Zeitlicher Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes [1 ed.] 9783428521432, 9783428121434

Die Rechtsfigur des Verwaltungsaktes wirft unter dem Aspekt der Zeit eine Vielzahl von Fragen auf: Ist der aufschiebend

140 120 56MB

German Pages 403 [404] Year 2006

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Zeitlicher Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes [1 ed.]
 9783428521432, 9783428121434

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CHRISTIAN STEINWEG

Zeitlicher Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben i m Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dörner

Dr. Dirk Ehlers

Band 165

Dr. Ursula Nelles

Zeitlicher Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes

Von

Christian Steinweg

Duncker & Humblot • Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind i m Internet über abrufbar.

D 6 Alle Rechte vorbehalten © 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-12143-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706©

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für O. E.

Charles: The sentence on you is broken, annihilated, annulled: null, non-existent, without value or effect Joan:

I was burned, all the same. Can they unburn me?

George Bernard Shaw, Saint Joan, Epilogue.

Zum Inhalt, mit dem der Verwaltungsakt nach § 43 Abs. 1 Satz 2 VwVfG wirksam wird, gehört auch die Regelung seines zeitlichen Geltungsbereichs, der - soweit es das materielle Recht zuläßt - vor oder nach seiner Bekanntgabe liegen kann. BVerwG, Urt. v. 6. 6. 1991 - 3 C 46.86 BVerwGE 88, 278 (281).

Vorwort Diese Arbeit entstand während meiner Tätigkeit am Institut für öffentliches Wirtschaftsrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster von Juni 2002 bis Dezember 2004. Z u danken habe ich zunächst Herrn Prof. Dr. Dirk Ehlers, der als Geschäftsführender Direktor des Instituts für öffentliches Wirtschaftsrecht, als Erstgutachter sowie als Mitherausgeber der Schriftenreihe die Arbeit wohlwollend und kritisch begleitet sowie mir volle wissenschaftliche Freiheit eingeräumt hat. Herr Prof. Dr. Sebastian Müller-Franken hat die Erstattung des Zweitgutachtens übernommen, zügig durchgefühlt und hilfreiche Anregungen gegeben. I h m gilt ebenso mein Dank wie Frau Dekanin Prof. Dr. Ursula Nelles und Herrn Prof. Dr. Heinrich Dörner als weiteren Mitherausgebern für die Aufnahme der Arbeit i n die Schriftenreihe Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft. Die Westfälische Wilhelms-Universität zu Münster hat die Anfertigung der Dissertation durch ein Promotionsstipendium und der Freundeskreis Rechtswissenschaften, Verein zur Förderung der juristischen Ausbildung an der Universität Münster e.V., unter Vorsitz von Herrn Prof. Dr. Bodo Pieroth, die Publikation der Arbeit durch einen Druckkostenzuschuss gefördert. Ferner habe ich zu danken meinen Kollegen am Institut für Rat und Tat, meinen Verwandten und Freunden für Ermunterung und Unterstützung, meinem Leidensgenossen i n Examen, Dissertation und Referendariat Herrn Stephan Beckmann für Fachgespräche und nicht weniger für Ablenkungen. Schließlich gebührt der Dank meinen Eltern Klaus und Friederike Steinweg für alles. Kiel, i m Februar 2006

Christian Steinweg

Inhaltsübersicht Einleitung

27 Erstes Kapitel Begriffsbestimmung

31

A. Zeit und Recht

31

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

42

C. Verwaltungsakt und Zeit

94 Zweites Kapitel

Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

124

D. Äußere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

124

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

138

F. Gewinn der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

198

Drittes Kapitel Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

250

G. Innere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

250

H. Verlust der inneren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

266

J. Gewinn der inneren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

282

Viertes Kapitel Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

290

K. Rechtmäßigkeit im Erlasszeitpunkt

290

L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

303

M. Gewinn der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

353

Zusammenfassung der Ergebnisse

375

Literaturverzeichnis

385

Stichwortverzeichnis

401

Inhaltsverzeichnis Einleitung

27

I. Problemstellung

27

II. Zielsetzung

28

III. Gang der Untersuchung

30 Erstes Kapitel Begriffsbestimmung

A. Zeit und Recht I. Unterscheidung zwischen zwei Zeiten

31 31 31

1. Rechtsänderung in der Gegenwart für die Vergangenheit

32

2. Rechtsänderung in der Gegenwart für die Zukunft

35

3. Rechtsänderung in der Gegenwart für die Gegenwart

37

II. Unterscheidung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge

38

HI. Zeit als Tatbestandsmerkmal und Zeit als Rechtsfolgenmerkmal

40

Zwischenergebnis

41

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes I. Erlass des Verwaltungsaktes

42 43

1. Folgen des Erlasses des Verwaltungsaktes

43

2. Voraussetzungen des Erlasses des Verwaltungsaktes

45

a) Form der Maßnahme

45

b) Inhalt der Maßnahme

46

c) Bekanntgabe der Maßnahme

46

d) Rechtmäßigkeit der Maßnahme

49

e) Unanfechtbarkeit der Maßnahme

50

Zwischenergebnis

51

14

Inhaltsverzeichnis II. Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

51

1. Folgen der äußeren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

52

a) Materielle Rechtsfolgen der äußeren Wirksamkeit

53

b) Prozessuale Rechtsfolgen der äußeren Wirksamkeit

54

aa) Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anfechtungsklage

55

bb) Begründetheitsvoraussetzungen der Anfechtungsklage

56

cc) Inhalt der gerichtlichen Entscheidung über die Anfechtungsklage ...

57

dd) Vorläufiger Rechtsschutz

58

ee) Konkurrenzen zu anderen Rechtsschutzformen in der Hauptsache ..

60

2. Äußerlich wirksame intendierte Regelung des Verwaltungsaktes

60

3. Äußere Wirksamkeit kraft der Einordnungsnorm

63

Zwischenergebnis

64

m . Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

64

1. Folgen der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

64

a) Intendierte Rechtsfolgen des innerlich wirksamen Verwaltungsaktes

66

b) Akzidentielle Rechtsfolgen des innerlich wirksamen Verwaltungsaktes ..

67

aa) Präjudizwirkung des Verwaltungsaktes (1)

Präjudizwirkung befehlender Verwaltungsakte

70 71

(a) Präjudizwirkung für polizei- und ordnungsrechtliche Eingriffsbefugnisse

71

(b) Präjudizwirkung für Folgenbeseitigungsansprüche

72

(c) Präjudizwirkung für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche

72

(d) Präjudizwirkung für Amtshaftungsansprüche

73

(2)

Präjudizwirkung gestaltender Verwaltungsakte

78

(3)

Präjudizwirkung feststellender Verwaltungsakte

78

bb) Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes

79

(1)

Materiellrechtliches Wiederholungsverbot (ne bis in idem)

81

(2)

Vollstreckungsrechtliche Titelfunktion

82

(3)

Veijährungsunterbrechung

82

(4)

Tatbestandswirkung von Gestattungen

82

(5)

Tatbestandswirkung bei der Rückforderung erbrachter Leistungen

83

(6)

Tatbestandswirkung der marktverkehrsrechtlichen Festsetzung

83

(7)

Tatbestandswirkung auf privatrechtlichem Gebiet

83

(8)

Tatbestandswirkung auf strafrechtlichem Gebiet

84

Inhaltsverzeichnis (9)

Tatbestandswirkung für die Geltung von Satzungen

(10) TatbestandsWirkung für akzessorische Verwaltungsakte cc) Feststellungswirkung des Verwaltungsaktes

15 86 87 87

2. Innerlich wirksame intendierte Regelung des Verwaltungsaktes

88

3. Innere Wirksamkeit kraft der Einsetzungsnorm

88

Zwischenergebnis

90

IV. Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes 1. Folgen der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

90 90

a) Materielle Folgen der Rechtmäßigkeit

91

b) Prozessuale Folgen der Rechtmäßigkeit

92

2. Rechtmäßige intendierte Regelung des Verwaltungsaktes

93

3. Rechtmäßigkeit kraft der Beurteilungsnorm

93

Zwischenergebnis

94

C. Verwaltungsakt und Zeit I. Zeitliche Aspekte im Umkreis des Verwaltungsaktes

94 95

1. Zeitliche Aspekte der intendierten Regelung

95

2. Zeitliche Aspekte der Einordnungsnorm

96

3. Zeitliche Aspekte der Einsetzungsnorm

97

4. Zeitliche Aspekte der Beurteilungsnorm

97

Zwischenergebnis

98

II. Punktverwaltungsakte und Dauerverwaltungsakte 1. Allgemeines

99 99

2. Befehlende Verwaltungsakte

103

3. Gestaltende Verwaltungsakte

104

a) Statusbegründende und statusentziehende Verwaltungsakte

105

b) Aufhebende Verwaltungsakte

107

c) Gestattende Verwaltungsakte

108

d) Konstitutiv-bewilligende Verwaltungsakte

109

4. Feststellende Verwaltungsakte Zwischenergebnis

110

16

Inhaltsverzeichnis III. Zeitlicher Regelungsgehalt des Punktverwaltungsaktes 1. Anfang des zeitlichen Regelungsgehaltes

112 112

a) Aufschiebende Befristung auf einen gewissen Anfangstermin

112

b) Aufschiebende Befristung auf einen zunächst ungewissen Anfangstermin

113

c) Ex nunc aufschiebende Bedingung

113

d) Ex tune aufschiebende Bedingung

114

e) Rückwirkungsbestimmung

115

f) Fehlen einer Anfangsterminsbestimmung

116

2. Ende des zeitlichen Regelungsgehaltes

116

a) Auflösende Befristung auf einen gewissen Endtermin

116

b) Auflösende Befristung auf einen zunächst ungewissen Endtermin

116

c) Ex nunc auflösende Bedingung

117

d) Ex tune auflösende Bedingung

117

e) Fehlen einer Endterminsbestimmung

117

Zwischenergebnis IV. Zeitlicher Regelungsgehalt des Dauerverwaltungsaktes 1. Anfang des zeitlichen Regelungsgehaltes des Dauerverwaltungsaktes

117 118 118

a) Aufschiebende Befristung auf einen gewissen Anfangstermin

118

b) Aufschiebende Befristung auf einen zunächst ungewissen Anfangstermin

119

c) Ex nunc aufschiebende Bedingung

119

d) Ex tune aufschiebende Bedingung

119

e) Rückwirkungsbestimmung

120

f) Fehlen einer Anfangsterminsbestimmung

120

2. Ende des zeitlichen Regelungsgehaltes des Dauerverwaltungsaktes

120

a) Auflösende Befristung auf einen gewissen Endtermin

121

b) Auflösende Befristung auf einen zunächst ungewissen Endtermin

121

c) Ex nunc auflösende Bedingung

122

d) Ex tune auflösende Bedingung

122

e) Fehlen einer Endterminsbestimmung

123

Zwischenergebnis

123

Inhaltsverzeichnis

17

Zweites Kapitel Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes D. Äußere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt I. Äußerlich wirksamer Verwaltungsakt

124 124 124

1. Form der Maßnahme

125

2. Inhalt der Maßnahme

125

3. Bekanntgabe der Maßnahme

126

4. Rechtmäßigkeit der Maßnahme

129

a) Gerichtliche Aufhebbarkeit nichtiger Verwaltungsakte

130

b) Behördliche Aufhebbarkeit nichtiger Verwaltungsakte

133

c) Umdeutbarkeit nichtiger Verwaltungsakte

134

5. Unanfechtbarkeit der Maßnahme II. Zeitlicher Regelungsgehalt des äußerlich wirksamen Verwaltungsaktes Zwischenergebnis E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt I. Aufhebung des Verwaltungsaktes 1. Folgen der Aufhebung des Verwaltungsaktes a) Folgen der Aufhebung ex tunc des Verwaltungsaktes

136 136 138 138 138 139 139

aa) Materielle Folgen der Aufhebung ex tunc

140

bb) Prozessuale Folgen der Aufhebung ex tunc

140

b) Folgen der Aufhebung ex nunc des Verwaltungsaktes

142

aa) Materielle Folgen der Aufhebung ex nunc

143

bb) Prozessuale Folgen der Aufhebung ex nunc

143

(1) Rechtsschutz gegen den bereits aufgehobenen Teil des Verwaltungsaktes 143 (2) Rechtsschutz gegen den noch nicht aufgehobenen Teil des Verwaltungsaktes 144 Zwischenergebnis

150

2. Voraussetzungen der Aufhebung

151

Zwischenergebnis

1

2 Steinweg

Inhaltsverzeichnis

18 3. Kasuistik der Aufhebung

152

a) Aufhebung durch Verwaltungsakt

153

b) Aufhebung durch gerichtliche Entscheidung

154

c) Aufhebung durch Rechtsnorm

155

d) Aufhebung durch verwaltungsrechtlichen Vertrag

155

e) Aufhebung durch einseitiges Verwaltungsrechtsgeschäft

156

Zwischenergebnis IL Erledigung des Verwaltungsaktes 1. Folgen der Erledigung des Verwaltungsaktes a) Folgen der Erledigung ex tunc des Verwaltungsaktes

158 158 158 159

aa) Materielle Folgen der Erledigung ex tunc

159

bb) Prozessuale Folgen der Erledigung ex tunc

160

b) Folgen der Erledigung ex nunc des Verwaltungsaktes

160

aa) Materielle Folgen der Erledigung ex nunc

161

bb) Prozessuale Folgen der Erledigung ex nunc

161

(1) Rechtsschutz gegen den bereits erledigten Teil des Verwaltungsaktes

161

(2) Rechtsschutz gegen den noch nicht erledigten Teil des Verwaltungsaktes

162

Zwischenergebnis 2. Voraussetzungen der Erledigung des Verwaltungsaktes a) Ablauf des zeitlichen Regelungsgehaltes

164 164 168

aa) Ablauf des zeitlichen Regelungsgehaltes des Punktverwaltungsaktes

168

bb) Ablauf des zeitlichen Regelungsgehaltes des Dauerverwaltungsaktes

169

b) Verkürzung des zeitlichen Regelungsgehaltes

172

c) Zerstörung des zeitlichen Regelungsgehaltes

173

aa) Zerstörung des zeitlichen Regelungsgehaltes des Punktverwaltungsaktes 173 bb) Zerstörung des zeitlichen Regelungsgehaltes des Dauerverwaltungsaktes Zwischenergebnis 3. Kasuistik der Erledigung

174 175 175

a) Ereignisse bei Verwaltungsakten jedweder Art

176

aa) Fortfall ex tunc der betroffenen Person

176

bb) Fortfall ex nunc der betroffenen Person ohne Rechtsnachfolger

177

Inhaltsverzeichnis cc) Fortfall ex nunc der betroffenen Person mit Rechtsnachfolger

178

dd) Fortfall ex tunc des betroffenen Gegenstandes

179

ee) Fortfall ex nunc des betroffenen Gegenstandes

180

ff) Verlust der Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsakt

181

gg) Gewinn der Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsakt

182

hh) Konsensuales Verhalten der Beteiligten

184

b) Ereignisse bei nebenbestimmungsbehafteten Verwaltungsakten

186

aa) Eintritt einer ex nunc auflösenden Bedingung

186

bb) Eintritt einer ex tunc auflösenden Bedingung

187

cc) Eintritt eines ungewissen Endtermins

187

dd) Eintritt eines gewissen Endtermins

188

ee) Ausübung eines Widerrufsvorbehaltes

189

ff) Verstoß gegen eine Auflage c) Ereignisse bei befehlenden Verwaltungsakten aa) Verletzung der Pflicht aus dem Verwaltungsakt

190 190 191

bb) Reversible Erfüllung der Pflicht aus dem Verwaltungsakt

191

cc) Irreversible Erfüllung der Pflicht aus dem Verwaltungsakt

193

d) Ereignisse bei gestaltenden Verwaltungsakten

194

e) Ereignisse bei feststellenden Verwaltungsakten

194

f) Ereignisse bei akzessorischen Verwaltungsakten

194

g) Ereignisse bei vorläufigen Verwaltungsakten

195

h) Ereignisse bei vorsorglichen Verwaltungsakten

196

Zwischenergebnis F. Gewinn der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt I. Wiederherstellung des aufgehobenen Verwaltungsaktes 1. Aufhebung des Aufhebungsaktes

2*

19

197 198 199 199

a) Aufhebung ex tunc des rückwirkenden Aufhebungsaktes

199

b) Aufhebung ex nunc des regulärwirkenden Aufhebungsaktes

201

c) Aufhebung ex tunc des regulärwirkenden Aufhebungsaktes

203

d) Aufhebung ex nunc des rückwirkenden Aufhebungsaktes

203

2. Erledigung des Aufhebungsaktes

203

3. Sonstiger Verlust innerer Wirksamkeit des Aufhebungsaktes

204

Zwischenergebnis

205

20

Inhaltsverzeichnis II. Wiederherstellung des erledigten Verwaltungsaktes

206

Zwischenergebnis

207

III. Umdeutung des Verwaltungsaktes

207

1. Folgen der Umdeutung

207

2. Voraussetzungen der Umdeutung

210

a) Umdeutungsmechanismus

210

b) Umdeutungserklärung

214

aa) Vornahme der Umdeutungserklärung

214

bb) Befugnis zur Umdeutungserklärung

215

cc) Anhörung vor der Umdeutungserklärung

216

c) Umdeutungslage aa) Anforderungen an den Ausgangsverwaltungsakt (1) Rechtswidrigkeit des Ausgangsverwaltungsaktes

216 217 217

(2) Fehlende Heilbarkeit des Ausgangsverwaltungsaktes

217

(3) Anspruch auf Aufhebung des Ausgangsverwaltungsaktes

218

(4) Befugnis zur Rücknahme des Ausgangsverwaltungsaktes

219

bb) Anforderungen an den Ersatzverwaltungsakt

219

(1) Formelle Rechtmäßigkeitsanforderungen an den Ersatzverwaltungsakt 219 (2) Materielle Rechtmäßigkeitsanforderungen an den Ersatzverwaltungsakt 219 cc) Anforderungen an das Verhältnis von Ausgangs- und Ersatzverwaltungsakt 220 Zwischenergebnis IV. Reformation des Verwaltungsaktes 1. Gestaltung mittels Widerspruchsbescheids

221 221 222

a) Stattgabe unter Kassation des Verwaltungsaktes

222

b) Zurückweisung unter Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes

223

c) Zurückweisung unter Reformation des Verwaltungsaktes

224

Zwischenergebnis

225

2. Gerichtliche Anfügung oder Streichung einer Nebenbestimmung

226

a) Anfügung einer Befristung

229

b) Anfügung einer Bedingung

230

c) Anfügung eines Widerrufsvorbehaltes

230

Inhaltsverzeichnis

21

d) Anfügung einer Auflage

231

e) Anfügung eines Auflagenvorbehaltes

232

f) Streichung einer Befristung

232

g) Streichung einer Bedingung

235

h) Streichung eines Widerrufsvorbehaltes

236

j) Streichung einer Auflage

236

aa) Streichung einer entbehrlichen Auflage zu einem gebundenen Verwaltungsakt 238 bb) Streichung einer notwendigen Auflage zu einem gebundenen Verwaltungsakt 240 cc) Streichung einer Auflage zu einem Ermessensverwaltungsakt

241

k) Streichung eines Auflagenvorbehaltes

245

Zwischenergebnis

245

3. Behördliche Anfügung oder Streichung einer Nebenbestimmung

246

Zwischenergebnis

248

Drittes Kapitel Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes G. Innere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt I. Innerlich wirksamer Verwaltungsakt

250 250 250

1. Form der Maßnahme

250

2. Inhalt der Maßnahme

251

3. Bekanntgabe der Maßnahme

255

4. Rechtmäßigkeit der Maßnahme

255

a) Schlichte Rechtswidrigkeit

255

b) Qualifizierte Rechtswidrigkeit

256

aa) Nichtigkeit nach der Generalklausel

256

bb) Nichtigkeit nach dem Positivkatalog

257

cc) Nichtigkeit nach besonderer Vorschrift

257

5. Unanfechtbarkeit der Maßnahme II. Zeitlicher Regelungsgehalt des innerlich wirksamen Verwaltungsaktes Zwischenergebnis

258 264 265

22

Inhaltsverzeichnis

H. Verlust der inneren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt I. Verlust innerer Wirksamkeit durch Verlust äußerer Wirksamkeit II. Eintritt der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes

266 266 266

1. Entstehen eines gesetzlichen Nichtigkeitsgrundes

266

2. Unzutreffende Nichtigkeitsfeststellung

267

3. Unstatthafte RechtsWidrigkeitsfeststellung

268

III. Anfechtung mit aufschiebender Wirkung 1. Folgen des Eintritts aufschiebender Wirkung

271 271

a) Allgemeines

272

b) Befehlender Verwaltungsakt

276

c) Gestaltender Verwaltungsakt

279

d) Feststellender Verwaltungsakt

279

2. Voraussetzungen des Eintritts aufschiebender Wirkung Zwischenergebnis

J. Gewinn der inneren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt I. Gewinn innerer Wirksamkeit durch Gewinn äußerer Wirksamkeit II. Fortfall der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes

280 281

282 282 283

1. Behebung eines qualifizierten Rechtsfehlers

283

2. Fortfall einer unzutreffenden Nichtigkeitsfeststellung

284

3. Fortfall einer unstatthaften Rechts Widrigkeitsfeststellung

285

4. Unzutreffende Feststellung fehlender Nichtigkeit

285

III. Ende der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen

286

1. Stattgabe des Rechtsbehelfs in der Hauptsache

286

2. Ablehnung des Rechtsbehelfs in der Hauptsache

287

3. Zeitablauf nach gesetzlicher Begründungsfrist

288

Inhaltsverzeichnis

23

4. Anordnung sofortiger Vollziehung

288

5. Aufhebung der Aussetzung

288

IV. Nachholung personenbezogener Bekanntgabe

289

Zwischenergebnis

289

Viertes Kapitel Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes K. Rechtmäßigkeit im Erlasszeitpunkt I. Rechtmäßiger Verwaltungsakt

290 290 290

1. Gegenstand der Rechtmäßigkeitsprüfung

291

2. Maßstab der Rechtmäßigkeitsprüfung

293

a) Formelle Anforderungen

295

b) Materielle Anforderungen

296

aa) Fehlen einer einschlägigen Ermächtigung

296

bb) Verfehlen der einschlägigen Ermächtigung

297

cc) Ermessensfehler

297

dd) Beurteilungsfehler

300

II. Zeitlicher Regelungsgehalt des rechtmäßigen Verwaltungsaktes Zwischenergebnis L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt I. Entstehen der Rücknahmebefugnis

301 302 303 304

1. Befugnis zur Rücknahme ab Erlasszeitpunkt

304

2. Befugnis zur Rücknahme ab Änderungszeitpunkt

305

a) Fortfall der gesetzlichen Erlassvoraussetzungen

305

b) Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung

307

aa) Rücknahmepflicht

307

bb) Widerrufspflicht

308

cc) Wiederaufgreifenspflicht

309

dd) Unbenannte Aufhebungspflicht

310

Zwischenergebnis

24

Inhaltsverzeichnis II. Entstehen der Begründetheit der Anfechtungsklage

320

1. Folgen einer Schärfung des Prüfungsmaßstabes

320

a) Folgen einer Schärfung ex tunc des Prüfungsmaßstabes

320

b) Folgen einer Schärfung ex nunc des Prüfungsmaßstabes

320

Zwischenergebnis

321

2. Voraussetzungen einer Schärfüng des Prüfungsmaßstabes a) Prozessrechtlich maßgeblicher Zeitpunkt

321 322

aa) Entwicklung nach Eintritt der Unanfechtbarkeit

323

bb) Entwicklung vor Eintritt der Unanfechtbarkeit

325

(1) Entscheidung in der Eingangsinstanz

325

(2) Entscheidung in der Berufungsinstanz

328

(3) Entscheidung in der Revisionsinstanz

329

Zwischenergebnis b) Materiellrechtlich maßgeblicher Zeitpunkt

331 331

aa) Formelle Anforderungen an den Erlassvorgang

334

bb) Materielle Anforderungen an den Erlassvorgang

335

cc) Materielle Anforderungen an das Erlassergebnis

337

(1) Beurteilung des Punktverwaltungsaktes

337

(2) Beurteilung des Dauerverwaltungsaktes

337

(a) Punktuelle Anforderungen

338

(b) Dauernde Anforderungen

338

Zwischenergebnis 3. Kasuistik des Rechtswidrigwerdens des Verwaltungsaktes

340 341

a) Befehlende Verwaltungsakte

341

aa) Gewerbeuntersagung

342

bb) Baurechtliche Beseitigungsanordnung

343

cc) Zahlungsbescheid

344

dd) Straßenverkehrsregelung

344

ee) Ausweisung

344

b) Gestaltende Verwaltungsakte

345

aa) Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit

345

bb) Entziehung der Fahrerlaubnis

346

cc) Entziehung der Kassenarztzulassung

347

dd) Baugenehmigung

348

ee) Sperrzeitverlängerung

349

Inhaltsverzeichnis c) Feststellende Verwaltungsakte Zwischenergebnis III. Entstehen der Begründetheit des Anfechtungswiderspruchs 1. Folgen einer Schärfung des Prüfungsmaßstabes 2. Voraussetzungen einer Schärfung des Prüfungsmaßstabes

25 349 350 351 351 351

a) Vorverfahrensrechtlich maßgeblicher Zeitpunkt

352

b) Materiellrechtlich maßgeblicher Zeitpunkt

352

Zwischenergebnis M. Gewinn der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt I. Fortfall der Rücknahmebefugnis Zwischenergebnis II. Fortfall der Begründetheit der Anfechtungsklage 1. Folgen einer Milderung des Prüfungsmaßstabes

353 353 354 355 355 355

a) Folgen einer Milderung ex tunc des Prüfungsmaßstabes

355

b) Vermeintliche Folgen einer Milderung ex nunc des Prüfungsmaßstabes

355

2. Voraussetzungen einer Milderung des Prüfungsmaßstabes

357

a) Prozessrechtlich maßgeblicher Zeitpunkt

357

b) Materiellrechtlich maßgeblicher Zeitpunkt

359

aa) Formelle Anforderungen an den Erlassvorgang

360

bb) Materielle Anforderungen an den Erlassvorgang

362

cc) Materielle Anforderungen an das Erlassergebnis

365

3. Kasuistik des vermeintlichen Rechtmäßigwerdens a) Befehlender Verwaltungsakt

366 366

aa) Gewerbeuntersagung

366

bb) Beitragsbescheid

367

cc) Ausweisung

369

b) Gestaltender Verwaltungsakt

370

aa) Widerruf einer Erlaubnis

371

bb) Baugenehmigung

371

c) Feststellender Verwaltungsakt Zwischenergebnis

373

26

Inhaltsverzeichnis III. Fortfall der Begründetheit des Anfechtungswiderspruchs

374

Zwischenergebnis

374

Zusammenfassung der Ergebnisse

375

Literaturverzeichnis

385

Stichwortverzeichnis

401

Einleitung Mit dem zeitlichen Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes sind offene Rechtsfragen des Verhältnisses der Zeit zur Rechtsfigur des Verwaltungsaktes angesprochen. Ausgehend von dieser Problemstellung (I.) ergeben sich Zielsetzung (II.) und Vorgehensweise (III.) der Untersuchung.

