weißen Bewerbern mit dem gleichen Gutachten. Weiße Vpn beurteilten aber farbige Bewerber mit leicht negativen Gutachten als weniger geeignet im Vergleich zu entsprechenden weißen Bewerbern. Analoge Ergebnisse zeigten sich auch in bezug auf das Geschlecht als Gruppenvariable. In späteren Untersuchungen (LINVILLE, 1982) konnten diese Ergebnisse für andere Gruppen repliziert werden. Außerdem unterstützten weitere Experimente von LINVILLE (in: LINVILLE & JONES, 1 9 8 0 , und LINVILLE, 1982) sowie Arbeiten anderer Autoren einzelne Hypothesen dieses Modells ( v g l . z . B . P A R K & ROTHBART, 1 9 8 2 ; REHM, 1 9 8 4 ,

zur ersten Hypothese). Was läßt sich nun über die Beziehung des Modells von Linville zu den Phänomenen der klassischen Vorurteilsforschung sagen? 1. Wie beim Ansatz von W Y E R et al. (1984, s.o.) spielt die Handlungsrelevanz über Urteile hinaus in diesem Modell keine Rolle mehr. Ob extremere negative Urteile auch zu verstärkten Diskriminierungen führen, wird nicht diskutiert. 2 . LINVILLE ( 1 9 8 2 ; LINVILLE & JONES,

1980)

beschäftigt sich lediglich mit Unterschieden in bezug auf Urteile über Mitglieder der Eigen- und Fremdgruppe(n). Welches Urteil der Realität entspricht (bzw. abgeschwächt: der Realität näherkommt), wird nicht diskutiert. (Wie bei W Y E R et al., 1984, muß aber darauf hingewiesen werden, daß die Autorin sich einem Forschungsprogramm verpflichtet fühlt, das Fragestellungen dieser Art explizit ausblendet; vgl. W Y E R , 1 9 8 0 . ) 3. Im Modell von LINVILLE ( 1 9 8 2 ; LINVILLE & JONES, 1980) wird auch das Verhältnis von bewertenden Urteilen zu A ttitüden nicht angesprochen. Aus ihrer Argumentationsweise kann aber geschlossen werden, daß die Autorin das Einstellungskonzept für ihr Modell weder benötigt noch akzeptieren könnte. 4. Die Negativität des Urteils gegenüber Mitgliedern von Fremdgruppen kann teilweise damit erklärt werden, daß Urteile über Fremdgruppen-

mitglieder, denen leicht negativ bewertete Verhaltensweisen oder Attribute zugeschrieben werden, schlechter als Urteile über vergleichbare Mitglieder der Eigengruppe ausfallen. Allerdings führen die Ergebnisse von LINVILLE (1982; LINVILLE & JONES, 1980) möglicherweise zu einer Erweiterung des Phänomenbereichs der Vorurteilsforschung auf extreme Einstellungen gegenüber Fremdgruppen, da gezeigt werden konnte, daß unter bestimmten Umständen Mitglieder der Fremdgruppe positiver bewertet werden als vergleichbare Mitglieder der Eigengruppe. Diese Erweiterung wäre ohnehin zu begrüßen, da die ursprüngliche Beschränkung der traditionellen Vorurteilsforschung auf negative Einstellungen nur pragmatisch (und nicht theoretisch) zu rechtfertigen war (vgl. dazu auch die Kritik von IRLE, 1975, p.386). Folgerung 1: Um die Phänomene der traditionellen Vorurteilsforschung erklären zu können, müssen Zusatzannahmen gemacht werden, die nicht aus dem Forschungsprogramm der sozialen Informationsverarbeitung abgeleitet werden können. 1. Durch den Verzicht auf Aussagen über die Relevanz kognitiver Strukturen und Prozesse für Handlungen, die über (verbal oder schriftlich geäußerte) Urteile hinausgehen, wird ein wichtiger Teil der Vörurteilsphänomene vom Forschungsprogramm der sozialen Informationsverarbeitung nicht erfaßt (vgl. dazu insbesondere die Diskussionen über Annahme 2 sowie über die Konzeptevon W Y E R et al., 1984,und LINVILLE, 1982). Dieser Verzicht kann zumindest teilweise auch dadurch erklärt werden, daß das traditionelle Einstellungskonzept, das Einstellungen als handlungsrelevant ansah (vgl. THOMAS & ZNANIECKI, 1918; ALLPORT, 1935/1967, p.810), in der sozialen Kognitionsforschung keine entscheidende Rolle mehr spielt. 2. Innerhalb von Arbeiten zur sozialen Informationsverarbeitung wird erhebliches Gewicht auf die subjektive Konstruktion der Realität gelegt. Für die Stereotypisierungsforschung bedeutet dies, daß Stereotype als Ergebnisse individueller, recht komplexer kognitiver Verarbeitungsprozesse angesehen werden (vgl. die Beispiele

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weiter oben), als Ergebnisse subjektiver Konstruktion der Realität. Diese Annahme kann aber in Frage gestellt werden: Unter bestimmten Umständen werden Vorurteile und Stereotypen von anderen «einfach unreflektiert» übernommen (vgl. dazu auch die Argumentation von NISBETT & Ross, 1980, p.238ff.) 7 . In den Worten von ESTEL (1983, p.210): «Menschen besitzen stets, wenn auch in typisch unterschiedlichem Ausmaß, Einstellungen (und nicht nur bloße Meinungen), die hinsichtlich ihrer kognitiven Inhalte genau nicht Resultate eigener gedanklicher Anstrengung, sondern die von anderen (von Bezugsgruppen, Massenmedien u.ä.) übernommen worden sind» (Hervorhebung durch J.R.). Dieser Teilklasse von Vorurteilen und Stereotypen wird im Rahmen der sozialen Kognitionsforschung (und, vielleicht allgemeiner, der psychologischen Forschung heute insgesamt) zu wenig Beachtung geschenkt; durch Einbeziehung auch soziologischer Theorien bieten sich aber Lösungsmöglichkeiten dieses Problems an. Dabei könnte insbesondere die moderne Wissenssoziologie Beiträge zur Ergänzung einer rein kognitiv-prozessualen Analyse b i e t e n

(vgl.

WESTIE,

1964;

ESTEL,

1983,

p.211ff.; s. Diskussion von Annahme 4). Zusammenfassend läßt sich hier sagen, daß mit den Prinzipien des Forschungsprogramms der sozialen Informationsverarbeitung die Phänomene der traditionellen Vorurteilsforschung nicht vollständig aufgeklärt werden können. Diese Schlußfolgerung trifft keineswegs nur auf die beiden vorgestellten Arbeiten zu, sondern läßt sich ohne Probleme auf andere Experimentalparadigma der sozialen Kognitionsforschung übertragen, die Stereotype erklären wollen (z.B. das Konzept der Zusammenhangstäuschung vgl. dazu allgemein HAMILTON, 1 9 8 1 ) . Da klassische und moderne Vorurteilsforschung einen unterschiedlichen Phänomenbereich aufweisen, lassen sich über Erüenntnisfort1

Auch bei der Übernahme von Urteilen spielen kognitive Prozesse selbstverständlich eine Rolle; diese Prozesse sind aber nicht mit den oben angeführten identisch (vgl. KELMAN, 1958, für Hinweise auf mögliche kognitive Prozesse bei der Übernahme von Vorurteilen). Der Stellenwert von kognitiven Prozessen für den Inhalt von Vorurteilen ist bei der Übernahme derselben auch weitaus geringer als in den Fällen, wo Vorurteile durch individuelle Konstruktion der Realität entstanden sind. Dennoch wäre es eine wichtige und lohnende Aufgabe, solche Prozesse näher zu untersuchen.

