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German Pages 136 [143] Year 1987
ISSN 0044-3409 • Z. Psychol. • Leipzig • 194 (1986) 3 • S. 269-396
ZEITSCHRIFT FÜR
PSYCHOLOGIE mit Zeitschrift für angewandte Psychologie
Schriftleitung Friedhart Klix, Berlin • H a n s - D i e t e r Schmidt, Berlin • H u b e r t Sydow, Berlin Redaktion:
Unter
Jürgen Mehl, Berlin • Friedrich Kukla, Berlin
Mitwirkung
von
N . Bischof, Zürich G. Clauß, Leipzig D. Dörner, Bamberg H . Düker, Marburg H.-J. Eysenck, London P . Fraisse, P a r i s W. H a c k e r , D r e s d e n J . H e l m , Berlin H . Hiebsch, J e n a A. K o s s a k o w s k i , B e r l i n
D. K o v ä c , B r a t i s l a v a B. F. Lomow, Moskau D. Magnusson, S t o c k h o l m H . D. Rösler, R o s t o c k R . R o t h , Salzburg W . P . Sintschenko, M o s k a u M. Vorwerg, Leipzig D. W c n d t , H a m b u r g M, W e r t h e i m e r , B o u l d e r
JOHANN
AMBROSIUS
BARTH
LEIPZIG
Inhalt In m e m o r i a m Gerhard Rosenfcld. Mit Bild
269
Vorwort
271
Pickenhain, L. (Leipzig). Methodologische Fragen bei der interdisziplinären E r f o r s c h u n g der psychischen Steuerungsebene der Umweltbeziehungcn und der biotischen Prozesse im Organismus. Mit 1 A b b
273
Matthies, II. (Magdeburg). Prinzipien, Methodologie, E x p e r i m e n t e
285
H i n z , G., und G. Dörner (Berlin). Die B e d e u t u n g von Hormonen für die geschlechtsspezifisehe Gehirndifferenzierung und die Tcratopsychophysiogencse
293
Biesold, I). (Leipzig). Senile Dementia of Alzheimer's T y p e — Current Concepts and Prospects. Mil 4 A b b 311 Ilasehke, AY., und R e n a t e Ilaschke (Jena). Elektrophysiologisehe P a r a m e t e r zur Objektivierung von Prozessen der Verhallensregulation in der Psychophysiologic. Mit 5 Abb
33 t
Scheuch, K. (Dresden). Psychophysiologic und Arbeitsmedizin. Mit 4 A b b
343
D e t t m a r , P., F. Schirmer u n d Konstanze Ilaenel (Dresden). Zur physiologischen Indikation meulaler B e a n s p r u c h u n g mittels akraler Impedanzplethysmograpliie. Mit S Abb 355 Ullsperger, P., D. Peikert, S. Tessin, Il.-G. Gille und Anna-Marie Metz (Berlin). Die P300-I\omponenle des creignisbezogenen Uirnpotentials als Indikator in der Psychophysik k o g n i ü v e r Prozesse. Mil 7 A b b
365
N e u m a n n , U., E . Schulz, Elisabeth Erank und R. Kniesche (Berlin). Zum Einfluß variierter Bedeut u n g s i d e n t i f i k a t i o n auf die P300-Kompoiicnte des ereignisbezogenen Uirnpotentials. Mit 4 Abb. .
377
Buchbesprechungen Hinweise fiir Autoren Register zu Band 193 (1985)
270, 272, 309, 329, 342, 354, 304, 376, 387 395 T—VIII
Anschrift der R e d a k t i o n : Dr. J . Mehl, Sektion Psychologie der H u m b o l d t - U n i v e r s i t ä t , Oranienburger Str. 18, D D R - 1020 Berlin, Ruf 2 82 50 91. Anschrift des Verlages: J o h a n n Ambrosius B a r l h , Salomonstr. 18 b, P o s l f a c h 109, D D R - 7 0 1 0 Leipzig, Ruf 7 0131. Von Originalarbeiten liefert der Verlag an Stelle eines Honorars 50 Sonderdrucke kostenlos. Buchbesprechungen werden nicht v e r g ü t e t , d a f ü r bleibt das Besprechungsexemplar E i g e n t u m des Referenten. A n z e i g e n werden erbeten für Inland a n : V E B Fachbuchverlag, Postfach 349; D D R - 7010 Leipzig, f ü r Ausland a n : I n l e r w e r b u n g G m b l 1 — Gesellschaft f ü r W e r b u n g u n d Auslandsmessen der D D R , l l e r m a n n - D u n c k e r - S t r . 89, D D R -1157 Berlin-Karlshorst, Ruf 5 0 9 0981. Für die Anzeigenpreise gelten die Festlegungen g e m ä ß Preiskatalog Xr. 286/1 vom 1.7.1975. Bestellungen n e h m e n entgegen: In der D D R der Postzeitungsvertrieb u n d der Verlag J o h a n n Ambrosius B a r t h . In den sozialistischen L ä n d e r n der zuständige Postzeitungsvertrieb, in der B R D / B e r l i n (West) die F i r m a Zeilungsvertrieb Gebr. P e t e r m a n n , K u r f ü r s l e n s l r . 111, D - 1 0 0 0 Berlin (West) 30, u n d der örtliche Buch- u n d Zeitschriftenhandel. In allen anderen S t a a t e n der örtliche Buch- u n d Zeilschriflenhandel. Bestellungen des Buc h- u n d Zeitschriftenhandels sind zu richten an B u c h e x p o r t Volkseigener A u ß e n h a n d e l s b e t r i e b der D D R , Leninstr. 16, D D R - 7 0 1 0 Leipzig, Postfach 160.
ZEITSCHRIFT
FÜR
Band 194,1986 mit Zeitschrift für angewandte Psychologie Z. Psychol. 194 (1986) 269
PSYCHOLOGIE Heft 3 Band 100 J . A. Barth, Leipzig/DDR
In m e m o r i a m
Gerhard Rosenfeld 1925-1985 Eben 60jährig, ist Gerhard Rosenfeld am 24. November 1985 verstorben. Er hat als Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogische Psychologie an der Humboldt-Universität gewirkt und Generationen von Lehrerstudenten auf kaum ersetzbare Weise in seinem Fache gebildet und erzogen. Kundig insbesondere auf entwicklungspsychologischem Gebiete, waren seine letzten, noch unabgeschlossenen Arbeiten der Entwicklung moralischer Verhaltensnormen im Schulalter gewidmet. Mit Gerhard Rosenfeld ist ein Angehöriger jener Generation von DDR-Psychologen dahingegangen, die die ganze Schwere und Widersprüchlichkeit unserer Anfänge miterlebt, mit durchstritten und durchlitten hat. Er war uns Übrigen in dieser Generation zumeist ein Stück voraus: an Erfahrung, an Bildung und wohl auch an ausgleichender Urteilskraft. Nun ist er es auch in diesem letzten Sinne. Wir trauern um Gerhard Rosenfeld und werden sein Andenken in Ehren halten. 18
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Buchbesprechungen Sociophysiology. Hrsg.: Waid, VV. M. 301 S. mit 14 Abb. 16 X 24 cm.New York — Berlin — Heidelberg—Tokio: Springer Verlag 1984. Springer Series in Social Psychology (SSSP). llartpappc performiert 9 6 , - DM. Psychophysiologische Datenerhe Illings- und -analysetechniken gehören heute auch zum Methodenrepertoire sozialpsychologischer Forschung; ihre Anwendung kann bei der Bearbeitung ausgewählter sozialpsychologischer Problemstelhingen sehr produktiv sein. Das ist die Botschaft, die über 10 Arbeiten verschiedener Autoren zu jeweils unterschiedlichen Aspekten mit diesem Buch vermittelt wird. Es soll Studenten helfen, sich in die Anfangsgründe psychophysiologischer Forschung im Rahmen der Sozialpsychologic einzuarbeiten und orientiert diejenigen, die in diesem Problemfeld arbeiten wollen, auf theoretische Hintergründe und typische empirische Ansätze. Im ersten Teil des Buches werden unter dem Titel „Biologischer Hintergrund" Arbeiten mit eher weitem Horizont zusammengestellt. So gibt Waid (Kap. 1) einen an die jüngere Historie anknüpfenden Uberblick sozialpsychologischer Probleme, die mit psychophysiologischen Methoden bearbeitet werden und macht deutlich, welche Erklärungsansätze den Daten unterlegt werden. Kap. 2 (Stern und Ray) bringt einen sehr straff gehaltenen überblick zur psychophysiologischen Methodik unter Ausschluß des ncuropsychologischen Zuganges. Öhman und Dimberg heben in Kap. 3 neuere evolutionstheoretische Aspekte menschlichen Sozialverhaltens hervor, wobei sie ihre Argumentation auf eine Gegenüberstellung von geschlossenen genetischen Programmen und offenen, durch Lernen und gesellschaftliche Selektion modifizierbaren Programmen stützen. Thompson und Frodi (Kap. 4) zeigen, daß die Herzschlagfrequenz ein sensibler Indikator emotionaler Erregung in der sozialen Interaktion von Säuglingen mit ihren Eltern ist, der auch eine genauere Markierung der Genese der Emotionalität (z. B. Fremdenfurcht) erlaubt. Teil 2 bringt unter dem Titel „Physiologie von sozialer Kognition, Wahrnehmung, Lernen und Gedächtnis" sehr verschieden orientierte Arbeiten, für die die gewählte Überschrift eher eine willkürliche Klammer bildet. Katkin et. al. (Kap. 5) gehen von Überlegungen zur Attribuierung physiologischer Erregung im Kontext der Emotionsgenese aus und diskutieren neue Daten zur Diskriminationsleistung für akustisch wiedergegebene Herzfrequenzänderungen, die den eigenen Organismus bzw. einen anderen betreffen. Sie zeigen, daß solche Informationen wichtig für die Gestaltung individuell ausgelegter Biofeedback-Prozeduren ist. Buck (Kap. 6) diskutiert anatomisch-physiologische Grundlagen nonverbaler Kommunikation und definiert verschiedene motorische Systeme für spontane (emotionale) und symbolische Kommunikation. In Kap. 7 zeigen Zanna, Detweiler und Olson, daß autonome Erregungsprozesse, deren Effekt über kognitive Prozesse vermittelt wird, eine Mediatorvariable bei der Einstellungsbildung und -änderung ist. Im dritten Teil, „Physiologie und Sozialverhalten", gibt Gormly (Kap. 8) einen kurzen Überblick zu autonomen Erregungsmustern in psychotherapeutischen Situationen und bei Nichtübereinstimmung und Konformität der Partner. Er diskutiert psychophysiologische Eigenschaften als Korrelate sozialer Verhaltensweisen. Rule und Nesdale (Kap. 8) legen einen Ansatz zum Verständnis der Interaktion kognitiver Faktoren und autonomer Erregungsmuster im aggressiven Verhalten vor und schließlich gibt Van Egeren einen Überblick zum Problem der Wechselwirkung sozialer und biologischer Bedingungen in der Ätiologie psychosomatischer Erkrankungen, wobei er sich auf ein Konzept sozialer Homöostase in kleinen Gruppen stützt. Die Artikel sind so abgefaßt, daß der Nutzerkreis breit gefächert ist, wobei als Zielgruppen vorrangig Sozialpsychologen und Psychotherapeuten anvisiert wurden. Die Literaturauswahl erlaubt den Zugang zur Spezialliteratur und ist der jeweiligen Arbeit nachgestellt. Autor- und Sachwortindex ergänzen das Buch und erlauben ein komfortables Durcharbeiten. Der Inhaltsüberblick macht wohl schon deutlich, daß der Titel des Buches, ebenso die Überschriften seiner Teile zu Mißverständnissen Anlaß geben kann: Eine Physiologie des sozialen Verhaltens wird nicht gegeben. Bei der Diskussion komplexerer Zusammenhänge wird deutlich, daß man als theoretische Basis einen psychophysiologischen Konditionalismus bevorzugt. Soweit es um empirische Arbeiten geht, handelt es sich stets um Analysen systematischer Änderungen autonom kontrollierter peripherer Biosignale (z. B. Herzfrequenz, elektrodermale Reaktion) innerhalb einer experimentell kontrollierten sozialen Situation. Den in diesem Rahmen erzielten und möglichen Fortschritt bei der Analyse sozialpsychologischer Probleme aus weiter Perspektive, instruktiv und anregend dargestellt zu haben, ist das Verdienst des Buches. K. Zimmer (Berlin)
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J. A. Barth, Leipzig/DDR
Vorwort Mit diesem vorliegenden H e f t beginnen wir, in dieser Zeitschrift zwanglos ausgewählte Berichte über Tagungen des Wissenschaftlichen Rates für Psychologie in der D D R zu veröffentlichen. Damit kommen wir einem Wunsche von Vertretern verschiedener Wissenschaften und fortgeschrittener Studenten nach, die die interessanten Berichte und qualit a t i v hochwertigen Originalbeiträge dieser Tagungen als Bestandteil der PsychologieLiteratur wie auch als Zeugnis über wissenschaftliche Entwicklungen in unserem Lande dokumentiert und verfügbar haben möchten. Nicht alle Ratstagungen werden veröffentlicht; bevorzugt aber jene, in denen interdisziplinäre Verflechtungen der Psychologie oder die Erschließung neuer Anwendungen in Verbindung mit der Lösung von Grundlagenproblemen zum Ausdruck kommen. Der vorliegende Bericht über die 14. Tagung ist neueren interdisziplinären Wechselwirkungen zwischen Neurophysiologie, der Hirnforschung im engeren Sinne, der Psychophysiologie, der psychologischen Grundlagenforschung sowie angewandten Gebieten der Arbeits- wie der Klinischen Psychologie gewidmet.
18«
Buchbesprechungen Averiii, J. R.: Anger and Aggression. An Essay on Emotion. 402 S. mit 3 Abb. und 33 Tab., 24 X 16 cm. New York — Heidelberg — Berlin: Springer-Verlag 1982. Springer Series in Social Psychology (SSSP). Hardcover 8 0 - DM. I m letzten Jahrzehnt wurde eine stattliche Reihe von Büchern zum Problemkreis aggressives Verhalten sowie Emotionen publiziert. James Averiii, renommierter Forscher in Sachen Stress und später vornehmlich Emotion, h a t diese Reihe um ein sehr wichtiges Buch erweitert; genau genommen, schließt es eine Lücke, die zwischen eher biologisch orientierten Ansätzen und erlcbnisdeskriptiver Psychologie klafft. Der Untertitel des Buches deutet an, worum es dem Autor geht: Ärger wird als Paradigma von Emotion behandelt und in Verbindung gebracht mit spezifischen Verhaltenskonsequenzen innerhalb eines sozialen Kontextes. Das Ziel besteht darin, Schlußfolgerungen für eine generelle Emotionstheorie des Menschen abzuleiten. Averiii definiert Emotionen als ein sozial konstituiertes Syndrom, als flüchtige soziale Rolle unter Einschluß des individuellen Situationsbewertungs- und Passionsaspektes (i. G. zur intendierten Aktion). Sein Angriffspunkt ist die Vernachlässigung einer Phänomenologie der Emotionen, besonders mit Blick auf alltägliche Situationen. Das Buch ist in einen vornehmlich theoretischen und einen weitgehend empirischen Teil gegliedert. Im theoretischen Teil geht es um Ursachen und Konsequenzen von Ärger, wobei historisch-philosophische, ethnologische, biologische, juristische, klinisch-psychologische und experimentalpsychologische Untersuchungen in speziell zugeschnittenen Kapiteln einer gründlichen Analyse unterzogen werden. Diese Arbeit ist schon wegen der resultierenden kompakten Übersicht so verschieden scheinender Perspektiven sehr wertvoll; sie liefert die Basis für den von Averiii als „konstruktivistisch" gekennzeichneten Ansatz der Theoriebildung. Diese Analyse macht zugleich deutlich, daß auch derzeit relativ simpel anmutende Fragen hinsichtlich der Emotion Ärger (wie oft ärgert man sich, wie lange hält Ärger an?, etc.) nicht beantwortet werden können. Es fehlt an Aussagen zu normativen Anlässen von Ärger und aggressivem Verhalten. Die gut begründete Ablehnung der FrustrationsAggressions-Hvpothese verbindet Averiii mit der Forderung, auf den Frustrationsbegriff generell zu verzichten. Im empirischen Teil des Buches werden umfangreiche Untersuchungen an verschiedenen Stichproben der USA-Bevölkerung mittels speziell erarbeiteter und standardisiert aufgebauter Fragebögen (dokumentiert im Anhang) zu folgenden Problemen dargestellt und sorgfältig diskutiert: Erleben von Ärger bezogen einerseits auf den Erlebnisträger und andererseits auf das Erleben des Ärgerausdruckes ärgerlicher Personen; Unterschiede zwischen Ärger und \ e r d r u ß ; zeitliche Dimensionierung von Ärger (Dauer, Verlauf) und schließlich Unterschiede zwischen den Geschlechtern hinsichtlich Ärgererleben und -ausdruck. Die umfangreich dokumentierten Daten sind prinzipiell neu und geben erste Anhaltspunkte für quantitative Erwartungen hinsichtlich des Alltags, die sich allerdings vorrangig auf Verhältnisse in bestimmten Populationen der USA beziehen können — das impliziert ja der von Averiii diskutierte theoretische Ansatz geradezu. Interessant, daß sowohl aus biologischer als auch „feministischer" Sicht erwartete Geschlechtsdifferenzen sehr geringfügig sind und kaum imponieren. Ärger, so lautet das Fazit der theoretischen Analyse der empirischen Daten, ist eine Konfliktemotion, die mit biologisch fundierten Aggressionssystemen und der kooperativen Potenz des Individuums in seiner Gesellschaft aufs engste verbunden ist. Die ambivalente Funktion des Ärgers resultiert aus seiner sozialen N a t u r : Ärger verteidigt akzeptierte Standards des Benehmens (conduct). Keine Frage, dies ist ein wichtiges Buch, das wohl f ü r längere Zeit Maßstäbe für eine Psychologie des „Emotionsalltages" setzen wird. Insbesondere Klinische und Pädagogische Psychologen, aber auch Sozialpsychologen und Soziologen werden das Buch mit großem Interesse und Gewinn lesen, ja, sie werden auch Vergnügen an der sprachlichen Präsentation des Inhaltes haben. K. Zimmer (Berlin)
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J. A. Barth, Leipzig/DDR
Methodologische Fragen bei der interdisziplinären Erforschung der psychischen Steuerungsebene der Umweltbeziehungen und der biotischen Prozesse im Organismus Von L. Fickenhain Mit 1 Abbildung
Kürzlich habe ich Thesen über „Philosophische und methodologische Grundlagen der Neurowissenschaften" veröffentlicht und zur Diskussion gestellt (Pickenhain, 1984a). Die Neurowissenschaften bilden sich gegenwärtig als interdisziplinärer Wissenschaftszweig aus, der sich „mit den neuronalen und neurohumoralen Regel- und Steuermechanismen des Gesamtorganismus und seinen Beziehungen zur Umwelt, ihren phylo- und ontogenetischen Bestimmungsfaktoren und ihren biotischen und sozialen Determinanten einschließlich pathologischer Abweichungen und plastischer Regenerationsvorgänge" beschäftigt. Sie nehmen eine Schlüsselstellung zwischen Natur- und Gesellschaftswissenschaften ein und werden in den nächsten Jahrzehnten für die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereiche zunehmende theoretische und praktische Bedeutung erlangen. Es sei mir deshalb erlaubt, in diesem Kreis auf einige Fragen einzugehen, die jenen Teil der Psychologie betreffen, der als psychische Steuer- und Kontrollebene im Gehirn des Einzelindividuums einen integrierenden Bestandteil der Neurowissenschaften darstellt. Im einzelnen werde ich folgende Fragen behandeln: 1. Das neurobiologische Substrat der psychischen Phänomene und Prozesse. 2. Die Rolle des genetischen Code und der epigenetischen biotischen und sozialen Determinanten f ü r die Ausbildung des Psychischen. 3. Nutzen und Gefahren der Modellierung und einige Fragen der Terminologie. 4. Das Psychische als die oberste Steuer- und Kontrollebene des Umweltverhaltens und aller biotischen Prozesse im Organismus.
Das neurobiologische Substrat der psychischen Phänomene und Prozesse Alle psychischen Phänomene und Prozesse haben ihr materielles (biotisches) Substrat im Gehirn des Einzelindividuums. Ohne dieses biotische Substrat können sich psychische Prozesse nicht abspielen. Das Psychische ist die höchstentwickelte Existenzform (Eigenschaft) der lebenden Materie, und es ist im Ergebnis der organismischen Selektion im Laufe der Phylogenese entstanden. Es ist die höchste Steuer- und Kontrollebene des Umweltverhaltens des Organismus und aller biotischen Prozesse im Organismus. Es ist beim Menschen zugleich ideelle Widerspiegelung der Vorgänge der objektiven Realität, verbales und nicht-verbales Kommunikationsmittel innerhalb der menschlichen Gesellschaft, und die unter seinem Einfluß entstandenen Produkte kollektiver und individueller Tätigkeit bilden den Inhalt des vielfältigen gesellschaftlichen Lebens der jeweiligen menschlichen Gemeinschaft sowie der Geschichte der menschlichen Gesellschaften. Die
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in diesem gesellschaftlichen Bereich entstandenen Gesetzmäßigkeiten wirken ihrerseits determinierend auf Ausbildung und Entwicklung und den aktuellen Zustand der individualpsychischen Prozesse ein und erfahren in dieser Reproduktion ihre dynamische schöpferische Weiterentwicklung. Das Verständnis für die Frage, wie das neurophysiologische Substrat im Gehirn beschaffen sein muß, auf dessen Grundlage sich diese psychischen Prozesse abspielen und das ihre ständigen Wandlungen unterworfene Realisierungsgrundlage darstellt, wird wesentlich erleichtert, wenn wir von seiner Entwicklung ausgehen. Bereits bei den höheren Tieren gibt es elementare Vorstufen psychischer Prozesse und über sie vermittelte kollektive Beziehungen zwischen den Einzelindividuen. Die Ethologen haben hierzu ein umfangreiches Tatsachenmaterial zusammengetragen. Es besteht kein Grund, diese Phänomene nicht im weiteren Sinne als elementar-psychisch zu bezeichnen (Kruschinski, 1977). In der heutigen Terminologie der Ethologie werden diese im Gruppenverhalten von Tieren zu beobachtenden Kommunikationsbeziehungen durch den Begriff „biosozial" eindeutig gegenüber den gesellschaftlichen (sozialen) Beziehungen des Menschen abgegrenzt (Tembrock, 182). Der Begriff „biosozial" sollte ausschließlich auf dieses Verhalten vonTieren angewandt werden. Wie diese elementaren Vorstufen des Psychischen sich im Laufe der Evolution zu den spezifisch menschlichen psychischen Funktionen weiterentwickelt haben, wird an anderer Stelle näher erörtert (Klix, 1980; Pickenhain, 1986). Bei aller Anerkennung des Psychischen als einer Funktion des menschlichen Gehirns scheint jedoch nach wie vor eine tiefe Kluft zwischen den psychischen Phänomenen und Prozessen einerseits und den neurobiotischen Vorgängen auf der höchsten Funktionsebene des menschlichen Gehirns andererseits zu bestehen. Doch haben sich in den letzten Jahren bereits wesentliche Annäherungen zwischen diesen beiden Bereichen vollzogen, wobei insbesondere große Fortschritte durch detaillierte experimentelle Untersuchungen und neue Konzeptionen im Bereich der Neurobiologie erzielt wurden. Ihr obliegt in erster Linie die Aufgabe nachzuweisen, daß das morphologisch-funktionelle Substrat auf der höchsten Integrationsebene des menschlichen Gehirns so beschaffen ist, daß es als Substrat für das Auftreten der qualitativ neuartigen, eigenen Gesetzmäßigkeiten folgenden psychischen Phänomene zu dienen vermag. Der Psychologie kommt andererseits die Aufgabe zu, in experimentalpsvchologischen Untersuchungen die weitgehende Übereinstimmung partieller (oder auch globaler?) formaler psychischer Gesetzmäßigkeiten (Zeitparameter, Taktgebung, metrische Strukturen der Zeit und des Raumes und ihre Relationen usw.) mit analogen Gesetzmäßigkeiten des biotischen Substrats nachzuweisen. Gemeinsame formale Abläufe haben dabei überhaupt nichts mit einer Rückführung (oder gar Erklärung) des Inhalts psychischer Phänomene und Prozesse auf die tiefere Organisationsebene neurobiotischer Prozesse im Gehirn zu tun. Sie geben lediglich Anhaltspunkte für das Verständnis einheitlicher funktioneller Arbeitsprinzipien bei unterschiedlicher inhaltlicher Qualität. Dabei wird von beiden Seiten ein vorurteilsfreies Umdenken verlangt, und die Analyse (Zergliederung) hat nicht von den äußeren Phänomenen, sondern von der Komplexität der Erscheinungen auszugehen. So sind Wahrnehmung und Handlung des Organismus als Einheit zu betrachten und zu analysieren, und das Ziel ist (im Psychischen wie im Biotischen) als der führende, entscheidende Faktor des Handelns anzusehen.