I. Problemstellung Das Verhältnis der Zeit zur Rechtsfigur des Verwaltungsaktes wirft zunächst die Frage auf, ob die verwaltungsverfahrensrechtlichen, materiellrechtlichen ünd prozessrechtlichen Folgen des Verwaltungsaktes erst mit Bekanntgabe (§§ 41, 43 Abs. 1 VwVfG) oder bereits zu einem früherem Zeitpunkt eintreten.1 Hinsichtlich der Aufhebung des Verwaltungsaktes (§ 43 Abs. 2 Alt. 1 VwVfG, vgl. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) ist zu fragen, ob mit der Aufhebung nur die innere oder auch die äußere Wirksamkeit endet.2 Offen ist dabei auch, inwieweit die etwaig im Aufhebungswege beendete äußere oder innere Wirksamkeit wieder beginnen kann, insbesondere durch Aufhebung des Aufhebungsaktes. 3 Darüber hinaus bedarf der Untersuchung, ob einzelne Teile des Verwaltungsaktes isolierter Aufhebung zugänglich sind, so dass im Übrigen der Verwaltungsakt fortdauert. 4 Bezüglich der Erledigung des Verwaltungsaktes (§§ 43 Abs. 2 Alt. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) steht ebenso in Frage, ob mit ihr die innere oder auch äußere Wirksamkeit endet5. Die Voraussetzungen, unter denen ein Verwaltungsakt der Erledigung anheim fällt, sind zu ermitteln. 6 Auch bedarf der Untersuchung, ob ein erledigter Verwaltungsakt durch Fortfall der Erledigung wiederhergestellt werden kann.7 Die Umdeutung des Verwaltungsaktes (§ 47 VwVfG) ist im Hinblick darauf zu erörtern, ob mit ihr die äußere und innere Wirksamkeit des Ausgangsverwaltungs1 Dazu s. u. B. I. 2. d), D. I. 3., G. I. 3. 2 Dazu s. u. E. I. l . , H . I . 3 4 5 6 7

Dazu s. u. C. II. 2. b), F. I., J. I. Dazu s. u. F. IV. Dazu s. u.E. n. l.,H. I. Dazus. u.E. II. 2.-3. Dazu s. u. F. I. 2., J. I. 2.

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Einleitung

aktes, der umgedeutet wird, enden und des Ersatzverwaltungsaktes, in den umgedeutet wird, beginnen.8 Zu ermitteln sind darüber hinaus die Voraussetzungen der Umdeutung, unter Beachtung insbesondere des Rechtscharakters der Umdeutung und der Umdeutungsbefugnis. 9 Ferner bedarf der Erörterung, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage (§§ 80, 80 a VwGO) den Beginn der inneren Wirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes oder lediglich den Beginn der sog. Vollziehbarkeit hemmt. 10 Untersucht werden muss, ob die verschiedenen Bindungswirkungen (Präjudiz-, Tatbestands- sowie Feststellungswirkung) die Unanfechtbarkeit als formelle Bestandskraft des betreffenden Verwaltungsaktes (vgl. §§ 70, 74 VwGO) voraussetzen oder regelmäßig bereits mit Bekanntgabe eintreten. 11 Darüber hinaus kommt es für die Aufhebung des Verwaltungsaktes in ordentlichen Rechtsbehelfsverfahren (§§ 113 Abs. 1 S. 1,68 Abs. 1 S. 1,72,73 Abs. 1 S. 1 VwGO), in außerordentlichen Rechtsbehelfsverfahren (§§51 Abs. 1 VwVfG, 95 Abs. 2 BVerfGG) sowie von Amts wegen durch Rücknahme oder Widerruf (§§ 49 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 VwVfG, 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG) auf den zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkt an. In Frage steht, ob eine Änderung der Sach- und Rechtslage den Eintritt oder den Fortfall ex nunc oder ex tunc der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes herbeizuführen vermag. 12 Schließlich ist zu erwägen, ob die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes (§§ 43 Abs. 3, 44 VwVfG) nachträglich eintreten oder fortfallen kann, insbesondere in Fällen sog. schwebender Unwirksamkeit 13 sowie, ob eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) dessen äußere oder zumindest innere Wirksamkeit beendet.14

n . Zielsetzung Juristische Bezeichnungen sind austauschbar, die zu bezeichnenden rechtlichen Zusammenhänge sind es nicht. Oftmals erschwert die mangelhafte Verständigung über den Inhalt der verwendeten Termini die Beantwortung derjenigen Fragen, die das Verhältnis von Verwaltungsakt und Zeit aufwirft. So werden der Inhalt, die rechtliche Existenz, Verbindlichkeit oder Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes unter zeitlichem Aspekt in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre mit einer s Dazu s. u. F. III. 1. 9 Dazu s. u. F. III. 2. 10 Dazu s. u. H. i n . 1, J . m . Dazu s. u. B. HI. 1. b), D. I. 5., F. I. 5. 12 Dazu s. u. L., M. 13 Dazu s. u. G. I. 4., J. IL 1. 14 Dazu s. u. H. II. 3.

Einleitung

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Vielzahl von Bezeichnungen belegt, denen zumeist keine festabgegrenzte Bedeutung zukommt und die noch dazu synonym gebraucht werden. Der Kennzeichnung des Verwaltungsaktes in zeitlicher Hinsicht dienen insbesondere die Begriffe Bemessungszeitraum15, Berechnungszeitraum 16, Bewilligungszeitraum 17, Bindungsdauer 18, Dauer der Wirksamkeit 19 , Dauer des Besitzes der Genehmigung20, Dauer des Verbots oder Gebots21, Dauer der Rechtswirkung 22, Geltungsdauer 23, Geltungszeit24, Geltungszeitraum 25, Geltungsgrenzen zeitlicher Art 2 6 , Gültigkeitsdauer 27, innewohnende Zeitdauer 28, Laufzeit 29 , Regelungsgehalt in zeitlicher Hinsicht 30 , Veranlagungszeitraum 31, Wirkungsdauer 32, zeitliche Begrenzung oder zeitliche Beschränkung 33, zeitliche Bestimmung der Wirksamkeit 34 , zeitliche Schranke der Gültigkeit 35 , zeitliche Wirkung 36 , zeitlicher Geltungsbereich 37, zeit15 § 16 a Abs. 2 S. 1 BVG; §§ 130 f. SGB III; § 47 Abs. 2 S. 1 SGB V; § 21 Abs. 2 SGB VI; § 47 Abs. 1 S. 1 SGB IX; § 5 Abs. 2 der Endlagervorausleistungsverordnung. 16 §§ 22,24 BAföG. 17 §§ 24 BAFöG, § 27 WoGG. 18 F. J. Kopp, Vorläufiges Verwaltungsverfahren und Vorläufiger Verwaltungsakt, S. 135. 19 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, § 49 I.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 180 ff.; Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 122. 20 § 35 Abs. 2 AufenthG. 21 § 29 Abs. 2 S. 1 OBG NRW. 22 Janßen, in: Obermayer, VwVfG, § 36 Rn 7. 23 § 6 Abs. 6 AEG; § 6 Abs. 4 AtG; §§ 7 Abs. 2 AufenthG; § 80 a AsylVfG; § 15 Abs. 7 S. 2 BJagdG; § 3 Abs. 6 Nr. 2 lit. b GüKG; § 16 PBefG; § 57 Abs. 2 S. 2 PostG; § 10 Abs. 4 S. 2 WaffG; § 77 BauO NRW; § 22 Abs. 2 S. 1 U G NRW, § 34 a) Abs. 5 S. 1 PolG NRW. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn 19, § 11 Rn 14; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 36 Rn 16; Ehlers, Verw 31 (1998), 53 (68). 24 So auf einem Verkehrzeichen auf der Unter den Linden in Berlin, das für die „Geltungszeit der Busspur" den Rechtsabbiegerverkehr regelt. 25 Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 36 Rn 11. 26 Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn 84 (Lfg. 1997); Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 122. 27 § 49 b Nr. 2 lit. d AufenthG; § 13 S. 2 BJagdG, § 65 Abs. 3 Nr. 3 LuftVG; § 5 PassG; § 2 PAuswG; § 34 Abs. 2 S. 3 WaffG; § 34 LFischG NRW. 28 BSG, Urt. v. 28. 3. 1958 - 6 RKa 1/57 - BSGE 7, 129 (135). Vgl. § 5 Abs. 4 BBG (§ 5 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BBRG). 29 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 150 a. 30 Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 12. 31 § 5 Abs. 2 des schleswig-holsteinischen Gesetzes über die Erhebung einer Grundwasserentnahmeabgabe. 32 Bahr, Die maßgebliche Rechts- und Sachlage, S. 140; Schimmelpfennig, Vorläufige Verwaltungsakte, S. 114. 33 Beide Begriffe bei Lücke, Vorläufige Staatsakte, S. 191,193. 34 BVerwG, Urt. v. 6. 6. 1991 - 3 C 46.86 - BVerwGE 88,278 (280). 35 Lenhard/v.

Brunn, Das neue Wohngeldrecht, § 30 WoGG Anm. II. 1.

Einleitung

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liehe Geltungsdauer 38, zeitlicher Geltungsumfang 39, zeitliche Geltung 40 , Zeitpunkt der Bindungswirkung 41, Zeitpunkt des Inkrafttretens 42, Zeitraum für den die Vergünstigung oder Belastung gilt 4 3 , Zeitraum, auf den sich der Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes bezieht, oder Wirkungszeitraum 44, Wirksamkeitsdauer, zeitliche Wirksamkeitsdauer, geregelter Zeitraum, Regelungsdauer, Regelungszeitraum, zeitliche Geltungsdauer oder zeitlicher Wirksamkeitsanspruch 45. Ziel dieser Untersuchung ist es, die Fragen des Verhältnisses der Zeit zur rechtlichen Existenz (äußere Wirksamkeit), Verbindlichkeit (innere Wirksamkeit) und Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes unbelastet vom oftmals divergierenden Vorverständnis der vorhandenen Termini zu beantworten. Dazu dient der neugeschaffene Begriff des zeitlichen Regelungsgehaltes.

I I I . Gang der Untersuchung Der zeitliche Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes bedarf zunächst einer Begriffsbestimmung (Erstes Kapitel). Sodann können die Rechtsfolgen dargestellt werden, die hinsichtlich der äußeren Wirksamkeit (Zweites Kapitel), der inneren Wirksamkeit (Drittes Kapitel) sowie der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes (Viertes Kapitel) an einen bestimmten zeitlichen Regelungsgehalt anknüpfen. Abschließend werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst.

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Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn 101 ff., 126; Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 48 Rn 113; Bode, Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte, S. 9 f.; Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 2 ff.; Arndt, Rücknahme und Widerruf, S. 69,100; Felix, NVwZ 2003, 385 (386). 37 BVerwG, Urt. v. 6.6. 1991 - 3 C 46.86 - BVerwGE 88, 278 (281); Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 12; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 12; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 6. 38 Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 6 ff. 39 Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 19; Remmert, VerwArch 88 (1997), 112 (133). 40

Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 121. BSG, Urt. v. 16. 2. 1984 - 1 RA 15 / 83 - BSGE 56,165 (170). 42 Vgl. BVerwG, Urt. v. 21. 6. 1961 - VIH C 398.59 - BVerwGE 13, 1 (7). 43 §§ 36 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, 32 Abs. 2 Nr. 1 SGB X. 44 Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 33 f. 45 Diese sieben und noch vier weitere (gängigere) Bezeichnungen verwendet Grieger, ZFSH/SGB 2002,451 (452 ff.), in einem einzigen Aufsatz synonym.

Erstes

Kapitel

Begriffsbestimmung Zur Bestimmung des Begriffs des zeitlichen Regelungsgehaltes des Verwaltungsaktes wird zunächst das Verhältnis von Zeit und Recht i m Allgemeinen betrachtet (A.), sodann der Verwaltungsakt als Rechtsfigur erörtert (B.) und schließlich i m Besonderen das Verhältnis von Zeit und Verwaltungsakt untersucht (C.).

A. Zeit und Recht U m das Verhältnis von Zeit und Recht zu beschreiben, bietet sich an, zwischen dem Zeitpunkt, in dem eine Rechtsfolge eintritt, und dem Zeitraum, für den eine Rechtsfolge eintritt, zu unterscheiden (I.). Aufgrund der konditionalen Struktur rechtlicher Regelungen muss ferner zwischen Tatbestand und Rechtsfolge unterschieden werden (II.). Dabei dient die Zeit zum einen als Tatbestandsmerkmal, zum anderen als Rechtsfolgenmerkmal (III.).

I. Unterscheidung zwischen zwei Zeiten M i t Fortschreiten der Zeit 1 unterliegt die Rechtsordnung Änderungen. Diese Rechtsänderungen können die Gesamtordnung des Gemeinwesens erfassen, wie 1 In dieser Untersuchung wird „die Zeit" wie eine für Jedermann gleichermaßen gültige und in diesem Sinne absolute Größe angesprochen. Indessen ist nach den beiden Relativitätstheorien Einsteins die Zeit relativ in dem Sinne, dass sie in verschiedenen unbeschleunigten Bezugssystemen (Inertialsystemen) differiert. Zwei Ereignisse können demnach bezogen auf das eine Inertialsystem gleichzeitig, bezogen auf das andere Inertialsystem jedoch nacheinander eintreten. Allerdings bleiben auch nach diesen Theorien für den Fall, dass sich die beiden Inertialsysteme zueinander in einer gegenüber der (absolut konstanten) Lichtgeschwindigkeit unbeachtlich geringen Geschwindigkeit bewegen, die der klassischen Physik entstammenden Ga/i7e/-Transformationen (statt der Lorenfz-Transformationen) anwendbar, denen die Vorstellung einer absoluten Zeit zu Grunde liegt (vgl. Taylor/Wheeler, Spacetime Physics: Introduction to Special Relativity, S. 113). Da im sozialen Verkehr, insbesondere im Rechtsverkehr, Vorgänge bislang auch nicht annähernd mit Lichtgeschwindigkeit ablaufen, genügt es im täglichen Leben wie in dieser Untersuchung vom Verständnis „der Zeit" als einem Absolutum auszugehen. Juristische Erörterungen wegen der Relativität der Zeit mögen zwar unter-

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

i m Fall einer Novellierung oder auch eines Wandels der Verfassung 2 . Die mit einem solchen Regimewechsel zusammenhängenden (politischen, ethischen, philosophischen) Fragen von Zeit und Recht 3 sollen in dieser Untersuchung jedoch ausgespart bleiben. Stattdessen wird den (rechtlichen) Fragen nachgegangen, die der Eintritt oder der Fortfall von Rechtsfolgen i m juristischen Alltag aufwirft. Das Recht zeichnet sich gegenüber der Wirklichkeit durch die Fähigkeit einerseits zur Rückwirkung und andererseits zur Vorauswirkung aus. Eine Tatsache kann weder rückwirkend für die Vergangenheit eintreten, noch vorauswirkend für die Zukunft, sondern immer nur für die Gegenwart. 4 Hingegen kann das Recht in der Gegenwart eine Änderung fär die Vergangenheit (1.),fär die Zukunft (2.) oder fär die Gegenwart (3.) erfahren.

1. Rechtsänderung in der Gegenwart für die Vergangenheit Das Verhältnis von Zeit und Recht ist dann von besonderem Interesse, wenn eine Rechtsänderung fär einen vergangenen Zeitraum eintritt (Rückwirkung 5 ). I m

haltsam sein, sind jedoch bislang ohne praktische Relevanz und daher juristische Sciencefiction. Kaum mehr als den Namen mit der physikalischen Lehre Einsteins hat eine rechtsphilosophische Lehre (Hochhuth, Relativitätstheorie im Öffentlichen Recht, S. 77 ff.) gemein, die das Verhältnis von positivem Recht und Naturrecht insbesondere im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz betrifft (dazu krit. Roellecke, F. A. Z. vom 17. 7. 2001 Nr. 163 S. 49). 2 Zum Verfassungswandel s. nur Badura, in: Isensee / Kirchhof, HbStR VII, § 160 Rn 9, 13 ff.; Roßnagel, Verfassungsänderung und Verfassungswandel in der Verfassungspraxis, Der Staat 22 (1983), 551 ff. 3 Zur Veränderlichkeit des Rechts und der Gerechtigkeitsvorstellungen s. die von Plato , (Theätet, 172; Übersetzung von Apelt, Sämtliche Dialoge, Bd. IV) kritisierte Lehre des Protagoras (485 -415 v. Chr.): „Und auch auf staatlichem Gebiet sei für einen jeden Staat dasjenige schön und häßlich und gerecht und ungerecht und heilig und unheilig, was er dafür hält und auf Grund dessen zur gesetzlichen Einrichtung macht". Vgl. auch Rüthers, Zeitgeist und Recht, 1997. Indessen führt zumindest in diesem Zusammenhang bereits die Frage nach einer „eigenen Zeitlichkeit des Rechts" (Kirste, Die Zeitlichkeit des positiven Rechts und die Geschichtlichkeit des Rechtsbewußtseins, S. 15,429 ff.) nicht weiter. 4 Vgl. dazu Andreas Gryphius (1616-1664), Betrachtung der Zeit: „Mein sind die Jahre nicht / Die mir die Zeit genommen / Mein sind die Jahre nicht / Die etwa möchten kommen / Der Augenblick ist mein ...". 5 Vgl. die Begriffsbildung bei Thienel, FS R. Walter, S. 709 (717), der Rückwirkung annimmt, wenn der „Vollzugsbereich" (d. h. die angeordnete Rechtsfolge) der Norm vor dem Beginn ihrer Geltung liegt, wobei die Geltung mit dem „Bezugsbereich" (d. h. der anordnende Tatbestand) der Norm einsetzt. Hernández Marín, in: Garzón Valdés, Spanische Studien zur Rechtstheorie und Rechtsphilosophie, S. 87 (94), beschreibt den rückwirkenden Satz als einen solchen, der sich in seinem Tatbestand auf Fälle bezieht, die vor Beginn seines „Geltungsintervalls" eingetreten sind. Hingegen hält Kirste, Die Zeitlichkeit des positiven Rechts und die Geschichtlichkeit des Rechtsbewußtseins, S. 365, einen „Vollzugsbereich" vor dem Beginn der Geltung nicht für

A. Zeit und Recht

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Fall der Rückwirkung unterwirft das Recht einen vergangenen, alten Sachverhalt einer veränderten, neuen Bewertung. 6 Da die Rückwirkung kein auf das öffentliche Recht beschränktes, sondern ein allgemeinrechtliches Phänomen ist, kann ein zivilrechtliches Beispiel der Erläuterung dienen. Wenn A eine ihm gehörende bewegliche Sache an B übereignet, woraufhin B die Sache weiter an C übereignet, steht in Frage, ob C Eigentümer bleibt, wenn A seine auf Übereignung an B gerichtete Willenserklärung anficht. Ein angefochtenes Privatrechtsgeschäft ist nach § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an (ex tunc) nichtig anzusehen. In Frage steht, was die Nichtigkeit ex tunc einer Nichtigkeit ex nunc voraushaben kann. Denn einerseits ergibt sich die Rechtslage in einem bestimmten Zeitpunkt im Ansatz ausschließlich aus den Regelungen, denen in diesem Zeitpunkt Geltung zukommt. Vergangene Regelungen sind für die Bestimmung der gegenwärtigen Rechtslage ohne Belang. Eine Nichtigkeit in einem vergangenen Zeitpunkt bleibt deshalb bei der Beurteilung der Rechtslage im gegenwärtigen Zeitpunkt außer Betracht. Dieser Befund scheint die Bedeutungslosigkeit der Rückwirkung zu belegen. Andererseits kann die Anfechtungserklärung nicht in einem Zeitpunkt die mit ihr intendierte Rechtsfolge - die Vernichtung des Ausgangsrechtsgeschäfts - hervorbringen, in dem der Berechtigte die Anfechtung noch nicht erklärt hat. Dieser Befund scheint die logische Widersprüchlichkeit oder konstruktive Undenkbarkeit der Rückwirkung zu belegen.7 Diese Schwierigkeiten in der Beschreibung der Rückwirkung können mit der Differenzierung zwischen dem Zeitpunkt, in dem eine Rechtsfolge intendiert ist und dem Zeitraum, für den eine Rechtsfolge intendiert ist, überwunden werden. Als Zeitpunkt, in dem eine Rechtsfolge eintritt, ist das Datum zu verstehen, von dem aus die Rechtslage beurteilt wird. Hingegen ist als Zeitraum, für den eine Rechtsfolge eintritt, das Intervall zu begreifen, in Bezug auf das die Rechtslage beurteilt wird. Ficht Alteigentümer A die dingliche Einigung mit B an, so ist B rückwirkend niemals Eigentümer der Sache geworden, weshalb B dem C zumindest nicht als Berechtigter Eigentum vermitteln kann.8 Die Nichtigkeitsfolge der Anfechtung tritt im gegenwärtigen Zeitpunkt für einen vergangenen Zeitraum ein. Die Untermöglich. Diese Auffassung mag darauf beruhen, dass Kirste die der Norm unterfallenden Tatsachen (die keiner Rückwirkung zugänglich sind) mit dem Tatbestand der (rückwirkungsfahigen) Norm verwechselt. 6 Maurer, in: Isensee / Kirchhof, HbStR in, § 60 Rn 11. 7