schritt in diesem Bereich keine Aussagen treffen, es sei denn, man erklärt den einen oder anderen der beiden Phänomenbereiche als irrelevant (vgl. dazu MUSGRAVE, 1979, allgemein LAKATOS, 1974). Für eine solche Entscheidung fehlen aber meiner Meinung nach die entsprechenden Grundlagen. Annahme 4: Theoretisch könnte der Phänomenbereich der traditionellen Vorurteilsforschung besser aufgeklärt werden, wenn soziologische Theorien der Vörurteilsbildung zur Ergänzung der informationstheoretischen Perspektive herangezogen werden. Zwei verschiedene Möglichkeiten der Entstehung von Vorurteilen (bzw. Stereotypen) haben sich als Ergebnis der bisherigen Diskussion herauskristallisiert: - Stereotype sind Ergebnisse subjektiver Konstruktion der Realität. - Vorurteile (bzw. Stereotype) sind Teile des normativen Systems und/oder des gemeinsamen Wissens einer Gruppe (bzw. einer Gesellschaft), die von den jeweiligen Mitgliedern nur übernommen werden (analog zum ersten Fall könnte man hier von einer gesellschaftlichen Konstruktion der Realität sprechen; vgl. LILLI & REHM, 1984). Im folgenden soll vor allem die zweite Möglichkeit der gesellschaftlichen Verankerung von Vorurteilen diskutiert werden. WESTIE (1964) hat einen normativen Ansatz des Vorurteils 8 entwickelt, der als Kernstück folgende Aussagen beinhaltet: «Individuais are prejudiced because they are raised in societies which have prejudice as a facet of the normative system of their culture. Prejudice is built into the culture in the form of normative precepts - that is, notions of 8 Der frühe Ansatz von WESTIE (1964) ist ausgewählt worden, weil er zum einen prägnanter als viele seiner Nachfolger

( z . B . ESTEL, 1 9 8 3 ; v g l . d a z u a u c h LILLI & R E H M , 1 9 8 5 ) d i e

Grundprinzipien eines normativen Ansatzes darstellte und zum anderen in wichtigen Punkten empirisch-experimentelle Unterstützung (als Beispiele - trotz methodischer Schwächen: d i e i n WESTIE, 1 9 6 4 , p . 5 8 6 f f . z i t i e r t e n A r b e i t e n , PETTIGREW,

1958 oder MAYKOVICH, 1975) erfahren hat. Theoretische Fortentwicklungen des normativen Ansatzes finden sich in den verschiedenen Varianten des «labeling approach» (vgl. dazu auch LAMNEK, 1983, p.216ff., sowieGOVE, 1975).

81

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986,17,74-86 which define the ways in which members of the group ought to behave in relation to the members of selected outgroups» (WESTIE, 1 9 6 4 , p . 5 8 3 f . ) .

Welche theoretischen und methodologischen Probleme können nun durch solch eine Betonung der gesellschaftlichen Verankerung von Vorurteilen einer Lösung nähergebracht werden? Die Antwort auf diese Frage gliedert sich in vier Problembereiche: soziale Geteiltheit, Handlungsrelevanz, Valenz und Wahrheitsproblematik. 1. Soziale Geteiltheit Zunächst könnte die theoretisch oft postulierte und auch empirisch gefundene soziale Geteiltheit von Vorurteilen und Stereotypen (vgl. beispielhaft dazu: theoretisch in bezug auf Vorurteile IRLE, 1975, p.386; TAJFEL, 1982; W A G N E R , 1985; in bezug auf Stereotype G A R D N E R , 1973; in bezug auf empirische Studien allgemein die in WESTIE, 1964, p.586ff., angeführten sowie KIRBY & GARDNER,

1973;

GARDNER,

KIRBY &

cherweise als Folge der Verarbeitung positiver Erfahrungen in der Kindheit) entstanden sind. Deshalb sollen hier weitere Argumente für die Annahme, daß bestimmte Vorurteile und Stereotype gesellschaftlich vermittelt sind, angeführt werden: - Es konnte gezeigt werden, daß zunächst unterschiedliche individuelle Urteile im Sozialisationsprozeß zu sozial geteilten Stereotypen oder Vorurteilen werden (s. KIRBY & G A R D N E R , 1973). - Vorurteile und Stereotype verändern sich z.T. sogar innerhalb kurzer Zeiträume - als Folge von Veränderungen in den jeweiligen Intergruppenbeziehungen. Ein solcher Wandel läßt sich z. B. in Kriegszeiten beobachten (vgl. dazu - trotz methodischer Schwächen - die Untersuchungen von D U D Y C H A , 1942, oder SEAGO, 1947); er kann aber auch durch Manipulation der jeweiligen Gruppenziele experimentell aufgezeigt werden (wie es SHERIF und seinen Mitarbeitern in ihren Ferienlagerexperimenten geglückt ist - vgl. SHERIF & SHERIF, 1969, p.221ff., als Überblick).

FINLAY,

1973) besser berücksichtigt werden. Diese soziale Geteiltheit stand auch schon im Zentrum des methodischen Vorgehens von KATZ & BRALY (1933,1935), ganz im Gegensatz zu den theoretischen Aussagen der Autoren (vgl. dazu auch Teil I, Annahme 3). Wieviel Gewicht die Methode von KATZ & BRALY (1933,1935) auf Stereotype als sozial geteilte Überzeugungen legt, sieht man schon daran, daß individuelle Stereotype auf diese Weise gar nicht erhoben werden können - ein Punkt, der später zu einiger Kritik führte (vgl. M C C A U L E Y et al., 1980, p.l97f.; BRIGHAM, 1973, p.207f., oder G A R D N E R , 1973). Nebenbei sei an dieser Stelle angemerkt, daß sich auch die Methodologie zur Erhebung von Prototypen eng auf den Konsensus der Befragten bezieht. (Ohnehin sind methodische Ähnlichkeiten mit dem Paradigma von KATZ & BRALY nicht zu übersehen.) Allerdings läßt das Phänomen, daß ein bestimmtes Urteil von vielen oder allen Mitgliedern einer Gruppe geteilt wird, nicht allein schon darauf schließen, daß dieses Urteil von der jeweiligen Gruppe übernommen worden und nicht Produkt eigener Informationsverarbeitung ist. Es wäre auch möglich, daß bestimmte Urteile (z. B. «Meine Mutter ist gut») aus individuellen, aber gleichartigen kognitiven Prozessen (im Beispiel mögli-

2.

Handlungsrelevanz

Mit der Betonung des normativen gesellschaftlichen Rahmens scheint man auch einer Lösung des Problems der Handlungsrelevanz von Vorurteilen näherzukommen. Wie die lange Diskussion über die Beziehung von Einstellungen und Verhalten zeigt (als Beispiele aus der umfangreichen Literatur zu diesem Thema: L A P I E R E , 1934; K U T NER, WILKINS & YARROW, 1 9 5 2 ; W I C K E R , 1 9 6 9 ; M A R K A R D , 1984, p. lOOff.), kann man keinesfalls davon ausgehen, daß Verhalten mit den gemessenen Einstellungen übereinstimmt. Im Vorurteilsbereich lassen sich entsprechend sowohl diskriminierende Verhaltensweisen ohne entsprechende Vorurteile als auch Vorurteile ohne entsprechende diskriminierende Handlungen finden (vgl. GRIMSHAW, 1961/1969a, b, p.447ff., oder BILLIG, 1984). Ein Beispiel für den ersten Fall wäre dann gegeben, wenn ein Universitätslehrer ohne entsprechende Attitüde im Süden der Vereinigten Staaten in den 50er Jahren einen qualifizierten farbigen Professor nicht einstellte, weil seine Universität sonst die staatlichen finanziellen Zuwendungen verloren hätte. Als Beispiel für den zweiten Fall mag gelten, wenn ein extrem antitürkisch eingestelltes Individuum nur deshalb keine Ge-

82

Rehm: Theoretische und methodologische Probleme bei der Erforschung v o n Vorurteilen

walt gegen diese Gruppe anwendet, weil sonst staatliche Sanktionen drohen. In beiden Fällen ist eine Situation gegeben, in der die Beteiligten sich starken externen Kontrollen ihres Verhaltens ausgesetzt sehen. Diese externen Kontrollen können sowohl durch festgeschriebene als auch durch implizite Normen einer Gesellschaft oder einer relevanten Bezugsgruppe ausgeübt werden. G R I M S H A W (1961/1969a, b, p.452) hat ein Modell entwickelt, das die Beziehungen zwischen Vorurteilen, Diskriminierung und externen Kontrollen (auch in bezug auf soziale Gewaltanwendung) zu systematisieren versucht (s. Abb.l). Für dieses Modell sprechen sowohl viele geschichtliche Beispiele (s. G R I M S H A W , 1969a) als auch die Ergebnisse einer Analyse kürzlich durchgeführter, nichtreaktiver Studien zur Vorurteilsproblematik ( C R O S B Y , B R O M L E Y & S A X E , 1980). Auch experimentell haben Studien im «minimal group»-Paradigma von T A J F E L (s. T A J F E L et al., 1971) gezeigt, daß in sehr ähnlichen Situationen (d. h. in Situationen, die sich im Hinblick auf ihre normative Struktur nicht unterscheiden) sowohl Urteile als auch Verhaltensmaße in gleicher Weise die Eigengruppen begünstigen (vgl. als Über-

Prejudice

Weak external controls

Prejudice

Weak external controls

blick: B R E W E R , 1979; T A J F E L , 1982; als ein empirisches Beispiel: B R E W E R Ä S I L V E R , 1978). Da keine der angeführten Studien ursprünglich von einem normativen Ansatz ausging, erscheint eine systematischere Prüfung der Tauglichkeit des Modells von G R I M S H A W (1961/1969b) im Rahmen einer solchen Perspektive unbedingt notwendig.