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Wir müssen stets davon ausgehen, daß es sich bei jedem Organismus um ein selbstorganisierendes, selbstregulierendes System handelt, das aus einer riesigen Anzahl von Subsystemen besteht, die in sich selbst und im Zusammenwirken mit anderen Subsystemen ebenfalls über die Fähigkeit der Selbstorganisation und Selbstregulation verfügen. Diese Organisationsform ist Voraussetzung für die Existenz lebender Materie. Sie kommt u. a. darin zum Ausdruck, daß selbst nach schweren verstümmelnden Schädigungen — wenn auch unter eingeschränkten Bedingungen — wieder ein funktionsfähiger selbständiger Organismus weiterzuleben vermag. Sind die Grenzen der homöostatischen selbstregulierenden Anpassungsfähigkeit überschritten, geht er jedoch zugrunde. Die — verglichen mit dem Gehirn der Anthropoiden — immense Vergrößerung des Frontal- und Temporalhirns des Menschen weisen darauf hin, daß hier in enger Verbindung und Kooperation mit dem Parietalhirn (der sog. Assoziationsrinde) und der sensomotorischen Rindenregion die höchste Integrationsebene des Gehirns gesucht werden muß, die das materielle Substrat für die psychischen Funktionen des Menschen darzustellen Vermag. Das menschliche Gehirn enthält etwa 5 • 1010 Neurone, von denen jedes über 103—105 Kontaktstellen (Synapsen) mit anderen Neuronen verfügt. Für unsere Überlegungen wichtig ist die Tatsache, daß 80 % de1" synaptischen Kontakte dieser zentralen Neurone Verbindungen innerhalb der Hirnrinde darstellen. Die Neurone sind in Gruppen von jelO3—104 zusammen mit Gliazellen in Säulenform (Kolumnen) dicht gepackt angeordnet, wobei diese Neuronenensembles durch variable Änderungen in der Aktivität ihrer Einzelelemente je nach Anforderung unterschiedliche spezifische Funktionen der Informationsaufnahme, -Verarbeitung, -speicherung und -weitergäbe ausführen können. Die etwa 106—107 Neuronenensembles sind ihrerseits wieder untereinander in vielfältigen Formen hierarchisch, parallel und netzförmig miteinander verbunden und vermögen auf diese Weise außerordentlich komplizierte, stochastischen Regeln unterliegende, wechselnde Funktionen auszuführen. Dabei liegt das Wesen dieser potentiellen selbstregulierenden Funktionskreise in ihrer wechselnden Komplexität, in ihrer Eingrenzungsfähigkeit durch Hemmechanismen und in ihrer hohen Variabilität (Näheres siehe Edelman, 1979; Pickenhain, 1984 b). Sie vermögen ein bestimmtes Signalmuster zu erkennen, zu vergleichen, zu speichern und gegebenenfalls einen speziellen motorischen Akt in Gang zu setzen. In ihren Verbindungen höherer Ordnung sind die Programme gespeichert, die im Laufe des Lebens auf der Grundlage der genetisch vorgegebenen Grundorientierung durch innere Entwicklungsprozesse und aktive Auseinandersetzung mit wechselnden Umweltfaktoren durch Lernprozesse ausgebildet wurden und die Grundlage für das zielstrebige Verhalten des Organismus bilden, das beim Menschen auch die qualitativ neuen Funktionen der kognitiven Verarbeitung und der Sprache umfaßt. Durch vielfältige innere und äußere Feedbackund Feedforward-Verbindungen und die dadurch entstehenden Veränderungen der zeitlichen Muster und räumlichen Beziehungen erreichen sie eine hohe Plastizität, für deren Modellierung selbst die modernsten mathematischen Konzeptionen und technischen Schaltungsvarianten nicht ausreichen. Die hohe Variabilität in dem morphologisch-physiologischen Substrat dieser komplexen Funktionen ist von allergrößter Bedeutung. Hierfür ein eindrucksvolles Beispiel aus um-
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A. A b b . 1 Repräsentation ilei- I l a n d in der kortikalen Area 3 des Affen und ihre Reorganisation nach E n t f e r n u n g des Mittelfingers. A — Darstellung der Lokalisation der H a n d in der Area 3 b. B — Topographische Anordnung der gereizten Regionen auf der H a n d des Tieres. C — Vergrößerte Darstell u n g d e r n o r m a l e n Repräsentation der Handregion in der Hirnrinde. D — N a c h Entfernung des Mittelfingers (]) :i ) breiten sich die Repräsentationen der Finger 2 und 4 und des Fingerballens 3 in die frei gewordenen kortikalen Repräsentationsgebiete von D 3 aus. Finger ( D j _5) und Fingerballen ( P ( sind der Reihe nach numeriert. I— Inselgebiet; T — D a u m e n b a l l e n ; H— Kleinfingerballen. Schwarze F e l d e r : Repräsentation der Fingerrückseite (nach K a a s und Mitarb., 1983)
fangreichen Untersuchungen von Merzenich und Mitarb. (Kaas und Mitarb., 1983) an Affen. In der Abbildung sehen wir unter A das Affengehirn mit der somatosensorischen Projektionszone vom Gesicht über die Hand bis zum Körper schematisch wiedergegeben. Uns interessiert speziell die Handregion. Sie ist unter C noch einmal vergrößert und mit Eintragung topographischer Details der Repräsentation dargestellt. B gibt die topographische Anordnung in der Peripherie wieder, wobei mit D die 5 Finger und mit P die Fingerballen bezeichnet sind. Merzenich und Mitarbeiter untersuchten nun mit multiplen Mikroelektrodenableitungen von der kontralateralen kortikalen Projektionszone, was geschieht, wenn ein Teil des peripheren Afferenzzustroms ausfällt, im vorliegenden l alle durch die operative Entfernung des Mittelfingers (D 3 ). Vergleichen wir die normale Repräsentation der Fingerareale, wie sie unter C wiedergegeben ist, mit der Repräsentation, wie sie einige Wochen nach der Fingerexstirpation (D) zu beobachten war, so sehen wir, wie sich die topographische Ordnung verändert hat. Die „frei gewordenen Neurone", die jetzt keine afferenten Impulse aus dem ursprünglichen Bereich des D 3 erhalten, werden jetzt in die Repräsentationsgebiete der beiden Nachbarfinger D 4 und D 2 sowie des Fingerballens P3 mit einbezogen. Es hat also eine morphologisch-funktionelle Umorganisation der Repräsentationsgebiete der Hand stattgefunden, woraus sich eindeutig ableiten läßt, daß die Verbindungen zwischen den Neuronenensembles und innerhalb der Neuronenensembles in der Hirnrinde des erwachsenen Organismus keine „starren Verdrahtungen" darstellen. Vielmehr sind sie Bestandteile plastischer, sich entsprechend der Aufgabenstellung neu organisierender funktioneller Einheiten. Diese Umorganisierung kann sehr unterschiedlichen Charakter tragen. So können Doppelrepräsentationen auftreten; die Umorganisierung kann sehr schnell eintreten, was auf die
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Nutzung bereits bestehender Bahnen hinweist, oder sie erfolgt langsam über einen größeren Zeitraum, woraus auf die Bildung neuer Verbindungen und Synapsen geschlossen werden muß. Auch können — aufgrund anderer Arten vorübergehender Inaktivierung — wesentlich kompliziertere Formen der Umorganisation entstehen, wobei auch einzelne Neurone zugrundegehen, und nicht in jedem Falle müssen korrespondierende Veränderungen in den subkortikalen Projektionsgebieten des Thalamus auftreten. Interessant ist die Tatsache, daß die von der Umorganisation betroffenen Entfernungen sich in der Größenordnung einer Kolumne bewegen und 600 [im (bis höchstens 1000 fxm) nicht überschreiten (Edelman 1985). In der Variabilität kommen somit gleichzeitig gesetzmäßige Struktur- und Organisationsprinzipien dieser kortikalen Integrationsebene zum Ausdruck. Diese inzwischen in vielfältiger Weise experimentell bestätigten plastischen Umorganisationen in den relativ leicht zu untersuchenden Repräsentationsgebieten der somatosensorischen Rinde des Affen lassen unter Berücksichtigung der riesigen Anzahl an der höchsten Integration beteiligter Neuronenensembles in den Fronto-Temporo-Parietalgebieten der menschlichen Hirnrinde nur entfernt ahnen, welche Unmenge variabler raum-zeitlicher Muster selbstorganisierender und selbstregulierender Systeme für die Aufnahme, Verarbeitung, Wertung, Speicherung und Nutzung vielfältigster Informationen entsprechend vorgegebenen Regeln und Normen zur Verfügung steht. Wenn wir die durch Ausschaltungsexperimente gewonnenen Befunde (also pathologische Veränderungen!) auf den normalen dynamischen Prozeßablauf in diesen komplizierten Integrationssystemen übertragen — und ich meine, daß dies zumindest innerhalb gewisser Grenzen möglich ist — und annehmen, daß analoge strenge Regeln für die funktionellen Umstellungen, Bahnungen und Begrenzungen innerhalb und zwischen den höchsten zentralen selbstorganisierenden Partialsystemen bestehen, dann lassen sich in dieses nach stochastischen Prinzipien gesetzmäßig arbeitende zentrale Integrationssystem alle diejenigen komplizierten Regelund Steuerungsprozesse hineinprojizieren, die für die Realisierung des materiellen Substrats der psychischen Phänomene und Prozesse des Menschen notwendig erscheinen. Die Rolle des genetischen Code und der epigenetischen biotischen und sozialen Determinanten für die Ausbildung des Psychischen Es besteht wohl kein Zweifel, daß die generelle Anlage dieser höchstorganisierten, höchstintegrierten Hirnstrukturen, d. h. die Grundregeln für ihre zeitliche und räumliche Organisation, sich durch Selektion in der Phylogenese herausgebildet hat und durch einen genetischen Code determiniert wird. Die genetische Determination bedeutet aber keinesfalls starre Festlegung aller Details. Vielmehr realisieren sich die generellen Anweisungen und Orientierungslinien des genetischen Code erst in der epigenetischen Ausformung und Ausbildung des Organismus und seines Verhaltens. Es zeugt von einem völligen Unverständnis dieses komplexen Vorgangs, wenn einige Wissenschaftler die Frage stellen, wieviel Prozent des Endprodukts der Entwicklung — sagen wir des IQ — genetisch und wieviele Prozent epigenetisch bedingt sind, zumal die epigenetischen Einflußfaktoren sich
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ja nicht einmal auf die Umwelteinwirkungen beschränken, sondern zu ihnen auch zahllose innere Faktoren (Adhäsion zwischen Zellen an bestimmten Oberflächenpunkten, Untergang der das Zielobjekt nicht erreichenden Zellfortsätze oder auch ihrer Zellen, raumzeitliche Regeln der Selbstorganisation in Neuronenpopulationen usw.) gehören. Bereits vor über 30 Jahren hat der sowjetische Physiologe Bernstein (1975) zu erläutern versucht, wie wir uns das Verhältnis zwischen genetischem Code und epigenetischen, vor allem Umwelteinflüssen, vorzustellen haben. Er demonstriert dies am Beispiel des Baumes. Wir vermögen unschwer die Art (Spezies) eines Baumes an den Merkmalen seines Wuchses, der Form seiner Blätter, der Yerzweigungsform seiner Aste usw. zu erkennen. Alle diese Merkmale werden nach den Regeln des genetischen Code ausgebildet und stellen unverwechselbare Eigenschaften aller Exemplare dieser Art dar. Der genetische Code enthält also die Grundanweisungen für die Ausbildung aller Individuen dieser Art. Wie aber ihre Ausbildung im einzelnen geschieht, hängt von den aktuellen ökologischen Bedingungen ab, unter denen sich das betreffende Individuum entwickelt: die Anzahl der Blätter, die Anzahl und detaillierte Richtung der Wurzelverzweigungen, die Wuchsrichtung des Stammes usw. Die Realisierung des genetischen Code wird also durch eine Vielzahl epigenetischer Faktoren entscheidend mitbestimmt (wobei in diesem Falle die inneren Wachstumsfaktoren noch außer Acht gelassen werden). In ganz analoger Weise — müssen wir uns vorstellen — sind im genetischen Code des Menschen die Grundregeln für den Aufbau und das Zusammenwirken der selbstorganisierenden, selbstregulierenden Funktionseinheiten im Organismus festgelegt. Entscheidend sind dabei die Kontrollen über den Zeitpunkt für den Beginn und das Ende sowie das Ausmaß dieser Entwicklung, wobei ihre Realisierung durch die Bildung spezifischer Substanzen und eine Vielfalt selbständiger intermolekularer, interzellulärer und intersystemischer Formen der Selbstregulation gesichert wird. Dabei spielen vor allem inhibitorische Mechanismen eine wichtige Rolle. So ist zum Beispiel im genetischen Code des menschlichen Organismus die prinzipielle Anweisung enthalten, daß sich in verschiedenen Etagen des Zentralnervensystems, angefangen beim Rückenmark, Neuronenkreise als Generatoren für die Lokomotion entwickeln. Ihre konkreten Strukturen bilden sich als selbstorganisierende neuronale Systeme aus. Wir wissen heute, daß in den prospektiven lokomotorischen Generatoren des Rückenmarks ursprünglich wesentlich mehr Neurone angelegt sind, als später gebraucht werden und von den auswachsenden Motoneuronenfortsätzen mehr als die Hälfte zugrundegehen, weil sie ihre Zielzelle nicht erreichen und nicht in funktionelle Abläufe einbezogen werden. Genetisch festgelegt ist weiterhin, in welcher fleihenfolge die einzelnen Lokomotionsgeneratoren (und zwar von kaudal nach Tostral) ihre Funktion aufnehmen. Nicht genetisch festgelegt ist hingegen der genaue Zeitpunkt der Funktionsaufnahme. Er wird in erster Linie durch die funktionelle Beanspruchung des entsprechenden Funktionskreises, d. h. durch äußere, und beim Menschen in erster Linie durch gesellschaftliche Einflüsse, in Abstimmung mit anderen Funktionskreisen bestimmt. Die potentielle Funktionsfähigkeit der lokomotorischen Funktionsgeneratoren des Menschen läßt sich beim Menschen schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt nachweisen. So können wir bereits beim Säugling rhythmische Lokomotionsbewegungen
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der Beine auslösen, wenn wir seinen Körper aufrecht fixieren und unter seinen Fußsohlen langsam ein Laufband entlanggleiten lassen. Das Zusammenwirken von genetisch determinierter biotischer Anlage und sozialen Umwelteinwirkungen wird bei der Ausbildung der Sprache besonders deutlich. So entwickeln sich im menschlichen Gehirn nach einer generellen Anweisung des genetischen Code die morphologisch-funktionellen Teilsysteme, die für die Ausbildung der Sprache (Sprachrezeption, verbale Kodierung abstrakter Yorstellungsinhalte, Formulierung des motorischen Programms für die am Sprechen beteiligten Muskeln, für die Schreibmuskulatur und für andere Ausdrucksformen der Sprache) notwendig sind. Auch für diese Entwicklung enthält der genetische Code nur die Generalregeln, und die Details der komplizierten Organisation bilden sich nach dem Prinzip eng miteinander verbundener selbstorganisierender, selbstregulierender Teilsysteme (Systeme von Neuronenensembles) aus. Daß das Kind aber über elementare Artikulationen hinaus tatsächlich sprechen lernt und welche konkrete Sprache es lernt, wird ausschließlich durch die Einwirkungen seiner gesellschaftlichen Umwelt in frühester Kindheit bestimmt. Auch hier haben wir wieder genetischen Code, biolisbhe Selbstorganisation und gesellschaftliche (soziale) Umwelteinflüsse als integrale untrennbare Bestandteile eines multifaktoriellen Prozesses, der sich vom Wesen her als Gesamtprozeß nicht in diese drei Faktoren auftrennen läßt. Selbst wenn sich eines Tages unter den angeblich 30000 für die Determination der Gehirnentwicklung verantwortlichen Genen einige auffinden lassen, die für bestimmte Fehlentwicklungen und die Entstehung von Mißbildungen verantwortlich sind, so bildet sich unter diesen besonderen Bedingungen zwar ein andersartiges, krankes menschliches Wesen aus, an dessen konkreter Entwicklung zu einem ganzheitlichen Organismus jedoch biotische und gesellschaftliche Faktoren in analoger WTeise entscheidend beteiligt sind wie bei der Entwicklung des gesunden Menschen. Sie tragen zur endgültigen Ausformung der pathologischen Symptomatik ebenso bei wie die Veränderungen im genetischen Code. Selbst in einem solchen Extremfall der Veränderung im genetischen Code ist also die Form seiner tatsächlichen Realisierung letztlich entscheidend für das schließlich entstehende menschliche Wesen. Nutzen und Geiahren der Modellierung und Fragen der Terminologie Die Bildung von Denkmodellen für die Ordnung und Systematisierung unserer Erkenntnisse über Natur und Gesellschaft ist ein entscheidender Schritt wissenschaftlicher Arbeit und Voraussetzung für die Kommunikation über wissenschaftliche Gegenstände. „Informationsaustausch bezüglich komplexer Sachverhalte setzt einen Vorrat gemeinsamer Denkmodelle voraus", stellt Steinbuch (1985) mit vollem Recht fest. Unsere Unfähigkeit, komplexe Sachveihalte in allen Details und Relationen zu erfassen, die Tatsache, daß wir uns der Wahrheit nur schrittweise nähern, sre aber nie ganz erfassen können, rechtfertigt die gedankliche Simplifizierung erkannter Zusammenhänge in Denkmodellen, die auf die angezielte Problemstellung ausgerichtet sind und sie anstreben. Denkmodelle bedürfen aber der ständigen Überprüfung an der Wirklichkeit, und im Falle der Falsifizierung müssen sie durch neue adäquatere Denkmodelle ersetzt werden. Es
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kommt also auf die Zielstellung und die Anforderungen an, die wir an die Denkmodelle stellen. So müssen Denkmodelle, die sich auf die Gesamtfunktion des menschlichen Organismus beziehen, stets seine spezifischen psychischen Funktionen und gesellschaftlichen Determinanten in ihr Konstrukt einbeziehen. Deshalb sind Denkmodelle der „experimentellen Neurose", die aufgrund von Tierversuchen aufgestellt wurden, für das Verständnis der Neurosen des Menschen, ihre psychosoziale Ätiopathogenese und ihre Therapie, recht ungeeignet (Pickenhain, 1983). Sie können lediglich das Auftreten biotischer Partialfaktoren unter den ökologischen Bedingungen des Tierexperiments aufzeigen, ohne das Gesamtphänomen der menschlichen Neurose zu erfassen, wobei übrigens auch die Veränderungen der biotischen Partialfaktoren z. T. eine andere Dynamik aufweisen. Dies ist nur ein Beispiel für die Gefahr des biologischen Reduktionismus bei jeder Analyse und Verallgemeinerung von Erfahrungen und Versuchsergebnissen, bei denen die Bedeutung der psychischen und gesellschaftlichen Faktoren außer Acht gelassen wird. Probleme treten auch dann auf, wenn die berechtigte Zuhilfenahme moderner technischer Verfahren und Abläufe, die zur gedanklichen Nachbildung (Modellierung) im Gehirn ablaufender Partialvorgänge als Darstellungsmittel benutzt werden, mißverständlich so interpretiert wird, als würden die im Gehirn ablaufenden materiellen Vorgänge tatsächlich ihrem Wesen nach dem Charakter dieser technischen Prozesse entsprechen (analog-digitale Computertechnik, Verschattungen zur Erzeugung artifizieller Intelligenz, Holographie u. a.). Ein solches Überschreiten der Kriterien des Denkmodells bringt seine berechtigte Anwendung bei dem Neurowissenschaftler nur in Mißkredit, weil diese Aussagen offensichtlich der Realität widersprechen. Daß dese Gefahr nicht unterschätzt werden darf, zeigt die Tatsache, daß manche Autoren unbedacht technisch definierte Termini für die Bezeichnung von Vorgängen im Gehirn und in der Psychologie anwenden, ohne sie für ihren Zweck neu zu definieren („Informationsströme", „Informationsbit", „Schaltkreise", „Software und hardware" u. a.). Eine spezielle Gefahr hat sich aus der berechtigten Einführung kybernetischer Denkmodelle auf die Funktionen im Organismus und insbesondere im Gehirn einschließlich seiner höchsten, der psychischen Steuer- und Kontrollinstanz ergeben. Allzu leicht wird vergessen, daß auch die Anwendung kybernetischer Denkmodelle nur Teilausschnitte der Gesamtfunktion des menschlichen Organismus widerspiegelt, deren Erkenntnis zwar wichtig ist und einen entscheidenden Fortschritt bedeuten kann, aber auch ihrerseits durch neuere umfassendere Konzeptionen weiterentwickelt werden und in ihnen aufgehen muß. Arschawski, Gelfand und Orlowski, Wissenschaftler am Institut für Probleme der Informationsverarbeitung der AdW der U d S S R in Moskau, ziehen daraus in ihrem Buch „Das Kleinhirn und die Steuerung rhythmischer Bewegungen" (1984) den konsequenten Schluß, auf den Entwurf eines Gesamtmodells zu verzichten. Sie behaupten sogar: „Wir meinen, daß die Versuche, eine allgemeine Theorie physiologischer Prozesse auf der Grundlage kybernetischer Modelle aufzubauen, zwar bis zu einem gewissen Grade von Nutzen gewesen ist, sich aber doch weitgehend erschöpft hat. Wir haben uns davon aus eigener Erfahrung überzeugen können. Der Hauptweg der Physiologie muß in der Ausarbeitung ausreichend allgemeiner überprüfbarer Konzeptionen bestehen. Dieser Weg ist ebenso alt wie die Biologie. Niemand kann diesen schwierigen, aber fruchtbaren Weg umgehen"
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(S. 4). Die Forderung der Autoren richtet sich also auf die Aufstellung allgemeiner, überprüfbarer Denkmodelle und gegen die Gefahr eines „kybernetischen Reduktionismus". Daß diese Gefahr auch für die Psychologie besteht, zeigt die kleine 1984 erschienene Monographie von H. Hiebsch und R. Haschke. Ihre im wesentlichen zusammenfassende These^ der zufolge „die zentralnervöse Tätigkeit und die psychische Tätigkeit des Menschen als ontologisch einheitliche — der Yerhaltensregulation dienende — Systemfunktion aufgefaßt wird" (S. 24), sagt überhaupt nichts aus, und die Anwendung des Begriffs der „Systemtheorie" (ich vermute, daß die Autoren darauf hinauswollen), wird durch ihre vorangegangenen Ausführungen in keiner Weise begründet. Ebenso unfaßlich ist die neuerdings in der Deutschen Zeitschrift für Philosophie (2 und 3, 1985) und bei den Kühlungsborner Symposien immer wieder angewandte Formulierung vom Menschen als einer „biopsychosozialen" Einheit. Ein solches Konglomerat von Wortstämmen, dem man noch weitere Wortstämme wie neuro-, humoro-, emotio, etho- usw. hinzufügen könnte, besagt überhaupt nichts über die tatsächlichen Beziehungen biotischer, psychischer und gesellschaftlicher (sozialer) Faktoren im Wesen des Menschen und täuschen eine neue Erkenntnis vor, wo erst einmal exakte wissenschaftliche Analyse notwendig ist. Das Psychische als die oberste Steuer- und Koiitrollebene des Umweltverhaltens und aller biotischen Prozesse im Organismus Alle Funktionen des Organismus werden durch selbstorganisierende, selbstregulierende Funktionseinheiten unterschiedlicher Komplexität realisiert, die hierarchisch, parallel oder/und vernetzt aufgebaut sind und im unversehrten Gesamtorganismus letztlich einer obersten Steuer- und Regelinstanz unterliegen. Sie stimmt die Funktionen der verschiedenen, weitgehend autonom arbeitenden Funktionseinheiten (Systeme) im Organismus aufeinander ab und sichert ihr optimales Zusammenspiel zur Erreichung bestimmter für den Organismus nützlicher Verhaltensziele. Diese Grundgesetzmäßigkeit gilt in vollem Umfange auch für den menschlichen Organismus. Wie wir unter 1. gezeigt haben, ist beim Menschen die oberste Steuer- und Kontrollinstanz die psychische Regulationsebene mit ihrer völlig neuen, gesellschaftlich determinierten Qualität. Trotz ihrer qualitativ neuen, in erster Linie gesellschaftlich determinierten Gesetzmäßigkeiten realisiert sie ihre Funktionen in dem materiellen Substrat hochintegrierter, nach stochastischen dynamisch-funktionellen Prinzipien arbeitenden Systemen funktionell integrierter Neuronenensembles. Dies bedeutet weder Parallelismus neurophysiologischer (biotischer) und psychischer Phänomene noch Charakterisierung des Psychischen als Epiphänomen höchster Integrationsprozesse im Gehirn. Es bedeutet vielmehr im Sinne der Grundprinzipien des dialektischen Materialismus das Umschlagen einer hochentwickelten Quantität biotischer Prozesse (in der funktionellen Kooperation einer riesigen Anzahl hochorganisierter Neuronenensembles) in eine neue Qualität, die Qualität des Psychischen mit seinen weitgehend gesellschaftlich determinierten Eigengesetzmäßigkeiten. Das Zustandekommen dieses Umschlagens von Quantität in Qualität hat sich in diesem Falle über das Durchlaufen immer komplizierterer Vorstufen des Psychischen im
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Laufe der Phylogenese des Menschen vollzogen (Klix, 1980). Aus dieser Überlegung ergibt sich aber, daß die psychischen Prozesse zur (potentiell) obersten Steuer- und Kontrollinstanz im menschlichen Gehirn geworden sind. Die Anerkennung dieser Tatsache bedeutet, daß der psychischen Funktionsebene als der obersten Steuer- und Kontrollinstanz im menschlichen Gehirn im Prinzip, d. h. potentiell, alle funktionellen biotischen Systeme im Organismus bis hin zu detaillierten Einzelfunktionen untergeordnet sind und von ihr aus beeinflußt werden können. Diese Einflußnahme erfolgt in vielen Fällen nicht auf direktem Wege (wie bei der willkürlichen Muskelkontraktion), sondern meist vermittelt über indirekt wirkende funktionelle Mechanismen (wie z. B. die Herbeiführung von Muskelerschlaffung durch intensives Vorstellen der Erwärmung einer Extremität im autogenen Training). In vielen Fällen ist ihr Eingreifen überhaupt nicht erforderlich, da die Mehrzahl der biotischen Prozesse automatisiert nach den Prinzipien der homöostatischen Selbstregulation abläuft. Doch prinzipiell ist ihr Eingreifen jederzeit möglich. Es ist auch keineswegs bewußtseinspflichtig, sondern vollzieht sich vielmehr fortlaufend, ohne daß uns dies zum Bewußtsein kommt. Diese Erkenntnis ist von größter theoretischer und praktischer Bedeutung. Da die psychischen Funktionen in den höchsten neurophysiologischen Integrationsebenen des Gehirns ihr materielles Substrat haben, stehen ihnen alle Regel- und Steuermechanismen des Gehirns zur Verfügung. Dies ist 1. der unmittelbare nervale Weg über willkürliche motorische Aktionen, 2. der Weg über die Beeinflussung der Funktionen des vegetativen Nervensystems und 3. der Weg über die Beeinflussung des neuroendokrinen Systems. Es ist unmöglich, diese drei Wege und ihre Verflechtungen hier im einzelnen nachzuzeichnen und ihre Konsequenzen detailliert aufzuzeigen. Es sei nur darauf hingewiesen, daß ein derartiges konzeptionelles Herangehen an die Auffassung des Psychischen als der obersten Steuer- und Kontrollebene des menschlichen Gehirns, dem alle biotischen Regel- und Steuermechanismen zuj- Verfügung stehen, die Vielfalt der Einflußfaktoren psychischer Genese und, über sie vermittelt, gesellschaftlicher (sozialer) Einflußfaktoren mit einem Schlage verständlich macht. Das trifft z. B. auf die seit langem bekannten psychischen Einflüsse auf Krankheitsentstehung und -behandlung zu. Wenn erfahrene Ärzte sagen, daß bei mehr als 30 % aller Erkrankungen psychische Faktoren eine ausschlaggebende Rolle spielen, und die Gestaltung der Umweltbeziehungen und damit gesellschaftlicher Einflußfaktoren einen hohen Stellenwert für die Medizin besitzt, so ist dies bei den geschilderten Zusammenhängen und der Rolle des Psychischen im Rahmen der Gesamtfunktionen des menschlichen Organismus überhaupt nicht erstaunlich. Wahrscheinlich muß der prozentuale Anteil sogar noch höher angesetzt werden. Die psychische Beeinflussung immunologischer Abwehrvorgänge des menschlichen Organismus, ja die Förderung oder Verzögerung des Krebswachstums durch psychische Einflüsse gelten heute in der Medizin als weitgehend gesichert. Doch die zu ziehenden Schlußfolgerungen reichen natürlich weit darüber hinaus in alle gesellschaftlichen Bereiche, worauf hier aber nicht im einzelnen eingegangen werden kann. E s scheint mir jedoch notwendig, an dieser Stelle abschließend auf die weitreichende Bedeutung der hier dargelegten Hypothese hinzuweisen. Die Tatsache, daß das Psychische und, dadurch vermittelt, auch die gesellschaftlichen Faktoren einen immensen Einfluß
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auf den Zustand und das Befinden des menschlichen Organismus haben, ist eine seit langem bekannte, aber in ihren Mechanismen und Zusammenhängen rätselhafte E r f a h r u n g des Menschen, der daraus spontan Schlußfolgerungen für sein Verhalten und seine Lebensführung abgeleitet hat. Die wissenschaftliche Erkenntnis des Wesens und des Wirkungsmechanismus dieser psychischen Einflüsse als der obersten Steuer- und Kontrollinstanz des Verhaltens und aller Körperfunktionen, die ihr materielles S u b s t r a t in den höchsten Integrationsebenen des menschlichen Gehirns hat und über die die gesellschaftlichen Einflußfaktoren konkret wirksam werden, eröffnet der wissenschaftlichen Erforschung und Beherrschung dieser gesetzmäßigen Zusammenhänge völlig neue Perspektiven. Die Behandlung dieses Gegenstandes kann aber niemals isolierte A u f g a b e einer Einzeldisziplin sein, und sie darf auch nicht in einen biotischen und einen psychosozialen Anteil aufgespalten werden. Vielmehr macht sie das gemeinsame Vorgehen der Neurobiologen (Neuromorphologen, -physiologen, -chemiker, -endokrinologen usw.) und der Psychologen (Entwicklungspsychologen, kognitive Psychologen, klinische Psychologen usw.) unter Hinzuziehung von Fachvertretern anderer neurowissenschaftlicher Disziplinen erforderlich, um in interdisziplinärer Kooperation dieses besonders wichtige Zentralproblem der Neurowissenschaften des Menschen nicht nur einer globalen, sondern schrittweise einer 1 immer mehr ins Detail gehenden Lösung zuzuführen.
Zusammenfassung Ausgangspunkt der Darlegungen ist die zunehmende Bedeutung der Neurowissenschaften als interdisziplinärer Forschungs- und Praxisbereich, der die koordinierte komplexe Zusammenarbeit von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen (von der Molekularbiologie bis zur Psychologie) erfordert. E s wird die Hypothese aufgestellt, daß die psychischen Prozesse, die ihr materielles Substrat in der höchsten Integrationsebene des menschlichen Gehirns haben, die oberste Steuer- und Kontrollebene des Umweltverhaltens und der biotischen Prozesse im Organismus des Menschen darstellen. Näher eingegangen wird auf die Rolle des genetischen Code und die epigenetischen biotischen und gesellschaftlichen Faktoren, durch deren Zusammenwirken diese oberste Kontroll- und Steuerinstanz im menschlichen Gehirn entsteht, die über die neue Qualität des Psychischen verfügt. — In einem besonderen Kapitel wird auf den Nutzen und die Gefahr der Modellierung derartiger Prozesse sowie auf einige Fragen der Terminologie eingegangen.
Summary Starting point of the explanations is the increasing importance of the neurosciences as an interdisciplinary area of research and practice requiring the coordinated complex cooperation of scientists from different disciplines (from molecular biology to psychology). It is put forward the hypothesis that the psychic processes having their material substratum in the highest integration level of the human brain represent the highest control level of the environmental behaviour and the biotic processes in the human organism. The role of the genetic code and the epigenetic, biotic and social factors, the cooperation of which is responsible for this highest control function in the human brain involving the new quality of the psychic is more closely dealt with. — In a special chapter the usefulness and the danger of modelling such processes as well as some terminological questions are discussed.