Beispielsweise hält Weiss, Zeit, Zeitlichkeit und Recht, die rückwirkende Aufhebung eines Rechtsgeschäftes für in sich widersprüchlich, da „der Richter zu gleicher Zeit (fiktiv) Nicht-Geschehen-Sein und (real) Geschehen-Sein der Handlung anzunehmen" habe. Dem ist zu entgegnen, dass die Aufhebung nicht das reale Geschehen betrifft, sondern dessen rechtliche Bewertung, mithin eine regulärwirkende Aufhebung nicht weniger normativ und deshalb irreal ist als eine rückwirkende Aufhebung. 8 Allenfalls kann C von B als Nichtberechtigtem Eigentum erwerben, sofern er gemäß §§ 142 Abs. 2, 932 Abs. 2 BGB hinsichtlich der Anfechtbarkeit gutgläubig ist. 3 Steinweg

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

Scheidung zwischen zwei Zeiten erklärt zunächst, warum es für die gegenwärtige Rechtslage nicht ohne Belang ist, dass die Anfechtung die bereits der Vergangenheit angehörende dingliche Einigung vernichtet. Die Rechtslage im gegenwärtigen Zeitpunkt ist zwar von Rechtsfolgen, die bereits in der Vergangenheit eingetreten sind, ebenso unbeeinflusst wie von Rechtsfolgen, die erst in der Zukunft eintreten werden. Doch geht die Rückwirkung nicht mit dem nachträglichen Eintritt einer bereits vergangenen Rechtsfolge einher. Vielmehr ist Rückwirkung der gegenwärtige Eintritt einer Rechtsfolge (im gegenwärtigen Zeitpunkt) mit einem auf die Vergangenheit bezogenen Inhalt (für einen vergangenen Zeitraum). Das gegenwärtige Recht beansprucht mithin, nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Vergangenheit und Zukunft zu bewerten.9 Die Deutungsschemata, aus denen sich die Rechtsordnung zusammensetzt10, können jünger sein, als die der Deutung unterworfenen Tatsachen. Des Weiteren ermöglicht die Unterscheidung zwischen zwei Zeiten, den logischen Widerspruch zu vermeiden, dass die Anfechtung die mit ihr intendierte Rechtsfolge hervorbringt, bevor sie erklärt worden ist. Die Nichtigkeitsfolge tritt erst im Zeitpunkt der Erklärung der Anfechtung ein, wenn auch für einen vergangenen Zeitraum. Anschaulicher als diese Unterscheidung zwischen zwei Zeiten ist die Unterscheidung zwischen zwei Orten. 11 Unterschieden werden muss zwischen dem Ort, in dem eine Rechtsfolge eintritt und dem Ort, für den eine Rechtsfolge eintritt. Beispielsweise bezieht sich eine Baugenehmigung auf ein bestimmtes Grundstück. Die Baugenehmigung stellt die Baurechtskonformität nur für dieses Grundstück fest und gestattet den Baubeginn nur für dieses Grundstück. Die Baugenehmigung ist jedoch auch in Orten außerhalb des Grundstücks verbindlich. Eine Verwechslung des Ortes, für den die Rechtsfolge eintritt, und des Ortes, in der die Rechtsfolge eintritt, ist kaum denkbar. Eine Verwechselung zwischen dem Zeitpunkt, in dem eine Rechtsfolge eintritt, und dem Zeitraum, für den eine Rechtsfolge eintritt, ist indessen eher vorstellbar. Inwieweit es in der Verwaltungsrechtsprechung und der Verwaltungsrechtslehre zu solchen Verwechslungen gekommen ist, wird noch erörtert werden müssen. Beispielsweise ließe sich formulieren, eine Erledigung des Verwaltungsaktes i. S. d. §§ 43 Abs. 2 Alt. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO setze voraus, dass der Verwaltungsakt „keine Rechtsfolgen mehr" hervorbringt. Ausgehend von der Differenzierung zwischen zwei Zeiten wird dann allerdings weiter zu fragen sein, ob ein 9 Da die veränderte rechtliche Bewertung der Vergangenheit Präskription, nicht Deskription ist, erhebt sie lediglich Anspruch auf rechtliche Verbindlichkeit, nicht auf historische Wahrheit. Darin unterscheidet sie sich von einer totalitaristischen Propaganda, die auf das Umschreiben der Geschichte abzielt, dazu George Orwell (1903-1950), Nineteen EightyFour: „Who controls the past controls the future: who controls the present controls the past." 10 Zur Norm als Deutungsschema Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 3 f. 11 Bereits so geläufige Wortbildungen wie Zeit-Punkt, Zeit-Raum, Zeit-Richtung dienen der Veranschaulichung zeitlicher Zusammenhänge mittels - verblasster - Metaphern des Ortes.

A. Zeit und Recht

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erledigter Verwaltungsakt „keine Rechtsfolgen mehr" im gegenwärtigen Zeitpunkt oder ,»keine Rechtsfolgen mehr" für den gegenwärtigen Zeitraum intendiert (dazu s. u. E. II. 2.).

2. Rechtsänderung in der Gegenwart für die Zukunft Das Recht zeichnet sich gegenüber der Wirklichkeit nicht nur durch die Fähigkeit zur Rückwirkung, sondern ebenso durch die Fähigkeit zur Vorauswirkung aus. Eine Tatsache kann nur im gegenwärtigen Zeitpunkt für den gegenwärtigen Zeitraum eintreten. Wenn beispielsweise eine Tageszeitung heute über ein gestriges Sportereignis (vergangene Tatsache) oder über das morgige Wetter (zukünftige Tatsache) berichtet, so ist die Berichterstattung selbst doch eine gegenwärtige Tatsache. Hingegen kann eine Rechtsänderung für einen zukünftigen Zeitraum eintreten (Vorauswirkung 12). Ein Beispiel für eine Vorauswirkung im Recht kann wiederum dem Zivilrecht entnommen werden. Wenn Verkäufer V dem Käufer K eine bewegliche Sache unter Vorbehalt des Eigentums bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung (§§ 929 S. 1, 158 Abs. 1, 449 Abs. 1 BGB) veräußert, steht in Frage, wer in welchem Zeitpunkt für welchen Zeitraum Eigentümer der Sache ist. Im Privatrecht wird zwischen einer ungesicherten Aussicht auf den zukünftigen Erwerb eines Rechts (Anwartschaft) und einer bereits gesicherten Vorstufe des Vollrechtserwerbs (Anwartschaftsrecht) unterschieden13. Das Anwartschaftsrecht ist gegenüber dem Vollrecht, an dem es besteht, ein wesensgleiches minus 14 , insbesondere ist es bereits selbst subjektives Recht und als solches übertragbar. 15 Ein Anwaltschaftsrecht setzt voraus, dass von dem mehraktigen Erwerbstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die der Veräußerer nicht mehr durch einseitige Erklärung zu zerstören vermag. 16 12 Dieser wenig gebräuchliche Begriff wird hier demjenigen der „Vorwirkung" vorgezogen, da die „Vorwirkung" sprachlich eher als Gegenstück zur „Nachwirkung", nicht zur Rückwirkung geeignet erscheint und überdies „Vorwirkung" zumeist abweichend verstanden wird (vgl. etwa Kurz, Vor- und Rückwirkungen im klassischen römischen Recht, S. 117 ff.; Kloepfer, Die Vorwirkung von Gesetzen, S. 4 ff.; wieder anders Schliesky, DVB1. 2003,631 ff.). 13

Vgl. nur Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 456, 478. 14 BGH, Urt. v. 30. 4. 1982 - V ZR 104/81 - BGHZ 83, 395 (399) m. w. N. Dabei liegt die Schwierigkeit im Einzelnen darin, inwieweit das Anwartschaftsrecht gleich und inwieweit es weniger ist. Dies mag nicht unwesentlich daher rühren, dass der Begriff des Wesens im Wesentlichen ungeklärt ist, s. Scheuerle, AcP 163 (1964), 429 ff. Krit. zur überkommenen Dogmatik des Anwartschaftsrecht etwa W. Krüger, JuS 1994, 905 ff.; Lux, JURA 2004, 145 ff. 15 s. nur Bassenge, in: Palandt, BGB, § 925 Rn 23 ff., § 929 Rn 37 ff. m. w. N. 16 Im Folgenden soll von der klassischen und verbreiteten, wenn auch nicht unbestrittenen Definition ausgegangen werden. BGH, Urt. v. 5. 1. 1955 - IV ZR 154/54 - NJW 1955, 544 3*

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

Insbesondere besteht ein Eigentumsanwartschaftsrecht an einer beweglichen Sache dann, wenn die im Erwerbstatbestand des § 929 S. 1 BGB vorausgesetzte dingliche Einigung nach §§ 158 Abs. 1, 449 Abs. 1 BGB unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung steht.17 Der Eigentumsübergang auf den Erwerber als gesetzliche Rechtsfolge des § 929 S. 1 BGB tritt in dem Zeitpunkt ein, in dem neben der dinglichen Einigung die weiteren Erwerbsvoraussetzungen (Berechtigung des Veräußerers, Übergabe an den Erwerber) gegeben sind. Der Zeitraum, für den das Eigentum übergeht, hängt vom Inhalt der dinglichen Einigung ab. Eine unbedingte dingliche Einigung führt zum Eigentumserwerb für den gegenwärtigen Zeitraum. Eine unter aufschiebender Bedingung erklärte dingliche Einigung führt zu einem vom Bedingungseintritt abhängigen Eigentumserwerb für einen ungewissen zukünftigen Zeitraum. 18 Der Veräußerer bleibt für den gegenwärtigen Zeitraum zwischen Einigungserklärung und Bedingungseintritt alleiniger Eigentümer der Sache. Von einem „gegenwärtigen Zeitraum" in Abgrenzung zu einem „zukünftigen Zeitraum" wird hier der Vereinfachung halber gesprochen; der „gegenwärtige Zeitraum" liegt in der nächsten Zukunft, der „zukünftige Zeitraum" demgegenüber in der ferneren Zukunft; im eigentlichen Sinne umfasst die Gegenwart hingegen nur einen Zeitpunkt. 19 Ungeachtet des für den gegenwärtigen Zeitraum bestehenden Volleigentums des Veräußerers steht bereits fest, dass der Erwerber im Falle vollständiger Kaufpreiszahlung Eigentum erlangen wird 2 0 . Eben aus diesem Grund ist es für den Vollrechtserwerb ohne Belang, ob Veräußerer und Erwerber im Zeitpunkt des Bedingungseintritts (vollständige Kaufpreiszahlung) weiterhin über den Eigentumsübergang einig sind. 21 Die aufschiebend bedingte dingliche Einigung wirkt somit auf einen Zeitraum voraus, in dem die Einigung selbst nicht notwendig noch Bestand hat. Darin liegt jedoch kein logischer Widerspruch begründet. Denn in(544) unter Bezugnahme auf Harry Westermann, Sachenrecht, 2. Aufl., 1953, § 5 ID. 3. a) (S. 31). Vgl. aus der aktuellen sachenrechtlichen Literatur H. P. Westermann, Sachenrecht, Rn 320 ff.; Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einf. vor § 158 Rn 9; Bork, in: Staudinger, BGB, 2003, Vorbem. zu §§ 158-163, Rn 53 f. Vorsichtiger etwa Medicus, Bürgerliches Recht, Rn 456. 17 Bork, in: Staudinger, BGB, 2003, Vorbem. zu §§ 158-163, Rn 58. 18

Im Zeitraum zwischen dinglicher Einigung und Bedingungseintritt kann der Veräußerer die geschützte Rechtsposition des Erwerbers nicht mehr durch einseitige Erklärung zerstören, da gemäß § 161 Abs. 1 S. 1 BGB Zwischenverfügungen des Veräußerers über die aufschiebend bedingt veräußerte Sache mit Bedingungseintritt gegenüber dem Erwerber - relativ unwirksam werden. Der Erwerber ist deshalb im Zeitraum vor Bedingungseintritt Inhaber eines Anwartschaftsrechts im Sinne obiger Definition. 19 Vgl. dazu Friedrich (von) Schiller (1759-1805), Dreifach ist der Schritt der Zeit: ,»Zögernd kommt die Zukunft hergezogen / Pfeilschnell kommt das Jetzt entflogen / Ewig still steht die Vergangenheit". 20

Zumindest wird dem Vorbehaltserwerber gegenüber (relativ) kein anderer Eigentümer. 21 Darüber hinaus hindert die erst nach der dinglichen Einigung eintretende Bösgläubigkeit nicht den Erwerb vom Nichtberechtigten, BGH, Urt. v. 21. 9. 1959 - III ZR 103/58 BGHZ 30, 374 (377), Heinrichs, in: Palandt, Einf. vor § 158 Rn 8.

A. Zeit und Recht

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folge der Vorauswirkung fallen der Zeitpunkt, in dem die Rechtsfolge eintritt, und der Zeitraum, für den die Rechtsfolge eintritt, ebenso auseinander wie bei der Rückwirkung. Eine rückwirkende Rechtsfolge tritt in einem gegenwärtigen Zeitpunkt für einen vergangenen Zeitraum ein. Dementsprechend tritt eine vorauswirkende Rechtsfolge in einem gegenwärtigen Zeitpunkt für einen zukünftigen Zeitraum ein. Bereits in Zeitpunkten vor dem Bedingungseintritt ist der Erwerber für den Zeitraum ab vollständiger Kaufpreiszahlung Eigentümer der Sache. Das Eigentumsanwartschaftsrecht lässt sich demnach als eine zeitliche Teilung der Eigentümerstellung begreifen. 22 Der Erwerber ist im gegenwärtigen Zeitpunkt Eigentümer für einen zukünftigen Zeitraum.

3. Rechtsänderung in der Gegenwart für die Gegenwart Im einfachsten Fall tritt eine Rechtsänderung im gegenwärtigen Zeitpunkt für den gegenwärtigen Zeitraum ein (Regulärwirkung). Dennoch muss zwischen beiden Zeiten unterschieden werden, gerade um das Fehlen einer Rückwirkung oder Vorauswirkung zu verdeutlichen. Der Illustration diene abermals ein zivilrechtlicher Beispielsfall. Wenn A eine ihm gehörende bewegliche Sache an B übereignet, woraufhin B die Sache weiter an C übereignet, steht in Frage, ob die Weiterübertragung des Eigentums von B an C die Gültigkeit der vorherigen Übereignung von A an B beeinträchtigt. Erwerber C hat gemäß §§ 929-931 BGB nur dann von Veräußerer B als Berechtigtem Eigentum erworben, wenn B zuvor von A Eigentum erworben hat. 23 Der Eigentumserwerb des B von A und ebenso der Eigentumserwerb des C von B treten regulärwirkend für den gegenwärtigen Zeitraum ein, nicht rückwirkend für einen bereits vergangenen Zeitraum oder vorauswirkend für einen noch zukünftigen Zeitraum. Auch in den Fällen einer lediglich regulärwirkenden Rechtsänderung ist die Fähigkeit zu rückwirkenden Änderungen zu beachten, die das Recht gegenüber der Wirklichkeit auszeichnet. Eine Tatsache kann nicht rückwirkend eintreten oder rückwirkend ungeschehen gemacht werden 24, bei einer Rechtsfolge ist dies jedoch möglich (s. o. vor 1.). Auch noch im Zeitpunkt nach der Übereignung von B an C kommt es darauf an, ob B von A Eigentum erworben hatte, also auf die Eigentumslage für einen früheren Zeitraum. Diese frühere Eigentumslage hängt weiterhin von der Übereignung von A an B ab, wie die Möglichkeit einer rückwirkenden Anfechtung zeigt (dazu s. o. 1.). Somit bleibt die Über22

Es handelt sich allerdings nicht um Bruchteilseigentum nach §§ 1008 ff., 741 ff. BGB. In Betracht kommt sonst nur ein von B. als Nichtberechtigtem abgeleiteter Erwerb des Eigentums gemäß §§ 932-936 BGB. 24 „Erit namque absurdum,- ut, quod recte factum est, ex eo, quod tunc non erat factum, postea mutetur", so Corpus iuris civilis, Novellae (Authenticum), 68 cap. 1 § 4 letzter Satz. 23

1. Kap.: Begriffsbestimmung

38

eignung von A an B gültig, unbeschadet der Weiterübertragung des Eigentums von B an C.

II. Unterscheidung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge Eine rechtliche Regelung verknüpft einen Tatbestand mit einer Rechtsfolge nach dem Schema „Wenn Tatbestand X vorliegt, dann tritt Rechtsfolge Y ein". Die positive Rechtsordnung setzt sich aus solchen konditionalen Verknüpfungen, eventuell zuzüglich so genannter Prinzipien 2 5 , zusammen. Die konditionale Struktur aus Tatbestand und Rechtsfolge ist nicht auf generell-abstrakte Regelungen beschränkt. Die konstruktive Gleichartigkeit aller Regelungen wird etwa von Kelsen hervorgehoben, der - entgegen dem üblichen Sprachgebrauch 26 - nicht nur generell-abstrakte, sondern auch individuell-konkrete Regelungen als Rechtsnormen versteht. 27 Lediglich sind Tatbestand und Rechtsfolge einer Einzelfallregelung enger als die eines materiellen Gesetzes, nämlich auf eine einzige Person und einen einzigen Sachverhalt zugeschnitten. 28 Die Verknüpfung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge wird Normativität 2 9 genannt. Der Normativität des Rechts entspricht i n der Wirklichkeit die Kausalit ä t 3 0 . Die Kausalität verknüpft eine Tatsache (Ursache) mit einer anderen Tatsache 25 Nach antipositivistischer Auffassung ist ein „Prinzip" eine auf Optimierung gerichtete Norm, während eine „Regel" entweder nur erfüllt oder nicht erfüllt werden kann (Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71 ff., 75 ff.; vgl. Sieckmann, Regelmodelle und Prinzipienmodelle, 1990, S. 141 ff.; grundlegend Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 22 ff.). Indessen scheint sich jedes „Prinzip" schlicht auf die „Regel" zurückführen zu lassen, ein bestimmtes Interesse möglichst optimal zu verwirklichen. Das „Prinzip" ist dann verletzt, wenn keine Optimierung vorgenommen wird. 26

s. nur Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 46 m. w. N., der Rechtsnorm und Einzel(rechts)akt einander gegenüber stellt. 27 Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 237 f. Ebenso behandeln Winkler, Der Bescheid, S. 45 f., Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn 1,43 ff., den Verwaltungsakt als Rechtsnorm. Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 185, 189, nennt den Verwaltungsakt einen „individuellen Rechtssatz". Auch Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 80, betont die Parallelität von Verwaltungsakt und Rechtsnorm. 28 Obwohl sich unter die Tatbestandsseite des Verwaltungsaktes regelmäßig nur ein Lebenssachverhalt subsumieren lässt, sind Lebenssachverhalt und Tatbestandsseite dabei nicht identisch (so aber - wohl nur missverständlich - Rupp, Der maßgebende Zeitpunkt, S. 185). 29 Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 79 ff., 180 ff., bezeichnet diese Verknüpfung als „Zurechnung", hingegen die Zurechnung menschlichen Verhaltens zu einer natürlichen oder juristischen Person als „Zuschreibung". 30 Nach Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 79 ff., 88 f., ist das naturwissenschaftliche Kausalprinzip sogar aus dem normwissenschaftlichen Vergeltungsprinzip hervorgegangen. Dies erhellt, warum Heraklit (550-480 v. Chr.) formuliert: „Wenn die Sonne ihren vorgeschriebenen Pfad nicht einhält, werden die Erinnyen, die Helfershelfer der Gerechtigkeit, sie zurechtweisen."

A. Zeit und Recht

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(Wirkung). 31 Jedoch ist die Trennung zwischen den beiden Seiten einer Kausalbeziehung ausschließlich eine Frage sprachlicher Konvention. Ob ein Tatsachenelement noch zur Ursache oder bereits zur Wirkung zählt, ist von der zu beschreibenden Wirklichkeit nicht vorgegeben, sondern nur von der gewählten Art und Weise der Beschreibung. Als Beispiel diene das Naturgesetz, nach dem Wasser die chemische Zusammensetzung H 2 0 aufweist, unter gewissen Druckverhältnissen bei einer Temperatur von 0 °C gefriert und bei einer Temperatur von 100 °C siedet32. Es ist möglich, den Begriff „Wasser" durch seine chemische Zusammensetzung zu definieren. In diesem Fall gliedert sich die Aussage über das Wasser in den Ursachenteil „chemische Zusammensetzung H 2 0 " und den Wirkungsteil „Gefrierpunkt 0 °C, Siedepunkt 100 °C". 3 3 Jedoch ist ebenso möglich, nicht nur die chemische Zusammensetzung, sondern beispielsweise auch den Gefrierpunkt als ein das Wasser definierendes Merkmal und nicht lediglich als dessen Eigenschaft (Proprium 34) zu verstehen. In diesem Fall besteht die Aussage über das Wasser aus dem Ursachenteil „chemische Zusammensetzung H 2 0 , Gefrierpunkt 0 °C" und dem Wirkungsteil „Siedepunkt 100 °C". Welche Darstellung zu wählen ist, hängt allein von der sprachlichen Konvention ab, wie der Begriff des Wassers definiert ist. Demgegenüber ist die Trennung zwischen den beiden Seiten einer normativen Beziehung durch das Recht selbst vorgegeben.35 Als Beispiel diene das Rechtsgesetz, dass der Eigentümer von dem Besitzer einer Sache die Herausgabe verlangen kann, wenn der Besitzer ihm gegenüber kein Recht zum Besitz hat. Der Vindikationsanspruch - und nur er - ist Rechtsfolge der §§ 985 f. BGB, demgegenüber - allein - die Vindikationslage (Eigentum, Besitz, Recht zum Besitz) den Tatbestand der §§ 985 f. BGB bildet. Mithin zeichnet die konditionale Struktur aus Tatbestand und Rechtsfolge das Recht gegenüber der Wirklichkeit aus.

31

Die Wirkung einer Tatsache besteht stets in einer Realfolge, nicht in einer Rechtsfolge. Denn wenn auch die Rechtsordnung an den Eintritt einer Tatsache Rechtsfolgen knüpfen mag, so treten diese Rechtsfolgen nicht kraft der Tatsache, sondern kraft der Rechtsordnung ein. Realfolgen bringt insbesondere der tatsächliche Vorgang hervor, den die Rechtsordnung als Rechtsakt bewertet. In diesem Sinne zieht mithin das Recht sowohl Rechtsfolgen als auch Realfolgen nach sich, s. dazu Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 25 ff., 137 ff. 32

Beispiel in Anlehnung an Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 63 ff. In diesem Fall ist der Satz „Wasser hat die chemische Zusammensetzung H 2 0 " bereits aus sprachlichen Gründen wahr und deshalb im Sinne Immanuel Kants (1724-1804) als „analytisch" zu bezeichnen, der Satz „Wasser gefriert bei 0 °C. und siedet bei 100 °C." jedoch lediglich aus empirischen Gründen wahr und deshalb „synthetisch" zu nennen, LübbeWolff, Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 64. 33

34

Dazu Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 62. 5 Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 78.