3. Valenz Welchen Beitrag zu einer besseren Erklärung der Valenz solcher Urteile könnte ein stärkeres Einbeziehen der Gruppenkomponente bzw. der gesellschaftlichen Bedingungen des Vorurteils liefern? Die Analysen von C O S E R (1956; siehe auch L E ViN E & C A M P B E L L , 1972, p. 29ff.) und T A J F E L (1982) sowie Ergebnisse experimenteller Studien wie Ferienlagerexperimente von S H E R I F (als Überblick: S H E R I F & S H E R I F , 1969, p.221ff.) legen nahe, daß die Valenz der wechselseitigen (Gruppen-)Urteile vor allem von dem Stand der Intergruppenbeziehungen abhängt. Negative Urteile über die jeweiligen Fremdgruppen erfüllen zwar im allgemei-

Prejudice

Prejudice

Strong external controls

Strong external controls

Discrimination

Discrimination

No discrimination

No discrimination

Social tension

Social tension

Social tension

Social tension

Strong external controls

Weak external controls

Strong external controls

No social violence

Social violence

No social violence

Weak external controls

Social violence

Abb.l: Mögliche Beziehungen in der sequentiellen A b f o l g e von Vorurteil, Diskriminierung, sozialer Spannung und sozialer Gewalt (nach GRIMSHAW, 196171969b, p.452).

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986,17,74-86

nen wichtige Funktionen für die Eigengruppe wie positive Abhebung, Schaffung und Erhaltung von Gruppenideologien oder Rechtfertigung auch prospektiver Handlungen (vgl. TAJFEL, 1982, p.42ff.). Aber damit ist keineswegs gesagt, daß die Eigengruppe unter allen Umständen positiv und die Fremdgruppe unter allen Umständen negativ beurteilt werden muß. Im Falle einer Möglichkeit individueller Mobilität wird beispielsweise oft die zukünftige Mitgliedschaftsgruppe positiver bewertet als die jeweilige Gruppe, die man verlassen will (vgl. TAJFEL, 1982). Außerdem gibt es historische Beispiele, in denen Minoritäten negative Urteile über sich selbst zu akzeptieren bereit sind: Hier sind die Phänomene des «Selbsthasses der Juden» (s. auch LEWIN, 1941/1953) oder der «soiled identity» der Farbigen in den USA in den 40er und 50er Jahren dieses Jahrhunderts (vgl. PETTIGREW, 1983, p.52f.; aus einer Fülle ähnlicher empirischer Belege dazu: CLARK & CLARK, 1958) zu nennen. Eine adäquate funktionalistische Analyse müßte solche Phänomene miteinbeziehen und vorhersagen können, unter welchen Umständen positive oder negative Urteile zu erwarten sind. Allerdings kann es nicht damit getan sein, daß sich die entsprechende Theoriebildung im bloßen Aufzählen möglicher Funktionen von Vorurteilen und Stereotypen (z.B. HOSAKAWA, 1980) oder im Postulieren eines Motivs nach positiver sozialer Identität (TAJFEL & TURNER, 1979,

p.40f.) erschöpft.

4. Wahrheitsproblematik Schließlich ermöglicht eine stärkere Einbeziehung soziologischer Theorien auch Perspektiven

für eine Lösung der Wahrheitsproblematik in der

Vorurteilsforschung 9 . Natürlich lassen sich aus diesen Theorien keine Kriterien für die Erfassung von Wahrheitsnähe ableiten. Man könnte jedoch

9 An dieser Stelle soll nochmals betont werden, daß meine Arbeit lediglich Perspektiven für die Vorurteilsforschung geben will und kann. Inwieweit wissenschaftlicher Fortschritt allgemein durch eine veränderte Konzeption von Wahrheit (z.B. durch eine pragmatische Wahrheitstheorie, vgl. P E I R C E , 1878/1968) erreicht werden kann, ist eine Frage von weitreichender wissenschaftstheoretischer Bedeutung, die hier lediglich aufgeworfen werden kann.

83 versuchen, die Normativität von Urteilen in den Vordergrund zu stellen und so Vorurteile nicht mehr als abweichend von der (objektiven) Realität, sondern als abweichend von wichtigen Normen der jeweiligen Gesellschaft zu konzipieren (vgl. H A R D I N G et al., 1969, p.5ff.; BRIGHAM, 1971, oder Moscovici, 1976/1979, für ähnliche Auffassungen). Ein solcher Versuch widerspricht nicht der normativen Verankerung von Vorurteilen im Sinne von WESTIE (1964), denn nicht alle Normen innerhalb einer Gesellschaft oder von Gesellschaft und relevanten Subgruppen stehen in konsistenter Beziehung zueinander (s. MYRDAL, 1944; für empirische Demonstrationen: MINARD, 1952, und WESTIE, 1965). Eine solche normative Sicht der Fehlerhaftigkeit hat sich auch in Teilen der kognitiven Psychologie bewährt: So definieren NISBETT & Ross (1980, p.13) Fehler als Abweichungen von den Normen, die durch Konsensus der entsprechenden Wissenschaftler entstehen. Eine normative Konzeption des Vorurteils stellt auch die psychologischen Grundlagen der Urteilsbildung besser in Rechnung. Nach bisherigen Erkenntnissen aus der psychologischen Forschung können menschliche Urteile eben nicht auf der Basis von gesicherter Wahrnehmung der objektiven Sachverhalte entstehen, da sowohl Wahrnehmung als auch Urteilsbildung theorieabhängig sind (vgl. dazu insbesondere die Ergebnisse von Untersuchungen im Rahmen der Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung in LILLI, 1978; s.a. NISBETT & Ross, 1980). Menschliche Urteile sind also von subjektiven Theorien geleitet, und diese Theorien stimmen im besten Fall lediglich mit den wissenschaftlichen Theorien zu dem jeweiligen Urteilszeitpunkt überein. Aber selbst in diesem Fall kann über die Wahrheit der Urteile wenig ausgesagt werden. Dazu ein Beispiel: In der Geschichte der Physik wurde die Theorie von Newton jahrhundertelang als wahr angesehen. Nach klassischer Forschungstradition wäre dies ein «wissenschaftliches Vorurteil» par excellence, vorausgesetzt, man akzeptiert - wie heute allgemein üblich - die Einsteinsche Theorie als objektiv wahr. Nach normativer Auffassung würde man dagegen diejenigen Theorien als wissenschaftliche Vorurteile bezeichnen, die von der Newtonschen Theorie während «ihrer Zeit» abgewichen sind. Vorurteile werden in normativer Sicht also nicht mehr an

84

Rehm: Theoretische und methodologische Probleme bei der Erforschung von Vorurteilen

der (ohnehin nicht feststellbaren - s.o.) Realität gemessen, sondern an der jeweils geltenden