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J. A. Barth, Leipzig/DDR
Aus dem Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Medizinischen Akademie Magdeburg
Prinzipien der neuronalen Informationsspeicherung Theorien, Methodologie, Experimente Yon H. Matthies Der grundsätzliche Konsensus in der Ebene der philosophischen, erkenntnistheoretischen Abstraktion, daß nämlich die psychischen Erscheinungen und kognitiven Funktionen als besondere Bewegungsformen hochgradig organisierter und strukturierter belebter Materie anzusehen sind, mag zwar befreien von der Last unfruchtbarer philosophischer Spekulationen und Auseinandersetzungen und ihren Auswirkungen in der konkreten fachwissenschaftlichen Ebene. An deren Stelle tritt aber die keineswegs leichtere Bürde, die mit der Notwendigkeit verbunden ist, nunmehr die Bewegungsgesetze der psychischen Erscheinungen mit denen der belebten Materie in Beziehung zu setzen. Dabei besteht eine besondere Schwierigkeit schon darin, die richtigen Entsprechungen in den einzelnen Ebenen der Betrachtung und Untersuchung zu erkennen sowie die Art und den Grad der Kongruenz bezüglich der Begriffsinhalte zu charakterisieren. Bekanntlich stehen meist schon in den einzelnen Wissenschaftsdisziplinen geprägten oder verwen deten Begriffe nur f ü r unscharfe Inhaltsfelder — ein Ausdruck der Relativität und der dynamischen Entwicklung unseres Wissens — u n d sie besitzen oft nur den Abstraktionsgrad, der für die disziplinäre Betrachtungsweise ausreichend erscheint. Ohne Zweifel haben neuentwickelte theoretische Konzeptionen in den letzten Jahrzehnten, wie sie mit der Kybernetik, der Informationstheorie und der Systemtheorie entstanden Begriffe höheren Abstraktionsgrades entwickelt, ihre Verwendung schafft aber nur scheinbare Übereinstimmungen, wenn sie lediglich der Modernisierung alter Begriffe dienen, ohne die Begriffsinhalte neu zu bestimmen und zu präzisieren. Diesem Problem steht man auch gegenüber bei den Bemühungen um die Aufklärung der biologischen Grundlagen von Lernvorgängen und des Gedächtnisses, welche ja ohne Zweifel als fundamentale Komponenten der Verhaltensregulation und der kognitiven Leistungen anzusehen sind. Geht man von der psychologischen Betrachtung des Gedächtnisses aus, wie sie z. B. F. Klix vorgenommen hat, so steht verständlicherweise die Niederlegung von ereignisbezogenem oder merkmalsbestimmtem Wissen in Begriffskonfigurationen oder begrifflichen Eintragungen und die Analyse von Begriffsrelationen, also von natürlich-sprachlichem Material im Vordergrund, um von den auf diese Weise erzielten Resultaten Hypothesen über die Gesetzmäßigkeiten der zu Grunde liegenden funktionellen S t r u k t u r auch des materiellen Substrats zu erschließen. Bei der biologischen Betrachtungsweise beherrschen hingegen aus verschiedenen Gründen andere Annäherungen das Vorgehen: Sie sind bedingt durch den vorrangigen Blick auf das neuronale Substrat, soweit nicht nur rein phänomenologische Zusammenhänge erschlossen werden. Die damit zwangsweise verbundene überwiegende Beschränkung auf das Tierexperiment schließt die Analyse sprachlich faßbarer semantischer Aspekte aus. 19
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Die Strategie der biologisch orientierten Gedächtnisforschung wird also methodologisch durch die Notwendigkeit bestimmt, niedergelegtes „Wissen" über seine Entäußerung in der Verhaltensregulation zu erfassen und mit der Analyse der Relationen von Signalkomplexen und Verhaltenskomponenten zu verbinden. Die daraus abgeleiteten Hypothesen über die Gesetzmäßigkeiten der zu Grunde liegenden funktionellen Struktur müssen ihre Prämissen aus dem Kenntnisstand über die allgemeinen Prinzipien und spezifischen Erscheinungsformen molekularer und zellulärer Prozesse und über die morphofunktionellen Grundstrukturen des Nervensystems beziehen. Die Frage ist, ob man sich mit diesen divergenten Strategien begnügen soll, oder ob es nicht an der Zeit ist, ohne Einschränkung dieser spezifischen Vorgehensweisen darüber hinaus auch nach Stragegien zu suchen, die sich in einem Feld größerer methodologischer Kongruenz bewegen würden, auch wenn dabei — was bei interdisziplinärem Herangehen nicht immer vermeidbar ist — Kompromisse aus disziplinarer Sicht zunächst in Kauf genommen werden müßten. Diese Suche nach den Feldern größter methodologischer Übereinstimmung macht es notwendig, die gegenwärtigen Positionen herauszuarbeiten, wobei nicht verschwiegen werden soll, daß diese auch in der Neurobiologie keineswegs einheitlich sind. Im folgenden soll aber versucht werden, eine denkbare konzeptionelle Vorstellung zu skizzieren, die sich sowohl aus erkenntnistheoretischen Aspekten, wie aus dem gegenwärtigen biologischen Wissensbestand ergibt. Zunächst wird dabei von der Annahme ausgegangen, daß der Gegenstand neurobiologisch-tierexperimenteller Untersuchung und Betrachtung ein materielles Substrat darstellt, das sich in seinen grundlegenden Eigenschaften nicht wesentlich von dem unterscheidet, das den psychischen Vorgängen beim Menschen zu Grunde gelegt werden muß. Deshalb kann auch angenommen werden, daß die Prinzipien und Mechanismen der neuronalen Informationsverarbeitung und -speicherung in beiden Fällen weitgehend oder vollständig übereinstimmen. Geht man davon aus, daß das Verhalten im wesentlichen als Ausdruck der EingangsAusgangs-Beziehungen des Nervensystems betrachtet werden kann, welche durch die jeweilige funktionelle Struktur dieses Systems bestimmt werden, so muß eine Verhaltensänderung auf einer mehr oder weniger dauerhaften Änderung dieser Systemstruktur beruhen. Nun wird ja ein System durch die Zahl und die Eigenschaften seiner Elemente, sowie ihrer Beziehungen zueinander und zum Gesamtsystem definiert. Für das Nervensystem bedeutet das aber, daß dessen funktionelle Struktur als Grundlage des jeweiligen Verhaltens aus der Zahl und den Eigenschaften der Zellen, vor allem wohl der Nervenzellen, und aus der Zahl sowie aus den topologisch-strukturellen, energetischen und stofflichen Eigenschaften ihrer wechselseitigen Beziehungen resultiert. Eine Verhaltensänderung setzt dann Änderungen solcher Systemkomponenten voraus, wobei dieser Satz nicht umkehrbar ist, da bei einem sehr komplexen System ein und dasselbe Verhalten durch unterschiedliche Zustände seiner Systemstruktur realisiert werden kann. Eine solche Änderung der funktionellen Struktur des Nervensystems, die mit einer Verhaltensänderung verbunden ist, kann zunächst schon durch direkte stoffliche, energetische oder strukturändernde Einflüsse verursacht werden, etwa durch Pharmaka, Temperaturerhöhung oder Zellverlust. Sieht man aber von solchen Randbedingungen, sowie von den
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besonderen Verhältnissen während der frühen Ontogenese und der späten Involution ab, dann sind die Ursachen für Veränderungen der funktionellen Struktur des Nervensystems vor allem in seiner Aktivität selbst zu suchen, die mit der Aufnahme und Abgabe von Signalen in der Wechselwirkung von Organismus und Umwelt und der resultierenden Informationsverarbeitung verbunden ist, oder in der Eigendynamik des Systems ihren Ursprung hat. Die auf diese Weise induzierten Veränderungen können also als interaktive Widerspiegelung dieser Wechselwirkungen in der funktionellen Struktur des Nervensystems aufgefaßt werden, wobei die so erfolgte Informationsspeicherung stets an die ungestörte und identische Aktivität des Nervensystems gebunden ist. Diese resultierenden, mehr oder weniger dauerhaften Veränderungen der Systemstruktur können alle ihre Komponenten betreffen. Bei der berechtigten Annahme einer relativen Konstanz der Zahl und der genetisch determinierten Eigenschaften der Zellen des Nervensystems in einem definierten Zeitraum sind aber zunächst vor allem Änderungen ihrer funktionellen und topologisch-strukturellen Verbindungen untereinander in Betracht zu ziehen. Diese Verbindungen werden vorrangig durch die synaptischen Funktionsstrukturen und andere, weniger gut bekannte Systeme der stofflichen oder energetischen interneuronalen Signalübertragung repräsentiert. In ihnen sind also in erster Linie die Mechanismen der neuronalen Informationsspeicherung als Grundlage der Gedächtnisbildung und Verhaltensregulation zu sehen. Ihre funktionsabhängigen Modifikationen werden durch die chemischen und physikalischen Vorgänge bei der Aufnahme, Abgabe und Verarbeitung räumlich-zeitlicher Muster von Signalen der Wechselwirkung von Organismus und Umwelt induziert. Der semantische Inhalt der aus dieser aktiven Widerspiegelung resultierenden Information kann aber nicht durch einzelne stoffliche, energetische oder topologische Aspekte dieser Vorgänge repräsentiert werden, denn sie gewinnen erst in ihrer untrennbaren Einheit ihren informationellen Aspekt. Deshalb ist vielleicht das Feld der methodologischen Kongruenz einer psychologischen und neurobiologischen Betrachtung der neuronalen Informationsspeicherung und der Gedächtnisbildung nicht vorrangig durch die materiellen Träger des informationellen Aspekts, also nicht durch einen konkreten chemischen Stoff, nicht durch eine physikalische Meßgröße und nicht durch konkrete morphologische Strukturen des Nervensystems bestimmt, sondern durch das Prozeßhafte ihrer Bewegungen und Veränderungen in Zeit und Raum. Geht man unter Berücksichtigung dieser Überlegungen noch einmal zurück zu den wichtigsten allgemeinen Erkenntnisfortschritten in der Neurobiologie, so ist hier vor allem die Entwicklung jener Vorstellungen zu nennen, welche dem Nervensystem ständige Veränderungen seiner aktiven Struktur zuschreiben, die in der eigenen funktionellen Tätigkeit und in der genetisch determinierten Fähigkeit zur Selbstregulation und .Selbstorganisation ihren Ursprung haben und mit dem Begriff der neuralen Plastizität umfaßt werden. Mit dieser dialektischen Verknüpfung von „nature" und „nurture" wurde die frühere Vorstellung eines statischen, deterministischen Charakters des Nervensystems überwunden. Einen entscheidenden Schritt in dieser Richtung bildete schon die fundamentale Idee Pawlow's von der Bildung zeitweiliger Verbindungen als Grundlage des Gedächtnisses und der Verhaltensregulation. Ihre weitere 19*
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Konkretisierung in der Neurobiologie erfuhr sie durch die fruchtbare Hypothese der modifizierbaren Synapse, die von D. Hebb 1949 entwickelt wurde, und welche der Koaktivität von Nervenzellen eine auslösende Rolle für die funktionsabhängige Modifikation von interneuronalen Verbindungen und funktionellen Nervennetzen als zellulärem Mechanismus der Informationsspeicherung und Gedächtnisbildung zuschrieb. Für das Grundverständnis der neuronalen Plastizität und die Erforschung der Mechanismen von Lernvorgängen und der Gcdächtnisbildung ist die Berücksichtigung der zeitlichen Aspekte von nicht geringer Bedeutung. Lernvorgänge und die damit verbundene Informationsverarbeitung sind ja Prozesse mit teilweise sehr unterschiedlichen Zeitkonstanten, die eine veränderte funktionelle Struktur als Grundlage einer Gedächtnisspur und damit einer neuen Verhaltensweise zum Ergebnis haben. Die Dynamik der Verhaltensänderung und die einzelnen Komponenten der Systemänderung müssen keine zeitliche Kongruenz aufweisen. Zahlreiche verhaltensphysiologische und psychologische Untersuchungen haben bereits belegt, daß einem im Lernvorgang erworbenen Verhalten sukzessiv unterschiedliche funktionelle Zustände unterliegen bis zum Erreichen eines relativ stabilen und mehr oder weniger dauerhaften Endzustandes, ganz in Ubereinstimmung mit den angeführten systemtheoretischen Überlegungen, daß ein und dasselbe Verhalten durch unterschiedliche funktionelle Strukturen realisiert werden kann. Mit anderen Worten, wenn auch ein neues Verhalten, die Speicherung einer Information, in Sekunden erworben werden kann, müssen die zu Grunde liegenden Änderungen im Nervensystem nicht im gleichen Zeitraum abgeschlossen sein und im weiteren Zeitverlauf dieselben bleiben, die zunächst die schnelle Verhaltensänderung realisiert hatten. So selbstverständlich auch diese Feststellungen sein mögen, so zeigen doch zahlreiche Mißverständnisse und Verständnisbarrieren, daß dem keineswegs so ist. So können zum Beispiel bei alleiniger Berücksichtigung der elektrophysiologisch bestimmbaren lernbezogenen neuronalen Prozesse unter dem Eindruck ihrer sehr kurzen Dauer und schnellen Abläufe nachfolgende biochemische und morphologische Veränderungen mit gänzlich anderen Zeitkonstanten außerhalb des methodischen Blickfelds, aber auch leicht außerhalb des Bewußtseins bleiben, so daß sie konzeptionell nicht berücksichtigt werden. Der schon erwähnte Nachweis verschiedener zeitlich aufeinanderfolgender Phasen des Gedächtnisses — zumeist als Kurzzeit-, Intermediär- und Langzeit-Gedächtnis bezeichnet — in zahlreichen verhaltensphysiologischen Untersuchungen führte uns unter Berücksichtigung der vorhergehenden Überlegungen zu der Hypothese, daß diese Gedächtnisformen mit ihren Unterschieden im zeitlichen Verlauf und in der experimentellen Beeinflußbarkeit vielleicht charakteristische Eigenschaften der zu Grunde liegenden neuronalen Mechanismen reflektieren. Den Änderungen der synaptischen Konnektivität beim Kurzzeit-Gedächtnis — im Sekunden- bis Minutenbereich — würden danach vor allem schnell ablaufende ElektrolytVerschiebungen und dadurch ausgelöste Konformationsänderungen vorhandener Membranproteine und Aktivitätsänderungen von Enzymsystemen im unmittelbaren Synapsenbereich entsprechen, die auf Grund der Regulationssysteme zur Konstanthaltung der synaptischen Funktion jedoch von nur kurzer Dauer sind.
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B e i m I n t e r m e d i ä r g e d ä c h t n i s — im B e r e i c h weniger S t u n d e n — würden die K o n n e k t i v i t ä t s ä n d e r u n g e n bei stärkerer Einbeziehung postsynaptischer u n d dendritischer S t r u k t u r e n gleichfalls auf K o n f o r m a t i o n s ä n d e r u n g e n , aber auch auf p o s t t r a n s l a t i o n a l e r M o d i f i k a t i o n bereits vorhandener Proteine, etwa durch Phosphorylierung und Glykosylierung, b e r u h e n . D a b e i w ä r e ihr Z u s t a n d e k o m m e n nicht nur auf h o m o s y n a p t i s c h e n , sondern auch auf heterosynaptischen Einfluß zurückzuführen. Auch diese V e r ä n d e r u n g e n der K o n n e k t i v i t ä t wären zeitlich begrenzt, wenn auch von l ä n g e r e m B e s t a n d , als d a s K u r z z e i t - G e d ä c h t nis. D a s L a n g z e i t - G e d ä c h t n i s , das sich erst während d e r W i r k u n g s d a u e r des I n t e r m e d i ä r gedächtnisses allmählich im Verlauf von einigen S t u n d e n zu entwickeln scheint, ist a b e r von beträchtlicher, vielleicht von lebenslänglicher D a u e r . D i e Änderungen der funktionellen S t r u k t u r , die ihm z u g r u n d e liegen, sind o f f e n b a r in hohem Maße von der S y n t h e s e neuronaler Makromoleküle a b h ä n g i g , die vorwiegend im Zellkörper vor sich g e h t . F ü r die funktionelle Verwendung dieser Makromoleküle in s y n a p t i s c h e n S t r u k t u r e n ist d e s h a l b der Zeitbedarf längerer T r a n s p o r t w e g e zu berücksichtigen. D a s würde z u s a m m e n m i t den Z e i t k o n s t a n t e n f ü r die I n d u k t i o n u n d die Realisierung der S y n t h e s e auch die V e r z ö g e r u n g bei der B i l d u n g des L a n g z e i t g e d ä c h t n i s s e s , die s o g e n a n n t e K o n s o l i d i e r u n g , a b e r auch deren Unterschiede in A b h ä n g i g k e i t von Spezies u n d L e r n m o d e l l e n erklären können. D i e o f f e n b a r e Beteiligung m a k r o m o l e k u l a r e r S y n t h e s e - P r o z e s s e an der Informatinosspeicherung im N e r v e n s y s t e m und der B i l d u n g einer mehr oder weniger d a u e r h a f t e n Gedächtnisspur, die auf G r u n d der amnestischen Wirkung der P r o t e i n s y n t h e s e - H e m m e r angenommen wurde, warf die F r a g e nach den Mechanismen ihrer I n d u k t i o n u n d den induzierenden Signalen auf. Verständlicherweise waren die spezifischen chemischen B o t e n s t o f f e des N e r v e n s y s t e m s , die T r a n s m i t t e r , vorrangige K a n d i d a t e n . In eindrucksvollen U n t e r s u chungen an ü b e r s c h a u b a r e r e n S t r u k t u r e n des peripheren s y m p a t h i s c h e n N e r v e n s y s t e m s konnten die Azetylcholinabhängige Induktion spezifischer neuronaler E n z y m e bei Unterbrechung der terminalen noradrenergen Transmission und k o m p e n s a t o r i s c h e r S t e i g e r u n g der präganglionären Azetylcholin-Freisetzung, wie auch die zeitliche Abfolge wesentlicher Teilschritte dieser intraneuronalen metabolischen R e g u l a t i o n s k e t t e nachgewiesen werden. Natürlich hatten diese E r g e b n i s s e , die a m peripheren N e r v e n s y s t e m erzielt wurden, im Hinblick auf die Prozesse der Informationsspeicherung u n d G e d ä c h t n i s b i l d u n g nur Modellcharakter. S i e zeigten lediglich, daß bereits f ü r einfache K o m p e n s a t i o n s v o r g ä n g e zur Konstanthaltung der chemischen Transmission Teilmechanismen e n t s t a n d e n waren, die möglicherweise auch zu d a u e r h a f t e n Veränderungen der synaptischen Ü b e r t r a g u n g , bei der B a h n u n g neuer neuronaler Verbindungen, wenn auch m i t einem anderen finalen E r gebnis der R e g u l a t i o n s v o r g ä n g e , beitragen könnten. An H a n d eines standardisierten Lernmodells, der fußschockmotivierten Hell-DunkelDiskriminierung der R a t t e , v e r s u c h t e n wir z u n ä c h s t , biochemische, morphologische u n d funktionelle Veränderungen im Z e n t r a l n e r v e n s y s t e m zu e r f a s s e n , die sich nach d e m E r werb einer erlernten Verhaltensweise vollziehen, das heißt auf d e m B o d e n einer bereits schnell gebildeten, aber zeitlich begrenzten Änderung der funktionellen S t r u k t u r , die nur als Kurz-Zeit- u n d Intermediärspeicher dient. U m die Beteiligung makromolekulärer S y n t h e s e v o r g ä n g e u n d ihre h a u p t s ä c h l i c h e L o k a lisation bei langzeitiger Gedächtnisbildung zu ermitteln, wurden nach der L e r n p r o z e d u r
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radioaktiv markierte R N S - oder Protein-Präkursoren intraventrikulär verabreicht und ihre Inkorporation bestimmt. In zahlreichen Varianten dieser Versuchsanordnung konnte nach dem Lernvorgang eine gesteigerte R N S - und Protein-Synthese vor allem im Hippokampus, aber auch in einigen umschriebenen neokortikalen Strukturen nachgewiesen werden. Die damit erwiesene Eignung dieses Lernmodells — denn nicht alle experimentellen Lernmodelle liefern quantitativ ausreichend erfaßbare Veränderungen — veranlaßte mehrjährige, umfangreiche und systematische Untersuchungen. Ihre Ergebnisse zeigten unmittelbar im Anschluß an den Lernvorgang eine Zunahme der elektronenoptisch darstellbaren synaptischen Strukturen, sowie der membrangebundenen Ribosomen und Polysomen. Ebenso konnte eine Zunahme der langsamen rhythmischen Aktivität des Hippokampus beobachtet werden, die von einem Anstieg der R N S - S y n t h e s e in zwei Schüben und einer entsprechenden Proteinsynthese-Steigerung erfolgt wurde. Schließlich konnte auch eine zweiphasige Steigerung der Glykoproteinsynthese festgestellt werden. Die genauere Untersuchung insbesondere der Glykoprotein-Bildung ergab aber nicht etwa umfassende gleichartige Veränderungen in allen Hirnstrukturen, es zeigte sich vielmehr, daß die Stoffwechseländerungen in den einzelnen Neuronenpopulationen in sehr differenzierter Weise verlaufen, und teils einphasige, teils zweiphasige Synthesesteigerungen erkennen lassen. Die Frage erhob sich natürlich — trotz aller Kontrollversuche — ob diese gesteigerte Makromolekül-Synthese tatsächlich charakteristisch für die Gedächtnisbildung und Informationsspeicherung ist, oder nur Ausdruck irgendeiner Art von neuronaler Aktivitätssteigerung. Deshalb wurden die makromolekularen Veränderungen nach einem Lernvorgang mit denen nach einfacher indirekter elektrischer Stimulation des Hippokampus über das Septum verglichen, die ja ebenfalls zu einer starken rhythmischen Aktivität der Hippokampus-Neurone führt. E s zeigte sich, daß zwar beide Formen hippokampaler Aktivierung zu einem Anstieg der Protein-Synthese führen, daß aber nur nach dem Lernvorgang eine gesteigerte Glykoprotein-Bildung beobachtet werden kann. Wodurch wurde aber diese Syntheseleistung induziert? In erster Linie waren Signalträger der chemischen Erregungsübertragung in Betracht zu ziehen. Wir sagten u n s : Wenn die Glykoprotein-Synthese von einem Transmitter induziert wird, der unter unseren experimentellen Bedingungen bei der Informationsverarbeitung während des Lernvorgangs freigesetzt worden ist, dann könnte vielleicht eine solche Induktion auch durch ein entsprechendes Transmitterangebot an Hirnschnitten in vitro ohne vorherigen Lernvorgang auslösbar sein. Und in der Tat konnte Dopamin als einziger klassischer Transmitter in vitro eine beträchtliche Steigerung der Fucose-Inkorporation in Hippokampus-Schnitten hervorrufen. Daß dieses Regulationssystem auch im Verhaltensexperiment auf dopaminerge Agonisten anspricht, zeigte die gedächtnisfördernde Wirkung intraventrikulär verabreichter dopaminerger Pharmaka. Offenbar wird also durch dopaminerge Aktivierung von Neuronen, die in die assoziative Signalverarbeitung bei Lernvorgängen einbezogen wurden, die vermehrte Bildung von Glykoproteinen ermöglicht, die zur Funktionsänderung von Synapsen und Neuronen
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und damit zur postulierten langzeitigen Änderung der funktionellen Struktur als Grundlage des Lang-Zeit-Gedächtnisses führen. Bedenkt man zudem, daß Dopamin vorrangig emotionale und motivationelle Einflüsse vermittelt und daß diese sehr wesentlich zur dauerhaften Fixierung einer Gedächtnisspur beitragen, wird ein solches regulatorisches Prinzip durchaus verständlich. Abschließend soll noch auf einen anderen Vorstoß zur Aufklärung der neuronalen Regulation adaptiver Leistungen des Nervensystems kurz eingegangen werden. Vor etwa 10 Jahren entdeckten Bliss und Mitarb., daß nach kurzer hochfrequenter Reizung, also nach Tetanisierung des entorhinalen Hippokampus-Eingangs, des sogenannten perforant pathway, eine Tage bis Wochen anhaltende Potenzierung der synaptischen Übertragung entsteht, die in vivo und in vitro auslösbar ist. Eine solche, bis dahin nirgendwo beobachtete langanhaltende synaptische Funktionsänderung legte sogleich die Annahme nahe, auf den lang gesuchten Mechanismus der Lang-Zeit-Speicherung im Zentralnervensystem gestoßen zu sein. Wenn auch in den folgenden Jahren zahlreiche Laboratorien die Bedingungen und Faktoren dieser Langzeit-Potenzierung genauer bestimmten, konnte ihre Bedeutung als Mechanismus der Gedächtnisbildung nicht geklärt werden. Verständlicherweise bezogen wir dieses Phänomen auch in unsere Untersuchungen ein, jedoch genügte uns nicht der Nachweis einer mehr indirekten Korrelation eines Lernvorgangs mit der Langzeitpotenzierung irgendwelcher, vielleicht nicht notwendigerweise beteiligter Synapsen. Wir entwickelten deshalb ein Lernmodell, bei dem der Reiz des perforant path zur Erzeugung einer Langzeitpotenzierung zugleich als bedingter Reiz für eine konditionierte aktive Vermeidensreaktion diente, so daß für längere Zeit nach dem Lernvorgang die Funktionsänderung an einer definierten Synapsenpopulation untersucht werden kann, die auch notwendigerweise an ihm beteiligt ist. Ohne auf methodische Einzelheiten einzugehen, sollen die bisher erzielten Ergebnisse dargestellt werden: Die perforant path-Reizung mit kurzen Impulszügen als bedingter Reiz erlaubte eine erfolgreiche Konditionierung. Dabei gab es gute und schlechte Lerner, wobei die guten Lerner eine anhaltende synaptische Potenzierung, die schlechten Lerner sogar eine Hemmung der synaptischen Übertragung erkennen ließen. Zerstört man die untersuchten synaptischen Strukturen und ihre Neurone durch einen selektiven Eingriff, so ist keine Konditionierung auf diesem Wege möglich. Ferner ließ sich zeigen, daß auch bei der Konditionierung durch perforant path-Reizung als bedingter Reiz mit dem Erwerb der aktiven Vermeidensreaktion eine signifikante Steigerung der Glykoprotein-Synthese im Hippokampus einhergeht, daß aber die Tetanisierung und post-tetanische Potenzierung die Glykoprotein-Synthese nicht beeinflußt. Unsere Ergebnisse stützen also die Auffassung, daß die neuronalen Prozesse, die zur Veränderung der funktionellen Struktur als Grundlage der dauerhaften Verhaltensänderung führen, nicht monosynaptisch induziert werden können, sondern die Konvergenz mehrerer spezifischer Signale und Bewertungsfunktionen über die räumlich-zeitliche Ordnung der Einflüsse ihrer chemischen Signalträger erforderlich machen. Sie induzieren ein zeitlichräumliches Muster intrazellulärer Stoffwechselregulationen, an deren Ende eine mehr oder weniger dauerhafte Funktionsänderung neuronaler Elemente steht. E s zeigt sich also, daß die Aufklärung der Vorgänge im materiellen Substrat der Verhal-
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tensregulation qualitative A u s s a g e n u n d Prozeßcharakteristika liefern kann, die d u r c h a u s n u t z b r i n g e n d in d a s e i n g a n g s e r w ä h n t e F e l d m e t h o d o l o g i s c h e r K o n g r u e n z
eingebracht
werden können. Sicherlich ist d a s erst ein allererster A n f a n g — a b e r i m m e r h i n ein
aus-
sichtsreicher B e g i n n , wie ich m e i n e .
Zusammenfassung Auf der Grundlage systemtheoretischer Betrachtungen und experimenteller neurobiologischer Untersuchungen werden Vorstellungen über neuronale Prinzipien und zelluläre Mechanismen der Informationsspeicherung im Zentralnervensystem entwickelt, und insbesondere solche konzeptionellen Aspekte herausgestellt, welche die Entwicklung engerer Beziehungen zwischen Psychologie und Neurobiologie unterstützen könnten.
Summary On the basis of system-theoretical considerations and experimental, neurobiological investigations ideas are developed on neuronal principles and cellular mechanisms of information storage in the central nervous system and particularly such conceptional aspects, which could support the development of closer relations between psychology and neurobiology. P©3H)Me H a ocHoBe CHCTeMHo-TeopenmecKiix paccyaHi>ie acneKTH, KOTopue MoryT cnocoöcTBOBaTb pasBimiio 6onee tgchmx CBnaett Mewny ncHXOJiorneil h HeßpoÖHOJiorHefl. Literatur kann vom Verfasser angefordert werden. Eingegangen im März 1986 Anschr. d. Verf.: Prof. Dr. H. Matthies Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Medizinischen Akademie Leipziger Str. 44, D D R - 3010 Magdeburg
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J . A. B a r t h , L e i p z i g / D D R
Aus dem Institut für experimentelle Endokrinologie des Bereichs Medizin (Charité) der Universität zu Berlin
Humboldt-
Die Bedeutung von Hormonen für die geschlechtsspezifische Gehirndifferenzierung und die Teratopsychophysiogenese Von G. Hinz und G. Dörner Hormone sind chemische Boten, die in spezifischen Zellen gebildet werden und in geringen Konzentrationen biologische Wirkungen auf andere Zellen desselben Organisfnus ausüben. Hierbei gehen die Hormone mit den in den Erfolgsorganen enthaltenen Rezeptoren vorübergehende Bindungen ein. Man unterscheidet Systemhormone, die über den Blutkreislauf auf entfernt gelegene Targetzellen wirken, und Lokalhormone, die am Ort ihrer Bildung zur Wirkung gelangen. Nach Dörner (1976 a; 1985b) können auch die Neurotransmitter, die als neurale Überträgerstoffe fungieren, sowie die Neuromodulatoren, die Nervenfunktionen modulieren, im weiteren Sinne zu den Lokalhormonen gerechnet werden. Allen Hormonen ist gemeinsam, daß sie einerseits aktivierende (respektive stimulierende) Wirkungen im heranwachsenden und adulten Organismus entfalten, und daß sie andererseits organisierende (respektive differenzierende) Wirkungen im sich entwickelnden Organismus ausüben. Bei der aktivierenden Wirkung der Hormone handelt es sich um einen akuten, beliebig wiederholbaren Effekt auf die Genexpression und/oder auf Enzymaktivitäten. Die organisierende Wirkung der Hormone, die die Genexpressibilität beeinflußt, vollzieht sich nur einmalig in relativ kurzen Zeitphasen der Ontogenese. Diese organisierende Wirkung ist mehr oder weniger irreversibel. Durch anormale Hormonspiegel bedingte Differenzierungsstörungen haben später bleibende organische und/ oder funktionelle Störungen zur Folge. Man bezeichnet deshalb die ontogenetischen Organisationsphasen auch als kritische Differenzierungsphasen. Beim Menschen lassen sich 5 Stufen der Geschlechtsdifferenzierung unterscheiden (Dörner, 1985 a). (1) In der ersten Stufe wird das genetische (gonosomale) Geschlecht bei der Vereinigung von Ei- und Samenzelle determiniert. Das Verschmelzungsprodukt, die Zygote, ist weiblich oder männlich festgelegt, je nachdem ob ein X- oder ein Y-Chromosom in der Samenzelle enthalten w.ar. Das neu entstandene Lebewesen weist dementsprechend den weiblichen X X - oder den männlichen XY-Chromosomenstatus auf. (2) In der zweiten Stufe wird unter der Kontrolle bestimmter, auf den Gonosomen lokalisierter Gene sowie unter der Wirkung des H-Y-Antigens das Gonaden- oder Keimdrüsengeschlecht festgelegt. Aus indifferenten Zellen, die in die Gonadenanlage einwandern, werden — wahrscheinlich unter Vermittlung von Hormonen — entweder weibliche Gonaden (Eierstöcke) oder männliche Gonaden (Hoden) differenziert. (3) In der dritten Stufe wird unter dem Einfluß des im fetalen Hoden gebildeten Anti-
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Müller-Faktors sowie der Androgene das somatische Geschlecht determiniert, und zwar werden (a) während des 2. und 3. Felalmonats zunächst die inneren Genitalien differenziert. Bei Vorhandensein des Anti-Müller-Faktors werden die Müllerschen Gänge zurückgebildet und unter Testosteroneinfluß die Wölfischen Gänge zu den männlichen inneren Genitalien ausdifferenziert. Bei Abwesenheit des Anti-Müller-Faktors und des Testosterons werden umgekehrt die Wölfischen Gänge zurückgebildet und statt dessen die Müllerschen Gänge zu den weiblichen inneren Genitalien ausdifferenziert . (b) Während des 3. und 4. Fetalmonats werden dann die äußeren Genitalien determiniert. Bei einem genügend hohen Spiegel von Androgenen (vorrangig von 5a-Dihydrotestosteron) werden aus dem indifferenten Geschlechtshöcker sowie den Geschlechtsfalten und Geschlechtswülsten der männliche Penis und bei niedrigem Androgenspiegel die weibliche Klitoris sowie die Labia minora und Labia majora differenziert. (4) In einer vierten Stufe wird etwa zwischen dem 4. und 7. Fetalmonat des neuronale Geschlecht determiniert. Es werden die in verschiedenen Hirngebieten lokalisierten Sexualzentren, Erotisierungszentren und Geschlechtsrollenzentren unter dem Einfluß von Sexualhormonen in männlicher oder weiblicher Richtung differenziert. (a) Die Sexualzentren, die die hypophysäre Gonadotropinsekretion kontrollieren, werden nur durch Östrogene differenziert. Es handelt sich hierbei um Östrogene, die vorwiegend im Gehirn aus Androgenen gebildet werden. Der männliche (sog. tonische) Modus der Gonadotropinsekretion wird dementsprechend durch einen relativ hohen Spiegel von Östrogenen bzw. Androgenen determiniert, der weibliche (zyklische) Modus der Gonadotropinsekretion wird dagegen bei niedrigem Östrogen- bzw. Androgenspiegel determiniert. (b) Die Erotisierungszentren, die das Sexualverhalten kontrollieren, werden sowohl durch Östrogene als auch durch Androgene organisiert. Die männliche Differenzierung der Erotisierungszentren erfolgt dementsprechend bei einem im Gehirn vorhandenen relativ hohen Spiegel von Östrogenen und/oder Androgenen, die weibliche Differenzierung der Erotisierungszentren dagegen bei niedrigem Östrogen- und Androgenspiegel. (c) Die Geschlechtsrollenzentren, die das männliche oder weibliche Geschlechtsrollenverhalten kontrollieren, werden nach den bisherigen Kenntnissen hauptsächlich durch Androgene determiniert. Ein relativ hoher Spiegel an Androgenen bewirkt eine männliche, ein niedriger Spiegel an Androgenen eine weibliche Funktionsweise des Geschlechtsrollenzentrums. Für die geschlechtsspezifische Differenzierung der Sexual-, Erotisierungs- und Geschlechtsrollenzentren, die — allgemein gesprochen — die Sexualfunktionen des Organismus kontrollieren, sind somit nicht nur die absoluten Sexualhormonspiegel, sondern auch das Verhältnis von Androgenen zu Östrogenen verantwortlich. Da sich die kritischen Differenzierungsphasen der Sexualzentren, Erotisierungszentren und Geschlechtsrollenzentren teilweise überlappen, sind bei Störungen der Differenzierung, hervorgerufen durch nicht adäquate Hormonspiegel, die verschiedensten Kombinationen von Sexualdeviationen bezüglich der Gonadotropinsekretion, der sexuellen Orientierung und des Geschlechtsrollenverhaltens möglich.