3

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

I I I . Zeit als Tatbestandsmerkmal und Zeit als Rechtsfolgenmerkmal Das Verhältnis von Recht und Zeit ist somit durch zwei Differenzierungen gekennzeichnet. Unterschieden wird einerseits zwischen dem Zeitpunkt, in dem eine Rechtsänderung eintritt, und dem Zeitraum, für den eine Rechtsänderung eintritt (s. o. I.), andererseits zwischen Tatbestand und Rechtsfolge der Regelung (s. o. II.). Zu zeigen ist, dass diese beiden Differenzierungen nicht beziehungslos nebeneinander stehen, sondern einander entsprechen. Der Tatbestand einer Regelung besteht aus mehreren Merkmalen (Tatbestandsmerkmalen), die jeweils eine Eigenschaft der unter den Tatbestand subsumierbaren Sachverhalte beschreiben. Auch in der Rechtsfolge der Regelung kann zwischen verschiedenen Merkmalen (Rechtsfolgenmerkmalen) unterschieden werden. Insbesondere kann die Zeit einerseits als Tatbestandsmerkmal und andererseits als Rechtsfolgenmerkmal einer Regelung begegnen.36 Kraft einer Regelung tritt eine Rechtsfolge nur dann ein, wenn der vorgegebene Sachverhalt den Tatbestand der Regelung erfüllt. Ist die Zeit Tatbestandsmerkmal der Regelung, lösen nur die innerhalb der vom Tatbestand erfassten Zeit liegenden Sachverhalte die Rechtsfolge aus. Kraft einer Regelung tritt nur die jeweils intendierte Rechtsfolge ein. Ist die Zeit Rechtsfolgenmerkmal der Regelung, ergreift die Rechtsfolge deshalb nur solche Sachverhalte, die innerhalb der vorgesehenen Zeit liegen. Die Unterscheidung zwischen der Zeit als Tatbestandsmerkmal und der Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der Regelung durchzieht nicht nur das öffentliche Recht, sondern auch das Zivilund Strafrecht, so dass sie anhand zweier Beispiele aus diesen Rechtsgebieten erläutert werden kann. Zivilrechtliches Beispiel ist ein Kaufvertrag gemäß § 433 BGB, der von einem beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters abgeschlossen wird. Als rechtlich nicht lediglich vorteilhaft ist dieses Geschäft nach dem Grundsatz des § 107 BGB unwirksam. Falls der Mindeijährige die vertragsmäßige Leistung mit den ihm überlassenen Mitteln bewirkt, erlangt der Vertrag jedoch gemäß der Ausnahmebestimmung des § 110 BGB rückwirkend von Anfang an Wirksamkeit. Die Unwirksamkeit des Vertrages in Zeitpunkten zwischen Vertragsschluss und Bewirkung der vertragsmäßigen Leistung wird gemeinhin als „schwebend" bezeichnet.37 Dieser Schwebezustand mildert allerdings in den besagten Zeitpunkten („Schwebezeit") die Rechtsfolge der Unwirksamkeit in keiner Weise ab. Der Schwebezustand bedeutet allein die Möglichkeit, in einem späteren Zeitpunkt die Wirksamkeit für den Zeitraum ab Vertragsschluss herbeizuführen. 36

Bereits Hernández Marín, in: Garzón Valdés, Spanische Studien zur Rechtstheorie und Rechtsphilosophie, S. 87 ff., 90 ff., unterscheidet zwischen der „Zeit im Tatbestand" und der „Zeit in der Rechtsfolge eines Rechtssatzes". 3 7 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 110 Rn 1, § 108 Rn 1, Überbl. vor § 104 Rn 31 f.

A. Zeit und Recht

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Tatbestand des § 110 BGB ist das Bewirken der vertragsmäßigen Leistung. Rechtsfolge ist die Wirksamkeit des Vertrages ab Vertragsschluss. Mithin unterscheidet sich die Zeit als Tatbestandsmerkmal (Zeitpunkt des Bewirkens der vertragsmäßigen Leistung) von der Zeit als Rechtsfolgenmerkmal (Zeitraum ab Vertragsschluss). Die Zeit als Tatbestandsmerkmal kennzeichnet den Zeitpunkt, in dem die Wirksamkeit des Vertrages eintritt, die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal kennzeichnet den Zeitraum, für den die Wirksamkeit des Vertrages eintritt. Strafrechtliches Beispiel ist das in § 2 Abs. 3 StGB (§ 4 Abs. 3 OWiG) normierte Günstigkeitsprinzip (lex-mitior-Regel), das gesetzliche Strafdrohungen von späteren Rechtsänderungen abhängig macht. 38 Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist nach diesem Grundsatz das mildeste Gesetz anzuwenden. Insofern eine Rechtsänderung eine bestehende gesetzliche Strafdrohung abmildert, entfällt die Strafbarkeit auch für bereits beendete Taten, über die noch nicht entschieden ist. Dieser Regelung bedarf es für solche Fälle nicht, in denen die Strafdrohung rückwirkend beseitigt wird. Denn einer tätergünstigen Rückwirkung steht das strafrechtliche Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. Art. 7 EMRK, §§ 1 StGB, 3 OWiG) nicht entgegen. Das strafrechtliche Günstigkeitsprinzip greift somit nur dann, wenn das Strafgesetz lediglich ex nunc gemildert wird. In einem Zeitpunkt vor der Rechtsänderung ex nunc gilt das alte Strafgesetz, da in diesem Zeitpunkt § 2 Abs. 3 StGB mangels Rechtsänderung nicht greift. In einem Zeitpunkt nach der Rechtsänderung ex nunc gilt das alte Strafgesetz für neue Taten bereits kraft der Rechtsänderung nicht. In einem Zeitpunkt nach der Rechtsänderung ex nunc gilt das alte Strafgesetz für alte Taten deshalb nicht, weil § 2 Abs. 3 StGB die Anwendung des milderen neuen Strafgesetzes anordnet. Der Tatbestand des § 2 Abs. 3 StGB erfasst Strafmilderungen in Zeitpunkten nach Beendigung der Tat. Rechtsfolge ist die rückwirkende Erstreckung der Strafmilderungen auf beendete Taten. Mithin unterscheidet sich die Zeit als Tatbestandsmerkmal (Zeitpunkt der Gesetzesänderung) von der Zeit als Rechtsfolgenmerkmal (Zeitraum der Tatbegehung). Die Zeit als Tatbestandsmerkmal kennzeichnet den Zeitpunkt, in dem die Strafmilderung eintritt. Die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal kennzeichnet den Zeitraum, für den die Strafmilderung eintritt.

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann hinsichtlich der zeitlichen Struktur regulärwirkender, vorauswirkender sowie rückwirkender rechtlicher Regelungen festgehalten werden: 38 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz enthält für Zeitabschnittsgesetze § 2 Abs. 4 S. 1 StGB (§ 4 Abs. 3 S. 1 OWiG), eine Gegenausnahme § 2 Abs. 4 S. 2 StGB (§ 4 Abs. 3 S. 2 OWiG).

42

1. Kap.: Begriffsbestimmung Zeit als Tatbestandsmerkmal Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der Regelung der Regelung

Regulärwirkung

Zeitpunkt, in dem die Rechtsänderung eintritt

Zeitraum, für den die Rechtsänderung eintritt

Gegenwart

Gegenwart

Gegenwart

Zukunft

Gegenwart

Vergangenheit

Rechtsänderung im gegenwärtigen Zeitpunkt für den gegenwärtigen Zeitraum Vorauswirkung Rechtsänderung im gegenwärtigen Zeitpunkt für einen zukünftigen Zeitraum Rückwirkung Rechtsänderung im gegenwärtigen für einen vergangenen Zeitraum

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes A u f Grund gesetzlicher Ermächtigung kann sich die staatliche Verwaltung 3 9 verschiedener Handlungsformen bedienen und insbesondere durch Realakt oder durch Satzung, Verordnung, Verwaltungsvorschrift, behördeninterne Weisung, Verwaltungsvertrag oder privatrechtliches Rechtsgeschäft 40 handeln. Unter den Handlungsformen findet sich jedoch eine, die für die Verwaltungstätigkeit so charakteristisch ist, dass allein sie als Verwaltungsakt bezeichnet wird. Der Verwaltungsakt ist das zentrale Instrument der Verwaltung zur Regelung von Einzelfällen. 4 1 In Beschreibung des Verwaltungsaktes sind Erlass (I.), äußere Wirksamkeit (II.), innere Wirksamkeit (III.) und Rechtmäßigkeit (IV.) zu unterscheiden.

39

Der Begriff der staatlichen Verwaltung ist dem mehrdeutigen Begriff der öffentlichen Verwaltung vorzuziehen, Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rn 4. 40

Auch Rechtsgeschäfte zielen auf die Setzung von Rechtsfolgen ab, können mithin als Rechtsakte verstanden werden, wenn auch nicht als Rechtsakte einseitig verbindlicher (hoheitlicher) Art. Nur weil der öffentlich-rechtliche (verwaltungsrechtliche) Vertrag die gleiche materiell-verwaltungsrechtliche Funktion wie ein Verwaltungsakt erfüllt, kann er gemäß § 54 S. 2 VwVfG grundsätzlich an die Stelle des Verwaltungsaktes treten. 41 Zur überragenden Bedeutung des Verwaltungsaktes s. nur Kopp /Ramsauer, VwVfG, § 35 Rn 2; Henneke, in: Knack, VwVfG, Vor § 35 Rn 20; Hans Meyer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 551 (551); Ehlers, Verw 31 (1998), 53 (58); ders., Verw 37 (2004), 255 (266); Felix, NVwZ 2003, 385 (386).

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

43

I. Erlass des Verwaltungsaktes Die an den Erlass des Verwaltungsaktes anknüpfenden Folgen (1.) sowie die ihn bedingenden Voraussetzungen (2.) bedürfen der Untersuchung.

1. Folgen des Erlasses des Verwaltungsaktes Als behördliche Handlungsform besitzt der Verwaltungsakt zunächst eine verwaltungsverfahrensrechtliche Funktion 42 . Die verwaltungsverfahrensrechtlichen Folgen nehmen auf den Erlass des Verwaltungsaktes Bezug. So beschränkt die - recht eng gefasste - Legaldefinition des § 9 Halbs. 1 Alt. 1 VwVfG den Begriff des Verwaltungsverfahrens auf die nach außen wirkende Tätigkeit einer Behörde, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist. 43 Erst die Wahl der Handlungsform des Verwaltungsaktes (oder des öffentlich-rechtlichen Vertrages 44) eröffnet die Anwendbarkeit der verfahrensrechtlichen Vorschriften in §§ 10 ff. VwVfG. 4 5 Das Verwaltungsverfahren schließt nach § 9 Halbs. 2 Alt. 1 VwVfG mit dem Erlass des Verwaltungsaktes ab. 46 Für jede einzelne Bestimmung der §§ 10 ff. VwVfG muss gesondert untersucht werden, ob sie eine Vor- oder Nachwirkung des Verwaltungsverfahrens regelt oder nur auf den Zeitraum zwischen Verfahrensbeginn und Verfahrensabschluss Anwendung findet. 47 So gewährt § 29 Abs. 1 S. 1 VwVfG ein Einsichtsrecht in die Ver42 Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 35 Rn 12; ders., FG 50 Jahre BVerwG, S. 551 (551); R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 31 ff.; Henneke, in: Knack, VwVfG, Vor § 35 Rn 34; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 2, § 45 Rn 9. 43 Weiter als der Begriff des Verwaltungsverfahrens in § 9 VwVfG sind etwa die Begriffe des Verwaltungsverfahrens in Art. 84 GG (P. Stelkens / Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rn 85), des verwaltungsbehördlichen Verfahrens in § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG (OVG MV, Beschl. v. 26. 7. 1996 - 5 M 90/95 - NuR 1997, 150 f.) und der Verwaltungstätigkeit in § 2 Abs. 1 S. 1IFG NRW (Bischopink, NWVB1. 2003, 245, 246 f.). 44 Vgl. § 9 Halbs. 1 Alt. 2, Halbs. 2 Alt. 2 VwVfG. Die Anwendbarkeit der §§ 9 ff., 54 ff. VwVfG setzt jedoch gemäß § 1 Abs. 2 VwVfG materielle Verwaltungstätigkeit der Behörde voraus, weshalb diesen Vorschriften nur verwaltungsrechtliche öffentlich-rechtliche Verträge (an denen Behörden beteiligt sind), nicht andere (völker- oder staatsrechtliche) öffentlichrechtliche Verträge oder öffentlich-rechtliche Verträge zwischen Privatrechtssubjekten unterfallen, vgl. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn 68 ff.; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn 10; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 54 Rn 5. 45 OVG NRW, Urt. v. 13. 8. 1998 - 13 A 2118/96 - DVB1. 1999, 1053 ff.; P. Stelkens/ Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rn 4, 86; Clausen, in: Knack, VwVfG, § 9 Rn 3; Ehlers, JURA 2003, 30 (30 ff.). 46 Abweichend ist nach Clausen, in: Knack, VwVfG, § 9 Rn 31, der Erlass des Verwaltungsaktes nicht mit dem Verfahrensabschluss verbunden. Unklar ist, welche andere Bedeutung dem Erlass zukommen sollte. Zur Frage, ob der als Verfahrensabschluss verstandene Erlass die Unanfechtbarkeit des hervorgebrachten Verwaltungsaktes voraussetzt s. u. 5.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

fahrensakten. Von diesem Akteneinsichtsrecht sind gemäß § 29 Abs. 1 S. 2 V w V f G bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens die Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung ausgenommen. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts erlischt das Akteneinsichtsrecht insgesamt mit dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens. 48 Nach der Gegenauffassung, die dem Gesetzeswortlaut besser zu entsprechen scheint, entfällt mit dem Verfahrensabschluss nicht das Akteneinsichtsrecht, sondern dessen Beschränkung aufgrund § 29 Abs. 1 S. 2 V w V f G . 4 9 Hingegen obliegt Zeugen und Sachverständigen nach Maßgabe besonderer Rechtsvorschriften 50 i. V. m. § 26 Abs. 3 S. 2 V w V f G nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten. Verwaltungsverfahren ist nach § § 9 Halbs. 1 A l t . 1, 79 Halbs. 2 V w V f G insbesondere das Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. V w G O . 5 1 So sind der Abhilfebescheid nach § 72 V w G O und der Widerspruchsbescheid nach § 73 V w G O Verwaltungsakte, die insbesondere (isolierter) Anfechtung gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 V w G O unterliegen. M i t Einlegung des Widerspruchs wird die Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde begründet (Devolutiveffekt) 5 2 , falls die Aus-

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Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 15 Rn 9; P Stelkens I Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rn 4, 11, 30, 183, § 13 Rn 23; Riedl, in: Obermayer, VwVfG, § 13 Rn 19. 4 « BVerwG, Urt. v. 1. 7. 1983 - 2 C 42.82 - BVerwGE 67, 300 (304); Beschl. v. 1. 10. 1987 - 8 B 108.87 - Buchholz 316 § 29 VwVfG Nr. 8; zust. Borgs, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 29 Rn 11; Grünewald, in: Obermayer, VwVfG, § 29 Rn 9. Widersprüchlich Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 29 Rn 46 ff., 32 ff., Clausen, in: Knack, VwVfG, § 29 Rn 15, die mit dem Verfahrensabschluss einerseits den Fortfall der Beschränkung des Akteneinsichtsrechts, andererseits das Erlöschen des Akteneinsichtsrechts verbinden. 49 Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 25 Rn 2; wohl auch Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 13 Rn 23. Insoweit auch Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 22 Rn 79. 50 Eine solche Rechtsvorschrift, die (anders als insbesondere der Untersuchungsgrundsatz des § 24 Abs. 1 VwVfG) Zeugen und Sachverständige zur Aussage und zur Erstattung des Gutachtens verpflichtet, ist beispielsweise für das förmlichen Verwaltungsverfahren § 65 Abs. 1 S. 1 VwVfG, s. Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 34 Rn 1; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 65 Rn 2; Dürr, in: Knack, VwVfG, § 65 Rn 2 f. 51 BVerwG, Urt. v. 1. 12. 1989 - 8 C 14.88 - BVerwGE 84,178 (181); Pietzner/Ronellenfitsch, Assessorexamen im öffentlichen Recht, § 24 Rn 4; Dolde, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorbem. § 68 Rn 2 f.; P. Stelkens/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 79 Rn 6, 14. Vgl. bereits von Mutius, Das Widerspruchsverfahren der VwGO als Verwaltungsverfahren und Prozeß Voraussetzung, S. 60. 52 BVerwG, Urt. v. 9. 5. 1985 - 2 C 5.83 - BVerwGE 71, 251 (254); Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht III, § 161 Rn 25; Kopp/Schenke, VwGO § 68 Rn 9; Busch, in: Knack, VwVfG, § 79 Rn 167. Nach zutreffender Ansicht ist während des Devolutiveffekts kumulativ weiterhin die Zuständigkeit der Ausgangsbehörde zur Abhilfe gegeben, eingehend Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 166 ff., mit Nachweisen zum Streitstand.

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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gangsbehörde nicht nach § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, S. 2 VwGO selbst über den Widerspruch entscheidet. Eine Folge des Verfahrensabschlusses durch Erlass des Widerspruchsbescheids ist, dass der Devolutiveffekt endet, mithin die Widerspruchsbehörde die Zuständigkeit über den Verfahrensgegenstand verliert. 53

2. Voraussetzungen des Erlasses des Verwaltungsaktes Als Voraussetzungen, unter denen der Erlass eines Verwaltungsaktes i. S. d. § 9 Halbs. 2 Alt. 1 VwVfG gegeben ist, kommen Anforderungen an Form [a)], Inhalt [b)], Bekanntgabe [c)], Rechtmäßigkeit [d)] und Unanfechtbarkeit [e)] der Maßnahme in Betracht. a) Form der Maßnahme

Der das Verwaltungsverfahren gemäß § 9 Halbs. 2 Alt. 1 VwVfG abschließende Erlass eines Verwaltungsaktes setzt notwendig eine Maßnahme voraus, die Behördenakt, Rechtsakt, öffentlich-rechtlicher Akt und Hoheitsakt gemäß § 35 S. 1 VwVfG ist. Eine Maßnahme ist Behördenakt („Maßnahme, die eine Behörde... trifft"), wenn sie einer Behörde (§ 1 Abs. 4 VwVfG) zurechenbar ist. 5 4 Eine Maßnahme ist Rechtsakt55 („zur Regelung"), wenn sie auf Erzeugung von Rechtsfolgen gerichtet ist. Dabei ist die Rechtsaktsqualität ein formelles (äußeres), nicht materielles (inneres) Merkmal der Maßnahme, da erst sie die Voraussetzung dafür schafft, dass der Maßnahme ein Regelungsgehalt zukommen kann. Eine Maßnahme ist öffentlich-rechtlicher Akt („auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts"), wenn sie dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. 56 Eine Maßnahme ist Hoheitsakt („Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme"), wenn sie auf einseitige Verbindlichkeit abzielt. 57 53 R Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rn 185; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 209. Zur formalen Instanzbeendigung durch einen nichtigen Verwaltungsakt s. BSG, Urt. v. 16.5.1995 - 9 RV 16/94 - BSGE 76,130 (135) m. w. N. 54

Die Zurechnung im hier verwendeten Sinne ist die „Zuschreibung" im Sinne Kelsens, Reine Rechtslehre, 180 ff. Von der Frage der Zurechnung („handeln können") ist die Frage der Zuständigkeit („handeln dürfen") streng zu unterscheiden, dazu Ehlers, Die Lehre von der Teilrechtsfahigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und die Ultra-vires-Doktrin des öffentlichen Rechts, S. 59 ff., 79 f. 55 Den rechtserzeugenden Charakter des Verwaltungsaktes betonend insbesondere Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 74 ff. 56 Die sog. Gebietsklausel nimmt auf den Rechtscharakter des Regelungsvorgangs, nicht des Regelungsinhalts Bezug, denn die intendierte Rechtsfolge des Verwaltungsaktes kann eine privatrechtliche sein, s. Erichsen, in: ders. / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 20 ff. Beispielsweise zielt eine Administrativenteignung als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt auf die Entziehung des zivilrechtlichen Eigentums ab, dazu s. u. III. 1. b) bb) (7.).

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1. Kap.: Begriffsbestimmung b) Inhalt der Maßnahme

Inhalt einer in Rechtsaktsform ergangenen Maßnahme ist ihre intendierte Regelung. Neben den vier formellen Merkmalen des Verwaltungsaktes [dazu s. o. a)] enthält § 35 S. 1 VwVfG zwei materielle Merkmale. Die Maßnahme muss danach auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet 58 und zur Regelung eines Einzelfalls getroffen sein. Das Erfordernis des Einzelfallcharakters der Regelung ist allerdings für personenbezogene Allgemein Verfügungen in § 35 S. 2 Var. 1 VwVfG gelockert und entfällt für sachbezogene Allgemeinverfügungen nach § 35 S. 2 Var. 2 und Var. 3 VwVfG vollständig. Der Abschluss des Verwaltungsverfahrens als die verwaltungsverfahrensrechtliche Funktion des Verwaltungsaktes knüpft lediglich an die Form der betreffenden Maßnahme, nicht an ihren Inhalt an. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Verwaltungsaktsbegriff lediglich formell oder auch materiell zu verstehen ist 5 9 Ein Verwaltungsverfahren schließt mithin auch durch Vornahme einer Maßnahme ohne Außenwirkungsfinalität oder ohne Einzelfallcharakter der Regelung ab. Indessen soll an dieser Stelle der Untersuchungsgegenstand auf solche Maßnahmen beschränkt werden, die nicht nur die formellen, sondern auch die materiellen Merkmale des § 35 VwVfG erfüllen.

c) Bekanntgabe der Maßnahme

Umstritten ist, zu welchem Zeitpunkt das Verwaltungsverfahren gemäß § 9 Halbs. 2 Alt. 1 VwVfG abschließt. Das Verwaltungsverfahren ist abgeschlossen, sobald auch die zeitlich letzte Voraussetzung des Verfahrensabschlusses vorliegt. Der Verfahrenabschluss tritt zumindest nicht ein, bevor die Behörde sich des Verwaltungsaktes als einer spezifischen verwaltungsrechtlichen Willenserklärung 60 57 Untunlich erscheint hingegen, „hoheitlich" als synonym mit „öffentlich-rechtlich" (mithin § 35 S. 1 VwVfG als insoweit tautologisch) zu verstehen, so aber Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn 45, 49; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn 5. Wie hier Ehlers, NVwZ 1983, 446 (448); ders. y JuS 1990, III ( I I I Fn 7); Hill, DVB1. 1989, 321 (322 f.). 58 Dazu, dass die geforderte „unmittelbare Rechtswirkung nach außen" eine Eigenschaft der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes betrifft s. nur Hans Meyer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 551 (556). 59 Zum materiellen oder formellen Verständnis des Verwaltungsaktes s. P. Stelkens/ U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 13 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 2, § 46 Rn 27 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 8; Renck, FS Knöpfle S. 291 (299); A. Lübbe, BayVBl. 1995, 97 (99). Zur dabei erforderlichen Unterscheidung zwischen Rechtsnatur und Rechtmäßigkeit einer Maßnahme s. Ehlers, Verw 31 (1998), 53 (59). 60 Zur Eigenschaft des Verwaltungsaktes als einer verwaltungsrechtlichen Willenserklärung, s. Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, S. 189; P Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens /Bonk /Sachs, VwVfG, § 35 Rn 39; Richter/Schuppert/Bumke, Casebook Verwal-