Norm. Das bedeutet auch, daß das gleiche Urteil in verschiedenen Situationen je nach normativem Kontext als Vorurteil bezeichnet wird oder nicht. Diese Unterscheidung kann psychologisch gerechtfertigt werden, denn für den Urteiler besteht ein wichtiger Unterschied darin, ob sein Urteil mit der geltenden Norm übereinstimmt oder nicht (vgl. dazu z.B. Moscovici, 1976/1979). Bisher wurden Beispiele dafür gegeben, daß Vorurteile von wissenschaftlichen Normen abweichen, d.h. insbesondere vom Konsens der Wissenschaftler darüber, welches Urteil eine zutreffende Darstellung der realen Sachverhalte bildet und welches nicht. Eine normative Sichtweise erlaubt aber auch, Urteile wie «Ich hasse alle Deutschen» in die Vorurteilsforschung miteinzubeziehen. Dieses Urteil kann sicherlich nicht mit Aussagen in Widerspruch stehen, die sich auf eine Realität außerhalb des Urteilers beziehen (vgl. dazu allgemein CHISHOLM, 1 9 7 9 ) ; es verstößt aber dennoch gegen eine (ethische) Norm, nämlich gegen das christliche Gebot der Nächstenliebe. Obwohl solchen Urteilen entsprechende Einstellungen umgangssprachlich zu den Vorurteilen gezählt werden, gehören sie aus den oben angeführten Gründen strenggenommen nicht in den Phänomenbereich der klassischen Vorurteilsforschung . Würden Vorurteile dagegen als Attitüden verstanden, die zum einen Teil einer Gruppenkultur sind und auf diese Weise vorschriftmäßigen Charakter besitzen, zum anderen aber auch gegen andere Normen dieser Gruppe verstoßen (= normative Konzeption der Vörurteilsforschung), so wäre eine größere Übereinstimmung von umgangssprachlichem und wissenschaftlichem Begriff gegeben. Eine solche Übereinstimmung stellt zwar keinen Wert an sich dar, ist aber im vorliegenden Fall hilfreich, weil das umgangssprachliche Konzept auch die Einstellung dessen beeinflussen könnte, der sich vorurteilshaft äußert. Eine derartige Beeinflussung führt in der Vörurteilsforschung relativ häufig zu sogenannten sozial erwünschten Antworten. Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß eine normative Konzeption der Vörurteilsforschung zumindest von der Theorie her in der Lage zu sein scheint, die Phänomene der klassischen Vörurteilsforschung einer Lösung näherzubringen.

Folgerung 2: Um festzustellen, inwieweit ein normatives Konzept der Vörurteilsbildung traditionelle Phänomene der Vörurteilsforschung aufzuklären hilft, müßten die Kernannahmen dieses Konzepts einer methodisch überzeugenden Prüfung unterzogen werden. Diese Folgerung ergibt sich auch daraus, daß die bisherigen empirischen Prüfungen von Teilfragestellungen, die den normativen Ansatz bestätigen oder verwerfen könnten, methodisch nicht überzeugend waren. Zumeist wurden Ergebnisse aus Umfragen ohne Variation entsprechender unabhängiger Variablen kausal interpretiert (vgl. R E H M et al., 1985).

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^

I

H

A

87

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986,17,87-90

Meßtheoretisch bedeutsame oder psychologisch sinnvolle Einstellungsmodelle? BERNHARD ORTH Universität Hamburg

N e b e n ORTH ( 1 9 8 5 ) s c h l ä g t DOHMEN ( 1 9 8 5 ) E i n s t e l l u n g s m o -

delle vor, die die herkömmlichen Produktsummenmodelle derart modifizieren, daß ihre empirische Anwendung lediglich Intervallskalenniveau für die beteiligten Variablen erfordert. Es wird gezeigt, daß die von DOHMEN vorgeschlagenen Modelle jedoch in vielen Fällen zu psychologisch unplausiblen Vorhersagen führen und deshalb als Alternativen zu Produktsummenmodellen wenig geeignet erscheinen.

Ausgehend von der bedeutsamkeitstheoretischen Analyse einiger bilinearer Einstellungsmodelle durch O R T H ( 1 9 8 5 ) untersucht D O H M E N ( 1 9 8 5 ) weitere Aspekte dieser Modelle, insbesondere des von O R T H ( 1 9 8 5 ) vorgeschlagenen modifizierten Produktsummenmodells, das lediglich Intervallskalenniveau für die beteiligten Variablen erfordert, und schlägt selbst weitere Modelle mit ebendieser Eigenschaft als Alternativen zu Produktsummenmodellen vor. Im vorliegenden Beitrag wird aufgezeigt, daß die von D O H M E N ( 1 9 8 5 ) vorgeschlagenen Modelle in vielen Fällen jedoch zu psychologisch unplausiblen Vorhersagen führen. Dies veranschaulicht den Sachverhalt, daß Modelle, die meßtheoretisch sinnvolle (bedeutsame) Aussagen gestatten, nicht notwendigerweise auch psychologisch sinnvoll sind. Zu betrachten sind die folgenden multiattributiven Modelle, die hier in vereinfachter Schreibweise dargestellt werden (vgl. O R T H , 1 9 8 5 ; D O H MEN, 1985). Ein Produktsummenmodell ist ein bilineares Modell der Form n

c = f ( X AjBj), i=l

(1)

wobei A, B und C Variablen sind, n die Anzahl der Attribute bezeichnet und f eine monoton steigende (u.U. positiv lineare) Funktion ist. Ohne Zusatzannahmen (s. O R T H , 1 9 8 5 ; D O H M E N , 1 9 8 5 ) er-

In addition to ORTH (1985), DOHMEN (1985) proposes attitude models which are modifications of product-summation models but require only interval-scale level for the measurement of the variables involved. The models suggested by DOHMEN, however, are shown to yield predictions that are often counter-intuitive. It is therefore called in question that these models are the right substitutes for product-summation models.

fordert die empirische Anwendung dieses Modells Verhältnisskalenniveau für die Variablen A und B. Aus diesem Grunde schlug O R T H (1985) ein modifiziertes Modell vor, das lediglich Intervallskalenniveau für A und B erfordert: n C = f ( L (Ai+aHBj+b)) i= l

(2)

n n n = f ( £ A ^ b £ A;+a £ BJ+abn), (2*) i=l i=l i=l wobei a und b Konstanten sind. 1 Dieses Modell ist eine Verallgemeinerung von Modell (1) und ebenfalls ein bilineares Modell. D O H M E N (1985) erörtert Möglichkeiten der Parameterschätzung und diskutiert die inhaltliche Bedeutung der Konstanten a und b (wobei er leider nur auf eine der beiden von ORTH, 1985, p. 114, genannten möglichen Interpretationen von a und b eingeht). Als andere Alternativen zum Produktsummenmodell (1) schlägt D O H M E N (1985) die folgenden Modelle (3) und (4) vor, deren empirische Anwendung ebenfalls nur Intervallskalenniveau erfordert:

1

Dieses Modell findet sich auch bei LAROCHE (1978). Ich danke Jörg Doli für diesen Hinweis.

Orth: Meßtheoretisch bedeutsame oder psychologisch sinnvolle Einstellungsmodelle?

88

n C = f ( I (ArÄ)(BrB)) i=l

(3)

n AjBj-nÄB)

= f ( £

(3*)

i=l = f (n • covAB),

(3**)

wobei Ä und Bdie arithmetischen Mittelwerte der Meßwerte Aj und B; sind und cov AB deren Kovarianz ist. Das Modell (4) lautet 1 c

=

f

(n

11

£

i=l

= f (rAB),

A:-ÄB:-B " 1 A— 4 — ) B

W

(4**)

wobei s A und s B die Standardabweichungen der Meßwerte Aj und Bj sind und r AB der ProduktMoment-Korrelationskoeffizient ist. Diese Modelle können als «Kovarianzmodell» und als «Korrelationsmodell» bezeichnet werden. Ferner erwähnt DOHMEN (1985) ein weiteres Modell, das sich durch Ersetzen von r AB in (4**) durch den H 2 -Korrelationskoeffizienten ergibt. Zunächst ist festzustellen, daß im Gegensatz zu Modell (2) die Modelle (3) und (4) keine Verallgemeinerungen des Produktsummenmodells (1) sind (und natürlich auch keine Spezialfälle). Auch von Modell (2) sowie untereinander sind die Modelle (3) und (4) in diesem Sinne unabhängig. Ferner sind diese beiden Modelle im Gegensatz zu den Modellen (1) und (2) keine bilinearen Modelle. (Ist eine der beiden Variablen, A oder B, konstant, so ist die Kovarianz Null und die ProduktMoment-Korrelation [wie auch n 2 ] Undefiniert.) Ein Produktsummenmodell spezifiziert das Zusammenwirken zweier Variablen (A und B) auf eine dritte Variable (C; z. B. Einstellung oder Präferenz) durch eine algebraische Verknüpfung dieser Variablen. Dagegen ersetzen die Modelle (3) und (4) diese algebraische Verknüpfung durch ein statistisches Maß für den Zusammenhang zwischen den Variablen A und B. Dieses Vorgehen ist