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(5) In der letzten Stufe erfolgt die Differenzierung der geschlechtlichen Selbstidentifizierung. Die Identifizierung des Individuums hinsichtlich der Zugehörigkeit entweder zum männlichen oder zum weiblichen Geschlecht ergibt sich aus der vorausgegangenen pränatalen Differenzierung des somatischen und neuronalen Geschlechts und zusätzlich aus postnatalen psychosozialen Einflüssen. Aus der Vielzahl der tierexperimentellen und klinischen Befunde, die zur sexualhormonabhängigen Gehirndifferenzierung vorliegen, sollen hier folgende genannt werden. Die ersten aufschlußreichen Experimente stammen von Pfeiffer (1936) und Dantchakoff (1938). Pfeiffer entfernte bei männlichen Ratten während der kritischen Differenzierungsphase die Testes und implantierte den Tieren später Ovarien. Diese wiesen nach einiger Zeit Corpora lutea auf als Indiz für stattgehabte Ovulationen und damit für das Vorliegen einer zyklischen Gonadotropinsekretion. Implantierte Pfeiffer dagegen weiblichen Ratten während der kritischen Differenzierungsphase Testes, so fanden sich bei den erwachsenen Tieren keine Corpora lutea in den Ovarien als Beweis für eine azyklische Gonadotropinsekretion. Daß das in den Hoden gebildete Testosteron für diese Differenzierungseffekte verantwortlich ist, zeigten 1961 Barraclough und Gorski und später andere Autoren. Dantchakoff beobachtete andererseits bei erwachsenen weiblichen Meerschweinchen, denen sie pränatal Androgene verabfolgt hatte, signifikant gesteigertes männliches Sexualverhalten. Diese Beobachtungen wurden 1959 von Phoenix und Mitarbeitern bestätigt, die zwischen einer sexualhormonabhängigen pränatalen Organisationsphase und einer postpubertalen Aktivierungsphase des Gehirns unterschieden. Im Unterschied zu den Verhältnissen beim Meerschweinchen und beim Menschen liegt die kritische Differenzierungsphase des Gehirns bei der Ratte perinatal, also um die Geburt herum. Dies bedeutet, daß man an neugeborenen Ratten sehr gut hormonale Manipulationen vornehmen kann, weshalb diese Spezies bevorzugt für derartige Versuche herangezogen wird. Wir selbst haben in den letzten 20 Jahren im Institut für experimentelle Endokrinologie der Charité zahlreiche Experimente an Ratten durchgeführt, aus denen wichtige Erkenntnisse über die Sexualhormon- und neurotransmitterabhängige Gehirndifferenzierung gewonnen werden konnten. So konnte bei männlichen Tieren durch Kastration am 1. Lebenstag und Androgenzufuhr im Erwachsenenalter erstmalig ein Modell der männlichen Homosexualität erzeugt werden (Dörner, 1967; Dörner und Hinz, 1967). Derartig behandelte Rattenmännchen zeigten signifikant häufiger weibliches Sexualverhalten gegenüber männlichen Testpartnern als männliches Sexualverhalten gegenüber weiblichen Testpartnern. Auf Grund des während der Postnatalperiode vorliegenden Androgendefizits kommt es offenbar zu einer vorwiegend weiblichen Differenzierung der hypothalamischen Erotisierungszentren, so daß im Erwachsenenalter selbst bei Vorliegen eines normalen Androgenspiegels vorwiegend weibliches, d. h. homosexuelles Verhalten aktiviert wird. Andererseits konnte durch einen Androgen- oder auch Östrogenüberschuß während der kritischen frühpostnatalen Differenzierungsphase bei weiblichen Ratten eine neuroendokrin bedingte Prädisposition für weibliche Homosexualität induziert werden (Dörner, 1968; Dörner und Fatschel, 1970; Dörner und Seidler, 1971; Dörner und Mitarb., 1971).
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Die Tiere wiesen im Erwachsenenalter unter Androgensubstitution signifikant häufiger männliches Sexualverhalten gegenüber weiblichen Testpartnern als weibliches Sexualverhalten gegenüber männlichen Testpartnern auf. Schließlich konnte im Tierexperiment durch Gaben von Androgenen in der kritischen Differenzierungsphase des Gehirns männliche Homosexualität (Dörner und Hinz, 1968) und durch Zufuhr von Antiandrogenen während der kritischen Differenzierungsphase weibliche Homosexualität verhindert werden (Dörner, 1968; Dörner und Fatschel, 1970). Ferner gelang es Dörner und Mitarbeitern, durch elektrolytische Läsion des Nucleus hypothalamicus ventromedialis bei männlichen Ratten eine experimentell induzierte Homosexualität wieder weitgehend zurückzubilden (Dörner und Mitarb., 1968; Hinz, 1971; Dörner, 1972). Roeder und Müller erzielten 1969 unabhängig von uns ähnlichen Effekte bei pädophilen homosexuellen Männern durch stereotaktische Eingriffe im gleichen Hypothalamusgebiet, wie sie später auch von anderen Forschern erhalten wurden. Von Dörner und Mitarbeitern in verschiedenen Hypothalamusgebieten bei erwachsenen Ratten beiderlei Geschlechts vorgenommene Läsionen und Sexualhormonimplantationen führten Ende der 60er J a h r e zur Auffindung eines in der Area praeoptica gelegenen männlichen Erotisierungszentrums und eines im Nucleus ventromedialis lokalisierten weiblichen Erotisierungszentrums (Dörner, Döcke und Hinz, 1968; 1969; Dörner, Döcke und Moustafa 1968a; 1968b). Die Existenz zweier differenter Erotisierungszentren bei der Ratte und bei anderen Tierspezies wurde inzwischen vielfach bestätigt. Bei Vorhandensein eines normal hohen Androgenspiegels zur Zeit der Hypothalamusdifferenzierung wird bei männlichen Säugetieren einschließlich des Menschen nur das männliche Erotisierungszentrum voll differenziert, während das weibliche Erotisierungszentrum rudimentär bleibt. Dagegen wird bei Abwesenheit von Androgenen während der Hypothalamusdifferenzierung bei weiblichen Säugetieren einschließlich des Menschen nur das weibliche Erotisierungszentrum voll differenziert, während das männliche Erotisierungszentrum rudimentär bleibt. Durch Zellkernvolumenmessungen in bestimmten Hypothalamusgebieten, die den Erotisierungszentren entsprechen, wurde ferner von Dörner und Staudt (1968; 1969) erstmalig ein sexueller Dimorphismus des Gehirns, der vom perinatalen Sexualhormonspiegel abhängig ist, bei Ratten nachgewiesen. Danach besitzen normale weibliche Ratten z. B. im Nucleus ventromedialis signifikant größere Zellkerne als normale männliche Ratten. Permanente Änderungen des Sexualverhaltens, die von uns experimentell durch veränderte Sexualhormonspiegel während der Perinatalperiode hervorgerufen wurden, korrelierten mit entsprechenden Änderungen der Zellkerngrößen in den genannten Hypothalamusarealen. So führte perinataler Androgenentzug bei Rattenmännchen zu permanent vergrößerten, perinataler Androgenüberschuß bei Rattenweibchen dagegen zu permanent verkleinerten Zellkernvolumina. Von anderen Autoren konnte inzwischen ein solcher Geschlechtsdimorphismus des Gehirns für weitere Säugetierspezies einschließlich der Primaten beschrieben werden (Bubenik und Brown, 1973; De Lacoste-Utamsing und Holloway, 1981; Swaab und Fliers, 1985). Wurden Ratten beiderlei Geschlechts in der hypothalamischen Differenzierungsphase mit sehr hohen Androgen- oder östrogendosen behandelt, so wiesen die Tiere in der post-
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pubertalen Aktivierungsphase einen hypogonadotropen Hypogonadismus auf (Dörner und Hinz, 1971; Dörner und Mitarb. In: Dörner, 1972: S. 153-156; Hinz und Dörner, 1974). Ein solcher ließ sich bei Rattenmännchen ebenso durch neonatale Gonadotropiirzufuhr erzeugen. Die genannten Versuchsergebnisse wurden von Dörner (1969; 1970) in ein ätiopathogenetisches System sexualhormonabhängiger Differenzierungsstörungen wie folgt eingeordnet: 1. Bei einem niedrigen Androgenspiegel zur Zeit der hypothalamischen Differenzierungsphase, wie er physiologischerweise nur im weiblichen Organismus vorliegt, geht — unabhängig vom genetischen Geschlecht — eine überwiegend weibliche Differenzierung des Hypothalamus vor sich; d. h., es kommt zur Differenzierung eines zyklischen (und tonischen) gonadotropinrugelierenden Sexualzentrums, eines weiblichen Erotisierungszentrums und eines weiblichen Geschlechtsrollenzentrums. Postpubertal finden wir daher im genetischen und gonadal weiblichen Organismus eine zyklische hypophysäre Gonadotropinsekretion und zyklische Ovarialfunktion, die Auslösbarkeit eines positiven Östrogenfeedback sowie weibliches Sexual- und Geschlechtsrollenverhalten. Im männlichen Organismus tritt dagegen postpuberal in Abhängigkeit von der Stärke des Androgendefizits, das zur Zeit der Hypothalamusdifferenzierung herrschte, Hypo-, Bi- oder gar Homosexualität mit Auslösbarkeit eines positiven Ostrogenfeedback und teilweise weiblichem Geschlechtsrollenverhalten bei weitgehend normaler Hodenfunktion auf. 2. Bei einem mittelhohen Androgenspiegel zur Zeit der geschlechtsspezifischen Gehirndifferenzierung, wie er physiologischerweise nur im genetisch und gonadal männlichen Organismus vorliegt, erfolgt dagegen bei beiden Geschlechtern eine vorwiegend männliche Differenzierung des Hypothalamus; d.h., es kommt zur Organisation eines tonischen (und keines zyklischen) gonadotropinregulierenden Sexualzentrums, eines männlichen Erotisierungszentrums und eines männlichen Geschlechtsrollenzentrums. Im weiblichen Organismus finden wir deshalb postpuberal eine azyklische Gonadotropinsekretion mit anovulatorischer Ovarialfunktion und/oder Hypo- bis Bisexualität sowie unter Androgenaktivierung auch Homosexualität und teilweise männliches Geschlechtsrollenverhalten; im männlichen Organismus dagegen eine normale Hodenfunktion und normales männliches Sexual- und Geschlechtsrollenverhalten. 3. Bei einem pathologisch stark erhöhten Androgen- oder auch Östrogenspiegel zur Zeit der geschlechtsspezifischen Gehirndifferenzierung kommt es zu einer gestörten oder unvollständigen männlichen Differenzierung des Hypothalamus; d . h . , das männliche Erotisierungszentrum wird zwar organisiert, jedoch das tonische gonadotropinregulierende Sexualzentrum bleibt permanent gehemmt. Postpuberal ist daher ein hypogonadotroper Hypogondadismus mit sekundärer Hypo- bis Asexualität in beiden Geschlechtern zu beobachten. Im männlichen Organismus kann ein sehr hoher Östrogenspiegel zur Zeit der Hypothalamusdifferenzierung zusätzlich zu einer direkten, irreversiblen Hodenschädigung führen. Die im Tierexperiment durch neuroendokrine Alterationen zur Zeit der Hypothalamusdifferenzierung erzeugten permanenten Störungen der Gonadeiifunktion und des Sexualverhaltens dürften nach Dörner (1972: S. 205—211) bestimmten Syndromen des Menschen äquivalent sein.
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Danach könnte die sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Ratten induzierte Hypo-, Bi- und Homosexualität ätiogenetisch der angeborenen männlichen bzw. weiblichen Hypo-, Bi- und Homosexualität des Menschen entsprechen. Als analoge Syndrome des azyklischen oder oligozyklischen Rattenweibchens mit polyzystischen Ovarien können beim Menschen das Stein-Leventhal-Syndrom und auch die polyzystischen Ovarien beim kongenitalen Adrenogenitalen Syndrom gelten. Schließlich sind als ätiopathogenetische Äquivalente des experimentell erzeugten hypogonadotropen Hypogonadismus beim Mann der sogenannte idiopathische Eunuchoidismus und bei der Frau die sogenannte idiopathische Hypothalamusinsuffizenz anzusehen. Diese These wird u. a. durch folgende Befunde gestützt. Dörner, Rohde und Krell wiesen 1972 erstmalig bei homosexuellen Männern nach Ostrogenzufuhr die Auslösbarkeit eines positiven Östrogenfeedback-Effekts auf die LH-Sekretion nach, was als Zeichen eines vorwiegend weiblich differenzierten Hypothalamus gewertet wurde. Kürzlich kamen amerikanische Autoren (Gladue und Mitarb., 1984) bei den von ihnen untersuchten Homosexuellen zu denselben Ergebnissen, die sie in gleicher Weise interpretierten. Beim unbehandelten kongenitalen Adrenogenitalen Syndrom der Frau, bei dem infolge einer Enzymstörung bereits pränatal vermehrt androgenwirksame Kortisolvorstufen gebildet werden, wurde eine partielle Maskulinisierung der Gonadotropinsekretion, des Sexualverhaltens und des Geschlechtsrollenverhaltens beschrieben (Hinman, 1951; Trampuz, 1968; Ehrhardt und Mitarb., 1968; Money und Schwartz, 1977). Ebenso berichteten Stillman (1982) über eine partielle Maskulinisierung der Gonadotropinsekretion sowie Meyer-Bahlburg und Ehrhardt (1983) über homosexuelle Tendenzen bei den weiblichen Nachkommen von Müttern, die während der Gravidität hohe Östrogendosen (Diäthylstilböstrol) erhalten hatten. Bei männlichen Nachkommen von Müttern, die während der Schwangerschaft mit hohen Östrogendosen behandelt worden waren, wurde eine partielle Demaskulinisierung des Geschlechtsrollenverhaltens beobachtet (Yalom und Mitarb., \ 1973; Reinisch, 1977), die auf ein durch Östrogene hervorgerufenes pränatales Androgendefizit zurückzuführen sein dürfte. Entsprechend einer Studie des Kinsey-Instituts, die an etwa 1000 Homosexuellen durchgeführt wurde, kamen postnatale psychosoziale Einflüsse, die nach der Annahme einiger Forscher allein für die Entstehung der Homosexualität verantwortlich sein sollen, statistisch nicht häufiger als bei der heterosexuellen Vergleichsgruppe vor (Bell und Weinberg, 1978; Bell und Mitarb., 1980). Die Autoren folgerten vielmehr aus ihren Daten, daß die homosexuelle Triebabweichung angeboren, also biologisch bedingt sei. Nach Dörner (1972: S. 219ff.; 1980) sind Diskrepanzen zwischen dem genetischen Geschlecht und einem geschlechtsspezifischen Sexualhormonspiegel zur Zeit der Gehirndifferenzierung als Ursache für die Entstehung von Sexualdeviationen anzuschuldigen. Hiermit gut vereinbar sind klinische Befunde, die z. B. bei der Gonaden-(Testis-)dysgenesie, der Testikulären Feminisierung und dem Imperator-McGinley-Syndrom erhoben wurden. Bei der Testisdysgenesie, bei der prä- und postnatal ein niedriger Androgen- und Östrogenspiegel vorliegt, wurden ein weiblicher Modus der Gonadotropinsekretion (positiver Östro-
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genfeedback) sowie weibliches Sexual- und Geschlechtsrollenverhalten beobachtet (Van Look und Mitarb., 1977). Ein männlicher Modus der Gonadotropinsekretion (kein positiver Ostrogenfeedback), aber weibliches Sexual- und Geschlechtsrollenverhalten wurden bei der Testikulären Feminisierung beschrieben, die durch eine Nichtansprechbarkeit der Rezeptoren auf Androgene gekennzeichnet ist (Money und Mitarb., 1968; Van Look und Mitarb., 1977; Aono und Mitarb., 1978); die männliche Gonadotropinsekretion erklärt sich aus der Aromatisierung der Androgene zu Östrogenen und deren Wirkung auf die normal ansprechbaren Östrogenrezeptoren. Bei dem besonders interessanten McGinley-Syndrom handelt es sich um genetisch männliche Individuen mit einem hereditären 5a-Reduktasemangel (Pseudohermaphroditismus masculinus). Diese Pseudohermaphroditen können nicht genügend Testosteron in 5a-Dihydrotestosteron umwandeln, das für eine männliche Differenzierung der äußeren Genitalorgane erforderlich ist. Testosteron, das für die männliche Differenzierung der inneren Genitalorgane sowie des Gehirns verantwortlich ist, ist dagegen in normal hoher Konzentration vorhanden. Wegen des überwiegend weiblichen Erscheinungsbildes der (äußeren) Genitalien zum Zeitpunkt der Geburt werden die Betroffenen von ihren Eltern als Mädchen angesehen, mit einem Mädchennamen versehen und als Mädchen erzogen. Trotzdem zeigen alle diese Pseudohermaphroditen von der Pubertät an — außer einem männlichen Habitus mit penisartigem Phallus — eindeutig männliches Sexualverhalten, und die meisten von ihnen nehmen sogar eine männliche Geschlechtsrolle und Geschlechtsidentität an (Imperato-McGinley und Mitarb., 1979). Diese Resultate sprechen dafür, daß der Testosteron- (bzw. Androgenspiegel während der pränatalen Differenzierungsphase des Gehirns — ergänzt durch den in der präpubertalen Reifungsphase und postpubertalen Aktivierungs-(Funktions-)phase vorhandenen Testosteronspiegel — eine größere Bedeutung für die psychosexuelle Orientierung, Geschlechtsrolle und Geschlechtsidentität besitzt als postnatale psychosoziale Einflüsse. Als neuroendokrine Faktoren für die Atiogenese hypothalamischer Differenzierungsstörungen kommen nach Dörner (1970) in Betracht: 1. eine pathologische Sekretion der Plazenta an Choriongonadotropin oder Sexualhormonen; 2. primäre Störungen (z. B. Enzymdefekte) der fetalen Gonade, Nebennierenrinde oder des fetoplazentaren Steroidmetabolismus; 3. eine exogen oder endogen veränderte Ansprechbarkeit des fetalen Hypothalamus auf Sexualhormone; 4. exogen oder endogen bedingte Veränderungen des Sexualhormonspiegels der Mutter. Aus den zählreichen tierexperimentellen Befunden, die zur sexualhormonabhängigen Gehirndifferenzierung erhalten wurden, leitete Dörner (1973) zunächst für das Hypothalamus-Hypophysenvorderlappen-Gonaden-System die beiden folgenden ontogenetischen Organisationsregeln ab. I. Aus einem primären Steuerungssystem (Plazenta-fetale Gonade-fetaler Hypothalamus) entwickelt sich während der hypothalamischen Organisationsphase ein sekundäres Regelungssystem (Hypothalamus-Hypophysenvorderlappen-Gonade). Dabei wird die primäre Stellgröße Sexualhormon zur Regelgröße und das primär gesteuerte Element Hypothalamus zum Regler ( = Ontogenetische Transformationsregel). II. In der hypothalamischen Organisationsphase determiniert die Quantität der primären
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Stell- und sekundären Regelgröße Sexualhormon die Qualität, d. h. die Sollwerteinstellung des zentralnervösen Reglers Hypothalamus und damit die Funktions- und Toleranzbereiche des gesamten Regelungssystems (z. B. zyklische oder azyklische, normooder hypogonadotrope Funktion, usw.) Dieser Differenzierungsprozeß spielt sich in einer engbegrenzten kritischen Entwicklungsperiode ab und ist mit irreversiblen strukturellen und funktionellen Veränderungen des späteren Reglers verbunden ( — Ontogenetische Determinationsregel). Permanente Veränderungen des Sexualverhaltens konnten im Tierexperiment jedoch nicht nur nach perinataler Alteration des Sexualhormonspiegels, sondern ebenso nach perinatalen Gaben von psychotropen Pharmaka, die den Neurotransmitterstoffwechsel beeinflussen, beobachtet werden (Dörner und Mitarb., 1976; Dörner und Mitarb., 1977a; Dörner und Hinz, 1978; Hinz und Mitarb., 1978). Die in den letzten Jahren mit derartigen Versuchsansätzen erzielten Forschungsergebnisse veranlaßten Dörner zu der Annahme, daß die geschlechtsspezifische Gehirndifferenzierung — zumindest teilweise — durch Neurotransmitter vermittelt wird. Entsprechend dieser Auffassung können sowohl Sexualhormone (Systemhormone) als auch Neurotransmitter, die als Lokalhormone des Nervensystems anzusehen sind, während kritischer Differenzierungsphasen als Organisatoren des Gehirns wirken. Diese modifizierte Hypothese führte in Verbindung mit weiteren Tierversuchen zu dem generellen Konzept, daß exogene und endogene Milieufaktoren, die während kritischer Phasen der Gehirndifferenzierung den Neurotransmitterstoffwechsel verändern, lebenslange Funktionsstörungen nicht nur der Fortpflanzung, sondern auch des Stoffwechsels und des Informationswechsels zur Folge haben können. Für die hormonabhängige Organisation neuroendokriner Systeme wurde deshalb von Dörner (1974; 1980b; 1982a) folgende ontogenetische Grundregel formuliert: Die Quantität von Systemhormonen, Neurotransmittern sowie Neuromodulatoren determiniert während kritischer Differenzierungsphasen des Gehirns die Qualität, d. h. die Reaktionsund Adaptationsfähigkeit ihrer eigenen zentralnervösen Regler und damit den Funktionsund Toleranzbereich ihrer neuroendokrinen Regelungssysteme. Die Funktions- und Toleranzbereiche neuroendokriner Systeme werden primär durch das genetische Material bestimmt. Diese phylogenetisch vorgegebene Determination neuroendokriner Systeme kann jedoch in der Ontogenese ganz entscheidend durch Hormone beeinflußt werden, die als Mediatoren zwischen der Umwelt und dem genetischen Material wirksam werden; d. h., die Expressibilität des genetischen Materials zentralnervöser Neurone kann während kritischer Differenzierungsphasen des Gehirns durch Hormone mehr oder weniger irreversibel vorprogrammiert werden. Zu den im Rahmen dieses erweiterten Konzepts einer umweit- und neurotransmitterabhängigen Gehirndifferenzierung intensiv bearbeiteten Forschungsthemen gehörte u. a. auch die Induktion männlicher Sexualdeviationen durch während der Schwangerschaft erzeugten maternalen Streß. Nachdem erstmals Ward (1972) darüber berichtet hatte, daß die männlichen Nachkommen von Rattenmüttern, die während der Gravidität gestreßt worden waren, im Erwachsenenalter bisexuelles Verhalten gezeigt hatten, wurden auch in unserem Institut derartige Versuche durchgeführt. Die zeitigten ähnliche Er-
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gebnisse, wie sie Ward erhalten hatte (Götz und Dörner, 1980). Darüber hinaus konnten Stahl und Mitarbeiter (1978) erstmalig einen signifikant erniedrigten Testosteronspiegel bei den männlichen Feten (bzw. Neugeborenen) der gestreßten Mütter nachweisen. Auf Grund dieser tierexperimentellen Ergebnisse wurde von Dörner postuliert, daß auch für die Entstehung der Homosexualität des Mannes pränataler Streß verantwortlich sein könnte. Inzwischen konnten Dörner, Krell und Ahrens (1978) sowie (Dörner und Mitarb., 1980) feststellen, daß in den streßreichen Jahren des zweiten Weltkrieges in Deutschland (im Territorium der heutigen DDR) signifikant mehr homosexuelle Männer geboren wurden als in der Zeit davor oder danach. Überdies wurden-von befragten Müttern homosexueller Männer signifikant häufiger pränatale Streßsituationen angegeben als von Müttern heterosexueller Männer (Dörner und Mitarb., 1983). In weiteren umfangreichen Untersuchungen zeigten Dörner und Mitarbeiter u. a., daß frühpostnatale Überernährung einen entscheidenden Risikofaktor für die Entwicklung der Fettsucht sowie des Diabetes mellitus, der Hyperlipoproteinämie und der Arteriosklerose darstellt (Dörner, 1973b; 1978a; 1982b; Dörner und Mitarb., 1973; Dörner und Mitarb., 1973; Dörner und Mitarb., 1975; Dörner und Mitarb., 1976; Dörner und Mitarb., 1977; Dörner und Mohnike, 1973, 1976; 1977; Dörner und Mitarb., 1984). Es wurde von Dörner postuliert, daß Veränderungen des Insulinspiegels und/oder der Glukoseutilisation während einer kritischen Differenzierungsphase des Gehirns — möglicherweise unter Vermittlung von Neurotransmittern — die Sollwerteinstellung hypothalamischer „Zentren" irreversibel verändern können. Tierexperimentelle Studien von Denenberg (1964) u. a. ergaben ferner, daß bestimmte frühpostnatale Erregungen des ZNS, z. B. Anfassen der Tiere (sog. „handling") oder Verabreichung von Elektroschocks, die Reaktionsfähigkeit der Tiere lebenslang positiv oder negativ beeinflussen. Permanente psychische und geistige Störungen, die mit permanenten biochemischen Veränderungen des Gehirns verbunden waren, konnten ebenso durch maternale Deprivation neugeborener Ratten erzeugt werden (Dörner und Mitarb., 1981; 1984a; Tönjes und Mitarb., 1981; Dörner, Bluth und Tönjes, 1982). Verminderte schulische Leistungen wurden in gleicher Weise bei Kindern festgestellt, die in den ersten Lebensjahren nicht bei der Mutter aufgewachsen waren (Dörner und Grychtolik, 1973). Schließlich wurden auch nach frühpostnataler qualitativer und/oder quantitativer Fehlernährung sowohl bei Versuchstieren als auch beim Menschen permannente Veränderungen der Emotionalität, des Lernverhaltens und der Gedächtnisfähigkeit registriert (Frankovä, 1970; Ryan, 1977; Hinz und Mitarb., 1983; Dörner und Grychtolik, 1978; Rodgers, 1978). > Andererseits führten frühpostnatale Gaben von Neuropharmaka (Pargylin, Reserpin, Pyridostigmin usw.), die den Neurotransmitterspiegel der Versuchstiere akut verändern, zu permanenten Alterationen nicht nur des Sexualverhaltens, sondern auch der Emotionalität, der exploratorischen Aktivität, des Lernverhaltens und der Gedächtnisfähigkeit (Dörner und Mitarb., 1968; Hinz, 1971; Dörner, 1976b; Dörner, Hecht und Hinz, 1976; Dörner und Mitarb., 1977a; Dörner und Hinz, 1978; Hinz, Döcke und Dörner, 1978; Hecht und Mitarb., 1978). Parallel dazu konnten permanente morphologische und biochemische Veränderungen in spezifischen Hirnregionen bei diesen Tieren festgestellt werden (Dörner und Mitarb., 1977b; 1984a; Staudt und Mitarb., 1978a; 1978b). 20
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Aus diesen und zahlreichen anderen tierexperimentellen und klinischen Befunden geht hervor, daß Neurotransmitter offenbar gemeinsame Mediatoren von Systemhormonen, Stoffwechselgrößen und Außenweltsignalen für die Differenzierung und Reifung des Gehirns darstellen. E s wird so verständlich, daß unphysiologische Neurotransmitterkonzentration zur Zeit der Gehirndifferenzierung später Fehlfunktionen der verschiedensten Regulationssysteme, z. B. auch des Immunsystems (Dörner, 1978b; 1980b), zur Folge haben können. Nach Dörner beruht eine Reihe bisher nicht erklärbarer und deshalb als idiopathisch, essentiell, kryptogen, primär oder genuin bezeichneter Entwicklungsstörungen bzw. Krankheiten der Fortpflanzung, des Stoffwechsels, des Informationswechsels sowie der Immunität auf derartigen teratogenen Defekten, die in kritischen Perioden der Ontogenese wirksam werden. Entsprechend einem erstmalig 1974 in Chapel Hill/USA gemachten Vorschlag von Dörner (1975 a ; 1975b) sollte die Teratomorphologie, d. h. die Lehre von den pränatal erworbenen permanenten Fehlbildungen, durch die Teratophysiologie, Teratopsychologie (bzw. Teratopsychophysiologie) sowie Teratoimmunologie, d. h. durch die Lehre von den prä- oder frühpostnatal erworbenen Fehlfunktionen, ergänzt werden. Es wurde vorgeschlagen, die „strukturelle Teratologie" durch die „funktionelle Teratologie" zu erweitern. Aus der Kenntnis der hier dargelegten, z. T. noch hypothetischen Zusammenhänge ergibt sich nach Dörner die Möglichkeit und auch die Notwendigkeit, exogene und endogene Störfaktoren der Gehirndifferenzierung prophylaktisch zu erfassen, um darauf eine Präventivtherapie von Funktionsstörungen des Neuro-Endokrino-Immun-Systems aufbauen zu können. Sowohl auf tierexperimentellem als auch auf klinischem Gebiet liegen bereits zahlreiche Beispiele dafür vor, daß es möglich ist, unphysiologische Konzentrationen von Systemhormonen bzw. Neurotransmittern z. Z. der Gehirndifferenzierung zu korrigieren und damit spätere Fehlfunktionen der Fortpflanzung, des Stoffwechsels und des Informationswechsels weitgehend oder vollständig zu verhindern. So konnte eine durch neonatale Orchidektomie oder durch pränatalen Streß bei Ratten erzeugte männliche Homosexualität durch simultane perinatale Androgengaben völlig verhindert werden (Dörner und Hinz, 1968; Dörner und Mitarb., 1983). Auch pränatale Tyrosingaben (Präkursor des Noradrenalins) vermochten die negativen Folgen bei den Nachkommen gestreßter Muttertiere (Senkung des Plasmatestosterons bei männlichen Tieren, Tendenz zu Zyklusstörungen bei weiblichen Tieren, Veränderungen des Katecholamingehalts im Hypothalamus, veränderte Thymusgewichte) weitgehend zu kompensieren (Ohkawa und Mitarb., 1986). Ferner gelang es bei neugeborenen Ratten, der durch maternale Deprivation hervorgerufenen Erniedrigung des Azetylcholingehalts im Gehirn, die später zu herabgesetzten Lernleistungen führt, durch frühpostnatale Zufuhr des Azetylcholinesterasehemmers Pyridostigmin weitgehend entgegenzuwirken (Dörner und Mitarb., 1981; 1982). Ebenso ließ sich die bei Rattenweibchen durch neonatale psychosoziale Deprivation induzierte signifikante Verzögerung des Pubertätseintritts durch postnatale Gaben des Monaminoxydasehemmers Pargylin rückgängig machen (Tönjes und Mitarb., 1984). Analog dazu gelang es, in Fällen von pränatal diagnostiziertem weiblichem AGS (Adreno-
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genitalem Syndrom) durch rechtzeitige (pränatale) Kortisolbehandlung den Androgenüberschuß zurückzudrängen, so daß eine Virilisierung bei diesen Feten nicht auftrat (Forest und David, 1984). In gleicher Weise können die bei der malignen Phenolketonurie auftretenden geistigen Defekte durch rechtzeitige Zufuhr von Neurotransmitterpräkursoren (Bartholome, 1980) während der kritischen Phase der Hirnentwicklung weitgehend verhindert werden. Besondere Beachtung verdienen unlängst von Dörner und Mitarbeitern erhobenen Befunde. Nachdem die Autoren vor etwa 10 Jahren auf Grund von Tierexperimenten und klinischen Untersuchungen postuliert hatten, daß eine echte Prophylaxe des Diabetes mellitus durch Verhinderung einer Hyperglykämie bei der Schwangeren und damit eines Hyperinsulinismus beim Feten und Neugeborenen möglich sein müßte, konnte inzwischen hierfür erstmalig der Beweis erbracht werden. So war bei Kindern, die zwischen 1973 und 1982 in Berlin/DDB geboren wurden, gegenüber Kindern, die zwischen 1963 und 1972 geboren wurden, nach derartigen Präventivmaßnahmen eine signifikante Abnahme des insulinabhängigen kindlichen Diabetes auf weniger als ein Drittel zu verzeichnen (Dörner und Mitarb., 1984). Seit 1976/77 war dann eine DDR-weite, jedoch in den einzelnen Bezirken unterschiedlich erfolgreiche Prävention von Schwangerschaftshyperglykämien eingeführt worden. E s ergab sich, daß die Inzidenzrate vork diagnostizierten, diätbehandelten und entbundenen, nichtinsulinabhängigen schwangeren Diabetikerinnen pro Gesamtentbindungen zwischen 1979 und 1983 in Berlin, Halle und Leipzig hochsignifikant größer als in den übrigen Bezirken der D D R war (Dörner und Mitarb., 1985). Umgekehrt war die Prävalenzrate von diabetischen Kindern, die in diesem Zeitraum geboren wurden, in Berlin, Halle und Leipzig hochsignifikant niedriger als in den übrigen Bezirken der D D R . Darüber hinaus konnte eine inverse Korrelation zwischen der Inzidenzrate der diagnostizierten diätbehandelten und entbundenen, nichtinsulinabhängigen schwangeren Diabetikerinnen und der Prävalenzrate der diabetischen Kinder, die zwischen 1979 und 1983 in den 15 DDRBezirken geboren wurden, nachgewiesen werden. Aus diessen Befunden geht hervor, daß es offenbar möglich ist, den in den letzten Jahrzehnten in den entwickelten Industrieländern (inklusive der D D R ) zu beobachtenden dramatischen Anstieg des idiopathischen, insulinabhängigen Diabetes mellitus (vgl. Dörner und Mitarb., 1985) durch geeignete therapeutisch-prophylaktische Maßnahmen zu stoppen oder sogar in rückläufiger Richtung zu beeinflussen. Die aufgeführten tierexperimentellen und klinischen Ergebnisse, die fortlaufend um neue Beispiele erweitert werden, zeigen, daß sich die von Dörner formulierte ontogenetische Grundregel (vgl. S. 297) als heuristisches Prinzip außerordentlich bewährt hat. Danach sind die Systemhormone und Neurotransmitter als Organisatoren des Gehirns aufzufassen, das als Regler des Neuro-Endokrino-Immun-Systems fungiert. Unphysiologische Konzentrationen von Systemhormonen und Neurotransmittern während kritscher Phasen der Gehirndifferenzierung führen zu teratogenen psychophysiologischen Dauerschäden. Diese können durch Optimierung der psychosozialen und/oder natürlichen Umwelt bzw. durch rechtzeitige Korrektur anormaler Hormon- und Neurotransmitterkonzentrationen im Sinne einer primären Präventivtherapie verhindert werden (Dörner, 1986). 20*
Zusammenfassung Systemhormone und Neurotransmitter sind während kritischer Phasen der Ontogenese als Organisatoren des Gehirns wirksam, das als Regler des Neuro-Endokrino-Immun-Systems fungiert. Unphysiologische Konzentrationen von Systemhormonen und Neurotransmittern zur Zeit der Gehirndifferenzierung führen zu permanenten psychophysiologischen Funktionsstörungen. Bisher als idiophatisch, essentiell, kryptogen, primär oder genuin bezeichnete Dysfunktionen der Fortpflanzung, des Stoffwechsels, des Informationswechsels und des Immunsystems finden so ihre Erklärung. Deshalb wurde die „strukturelle Teratologie" (Teratomorphologie) durch eine „funktionelle Teratologie" (Teratopsychophysiologie) ergänzt. Auf Differenzierungsstörungen beruhende psychophysiologische Daucrschäden lassen sich durch Optimierung der psychosozialen und/oder natürlichen Umwelt bzw. durch rechtzeitige Korrektur anormaler Konzentrationen von Systemhormonen und/oder Neurotransmittern weitgehend verhindern. D a m i t sind neue Möglichkeiten für die Präventivmedizin eröffnet worden.