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

47

entäußert hat. Nach der auf den frühesten Zeitpunkt abstellenden Ansicht bildet bereits diese Entäußerung des Verwaltungsaktes den Abschluss des Verwaltungsverfahrens. 61 Ein mündlicher Verwaltungsakt ist in dem Augenblick bekannt gegeben i. S. d. § 41 V w V f G , in dem er vom Betroffenen vernommen und verstanden w i r d 6 2 , also praktisch sobald der Behördenvertreter ihn ausspricht. Doch liegt beispielsweise zwischen Absendung eines schriftlichen Verwaltungsaktes (Abgabe) und dessen tatsächlichem Empfang beim Bekanntgabeadressaten (Zugang) eine gewisse Zeitspanne. 63 Zudem gilt i m Anwendungsbereich der Dreitagesfiktionen der §§ 41 Abs. 2 V w V f G , 4 Abs. 1 V w Z G der Verwaltungsakt noch nach tatsächlichem Zugang bis zum Ablauf von drei Tagen nach Aufgabe zur Post noch nicht als bekannt gegeben. 64 Auch wenn die Bekanntgabe beispielsweise mangels passiver Verfahrenshandlungsfähigkeit des Bekanntgabeadressaten nach § 12 V w V f G die Wirksamkeit fehlt, ist der Verwaltungsakt abgegeben, aber (noch) nicht i. S. d. § 41 V w V f G bekannt gegeben. Der Erlass, mit dem das Verwaltungsverfahren gemäß § 9 Halbs. 2 A l t . 1 V w V f G abschließt, könnte als Tätigkeit der Behörde, der der Bekanntgabeerfolg

tungsrecht, S. 131; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 26; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn 6; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 1, § 36 Rn 8; dies., Verwaltungsrecht 2, § 45 Rn 42; Renck, BayVBl. 1973, 365 (368); Kluth, NVwZ 1990, 608 (608); Schmidt-De Caluwe, VerwArch 90 (1999), 49 (59). Aus österreichischer Sicht ebenso Winkler, Der Bescheid, S. 45 ff. Das Willenselement hervorhebend auch Kelsen, AöR 31 (1913), 53,190 ff. Gegen die Einordnung des Verwaltungsaktes als Willenserklärung vorgeblich Rüping, Verwaltungswille und Verwaltungsakt, Diss. Bonn 1986, S. 31, die dennoch die Relevanz des behördlichen Willens anerkennt. Wohl nur missverständlich Schmitt Glaeser, FS 50 Jahre Boorberg-Verlag, S. 36 f., der etwaige faktische Zwänge, denen die Behörde bei ihrer Entscheidung unterworfen ist, hervorhebt, indem er gewissen Verwaltungsakten schlechthin den Charakter als „Willensakt" abspricht. 61 Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 53 Rn 2; Schmidt-De Caluwe, VerwArch 90 (1999), 49 (60 f.). Ebenso unterscheidet das HbgOVG (Beschl. v. 11. 3. 1983 - Bs V 39/83 - InfAuslR 1983, 258, 259) in Auslegung des § 52 Nr. 3 S. 1 VwGO zwischen dem Erlass (Abfassung des schriftlichen Verwaltungsaktes am Behördensitz, Aussprache des mündlichen Verwaltungsaktes) und der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes am Aufenthaltsort des Adressaten. 62 R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 41 Rn 23. 63 Vgl. R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 41 Rn 15. 64 Zum Fiktionscharakter dieser Vorschriften s. BVerwG, Urt. v. 23. 7. 1965 - V I I C 170.64 - BVerwGE 22, 11 (12); Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn 174; Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 56 Rn 44; R Stelkens/ U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 41 Rn 58; Liebetanz, in: Obermayer, VwVfG, § 41 Rn 34. In der Sache übereinstimmend Henneke, in: Knack, VwVfG, § 41 Rn 18, der die Vorschrift als „unwiderlegbare Vermutung" versteht. Hingegen errichten eine dem Gegenbeweis zugängliche Vermutung die Beweislastregel der §§ 41 Abs. 2 Halbs. 2 VwVfG, 4 Abs. 1 Halbs. 2 VwZG die der Behörde die Beweislast für den Zugang innerhalb des Dreitageszeitraumes auferlegt.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

u. U. erst nachfolgt, verstanden werden. 65 Der Wortlaut lässt aber zu, unter Erlass nicht das punktuelle Ereignis der Abgabe des Verwaltungsaktes sondern den gestreckten Vorgang von der Abgabe über den tatsächlichen Zugang bis hin zum Bekanntgabeerfolg zu begreifen. 66 Der materielle Gesetzgeber verwendet den Begriff des Erlasses außer in § 9 VwVfG beispielsweise in § 37 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 VwVfG (Form des Erlasses), in § 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG (Erlass gleichartiger Verwaltungsakte) und in § 44 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG (Erlass durch Aushändigen einer Urkunde). In den einzelnen Vorschriften werden an das Vorliegen des Erlasses Rechtsfolgen geknüpft, ohne die begrifflichen Voraussetzungen des Erlasses zu bestimmen. Jedoch kann zumindest in der Vorschrift des § 53 Abs. 1 VwVfG, nach der bereits der Erlass eines zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers die Unterbrechung der Verjährung herbeiführt, als Erlasszeitpunkt nur der Zeitpunkt der Bekanntgabe, nämlich der Zeitpunkt der Bekanntgabe an den Anspruchsverpflichteten, verstanden werden. 67 Zwar tritt der Abschluss des behördlichen Verwaltungsverfahrens nach § 9 Halbs. 2 Alt. 1 VwVfG notwendig gegenüber allen Betroffenen zugleich ein. Deshalb ist jedenfalls die auf eine Person bezogene Bekanntgabe entbehrlich, um auch dieser Person gegenüber den Verfahrensabschluss herbeizuführen. Doch spricht das systematische Argument aus § 53 Abs. 1 VwVfG für den Zeitpunkt des Bekanntgabeerfolges gegenüber einer Person als Zeitpunkt des Verfahrensabschlusses gegenüber allen Personen. Der prozessuale Gesetzgeber verwendet den Begriff des Erlasses - außer in § 59 VwGO bezüglich der Rechtsbehelfsbelehrung - insbesondere in § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO im Hinblick auf die statthafte Rechtsschutzform. Der Erlass bildet dabei den Gegenbegriff zur Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes. Dieser Vorschrift liegt das Verständnis des prozessualen Gesetzgebers zugrunde, dass alle Wirkungen des Verwaltungsaktes erst mit dessen Erlass eintreten. Vor dem Erfolg der Bekanntgabe gegenüber einer Person bringt der Verwaltungsakt nach § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG zumindest keine materiellrechtlichen Folgen hervor. Es ist kein Grund ersichtlich, aus dem die verfahrensrechtliche Wirkung des Verwaltungsaktes gemäß § 9 VwVfG bereits vor dem Bekanntgabeerfolg eintreten sollte. Zwischen Abgabe und Bekanntgabeerfolg muss der Behörde die Möglichkeit zugestanden werden, den Eintritt der Wirkungen des Verwaltungsaktes als einer verwaltungsrechtlichen Willenserklärung durch einen „Widerruf 4 entsprechend § 130 Abs. 1 S. 2 BGB zu verhindern. 68 Im Zivilrecht ermöglicht § 130 Abs. 1 S. 2 BGB 65 So HbgOVG, Beschl. v. 11. 3. 1983 - Bs V 39/83 - InfAuslR 1983, 258 (259); Ule/ Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 53 Rn 2 (mit dem hier nicht weiterführenden Hinweis auf die Vorschriften §§ 37 Abs. 2 S. 1, Abs. 4, 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG a. F.). 66 R Stelkens/Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 9 Rn 184. 67

Zum Argument aus § 53 Abs. 1 VwVfG bereits P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rn 184. 68 Skouris, VerwArch 65 (1974), 264 (277). Zu den materiellrechtlichen Folgen eines solchen „Widerrufs" s. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 2,167.

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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den „Widerruf 4 einer privatrechtlichen empfangsbedürftigen Willenserklärung. Anders als die Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB führt der rechtzeitige „Widerruf 4 nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB nicht zum Verlust der Wirksamkeit der bereits wirksam gewordenen Willenserklärung, sondern hindert schon in statu nascendi das Wirksamwerden der Willenserklärung. Anders als ein Widerruf nach § 49 VwVfG vereitelt mithin ein rechtzeitiger „Widerruf' des Verwaltungsaktes entsprechend § 130 Abs. 1 S. 2 BGB den Bekanntgabeerfolg i. S. d. § 41 VwVfG. Dies gilt auch dann, wenn wegen der Dreitagesfiktionen der §§ 41 Abs. 2 VwVfG, 4 Abs. 1 VwVG der tatsächliche Zugang bereits stattgefunden hat. 69 Denn da es sich um Fiktionen, nicht um dem Gegenbeweis zugängliche Vermutungen handelt, kommt eine Anwendung ausschließlich zu Gunsten des Betroffenen nicht in Betracht 70, zumal bei Verwaltungsakten, dessen unteilbarer Regelungsgehalt den selben Betroffenen sowohl begünstigt, als auch belastet (Verwaltungsakte mit Mischwirkung 71 ) eine Anwendung ausschließlich zu Gunsten des Betroffenen bereits der rechtstechnischen Konstruktion nach nicht möglich ist. Zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nach § 9 VwVfG ist somit die Abgabe des Verwaltungsaktes nicht hinreichend, sondern der Erfolg der Bekanntgabe zumindest gegenüber einer Person erforderlich. 72 Unter welchen Voraussetzungen eine Bekanntgabe des Verwaltungsaktes vorliegt, ergibt sich aus den (nicht abschließenden) Regelungen der §§ 41 VwVfG, 2 ff. VwVG und subsidiär aus den zu § 130 BGB für Abgabe und Zugang empfangsbedürftiger Willenserklärungen entwickelten allgemeinen Rechtsgrundsätzen.73

d) Rechtmäßigkeit der Maßnahme

Der Abschluss des Verwaltungsverfahrens setzt weder die Rechtmäßigkeit der betreffenden Maßnahme noch das Fehlen qualifizierter Rechtsfehler voraus. & R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 41 Rn 64,4 a. 70 So aber v. d. Groeben/Knack, LVwG SH, § 149 Rn 5; Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 41 Rn 13; Liebetanz, in: Obermayer, VwVfG, § 41 Rn 34. Wie hier im Ergebnis Henneke, in: Knack, VwVfG, § 41 Rn 18 a. 71 Um Missverständnisse zu vermeiden ist dieser Ausdruck vorzuziehen, da der Gesetzgeber in § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO (vgl. § 80 a VwGO) als „Verwaltungsakte mit Doppelwirkung" die Verwaltungsakte mit Drittwirkung bezeichnet. Zu dieser terminologischen Frage s. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 50 Rn 12 ff., 61, § 48 Rn 129 f. 72 Wie hier BVerwG, Urt. v. 10. 4. 1978 - 6 C 27.77 - BVerwGE 55, 299 (303); OVG RP, Beschl. v. 31. 1. 1983 - 11 B 215/82 - DVB1. 1983, 955; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn 64; P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rn 183 f.; R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 41 Rn 28; Ehlers, Liber Amicorum Erichsen, S. 1 (5 f.); wohl auch Badura, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 38 Rn 2,4. Hingegen verlangt Riedl, in: Obermayer, VwVfG, § 9 Rn 36, den Bekanntgabeerfolg gegenüber allen Betroffenen. 73 R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 41 Rn 4 a ff. 4 Steinweg

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

Denn ebenso wie eine rechtswidrige oder sogar nichtige gerichtliche Entscheidung zur Instanzbeendigung führt, vermag auch eine schlicht-rechtswidrige oder sogar nach § 44 VwVfG nichtige Maßnahme das Verwaltungsverfahren abzuschließen.74 e) Unanfechtbarkeit

der Maßnahme

Nach einer Ansicht 75 setzt der Abschluss des Verwaltungsverfahrens über den Erfolg der Bekanntgabe hinaus die Unanfechtbarkeit, also den Ablauf der mit Bekanntgabe des Verwaltungsaktes in Gang gesetzten Anfechtungsfristen, voraus. Zur Stützung dieser Auffassung wird vorgebracht, § 13 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG räume die Stellung eines Verfahrensbeteiligten nicht nur demjenigen ein, an den die Behörde den Verwaltungsakt richten will, sondern auch demjenigen, an den die Behörde den Verwaltungsakt bereits gerichtet hat. 76 Doch handelt es sich insoweit um Nachwirkungen des Verwaltungsverfahrens, die für den Zeitraum nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens Platz greifen 77 (vgl. o. 1.). Es ist deshalb nicht erforderlich, den Verfahrensabschluss auf den Zeitpunkt des Eintritts der Unanfechtbarkeit hinauszuzögern. Vielmehr geht aus §§ 79 Halbs. 2 VwVfG, 69 VwGO hervor, dass mit dem gegen den Verwaltungsakt gerichteten Anfechtungswiderspruch ein neues Verwaltungsverfahren eingeleitet wird. Das Anfechtungswiderspruchsverfahren ist somit gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsverfahren, das den angefochtenen Verwaltungsakt hervorgebracht hat, eigenständig.78 Da das Widerspruchsverfahren nicht das Ausgangsverfahren fortsetzt, ist der Eintritt der Unanfechtbarkeit für den Abschluss des Ausgangsverfahrens bedeutungslos. Auch geht § 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG davon aus, dass ein für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlicher Antrag nachträglich gestellt wird. Läge begrifflich mit der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes noch kein Erlass vor, wäre der Verwaltungsakt bereits nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG rechtmäßig, ohne dass es einer Heilung nach § 45 VwVfG bedürfte. 79 74 R Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rn 185, Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 209. 75 Woljf/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 2, § 60 Rn 25 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 9 Rn 182; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 9 Rn 30; wohl auch Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 22 Rn 79; undeutlich Borgs, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 9 Rn 12 ff. Für ein Verpflichtungsbegehren auch BVerwG, Urt. v. 24. 5. 1995 - 1 C 7.94 - BVerwGE 98,313(316). 76 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 9 Rn 182; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 9 Rn 30; § 13 Rn 9. 77 R Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rn 183,198. 78 P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rn 183, 198; wohl auch BVerwG, Urt. v. 30. 6. 1983 - 2 C 76.81 - DVB1. 1984, 53. 79 Zum Argument aus § 45 VwVfG bereits P. Stelkens / Schmitz, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 9 Rn 183.

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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Der das Verwaltungsverfahren abschließende Erlass setzt mithin die Unanfechtbarkeit des betreffenden Verwaltungsaktes nicht voraus. 8 0

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis können als Folgen und Voraussetzungen des Erlasses des Verwaltungsaktes festgehalten werden: Folgen des Erlasses Abschluss des Verwaltungsverfahrens (§ 9 Halbs. 2 Alt. 1 VwVfG), insbesondere - Ausweitung des Akteneinsichtsrechts (§ 29 Abs. 1 S. 2 VwVfG) - Entpflichtung von Zeugen und Sachverständigen (§ 26 Abs. 3 S. 2 VwVfG) - Beendigung der Verwaltungsinstanz Voraussetzungen des Erlasses Anforderungen an die Form - Behördenakt („Maßnahme einer Behörde") - Rechtsakt („zur Regelung") - Öffentlich-rechtlicher Akt („auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts") - Hoheitsakt („Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme") Anforderungen an den Inhalt (gemäß Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes) - Außenwirkungsfinalität („auf unmittelbarer Rechtswirkung nach außen gerichtet") - Einzelfallregelung (Ausnahmen für Allgemeinverfügungen) Anforderungen an die Bekanntgabe - Bekanntgabe an beliebige Person Anforderungen an die Rechtmäßigkeit - Keine Anforderungen, insbesondere Nichtigkeit unbeachtlich Anforderungen an die Unanfechtbarkeit - Keine Anforderungen

II. Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes I m Rahmen dieser Untersuchung wird unter äußerer Wirksamkeit des Verwaltungsaktes verstanden, was in einem ersten, heuristischen Zugriff mit der rechtlichen Existenz des Verwaltungsaktes umschrieben werden kann. 8 1 Zunächst wird so Hinterseh, JA 2004, 83 (86). So wohl auch Hans Meyer, in: ders./ Borgs, VwVfG, § 35 Rn 13; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rn 21; Badura, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 38 Rn 1. 81 Insoweit übereinstimmend BVerwG, Urt. v. 21. 6. 1961 - VIII C 398.59 - BVerwGE 13, 1 (6 f.); Urt. v. 1. 2. 1978 - 6 C 9.77 - BVerwGE 55, 212 (214 f.); Seibert, Bindungswirkung des Verwaltungsaktes, S. 206 f.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 155; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13 Rn 1; Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 43 Rn 6. 4*

52

1. Kap.: Begriffsbestimmung

der Begriff der äußeren Wirksamkeit anhand der daran anknüpfenden Folgen definiert (1.), sodann wird dargestellt, dass der Verwaltungsakt äußere Wirksamkeit mit einer bestimmten intendierten Regelung (2.) kraft der so genannten Einordnungsnorm erlangt (3.).

1. Folgen der äußeren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes Der Begriff der äußeren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes ist gebräuchlich, aber in Rechtsprechung und Lehre nicht unumstritten. Teilweise wird dreischrittig zwischen Existenz, äußerer Wirksamkeit und innerer Wirksamkeit des Verwaltungsaktes unterschieden 82, vereinzelt wird auch eine Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Wirksamkeit abgelehnt83. In der Sache umstritten ist, welche Rechtsfolgen an die Wirksamkeit - oder an die verschiedenen „Wirksamkeiten" des Verwaltungsaktes anknüpfen und unter welchen Voraussetzungen ein wirksamer Verwaltungsakt gegeben ist. In dieser Untersuchung wird zweischrittig zwischen der äußeren Wirksamkeit und der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes unterschieden. 84 Rechtswissenschaftlichen Nutzen hat die Auseinandersetzung um den Begriff der äußeren oder auch der inneren Wirksamkeit nur, insoweit die Diskussionsteilnehmer gleiche rechtliche Zusammenhänge mit gleichen Bezeichnungen belegen. Anderenfalls wird nur über Worte, nicht über Inhalte gestritten. Erforderlich ist deshalb die Angabe, welcher Begriffsinhalt mit äußerer Wirksamkeit des Verwaltungsaktes bezeichnet werden soll. 85 82 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn 66, § 10 Rn 20; Kopp /Ramsauer, VwVfG, § 43 Rn 5 f. (anders aber Rn 3); Ehlers, Liber Amicorum Erichsen, S. 2 f.; Gröpl, JA 1995,903 (906). 83 So Schmidt-De Caluwe, VerwArch 90 (1999), 49 (54).

m Insoweit auch BVerwG, Urt. v. 21. 6. 1961 - VIII C 398.59 - BVerwGE 13, 1 (6 f.); Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 43 Rn 2, 13; Seibert, Bindungswirkung des Verwaltungsaktes, S. 206f.; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 43 Rn 1; Erichsen, in: ders./ Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13 Rn 1; Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 43 Rn 6; Erbguth, Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte, S. 39 ff.; Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 46 ff.; Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 2 f.; Knoke, Rücknahme von Verwaltungsakten, S. 72 ff.; Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 56; Krebs, VerwArch 68 (1977), 285 (288); Ehlers, Verw 37 (2004), 255 (272 f.). Widersprüchlich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 155 f., 169, der einerseits äußere Wirksamkeit als die keiner personenbezogenen Relativierung zugängliche rechtliche Existenz versteht, andererseits die äußere Wirksamkeit nur gegenüber der Person anerkennt, welcher der Verwaltungsakt bekanntgegeben wird. 85 Zu beachten ist, dass die Wahl des Inhalts für eine vorgegebene Bezeichnung bzw. die Wahl der Bezeichnung für einen vorgegebenen Inhalt ausschließlich eine rechtswissenschaftliche Definition ist und damit keine rechtswissenschaftliche Aussage enthält. Eine Definition kann nicht wahr oder falsch, sondern nur zweckmäßig oder unzweckmäßig sein. Rechtswissenschaftliche Aussagen lassen sich dann lediglich unter Gebrauch des durch die Definition festgelegten Rechtsbegriffes treffen.

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

53

Bei der äußeren Wirksamkeit handelt es sich zwar nicht um einen vom Gesetzgeber verwendeten, aber doch um einen von der juristischen Dogmatik bereitgehaltenen Rechtsbegriff. Ein Rechtsbegriff knüpft an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen den Eintritt bestimmter rechtlicher Folgen. Der Rechtsbegriff bildet mithin einen „Knotenpunkt" 86 von Begriffsfolgen und Begriffsvoraussetzungen und gleicht insoweit einer Rechtsnorm, die als konditionales Programm einen Tatbestand mit einer Rechtfolge verknüpft 87 (dazu s. o. A. II.). Eine Unterscheidung zwischen Begriffsfolgen und Begriffsvoraussetzungen nimmt etwa bereits Savigny vor, wenn er den zivilrechtlichen Besitzbegriff „formell und materiell zu bestimmen" sucht - „formell" durch Angabe der Folgen des Besitzes, „materiell" durch Angabe der Voraussetzungen des Besitzes.88 Die Definition eines Rechtsbegriffes setzt dabei gemeinhin nicht an den Begriffsvoraussetzungen, sondern an den Begriffsfolgen an. 89 Der Begriff der äußeren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes ist demnach anhand der mit der äußeren Wirksamkeit verbundenen Rechtsfolgen zu definieren. Zweckmäßig erscheint, unter äußerer Wirksamkeit des Verwaltungsaktes die Zusammenfassung nachfolgend benannter materieller [a>] und prozessualer [b)] Rechtsfolgen zu verstehen. 90

a) Materielle

Rechtsfolgen der äußeren Wirksamkeit

In materieller Hinsicht bezeichnet die äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes vor allem den Schutz durch die Verbote amtswegiger Aufhebung. Die Aufhebung des Verwaltungsaktes bedeutet die Beseitigung seiner intendierten Regelung durch einen Aufhebungsakt. Insbesondere ist die behördliche Aufhebung eines Verwaltungsaktes durch einen anderen Verwaltungsakt oder durch verwaltungsrechtlichen Vertrag möglich [s. u. E. I. 3. a), d)]. Die Befugnis der Behörde zur amtswegigen Aufhebung durch Rücknahme und Widerruf ist in den allgemeinen Vorschriften der §§ 48 ff. VwVfG sowie in besonderen Vorschriften Beschränkungen unterworfen. Etwa schließt nach § 48 Abs. 2 S. 1, S. 2 VwVfG schutzwürdiges Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand eines Geldleistungs-Verwaltungsaktes die Rücknahme grundsätzlich aus. Zudem ist die Rücknahme eines beliebigen begünstigenden Verwaltungsaktes regelmäßig nur innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 S. 1 86

Schmidt-De Caluwe, VerwArch 88 (1997), 49 (65), spricht insoweit von einer „Doppeloder Scharnierfunktion" des Rechtsbegriffs. 87 Eingehend Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 40 ff. 88 Savigny, Das Recht des Besitzes, S. 27 f. (und daran anknüpfend S. 29 ff., 108 ff.). Zu diesem Beispiel bereits Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 47 ff. 89 Vgl. Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 89 ff. 90 An dieser Stelle muss der Ansicht Huxholls, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 96, widersprochen werden, dass die äußere Wirksamkeit im Gegensatz zur inneren Wirksamkeit lediglich faktische Folgen, keine Rechtsfolgen hervorrufe. Richtig ist allerdings, dass die mit dem Verwaltungsakt intendierten Rechtsfolgen nur aufgrund der inneren Wirksamkeit eintreten [s. u. III. 1. a)].

54

1. Kap.: Begriffsbestimmung

VwVfG zulässig.91 Der Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte ist nach den Katalogen des § 48 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 5, Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 VwVfG noch weitergehend auf bestimmte Widerrufsgründe beschränkt. Dabei unterliegt auch der Widerruf gemäß §§ 48 Abs. 4 S. 1, 49 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2 VwVfG grundsätzlich einer Fristbindung. Anders als eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG ist ein auf § 49 Abs. 1, Abs. 2 VwVfG gestützter Widerruf nur ex nunc zulässig. So ist mit den gesetzlichen Ermächtigungen zur amtswegigen Aufhebung durch Rücknahme oder Widerruf zugleich der Bereich solcher Fälle abgesteckt, in denen eine amtswegige Aufhebung verboten ist. 92 Nach § 47 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt unter bestimmten weiteren Voraussetzungen in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden (dazu s. u. F. HI.). Als der Umdeutung zugänglicher (statthafter) Gegenstand ist jeder äußerlich wirksame Verwaltungsakt anzusehen.93

b) Prozessuale Rechtsfolgen der äußeren Wirksamkeit

Dem Verwaltungsakt kommt heute keine rechtswegeröffnende oder auch nur rechtswegbestimmende Funktion mehr zu. 9 4 Allerdings bestimmt das Vorliegen eines Verwaltungsaktes die statthafte Rechtsschutzform. Begehrt der Kläger die Aufhebung eines vorhandenen Verwaltungsaktes durch das Gericht, so ist gemäß §§ 42 Abs. 1 Alt. 1, 88 VwGO die Anfechtungsklage statthaft. Die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage kann mithin als prozessuale Rechtsfolge der äußeren Wirksamkeit verstanden werden. 91 Ausnahmen von der Fristbindung der Rücknahme ergeben sich insbesondere aus § 48 Abs. 4 S. 2 VwVfG und § 50 VwVfG sowie aus dem gemeinschaftsrechtlichen Effizienzgebot (Vereitelungsverbot). Zur insoweit einschlägigen Alcan-Rechtsprechung des EuGH siehe nur Ehlers, DZWir 1998,491 ff. 92

Zur amtswegigen Aufhebung und ihren gesetzlichen Grenzen s. Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 28 ff. Die Verbote amtswegiger Aufhebung fasst Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn 40 unter dem (allzu farblosen) Begriff der „Bindungskraft" zusammen. 93 Die Fehlerhaftigkeit des Ausgangsverwaltungsaktes ist demgegenüber nur eine weitere Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Umdeutung, s. nur Laubinger, VerwArch 78 (1987), 207 (345, 353 f.). 94 Dies zumindest dem Wortlaut nach nahelegend (vgl. aber Ehlers, in: Schoch/SchmidtAßmann/Pietzner, VwGO, § 40 Rn 3) hingegen noch Art. 107 WRV, §§ 127 ff. PVG (Preußen), § 22 VGG (amerikanische Zone), § 25 MRVO Nr. 165 (britische Zone). Allein der vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende § 23 EGGVG knüpft an sog. „Justizverwaltungsakte" die Eröffnung des ordentlichen Rechtsweges. Zur früheren Rechtsschutzorientierung des Verwaltungsaktsbegriffs s. P Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 2; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 3. Etwa bezeichnete das Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt zeitweilig als „Zweckschöpfung", durch den wirksamer Rechtsschutz gewährleistet werden sollte, Urt. v. 28. 11. 1969 V I I C 18.69 - BVerwGE 34, 248 (250 f.).