nicht nur etwas ungewöhnlich in der psychologischen Theorienbildung, sondern kann - zumindest in diesem Fall - auch aus inhaltlichen Gründen nur wenig überzeugen. Warum sollte z. B. die Einstellung umso positiver sein, je größer die Kovarianz oder Korrelation zwischen Überzeugungsstärken und Bewertungen ist? Dagegen besagt das Produktsummenmodell, daß eine Einstellung umso positiver ist, je stärker (oder zahlreicher) die positiv bewerteten und je geringer (oder seltener) die negativ bewerteten Attribute dem Einstellungsobjekt zugeschrieben werden (und je positiver die positiv und je negativer die negativ bewerteten Attribute sind). Diese grundlegende Eigenschaft des Produktsummenmodells liegt zahlreichen Erwartungs-Wert-Modellen zugrunde und findet sich als Grundannahme neuerdings explizit auch im Komponentenmodell sozialer Einstellungen (FEGER, 1985). Daß diese Vorhersagen des Produktsummenmodells einerseits und der Modelle (3) und (4) andererseits sehr unterschiedlich und für die letzteren Modelle vor allem psychologisch unplausibel sein können, läßt sich anhand einfacher Datenbeispiele veranschaulichen, wie sie in Tabelle 1 angegeben sind. In Beispiel 1 sind die Werte A, und B| für alle n = 5 Attribute positiv; entsprechend sind die Produktsumme und auch Kovarianz und Korrelation positiv. Werden nun einige B, größer (Beispiel 2), so sollte die Einstellung bzw. Präferenz (Variable C) positiver werden; entsprechend wird die Produktsumme größer, Kovarianz und Korrelation verringern sich jedoch auf Null. Bei weiterer Vergrößerung einiger Bj in Beispiel 3 sollte die Einstellung weiterhin positiver werden, jedoch werden Kovarianz und Korrelation nun sogar negativ. Im Beispiel 4 sind einige positive B| durch negative ersetzt worden: Die Einstellung sollte jetzt geringer sein, aber Kovarianz und Korrelation vergrößern sich (auf Null). Werden auch die übrigen B; durch negative Werte ersetzt (Beispiel 5), sollte sich die Einstellung weiter verringern und negativ sein; Kovarianz und Korrelation werden jetzt jedoch größer und positiv. Werden nun zunächst einige (Beispiel 6) und dann alle (Beispiel 7) Werte Aj durch negative ersetzt, sollte die Einstellung zunehmend positiver werden; Kovarianz und Korrelation verhalten sich jedoch wiederum gegenläufig. Bei Ersetzen zunächst einiger (Beispiel 8) und dann aller (Beispiel 9) negativer Werte Aj und B, (mit demselben i) durch posi-

89

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986,17,87-90 Tab. 1: Datenbeispiele mit den Vorhersagen des Produktsummenmodells (l)(lA|Bi),desKovarianzmodells(3)(n • cov AB ) und des Korrelationsmodells (4) (r AB ). Beispiel

2

1 A

Bi

Ai

Bi

Ai

Bi

Ai

Bi

5 4 3 2 1

5 4 3 2 1

5 4 3 2 1

5 4 3 4 5

5 4 3 2 1

5 4 4 5 6

5 4 3 2 1

5 -2 -3 -4 6

+55

+63

ncovAB

+10

0

R

+ 1.00

AB

4

3

i

Beispiel

+69 - 3 .00

5

+6

-

0 .57

.00

7

6

8

Ai

Bi

Ai

Bi

A

i

Bi

Aj

B;

5 4 3 2 1

-1 -2 -3 -4 -5

-5 4 3 -2 -1

-1 -2 -3 -4 -5

-5 -4 -3 -2 -1

-1 -2 -3 -4 -5

5 4 -3 -2 -1

1 2 -3 -4 -5

-35

+1

n•covAB

+10

-2

-10

+40,4

•AB

+ 1.00

- .09

- 1.00

+

Beispiel

9

10 Bi

Ai

Bi

Ai

Bj

5 4 3 2 1

1 2 3 4 5

-5 -4 3 2 1

1 2 3 -4 -5

-5 -4 -3 -2 -1

1 2 3 4 5

5 4 3 2 1

1 2 3 4 5

-10

R

-

AB

B

i

12

Ai

-17

i

11

.89

Bi

+35

A

+35

Ai

ncovAB

E

+35

1.00

-35

+35

-18,i 8

+10

-10

-

+

-

.35

1.00

1.00

tive Werte, sollte sich die Einstellung nicht ändern; dagegen werden Kovarianz und Korrelation zunächst stark positiv und dann deutlich negativ. In Beispiel 10 sind einige A ; und Bj (mit unterschiedlichen i) durch negative Werte ersetzt worden, so daß sich die Einstellung verringern sollte; die Korrelation erhöht sich jedoch. Werden sämtliche A t negativ und die B; wieder positiv (Beispiel 11), sollte sich die Einstellung weiter verringern und negativ sein; Kovarianz und Korrelation werden jedoch größer und positiv. Dies entspräche der zu erwartenden Einstellung in Beispiel 12; hier sind Kovarianz und Korrelation jedoch negativ.

Während in diesen Beispielen also ein Produktsummenmodell die inhaltlich zu erwartenden Veränderungen in der Variablen C (Einstellung) zumindest ordinal angemessen erfaßt, kommen das Kovarianz- und das Korrelationsmodell nahezu durchgängig zu den jeweils gegenteiligen Vorhersagen. Dies gilt auch für ein Korrelationsmodell, das den |i 2 -Koeffizienten verwendet (da sich r und n 2 i n den obigen Beispielen ähnlich verhalten). Auch wenn die Beispiele in Tabelle 1 konstruiert sind, zeigen sie doch, daß die Modelle (3) und (4) in vielen Fällen psychologisch unplausibel sind und deshalb als Alternativen zum Produktsummenmodell (1) wenig geeignet erscheinen. Einschränkend ist lediglich anzuführen, daß die unplausiblen Vorhersagen der Modelle (3) und (4) im allgemeinen weniger drastisch sind, wenn sowohl für A als auch für B positive und negative Werte (in etwa gleicher Anzahl) vorliegen, da die Vorhersagen dann wenigstens dem Vorzeichen nach besser mit denen des Modells (1) übereinstimmen. Werden bei einer empirischen Anwendung des Produktsummenmodells anstelle der Meßwerte Aj und Bj deren Abweichungswerte Ai - Aund Bj - B bzw. deren z-transformierte Werte verwendet, so daß also die Modelle (3) und (4) anstelle von (1) resultieren, so verringert sich zwar das erforderliche Skalenniveau von Verhältnis- auf Intervallskalenniveau, aber es verändern sich gleichzeitig - wie gezeigt wurde - grundlegende inhaltliche Aussagen des Produktsummenmodells. So haben DOHMEN & DOLL (1984) durch die empirische Prüfung des Modells (1) mittels ztransformierter Meßwerte de facto Modell (4) und damit ein auch inhaltlich anderes und gleichzeitig weniger plausibles Modell getestet. Auch Einstellungsmodelle sollten weder meßtheoretisch nicht sinnvolle Aussagen beinhalten (bzw. ein unrealistisches Skalenniveau erfordern) noch inhaltlich unplausibel sein; sie sollten also sowohl meßtheoretisch bedeutsam als auch psychologisch sinnvoll sein. Beide Forderungen sind als notwendige (aber keineswegs hinreichende) Bedingungen für ein Modell zu betrachten und schließen sich keineswegs aus. Auch im obigen Sinne meßtheoretisch bedeutsame Modelle sollten selbstverständlich ihren Gegenstandsbereich angemessen beschreiben können. Dies ist jedoch, auch ohne empirische Prüfung, für die von DOHMEN (1985) vorgeschlagenen Modelle aufgrund

90

Orth: Meßtheoretisch bedeutsame oder psychologisch sinnvolle Einstellungsmodelle?

ihrer mangelnden psychologischen Plausibilität zu bezweifeln.

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B

91

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986,17,91-98

Empirie Handlungstheoretische Analysen politischer Partizipation: Anmerkungen zu ORTH (1985) sowie weiterführende Überlegungen und Befunde GÜNTER KRAMPEN Universität Trier In einer Replik auf die Kritik von ORTH (1985) an einer Arbeit zur handlungstheoretischen Rekonstruktion und Vorhersage verschiedener Formen der politischen Partizipation (KRAMPEN & WÜNSCHE, 1985) wird die einseitig methodisch ausgerichtete, destruktive Perspektive Orths kritisiert, in der theoretische Bezüge und konstruktive Elemente vollkommen fehlen. Anhand neuer Daten (N = 121, Kreuzvalidierung: N = 86) wird erneut der Wert handlungstheoretischer Modellvorstellungen für die Partizipationsforschung belegt, wobei - für die Forschungsentwicklung konstruktiv - (1) die Überlegenheit theoretisch abgeleiteter lokaler Variablenverknüpfungen gegenüber anderen - globalen - bestätigt und (2) ein zu den kritisierten korrelationsstatistischen Auswertungen alternatives methodisches Vorgehen (Prädiktionsanalyse) fruchtbar realisiert wird.