Summary During critical phases of ontogenesis, systemic hormones and neurotransmitters are capable of acting as organizers of the brain, wich is the controller of t h e neuro-endocrine immune system. Unphysiological concentrations of systemic hormones and neurotransmitters during brain differentiation lead to permanent psychophysiological dysfunctions in later life. Thus, malfunctions of reproduction, metabolism, information processing and i m m u n i t y called up to now idiopathic, essential, cryptogenic, primary or genuine can be explained. Therefore, " s t r u c t u r a l t e r a t o l o g y " (teratomorpliology) was supplemented by "functional t e r a t o l o g y " (teratopsyehophysiology). Psychophysiological dysfunctions based on abnormal brain differentiation can widely be prevented either b y optimizing the psychosocial and/or natural environm e n t or b y well-timed correcting abnormal concentrations of systemic hormones and/or neurotransmitters. Thus, new possibilities have been opened for preventive medicine.
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Hinz u. Dörner, Die Bedeutung von Hormonen
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S t a u d t , J . ; Stüber, P. ; Dörner, G. : Morphologische Untersuchungen des Corpus amygdaloideum der R a t t e nach der neonatalen Applikation von Reserpin und anderen Substanzen. Folia anatomica iugoslavica 7 (1978 a) 8 9 - 9 3 . S t a u d t , J . ; Stüber, P. ; Dörner, G. : Permanent changes of sexual dimorphism in the rat brain following neonatal treatment with psychotrophic drugs. In: Hormones and Brain Development. Hrsg. Dörner, G. ; K a w a k a m i , M.Developments in Endocrinology, V o l . 3 . Amsterdam — New York — O x f o r d : Elsevier/ North-Holland Biomedical Press 1978b. S. 3 5 - 4 1 . Stillman, R . J . : In utero exposure to diethylstilbcstrol: adverse effects on the reproductive tract and reproductive performance in male and female offspring. Am. J . Obstet. Gynecol. 142 (1982) 905—921. Swaab, D. F . ; Fliers, E . : A sexually dimorphic nucleus in the human brain. Science 228 (1985) 1112—1115. Tönjes, R . ; Hecht, K . ; Hinz, G. ; Döcke, F. ; Dörner, G. : E f f e c t s of neonatal pyridostigmine treatment on sexual maturation and adult behaviour in female rats subjected to maternal deprivation. Endokrinologie 78 (1981) 1 - 1 1 . Tönjes, R . ; Kitzrow, W . ; Poppe, I . ; Dörner, G . : Possible role played by monoamines in the control of puberty onset in female rats. E x p e r . Clin. Endocrinology 83 (1984) 1—5. Trampuz, -V. : Partial refractoriness to cortisone therapy in the adrenogenital syndrome. I n : Research on Steroids. 3rd Meeting Internat. S t u d y Group for Steroid Hormones, V o l . 3 . Hrsg. Cassano, C. ; Finkelstein, M.; Klopper, A . ; Conti, c. A m s t e r d a m : North-Holland Publishing Company 1968. S. 347 bis 348. Van Look, P. F . A . ; Hunter, W. M. ; Corker, C. S . ; Baird, D. T . : Failure of positive feedback in normal men and subjects with testicular feminization. Clin. Endocrinology 7 (1977) 353—366. Ward, I. L. : Prenatal stress feminizes and demasculinizes the behaviour of males. Science 175 (1972) 82-84. Yalom, I. D. ; Green, R. ; Fish, N. : Prenatal exposure to female hormones: E f f e c t on psychosexual development in boys. Arch. Gen. Psychiat. 28 (1973) 554—561. Eingegangen im Februar 1986 Anschr. d. Verf.: Dr. rer. nat. G. Hinz Institut für experimentelle Endokrinologie des Bereichs Medizin (Charité) der Humboldt-Universität Schumannstr. 20/21, D D R - 1040 Berlin
Buchbesprechungen Angermeier, W. F . : Lernpsychologie. 252 S. mit 44 Abb. und 11 Tab., München — B a s e l : E . Reinhardt 1984. U TB für Wissenschaft. Kartoniert, D a s vorliegende Bändchen ist in der Universitätstaschenbuchreihe erschienen und somit wohl vorzugsweise für Studenten gedacht. E s ist der Versuch, auf ca. 250 Seilen das Gesamtgebiet der Lernpsychologie (Konditionierungsformen, Evolution, anatomisch-physiologische Grundlagen, sprachgebundene Lernfähigkeit, die Pathologie von Lernen und Gedächtnis, Lern- und Gedächtnisentwicklung, Beziehungen zur Künstlichen Intelligenz etc.) abzuhandeln. Dieses Wagnis ist partiell sehr gut gelungen. W a s über klassisches Konditionieren, operantes Konditionieren und auch über evolutionsgeschichtliche Aspekte ausgeführt ist, verdient gewiß Würdigung und Anerkennung, bedenkt man den Zweck des dicht gestalteten Buches. Aber es gibt auch unübersehbare Ungereimtheiten, ja auch falsch Zeugnis. So etwa ( S . 19): Pavlows „Nachfolger glauben, auch die höhere Nerventätigkeit aus den Bausteinen des bedingten
Hinz u. Dörner, Die Bedeutung von Hormonen
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S t a u d t , J . ; Stüber, P. ; Dörner, G. : Morphologische Untersuchungen des Corpus amygdaloideum der R a t t e nach der neonatalen Applikation von Reserpin und anderen Substanzen. Folia anatomica iugoslavica 7 (1978 a) 8 9 - 9 3 . S t a u d t , J . ; Stüber, P. ; Dörner, G. : Permanent changes of sexual dimorphism in the rat brain following neonatal treatment with psychotrophic drugs. In: Hormones and Brain Development. Hrsg. Dörner, G. ; K a w a k a m i , M.Developments in Endocrinology, V o l . 3 . Amsterdam — New York — O x f o r d : Elsevier/ North-Holland Biomedical Press 1978b. S. 3 5 - 4 1 . Stillman, R . J . : In utero exposure to diethylstilbcstrol: adverse effects on the reproductive tract and reproductive performance in male and female offspring. Am. J . Obstet. Gynecol. 142 (1982) 905—921. Swaab, D. F . ; Fliers, E . : A sexually dimorphic nucleus in the human brain. Science 228 (1985) 1112—1115. Tönjes, R . ; Hecht, K . ; Hinz, G. ; Döcke, F. ; Dörner, G. : E f f e c t s of neonatal pyridostigmine treatment on sexual maturation and adult behaviour in female rats subjected to maternal deprivation. Endokrinologie 78 (1981) 1 - 1 1 . Tönjes, R . ; Kitzrow, W . ; Poppe, I . ; Dörner, G . : Possible role played by monoamines in the control of puberty onset in female rats. E x p e r . Clin. Endocrinology 83 (1984) 1—5. Trampuz, -V. : Partial refractoriness to cortisone therapy in the adrenogenital syndrome. I n : Research on Steroids. 3rd Meeting Internat. S t u d y Group for Steroid Hormones, V o l . 3 . Hrsg. Cassano, C. ; Finkelstein, M.; Klopper, A . ; Conti, c. A m s t e r d a m : North-Holland Publishing Company 1968. S. 347 bis 348. Van Look, P. F . A . ; Hunter, W. M. ; Corker, C. S . ; Baird, D. T . : Failure of positive feedback in normal men and subjects with testicular feminization. Clin. Endocrinology 7 (1977) 353—366. Ward, I. L. : Prenatal stress feminizes and demasculinizes the behaviour of males. Science 175 (1972) 82-84. Yalom, I. D. ; Green, R. ; Fish, N. : Prenatal exposure to female hormones: E f f e c t on psychosexual development in boys. Arch. Gen. Psychiat. 28 (1973) 554—561. Eingegangen im Februar 1986 Anschr. d. Verf.: Dr. rer. nat. G. Hinz Institut für experimentelle Endokrinologie des Bereichs Medizin (Charité) der Humboldt-Universität Schumannstr. 20/21, D D R - 1040 Berlin
Buchbesprechungen Angermeier, W. F . : Lernpsychologie. 252 S. mit 44 Abb. und 11 Tab., München — B a s e l : E . Reinhardt 1984. U TB für Wissenschaft. Kartoniert, D a s vorliegende Bändchen ist in der Universitätstaschenbuchreihe erschienen und somit wohl vorzugsweise für Studenten gedacht. E s ist der Versuch, auf ca. 250 Seilen das Gesamtgebiet der Lernpsychologie (Konditionierungsformen, Evolution, anatomisch-physiologische Grundlagen, sprachgebundene Lernfähigkeit, die Pathologie von Lernen und Gedächtnis, Lern- und Gedächtnisentwicklung, Beziehungen zur Künstlichen Intelligenz etc.) abzuhandeln. Dieses Wagnis ist partiell sehr gut gelungen. W a s über klassisches Konditionieren, operantes Konditionieren und auch über evolutionsgeschichtliche Aspekte ausgeführt ist, verdient gewiß Würdigung und Anerkennung, bedenkt man den Zweck des dicht gestalteten Buches. Aber es gibt auch unübersehbare Ungereimtheiten, ja auch falsch Zeugnis. So etwa ( S . 19): Pavlows „Nachfolger glauben, auch die höhere Nerventätigkeit aus den Bausteinen des bedingten
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Z. Psycliol. 194 (1986) 3
Reflexes aufbauen zu können". Watson fehlt im Literaturverzeichnis und Hull auch. Ü b e r h a u p t : Die Literaturauswahl ist zu Teilen provinziell: Die T O T E - E i n h e i t wird behandelt, das Reafferenzprinzip aber findet ebensowenig Beachtung wie Anochins grundlegendes Modell der bedingten Reaktion. Köhlers Anthropoidenversuche, — ebenso unerwähnt wie die Arbeiten von Konorski, oder Wickler. D a s Schlimmste aber wohl: D a s Standardwerk der mitteleuropäischen vergleichenden Lernpsychologie, W. H. Thorpe's „ I n s t i n c t and Learning in Animáis" ist überhaupt nicht erwähnt. Viel Geschichtliches ist eingeflochten, — ohne E b b i n g h a u s und Helmholtz, die zu verbalen wie zu perzeptiven Lernprozessen doch wohl einiges aufgeschlossen haben. Kleinigkeiten? Vielleicht. Aber Studenten möchten doch wohl auch weiterlesen, sollten ein Bild vom Wissenschaftsgebiet ihrer Wahl vermittelt bekommen, das die Literatur proportionsgerecht und die Geschichte historisch korrekt enthält. Ansonsten: Viel Information, viele Details sind zusammengetragen, das ist wahr. Was die höheren, sagen wir: die kognitiven Lernprozesse und Lernleistungen anlangt, so nehme m a n lieber ein anderes Buch zur Hand. F . Klix (Berlin) Flicke, R . , Treinies, G . : Einführung in dieMetaanalyse. (Hrsg.) K . Pawlik, 192 S. mit zahlr. Abb. B e r n : Hans Huber 1985. Band 3 der Reihe Methoden der Psychologie. Sowohl zu Beginn von Forschungsarbeiten wie (mitunter erst) nach ihrem Abschluß bei Vorliegen interpretierter Ergebnisse wird die F r a g e gestellt, welche Ergebnisse bereits zur Fragestellung vorliegen und wie sich die eigene Arbeit einordnen läßt. Keine experimentelle Untersuchung steht für sich isoliert mit endgültigem Aussagewert da. Wer kann schon Entscheidungsexperimente nennen, deren Ergebnisse auf längere Zeit nicht methodenkritisch hinterfragt, in ihrem Geltungsbereich präzisiert, repliziert und in ihren Aussagen zur Stärke von Effekten der berücksichtigten unabhängigen Variablen modifiziert wurden? Lassen sich nun Ergebnisse aus verschiedenen Einzeluntersuchungen, die sich mitunter widersprechen, zu einem Gesamtergebnis integrieren? Wie m a n Irrtumswahrscheinlichkeiten vergleichbarer Untersuchungsbefunde zu einem Gesamtwert verrechnen kann, hat schon K . Pearson (1933) gezeigt. Mosteller und B u s h verrechneten 1954 z-Werte miteinander und für t-Werte schlug Winer 1971 ein Verfahren vor. Dies erfahren wir im Kapitel 5 — Inferenzstatistische Verfahren der Metaanalyse — des vorliegenden Buches und finden den neuesten S t a n d der heute verfügbaren Verfahren dargelegt. E r s t mit einer Arbeit von Glass (1976) wurde der Begriff der Metaanalyse zur Unterscheidung von Primär- und Sekundäranalysen eingeführt. Danach setzte eine intensive Weiterentwicklung ihrer Methoden und ihrer methodisch-methodologischen Prinzipien in Auseinandersetzung mit den Argumenten ihrer Kritiker ein. Den Autoren gelingt es zu zeigen, daß die Metaanalyse nicht nur eine Menge statistischer Verfahren i s t : Eine Metaanalyse besteht ebenso aus E t a p p e n von der Formulierung der Fragestellung bis zur Analyse, Interpretation und Präsentation der Ergebnisse wie jede Einzelstudie und hat ähnliche Prinzipien wissenschaftlichen Arbeitens zu beachten. An einem konkreten Beispiel aus der pädagogischen Psychologie werden die einzelnen E t a p p e n einer Metaanalyse dargelegt. Ergebnisse einer Vielzahl von Metaanalysen und Reanalysen aus der Literatur (darunter auch wichtige eigene Arbeiten der Autoren selbst) lassen ein aspektreiches Bild vom Problemstand entstehen und den möglichen Nutzen für jeden experimentell arbeitenden Psychologen deutlich werden. Nach der Lektüre des Buches wird m a n eine neue Sicht auf beabsichtigte Experimente haben und Ergebnisse aus Einzelexperimenten selbst integrieren können, denn es ist tatsächlich ein Lehrbuch, für d a s praktische Arbeiten geschrieben und — bei theoretischer Klarheit und Präsision — ohne jeden überflüssigen oder künstlichen wissenschaftstheoretischen Ballast und ohne Begriffskonstruktionen, die ein Wörterbuch der Methodologie der Statistik erforderlich machen würden. H. Sydow (Berlin)
Z. Psychol. 194 (1986) 311-329
J . A. Barth, Leipzig/DDR
From Paul Flechsig Institute for Brain Research, Department of Neurochemistry, Karl Marx University Leipzig
Senile dementia of Alzheimer's type - Current concepts and prospects By D. Biesold With 4 figure Memory impairment the prominent aspect of global cognitive decline in the dementia syndrome has been described for more than 150 years. The psychopathological alterations developing with advancing age were coined by Esquirol (1838) as "démence sénile" defining mental abnormalities having been recognized already in early times. The emerging concept of mental aging especially in the context of the dementia syndrome has been presented recently by Oesterreich and Wagner (1982) stressing from a pure clinical point of view aspects and problems of its definition and of the delimination of other geropsychiatric syndromes in comparison to normal aging. During the last decade tremendous advances have been made in this previously neglected field of neuroscience, which were covered by several comprehensive reviews (Mayeux and Rosen, 1983; Katzman, 1983; Wurtman, 1985; Bartus et al., 1982; Marchbanks, 1982; Miller and Cohen, 1981; Terry and Davies, 1980). In this paper the present stage of our knowledge in certain fields of research in dementia with the intention of pointing to possible contributions to be made b y experimental neurobiology will be outlined. Dementia syndrome—Dementia is a clinical diagnosis based on behaviour. The report of the NINCDS-ADRDA Work Group under the auspices of the Department of Health and Human Services—Task Force on Alzheimer's Disease—gives the following criteria for the dementia syndrome. . . "Dementia is a decline of memory and other cognitive functions in comparison with the patients previous level of function as determined by a history of decline in performance and by abnormalities noted from clinical examinations and neuropsychological tests. A diagnosis of dementia cannot be made when consciousness is impaired by delirium, drowsiness, stupor, or coma or when other clinical abnormalities prevent adequate evaluation of mental status . . . " (McKhann, G. et al., 1984). The disabilities observed in dementia are those that can be related to intellectual rather than physical deterioration, as outlined for global cognitive decline in tab. 1. The dementia syndrome can neither be etiologically nor pathologically correlated to specific mechanism, but may instead be provoked by a variety of unrelated clinico-pathological entities. Clinical evidence has pointed to two major subgroups with dementia syndrome, reversible or treatable and irreversible cases with dementia. In the reversible group intervention in structural or metabolic conditions restore the intellectual functions. In about onefifth of the cases with dementia syndrome adequate treatment can normalize more or less the cognitive impairment. Cummings (1983) summarized these different clinico-pathological entities, such as intracranial conditions—obstructive hydrocephalus, normal pressure hydrocephalus, subdural hematomas, intracranial neoplasm—, metabolic disorders—ano-
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Z. Psychol. 194 (1980) 3
Tabic 1
Criteria for diagnosis of dementia syndrome
Essential features — adapted from diagnostic and statistical manual of mental disorders — DMS III A: B: C:
D: li:
Loss in intellectual ability with social and occupational dysfunction Memory impairment One or more of: 1) Impaired thinking, semantics 2) Impaired judgement 3) Aphasia, agnosia, apraxia, etc. 4) Personality changes Consciousness not clouded Either: 1) related organic causes 2) nonorganical mental disorders ruled out
DSM III—Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders American Psychiatric Association (1980), Gurland and Toner (1983)
xia, chronic renal failure, chronic hepatic encephalopathies, endocrine disturbances, electrolyte abnormalities-, infections, a wide range of toxic disturbances, depression. Although this subgroup represents only a small portion of the entire population with dementia syndrome, special attention within the clinical-psychological assessment is requested, as especially elderly individuals are particularly susceptible to the effects of toxic or me'tabolic disorders. The scopc of this paper gives the irreversible forms of the dementia syndrome a special priority. As can be seen from tab. 2 several unrelated clinico-pathological entities are Table 2
Prevalence of different disorders with dementia syndrome Prevalence (m % )
Reversible
20.2
Irreversible
79.8
Senile Dementia of Alzheimer Type Multi-Infarct Dementia Alcoholic Korsakoff Dementia Chorea Huntington otherParkinson's Disease Creutzfeldt-Jakob-Disease
48.5 9.6 10.6 3.7 7.4
The data given in this table derive from studies of 405 hospitalized patients, Wells (1978) and Smith (1981)
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subsumed also in this group. The prevalence given for senile dementia of Alzheimer's type—SDAT—demonstrate that half of the patients with global cognitive decline suffer from this disorder. In respect of the further arguments being discussed in this paper it has to be stressed that the cognitive disturbances the major diagnostic criteria will be observed in a wide range of disorders. Therefore, the diagnosis of S D A T can only be made by exclusion. Senile dementia of Alzheimer's type—Clinical and psychological assessment—The pattern of evolution of the cognitive decline, already pointed at in the classical papers, is characterized by an insidious onset of a relentless progressive dementia syndrome. There have been several attempts to subdivide the functional staging of the progression of the more or less characteristic symptoms. However, clinical evidence points to variations in the evolution and intensity of different components such as mnestic, phasic, praxic and gnostic disturbances. Although in S D A T global mental deterioration is regarded as most characteristic sign, in some patients, especially in the early stages of the disease, selective cognitive dysfunctions become manifest. Language impairment, visuospatial disorientation, or memory loss may occur far out of proportion to the severity of generalized dementia, (Constantinidis, 1978). Therefore, the functional staging outlined by Reisberg et al. (1984) points more or less to a general evolution of the disease. S D A T starting with a mild decline, a loss in memory function and powers of reasoning, characterized by decreased ability to cope with demanding employment and to perform complex tasks, in the beginning only evident to coworkers or to the family, leads progressively to severe cognitive decline. The appearance of instrumental signs, such as aphasia, apraxia and agnosia parallels generally with a later onset of the general cognitive decline. A subsequent vegetative state leading to convulsions and death represents the last stage. To both clinician and psychologists it seems important to realize that S D A T represents an evolutionary disorder in which the symptoms appear rather rapidly (Wertheimer, 1984). From epidemiological studies arranging this disorder amongst those with a high incidence with advancing age it became apparant that within suspected age-groups early indicative symptoms of S D A T can only be verified in a few cases. The New-Castle-Study of Roth (1979) revealed that 2 to 4 years after the initial interviews of 711 subjects of 65 years of age or more 30 cases with S D A T were detected of which only 6 cases had been identified at the time of the first interview. These results underline the problems connected with the early diagnosis despite the advances being made in recent years (Vitalliano et al., 1984; Neary and Snowden, 1985; Breitner et al., 1984). Therefore, within the criteria for clinical diagnosis of SDAT, McKhann et al. (1984) stresses additional laboratory assessments as correlates to neuropsychological determination of the evolution pattern. At present there are no specific diagnostic laboratory tests for SDAT. B u t electrophysiological methods such as E E G or evoked potentials, computerized tomography and positron emission tomography are suitable candidates for further research. Etiopathogenetic considerations—SDAT has a rather unique position within .the group of age-related disorders with global cognitive decline. In the brains of these patients, especially in the cerebral cortex, in the hippocampus and in the amygdaloid complex, but also in the brain stem, an exceptional increase in argentophilic senile plaques and neuro-
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fibrillary tangles is detectable. This alteration, the plaques, were detected by Alzheimer (1907) in a patient with presenile dementia, a disorder later named as Alzheimer's disease by the famous German psychiatrist Kraepelin (1910). Blessed et al. (1968) have shown that the number of plaques, not being evenly distributed within the cerebral cortex, correlates with the degree of dementia. Furthermore, in comparison to normal aged brain in the cerebral cortex a general decline in the number of neurones, especially in the large neurones (90 ¡x2) was observed, (Terry et al. 1981). These briefly outlined structural alterations are accepted as an important criterion for thé neuropathological diagnosis of Alzheimer's disease. From the evidence available today, the distinction between a presenile and a senile form is generally not any longer accepted, although there is no proof for a common pathogenetic mechanism in this mental abnormality. Therefore, in this paper we will follow the current concept of thought and designate this disorder as S DAT. Chronic cerebral hypoxia due to arteriosclerosis was thought to be until recently the main cause of dementia. This might be one of the reasons that the dimension of the SDAT was not recognized in the medical profession as with the common use of cerebral vasodilators the elderly patients were associated with the increasingly recognized importance of arteriosclerosis for the genesis of cardiovascular diseases. Today it is known that despite the fact that in a certain small proportion of cases with dementia syndrome both SDAT and arteriosclerosis occur, SDAT has a genuine nosology (Tomlinson et al., 1968; 1970; Jellinger, K., 1977). Cerebrovascular diseases lead to impairment of higher nervous functions with predominant focal signs, (Brust, 1983). The more global cognitive decline due to the presence of several brain lesions, nearly always secondary to hypertensive damages in the diencephalon, brainstem or deep white matter, occurs in the so-called multi-infarct dementia (Hachinsky et al., 1974). In these cases a series of small strokes occur with characteristic timecourse of abrupt increases in deficits followed by a gradual temporal improvement in function, underlining the differences in the evolution of these two disorders. The etiopathogenetic mechanism leading to the above mentioned degeneration pattern in SDAT is unknown. We have already emphasized that the dementia syndrome may be provoked by a variety of unrelated clinico-pathological entities. Also in SDAT different factors or mechanism initiating and evolving the symptomatology have to be taken into condsideration. Wtirtman (1985) discussed recently six main-hypothesis being proposed for the etiopathogenesis of SDAT, and he comes at the end of his convincing article to the conclusion that the different aspects recognized by the different workers have to be combined in order to find a common path for a fruitful work in this field. Within the set frame of this contribution the different points of view will be outlined. Genetic Hypothesis—On the basis of population context SDAT has been classified in a familial type with multiple occurances of SDAT in a single family and in a nonf^milial type with isolated occurances. The mode of genomic inheritance has been described as compatible with multigenic control or with recessive genes, but many pedigrees indicate a pattern of autosomal dominance, possibly with partial penetrance, or with complete penetrance that is age-dependent (Schweber, 1985). Folstein et al. (1983) argued that a
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relative mild cognitive decline in old patients with no family history can be differentiated from a genetically transmitted more frequently occuring form with a higher rate of progression. As in old patients with Down's syndrome similar alterations as in S D A T were found genetic similarities in both disorders have been discussed (Schweber, 1985). Slow-Virus (Priones) Hypothesis—The Creutzfeldt-Jakob-disease a rare sporadic and familial transmissible disorder with dementia syndrome is usually brought in relation with other subacute spongiform encephalopathies—the Kuru and the animal disorders Scrapie and Mink Encephalopathy (Traub et al., 1977). These diseases are induced by the action of slow-viruses or priones—infectious protein-particles. Whereas transmission of the agents of Creutzfeldt-Jakob disease, Kuru (Gajdusek, 1977) and Scrapie to healthy animals has been successful, this has not been proved for S D A T . I t can be argued that in the latter disorder additional genetic or immunological factors are involved. Abnormal-protein Hypothesis— Increased amount of amyloid, a protein rich material with specific staining properties, represents another criteria for the neuropathological diagnosis of S D A T . The original observation of Divry (1927) that the central core of the senile plaques, the small blood vessels and the fibrillary bundles of the intraneuronal tangles were equally congophilic and birefringent has been taken up recently. Experimental evidence revealed similarities in the aminoacid composition of paired helical filament proteins from all three sources. Kidd et al. (1985) suggested that there is only one, or a group of closely related abnormal proteins which perhaps is synthesized within the neurones and than secreted and deposited in the plaques and vessels. Aluminum-Hypothesis—Crapper et al. (1976) observed elevated aluminum levels in the brain of patients with S D A T . This metal has been made responsible for the dialysis dementia in chronic kidney disease (Alfrey et al., 1976). The observations have led to the assumption that aluminum deposition in the brain plays a role in the pathogenesis. Energy-deficit Hypothesis—In normal aging and in S D A T lower rates of cerebral blood flow and in oxygen consumption regarded as indicators for whole-brain metabolism were not convincingly demonstrated. The application of the Sokoloff method (Sokoloff et al., 1977) using 18 F-2-deoxy-2-fluoro-D-glucose in the positron emission tomography have revealed reductions in regional brain metabolism. This sophisticated method will not only be of clinical relevance. The focal cortical changes observed by Foster et al. (1983) might be of value for correlating selective cognitive dysfunctions with the underlying disturbed brain functions. Cholinergic Hypothesis—At the end of the seventies two lines of experimental evidence opened a new and fruitful approach to pathogenetic studies in senile dementia initiating world-wide research activities in geropsychiatrics. One line followed successfully applied neuroanatomical techniques for the detection of fiber connections in the brain unravelling in rats unknown cholinergic projections from obscure cell groups in the basal forebrain— the nucleus basalis Meynert complex 1 to the cerebral cortex. Mesulam et al. (1967); 1
The term—nucleus basalis Meynert complex—used in this paper for the entire basal forebrain cholinergic
system (see fig. 1 and tab. 3) follows the original designation of Brockhaus (1942). The arguments in favour of this nomenclature are given in the replies to comments of Dr. M. M. Mesulam to the paper of Arendt et al. (1985) by Arendt und Bigl (1986).