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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Da es zweckmäßig erscheint, die äußere Wirksamkeit als die rechtliche Existenz des Verwaltungsaktes personenunabhängig zu definieren 95, soll der Beginn etwaiger Anfechtungsfristen (§§ 70, 74, 58 VwGO) keine Aufnahme in die Definition der äußeren Wirksamkeit finden. Denn der Beginn der Anfechtungsfrist gegenüber einer Person hängt grundsätzlich von der auf diese Person bezogenen Bekanntgabe ab, die Länge der Anfechtungsfrist davon, ob diese Person ordnungsgemäß über den einzulegenden Rechtsbehelf belehrt worden ist. Mit der Rechtsschutzform der Anfechtungsklage sind bestimmte Zulässigkeits[aa)] und Begründetheitsvoraussetzungen [bb)] sowie ein bestimmter Inhalt der gerichtlichen Entscheidung [cc>] verbunden. Bedeutsam ist die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage darüber hinaus für den vorläufigen Rechtsschutz [dd)] sowie die Konkurrenzen zu anderen Rechtsschutzformen in der Hauptsache [ee)].

aa) Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anfechtungsklage Die Anfechtungsklage löst besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen aus und modifiziert die klageartunabhängigen (und in diesem Sinne allgemeinen) Sachentscheidungsvoraussetzungen. Sofern die Klagebefugnis, obwohl in § 42 Abs. 2 VwGO nur bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen ausdrücklich verlangt, entsprechend bei den übrigen Klagearten gefordert wird 9 6 , handelt es sich dabei um kein Spezifikum der Anfechtungsklage. Sonderregelungen für die Anfechtungsklage enthält zumindest § 52 Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4 S. 3 VwGO im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit des zur Entscheidung berufenen Gerichts. Auch liegt die passive Prozessführungsbefugnis 97, soweit das Landesrecht 98 dies gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO bestimmt, in Abweichung vom Rechtsträgerprinzip des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO in passiver Prozessstandschaft 99 für den Verwaltungsträger bei 95 Insoweit auch Sachs, in: Stelkens /Bonk/ Sachs, VwVfG, § 43 Rn 166. % So etwa BVerwG, Urt. v. 28. 10. 1970 - V I C 46.68 - BVerwGE 36, 192 (199) für die allgemeine Leistungsklage, BVerwG, Urt. v. 6. 2.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1 (4) für die Nichtigkeitsfeststellungsklage. Eingehend die Stellungnahmen bei Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn 21 ff.; Laubinger, VerwArch 82 (1991), 459 (478 ff.); Ehlers, VerwArch 84(1993), 139 (142 ff.). 97 Regelungsgegenstand des § 78 VwGO ist nur die prozessuale Frage nach dem richtigen Beklagten für den geltend gemachten Anspruch (passive Prozessführungsbefugnis), nicht jedoch die materiellrechtliche Frage nach dem richtigen Anspruchsgegner (Passivlegitimation). Dies zu regeln wäre dem Bundesgesetzgeber bereits mangels alle Gebiete des Verwaltungsrechts umfassender Gesetzgebungskompetenz auch so nicht möglich gewesen, eingehend Ehlers, FS Menger, S. 379 ff., daran anknüpfend Meissner, in: Schoch / SchmidtAßmann/Pietzner, VwGO, § 78 Rn 8 ff. 98 Beispielsweise § 5 Abs. 2 AG VwGO NRW. Am rechtspoliüschen Sinn dieser Regelung zweifelnd Klenke, NWVB1. 2004, 85 ff. 99 BVerwG, Urt. v. 25. 8. 1988 - 2 C 62.85 - BVerwGE 80, 127 (128); Ehlers, FS Menger, S. 379 (390); Meissner, in: Schoch /Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 78 Rn 38.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat 1 0 0 . Besondere Sachentscheidungsvoraussetzung der Anfechtungsklage ist grundsätzlich das behördliche Vorverfahren gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO. 1 0 1 Insbesondere erwächst der Widerspruchsbehörde mit Einleitung des Vorverfahrens die Entscheidungszuständigkeit nach § 73 VwGO. Weitere besondere Sachentscheidungsvoraussetzung der Anfechtungsklage ist die Bindung an eine Anfechtungsfrist gemäß §§ 74, 58 VwGO. Diese Fristbindung der Anfechtungsklage verbunden mit der grundsätzlich rechtsfehlerunabhängigen Verbindlichkeit des Verwaltungsaktes beschweren den Betroffenen mit einer spezifischen Anfechtungslast 102. Der Betroffene muss einen Verwaltungsakt entweder fristgemäß angreifen oder eine durch den Verwaltungsakt bewirkte etwaige Verletzung in seinen subjektiven Rechten dauerhaft hinnehmen.

bb) Begründetheitsvoraussetzungen der Anfechtungsklage Die zulässige Anfechtungsklage ist nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO dann begründet, wenn der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist.

100 Dies ist grundsätzlich die Ausgangsbehörde, ausnahmsweise jedoch die Widerspruchsbehörde, falls nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 VwGO der Widerspruchsbescheid alleiniger Anfechtungsgegenstand ist. 101 Dabei ist umstritten, ob es sich, was die Formulierung des § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO („Vor Erhebung der Anfechtungsklage ...") nahe legt, um eine echte Prozessvoraussetzung (so v. Mutius, Das Widerspruchsverfahren der VwGO als Verwaltungsverfahren und Prozeßvoraussetzung, S. 61, 132 ff., vorsichtiger ders., FS Menger, S. 575, 596; zust. Ehlers, JURA 2004, 30, 34) oder bloß um eine nachholbare Sachentscheidungsvoraussetzung handelt (so BVerwG, Urt. v. 13. 12. 1956 - I C 36.56 - BVerwGE 4, 203, 204; Urt. v. 2. 9. 1983 - 7 C 97/81 - NVwZ 1984, 507; U. Meier, Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens, S. 7 ff.; krit. Dolde, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vor § 68 Rn 2 f., § 68 Rn 35 m. w. N.). Jedenfalls ist die Auffassung von Kothe, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 68 Rn 6 f. abzulehnen, nach der das Vorverfahrenserfordernis keine Voraussetzung der Zulässigkeit, sondern lediglich der Begründetheit der Anfechtungsklage ist. Ausnahmsweise entbehrlich ist das Vorverfahren nach § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO, nach spezialgesetzlichen Vorschriften sowie dann, wenn die Zwecke des Vorverfahrens (Selbstkontrolle der Verwaltung, Entlastung der Gerichte, Schutz subjektiver Rechte) nicht erreicht werden können (eingehend U. Meier, Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens, S. 8 ff.). Umgekehrt ist ein Vorverfahren auch bei der Verpflichtungsklage (§ 68 Abs. 2 VwVfG) und rechtsschutzformunabhängig bei Klagen aus dem Beamten Verhältnis (§ 126 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 1 BRRG) vorgeschrieben. 102 Dazu s. nur BVerwG, Urt. v. 26. 9. 2001 - 9 A 3.01 - BVerwGE 115,158 ff.

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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cc) Inhalt der gerichtlichen Entscheidung über die Anfechtungsklage Den Anfechtungsprozess schließt das Gericht, wenn nicht durch Prozessurteil, dann durch ein der Klage stattgebendes oder die Klage abweisendes Sachurteil ab. 1 0 3 Das stattgebende Anfechtungsurteil hebt gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO den Verwaltungsakt auf. Regelungsgehalt des Urteils ist insoweit eine über die personellen Grenzen der Rechtskraft aus § 121 VwGO hinausgehende, erga omnes wirkende, Gestaltung der Rechtslage.104 Daneben gehört die Feststellung der (objektiven) Rechtswidrigkeit 105 und der (subjektiven) Rechtsverletzung durch den angefochtenen Verwaltungsakt mit zum Regelungsausspruch der gerichtlichen Entscheidung106 und ist nicht lediglich Begründetheitsvoraussetzung. Dieses Feststellungselement des stattgebenden Anfechtungsurteils präjudiziert insbesondere in einem nachfolgenden zivilgerichtlichen Amtshaftungsprozess die Frage der Verletzung der Amtspflicht zu außenrechtskonformem Verhalten 107 durch Erlass oder Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes und die Frage der Drittgerichtetheit dieser Amtspflicht 108 . Die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO wird zutreffend als „amputierte Anfechtungsklage" 109 verstanden. Das Fortsetzungsfeststellungsurteil ist gegenüber dem Anfechtungsurteil insoweit ein minus, wie es infolge Erledigung des zugrunde liegenden Verwaltungsaktes keine Auf103 Ausnahmsweise tritt an die Stelle des Urteils nach § 107 VwGO gemäß § 84 VwGO ein Gerichtsbescheid. 104 J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn 3; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 121 Rn 37. Unzutreffend ist aber die dortige Relativierung, das Anfechtungsurteil führe lediglich zu der Rechtslage zurück, wie sie sich ohne den (nach Ansicht des Gerichts) rechtswidrigen Verwaltungsakt darstellt. Denn die Aufhebung setzt nicht an den vom Verwaltungsakt etwaig hervorgerufenen intendierten Rechtsfolgen an, sondern ergreift über die innere auch die äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes (s. u. E. I. 1.). Anderenfalls wäre die Anfechtung eines nicht innerlich wirksamen (beispielsweise nichtigen oder nicht dem Kläger bekanntgegebenen) Verwaltungsaktes gegenstandslos. - Zur erga omnes Wirkung von Gestaltungsurteilen s. allgemein Leipold, in: Stein /Jonas, ZPO, Bd. 4, Teilbd. 1, § 325 Rn 7; Gottwald, in: Münchener Kommentar, ZPO, § 322 Rn 19. i° 5 Rohlfing, Nachprüfbarkeit bestandskräftiger Verwaltungsakte, S. 147. 106 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rn 80. i° 7 Eine Amtspflicht zu außenrechtskonformen Verhalten ergibt sich grundsätzlich auch dann, wenn man mit der überkommenen Auffassung Amtspflichten als Innenrechtspflichten versteht. Wenn man mit Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn 29 f. (Lfg. 1998); ders. y in Münchner Kommentar, BGB, § 839 Rn 189 ff., die Amtspflichten als Außenrechtspflichten versteht, erschöpfen sich die Amtspflichten in der Pflicht zu außenrechtskonformen Verhalten. 108 Die Bindung der Zivilgerichte an die Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit durch das Verwaltungsgericht bejahen BGH, Urt. v. 9. 7. 1953 - III ZR 193/51 BGHZ 10, 220 (227); Urt. v. 10. 6. 1985 - III ZR 3/84 - JZ 1986, 180 (182); Urt. v. 16. 1. 1997 - III ZR 117/95 - BGHZ 134, 268 (273); Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 121 Rn 29; Wurm, in: Staudinger, BGB, § 839 Rn 439 f. (2002); Papier, JZ 1986,183(184). 109 So ausdrücklich Gerhardt, in: Schoch /Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 113 Rn 77; Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn 97.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

hebung aussprechen kann, mithin ein gestaltender Regelungsgehalt fehlt. Indessen weist das Fortsetzungsfeststellungsurteil ebenso wie das Anfechtungsurteil einen feststellenden Regelungsgehalt auf, indem es die Feststellung trifft, dass der Verwaltungsakt „rechtswidrig gewesen ist". 1 1 0 Die Feststellung nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO bezieht sich dabei sowohl auf die objektive Rechtswidrigkeit als auch auf die subjektive Rechtsverletzung, denn es kann nicht angenommen werden, das Fortsetzungsfeststellungsurteil bleibe hinter dem Anfechtungsurteil auch insoweit zurück, wie dies nicht durch die Erledigung des Verwaltungsaktes erzwungen ist. 1 1 1 Das die Anfechtungsklage abweisende Sachurteil beinhaltet mangels Begründetheit nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO keine Rechtsgestaltung durch Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes. Der Entscheidungsinhalt beschränkt sich auf die Feststellung, dass der Verwaltungsakt rechtmäßig ist oder aber keine Rechte des Klägers verletzt. Diese Feststellung präjudiziert die Entscheidung des Zivilgerichts in einem nachfolgenden Anfechtungsprozess, indem sie eine Verletzung der Amtspflicht zu außenrechtskonformem Verhalten durch Erlass oder Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes bzw. die Drittgerichtetheit dieser Amtspflicht ausschließt. 112 dd) Vorläufiger Rechtsschutz Vorläufiger Rechtsschutz gegen einen Verwaltungsakt wird nach §§ 80, 80 a VwGO gewährt, indem dem in der Hauptsache eingelegten Anfechtungsrechts110 Die Fortsetzungsfeststellungsklage lässt sich hingegen nicht als Unterfall der allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO verstehen. Denn die festzustellende Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ist zwar Vorfrage gewisser Rechtsverhältnisse (z. B. des materiellrechtlichen Anspruchs des Anfechtungsklägers auf Aufhebung des Verwaltungsaktes), aber nicht selbst ein der Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis, Laubinger, VerwArch 82 (1991), 459 (487) m.w. N.; Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn 77; Ehlers, JURA 2001, 415 (417). Dies bestätigt der Umstand, dass es in § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO einer gegenüber der allgemeinen Feststellungsklage eigenständigen Regelung der auf Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes (als einer qualifizierten Rechtswidrigkeit) gerichteten Klage bedurfte. - Diese Ausführungen betreffen ausschließlich die Fortsetzungsfeststellungsklage in Anfechtungsbegehren. Offen bleiben kann hier, ob auch in Verpflichtungsbegehren eine Fortsetzungsfeststellungsklage (analog oder doppelt analog §113 Abs. 1 S. 4 VwGO) zuzulassen ist oder ob insoweit bereits die allgemeine Feststellungsklage (gemäß § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) effektiven Rechtsschutz ermöglicht. Vgl. dazu Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn 100 ff. 111 Zur subjektiven Rechtsverletzung als Begründetheitsvoraussetzung der Fortsetzungsfeststellungsklage BVerwG, Urt. v. 23. 3. 1982 - 1 C 157.79 - BVerwGE 65, 167 (170 f.); Urt. v. 3. 3. 1987 - 1 C 15.85 - BVerwGE 77, 70 (73); BayVGH, Beschl. v. 18. 12. 1989 4 B 88.9761 - BayVBl. 1990, 178 (179); Ehlers, JURA 2001,415 (422). 112 Zum umgekehrten Fall BGH, Urt. v. 30. 4. 1953 - III ZR 268/51 - BGHZ 9, 329 (331); OLG Koblenz, Urt. v. 25. 4. 2001 - 1 U 843/99 - N V w Z 2002, 764 (765). Demgegenüber beinhaltet der Verwaltungsakt selbst nicht die Feststellung seiner eigenen Rechtmäßigkeit und steht mithin einem auf seinen rechtswidrigen Erlass gestützten Amtshaftungsanspruch nicht entgegen, s. u. III. 1. b) aa) (1) (c).

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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behelf aufschiebende Wirkung beigelegt wird. Eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO scheidet insoweit gemäß § 123 Abs. 5 VwGO aus. 113 Aus der Sicht des Rechtsbehelfsführers bietet der vorläufige Rechtsschutz nach §§ 80, 80 a VwGO gegenüber demjenigen nach § 123 VwGO einige Vorteile. Zum einen tritt die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO grundsätzlich kraft Gesetzes mit Einlegung von Widerspruch oder Klage ein 1 1 4 , ohne dass es einer behördlichen oder gerichtlichen Anordnung bedarf. Dieser gesetzliche Automatismus zeichnet die aufschiebende Wirkung gegenüber der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aus. 115 Überdies findet die Befugnis der Behörde, in den Fällen der §§80 Abs. 4, 80 a Abs. 1 Nr. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung anzuordnen, keine Entsprechung bei der einstweiligen Anordnung. Zum anderen geht der Rechtsbehelfsführer mit einem Antrag nach §§80 Abs. 4, Abs. 5, 80 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VwGO über die Prozesskosten hinaus kein Haftungsrisiko ein. 1 1 6 Erweist sich der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach der antragsgemäßen Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung als unbegründet, so trifft den Antragsteller nicht die verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht entsprechend § 945 ZPO, da diese Anspruchsgrundlage gemäß § 123 Abs. 5, Abs. 3 VwGO lediglich auf einstweilige Anordnungen anwendbar ist. 1 1 7

113

Zur Zweispurigkeit des vorläufigen Rechtsschutz im positiven Verwaltungsprozessrecht krit. Schock, in: ders. / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Vor § 80 Rn 40 ff. 114 Zu Ausnahmen von diesem Grundsatz und zum Eintritt aufschiebender Wirkung kraft gerichtlicher oder behördlicher Aussetzungsentscheidung s. u. H. IE. 2. 115 Auf diesen Umstand kam es beispielsweise in einem vom Hess. VGH, Beschl. v. 3. 12. 2002 - 8 TG 2177/02 - NVwZ-RR 2003, 345 f., entschiedenen Fall an. Dort war eine Gemeinde als Veranstalterin eines festgesetzten Wochenmarktes i. S. d. §§ 69 Abs. 1, 67 GewO davon ausgegangen, dass die Klage des Rechtsschutzsuchenden gegen die von der Gemeindebehörde vorgenommene Marktfestsetzung keine aufschiebende Wirkung habe. Die Gemeinde handelte insofern folgerichtig, als nach ihrer Auffassung die Markfestsetzung mangels Außenwirkung nicht als Verwaltungsakt, sondern als „intrakorporale Umsetzungsmaßnahme" zu qualifizieren war. Demgegenüber ging das Gericht vom Verwaltungsaktscharakter der zugunsten des eigenen Verwaltungsträgers vorgenommenen marktverkehrsrechtlichen Festsetzung nach § 69 Abs. 1 GewO aus und bejahte den Eintritt der aufschiebenden Wirkung kraft Gesetzes, zust. Steinweg, GewArch 2004, 101 ff. 116 Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 243. 117 Beispielsweise hat der durch einstweilige Anordnung auf Unterlassung in Anspruch genommener Verwaltungsträger Anspruch gegen den Antragsteller auf Ersatz der Mehrkosten der unterbrochenen und sodann wiederaufgenommenen Straßenbauarbeiten, dazu (jedoch im Einzelfall verneinend) BGH, Urt. v. 22. 10. 1992 - IX ZR 36/92 - BGHZ 120, 73 (83 ff.). Jedoch spricht etwa Schoch, in: ders. / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 123 Rn 194, dem Anspruch aus § 945 ZPO i.V. m. § 123 Abs. 3 VwGO eine nennenswerte praktische Bedeutung ab.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

ee) Konkurrenzen zu anderen Rechtsschutzformen in der Hauptsache Ist die Anfechtungsklage statthaft, so ist nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO grundsätzlich auch der AnfechtungsWiderspruch statthaft (und zuvor einzulegen). Ebenso besteht Gesetzeskonkurrenz zwischen der Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO und der Nichtigkeitsfeststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO. Die Nichtigkeit des betreffenden Verwaltungsaktes ist dabei keine Frage der Statthaftigkeit, sondern der Begründetheit oder in evidenten Fällen der Klagebefugnis der Nichtigkeitsfeststellungsklage. Dass auch der nichtige Verwaltungsakt nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO anfechtbar ist [dazu s. u. D. I. 4. a)], der Kläger mithin seine Rechte durch Gestaltungsklage in der Spielart der Anfechtungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, steht der Zulässigkeit der Nichtigkeitsfeststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 S. 2 VwGO nicht entgegen. Hingegen ist die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO nur dann statthaft, wenn der Kläger den Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes begehrt. Der Erlass kann dann nicht mehr begehrt werden, wenn der betreffende Verwaltungsakt bereits besteht. Denn in diesem Fall ist die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft und schließt wegen des gleichen Verwaltungsaktes die Verpflichtungsklage aus. 118 Entsprechendes gilt für den Verpflichtungswiderspruch nach § 68 Abs. 2 VwGO. Ebenfall kann die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß oder analog § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO nicht gleichzeitig mit der Anfechtungsklage statthaft sein. Vielmehr setzt die Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage als „amputierter Anfechtungsklage" 119 die Erledigung des betreffenden Verwaltungsaktes voraus. Eine Anfechtungsklage muss mithin vormals statthaft gewesen sein, jedoch ihre Statthaftigkeit inzwischen verloren haben (näher dazu s. u. E. II. 2.).

2. Äußerlich wirksame intendierte Regelung des Verwaltungsaktes Unter einem Rechtsakt wird zum einen der Vorgang des Erlasses (das rechtsaktförmige Handeln eines Menschen), zum anderen das Ergebnis des Erlasses (der Inhalt des Rechtsaktes) verstanden. 120 Handelt es sich um einen befehlenden Iis Die Auffassung Jahndorfs, JA 1999, 676 (676 f., 677 f.), nach der Anfechtungsklage und Verpflichtungsklage nebeneinander statthaft sein können, vermag nicht zu überzeugen. 119 Gerhardt, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn 77; Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn 97. 120 Vgl. /> Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 17 a, die hier zwischen dem „Vorgang" (Verwaltungsakt als Verfahrensabschlusshandlung) und dem „materiellen Verwaltungsakt" unterscheiden. Ganz ähnlich Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 24; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn 7.

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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Rechtsakt, so entspricht diese Unterscheidung zwischen Erlassvorgang und Erlassergebnis der von Lerche eingeführten zwischen Befehlsvorgang und Befehlsinhalt. 121 Inhalt des Rechtsaktes ist, für welchen Tatbestand welche Rechtsfolge intendiert ist, kurzum die intendierte Regelung. Zwischen Tatbestand und Rechtsfolge ist auch dann zu unterscheiden, wenn der Rechtsakt, insbesondere der Verwaltungsakt nach § 35 S. 1 VwVfG, lediglich die Regelung eines Einzelfalles intendiert. Denn eine individuell-konkrete Regelung ist ebenso wie eine generell-abstrakte Regelung ein konditionales Programm (s. o. A. II.). Die mit einem solchen Verwaltungsakt intendierte Rechtsfolge steht und fällt allerdings mit dem Vorliegen des Einzelsachverhalts, auf den der Tatbestand der intendierten Regelung zugeschnitten ist. Aus diesem Grunde wird ein Verwaltungsakt weit eher der Erledigung im Sinne der §§ 43 Abs. 2 Alt. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO anheim fallen (dazu s. u. E. II. 2.), als dass ein Gesetz durch den endgültigen Fortfall aller unter den Gesetzestatbestand subsumierbaren Sachverhalte obsolet wird. Entsprechend der prozessualen Einteilung der Urteile nach ihrem Regelungsgehalt in Leistungsurteile, Gestaltungsurteile und Feststellungsurteile 122 können die Verwaltungsakte nach ihrem Regelungsgehalt drei Grundtypen zugeordnet werden. Zu beachten ist dabei, dass intendierte Rechtsfolge eines Leistungsurteils nicht die (tatsächliche) Leistung selbst, sondern die (rechtliche) Verpflichtung zur Leistung ist. Dieser Umstand wird dadurch verdeckt, dass als verwaltungsgerichtliches Verpflichtungsurteil nur diejenige Spielart des verwaltungsgerichtlichen Leistungsurteils bezeichnet wird, die auf eine Verpflichtung des Beklagten zum Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist. Zum Ausdruck gelangt dies etwa in der Einordnung der verwaltungsgerichtlichen Leistungsklage als „Verurteilungsklage" 123 . Rechtsfolge der intendierten Regelung ist demnach die Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten (befehlender Verwaltungsakt) oder die Gestaltung der Rechtslage durch Erzeugung eines anderen rechtlichen Umstandes als einer Pflicht (gestaltender Verwaltungsakt) oder die Feststellung einer Pflicht oder eines anderen rechtlichen Umstandes als bestehend (feststellender Verwaltungsakt). 1 2 4 121 Lerche, DVB1. 1955, 776 (777). Daran anknüpfend beispielsweise BSG, Urt. v. 28. 3. 1958 - 6 RKa 1/57 - BSGE 7, 129 (135); Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 55 f. 122 Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 28. 123 s. nur BVerwG, Urt. v. 17. 12. 1954 - V C 97.54 - BVerwGE 1, 291 (296); Bachof, Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, S. 54, 57 ff. 124 Untunlich erscheint hingegen die vierfache Unterscheidung zwischen ,»feststellenden", „gestaltenden", „streitentscheidenden" und „anordnenden" Verwaltungsakten (worunter sowohl gebietende, verbietende als auch genehmigende, versagende, einschränkende und aufhebende Verwaltungsakte fallen sollen), so aber Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn 69 ff., 126; Richter/Schuppert/Bumke, Casebook Verwaltungsrecht, S. 149; ähnlich Henneke, in: Knack, VwVfG, § 35 Rn 91.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

Befehlende Verwaltungsakte 125 - und nur sie - sind einer Vollstreckung fähig und bedürftig. 126 Missverständlich ist dabei die Formulierung des § 6 Abs. 1 VwVG, wonach ein Verwaltungsakt, „der auf Herausgabe einer Sache oder auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist", mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann. Denn als Rechtsakt ist der befehlende Verwaltungsakt nicht unmittelbar auf einen tatsächlichen Erfolg, sondern auf einen rechtlichen Erfolg gerichtet. Ebenso wie das Gericht mit einem Leistungsurteil intendiert die Behörde mit einem befehlenden Verwaltungsakt nicht das Tun oder Unterlassen 127 selbst, sondern die Verpflichtung zu einem solchen Tun oder Unterlassen. 128 Gestaltende Verwaltungsakte 129 erzeugen einen rechtlichen Umstand, der - anders als im Falle des befehlenden Verwaltungsaktes - nicht schon selbst in einer Pflicht besteht. Die Bedeutung des geschaffenen rechtlichen Umstandes liegt vornehmlich darin, im Wege der Präjudiz- oder Tatbestandswirkung gesetzliche Pflichten auszulösen [dazu s. u. III. 1. b) aa)-bb)]. Der feststellende Verwaltungsakt 130 ist auf die Feststellung eines rechtlichen Umstandes als bereits bestehend gerichtet. In diesem Sinne ist der feststellende Verwaltungsakt im Gegensatz zum befehlenden oder gestaltenden Verwaltungsakt nicht konstitutiv, sondern deklaratorisch. 131 Von einer realaktförmigen Feststellung unterscheidet sich der feststellende Verwaltungsakt durch den Anspruch auf Verbindlichkeit. 132 Der festgestellte rechtliche Umstand kann eine Pflicht sein, doch 125 Übereinstimmend die Terminologie bei Ule /Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 48 Rn 17; Erichsen, in: ders./ Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 27, Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn 44; Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, S. 34. 126 So sprechen R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 139 a, statt von befehlenden Verwaltungsakten von „vollstreckbaren" Verwaltungsakten. 127 Das Dulden erschöpft sich in der Nichtvornahme von Abwehrmaßnahmen, bildet mithin nur eine Spielart des Unterlassens. 128 Verhält sich der durch einen befehlenden Verwaltungsakt Inanspruchgenommene entsprechend der auferlegten Pflicht, so ist das pflichtgemäße Tun oder Unterlassen keine Rechtsfolge, sondern eine Realfolge des Verwaltungsaktes, s. u. III. 1. a).