In a rejoinder to ORTH'S (1985) criticism of our action-theoretical analysis of political participation (KRAMPEN & WUNSCHE, 1985) Orth's purely methodological, destructive perspective is criticized for neglecting theoretical considerations and not presenting constructive elements. New data (N = 121, cross-validation with N = 86) demonstrate again the usefulness of an action-oriented approach to political participation. With respect to further developments of research, (1) it is shown that the expectancy-value-theoretical combination of variables provides predictions superior to alternative combinations of variables, and (2) an alternative statistical approach (prediction analysis) to data analysis is realized, which overcomes problems of the criticized correlational analyses.

1.

unverständlich. Im folgenden werden nach einer kurzen Stellungnahme zu den beiden Kritikpunkten ORTHS (1985) solche für die Forschungsentwicklung konstruktiven Perspektiven exemplarisch entwckelt und ihr Nutzen anhand neuer Daten demonstriert. Punkt (1) der Kritik betrifft «Inkonsistenzen in der Darstellung» (ORTH, 1985, p. 281) des differenzierten Erwartungs-Wert-Modells. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich diese scheinbar theoretische Kritik als eine methodische: nur in der empirischen Umsetzung des Modells wird nicht von einer multiplen «Folgen-Liste» ausgegangen, nicht jedoch in seiner Darstellung (s.a. KRAMPEN, 1984). Dies geschieht offen und ist auf dem Hintergrund des über strukturierte Interviews realisierten, bereits durch die multiple «Ereignis-Liste» enormen Erhebungsaufwandes für die Befragten verständlich. Die daraus abgeleite-

A n m e r k u n g e n zu ORTH (1985)

In seiner Stellungnahme zu unserer theoretisch und empirisch ausgerichteten Arbeit zu einer handlungstheoretischen Analyse politischer Partizipation (KRAMPEN & WÜNSCHE, 1985), die auf

einem differenzierten Erwartungs-Wert-Modell fußt, konzentriert sich ORTH (1985) im wesentlichen auf zwei methodische Aspekte. Wir halten diesen Ansatz deshalb für verfehlt, da zentrale andere Aspekte unseres Beitrages nicht beachtet werden. Zudem ist ORTHS Stellungnahme ausschließlich destruktiv orientiert, bietet somit - in der Diskussion - auch nicht den (oder gar «die») kleinsten Ansatzpunkt(e) für Weiterentwicklungen der Forschung. Wenn ORTH an einer solchen konstruktiven Fortschreibung dieses Forschungsansatzes gelegen ist (was sich in seinem Schlußwort andeutet), bleibt dies vollkommen

92

K r a m p e n : Handlungstheoretische Analysen politischer Partizipation

te, im Titel von ORTHS (1985) Stellungnahme angesprochene Folgerung, es handle sich daher nicht um eine differenzierte empirische Prüfung eines differenzierten Erwartungs-Wert-Modells trifft allein schon deswegen nicht zu, weil andere (vermutlich wegen der ohnehin problematischen, da Pespektiven-abhängigen Unterscheidung von Ergebnis/Ereignis und Folgen wichtigere) Differenzierungen (etwa die zwischen Kompetenz- und Kontrollerwartungen, dem Konzept der Situations-Ereignis-Erwartungen) empirisch realisiert, jedoch von ORTH augenscheinlich «übersehen» wurden. Auch der Bezug ORTHS auf VROOM ( 1 9 6 4 ) als Kriterium für die «Differenziertheit» unseres Modells ist falsch. Zum ersten bedeutet die Bezeichnung «differenziertes Erwartungs-WertModell» nicht notwendigerweise, daß es sich um ein (vollkommen?) neues Modell handeln muß, sondern daß es im Vergleich zum erwartungswert-theoretischen Grundmodell (siehe unten) relevante Differenzierungen auf Konstruktebene beinhaltet. Zum zweiten liegt der wissenschaftshistorische Ursprung dieser Differenzierungen nicht bei VROOM ( 1 9 6 4 ) , sondern in den an der Schnittstelle behavioristischer und kognitivistischer Forschungsparadigmen in der Psychologie vorgelegten Arbeiten ROTTERS ( 1 9 5 5 ) . ROTTERS Arbeiten werden aber wohl im Original nur selten gelesen und in Sekundärquellen wird meist nur das unverästelte Grundgerüst seiner sozialen Lerntheorie skizziert. ORTH ( 1 9 8 5 ) meint schließlich, daß nicht in allen Erwartungs-Wert-Modellen von multiplen Ereignis- bzw. Ergebnislisten ausgegangen wird. Dies ist sicherlich richtig, aber - wie die von ihm bemühte Literatur zeigt - handelt es sich durchweg um ältere Arbeiten, die nicht den Forschungsstand widerspiegeln. Der zweite Kritikpunkt ORTHS ( 1 9 8 5 ) ist ungleich ernster zu nehmen. Hier legt er die Hand auf eine seit langem bestehende, bislang nur pragmatisch behandelte (also nicht geheilte) Wunde empirischer Arbeiten zu Erwartungs-Wert-Modellen. Es geht hier um die in vielen empirischen Arbeiten realisierte korrelationsstatistische Auswertung von Variablen, die über Produkt- oder Produktsummenbildung aus den Rohdaten abgeleitet und konstruiert werden (vgl. etwa auch den Versuch, auf diese Weise «Interaktionen» in korrelationsstatistischen Auswertungen in den «Griff» zu bekommen; BREDENKAMP & ERDFEL-

1985; SCHENK et al., 1985). Positiv lineare Transformationen solcher Produktvariablen, die mathematisch-statistisch bei Intervallskalenniveau erlaubt sind, können zu Varianten Korrelationskoeffizienten führen, und es besteht die Gefahr nicht bedeutsamer Ergebnisse. O R T H (1985) führt dieses Argument mathematisch aus und vollzieht die bereits von SCHMIDT (1973; s.a. DER,

MITCHELL, 1 9 7 4 ; A R N O L D & EVANS, 1 9 6 9 )

ge-

führte Argumentationslinie nach. Ebenso wie MITCHELL (1974) auf SCHMIDT (1973) reagierte, kann hier auch auf die von ORTH (1985, Tab. 1) demonstrierten Effekte linearer Transformationen auf die Koeffizientenwerte reagiert werden. Die vorgenommenen Transformationen der Grundvariablen mögen zwar mathematisch erlaubt und korrekt sein, sie sind aber psychologisch nicht sinnvoll und nicht erlaubt, da es etwa Unsinn ist, den «psychologischen Nullpunkt» bei bipolaren Skalen zu verschieben. Auf diese Art und Weise kann aus einer positiven Ereignisbewertung leicht eine negative werden, was - zumal bei gegensinnigen Transformationen zweier Variablen ( O R T H transformiert y' = l y + 2 u n d z ' = l z - 1 ! ) - nicht mehr das Erleben der befragten Person repräsentiert. Die von uns verwendeten Skalen zur Erhebung der Modellvariablen sind eben nicht willkürlich, sondern gezielt und unter Theoriebezug gewählt worden. Wagt man die Behauptung, unsere bipolaren Skalen hätten wegen des vorhandenen natürlichen Nullpunkts Ratioskalenniveau, so wären die von ORTH vorgenommenen Transformationen ohnehin auch mathematisch nicht zulässig. Verzichtet man auf diese Annahme, so zeigt sich auf jeden Fall das Dilemma von zwar mathematisch zulässigen, psychologisch aber nicht sinnvollen Datentransformationen, das ein Hinweis auf die (zumindest partielle) Inadäquatheit statistischer Methoden für die psychologische Forschung ist (s. MICHAELIS, 1985). Unterschiede sind zu machen, alternative Methoden zu entwickeln. H A C K M A N & PORTER (1968) unterscheiden mit Bezug auf korrelationsstatistische Studien zu Erwartungs-Wert-Modellen so etwa im Anschluß an COMFREY (1951) zwischen «praktischen Validitätskriterien»und «fundamentalen meßtheoretischen Kriterien». Danach ist es nicht legitim, multiplikativen Erwartungs-Wert-Modellen psychometrisch, d.h. auf mathematischmeßtheoretischer Basis, Validität zuzusprechen; Verrechnungsarten dieser Art sind jedoch auf der