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Wenk et al. (1980) and Johnston et al. (1979) discovered, b y means of retrograde transport of horseradishperoxidase and b y electrolytic lesions in the basal forebrain, respectively, these monosynaptic projections. These cholinergic pathways were not described in the paper of Shute and Lewis (1967) outlining the principle distribution of cholinergic neurones and fivers in the brain. The second line based on the observation t h a t it is possible to estimate in autoptic brain samples reliably neurone specific transmitter enzyme levels parietal lobe
occipital lobe
frontal lobe
nucleus septi medialis
vertical limb, of diagonal, band
nucleus basalis Meynert '
hippocampus
Fig. 1 Location of the nucleus basalis Meynert complex in the human brain In the upper part of the schematic drawing in a sagittal section of the human brain the three principal parts of the nucleus basalis Meynert complex—nucleus septi medialis, nucleus vertical limb of diagonal band and "nucleus basalis Meynert"—are given as black areas. The black arrows indicate the projections from the respective parts to the hippocampus and cerebral cortex, respectively. The dotted arrow gives the projection to the bulbus olfactorius. A.B.C. point to the position of the frontal sections which demonstrate in the lower part the location of the cholinergic cell groups within the respective structures. Position of the sections: A—through the caudal part of the septum; B—through chiasma opticum; C—through caudal part of commissura anterior. Ca commissura anterior, Ci capsula interna Co chiasma opticum, Gp globus pallidus Gpe Pallidum externum, Gpi Pallidum internum Nc nucleus caudatus, Pu Putamen Th thalamus, To tractus opticus
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revealed a marked decrease in cholinergic markers such as acetylcholinesterase and choline acetyltransferase in the cerebral cortex of patients with S D A T (Bowen et al., 1976; Davies et al., 1976). The logical combination of these two observations led to the discovery of a decrease in the number of cholinergic cell bodies in the nucleus basalis Meynert complex by Whitehouse et al. (1981) establishing the cholinergic hypothesis of SDAT. Although the relationship between the pathophysiological alterations in the functional properties of the brain and the global cognitive decline will prove to be a rather complex process, a critical link in the chain of events could be of special importance. In this respect the cholinergic system can represent a critical link and perhaps the mechanism discussed for the other hypothesis acts upon this system. I t is known from older data in the literature that in comparison to other transmitter systems interference in the cholinergic system effects cognitive mechaijism. With different psychological tests Drachman et al. (1974) observed in young subjects under low dosis of scopolamine, an antagonist of the muscarinic receptor, memory and other cognitive deficits similar to those recognized in aged subjects. Similar results were obtained in studies with young and old monkeys in respect of the performance of different behavioural tasks., The drug effected consistently and severely tasks requiring memory for recent sensory events with greatest deficits observed under conditions requiring longest retention of recent information (Bartus et al., 1978). The Basal Forebrain Cholinergic System—In 1978 Wenk, Meyer and Bigl detected after electrolytic lesions in the basal forebrain in the ipsilateral neocortex a disappearance of the acetylesterase staining. The following extensive investigations revealed that the cholinergic neurones in the nucleus basalis Meynert complex project to different parts of the telencephalon shown in fig. 1. In conjunction with preceding and contemporary investigations the concept of the basal forebrain cholinergic system emerged extending the original concept of Shute and Lewis (1967). Today we know that from depth in the mammalian forebrain a complex of large multipolar neurones, partly situated in clusters forming nuclei with not very well defined borders, is found which extends from the septum to the caudate pol of the globus pallidus. Numerous retrograde tracing technique studies revealed that the cells in this complex provide a major extrathalamic input to the hippocampus (Wyss et al., 1979), the olfactory bulb (Macrides et al., 1981), the amygdaloid complex (Otterson, 1980) and the entire cortex cerebri (Segal, 1977; Pearson et al., 1983; Lehman et al., 1980; Johnston et al., 1979). The originally discovered large-sized projections from different parts of the nucleus basalis Meynert complex were defined by studies of Bigl et al. (1982). With the application of the fluorescence tracer technique they provided evidence for a topographic orderof cholinergic terminal distribution within the major regions of the cerebral cortex. Several studies confirmed and extended these original findings, the results being presented in Tab. 3. From the observations of Price and Stern (1983) and of Kristt et al. (1985) it becomes obvious that a single cholinergic fiber occupies only a very restricted area in the range of 2 mm 2 interacting with a limited population qf cortical neurones. These discoveries point to marked differences in the innervation pattern to those of the aminergic systems. The mosaic-like distribution of cholinergic terminals in the cerebral cortex raises 21
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Table 3 Topographically ordered projections of the different regions of the nucleus basalis Meynert complex Distribution of the HRP labeling as percentage of all labeled cells in the CH I—Ch 4 region and percentage of cells with ChAT-immunoreactivity Chi Ch 2 Ch 3 Ch 4 am al id iv p °/0 cholinergic
Injection site
Hippocampus Olfactory bulb Cingulate Medial area 2 Medial area 7 Fontal operculum Parietal operculum Amygdala Posterior insula Prefrontal Posterior parietal Peristrata visual Inferotemporal Auditory associat. Temporal lobe
O # 0 0 Q 9 £ 0 £ 0 0 0 0 Q £
31
62 30
85
46 58 72 14
32
35-45 10-20
56 69 43 15
15
26 11 34 39 24 26 48
23 17 35 41 33 15
80-90
20 85 72
The data on the distribution of the horseradish-peroxidase (HRP) labeled cells are those of Mesulam et al. (1983), those of choline acetyltransferase (ChAT) immunoreactivity were taken from Rye et al. (1984). In these experiments HRP was injected in the respective brain areas and after retrograde transport HRP was visualized in the corresponding cell bodies of the respective areas. The highest percentage and those within the 5 percentage points are marked with boldfaced numbers. In the table small percentage labeling in other areas are omitted. Ch I: nucleus septi medialis, Ch 2: nucleus vertical limb of the diagonal band, Ch 3: nucleus horizontal limb of the diagonal band, Ch 4: nucleus basalis Meynert of the substantia innominata, a : located at the level, where the anterior commissura crosses the basal forebrain, am: medial component, al: lateral component, i: an intermediate component is identified by the presence of the ansa peduncularis with a subdivision in id: dorsal and iv: ventral. Situated behind the ansa peduncularis follows the p: posterior subdivision located among optic tract, putamen and globus pallidus. In the right column of the table the percentage of the cholinergic neurones in the main areas are given. The interpretation for these data are given in the text t h e q u e s t i o n of t h e c o o r d i n a t e d action of t h e s e i n p u t s . K r i s t t et al. (1985) point in this r e s p e c t to p r o x i m a l clusters of short, i n t r a n u c l e a r collaterals, which m i g h t s e r v e as m e a n s f o r i n t e g r a t i v e a c t i v i t i e s . H o w e v e r , it s e e m s t o b e unlikely t h a t t h e s e devices cover t h e entire coordination process. I n order to i d e n t i f y t h e n e u r o t r a n s m i t t e r s p e c i f i t y of t h e neurones l a b e l e d with t h e r e t r o g r a d e t r a c e r t e c h n i q u e in t h e earlier w o r k acetylcholin e s t e r a s e s t a i n i n g t e c h n i q u e s were u s e d . H o w e v e r , it is k n o w n t h a t a c e t y l c h o l i n e s t e r a s e is n o t a v e r y specific m a r k e r for cholinergic n e u r o n e s b e i n g d e t e c t e d also in non-cholinerg i c n e u r o n e s . T h e a v a i l a b i l i t y of a m o n o c l o n a l a n t i b o d y t o choline a c e t y l t r a n s f e r a s e opened t h e w a y f o r t h e specific i d e n t i f i c a t i o n of cholinergic neurones. A s o u t l i n e d in T a b . 3
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in the nucleus basalis Meynert complex different portions of the cells are cholinergic (Mesulam et al., 1984; Rye et al., 1984). The combination of retrogradely transported horseradishperoxidase-conjugated wheatgerm agglutinin and the choline acetyltransferase immunoreactivity revealed in the nucleus basalis Meynert complex three distinct populations of neurones: cells, which showed only choline acetyltransferase immunoreactivity, cells, which stained only for the retrograde tracer, and cells, which reacted with both. The topographically organized projection consists therefore of both cholinergic and noncholinertic components. These authors discuss possible candidates for the non-cholinergic pathways. Within the nucleus basalis Meynert complex immunoreactivity and histochemical staining is observed for substance P, somatostatin, neurotensin, (Met)enkephalin and for glutamate decarboxylase. From the data available it is impossible to draw any conclusion on the functional structural properties of these non-cholinergic projections. However, the different portion of cholinergic neurones in the respective parts of the nucleus basalis Meynert complex outlined in tab. 3 with the exceptional high amount in region projecting to the isocortex could indicate alternative, the cortical activity modulating, mechanism in the phylogenetically younger areas (Rye et al., 1984). Neuropathology of cell degeneration in the nucleus basalis Meynert complex—As already discussed the reduction of cell number in the nucleus basalis Meynert complex has proved to be an additional indicator of SDAT. Most of the conflicting morphometric data might be derived from investigations in which not the entire complex but only a few sections were evaluated. In a recently completed morphometric study we compared age-dependent alterations in normal non-demented individuals with those observed in cases with S D A T (Arendt et al., 1985). There exists a small age-dependent cell decrease in this complex, the 300000i
*
200000 150000
i 100000
30
50
70 Age
90
(years)
Fig. 2 Morphometric studies in normal subjects and patients with senile dementia of alzheimer's type in the Ch 4-Region of the nucleus basalis Meynert complex in relation to different ages In autoptic material of normal subjects and patients with SDAT in each 10 th consecutive brain slices through the entire length of the Ch 4 region of the nucleus basalis Meynert complex the multipolar cells after staining with cresyl violet were counted at one brain side. The results presented underline that there is a critical cell number in range of 150.000 cells. All values observed above this line were observed in normal subjects. In all cases with SDAT the cell number decreased independent of the age of the patients to values being below 150.000 cells
21*
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normal average value being in the range of 220000 cells at one brain side. AlT confirmed cases with SDAT had cell numbers below the critical value of 150000 cells. The results are given in fig. 2. In respect of the dementia syndrome being provoked by a variety of unrelated clinicopathological entities it is not surprising that the demonstrated cell degeneration occurs not only in SDAT (Arendt et al., 1983) fig. 3. brain weight 1.300 gramm
nucleus basalis Meynert complex neuronal number 150.000
1.000 -
100000
50050.000
AD
PD
alc.Dem.
CJD
Fig. 3 Comparison of brain weight and cell number in the Ch 4-Region of the nucleus basalis meynert complex in selected disorders with dementia syndrome In the cases included in this study (senile dementia of Alzheimer's type—SDAT—n: 14, paralysis agitans —P—n : 5, alcoholic Korsakoff's dementia—ale. D e m - n : 3, Creutzfeldt-Jakob disease—CJD—n : 1) the brain weight (open column) and cell number (hatched column) are given. The data presented underline differences in the decrease in brain weight and in the cell loss respectively
In SDAT global mental deterioration is regarded as a characteristic indicator, but also selective cognitive dysfunctions have been observed. It can be speculated that degeneration of the projections could lead to selective cognitive dysfunctions, if the degeneration pattern is not evenly distributed. Our data given in fig. 4 point to a rather selective degeneration pattern within the nucleus basalis Meynert complex (Arendt et al., 1985). In this study a correlation between the decrease in cholinergic cell bodies and the frequency of plaques in the corresponding area was observed. Unfortunately, the casehistories of the patients did not give the necessary details about selective cognitive dysfunction. However, it might be expected that in further studies the comparison of the degeneration pattern with the results of the psychological examination might throw some light on this unexpected finding. It has to be mentioned that the cholinergic hypothesis placed on a central position in this paper is severely questioned by several authors (Hardy et al., 1985). In autoptic brain samples not only alterations in cholinergic markers, but also in those of other transmitter
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Biesold, Alzheimer's.disease neuronal number (%) 50 100 0
0
Ch4amp
{¿Zt
SO
100 0
w*
Ch4at ch4i
\////{///A
&
B
ch4p
Fig. 4 Different Degeneration Pattern in the Nucleus Basalis Meynert Complex in Patients with Senile Dementia of Alzheimer's Type. The 3 cases selected demonstrate convincingly different decreases in cell number in the Ch 1/2 and Ch 4 regions. There are also marked right-left differences. The open column represent the left side, the hatched column the right side. The normal values for age-matched controls are given as 1 00 % Table 4 Alterations in pre- and postsynaptic markers of neurotransmitter systems in senile dementia of Alzheimer's type in comparison to age-matched controls Brain Region
Cholinergic System Choline acetyltransferase Acetylcholinesterase Muscarinergic Receptors GABA-ergic System Glutamate-Decarboxylase G A B A- Receptors Noradrenergic System Dopamine-/?-Hydroxylase Receptors Dopaminergic System Tyrosine-Hydroxylase Receptors Serotoninergic System Receptors
Enzymeactivity / receptorbinding in percentage to controls
Neocortex, Hippocampus, Nucleus amygdalae, Basal forebrain 1 0 - 40 1 0 - 50 50-100 Neocortex, Hippocampus, Nucleus caudatus 60-120 50-120 Neocortex, Locus coeruleus 60-120 80-120 Neocortex, Nucleus caudatus 80-100 80-120 Neocortex 6 0 - 70
Data from Davies and Maloney (1976), Bowen et'al. (1976), Reisine et al. (1978), Terry and Davies (1980) systems and in neuroactive peptides were observed. In tab. 4 a selection of the data is given. It can be noted t h a t the decrease in the cholinergic markers is the most pronounced and consistent finding. Of special interest seems to be the alterations in the noradrenergic system. Morphometric data from the literature (Bondareff et al., 1 9 8 2 ) confirmed b y own
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observations (Bigl et al., 1985) revealed a cell loss in the nucleus locus coeruleus. However, from the evidence available it seems as if the noradrenergic system is only effected in certain cases. It is not clear whether there is an age dependency. The described alterations in neuroactive peptides raise several questions. At first the general mechanisms and functions associated with neuroactive peptides are not fully understood. For certain peptides a co-existence with classical transmitter has been postulated. Furthermore the presence of non-cholinergic projections from the basal forebrain discussed by Rye et al. (1984) have to be considered. If one attributes to the cholinergic hypothesis a central position in the nosology of the dementia syndrome, the following question has to be asked: " W h a t are the functional properties of the cholinergic neurones in the nucleus basalis Meynert complex?". In the last section some of the aspects connected with this question will be discussed. Structural-functional
properties of the nucleus basalis Meynert complex—Due to the rather
diffuse distribution of the cholinergic cell bodies in the nucleus basalis Meynert complex experimental lesions either by electrolytic coagulation or kainic- or ibotenic acid application lack the necessary specifity. Furthermore the present knowledge of the integrative action of the topographically organized projection of this cholinergic system upon the cortical activity is not fully understood due to limited anatomical data. The same turns out to be for the afferent connections to the nucleus basalis Meynert complex although some older results by Edwards and de Olmus (1976) point to inputs from the midbrain reticular formation. There is some evidence that axon collaterals of these cholinergic neurones project to the brain stem visualized by retrograde tracer technique (Wiklund, 1984). Therefore, the participation of the basal forebrain cholinergic system in the general activating mechanism of the reticular formation remains to be newly elucidated. The dual interactions of the aminergic-cholinergic mechanism at the level of the regulation of the state of activity through centres in the brain stem dominating the thoughts in this field for many years have to be brought into accord with the current knowledge of this basal forebrain system (Steriade, 1984; Hobson, 1984). The results of Inoue et al. (1983) showed that the projection from the nucleus basalis Meynert complex is activated when a monkey performs a feeding task and this subsequently affects cortical cells so that exitatory inputs are enhanced and inhibitory inputs are attenuated. Mesulam et al. (1984) demonstrated recently by means of the monoclonal antibody to choline acetyltransferase that in the brain stem not all acetylcholinesterase positive cells show immunoreactivity. They observed in an extension from the rostral midbrain to the mid pontine level only two major cell groups which can be subdivided and designated according to the nomenclature of these authors as Ch 5 and Ch 6. The Ch 5 sector is confined to the pedunculo-pontine nucleus extending partly into the region of the nucleus cuneiformis. The Ch 6 sector occupies a lateral position in the ventricular gray corresponding to the dorsolateral tegmental nucleus. Both sectors are thought to be the major source of the thalamic cholinergic innervation. At present it is not clear whether there is a direct projection from midbrain reticular formation to the cerebral cortex, which has been brought in connection with the cortical arousal and the simultaneous acetylcholine release from the cerebral cortex (Longo, 1955; Philis, 1968). The unique position of the
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nucleus basalis Meynert complex and its stopographically organized projections could point to further functional properties. Some of the additional aspects will be discussed here. Based on a broad experience in neurogenetics Albanese et al. (1985) studied in genetically well documented mice strain dependent variations in the cell number of cholinergic neurones in the basal forebrain using the C57BL and the DBA/2 strains of mice, which are characterized by opposite open field activity and learning abilities. They observed in the DAB/2 mice with higher learning abilities more cholinergic perikarya. The decrease in cell number of 32 % in the nucleus basalis Meynert complex of C57BL point to genetic differences both in cell number and behaviour. There are indications for a close correlation in the evolutionary process between the progression of the cerebral cortex and the nucleus basalis Meynert complex. Comparative neuroanatomical investigations have demonstrated that the size of an animal and its functional requirements (Stephan et al., 1969) is highly correlated with the size of a given brain structure. With the evolution of more complex behavioural pattern more differentiated structures arise. Amongst the vertebrates especially the cerebral cortex shows an exceptional expansion (Belechova and Veselkin, 1985). Since the size of the cerebral cortex is determined by its neuronal elements—number and size of cells and their connections—it is not surprising that the increase in cortical surface fits well in the evolutionary process. Hofman (1982) presented data stressing the uneven development of the cerebral cortex. In species with a high rate of corticalisation an advanced development of the higher integrative centres was observed. The intensive progression in the cortical surface during evolution has to be paralleled by an adjustment of the essential projection systems. To our knowledge the comparative anatomical aspect of the nucleus basalis Meynert complex has not been studied thoroughly. Gorry (1963) published data from 35 mammals in 11 orders. In the series studied from—Marsupialla—Insectivora—Chiroptera —Lagomorpha—Rodentia—Ungulata—Carnivora—Sirenia to Primates andCertecea the size and structural differentiation of this complex undergoes a gradual increase. The phylogenetic gradation in the differentiation of the nucleus basalis Meynert complex follows very closely the progression of the cerebral cortex. With the highest degree in corticalisation in Primates and Certecea the extent and its structural organization reaches its most expressed from. From the qualitative data of Gorry (1963) no direct comparison on the evolutionary progression of these two brain structures can be made. If the topographic order of projections is followed during evolution, which can be expected, than the cortical surface and the cell number in the nucleus basalis Meynert complex should be in correlation. However, there are no comparative studies on the areas covered in the cerebral cortex by cholinergic terminals. It would also be of interest to evaluate the noncholinergic projections from the nucleus basalis Meynert complex. The comparison of the distribution of cholinergic and aminergic fibers within the cerebral cortex reveals marked differences. During evolution the arborization of the aminergic axons seems to increase covering wider areas without corresponding cell augmentation. Alone this structural differences point to functional peculiarities of the cholinergic basal forebrain system. Duyckaerts et al. (1985) observed that the cortical atrophy in SDAT is mainly due to a
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decrease in cortical surface suggesting a horizontal shrinkage caused by the degeneration of the cholinergic efferents. The reduction in thickness of the cerebral cortex did not correlate to the extend in mental impairment. It is known that in SDAT a general cell degeneration in the cerebral cortex takes place. From general morphometric data obtained in normal aged brains and in those of patients with SDAT a definite reduction in thickness of the cerebral cortex is not supported (Terry et al., 1981). Nevertheless, the conclusion drawn by Duyckaerts et al. (1985) that the cholinergic projections to the cerebral cortex have a general supportive function point to particular properties. It remains to be elucidated what mechanisms are involved in the dynamic structural maintenance of the cerebral cortex. From the present state of knowledge on pathogenetic mechanism involved in SDAT we have the feeling that only through a better understanding of the properties of the basal forebrain cholinergic system the alterations in morpho-functional components as correlates of the global cognitive decline in the dementia syndrome will become translucent. Detailed comparison of selective cognitive dysfunctions with the non-uniform degeneration pattern in the basal forebrain structures, animal models with selective destruction of selected groups of neurones in this region or the ontogenetic approach might be of value for the next steps in the elucidation of the peculiar pathogenetic mechanism of this challenging disease. This paper is based on a lecture given at the meeting of the „Wissenschaftlicher Rat für Psychologie der D D R " in November in Berlin.
Acknowledgement The experimental data of our group presented in this paper were obtained by Dr. Th. Arendt and Dr. V. Bigl. To both of them I have to express my gratitude for critical reading the manuscript and for valuable suggestions. However, the general conclusion drawn in this paper expresses the view of the author. Dr. C. Duyckaerts from the Laboratoire de Neuropathologie Charles Foix in Paris directed my attention to the column selective atrophy in SDAT. Dr. R. Dykes from the Microsurgical Laboratories of the Department of Neurosurgery, McGill University, Montreal opened the way to current concepts of dynamic organization of the cerebral cortex. For the help with the typing of the manuscript and with the drawing of the fig. 1 would like to thank Mrs. Schwarz and Dr. M. Brückner respectively. Thanks have to be expressed to Mrs. Schober for the excellent photographic work. Summary Among, the diseases with the dementia syndrome, mainly characterized by a global cognitive decline the senile dementia of the Alzheimer type concerns almost half of the population effected by this disorder. After explaining general criteria of clinical symptomatology and neuropsychological characteristics for diagnosis, recent advances in etiopathogenetic investigations are being discussed. Among the possible factors and mechanisms connected with Alzheimer disease, the cholinergic hypothesis receives special attention. The degeneration of the cholinergic neurons in the frontal brain and the
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biochemical changes in the projection areas are general symptoms of dementia syndrome not to be assigned only to the senile dementia of the Altzheimer type. Thus, special consiterations was given to the functional peculiarities of this system. The 'limited expansion of the axon terminals in the cerebral cortax indicates to differing from those of the aminergic system. Comparative, neuro-anatomical investigations have shown that the organization of the cholinergic system in the basal frontal brain, the nucleus basalis Meynert-complex, are in close correlation with the evolution of the cerebral cortex. Thus, new effective principles have to be taken into consideration, possibly stabilizing the cortical organization. It is concluded that only by better understanding the normal function of this system its participation in the global cognitive decline of the dementia syndrome can be evaluated. Zusammenfassung
Unter den Erkrankungen mit Demenzsyndrom, die hauptsächlich durch einen umfassenden kognitiven Leistungsabfall gekennzeichnet sind, betrifft die senile Demenz vom Alzheimer-Typ fast die Hälfte der an seniler Demenz erkrankten Bevölkerung. Nach Erläuterung der allgemeinen Merkmale der klinischen Symptomatik und neuropsychologischen Kriterien für die Diagnose werden jüngste Fortschritte bei ätiopathogenetischen Untersuchungen diskutiert. Unter den möglichen Faktoren und Mechanismen, die in Beziehung mit der Alzheimerschen Krankheit gebracht werden, findet die cholinerge Hypothese besondere Beachtung. Die Degeneration der cholinergen Neuronen, die sich im basalen Vorderhirn befinden und die biochemischen Veränderungen in den Projektionsgebieten sind allgemeine Anzeichen für ein Demenzsyndrom, die nicht nur der senilen Demenz vom Alzheimer-Typ zuzuordnen sind. Deshalb wurde im Beitrag besonderer Wert auf die funktionellen Besonderheiten dieses Systems gelegt. Die begrenzte Ausbreitung der Axon-Terminalen im cerebralen Cortex läßt auf Merkmale schließen, die sich von denen des arminergen Systems unterscheiden. Vergleichende neuroanatomische Untersuchungen haben gezeigt, daß die Organisation des cholinergen Systems im basalen Vorderhirn, der nucleus basalis Meynert-Komplex, mit der Höherentwicklung des cerebralen Cortex in enger Beziehung steht. Deshalb müssen neue Wirkprinzipien in Betracht gezogen werden, möglicherweise der Weg einer Stabilisierung der corticalen Organisation. Es wird gefolgert, daß nur durch ein besseres Verständnis der normalen Funktion dieses Systems seine Beteiligung am kognitiven Leistungsabfall beim Demenzsyndrom geklärt werden kann. Pe3ioMe