™ Dazu (mit Beispielen) P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 139 b ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn 45. 130 Dazu (mit Beispielen) P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 142 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn 46. 131 Dies schließt jedoch nicht aus, dass ein rechtswidriger und dennoch innerlich wirksamer feststellender Verwaltungsakt die Rechtslage gestaltet, ohne dies zu intendieren. Solche Wirkungen müssen für die Abgrenzung zum gestaltenden Verwaltungsakt unberücksichtigt bleiben, P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 139; Seibert, Bindungswirkung des Verwaltungsaktes, S. 100 f.; Druschel, Verwaltungsaktsbefugnis, S. 193. So für die Abgrenzung von Feststellungsurteilen zu Gestaltungsurteilen bereits Kisch, Beiträge zur Urteilslehre, S. 34, 36, 38. 132 Deshalb handelt es sich (entgegen BVerwG, Urt. v. 22. 1. 1971 - IV C 94.69 BVerwGE 37, 103, 104; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 260; Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 210) bei bloßen Beurkundungen, die allenfalls eine tatsächliche (widerlegliche) Vermutung

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

63

ist der feststellende Verwaltungsakt auch in diesem Fall keiner Vollstreckung bedürftig, da er nicht selbst eine Verhaltenspflicht konstituiert, sondern sich darin erschöpft, eine Verhaltenspflicht als bestehend zu deklarieren.

3. Äußere Wirksamkeit kraft der Einordnungsnorm Ob ein Rechtsakt vorliegt und welche Regelung mit dem Rechtsakt intendiert ist sind keine tatsächlichen Fragen, sondern Rechtsfragen. Die Existenz (äußere Wirksamkeit) eines Verwaltungsaktes mit einem bestimmten Inhalt ist keine Tatsache, sondern das Ergebnis einer rechtlichen Beurteilung von Tatsachen. Erst das rechtliche Deutungsschema ordnet einen tatsächlichen Vorgang als Verwaltungsakt ein. 1 3 3 Die diese Einordnung vornehmende Norm wird im Folgenden Einordnungs134

norm genannt. Wie jede rechtliche Regelung weist auch die Einordnungsnorm Tatbestand und Rechtsfolge auf. Doch dürfen Tatbestand und Rechtsfolge der Einordnungsnorm nicht mit Tatbestand und Rechtsfolge der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes verwechselt werden. Rechtsfolge der Einordnungsnorm ist die äußere Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes mit einer bestimmten intendierten Regelung. Diese intendierte Regelung des Verwaltungsaktes zerfällt ihrerseits in Tatbestand und Rechtsfolge (s. o. 2.). Die Unterscheidung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge der intendierten Regelung muss deshalb innerhalb der Rechtsfolge der Einordnungsnorm vorgenommen werden. Den Tatbestand der Einordnungsnorm bilden die gesetzlichen Voraussetzungen der äußeren Wirksamkeit, die im Zweiten Kapitel ermittelt werden (s. u. D. - F.). Dabei ist schon jetzt darauf hinzuweisen, dass die Einordnungsnorm auch rechtswidrigen Verwaltungsakten äußere Wirksamkeit verleiht. Die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes ist weder Voraussetzung noch Folge der äußeren Wirksamkeit. Ob ein die Tatbestandsvoraussetzungen der Einordnungsnorm erfüllender und daher kraft Einordnungsnorm äußerlich wirksamer Verwaltungsakt rechtmäßig ist, bestimmt sich vielmehr nach der Beurteilungsnorm. Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Verwaltungsaktes und damit der Tatbestand der Beurteilungsnorm bedürften einer gesonderten Untersuchung im Vierten Kapitel (s. u. K . - M . ) .

für das Bestehen eines Rechts begründen, ohne das Recht verbindlich festzustellen, nicht um Willenserklärungen (feststellende Verwaltungsakte), sondern um Wissenserklärungen (Realakte), s. P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 147 f., vgl. Rn 62 a), 90,142; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 35 Rn 79. Zur Norm als Deutungsschema Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 3 f. 134 Vgl. die parallele Begriffsbildung der „Einsetzungsnorm", s. u. III. 3. Der hier verwendete Begriff der Einordnung als Verwaltungsakt begegnet beispielsweise bei Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn 21.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass die äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes mit einer bestimmten intendierten Regelung die Rechtsfolge der Einordnungsnorm bildet: Tatbestand der Einordnungsnorm Voraussetzungen der äußeren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes Rechtsfolge der Einordnungsnorm Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes Materielle Rechtsfolgen der äußeren Wirksamkeit - Schutz durch Verbote amtswegiger Aufhebung (§§ 48 ff. VwVfG u. a.) - Statthaftigkeit der Umdeutung (§ 47 VwVfG) Prozessuale Rechtsfolgen der äußeren Wirksamkeit - Statthaftigkeit der Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) Äußerlich wirksame intendierte Regelung Tatbestand der äußerlich wirksamen intendierten Regelung Rechtsfolge der äußerlich wirksamen intendierten Regelung - Intention einer Verpflichtung - Intention einer Gestaltung - Intention einer Feststellung

I I I . Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes Über die äußere Wirksamkeit hinaus reicht die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes. Ebenso wie der Begriff der äußeren Wirksamkeit ist der Begriff der inneren Wirksamkeit anhand der mit ihm verbundenen Rechtsfolgen zu definieren (1.). Der Verwaltungsakt erlangt innere Wirksamkeit stets mit einer bestimmten intendierten Regelung (2.) und zwar kraft der sogenannten Einsetzungsnorm (3.).

1. Folgen der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes Intendiert ein Rechtsakt für einen bestimmten Tatbestand den Eintritt einer bestimmten Rechtsfolge, so ist damit noch nicht gesagt, dass die Rechtsfolge wie intendiert eintritt. Es gibt Rechtsakte, die vergeblich auf eine Rechtsfolge abzielen. 135 Die Vollendung der Rechtsfolgenintention wird mit vielerlei Bezeichnungen wie Geltung, Gültigkeit, Beachtlichkeit, Bindung, Maßgeblichkeit oder 135 Präzis daher Ehlers, Verw 37 (2004), 255 (268), nach dem das Merkmal Regelung bereits dann erfüllt ist, wenn Rechte des Betroffenen unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben, mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint „werden sollen".

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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Verbindlichkeit b e l e g t 1 3 6 . Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit soll die Entfaltung der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes als innere Wirksamkeit bezeichnet werden. 1 3 7 Abweichend davon bezeichnet Kelsen die tatsächliche Befolgung einer „ N o r m " 1 3 8 als „ W i r k s a m k e i t " 1 3 9 und die Entfaltung der intendierten Regelung als „Geltung" oder auch „ E x i s t e n z " 1 4 0 der „Norm". Nach Kelsen muss ein nichtiger Verwaltungsakt mithin „inexistent" genannt werden, obwohl er nach der hier eingeführten Terminologie zwar keine innere, aber doch äußere Wirksamkeit besitzt. Ebenso weicht der Sprachgebrauch des französischen Rechts ab. So wird als „nullité" die schlichte Rechtswidrigkeit (Vernichtbarkeit, Rücknehmbarkeit) des „acte administratif 4 bezeichnet, als „inexistence" werden die Nichtigkeit und die Nichtexistenz zusammengefasst. Dem folgt das Gemeinschaftsrecht. 141 Aus diesem Grund führt erst die gerichtliche Nichtigerklärung gemäß Art. 231 E G V die innere Unwirksamkeit eines Gemeinschaftsrechtsaktes herbei. 1 4 2 Die Frage nach der Entfaltung der intendierten Regelung stellt sich nur dann, wenn ein Verwaltungsakt mit einer bestimmten intendierten Regelung äußerlich wirksam ist. Die innere Wirksamkeit setzt mithin äußere Wirksamkeit notwendig, wenn auch nicht hinreichend, voraus. M i t der inneren Wirksamkeit gehen zum 136 Zutreffend weist J. Ipsen, Verw 17 (1984), 169 (170 ff.), angesichts der von ihm zusammengetragenen, nicht weniger als zweiundzwanzig Begriffen, auf eine „geradezu babylonisch zu nennende Sprachverwirrung" hin. Doch auch der von J. Ipsen angebotene Terminus der „Verbindlichkeit" löst die Verständigungsprobleme nicht, da der Autor den Begriff nicht definiert und noch dazu disparat verwendet. Unter Verbindlichkeit des Verwaltungsaktes „für die Behörde" scheint J. Ipsen, die Verbote amtswegiger Aufhebung sowie unter Verbindlichkeit des Verwaltungsaktes „für den Adressaten, Drittbetroffene und das Verwaltungsgericht" die Unanfechtbarkeit, jedoch unter „Verbindlichkeit für Drittbehörden und andere Gerichte" (oder ,3indungswirkung") die Präjudizwirkung und Tatbestandswirkung zu verstehen. Insbesondere bleibt im Dunkeln, ob mit der „Verbindlichkeit" Aufhebungsverbote oder aber Abweichungsverbote angesprochen werden sollen. Zu der dem Prozessrecht entliehenen Unterscheidung zwischen Aufhebungsverboten und Abweichungsverboten s. Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 15 f. 137

Übereinstimmend die Begriffsbildung bei Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 43 Rn 13; Seibert, Bindungswirkung des Verwaltungsaktes, S. 206 f.; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 43 Rn 1; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 157; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13 Rn 1; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 43 Rn 6; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 43 Rn 6. 138 Unter den Begriff der Norm fallen nach Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 237 f., auch Verwaltungsakte als „individuelle Normen". "9 Kelsen, Reine Rechtlehre, S. 215 ff. 140 Kelsen, Reine Rechtlehre, S. 9 f. 141 s. dazu Junker, Der Verwaltungsakt im deutschen und französischen Recht und die Entscheidung im Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 132 ff. 142 Eine andere Frage ist, ob auch gegen nichtige Gemeinschaftsrechtsakte die Nichtigkeitsklage eröffnet ist. Dies verneinend EuGH, Urt. v. 15. 6. 1994 - C-137/92 - Slg. 1994, 2555, 2647 Rn 21, 49 - BASF u. a. Hinnehmbar ist diese Rechtsprechung nur, insofern Nichtakte in Rede stehen. 5 Steinweg

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

einen die intendierten Rechtsfolgen [a>], zum anderen die akzidentellen Rechtsfolgen des innerlich wirksamen Verwaltungsaktes [b)] einher.

a) Intendierte Rechtsfolgen des innerlich wirksamen Verwaltungsaktes

Jeder äußerlich wirksame Verwaltungsakt zielt auf den Eintritt von Rechtsfolgen ab. Intendiert ist je nach Inhalt des Verwaltungsaktes ein Befehl, eine Gestaltung oder eine Feststellung (s. o. II. 2.). Ein rechtlicher Umstand tritt nur dann kraft des Verwaltungsaktes als intendierte Rechtsfolge ein, wenn einerseits die Rechtsordnung dem Verwaltungsakt innere Wirksamkeit verleiht (dazu s. u. 3.) und andererseits der in der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes selbst umrissene Tatbestand erfüllt ist. Die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes hängt dabei grundsätzlich nicht von dessen Rechtmäßigkeit ab. So beansprucht die durch einen zwar rechtswidrigen, aber rechtswirksamen Verwaltungsakt getroffene Feststellung auch dann Verbindlichkeit, wenn sie unrichtig ist. Die Bedeutung der Feststellung liegt gerade darin, für die Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen des festgestellten rechtlichen Umstandes den Rückgriff auf die zugrunde liegende Rechtslage auszuschließen.143 Denn solange der Verwaltungsakt besteht, bestimmt er dem Rechtsunterworfenen gegenüber, „was für ihn Rechtens sein soll". 1 4 4 Durch seine grundsätzlich rechtsfehlerunabhängige innere Wirksamkeit erfüllt der Verwaltungsakt mithin eine klarstellende und stabilisierende Funktion. 145 Keine Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes sind dabei die tatsächlichen Wirkungen (Realfolgen) 146 , die der Erlassvorgang des Verwaltungsaktes nach sich zieht, zumal der Erlassvorgang eine bestimmte reale Folge nicht mit rechtlicher Notwendigkeit, sondern lediglich mit empirischer Wahrscheinlichkeit hervorbringt. Aus diesem Grund können auch die von etwaigen Realfolgen ausgelösten Rechtsfolgen nicht als Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes verstanden werden. Beispielsweise ist intendierte Rechtsfolge eines Erstattungsfestsetzungsbescheides nach § 49 a Abs. 1 S. 2 VwVfG die Auferlegung der Pflicht zu einer bestimmten Leistung, R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 142. Der Rechtsordnung unterworfen sind nicht nur Private, sondern auch Hoheitsträger, Kelsen, AöR 31 (1913), 53 (73 f.). Gleiches gilt für die durch Verwaltungsakt ausgesprochene Regelung. Dass Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Bd., S. 228, die Rechtsunterworfenen als „Unterthanen" anspricht, beruht auf der absolutistischen Vorstellung einer dem Recht vorgeordneten Staatsgewalt, s. Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 236 f. 145 Rüfner, VVDStRL 28 (1970), 187 (205); Vogel, W D S t R L 28 (1970), 268 (269); R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 24 a) ff.; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 2, 5; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn 40; Henneke, in: Knack, VwVfG, Vor § 35 Rn 26. 144

146 Zu diesem Begriff vgl. Lübbe-Wolff,

Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 25 ff, 137 ff.

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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etwa der Rückzahlung eines verlorenen Zuschusses. Ob der Schuldner diese Leistung erbringt, beantwortet der Erstattungsfestsetzungsbescheid nicht, sondern nur die Frage, ob der Schuldner die Leistung erbringen soll. 1 4 7 Bis dieser den geforderten Geldbetrag überwiesen hat, ist er und nicht der Gläubiger Inhaber des entsprechenden Bankguthabens. b) Akzidentielle Rechtsfolgen des innerlich wirksamen Verwaltungsaktes

Der Verwaltungsakt löst auch solche Rechtsfolgen aus, die nicht mit dem Verwaltungsakt selbst intendiert sind. Diese nur bei Gelegenheit des Verwaltungsaktes eintretenden Rechtsfolgen sollen akzidentielle Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes 148 genannt werden. Anders als die intendierte Rechtsfolge des Verwaltungsaktes, treten die akzidentiellen Rechtsfolgen nicht kraft des Verwaltungsaktes sondern kraft eines außerhalb des Verwaltungsaktes stehenden Rechtsaktes ein 1 4 9 , insbesondere kraft Gesetzes.150 Im Unterschied zu Rechtsakten lösen Realakte ausschließlich akzidentielle Rechtsfolgen aus. Denn Rechtsfolgen sind mit einem Realakt per definitionem nicht intendiert, wenn auch der Eintritt der akzidentiellen Rechtsfolgen durchaus vom Handelnden erwünscht sein mag, beispielsweise der gesetzliche (possesorische) Besitzschutz nach § 858 ff. BGB, der an die bloß tatsächliche Besitzergreifung nach § 854 Abs. 1 BGB anknüpft. 151 Indessen begegnen intendierte und akzidentielle Rechtsfolgen nicht nur beim Verwaltungsakt, sondern auch bei anderen Rechtsaktsformen. Der Unterschied 147

Zu trennen ist hier ebenso wie andernorts zwischen Sein und Sollen, dazu Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 19. 148 So die Begriffsbildung bei Steinweg, GewArch 2004, 101 (103 f.). - Bereits Kisch, Beiträge zur Urteilslehre, S. 34 f., 39, hat die „sekundären Wirkungen" gerichtlicher Entscheidungen zutreffend als ,»mehr zufällige Begleiterscheinungen des Urteils" charakterisiert. Belgard, Der Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit mit rückwirkender Kraft, S. 37, hebt die Bedeutung solcher „Sekundärwirkungen" insbesondere für den Fall hervor, dass die ,»Primärwirkung" rückwirkender Änderung unterhegt. 149 Bei den akzidentiellen Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes handelt es sich um intendierte Rechtsfolgen des außerhalb des Verwaltungsakts stehenden Rechtsaktes. Aus diesem Grund ist die Beurteilung einer Rechtsfolge als akzidentiell nicht absolut zu verstehen, sondern immer nur in Relation zu einem bestimmten Rechtsakt. 150 Neben Gesetzen können etwa auch andere Verwaltungsakte oder Verträge an einen Verwaltungsakt akzidentielle Rechtsfolge anknüpfen. So führt bereits Kisch, Beiträge zur Urteilslehre, S. 35, im Zusammenhang mit den (hier sogenannten) akzidentiellen Rechtsfolgen eines Urteils das Beispiel an, dass die Parteien eines (zivilrechtlichen) Vertrages die Fälligkeit der Vertragsverpflichtungen von einem vorherigen (zivilgerichtlichen) Feststellungsurteil abhängig machen.

151 Andere akzidentielle Rechtsfolgen des Rechtsaktes mögen vom Handelnden unerwünscht sein, beispielsweise Sanktionen wie die Strafbarkeit wegen Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB, die an den Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams anknüpft. *

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

zwischen beiden Rechtsfolgenarten sei deshalb anhand je eines Beispiels zum Parlamentsgesetz, zum öffentlich-rechtlichen Vertrag, zur Verwaltungsvorschrift und zur gerichtlichen Entscheidung erläutert: Akzidentelle Rechtsfolge eines Parlamentsgesetzes ist beispielsweise die Schutzbereichsbestimmung des Eigentumsgrundsrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG. Ein Parlamentsgesetz, das den Grundeigentümern das Recht zur Nassauskiesung aberkennt, vermag dadurch nicht selbst den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff zu begrenzen. 152 Dies wäre mit dem Geltungsvorrang der Verfassung 153 vor dem einfachen Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren. Allerdings ist der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts nach Art. 14 Abs. 1 GG normgeprägt. 154 Eigentum im Verfassungssinne ist daher u. a. das einfachgesetzlich konstituierte Sacheigentum. Nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG bildet die Existenz fachgesetzlicher Regelungen des Eigentums ein Tatbestandsmerkmal des Eigentums im Sinne des Grundgesetzes. Die Bestimmung des Schutzbereiches des Eigentumsgrundrechts ist somit zwar keine intendierte Rechtsfolge der fachgesetzlichen Eigentumsregelung, aber doch eine von der Verfassung angeordnete akzidentielle Rechtsfolge des Fachgesetzes.155 Akzidentielle Rechtsfolge eines öffentlich-rechtlichen Vertrages ist insbesondere die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges. Können die Parteien an Stelle eines privatrechtlichen Vertrages einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen, so eröffnet die Wahl dieser Vertragsform nach dem Grundsatz des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO den Verwaltungsrechtsweg. Hingegen ist den Parteien nicht möglich, in einem privatrechtlichen Vertrag abweichend vom Grundsatz des § 13 GVG den Verwaltungsrechtsweg zu eröffnen. 156 Die gesetzlichen Rechts Wegbestimmungen stehen als zwingendes Recht nicht zur Disposition der Vertragspartner. Eine vertragliche Abrede über den Rechtsweg ist deshalb nichtig, weil sie gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (bei öffentlich-rechtlichen Verträgen gemäß § 134 BGB i.V. m. § 59 Abs. 1 VwVfG 1 5 7 , bei privatrechtlichen Verträgen gemäß § 134 BGB 1 5 8 ). Die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges können die Parteien somit nicht als inten152 BVerfG, Beschl. v. 15. 7. 1981 - 1 BvL 77/78 -BVerfGE 58, 300 (335). 153

Zum Vorrang der Verfassung s. nur Badura, in: Isensee/Kirchhof, HbStR V I I § 160 Rn 3 ff. 154 Dazu BVerfG, Beschl. v. 15. 7. 1981 - 1 BvL 77/78 - BVerfGE 58, 300 (330 ff.) Nassauskiesung. 155 Knöpfle, BayVBl. 1982, 225 (228) scheint Gesetzen die „Maßgeblichkeit" für weitergehende Rechtsverhältnisse abzusprechen. Doch belegt das genannte Beispiel die Existenz akzidentieller Rechtsfolgen des Gesetzes, obwohl das Gesetz bereits selbst generell-abstrakte Rechtsfolgen intendiert. 156 So aber zumindest missverständlich BVerwG, Urt. v. 19. 1. 1990 - 4 C 21.89 BVerwGE 84, 257 (268 f. und 5. Leitsatz). 157 Ehlers, Verw 31 (1998), 53 (78). 158 Zur Abgrenzung öffentlich-rechtlicher zu privatrechtlichen Verträgen s. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 40 Rn 306 ff.

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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dierte Rechtsfolge des (privatrechtlichen) Vertrages ausbedingen, sondern lediglich als akzidentielle Rechtsfolge des (öffentlich-rechtlichen) Vertrages herbeiführen. Akzidentielle Rechtsfolge einer Verwaltungsvorschrift ist beispielsweise die Selbstbindung der Verwaltung durch den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Zumindest im Regelfall zielt eine Verwaltungsvorschrift, etwa eine ermessenslenkende Subventionsrichtlinie, auf eine bloße Innenrechtsfolge ab. 1 5 9 Jedoch begründet eine Verletzung der Subventionsrichtlinie über den Innenrechtsverstoß hinaus eine am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG ungerechtfertige Ungleichbehandlung und mithin einen Außenrechtsverstoß. 160 Akzidentielle Rechtsfolge eines zivilgerichtlichen Leistungsurteils ist gemäß § 894 ZPO die gesetzliche Fiktion der Abgabe der Willenserklärung, zu der rechtskräftig verurteilt worden ist. 1 6 1 Akzidentielle Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes sind zunächst sämtliche materiellen oder prozessualen Rechtsfolgen, die nicht an die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes, sondern an die äußere Wirksamkeit (dazu s. o. II. 1.) oder an die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes (dazu s.u. IV. 1.) anknüpfen. Denn diese Rechtsfolgen treten unabhängig von der inneren Wirksamkeit als der Entfaltung der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes ein, können mithin keine intendierten Rechtsfolgen sein. Akzidentielle Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes sind darüber hinaus diejenigen Rechtsfolgen, die zwar die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes zumindest gegenüber einer Person voraussetzen, aber nicht selbst vom Verwaltungsakt intendiert sind. Der innerlich wirksame Verwaltungsakt löst akzidentielle Rechtsfolgen insofern aus, wie es nach dem die akzidentielle Rechtsfolge anordnenden Rechtsakt auf ihn ankommt, der Verwaltungsakt in diesem Sinne „maßgeblich" ist. Die so verstandene „Maßgeblichkeit des Verwaltungsaktes" 162 vollzieht sich im Wege der Präjudizwirkung [aa)], im Wege der Tatbestandswirkung [bb>] oder im Wege der Feststellungswirkung [cc)].