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1 9 8 6 , 1 7 , 9 1 - 9 8

Basis extramathematischer Begründungen, also etwa der Tatsache, daß sie dazu (evtl. besser als andere) geeignet sind, Kriterien variablen vorherzusagen, erlaubt (vgl. hierzu auch H A Y S , 1 9 5 3 ) . Diesem Ansatz und der P r ü f u n g des Nutzens einer alternativen Auswertungsstrategie für erwartungs-wert-theoretische Datensätze wird in Teil 2 dieser Arbeit nachgegangen. Somit beschränkt sich die mathematisch-statistisch versierte, jedoch in theoretisch-inhaltlicher Hinsicht wenig fundierte Kritik O R T H S ( 1 9 8 5 ) auf rein methodische Aspekte, deren Wichtigkeit natürlich nicht unterschätzt werden darf, die aber konstruktiver angegangen werden müssen als O R T H es tut. Dies wirft auch ein Licht auf einige aktuelle Entwicklungen in der Psychologie allgemein, die in den Editoriais der Zeitschrift für Sozialpsychologie unlängst Gegenstand der Reflexion waren ( H O L Z K A M P , 1 9 8 4 ) . Auch dort wurde der Trend thematisiert, daß es bei einer zunehmenden Beschränkung auf formal-mathematische Fragen zu einer immer stärkeren Ignorierung inhaltlich-psychologischer Fragen kommen kann, wodurch die Psychologie in Gefahr gerät, unter der Hand ihren Gegenstand zu verändern. Methodische Analysen sind notwendig, theoretische Aspekte und (praktische) Probleme dürfen aber nicht «zum relativ beliebigen Beispiel für eine aus diesem Anlaß vorzuführende Verfahrensweise » ( H O L Z K A M P , 1 9 8 4 , p. 1 0 3 ) werden. Auch der sich andeutende Rückzug vieler Psychologen auf den scheinbar (relativ zum wirklichen Fortschritt dieser Disziplinen) «sichereren» Boden der mathematischen Statistik und der Physiologie kann als Symptom einer latenten Gegenstandsveränderung der Psychologie genommen werden, die weder aus der Wissenschaftsge-

Allgemeine Einflußerwartung (Kontrollüberzeugung K)

93

schichte abgeleitet werden sollte noch für ihre Zukunft zu hoffen gibt. Die Alternative, nichts (mehr) zu tun oder nur noch Getanes zu kritisieren, ohne Perspektiven zu bieten, sollte auf dem Hintergrund der bisherigen Psychologiegeschichte ebenfalls nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden.

2.

Eine (weiterführende) empirische Studie

Im folgenden wird über eine empirische Studie berichtet, in der durch Vergleiche prognostischer Modelle und durch die (ergänzende) Realisierung eines alternativen Auswertungsvorgehens für erwartungs-wert-theoretische Variablensätze konstruktiv die Fortentwicklung eines handlungstheoretischen Forschungsprogramms für die politische Partizipationsforschung betrieben wird, die - auch dies ist symptomatisch (s.o.) - in der Stellungnahme O R T H S ( 1 9 8 5 ) gar keine Rolle gespielt hat. Ohne zwischen Ergebnis/Ereignis- und Folgebewertungen sowie zwischen verschiedenen Erwartungstypen zu unterscheiden, wird dabei versucht, politisches Engagement durch die kognizierten Folgen und die Bewertung dieser Folgen vorherzusagen. Realisiert wird somit das erwartungs-wert-theoretische Grundmodell, das auf Valenzen und Erwartungen basiert (siehe W E R B I K , 1 9 7 8 , K R A M P E N , 1 9 8 2 ) . Der Variablenraum der Untersuchung ist in Abbildung 1 zusammengefaßt. Handeln (H) wird auf subjektive Valenzen (V) und allgemeine Einflußerwartungen (K), politisches Engagement (POL) auf die gleichen subjektiven Valenzen (V) und auf für politisches Handeln spezifische Einflußerwartungen (E bzw. Z; s.u.) zurückgeführt. Kernhypothese

Subjektiv« Valenzen 1

Aktuelle Lebenssituation

Handeln

Aktuelle politische Systemzugehörigkeit

Politisches Engagement (POL)

Handlungsspezifische Einflußerwartung (E bzw. Z)

Ergebnisse/ Folgen/ Ziele Abb. 1: Erwartungs-Wert-theoretisches Grundmodell für die Analyse politischen Engagements.

Krampen: Handlungstheoretische Analysen politischer Partizipation

94

ist, daß sich durch die (multiplikative) Verknüpfung von V und E (bzw. Z) politisches Engagement vorhersagen läßt. Zusätzlich wird - zur Absicherung gegen willkürliche Ergebnisse und zur Sicherung der «praktischen Validität» der Befunde - angenommen, daß die Vorhersagen politischen Engagements nach dieser modellspezifischen Verknüpfung besser gelingen als (a) durch die Einzelvariablen (V, E, Z und K) und (b) durch eine modellspezifische Variablenverknüpfung, die auf diegleichen Valenzen (V), nicht jedoch auf für politisches Engagement spezifische Einflußerwartungen (sondern die allgemeinen K) rekurriert. Es wird mit einer multiplen «Ergebnisliste» in Wichtungsmodellen operiert. Die Valenzen beziehen sich auf persönliche Wertorientierungen, nicht auf antizipierte politische Ereignisse (wie b e i KRAMPEN & WÜNSCHE, 1 9 8 5 ) . - D i e M o d e l l -

prüfung ist somit enger an die ursprünglichen Erwartungs-Wert-Theorie angebunden, Bezüge zu anderen Theorieentwürfen werden nicht herges t e l l t ( s . a . KRAMPEN, 1 9 8 4 ; KRAMPEN & W Ü N SCHE, 1 9 8 5 ) .

2.1

präsentativen Umfragen bei jungen Erwachsenen ermittelten Vergleichszahlen ( 5 - 8 % bei CARLBERG, 1 9 8 2 / 1 9 8 3 ) , s p r e c h e n

aber gegen eine weit überdurchschnittliche Politisierung der heutigen Psychologiestudenten. Erhebung der Modellvariablen. Im Fragebogen wurden ferner die folgenden vier Modell variablen (s. Abb. 1) erhoben: (1) Die subjektive Bewertung (Valenz, V) von 18 Ziel- und Wertorientierungen auf bipolaren Skalen, die von « - 3 » (= «möchteich in meinem Leben vermeiden») über «0» (= «ist mir egal/gleichgültig») bis «+3» (=«möchte ich in meinem Leben erreichen») reichen. Verwendet wurde eine um soziale Komponenten differenzierte und aus inhaltlichen Gründen in zwei Aspekten modifizierte Liste der von ROKEACH (1973) vorgelegten terminalen Werte (eine Aufstellung findet sich in Tab.l). (2) Die subjektive Erwartung (K), die Erreichung bzw. Verhinderung des jeweiligen Zieles durch eigenes Handeln allgemein beeinflussen und kontrollieren zu können. (3) Die subjektive Erwartung (E), die Erreichung bzw. Verhinderung des jeweiligen Zieles durch das aktuell realisierte politische Engagement zu beeinflussen. (4) Die subjektive Erwartung (Z), die Erreichung bzw. Verhinderung des jeweiligen Zieles durch eine Intensivierung des politischen Engagements in der nahen Z u k u n f t stärker beeinflussen zu können. Die unter (2) bis (4) genannten Aspekte instrumenteller Überzeugungen (Einflußerwartungen) wurden ebenfalls auf bipolaren Skalen erhoben, die von «+3 »(=starker Einfluß auf die Zielerreichung) über «0» (= kein Einfluß) bis « - 3 » (= starker Einfluß auf die Zielverhinderung) reichen.