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Bu chbesprechungen Datler, W.; Handler, P . ; Heitger, M.; Kos-Robes, M.; Reinelt, T . ; Schaufler, G . ; Spiel, W . : Interdisziplinäre Aspekte der Sonder- und Heilpädagogik. Beiträge zur Sonder- und Heilpädagogik. Bd. 1. 107 S. München — Basel: Ernst-Reinhard-Verlag 1984. Broschiert. • Mit diesem Band wird eine Schriftenreihe eröffnet, die dem interdisziplinären Gespräch dienen soll und im Zusammenhang mit der Konstituierung eines „Interfakultären Institutes für Sonder- und Heilpädagogik" an der Universität Wien steht. Der Untertitel der Abhandlung zeigt zugleich Schwerpunkte und Grenzen auf: „Sonder- und Heilpädagogik in Auseinandersetzung mit Pädagogik, Tiefenpsychologie, Psychotherapie und Kommunikationstheorie". Nach zwei einführenden Kapiteln, die der historischen Rückschau bzw. dem Bildungsauftrag gegenüber dem behinderten Menschen gewidmet sind, sind insbesondere die Ausführungen zur Stellung der Elternarbeit und zur Auswirkung von Behinderungen auf den Kommunikationsprozeß für die Arbeit des Psychologen von Interesse. Sehr bedenkenswerte Thesen enthält auch die abschließende Diskussion zum Verhältnis von Pädagogik und Therapie jeweils aus der Sicht eines bekannten Pädagogen bzw. Kinderneuropsychiaters, wobei letzterer auf die Bedeutung der pädagogischen Führung in der Psychotherapie hinweist und auch Aspekte des angezielten Menschenbildes berührt. — Auch wenn der Rezensent mit einigen Auffassungen der Autoren nicht übereinstimmt, so kann der Versuch zur interdisziplinären Diskussion nur begrüßt werden. E . Kurth (Rostock)
Biesold, Alzheimer's disease
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Terry, R. D . ; Peck, A . ; De Teresa, R . ; Scheehter, R . ; Horoupian, D. S . : Some morphometric aspects of the brain in senile dementia of Alzheimer type. Ann. Neurol. 10 (1981) 184—192. Tomlinson, B . E . ; Blessed, G . ; Roth, M.: Observations on the brains in non-demented old people. J . Neurol. Sci. 7 (1968) 331-356. Tomlinson, B. E . ; Blessed, G . ; Roth, M.: Observations on the brains of demented old people. J . Neurol. Sci. 11 (1970) 205-242. Traub, R . ; Gajdusek, D. C.; Gibbs, C. J . jr.: Transmissible virus dementia: The relation of transmissible spongiform encephalopathy ot Creuzfeldt-Jakob disease. I n : Aging and Dementia. Eds. Smith, W. L . ; Kinsbourne, M. New York: Spectrum 1977 P. 91-172. Vitalliano, P. P . ; Breen, A. R . ; Russo, J . ; Albert, M.; Vitiello, M. V.; Prinz, P. N . : The clinical utility of the dementia rating scale for assessing Alzheimer patients. J . Chron. Dis. 37 (1984) 743—753. Wells, C. E . : Chronic brain disease: an overview. Amer. J . Psychiat. 135 (1978) 1—12. Wenk, H . ; Bigl, V.; Meyer, U.: Cholinergic projections from magnacellular nuclei of the basal forebrain to cortical areas in rats. Brain Res. Rev. 2 (1980) 295—316. Wertheimer, J . : One road or many to the clinical recognition of Alzheimer's disease. In: Senile Dementia: Outlook for the future. New York. Alan R. Liss, Inc. 1984, P. 93-104. Whitehouse, P. J . D.; Price, D. L . ; Clark, A. W.; Coyle, J . T . ; deLong, M. R . : Alzheimer's disease: Evidence for selective loss of cholinergic neurones in the nucleus basalis. Ann. Neurol. 10 (1981) 122—126. Wiklund, L . : personal communication (1984). Wurtman, R . J . : Die Alzheimer'sche Krankheit. Spektrum der Wissensch. 3 (1985) 84—93. Wyss, J . M.; Swanson, L. W.; Cowan, W. M.: A study of subcortical afferents to the hippocampal formation in the rat. Neuroscience 4 (1979) 463—476. Accepted: March, 1986 Author's address: Prof. Dr. sc. med. D. Biesold Paul Flechsig Institute of Brain Research, Dept. of Neurochemistry, Karl-MarxUniversity, Karl-Marx-Stadter-Str. 50, D D R - 7039 Leipzig
Bu chbesprechungen Datler, W.; Handler, P . ; Heitger, M.; Kos-Robes, M.; Reinelt, T . ; Schaufler, G . ; Spiel, W . : Interdisziplinäre Aspekte der Sonder- und Heilpädagogik. Beiträge zur Sonder- und Heilpädagogik. Bd. 1. 107 S. München — Basel: Ernst-Reinhard-Verlag 1984. Broschiert. • Mit diesem Band wird eine Schriftenreihe eröffnet, die dem interdisziplinären Gespräch dienen soll und im Zusammenhang mit der Konstituierung eines „Interfakultären Institutes für Sonder- und Heilpädagogik" an der Universität Wien steht. Der Untertitel der Abhandlung zeigt zugleich Schwerpunkte und Grenzen auf: „Sonder- und Heilpädagogik in Auseinandersetzung mit Pädagogik, Tiefenpsychologie, Psychotherapie und Kommunikationstheorie". Nach zwei einführenden Kapiteln, die der historischen Rückschau bzw. dem Bildungsauftrag gegenüber dem behinderten Menschen gewidmet sind, sind insbesondere die Ausführungen zur Stellung der Elternarbeit und zur Auswirkung von Behinderungen auf den Kommunikationsprozeß für die Arbeit des Psychologen von Interesse. Sehr bedenkenswerte Thesen enthält auch die abschließende Diskussion zum Verhältnis von Pädagogik und Therapie jeweils aus der Sicht eines bekannten Pädagogen bzw. Kinderneuropsychiaters, wobei letzterer auf die Bedeutung der pädagogischen Führung in der Psychotherapie hinweist und auch Aspekte des angezielten Menschenbildes berührt. — Auch wenn der Rezensent mit einigen Auffassungen der Autoren nicht übereinstimmt, so kann der Versuch zur interdisziplinären Diskussion nur begrüßt werden. E . Kurth (Rostock)
330
Z. Psychol. 194 (1986) 3
Reynell, J . K.: Sprachentwicklungsskalen. IFT-MateriaUen 1. Deutsche Bearbeitung: Klaus Sarinski. 78 S. mit 7 Abb. und 10 Tab. München: Gerhard Röttger-Verlag 1985. Pappeinband. Die Frühdiagnostik von Sprachentwicklungsstörungen stellt einen Schwerpunkt rehabilitationspädagogisch arbeitender klinischer Psychologen dar. Sie ist Voraussetzung für eine gezielte Frühbehandlung geschädigter Kinder, die bessere Aussichten auf mögliche Kompensationen von Defiziten bietet als die Förderung in späteren Altersstufen. Bisher gibt es jedoch kaum Verfahren, die eine differenziertere Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen gestatten. Daher ist trotz aller Probleme, die sich aus einer Übersetzung eines fremdsprachigen Tests ohne Neubearbeitung ergeben, die deutsche Übersetzung des Handbuches zu den „Reynell Developmental Language Scales" zu begrüßen. Ausgehend von entwicklungspsychologischen Modellvorstellungen und praktischen Erfahrungen mit sprachbehinderten Kindern entwickelte Reynell zunächst eine Experimentalfassung, nach ausführlicher Erprobung dieser eine revidierte Fassung, die — zusammen mit einer Validierungsstudie — die Grundlage für die Übersetzung bildete. Die Skalen prüfen die aktive Sprache sowie das.Sprachverständnis von Kindern im Alter von ein bis vier Jahren. Zur Prüfung der Sprachproduktion werden sowohl Spontanäußerurigen der Kinder als auch Bildbenennungen bzw. Bildbeschreibungen analysiert. Das Sprachverständnis der Kinder wird durch Befolgen von Aufforderungen, Auswahlaufgaben sowie Reaktionen auf Fragen geprüft. Für die Arbeit mit körperbehinderten Kindern ist eine gesonderte Sprachverständnisskala gedacht, die nur minimale motorische Reaktionen erfordert. Das Handbuch enthält eine Beschränkung der Skalen (leider nur sehr knappe Angaben über die theoretischen Konzepte), Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationshinweise. Die angegebenen Normwerte (ermittelt an Kinderpopulationen mit der Muttersprache Englisch) können natürlich nicht mehr als eine erste Orientierung sein. Weitere Validierungs1 frir
Abb. 1 Links: Schema einer Minikolumne des Neokortex bestehend aus etwa 110 Neuronen; daneben ein kräftiger Dipol, wie er während postsynaptischer Depolarisation ( E P S P ) am Zellsoma entstehen würde mit den extrazellulären Ausgleichströmen (intrazelluläre Ströme nicht gezeichnet, und den Isopotentiallinien ( ). Reohts: 3 Minikolumnen an einer Hirnrindenwindung bzw. -furche, die möglicherweise synchr on aktiviert werden könnten. Darüber die Schädeldecke S (Knochen, Weichteile) und eine Ableitelektrode E . Beachte, daß die Hirnrinde im Vergleich zu den anderen Strukturen und der Elektrode wesentlich zu groß gezeichnet ist
kalen Minikolumnen u. a. Diese modularen Einheiten sind ihrerseits in verteilten zerebralen Systemen (Mountcastle, 1979; Szentagothai, 1985) verschaltet, so daß bei Informationsverarbeitungsprozessen stets mit einer enormen Vielzahl verteilter, elementarer Dipolstrukturen zu rechnen ist. Erfaßt werden davon nur feldbestimmende Generatoren, während zahlreiche andere sich „herausmitteln" oder verdeckt bleiben, unabhängig von der Bedeutung, die die hier lokalisierten Vorgänge in dem Informationsverarbeitungsgeschehen haben. Die zahlenmäßigen Dimensionen über beteiligte Elemente übersteigen dabei das Vorstellungsvermögen, bedenkt man, daß allein in einem Kubikmillimeter Hirnrindensubstanz etwa 6,3 XlO 7 Synapsen geschätzt werden, deren Zählung bei der Annahme, daß ein Zählschritt eine Sekunde beanspruchen würde, 2 Jahre ununterbrochener Tätigkeit erfordern würde! Das ist mehr als ein 6jähriges fleißiges Studium an Arbeitszeit ausmacht. Demnach ist die Messung transienter Feldpotentiale noch für lange Zeit Methode der Wahl, um aus objektiven Parametern auf neuronale Prozeßstrukturen bei der Informationsverarbeitung zu schließen und ihre Abhängigkeit von verschiedenartigen Einflußgrößen zu erfassen. Die Erfassung der neuronalen Entladungstätigkeit, also die Ergebnisse der Verarbeitungsprozesse einzelner Neurone, wird in ihren Möglichkeiten durch die enorme Zahl beteiligter Neurone begrenzt. Ein anderes Verfahren, die Verteilung neuronaler Aktivitäten zu messen, geht auf die Vorstellung zurück, daß der Stoffwechsel (Glukose-Umsatz) des Neurons von seiner Aktivität abhängt. Die Glukose-Umsatzraten lassen sich mit Hilfe der Positronen-Emissions-CT bei Applikation von 14C-markierter Glukose (oder Desoxyglukose) bestimmen (Mazziotta und Mitarb., 1982). Der Nachteil dieser Methode besteht jedoch in dem geringen zeitlichen und räumlichen Auflösungsvermögen, das nur globale Aussagen wie etwa die Aktivitätsverteilung in der linken und rechten Hemisphäre bei
Haschke u. Haschke, Elektrophysiologisehe Parameter in der Psychophysiologie
333
hinreichend langer Exposition (größer als 10 min.) an entsprechende Aufgaben gestattet. Somit stehen bislang die Messung lokal generierter transienter Feldpotentiale, auf weniger lokalisierte Vorgänge zurückgehende kortikale Gleichspannungsänderungen (Guttmann und Bauer, 1983; Caspers und Mitarb., 1984) und Magnetfeldmessungen (Hari und Kaukoranta, 1985) im Vordergrund des Interesses. Dabei stellt die Magnetfeldmessung hohe technische Anforderungen, die bislang nur wenige spezielle Laboratorien erfüllen können. Für die Darstellung der hier erwähnten Grundlagen muß auf die einschlägige Literatur verwiesen werden (Creutzfeldt, 1974, 1983; Smirnov und Mitarb., 1978; Guttmann, 1982; Rosenzweig und Leiman, 1982; Bauer, 1984; Speckman und Mitarb., 1984; Haschke, W., 1986). Die erfolgreiche Anwendung elektrophysiologischer Parameter in psychophysiologischen Untersuchungen zur Objektivierung von neuronalen Prozessen, durch die psychische Leistungen in dem Wechselverhältnis Organismus-Umwelt realisiert werden, erfordert die Beachtung einiger Voraussetzungen, auf deren Grundlage diese Methoden zu einem leistungsfähigen Instrument werden (Haschke, W. und R. Haschke, 1980; Hiebsch, H. und R. Haschke, 1984; Haschke, W., 1985). Das erste ist eine gut begründete Versuchsstrategie, die aus relevanten theoretischen Vorstellungen abgeleitet ist und zu sichern hat, daß eine Frage gestellt wird, die auf der Grundlage der zu messenden Parameter beantwortet werden kann (s. Haschke, W., 1985; Klix, 1985; Näätänen, 1985; Ullsperger, 1985). In psychophysiologischen Untersuchungen ist die Zahl der Einflußgrößen, die unkontrolliert bleiben, oft sehr groß. Es gilt, diese zu minimieren. Dazu ist die Ausführung eines geschlossenen Handlungszyklus gut geeignet. Im Gegensatz dazu, in sogenannten „-Ruhebedingungen" nach dem Muster: „Seien Sie ganz entspannt, denken Sie an gar nichts", besteht kaum eine Kontrolle über das, was in der Versuchsperson vorgeht. Ein entscheidendes Moment in einem Handlungszyklus ist die Verarbeitung der Rückmeldung über das Ergebnis, die die optimale Organisation, die Herausbildung einer optimalen Handlungsstrategie und schließlich die Bestätigung der adäquaten Systemstruktur der neuronalen Prozesse erbringen muß (Anochin, 1978; Hacker, 1978; Hiebsch und R. Haschke, 1984). Durch die Messung ereignisbezogener transienter Feldpotentiale in diesem Zeitbereich werden objektive Parameter erfaßt, die einen Schlüsselprozeß begleiten. Theoretische Grundlage kann die Theorie der funktionellen Systeme Anochins sein. Die Vielzahl der Variablen kann in einer guten Versuchsstrategie weiter eingeengt werden, indem auf der Basis psychologischer Test's u. a. eine Homogenisierung der Versuchsgruppen (Extremgruppen) und Kocariablenerfassung (subjektives Erleben u. a.) (Haschke, R., 1986; Dormann, W.-U. und Mitarb., 1986) erfolgt. Ohne derartige Bemühungen muß mit einer hohen Varianz der neuronalen Prozesse und damit auch ihrer elektrischen Begleiterscheinungen gerechnet werden, wie aus den ERP-Untersuchungen auch gut bekannt ist. Zum zweiten ist ein hinreichendes Verständnis der Mechanismen unerläßlich, die den zu messenden Parametern zugrunde liegen (EP, E R P , EEG, MEG, DC usw.). Werden solche Potentiale oder einzelne Meßwerte derselben lediglich als Indikator ohne Bezug zu neuronalen Prozessen selbst verwendet, so wird ein erheblicher Teil gemessener Informationen 22
Z. Psychol. 194-3
334
Z. Psychol. 194 (1986) 3
verworfen und zum anderen die Frage auftreten, ob das nicht auch andere Parameter leisten können, die ökonomischer gewonnen werden (z. B . Änderung der Herzperiodendauer, HPD). Bei den Überlegungen zur Natur der genannten Biopotentiale wird deutlich, daß auch E P keine direkten Schlüsse auf neuronale Mechanismen zulassen, sondern lediglich ein Begleitphänomen sind, das als Summationsprodukt auf einer unbekannt großen Vielzahl von Teilprozessen beruht. Schließlich werden durch die Mittelungstechniken auch so schwache Feldpotentiale herausgehoben, daß trotz der physikalischen Eigenschaften des Gehirns und der umkleidenden Gewebe (Schädel, Weichteile, Haut) sogenannte „Fernfeld" potentiale gemessen werden können. Das sind solche Potentiale, die in der Tiefe des Gehirns (z. B . in der Formativ hippocampi: Halgren u. Mitarb., 1980; Okada u. Mitarb., 1983) oder in einer entfernten Hirnrindenregion generiert werden (Näätänen, 1985), während „Nahfeld "potentiale direkt in der Hirnrinde im unmittelbaren Elektrodenbereich entstehen (Goff und Mitarb., 1978). Beide überlagern sich. Die Ermittlung des Quellgebietes erfordert invasive Techniken oder die Magnetoenzephalographie. Für den Bezug zu neuronalen Prozessen ist nicht unerheblich, daß der Anteil oberflächennaher postsynaptischer Potentiale (Dendritenpotentiale) an den Werten der Oberflächenableitung größer ist als der in tiefen Bindenschichten lokalisierten, und daß keine zwingenden Beziehungen zur Entladungstätigkeit der Kommandoneurone bestehen müssen (Purpura and McMurtry, 1965; Boitbak, 1983). Zum dritten hängt das Ergebnis von E P / E B P Untersuchungen nicht zuletzt davon ab, daß eine prozeßrelevante Analyse vorgenommen wird. Extremwerte (Gipfelzeiten und -amplituden) geben nur für begrenzte Fragestellungen relevante Meßwerte, z. B . bei solchen Fragen, die eine hohe Mittelungsrate zulassen und von relativ stabilen Funktionszuständen über die gesamte Meßzeit ausgehen können. In jedem Falle spiegelt das transiente Feldpotential nur einen reiz- oder ereignisgetriggerten Ausschnitt aus der ununterbrochenen Tätigkeit des Gehirns wider. Immerhin werden in einem Kortexscheibchen mit dem Radius 5 mm (vgl. Elektrodengröße!) 1,5 X l O 7 Neurone geschätzt, von denen die Mehrzahl in Tätigkeit ist und dabei zur Feldpotentialentstehung beiträgt. Welcher Anteil durch die reiz- oder ereignisbezogenen Prozesse kontrolliert wird oder unabhängig davon tätig ist bzw. sogar durch andere Vorgänge (z. B . periodische Aktivitäten in thalamokortikalen Schleifen u. v. a.) gleichzeitig beeinflußt wird, ist unbekannt. Auch für die Prozesse der Informationsverarbeitung, die unmittelbar mit dem Reiz oder Ereignis zusammenhängen, muß angenommen werden, daß es sich um mehrere Parallelvorgänge handelt, die nicht zeitgleich ablaufen müssen, unterschiedlichen Verarbeitungsanteilen entsprechen und von differenten Einflüssen abhängen. So ergibt sich, daß stets mehrere Prozesse überlagert sind, die in bestimmten Zeitbereichen zur Ausprägung ein und derselben Welle im E R P (z. B . „ P 300") beitragen. Bei Betonung des einen oder anderen Anteils verändern sich die Amplituden in dem entsprechenden Zeitbereich, so daß durch Verminderung oder Erhöhung derselben Gipfelzeitänderungen zustande kommen, die häufig mißgedeutet werden, indem auf Verlangsamung oder Beschleunigung von Vorgängen geschlossen wird, die gar nicht vorliegen (Haschke, R., 1986). Das ist selbst bei der Intensitätsabhängigkeit relativ kurzlatenter
335
Haschke u. Haschke, Elektrophysiologische Parameter in der Psychophysiologie
Komponenten zu beachten, bei denen nicht die Leitungszeiten bei höheren Intensitäten kürzer werden, sondern die Synchronisation an den neuronalen Populationen, bis ausreichend starke Dipole vorhanden sind, schneller erfolgt (Desmedt, 1981). Ein bewährtes Verfahren zur prozeßrelevanten EP/ERP-Analyse ist die Ermittlung von Differenzkurpen, bei denen über die gesamte EP/ERP-Dauer zeitgleiche Amplitudenwerte von Kontroll- und Testantworten subtrahiert werden, so daß die Potentialänderungen über die Gesamtdauer dargestellt werden (Haschke, R. u. W. Haschke, 1975). Die Differenzkurve ermittelt somit Zeitbereich und Richtung (Polarität) der Potentialverschiebung der Testantwort gegenüber der Kontrolle. Es kann das als das einfachste und anschaulichste Verfahren angesehen werden, das sich auch gegen aufwendigere bislang behauptet. Wesentlich ist allerdings auch dabei möglichste Gruppenhomogenität bzw. Einschränkung der Variablen, um Sicherheit der tatsächlichen Zugehörigkeit der gemessenen Änderung zum geprüften Einflußfaktor zu gewinnen. Dazu trägt schließlich die selektive Mittelung der Antworten nach verschiedenen Faktoren oder Variablen wesentlich bei. Bei Beachtung dieser Voraussetzungen ist die ERP-Analyse ein leistungsfähiges Verfahren, das anhand objektiver Parameter Einsichten in neuronale Prozesse erlaubt (s. Näätänen, 1985). Gleichzeitig kann dieses Verfahren unschwer mit psychologischen Ansätzen kombiniert werden und somit durch interdisziplinäre Bearbeitung formulierte F z - M, / M2
C z - M, / M2
P z - M, / M2
K
(1)
pos.RM (2) neg.RM (3)
Abb. 2 Oben: SEP-Gruppenmittelwerte (berücksichtigt wurden für die Punkte F z —Mj/M 2 und Pz— Mj/Mj die Daten von 14 Vpn. und für Cz—Mj/M^ von 15 Ypn.) für die Bedingungen Kontrolle (K), positive (pos. RM) und negative Rückmeldung (neg. RM). Mitte: Graphische Superposition der zwischen je zwei Untersuchungsbedingungen berechneten Differenzkurven Unten: Die Zeitbereiche, in denen sich die SEP-Verläufe zwischen je zwei Bedingungen auf dem 5%-Niveau statistisch signifikant unterschieden, wurden durch schwarze Balken markiert
22*
336
Z. Psychol. 194 (1986) 3
Konstrukte prüfen, weiterentwickeln und zu Realisierungsmechanismen hinführen (Hiebsch und R. Haschke, 1984). Beispiele aus der Arbeitsgruppe unseres Instituts (Renate Haschke, J . Schwind, W.-U. Dormann, Susanne Dormann1, H.-J. Lehmann) sollen das Gesagte verdeutlichen. Untersucht wurde die Verarbeitung der Rückmeldung über das Ergebnis der Lösung einer Rechenaufgabe (modifizierte KLT-Aufgabe). Die Rückmeldung, ob die Aufgabe richtig oder falsch gelöst wurde, erfolgte nach vorheriger Instruktion durch einen schwachen elektrischen Hautreiz (Haschke, W. und Mitarb., 1985; Haschke, R., 1986; Dormann und Mitarb., 1986). Im Vergleich zur Kontrolle, in der demselben Reiz keine Bedeutung zuge- —
pos. RM minus K
20jjV Fz-M, / M2
t
n e g - m i n u s pos.RM
pos. R M E . - Sicherheit gering minus hoch
w.o. neg. R M E . - Sicherheit gering minus hoch
5% 1
Sektion Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Abb. 3 Graphische Superposition der für 3 verschiedene Ableitpunkte berechneten Differenzkurven zwischen je zwei Bedingungen
Haschke u. Haschke, Elektrophysiologische Parameter in der Psychophysiologie
337
ordnet wurde, zeigten die E R P in allen Ableitungen (Fz, Cz und Pz) deutliche Amplitudenzunahmen über den ganzen Bereich des späten positiven Komplexes (Abb. 2). Die Dauer dieser Positivierung ist am größten in Pz, kürzer in Fz. Die Antwort auf die positive und die negative Rückmeldung unterscheidet sich in diesem Zeitbereich ebenfalls signifikant, wobei die Unterschiede in Pz und Cz am stärksten ausgeprägt sind. Im Falle der positiven Rückmeldung ist der frühe Anteil des späten positiven Komplexes (Gipfelzeit 240—250 ms) stärker ausgeprägt in Cz und Pz; bzw. wird er bei negativer Rückmeldung von einer Negativverschiebung mit Gipfeln von 200/210 ms (Cz/Pz) überlagert. Auf die negative Rückmeldung ist der späte Teil der Positivierung betont. Das zeigt zeitliche und räumliche Unterschiede in den Feldpotentialen. Da zu fragen war, ob die Entscheidungssicherheit und mit ihr die Erwartung eines Reizes variiert, wurde die Sicherheit erfragt, mit der die Vp. sich für das Ergebnis entschieden hatte (Abb. 3). In dem wahrscheinlich weniger erwarteten Fall: positive Rückmeldung bei geringer Entscheidungssicherheit, zeigt der ERP-Verlauf eine Negativabweichung gegenüber der hohen Sicherheit etwa bis zu 300 ms, gefolgt von einer leichten Positivierung. Die signifiEnt scheidungssicherheit gering
hoch
f
neg.RM
neg-minus pos. Vorgänger pos. RM neg-RM
[msl
300
x 21 Vpn-
C z -A,
300
[ms]
Sign.-—-5%
Abb. 4 Darstellung der Unterschiede im SEP-Verlauf (Gruppenmittelwerte von 21 Vpn.), die sich aus der Berücksichtigung der Q u a l i t ä t vorangegangener Rückmeldungen sowie der Entscheidungssicherheit ergeben
338
Z. Psychol. 194 (1986) 3
kanten Unterschiede zeigen Gipfel bei 110 und 230 ms, die Differenzamplitude ist bis 300 ms am größten in Pz. Bei einer Serie von solchen Handlungsabläufen entsteht die Frage, ob die Lösung der vorhergehenden Aufgabe(n) Einfluß hat. Es zeigte sich auch hier ein Unterschied, der besonders bei angegebener hoher Entscheidungssicherheit und positiver Rückmeldung fast über den gesamten Zeitbereich des späten positiven Komplexes signifikant ist (Abb. 4). Schließlich ist zu erwarten, daß die Verarbeitung der Rückmeldung von Persönlichkeitsmerkmalen abhängt, die in der Situation aktualisiert werden. Die Prüfung bestätigte diese Hypothese insbesondere für das habituelle Leistungsmotiv. Mißerfolgsängstliche Vpn. zeigten auf negative Rückmeldung im Zeitbeerich um 240 ms eine signifikante Negativierung, während erfolgszuversichtliche ab 300 ms eine langdauernde positive Abweichung zeigen (Abb. 5) (Dormann, S., 1986). Cz-A,
30juV
HE
MI Vpn.] pos.RM neg.RM
FM IlOVpnJ
negminus pos.RM
HE — FM 300
Cms] Sign.
5%
Abb. 5 Gegenüberstellung der durch pos. und neg. RM ausgelösten SEP erfolgszuversichtlicher (HE) und mißerfolgsängstlicher (FM) Vpn. Dargestellt sind Gruppenmittelwerte. Die schwarzen Balken markieren die Zeitbereiche, in denen sich die jeweils verglichenen Potentialverläufe auf dem 5 °/0-Nive au signifikant unterscheiden
Bei Messung der kortikalen Gleichspannungsänderungen zeigt sich gegenüber Kontroll" versuchen während der Lösung der Rechenaufgaben ein deutlich zunehmender Negativshift, der nach Meldung des Ergebnisses bis zur Rückmeldung (5,8 s) etwa konstant bleibtAuch die Ausprägung der Gleichspannungsänderungen ist von der Entscheidungssicherheit und der vorhergehenden Rückmeldung, bzw. der richtigen oder falschen Lösung der vorhergehenden Aufgabe im Grade der Ausprägung abhängig ( J . Schwind, in Vorb.). Die hier genannten Unterschiede konnten durch selektive Mittelung und Berechnung der Differenzkurven bei Prüfung mit dem t-Test für korrelierende Stichproben gesichert
Haschke u. Haschke, Elektrophysiologische Parameter in der Psychophysiologic
339
werden. Sie zeigen Unterschiede im Zeitverlauf und den räumlichen P a r a m e t e r n der E R P , die von den neuronalen Prozessen abhängen. Sie weisen damit auf unterschiedliche Prozesse in der Verarbeitung von Rückmeldungen hin, deren Mechanismen in weiteren Untersuchungen zu prüfen sind. Dies könnte z. B. durch magnetoenzephalographische Studien, gezielte Beeinflussung v o n Teilprozessen o. a. geschehen. Der Vorteil der E R P - A n a l y s e im psychophysiologischen E x p e r i m e n t besteht also in dem unmittelbaren Bezug zum neuronalen Substrat, das die Verarbeitungsprozesse realisiert und der relativ genauen Zeitauflösung der Antwortphänomene. In Verbindung mit pharmakologischer Beeinflussung oder pathologischen Zustände sind weitere interessante Aufschlüsse zu erwarten. Desgleichen dürften Kontrollen v o n Lern- und Trainingsprozessen sowie von Therapieverläufen weiterführende Aufschlüsse erbringen, u m hier n u r einige Beispiele zu nennen. Zusammenfassung Die Messung elektrophysiologischer Parameter in psychophysiologischen Untersuchungen hat weite Verbreitung gefunden. Die Interpretation der Meßergebnisse erfordert allerdings möglichst solide Kenntnisse der diesen Phänomenen zugrundeliegenden Vorgänge. Der vorliegende Beitrag will versuchen, diese Grundlagen zu erläutern und an Beispielen zu verdeutlichen. Für den Interessenten ist weiterführende Literatur angegeben. Bei angemessener Interpretation werden die hier genannten Parameter noch lange Jahre als leistungsfähiges Instrument geeignet sein, den intimen Mechanismen der neuronalen Informationsverarbeitungs„maschinerie" näher zu kommen. Summary Recording electrophysiologic parameters in psychophysiologic experiments is a common method. The interpretation of these results, however, needs a good understanding of underlying processes. This paper will give some ideas on basic mechanisms involved. For supplementary reading, some literature is given in the references. Further considerations of an appropriate interpretation of electrophysiologic parameters will be efficient for explaining intimate mechanisms realizing the neuronal information processing. Pe3ioMe HsMepemie 3JieKTp0 1 Z 7 Ä Patienten Normwerte:
Gesunde.!
•
Gesunde Herzinfarktpatienfen:
FABA-Werre für Patienten(n- 23) und Gesunde (n-16)
A b b . 8 Mittelwerte (Säulen) der Probandenkollektive für die F a k t o r e n des F A B A und Normwerte (Pfeile) für Gesunde und Herzinfarktpatienten (nach Richter und Schmidt, 1986). + und + + weisen signifikante bzw. sehr signifikante Differenzen aus
Unterschiede der untersuchten Patienten zu den Gesunden als krankheitsbedingt angesehen werden. Obwohl bei der mehrdimensionalen Diskriminanzanalyse nicht zu den wesentlichen Trennmerkmalen beider Probandenkollektive gehörend, unterscheiden sich beide in den FABAWerten. In Abb. 8 sind für die Faktoren des FABA die Mittelwerte beider Gruppen dargestellt, und es ist ersichtlich, daß für vier der fünf Faktoren signifikante resp. sehr signifikante Differenzen bestehen. Desweiteren finden sich für die von uns untersuchten Patienten mit vegetativer Fehlregulation in den Faktoren I, IV und V höhere Werte als bei Herzinfarktpatienten (Richter und Schmidt, 1986). Ergebnisresümierender Ausblick Die erhobenen Befunde für Gesunde verallgemeinernd ist also erstens eine deutliche Indikation mentaler Beanspruchung durch den akralen Volumenpuls als gegeben anzusetzen. Damit erscheint die detaillierte Untersuchung dieses Parameters in der Analyse und Bewertung geistiger Tätigkeiten an sich und, wie eingangs schon formuliert, im Kontext mit anderen Parametern des Herz-Kreislaufsystems als durchaus begründet und aussichtsreich. Zum zweiten ist aus den beschriebenen IPG-Resultaten, erhoben in den Probandenkollektiven der Gesunden resp. Patienten mit vegetativer Fehlregulation, eine potentiell praktische Bedeutsamkeit impedanzplethysmografischer Untersuchungen bei der Eignungsdiagnostik für mentale Arbeitstätigkeiten entnehmbar. Drittens schließlich weisen die Ergebnisse darauf hin, daß Patienten mit vegetativer Fehlregulation (und auch anderen Erkrankungen) anhand von IPG-Befunden mitdiagnostiziert und verlaufskontrolliert werden könnten bzw. aüf Therapieresultate verfolgbar sein sollten.
Dettmar u. a., Impedanzplethysmografische Indikation mentaler Beanspruchung
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Zusammenfassung In einer Pilotstudie an 13 Gesunden und 23 Patienten mit vegetativer Fehlregulation wurde die Eignung der akralen Impedanzplethysmographie als Indikator mentaler Beanspruchung geprüft. Hierzu hatten die Probanden im psychophysiologischen Laborexperiment unterschiedliche Typen kognitiver Aufgaben (z. B. visuelles Suchen) zu lösen und ihr Erleben und Befinden zu beurteilen. Amplituden- und Zeitparameter des peripheren Volumenpulses wurden zu Leistungs- und Urteilsdaten in Bezug gesetzt. Die Ergebnisse lassen den akralen Volumenpuls als Indikator mentaler Beanspruchung geeignet erscheinen und empfehlen, ihn bei der Analyse und Bewertung geistiger Tätigkeiten und für die Eignungsdiagnostik bzw. Diagnostik und Therapiekontrolle vegetativer Fehlregulationen zu nutzen.
Summary The aptitude of acral impedance-plethysmography as an indicator of mental load was examined in a pilot study with 13 healthy people and 23 patients with vegetative misregulation. For this purpose, the subjects had to solve different types of cognitive tasks (e.g. visual search) in a psychophysiological labexperiment and to judge their experience and state. Amplitude and time parameter of the peripheral volume pulse were related to data of performance and judgment. On the basis of the results, the acral volume pulse seems to be appropriate as an indicator of mental load and is recommended for further use during analysis and evaluation of mental activities and in aptitude diagnosis and diagnosis respectively as well as therapy control of vegetative misregulations.
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Literatur Dettmar, P . ; Volke, H . - J . : Time-varying spectral analysis of single evoked brain potentials. I n : Psychophysiological Approaches to Human Information Processing. Hrsg. Klix, F . ; Näätänen, R . ; Zimmer, K . Amsterdam: Elsevier Science Publishers B . V . 1985 S. 225—233. Fahrenberg, J . ; Walschburger, P . ; Foerster, F . ; Myrtek, M.; Müller, W . : Psychophysiologische Aktivierungsforschung. München. Minerva-Publikation 1979. Gruber, G . : Zur Dynamik vegetativer Parameter bei psychischer Belastung unter besonderer Berücksichtigung der akralen Mikrozirkulation — ein Beitrag zur Charakterisierung streßsensibler Personen auf der vegetativen Ebene. Leipzig: Univ., Diss. 1985. Hacker, W . ; Richter, P . : Psychische Fehlbeanspruchung: Psychische Ermüdung, Monotonie, Sättigung und Streß. I n : Spezielle Arbeits- und Ingenieurpsychologie in Einzeldarstellungen. Lehrtext 2. Hrsg. Hacker, W. Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften 1980. Höck, K . ; Hess, H . : Der Beschwerdenfragebogen. Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften 1981. Kühn, T . : Normalwerte des impedanzplethysmografischen (IPC) und photoplethysmografischen (PPC)
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Volumenpulses (VP) vom Finger gesunder Probanden in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht. Dresden: Medizinische Akademie Dresden. Diss. 1984. Nitsch, J . : Die Eigenzustandsskala. I n : Beanspruchung im Sport. Hrsg. Nitsch, J . ; Udris, I. Bad H o m b u r g : Limpert 1976. Quaas, P.; Richter, P . ; Schirmer, F . : Leistung und Aktivierung in kognitiven Zusatzaufgaben als Indikatoren der Beanspruchung in geistigen Arbeitstätigkeiten. Wiss. Zeitschrift der T U Dresden, 34 (1985) 5/6, S. 6 7 - 7 2 . Richter, P . ; Schmidt, Ch. F.: Arbeitsanforderungen und Beanspruchungsbewältigung bei Herzinfarktp a t i e n t e n — e i n tätigkeitspsychologischer Diagnostikansatz. Leipzig: J . A . B a r t h (Psychotherapie und Grenzgebiete, im Druck). Sinz, V.: Dynamische Beurteilung peripherer impedanzplethysmographischer Meßgrößen unter definierten physiologischen und pathophysiologischen Belastungen an Probanden und unter klinischen Zuständen an Patienten. Dresden: Medizinische Akademie Dresden, Diss. 1982. Eingegangen im März 1986 Anschr. d. Verf.: Prof.' Dr. med. habil. P. D e t t m a r W B Physiologie der Sektion Arbeitswissenschaften der Technischen Universität Mommsenstr. 13, D D R - 8027 Dresden
Buchbesprechungen Salber, W . : Psychologie in Bildern. 169 S. mit 67 Abb. und Tab., 15,7 X 22,9 cm. Bonn: Bouvier Verlag Herbert G r u n d m a n n 1983. Abh. z. Philos., Psychol. u. Päd., Bd. 181. Hartpappe. 49,— DM. Dieses Buch, von dem man sich zunächst — vom Titel her und beim Durchblättern — einen Beitrag zur psychologischen Analyse von Werken der bildenden Kunst verspricht, erweist sich bei genauerem Hinsehen und Lesen als Angriff auf die „offizielle Psychologie" (wie es im T e x t heißt). Von i h r e n V e r t r e t e r n wird u. a. gesagt: „Sie klammern sich an eine Wissenschaftlichkeit ohne Spaß, die sie im Ansehen v o n Naturwissenschaft begründen wollen" (S. 7); „Sie verkaufen m i t ernstem Gesicht die Biederkeit des Seelischen; sie pressen es in langweilige Lehrbücher, sie machen es m i t S t a t i s t i k zu einem kleinkarierten Fachgebiet der Wirklichkeit" (ebenda). D e r letzte Satz des Buches lautet:,, Wer n i c h t die Bilder der T r ä u m e psychologisch zergliedern kann, versteht nicht viel von seelischer Wirklichkeit und sollte andere nicht auf seine Eingeschränktheit verpflichten" (S. 164). Salbers Methodologie begreift sich — m i t der B e r u f u n g auf Dilthey und andere Phänomenologen — als verstehenspsychologisches Konzept, das sich u. a. der Kategorien „Ganzheit, Werden, Morphologie" bedient (S. 12) und den Verstehensvorgang als „Mitbewegen" zu kennzeichnen sucht. Der eigentliche Text (ab S. 18, gegliedert in 5 Kapitel), der auf eine Vorlesung zurückgreift, ist nicht in Sätzen ausformuliert, sondern r a n k t sich als breiige Stichwort-Skizze um (übrigens schlecht reproduzierte) Abbildungsbeispiele aus der bildenden Kunst. Die dabei verwendete Sprache ist überwiegend verwaschen-dunkel und mystisch-verworren, in dieser Hinsicht weit entfernt von den vergleichsweise scharfen, semantisch eindeutigen Formulierungen eines Dilthey, Freud, Krueger oder Klages. Wenn m a n ein Kapitel gelesen h a t , weiß man nicht mehr, wovon eigentlich die Rede w a r ; das Gedächtnis weigert sich, aus diesem Kauderwelsch an Stichworten strukturierte Kontexte aufzubauen. Nein: dieses Buch bringt die „offizielle Psychologie" nicht ins Wanken. E s k a n n zitiert werden als Beispiel eines seltsamen Anachronismus. Leider besteht die Gefahr, daß es die solide Phänographik (etwa von Thomae) in Mißkredit bringt. E i n renommierter Verlag sollte genauer p r ü f e n , was er publiziert. H.-D. Schmidt (Berlin)
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Volumenpulses (VP) vom Finger gesunder Probanden in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht. Dresden: Medizinische Akademie Dresden. Diss. 1984. Nitsch, J . : Die Eigenzustandsskala. I n : Beanspruchung im Sport. Hrsg. Nitsch, J . ; Udris, I. Bad H o m b u r g : Limpert 1976. Quaas, P.; Richter, P . ; Schirmer, F . : Leistung und Aktivierung in kognitiven Zusatzaufgaben als Indikatoren der Beanspruchung in geistigen Arbeitstätigkeiten. Wiss. Zeitschrift der T U Dresden, 34 (1985) 5/6, S. 6 7 - 7 2 . Richter, P . ; Schmidt, Ch. F.: Arbeitsanforderungen und Beanspruchungsbewältigung bei Herzinfarktp a t i e n t e n — e i n tätigkeitspsychologischer Diagnostikansatz. Leipzig: J . A . B a r t h (Psychotherapie und Grenzgebiete, im Druck). Sinz, V.: Dynamische Beurteilung peripherer impedanzplethysmographischer Meßgrößen unter definierten physiologischen und pathophysiologischen Belastungen an Probanden und unter klinischen Zuständen an Patienten. Dresden: Medizinische Akademie Dresden, Diss. 1982. Eingegangen im März 1986 Anschr. d. Verf.: Prof.' Dr. med. habil. P. D e t t m a r W B Physiologie der Sektion Arbeitswissenschaften der Technischen Universität Mommsenstr. 13, D D R - 8027 Dresden
Buchbesprechungen Salber, W . : Psychologie in Bildern. 169 S. mit 67 Abb. und Tab., 15,7 X 22,9 cm. Bonn: Bouvier Verlag Herbert G r u n d m a n n 1983. Abh. z. Philos., Psychol. u. Päd., Bd. 181. Hartpappe. 49,— DM. Dieses Buch, von dem man sich zunächst — vom Titel her und beim Durchblättern — einen Beitrag zur psychologischen Analyse von Werken der bildenden Kunst verspricht, erweist sich bei genauerem Hinsehen und Lesen als Angriff auf die „offizielle Psychologie" (wie es im T e x t heißt). Von i h r e n V e r t r e t e r n wird u. a. gesagt: „Sie klammern sich an eine Wissenschaftlichkeit ohne Spaß, die sie im Ansehen v o n Naturwissenschaft begründen wollen" (S. 7); „Sie verkaufen m i t ernstem Gesicht die Biederkeit des Seelischen; sie pressen es in langweilige Lehrbücher, sie machen es m i t S t a t i s t i k zu einem kleinkarierten Fachgebiet der Wirklichkeit" (ebenda). D e r letzte Satz des Buches lautet:,, Wer n i c h t die Bilder der T r ä u m e psychologisch zergliedern kann, versteht nicht viel von seelischer Wirklichkeit und sollte andere nicht auf seine Eingeschränktheit verpflichten" (S. 164). Salbers Methodologie begreift sich — m i t der B e r u f u n g auf Dilthey und andere Phänomenologen — als verstehenspsychologisches Konzept, das sich u. a. der Kategorien „Ganzheit, Werden, Morphologie" bedient (S. 12) und den Verstehensvorgang als „Mitbewegen" zu kennzeichnen sucht. Der eigentliche Text (ab S. 18, gegliedert in 5 Kapitel), der auf eine Vorlesung zurückgreift, ist nicht in Sätzen ausformuliert, sondern r a n k t sich als breiige Stichwort-Skizze um (übrigens schlecht reproduzierte) Abbildungsbeispiele aus der bildenden Kunst. Die dabei verwendete Sprache ist überwiegend verwaschen-dunkel und mystisch-verworren, in dieser Hinsicht weit entfernt von den vergleichsweise scharfen, semantisch eindeutigen Formulierungen eines Dilthey, Freud, Krueger oder Klages. Wenn m a n ein Kapitel gelesen h a t , weiß man nicht mehr, wovon eigentlich die Rede w a r ; das Gedächtnis weigert sich, aus diesem Kauderwelsch an Stichworten strukturierte Kontexte aufzubauen. Nein: dieses Buch bringt die „offizielle Psychologie" nicht ins Wanken. E s k a n n zitiert werden als Beispiel eines seltsamen Anachronismus. Leider besteht die Gefahr, daß es die solide Phänographik (etwa von Thomae) in Mißkredit bringt. E i n renommierter Verlag sollte genauer p r ü f e n , was er publiziert. H.-D. Schmidt (Berlin)
Z. Psychol. 194 (1986) 365-375
J . A. Barth, Leipzig/DDR
Aus dem Direktionsbereich Arbeitsphysiologie des Zentralinstituts für Arbeitsmedizin der DDR, Berlin
Die P300-Komponente des ereignisbezogenen Hirnpotentials als Indikator in der Psychophysik kognitiver Prozesse Von P. Ullsperger, D. Peikert, S. Tessin, H.-G. Gill« und Anna-Marie Metz Mit 7 Abbildungen
Einleitung Die Aufklärung des Aussagewertes von Parametern des ereignisbezogenen Hirnpotentials (ERP) ist eine entscheidende Voraussetzung für deren zielgerichtete Anwendung in Untersuchungen zur Objektivierung zentralnervöser Informationsverarbeitungsprozesse. E R P sind in vielerlei Hinsicht von besonderem Interesse: Sie entstehen im informationsverarbeitenden Substrat selbst, weisen feste zeitliche Beziehungen zu informationsvermittelnden Ereignissen auf und ihre Messung ist praktisch rückwirkungsfrei möglich. Die sogenannten endogen determinierten Anteile oder Komponenten des E R P begleiten wahlweise aufrufbare, zweckorientierte Verarbeitungsschritte (vgl. auch Ivanickij und Mitarb., 1984). Zu diesen „endogenen" Komponenten zählt die ereignisbezogene Positivierung P300, deren Abhängigkeit von einer Reihe unterschiedlichster Einflußfaktoren immer wieder seit ihrer Entdeckung beschrieben wurde (Sutton, 1979; Donchin und Mitarb., 1978; Pritchard, 1981; Rösler, 1982; Kostandov, 1983; Ullsperger und Gille, 1985). Wenn auch bisher keine einhellige Meinung über die funktionelle Bedeutung der P300 im einzelnen besteht, ist allen Interpretationsansätzen die Auffassung gemeinsam, daß die Inanspruchnahme von Mechanismen aufmerksamer, bewußter Verarbeitung mit einer P300 einhergeht. Als wesentlicher Einflußfaktor auf die P300-Amplitude gilt dabei die subjektive Wahrscheinlichkeit, mit der das Auftreten relevanter Ereignisse erwartet wird (Duncan-Johnson und Donchin, 1977). Die überwiegende Mehrzahl der experimentellen Untersuchungen der P300 gingen von Paradigmen mit nur zwei Klassen von Ereignissen aus, wie z. B. im sogenannten OddballParadigma mit relevanten und irrelevanten Reizen (Donchin, 1979). Ergebnisse aus diesen Untersuchungen führten zu der Annahme, daß die P300 als Indikator der subjektiven Wahrscheinlichkeit angesehen werden kann (Squires und Mitarb., 1976; Donchin, 1979):' Relevante Ereignisse werden vom Probanden aufgabenabhängig klassifiziert und jeder Klasse wird eine subjektive Wahrscheinlichkeit zugeordnet. J e weniger die Ereignisse einer Klasse erwartet werden, desto höher sind die durch diese Ereignisse ausgelösten P300-Amplituden. In Anlehnung an die von Pribram und McGuinnes (1975) postulierte Kontextaktualisierungsfunktion kam Donchin (1979) zu der Annahme, daß eine P300 immer dann zu registrieren sei, wenn das Auftreten eines Ereignisses mit der Erwartung nicht übereinstimmt und zur Änderung von intern repräsentierten Modellen über die Umwelt führt. 24
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Rösler (1982) untersuchte im sogenannten doppelten Bahnungsparadigma anhand sequentieller Informationsdarbietung die Wirkung von aufgabenrelevanten Signalen, die sich im Umfang der von ihnen eingeleiteten Informationsverarbeitung unterschieden. Den Befund, daß abstrakte (implizite) gegenüber konkreter (expliziter) Informationsdarbietung zu einer Vergrößerung der P300-Komponente führte, interpretierte dieser Autor in Anlehnung an Shiffrin und Schneider (1977) mit dem Aufruf des Modus „kontrollierter" Informationsverarbeitung. Rösler (1985) geht davon aus, daß „der P300-Komplex eine Hilfsroutine der Informationsverarbeitung indiziert, die vom ZNS aufgerufen wird, wenn nach der Dekodierung der sensorisch vermittelten Information kontrollierte Verarbeitungsoperatiönen eingeleitet werden müssen. Dieser zentralnervöse Prozeß hat eine um so stärkere Ausprägung, je umfangreicher die geforderten kontrollierten Operationen sind . . Der Einfluß einer systematischen Abstufung des Umfanges der von den gestellten Aufgaben eingeleiteten Verarbeitung auf die P300 wurde von Neumann und Mitarb. (1986) und Ullsperger und Mitarb. (1986a) als Schwierigkeitseinfluß nachgewiesen. Dabei kam ein sogenanntes Referenzaufgaben-Paradigma (Ullsperger und Mitarb., 1986b) zur Anwendung, d. h. Aufgaben aus mehreren Klassen unterschiedlicher Verarbeitungsschwierigkeit traten relativ selten und zufällig verteilt in einer Abfolge von Referenzaufgaben der geringsten Schwierigkeit auf. Mit zunehmender Aufgabenschwierigkeit wurde ein Anstieg der P300-Amplitude gefunden, der auf eine schwierigkeitsbezogene Klassifizierung und Bewertung der Aufgaben zurückgeführt wurde. In der vorliegenden Arbeit sollte nun der Wirkungsmechanismus des Referenzaufgabenparadigmas weiter aufgeklärt werden. Dazu wurde die Hypothese aufgestellt, daß die Referenzaufgäben ähnlich wie im psychophysischen Skalierungsexperiment zur Bezugspunktbildung dienen. Unter dieser Voraussetzung müßte mit der Wahl der Referenzaufgaben aus Klassen unterschiedlicher Schwierigkeit eine Änderung der Abstufung der P300-Amplituden möglich sein. Methoden An der Untersuchung nahmen 11 gesunde Männer im Alter von 24 —27 Jahren als freiwillige Probanden teil. Jeder Proband hatte in einem schallgedämmten, elektrisch geschirmten Versuchsraum etwa 1,2 mvor einem Fernsehschirm sitzend, die im folgenden beschriebenen Aufgaben zu lösen. Sie bestanden aus zufällig geordneten Folgen von neun, sieben, fünf, drei oder einer Ziffer. In jeder Ziffernfolge war jeweils eine fehlende Ziffer zu ermitteln und über Tastatur einzugeben. Entsprechend der Anzahl der Ziffern ergaben sich fünf Aufgabenklassen, ein Beispiel aus jeder Klasse ist in Tab. 1 gegeben. Die Aufgaben traten in vom Probanden nicht vorhersehbarer rechnergesteuerter Abfolge auf. Der Zeitpunkt der Aufgabendarbietung wurde dagegen durch den Probanden selbst bestimmt (500 ms nach Betätigung einer Taste). Aufgabenlösung und Versuchsablauf wurden vor Versuchsbeginn geübt. Jeder Proband hatte 2 Versuchsabschnitte (Exp. A und Exp. B) zu absolvieren, die sich durch die prozentuale Darbietungshäufigkeit von Aufgaben der Klassen I bzw. V
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Ullsperger u. a., P300-Komponente und Psychophysik
Tabelle 1 Beispiele von Aufgaben der fünf Klassen unterschiedlicher Schwierigkeit sowie zugehörige Darbietungshäufigkeiten in den Experimenten A und B Aufgabenklasse
Aufgaben (Beispiel)
I II III IV V
0 203 41032 0 132576 257843916
Lösung 1 1 5 4 0
A bs.' H äufigkeiten Exp. A Exp. B 800 50 50 50 50
50 50 50 50 800
unterschieden. In Exp. A traten Aufgaben der Klasse I in 80 % auf (Referenzaufgaben). Aufgaben dieser Klasse mit geringer Anforderung gingen allen anderen der gleichhäufig (je 5 %) auftretenden Klassen II—V voraus bzw. folgten diesen. Die Aufgaben der Klassen II—V waren damit eingebettet in eine Abfolge von Referenzaufgaben, d. h. zwischen Aufgaben der Klassen II—V traten eine bis elf Referenzaufgaben auf. In E x p . B dienten die Aufgaben der Klasse V als Referenz, d. h. Aufgaben der schwierigsten Klasse traten in 80 % aller Darbietungen auf, während die Aufgaben der Klassen I— IV gleichhäufig mit je 5 % dargeboten wurden. In jedem Experiment waren insgesamt 1000 Aufgaben zu lösen, davon gehörten in E x p . A 800 zur Klasse I und in Exp. B 800 zur Klasse V (vgl. Tab. 1). Zwischen beiden Experimenten wurde eine Pause gewährt, die Dauer der Experimente war von dem interindividuell unterschiedlichen Arbeitstempo der Probanden abhängig und betrug im Mittel etwa 45 min in Exp. A und etwa 105 min in E x p . B. 5 Probanden begannen den Versuch mit Exp. A, 6 mit E x p . B. Nach jedem Experiment wurden von jedem Probanden nacheinander 4 vollständige Paarvergleiche zwischen den Aufgaben der fünf Kategorien ausgeführt und zwar bezüglich der folgenden Fragestellungen: Welche Aufgabe war schwieriger, welche anstrengender, langweiliger, ermüdender? Aus den Urteilen wurden die zugehörigen Prozentränge berechnet (Hofstätter, 1953). Die Lösungsdauer wurde als Reaktionszeit bestimmt, d. h. die Zeitintervalle zwischen Beginn der Aufgabendarbietung und Eingabe der gesuchten Ziffer wurden wie auch die Fehlerhäufigkeit vom Versuchssteuerrechner erfaßt und nach jedem Experiment ausgedruckt. Die Ableitung der bioelektrischen Hirnaktivität erfolgte mittels Ag/AgCl-Elektroden von der Mittellinie frontal, zentral und parietal (Fz, Cz und Pz) gegen einen Bezugspunkt, der durch die Verbindung der beiden Ohrelektroden gebildet wurde. Die Ableitung des Elektrookulogramms zur Erkennung von Augenbewegungs- und Lidschlagartefakten erfolgte mittels supra- und infraorbital fixierten Elektroden. Die bioelektrischen Signale wurden im Frequenzbereich 0,06 Hz—30 Hz verstärkt und auf Magnetband zusammen mit den nach Aufgabenklassen unterscheidbaren Triggerimpulsen, die den Darbietungsbeginn der Aufgaben anzeigten, aufgezeichnet. Im off-line Verfahren wurden je 40 artefaktfreie' EEG-Meßstrecken aufgabenbezogen und selektiv nach den fünf Aufgabenklassen gemittelt (Abtastrate 5 ms, 200 ms vor —800 ms nach Beginn der Aufgabendar24*
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bietung). Im Falle der Referenzaufgaben (n = 800) wurden 40 aufgabenbezogene Meßstrecken stichprobenartig aus dem gesamten Versuchsabschnitt gewonnen. Die Auswertung der P300 Komponente des E R P , d. h. Bestimmung der Gipfelamplitude bezüglich der über die 200 ms Vorperiode ermittelten Bezugslinie sowie die Gipfelzeit der maximalen Positivierung im Zeitbereich 250—800 ms erfolgte rechnergestützt. E s ergaben sich für jedes Experiment 165 Amplituden- bzw. Gipfelzeitwerte (11 Probanden X 3 Ableitungen X 5 Aufgabenklassen). Der Zusammenhang zwischen der im Paarvergleich ermittelten Schwierigkeit der Aufgaben und der P300-Amplitude wurde regressionsanalytisch geprüft. Als Signifikanzgrenze wurde einheitlich eine Irrtumswahrscheinlichkeit von P = 0,05 festgelegt. Ergebnisse Psychologische und
Leistungsdaten
Die Prozentrang werte aus den vollständigen Paarvergleichen im Anschluß an E x p . A und B sind in Abb. 1 dargestellt. Die nach E x p . A ermittelten Werte sind dabei jeweils links, die nach E x p . B rechts aufgetragen. In beiden Experimenten ergaben sich für Anstrengung und Schwierigkeit gleiche Rangfolgen der Aufgabenklassen, d. h. Anstrengung und Aufgabenschwierigkeit nehmen gleichermaßen systematisch von Klasse I nach V zu. Ebenfalls für beide Experimente übereinstimmend wurde eingeschätzt, daß die Bearbeitung der Aufgaben der Klasse I als langweiliger empfunden wurde als die Bearbeitung der Klasse V. Bezüglich der Ermüdung wurde jeweils ausgehend von den Referenzaufgaben eine Abnahme eingeschätzt; während in E x p . A die ermüdende Wirkung von V nach I zunimmt, trifft dies in E x p . B mit geringer Abweichung der II von I nach V zu. 100Ti LJÜ
O 75 Exp. A Exp.e
0 71 Y)
I IV
ni n
IV I
A u f g a b e n kl a s s e n
Y (Exp.A) , 1 (Exp.B)
Abb. 7 Mittlere P300-Amplitudenänderungen gegenüber den Amplitudenwerten in der Klasse der Referenzaufgaben (I bzw. V) für die Ableitung Czin Abhängigkeit von den Aufgabenklassen in den Experimenten A und B
Diskussion Eine gesicherte Zunahme der P300-Amplitude mit ansteigender Schwierigkeit und Anstrengung ließ sich in E x p . A nachweisen. Die Anstiege der Regressionsgeraden, die zwischen beurteilter Schwierigkeit und P300 berechnet wurden, entsprachen denen einer früheren Untersuchung (Ullsperger und Mitarb., 1986b), in der Wahrscheinlichkeit und Signalfolge als mögliche Ursachen für die P300-Amplitudenänderungen ausgeschlossen wurden. Auch in der vorliegenden Untersuchung kann die Vermutung diskutiert werden, daß die Probanden anhand physikalischer Merkmale (Länge der Aufgaben) jeweils am Beginn einer Darbietung eine Klassifizierung und Bewertung vornahmen, die u. a. von den gegebenen Instruktionen, von früheren Erfahrungen und von der erwarteten Anstrengung bei der Aufgabenlösung abhängig sein könnten. Ergebnisse und Interpretation sind mit der Hypothese vereinbar, daß die P300 mit dem Ausmaß der geforderten kontrollierten Operationen ansteigt (Rösler, 1982). Um den Einfluß der Referenzaufgaben zu untersuchen, wurden in E x p . B die Aufgaben der höchsten Schwierigkeitsklasse (V) häufig dargeboten. Erwartungsgemäß änderten sich die Urteile bezüglich der Schwierigkeit auch in Exp. B nicht. Mit steigender Schwierigkeit der Aufgaben von Klasse I nach IV trat jedoch eine Verminderung der P300Amplitude auf. Offensichtlich geht zunehmende Schwierigkeit bzw. Lösungsaufwand nicht grundsätzlich mit einer Amplitudenzunahme einher. Von den künftig noch aufzuklärenden Niveauunterschieden der P300-Amplitude abgesehen, geben die Befunde aus beiden Experimenten (A und B) zu der Annahme Anlaß, daß die Referenzaufgaben zu einer die Amplitudenabstufung der P300 beeinflussenden Bezugspunktbildung führen. Die Zunahme der P300-Amplitude ist dann im Zusammenhang mit der zunehmenden Abweichung der jeweiligen Aufgabenschwierigkeit von dem Bezugspunkt zu interpretieren. Im Sinne der Kontextaktualisierungshypothese (Donchin, 1979) wäre zu vermuten, daß aufgrund ihrer hohen Wahrscheinlichkeit meist Referenzaufgaben erwartet werden und daß beim Auftreten von Aufgaben anderer Klassen das Ausmaß der Abweichung in der Schwierigkeit wirksam wird. Nur vereinzelt wurde bisher die P300 unter Untersuchungsbedingungen analysiert, die
Ullsperger u. a., P300-Komponente und Psychophysik
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dem Referenzaufgaben-Paradigma ähneln. Von Michalewski und Mitarb. (1984) wurde die Einordnung von 8 Buchstaben untersucht, wobei die Probanden jeweils zu entscheiden hatten, ob der dargebotene Buchstabe sich im Alphabet vor oder hinter dem als Bezugspunkt definierten Buchstaben M befindet. Die Autoren registrierten die höchsten P300 Amplituden auf die Darbietung der Buchstaben A und Z, die geringsten Amplituden dagegen auf L und N. Wieder trifft zu, daß mit größerem Abstand zum Bezugspunkt einer bestimmten Skala (hier Reihung der Buchstaben) die P300 Amplitude eine Vergrößerung aufwies. Von besonderem Interesse ist auch der Befund, daß sowohl P300-Gipfelzeiten als auch Reaktionszeiten mit kürzerem Abstand zum Bezugspunkt eine Verlängerung aufwiesen, woraus abzuleiten wäre, daß die Einordnung von L und N wegen der Nähe zum M ein größeres Ausmaß kontrollierter Operationen erforderte als z. B. für A und Z. Daß auch die Klassifizierung physikalischer Reizeigenschaften (Intensität) auf einer Intensitätsskala zu Änderungen der P300-Amplitude führt, wurde von Nash und Jasiukaitis (1983) demonstriert. In einem dem Referenzaufgaben-Paradigma entsprechenden Ansatz wurden in 80 % 70 dB-Töne und zufällig verteilt in je 5 % Töne von 50 dB, 60 dB, 80 dB und 90 dB dargeboten. Die Autoren wiesen einen U-förmigen Amplitudenverlauf nach mit hohen P300-Amplituden auf Töne von 50 dB und 90 dB und geringeren Amplituden auf 60 dB- und 80 dB-Töne. Es wurde eine monotone Beziehung der Amplitude zur Größe der Reizänderung gegenüber den „Hintergrundreizen" unabhängig von der Richtung der Reizänderung postuliert. Zusammenfassend scheint die Annahme berechtigt, daß die P300-Amplitude Änderungen gegenüber einem Bezugspunkt anzeigt, gleichgültig auf welche Signal- bzw. Aufgabeneigenschaft sich die Modellbildung bezieht. Auf Grund der Literatur und eigener Befunde ist anzunehmen, daß die dabei wirksamen Skalierungsgesichtspunkte sowohl physikalische Reizeigenschaften als auch kognitive Klassifizierungen z. B. der Aufgabenschwierigkeit, des Aufwandes, der Verarbeitungsstrategie usw. betreffen können. Nach den im Rahmen des Referenzaufgaben-Paradigmas gewonnenen Befunden kann die Hypothese der Abhängigkeit der P300-Amplitude vom Ausmaß kontrollierter Verarbeitungsschritte (Rösler, 1983) nicht verallgemeinert werden, während die Annahme einer Kontextaktualisierung (Donchin, 1979) des intern repräsentierten Modells (das hier durch die Referenzaufgaben geprägt wird) auch für die vorliegenden Ergebnisse zutreffen könnte. Die P300 kann damit in der Psychophysik kognitiver Prozesse (Klix, 1968) als physiologisches Maß der Ähnlichkeit von Ereignissen herangezogen werden, die durch verschiedene und auch komplex verknüpfte Eigenschaftsdimensionen charakterisiert sind. So eröffnen sich z. B. in der Arbeitsphysiologie experimentelle Zugangswege zu Objektivierung der individuellen Klassifizierung und Bewertung u. a. von Aufgabenschwierigkeit und Beanspruchung bei Informationsverarbeitungsleistungen. Zugammenfassung In Anlehnung an die Vorgehensweise in psychophysisclien Skalierungsexperimenten wurde im Referenzaufgaben-Paradigma der Einfluß von Referenzaufgaben unterschiedlicher Schwierigkeit auf die schwierigkeitsabhängige Abstufung der P300-Amplitude untersucht. 11 gesunde Probanden hatten in zwei Experimenten in zufällig geordneten Ziffernfolgen unterschiedlicher Länge (Aufgabenklassen I—V) eine
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fehlende Ziffer zu ermitteln. Während in Experiment A Aufgaben der geringsten Schwierigkeit (Klasse I) in 80 % aller Darbietungen, d. h. als Referenzaufgaben auftraten, dienten in E x p . B Aufgaben der höchsten Schwierigkeit (Klasse V) als Referenz. Die Aufgaben der übrigen Klassen wurden in beiden Experimenten gleichhäufig (jeweils 5 % ) dargeboten. Sowohl die als Reaktionszeit bestimmte Lösungszeit als auch die mittels Paarvergleich ermittelte Aufgabenschwierigkeit nahmen in beiden Experimenten v o n I nach V zu. Mit steigender Schwierigkeit wurde in E x p . A eine Zunahme und in E x p . B eine Ab-\ nähme der P300-Amplitude in den durch die Aufgabendarbietung ausgelösten E R P nachgewiesen. E s wird angenommen, daß die P300-Amplitude in der vorliegenden Untersuchung Schwierigkeitsänderungen gegenüber dem durch die Referenzaufgaben geprägten Bezugspunkt anzeigt. Daraus abgeleitete neuartige Anwendungsmöglichkeiten der P300 als Indikator in der Psychophvsik kognitiver Prozesse werden diskutiert.
Summary According to the procedure in psychophysical scaling experiments, the influence of reference tasks with different difficulty on the difficulty-dependent gradation of the P300-amplitude was examined in the reference-tasks paradigm. In two experiments, 11 healthy subjects had to find a missing digit in randomly arranged digit sequences with different length (classes of tasks I to V). While in Experiment A tasks were included with the lowest difficulty (Class I) in 80 % of all presentations, i.e. as reference tasks, tasks with the highest difficulty (Class V) served as reference in Experiment B. The tasks of the remaining classes were administered with the same frequency (5 ®/0 each) in both experiments. The solution time defined as reaction time as well as the task difficulty obtained by paired matching increased in both experiments from I to V. With rising difficulty, there was an increase in Experiment A and a decrease in Experiment B of the P300-amplitude in the E R P elicited by presenting the taks. The P300-amplitude is assumed, in this investigation, to indicate changes of difficulty in contrast to the reference point marked by the reference taks. The new, derived applications of the P300 as an indicator of cognitive processes in psychophysics are being discussed. Pe3ioMe OnupaflCb HA nojtxofl, NPHMEHHEMI>IFT B ncHxo^HsnqecKHx ancnepiiMeHTax CKajmpoBaHHH 11 iicnojib3yH napaßiirMy pe$epeHTHnx S A ^ a i , a » r o p HCCJieayeT BJIHHHHG pe$epeHTHHX aaflai paajiHHHoft CJIOJKHOCTH Ha aaBHcnmyio OT CJIOJKHOCTH rpanaipno aMnjiHTy«H K0Mn0HeHTa P-300. I I aRopoBUM iicniJTyeMHM HywHo 6HJIO B HByx BKcnepiiMeHTax HaxoflHTb HeßocTawmyio UHiJipy B cocTaBjieiiHtix B cnyiattHOM nopHflKe i;HpoBbix pn^ax, paamiMHhix no jmime (KJiaccH aaflai c nepBoro no nHTuñ). E C J I H B 3KcnepHMeHTe A aaÄaiH HaHMeHbuieit CJIOJKHOCTH (KJiacc 1 ) n p e « T H B J I H J I H C T B 80 % cjiynaeB, T. e. BHCTynajiH B KanecTBe pe$epeHTHux, TO B ancnepHMeHTe B TaKOBWMH HBJIHJIHCI> aaflaiH HaHBbicmeft CJIOJKHOCTH (KJiacc 5). 3aji,ain ocTanbHHx KJiaccoB BCTpeiajiHCb B OÖOHX aKcnepHMeHTax c nocTOHHHOli lacTOToii (5 % ) . H BpeMH pemeHHH aa^aiH, onpeaeJiHBineecH KaK BpeMH peaKqira, H CJIOJKHOCTB a a ^ a i , onpeAejiHBinaHCH nyTeM cpaBHeHiin nap, yBejimmBaJiHCb B O6OHX sKcnepHMeHTax OT nepBoro wiacca K iMTOMy. C yBejnreeHH6M CJIOJKHOCTH B 3KcnepHMeHTG A CHJIO aapeniCTpiipoBaHo B03pacTaHiie, a B aKcnepHMeHTe B yMeHbineHHe aMnjnrryflH KOMiioHCHTa P-300 noTeHipiajia, BbiaBaHHoro npefliHBJieHHeM aaffai. npejmoJiaraeTCH, HTO aMnjiHTyna P-300 B AAHHOM HCcjieflOBaHHH noKasuBajia H3M6H6HHH CJIOJKHOCTH no cpaBHemno c HcxoffHHM ypoBH6M, aaflaHHHM pe$epeHTHUMn aa^aiaMii. OScyjKflaKiTCH BHTenaionpie H3 oToro HOBbie B03MOJKHOCTH npHM6H6HHH P-300 B KaieCTBC HH^HKaTOpa B nCHX0$H3HKe KOrHHTHBHHX npOI