Methode

Stichprobe. An einer ersten Datenerhebung waren 121 Psychologiestudenten (Stichprobe A; x = 21,4, s = 3,24 Jahre; 72 Studentinnen, 79 Erstsemester und 42 Dritt- bis Siebtsemester), an einer zweiten, ein Jahr später zur Kreuzvalidierung der Befunde durchgeführten Erhebung 86 Psychologiestudenten (Stichprobe B; x = 20,7, s = 2,46 Jahre; 49 Studentinnen, ausschließlich Erstsemester) beteiligt. In beiden Stichproben wurde ein identischer Fragebogen eingesetzt, mit dem die im folgenden aufgeführten Kriterien politischen Engagements und Modell variablen erhoben wurden. Kriterien politischen Engagements. Im ersten Teil des Fragebogens wurden die Informanden gebeten, (a) ihr politisches Interesse, (b) ihr aktuelles politisches Engagement und (c) ihre Motivation, sich in naher Z u k u n f t stärker als bisher politisch zu engagieren, auf 6stufigen Likertskalen einzuschätzen. Zusätzlich sollte auf einer 7stufigen graphischen Schätzskala die Zufriedenheit mit den politischen Gegebenheiten in der Bundesrepublik angegeben werden. Neben diesen eher «weichen» Indikatoren politischen Engagements wurden als «harte» Außenkriterien Mitgliedschaften in politischen Parteien (Stichprobe A: N = 5, Stichprobe B: N = 3), in Bürgerinitiativen (A: 4, B: 4), in politischen Studentengruppen (A: 21, B: 2) und in sonstigen politischen Gruppierungen (A: 1, B: 2) erfragt. 25,6% von Stichprobe A und 12,8% von Stichprobe B gibt somit an, in einer politischen Gruppierung aktiv zu sein. Vernachlässigt man die Aktivität in politischen Studentengruppen, die mit der Semesterzahl kovariiert, so kommt man auf Quoten für «universitätsexterne politische Aktivität» von 8,3 bzw. 10,5%. Diese Werte liegen zwar etwas über den in re-

2.2

Ergebnisse

Die Ergebnisdarstellung konzentriert sich auf die Daten aus Stichprobe A; auf die aus Stichprobe B wird im Sinne einer Kreuzvalidierung der Befunde Bezug genommen. Weitere Ergebnistabellen können vom Autor angefordert werden. Korrelationsstatistische Modellprüfung. Entsprechend dem Wichtungsmodell der Erwartungs-Wert-Theorie wurden zunächst die Produkte aus Valenzen und Einflußerwartungen zu den Indikatoren politischen Engagements über multiple Regressionsanalysen in Beziehung gesetzt. Exemplarisch für das Kriterium «aktuelles politisches Engagement» finden sich die entsprechenden Befunde in Tabelle 1. Es zeigt sich, daß keine der Prädiktorvariablen (V, E oder K) allein eine statistisch bedeutsame Vorhersage dieses Kriteriums erlaubt. Es zeigen sich zwar einige, z.T. aus der Literatur bekannte (s. etwa SCHNEIDER, 1983) statistisch bedeutsame Einzelkorrelationen, die sich aber nicht in statistisch bedeutsamen multiplen Korrelationskoeffizienten niederschlagen . Solche ergeben sich nur bei der wichten-

95

Zeitschrift für Sozialpsychologie 1986,17,91-98

Tab. 1: Einfache und multiple Korrelationsanalyse der Modellvariablen für politisches Engagement (Stichprobe A; N = 121). Zielbereich

V (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12) (13) (14) (15) (16) (17) (18)

Echte Freundschaften Ein Leben in Wohlstand Ein Gefühl der Erfüllung Ein anregendes, aktives Leben Eine friedliche Welt (ohne Krieg) Schönheit der Natur Freiheit und Unabhängigkeit Gleichheit und Brüderlichkeit Glück und Zufriedenheit Innere Konfliktfreiheit Nationale Sicherheit Hohe Selbstachtung/Selbstwert Sicherheit in der Familie Anerkennung von Freunden/Bekannten Anerkennung von Kollegen/Kommilit. Anerkennung von Verwandten Vergnügen und Spaß am Leben Einsicht und Lebensweisheit Multiple Korrelation (R) Multiple Determination (R 2 ) F-Wert (df 1 = 18/df 2 = 102)

multiple Regression (V x E) a

einfache Korrelationen"

10 -27»* -09 02 07 -04 10 07 03 -33** -28** 04 -28** -22* -14 -21* -20* -13 .38 .14

E -01 -15 31*» 34»» 28** 35** 29** 28** 04 -08 16 26** 00 26** 23*» -07 07 30» * .42 .18

K

(VxE)

Beta

Strukt.

15 06 -12 -02 -03 00 07 09 05 11 -11 07 03 01 -07 -01 -08 01

00 23* 48** 46** 46** 35*» 32*» 29»» 03 -02 26» * 36** 18* 29** 16 02 11 36**

-31 20 33 18 56 36 11 05 23 -03 03 10 19 23 29 -07 14 16

00 32 67 64 64 49 44 40 04 -03 36 50 25 40 22 03 15 50

.14 .02

.12**

.52 2,67»»

** p < .01; * p < .05; a Angaben ohne Dezimalpunkt und Führungsnull.

den (theoretisch abgeleiteten) Verknüpfung der Valenzschätzungen (V) und der für politisches Engagement spezifischen Einflußerwartungen (E). Die multiple Determination des aktuellen politischen Engagements durch die 18 V-E-Produkte liegt bei 52% (Stichprobe B: 48%); die Regressions-Faktor-Struktur-Koeffizienten geben Aufschluß über den relativen prognostischen Wert der verschiedenen Zielbereiche (s. Tab. 1). Für die praktische Validität der Befunde zentral ist die Tatsache, daß analoge Vorhersagen dieses Kriteriums durch die Verknüpfung von V und K (allgemein auf Handeln bezogene Einflußerwartung; Stichprobe A: R = .32, B: R = .20) sowie die von V und Z (auf eine Intensivierung politischen Engagements in der nahen Z u k u n f t bezogene Einflußerwartung; A: R = . 2 9 , B: R = . 16) nicht in statistisch überzufälliger Weise gelingen. Sehr ähnliche Befunde ergaben sich für die Vorhersage der Motivation, in naher Z u k u n f t das politische Engagement zu verstärken. Für V x Z ergaben sich hochsignifikante (p < .01) multiple Korrelationskoeffizienten von R = .63 (Stichprobe A) und R = .64 (Stichprobe B); für V X E (R = .33 bzw. .28) sowie für V x K (R = .37 bzw. .21)

wurde die Signifikanzschranke von p = .05 ebenso wenig erreicht wie durch die Einzelvariablen V (R = . 2 4 b z w . . l 9 ) , K ( R = .17bzw. , 1 8 ) u n d Z ( R = .32 bzw. .28). Auch diese Befunde bestätigen somit die praktische prädiktive Validität der modellspezifischen Variablenverknüpfungen im direkten Vergleich konkurrierender Vorhersagemodelle. Prädiktionsanalytische Modellprüfung. Für den Zielbereich 02 («Ein Leben in Wohlstand») sollen hier ergänzend und alternativ durchgeführte prädiktionsanalytische Modellprüfungen dargestellt werden (zur Prädiktionsanalyse s. HILDEBRAND, LAING & ROSENTHAL, 1 9 7 7 ; VON

1983). Dieser Zielbereich wurde f ü r die vorliegende Präsentation exemplarisch ausgewählt, weil sich für ihn sowohl bei den Valenz- als auch bei den Erwartungsschätzungen nicht allzu schiefe Antwortverteilungen auf den bipolaren Skalen ergaben. Dichotomierungen am Skalennullpunkt sind somit möglich (die Alternative wären paramediane Dichotomierungen der Variablen). Die Hypothesenstruktur der Prädiktionsanalysen findet sich in Tabelle 2. EYE & BRANDTSTÄDTER,

Krampen: Handlungstheoretische Analysen politischer Partizipation

96

Tab.2: Hypothesenstruktur a der Prädiktionsanalysen und Ergebnisübersicht b (Stichprobe A). Prädiktoren V +

E

ZUF

+ _ + -

A

+

A

-

A

-

A

+

a +

+

A

A + A -

+

A

+

A

-

A

_

A

+

A



A

+

A

_

A

_

A

— A

Kriterium: polit. Engagement

"

U m

Fg

Ffj

+ +

5 6 3 10

8.8 12.2 7.7 17.0

.43 .51 .61 .41

+

2 1

1.9 4.8 2.6 9.6 3.8 3.8 3.5 9.5

-.04 .79 -.56 .79 .47 .74 .14 .79

-> ->

+ -

Krite-

A +

— A

+

^ -

-

-

-

4

-> -

-





+ —

—•

-F-

2 2 1 3 2

PRFjj

Kriterium: polit. Aktivität

PRF H G H

.47»*

.57**

.46

.40

RH



F