159 Ob (insbesondere im Umwelt- und Technikrecht) die Konstruktion normkonkretisierender (auf eine Außenrechtsfolge gerichteter) Verwaltungsvorschriften im Unterschied zu bloß norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften angängig ist (bejahend Ossenbühl, FG 25 Jahre BVerwG, S. 433, 444 ff.; v. Danwitz, VerwArch 84, 1993, 73 ff.), kann hier offen bleiben. Jedenfalls ist eine solche Konstruktion schwerlich durch ein praktisches Bedürfnis gerechtfertigt (Rechtsverordnungen scheinen als exekutive Rechtsetzungsakte ausreichend) und nicht ohne dogmatische Bedenken (Verwischung der Grenze zwischen Innenrecht und Außenrecht, Aushöhlung der Erfordernisse des Art. 80 GG, mangelnde Publizität). 160 Dazu BVerwG, Urt. v. 28. 4. 1978 - 4 C 49.76 - Buchholz 11 Art. 3 GG Nr. 217 S. 24; Urt. v. 21. 8. 2003 - 3 C 49.02 - DVB1. 2004, 131 ff. m

Zu diesem Beispiel bereits Kisch, Beiträge zur Urteilslehre, S. 36 ff. Die (hier sogenannten) akzidentiellen Rechtsfolgen des innerlich wirksamen Verwaltungsaktes stimmen in der Sache weitgehend mit denjenigen überein, die Knöpfte, BayVBl. 1982, 225 (228 ff.), mit der „Maßgeblichkeit" des Verwaltungsaktes verbunden sieht. 162

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

aa) Präjudizwirkung des Verwaltungsaktes Ein Gericht kann nach § 94 S. 1 VwGO 1 6 3 die Verhandlung aussetzen, „wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ... vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist". Entgegen dem insoweit defizitären Gesetzeswortlaut ist das Gericht zur Aussetzung auch dann befugt, wenn das vorgreifliche andere gerichtliche oder behördliche Verfahren nicht auf eine Feststellung, sondern eine Gestaltung oder Verpflichtung abzielt. 1 6 4 Die Aussetzung geht nicht notwendig mit einer Bindung des aussetzenden Gerichts an die im vorgreiflichen Verfahren getroffene Entscheidung als Präjudiz einher. 165 Doch setzt die Präjudizwirkung umgekehrt die Vorgreiflichkeit i. S. d. § 94 S. 1 VwGO voraus. Ein Verwaltungsakt besitzt Präjudizwirkung, sofern seine intendierte Rechtsfolge als Vorfrage weiterer Rechtsverhältnisse, die gerichtlicher oder behördlicher Entscheidung unterliegen, Relevanz besitzt. 166 Beispielsweise keine Präjudizwirkung besitzt deshalb die Ablehnung einer Genehmigung durch die Behörde für die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit. 167 Da die Präjudizwirkung des Verwaltungsaktes unmittelbar an die intendierten Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes anknüpft, ist sie in subjektiver Hinsicht durch den Kreis derjenigen beschränkt, denen gegenüber der Verwaltungsakt innerlich wirksam ist. Zu diesen Regelungsadressaten des Verwaltungsaktes gehören einerseits die Betroffenen i. S. d. § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG, zum anderen der Verwaltungsträger der handelnden Behörde selbst. Zwar ist die einen Verwaltungsakt erlassende Behörde Herrin des Verwaltungsverfahrens und ebenso wenig im formellen Sinne des § 13 Abs. 1 VwVfG Beteiligte 168 , wie das zur Entscheidung berufende Gericht gemäß § 63 VwGO Beteiligter ist. Doch unterscheiden sich Ge163 Wortgleich §§ 148 ZPO, 74 FGO, nahezu auch § 114 Abs. 2 S. 1 SGG. Vgl. §§ 262 Abs. 2 StPO, 33 Abs. 1 BVerfGG, 28 Abs. 1 VerfGHG NRW. 164 Rudisile, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 94 Rn 25. Von der Vorgreiflichkeit gestaltender Verwaltungsakte gehen auch aus Rennen, in: Eyermann, VwGO, § 94 Rn 4, 6; Rohlfing, Nachprüfbarkeit bestandskräftiger Verwaltungsakte, S. 76, unausgesprochen auch BVerwG, Beschl. v. 15. 4. 1983 - 1 B 133.82 - Buchholz 310 § 94 VwGO Nr. 4. 165 Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 94 Rn 18 (vgl. Fn 41). In der Sache ebenso Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 2, § 148 Rn 22 ff.; Clausing, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rn 24 ff. 166 Zur Präjudizwirkung von Verwaltungsakten s. auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 44, 51 f. Zur Frage, ob die Präjudizwirkung die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes („formelle Bestandskraft") voraussetzt s. u F. I. 5. 167 Gegenbeispiel: Eine Ablehnung der Genehmigung enthält keine Feststellung der Genehmigungsbedürftigkeit, BGH, Urt. v. 4. 2. 2004 - X I I Z R 301 /Ol - BGHZ 158,19 ff. 168 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht III, § 156 Rn 16; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 15 Rn 6; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 13 Rn 6; Riedl, in: Obermayer, VwVfG, § 13 Rn 27; Kopp /Ramsauer, VwVfG, § 13 Rn 10; Clausen, in: Knack, VwVfG, § 13 Rn 6 (vgl. aber Rn 23).

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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richtsverfahren und Verwaltungsverfahren darin, dass ein Gericht stets als neutrale über den Parteien stehende Instanz entscheidet, der Gerichtsträger deshalb nicht materiell streitbeteiligt ist, währenddessen eine Behörde grundsätzlich in eigener Sache öffentliche Interessen wahrnimmt und auf diese Weise die materielle Beteiligung ihres Verwaltungsträgers vermittelt. 169 Dass der Kreis der von der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes materiell Beteiligten über den der formell Beteiligten hinausgeht, belegt die Beschränkung der formellen Beteiligteneigenschaft nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 VwVfG auf diejenigen, für die der Verwaltungsakt bestimmt ist 1 7 0 , obwohl gemäß §§ 43 Abs. 1 Alt. 1, 41 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG auch Dritte vom Verwaltungsakt materiell betroffen sind 171 . Inwieweit die Präjudizwirkung des Verwaltungsaktes in objektiver Hinsicht reicht, hängt von den Gesetzen ab, die auf den Eintritt der intendierten Rechtsfolge des Verwaltungsaktes abstellen. Das Gesetz legt befehlenden [(1)], gestaltenden [(2)] und ebenso feststellenden [(3)] Verwaltungsakten Präjudizwirkung bei. (1) Präjudizwirkung

befehlender Verwaltungsakte

Da befehlende Verwaltungsakte unmittelbar auf Erzeugung einer Pflicht gerichtet sind, ist bei ihnen zunächst nicht so sehr die Präjudizwirkung als vielmehr die intendierte Rechtsfolge selbst von Interesse. Doch verleiht das Gesetz auch befehlenden Verwaltungsakten Präjudizwirkung, beispielsweise im Hinblick auf polizeiund ordnungsrechtliche Eingriffsbefugnisse [(a)] sowie im Hinblick auf Folgenbeseitigungsansprüche [(b)], öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche [(c)] und Amtshaftungsansprüche [(d)]. (a) Präjudizwirkung für polizei- und ordnungsrechtliche Eingriffsbefugnisse Das polizei- oder ordnungsrechtliche Schutzgut der öffentlichen Sicherheit (vgl. §§ 8 Abs. 1 PolG NRW, 14 Abs. 1 OBG NRW, 8 Abs. 1 Musterentwurf Polizeigesetz) umfasst auch die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung 172. Geschützt ist 169 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 1, § 2 Rn 9, 12, 19; Rohlfing, Nachprüfbarkeit bestandskräftiger Verwaltungsakte, S. 152, 179; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 89 f.; Badura, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 38 Rn 48; Kopp/ Ramsauer, VwVfG, § 13 Rn 10; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rn 11, § 9 Rn 43. 170 Diejenigen, für die der Verwaltungsakt i. S. d. §§ 41 Abs. 1 Alt. 1,43 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 VwVfG bestimmt ist, sind diejenigen, an die i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 VwVfG der Verwaltungsakt gerichtet wird, Borgs, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 13 Rn 6; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 13 Rn 21. 171 Insoweit ist die verwendete Terminologie (P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, §§ 37 Rn 15 a, 41 Rn 33 ff.) missverständlich, wie diejenigen, für die der Verwaltungsakt bestimmt ist, als „materielle Adressaten" bezeichnet und den „Drittbetroffenen" gegenüber gestellt, jedoch beide materiell betroffenen Personenkreise zusammenfassend als „Inhaltsadressaten" angesprochen werden. 172 So definiert § 3 Nr. 1 SOG LSA die öffentliche Sicherheit als „die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie des Bestan-

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

insbesondere die durch einen innerlich wirksamen Verwaltungsakt erzeugte Verhaltenspflicht, beispielsweise das auf § 15 Abs. 1 VersG gestützte Verbot einer bestimmten Versammlung unter freiem Himmel. Wer sich unter Verstoß gegen das Verbot versammelt, verletzt das polizei- oder ordnungsrechtliche Schutzgut der öffentlichen Sicherheit bereit deshalb, weil jede verbotswidrige Versammlung rechtswidrig ist. Die Polizei- oder Ordnungsbehörde kann deshalb gegen einen Versammlungsteilnehmer als Störer der öffentlichen Sicherheit vorgehen, ohne dass es auf die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Versammlungsverbotes nach § 1 5 Abs. 1 VersG ankommt. Das verwaltungsaktförmige Versammlungsverbot präjudiziert mithin die Eingriffsbefugnisse der Gefahrenabwehrbehörden. Für den sonderordnungsbehördlichen Widerruf einer Fahrschulerlaubnis infolge nachträglicher Unzuverlässigkeit nach §§ 21 Abs. 2 S. 1, 11 Abs. 1 Nr. 1 FahrlG kommt beispielsweise Steuerbescheiden Präjudizwirkung zu. Denn die Nichtbegleichung einer durch Steuerbescheid begründeten Zahlungspflicht kann unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit begründen und somit zum Widerruf der Fahrschulerlaubnis berechtigen. (b) Präjudizwirkung für Folgenbeseitigungsansprüche Ebenso wie ein zivilrechtlicher Störungsbeseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB setzt auch ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch tatbestandlich einen vom Belasteten nicht zu duldenden („rechtswidrigen") Zustand voraus. 173 Eine Duldungspflicht besteht insbesondere hinsichtlich der tatsächlichen Folgen, die der rechtmäßige Vollzug eines Verwaltungsaktes hervorruft, selbst dann, wenn der Verwaltungsakt seinerseits rechtswidrig ist. Der innerlich wirksame Verwaltungsakt präjudiziert mithin den auf Beseitigung seiner Vollzugsfolgen gerichteten Anspruch. Der Ausschluss des Völlzugsfolgenbeseitigungsanspruchs ist eine akzidentielle Rechtsfolge des Verwaltungsaktes. (c) Präjudizwirkung für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche Die Präjudizwirkung eines Verwaltungsaktes für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche wird als Rechtsgrundfunktion des Verwaltungsaktes 174 bezeichnet. In Anlehnung an die zivilrechtlichen Bereicherungsansprüche der §§ 812 ff. BGB setzt der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch eine öffentlich-rechtliche Vermögensverschiebung ohne Rechtsgrund voraus. 175 Intendiert ein innerlich wirkdes, der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt". 173 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 7. Teil IV. 3. a) (S. 312 f.). 174 DazuBVerwG, Urt. v. 26.11.1976-IV C 79.74-DÖV 1977, 249 (249f.); R Stelkens/ U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 30 c. 175 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 12. Teil I., III. 1 (S. 414 ff., 425 ff.).

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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samer Verwaltungsakt die Verpflichtung zu einer Leistung, so bildet der Verwaltungsakt unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung. Das Behaltendürfen ist dabei keine intendierte Rechtsfolge des befehlenden Verwaltungsaktes, sondern lediglich eine vom Gesetz angeordnete akzidentelle Rechtsfolge, die an die vom Verwaltungsakt erzeugte Verpflichtung anknüpft. (d) Präjudizwirkung für Amtshaftungsansprüche Die Präjudizwirkung des Verwaltungsaktes ist stets durch den Inhalt begrenzt, mit dem der Verwaltungsakt nach § 43 Abs. 1 S. 2 VwVfG innere Wirksamkeit erlangt. 176 Nicht zum Entscheidungsinhalt gehören die gesetzlichen Entscheidungsvoraussetzungen, auch wenn sie Elemente der Begründung des Verwaltungsaktes nach § 39 VwVfG bilden. 177 Die Begrenzung der Präjudizwirkung auf den Entscheidungsinhalt ist insbesondere im Hinblick auf Amtshaftungsansprüche nach Art. 34 GG/ § 839 BGB zu beachten.178 Dies sei an folgendem Beispielsfall erläutert, in dem die Nachbarn X, Y und Z ohne die erforderliche bauaufsichtsrechtliche Genehmigung je ein Reihenhaus errichtet haben und die zuständige Bauaufsichtsbehörde willkürlich allein dem Y den Abriss seines Reihenhauses aufgibt. Wenn Y nach Ablauf der Anfechtungsfrist dem verwaltungsaktsförmigen Abrissgebot nachkommt, steht in Frage, ob Y mit einer zulässigen Amtshaftungsklage, die sich auf den behauptetermaßen rechtswidrigen Erlass der Abrissverfügung stützt, Erfolg hat. Die zulässige Amthaftungsklage des Y ist begründet, wenn dem Kläger gegen den Beklagten ein Entschädigungsanspruch aus Art. 34/§ 839 BGB zusteht. Der Amtshaftungsanspruch setzt einen auf Verletzung einer Amtspflicht beruhenden Schaden voraus. Einen Schaden hat Y zum einen dadurch erlitten, dass er das Abrissgebot befolgt und infolgedessen das Reihenhaus verloren hat. Zum anderen ist Y an seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 17 6 Für die (weit verstandene) „Bindungswirkung" des Verwaltungsaktes ebenso Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 43 Rn 18 f. 177 BVerwG, Urt. v. 19. 12. 1985 -IC 65.82 - BVerwGE 72, 300 (305) - Wyhl; Braun, Die präjudizielle Wirkung von Verwaltungsakten, S. 44 ff.; Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 74; Rohlfing, Nachprüfbarkeit bestandskräftiger Verwaltungsakte, S. 169 ff.; Ortloff, NJW 1987, 1665 (1666). J. Ipsen, Verw 17 (1984), 169 (194 f.) hebt hierbei die Schwierigkeit hervor, bei (oft wenig formalisierten) Verwaltungsakten zwischen Tenor und Gründen zu unterscheiden. Diese gegenständliche Beschränkung der Präjudizwirkung des Verwaltungsaktes entspricht derjenigen rechtskräftiger Urteile auf den Entscheidungssatz (Subsumtionsschluss), dazu BVerwG, Urt. v. 10. 5. 1994 - 9 C 501.93 - BVerwGE 96, 24 (26); Papier, JZ 1986, 183 (184); Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rn 45 ff. m. w. N. 178 Zum Meinungsstand zu der Frage der Präjudizialität von Verwaltungsakten im zivilgerichtlichen Amtshaftungsprozess s. Rohlfing, Nachprüfbarkeit bestandskräftiger Verwaltungsakte, S. 37 ff.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

Abs. 1 GG) beschädigt, da er aus sachfremden Gründen ungleich behandelt (diskriminiert) worden ist. Der zuständige Amtswalter könnte durch Erlass und Aufrechterhaltung der Abrissverfügung seine Amtspflicht zu außenrechtskonformen Verhalten verletzt haben. 1 7 9 Zwar hat Y den Abriss des i h m gehörenden Reihenhauses selbst vorgenommen. Doch kann zunächst erwogen werden, den i m Verlust des Reihenhauses bestehenden Schaden des Y unter dem Gesichtspunkt der Herausforderung 1 8 0 dennoch dem etwaig amtspflichtwidrigen Verhalten des Amtswalters zuzurechnen. I m Ergebnis ist dies jedoch wegen der Präjudizwirkung des Verwaltungsaktes nicht möglich. Kraft Verwaltungsaktes ist Y zum Abriss des Reihenhauses verpflichtet. Der dem Y durch den Abriss entstehende Schaden ist mithin durch die Abrissverfügung gerechtfertigt. Diese Präjudizwirkung entfaltet die Abrissverfügung grundsätzlich unabhängig davon, ob sie ihrerseits rechtmäßig ist, denn die innere Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes ist von dessen Rechtmäßigkeit regelmäßig unabhängig. 1 8 1 Aus diesem Grunde besteht zwischen dem etwaig rechtswidrigen Erlass der Abrissverfügung und dem Schaden aus der Befolgung der Abrissverfügung nicht der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang 182 . Daher hat Y keinen Amtshaftungsanspruch auf Entschädigung für den Verlust des Reihenhauses. 179

Eine Amtspflicht zu außenrechtskonformen Verhalten ergibt sich grundsätzlich auch dann, wenn man mit der überkommenen Auffassung Amtspflichten als Innenrechtspflichten versteht. Wenn man mit der vorzugswürdigen Gegenauffassung (Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34. Rn 29 f., Lfg. 1998; ders., in Münchener Kommentar, BGB, § 839 Rn 189 ff.) die Amtspflichten als Außenrechtspflichten begreift, erschöpfen sich die Amtspflichten in der Pflicht zu außenrechtskonformen Verhalten. 180 Unter dem Gesichtspunkt der Herausforderung hat der Bundesgerichtshof beispielsweise die deliktsrechtliche Haftung des Flüchtenden für Körperschäden des polizeilichen Verfolgers bejaht (Urt. v. 29. 10. 1974 - V I ZR 168/73 - BGHZ 63, 189 ff.) und ebenso die Haftung des Arztes, der schuldhaft die einzige Niere eines Kindes entfernt, für Körperschäden der daraufhin eine Niere spendenden Mutter (Urt. v. 30. 6. 1987 - V I ZR 257/86 BGHZ 101, 215 ff.). '8i Ein rechtswidriger, aber wirksamer Verwaltungsakt stellt mithin einen ausreichenden Rechtsgrund für das hoheitliche Handeln dar und schließt einen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch aus, Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 7. Teil, IV. 3. b) (S. 313 f.). 182 Im Strafrecht wird ein Rechts Widrigkeitszusammenhang beispielsweise vorausgesetzt, um den straftatbestandlichen Erfolg einer Pflichtverletzung „objektiv zuzurechnen". So ist nicht wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) zu bestrafen, wer als Kraftfahrer einen Radfahrer mit zu geringem Sicherheitsabstand überholt und dabei dessen Tod herbeiführt, sofern es bei verkehrsgerechtem Verhalten ebenfalls zum Tode gekommen wäre, BGH, Beschl. v. 25. 9. 1957-4 StR 354/57-BGHSt. 11,1 (3 f.). Im Zivilrecht wird ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Verletzung eines Schutzgesetzes i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB und dem eingetretenen Schaden verlangt, Esser/ Weyers, Schuldrecht, Bd. II, Teilbd. 2, § 561. Im Verwaltungsprozessrecht setzt die Begründetheit der Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO voraus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger „dadurch" in seinen Rechten verletzt ist, mithin ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen objektiver Rechtswidrigkeit und subjektiver Rechtsverletzung besteht, dazu Gerhard, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 113 Rn 6, 11 ff.

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Hingegen könnte Y wegen der ihm durch die Auferlegung des diskriminierenden Abrissgebotes widerfahrenen Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein Amtshaftungsanspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld zustehen183. Das zur Entscheidung berufene Zivilgericht darf einen auf die Rechtswidrigkeit des Erlasses eines Verwaltungsaktes gestützten Amtshaftungsanspruch nur dann bejahen, wenn es daran nicht durch die Präjudizwirkung des Verwaltungsaktes gehindert ist. Das Zivilgericht hat den Rechtsstreit anhand des zwischen Kläger und Beklagten geltenden Rechts zu entscheiden. Recht zwischen den Beteiligten erzeugt insbesondere ein Verwaltungsakt, soweit dies mit dem Verwaltungsakt intendiert ist und der Verwaltungsakt innere Wirksamkeit besitzt. Die Präjudizwirkung des innerlich wirksamen Verwaltungsaktes reicht nicht über seine intendierte Rechtsfolge hinaus. Intendierte Rechtsfolge der Abrissverfügung ist ausschließlich die Auferlegung einer Abrisspflicht, nicht jedoch die Feststellung der Rechtmäßigkeit dieser Auferlegung. Dies bedarf der Erläuterung. Y kann die Abrissverfügung nur deshalb nicht mehr mit Erfolg anfechten, weil er die Anfechtungsfrist versäumt hat. Das Gericht nimmt mangels Zulässigkeit keine Begründetheitsprüfung der gegen einen unanfechtbaren Verwaltungsakt eingelegten Anfechtungsklage vor. Die Unanfechtbarkeit zwingt mithin nicht, die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu bejahen. Vielmehr kommt es infolge der Unanfechtbarkeit nicht mehr auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes an. Die Anfechtungsklage gegen einen unanfechtbaren rechtswidrigen Verwaltungsakt scheitert nicht an einem Verbot, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes festzustellen, sondern an der Versäumung der Anfechtungsfrist. 184 Zwar wird die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes von dessen Rechtmäßigkeit ausgehen und dies oftmals wenigstens konkludent zum Ausdruck bringen. Doch kann sich der Verwaltungsakt ebenso wenig selbst 185 Rechtmäßigkeit beilegen wie äußere oder innere Wirksamkeit (vgl. o. II. 3., u. III. 3., IV. 3.). Die Münchhauseniade, die eigene Rechtmäßigkeit verbindlich festzustellen, lässt der Stufenbau der Rechtsordnung nicht zu. Die Feststellung der eigenen Rechtmäßigkeit ist deshalb keine intendierte Rechtsfolge des Verwal!83 Privatdeliktsrechtliche Ansprüche auf Schmerzensgeld wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind auch nach der Schadensrechtsreform weiterhin nicht im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt, Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 253 Rn 10. Erst recht trifft dies auf den (öffentlichrechtlichen) Amtshaftungsanspruch zu. im Steinweg, NJW 2003, 3037 (3039). 185 Eine andere Frage ist, ob beispielsweise die Widerspruchsbehörde die Rechtmäßigkeit des Ausgangsverwaltungsaktes feststellen darf oder feststellen kann. In einem Einzelfall hat der VGH BW (Urt. v. 20. 9. 1983 - 9 S 1597/82 - NVwZ 1984, 251) die ausdrückliche Feststellung der Widerspruchsbehörde, der (erledigte) Ablehnungsbescheid sei rechtmäßig gewesen, als feststellenden Verwaltungsakt verstanden. Bezeichnenderweise ist das Gericht daraufhin aber nicht (wie es folgerichtig gewesen wäre) von einem Anfechtungsbegehren gegen den feststellenden Verwaltungsakt, sondern von einem Fortsetzungsfeststellungsbegehren wegen des ursprünglich begehrten Verwaltungsaktes ausgegangen.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

tungsaktes.186 Daher kann und muss das zur Entscheidung über die Amtshaftungsklage berufene Zivilgericht die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes als Vorfrage eines Amtshaftungsanspruchs eigenständig prüfen, ohne insoweit auf die Präjudizwirkung (des innerlich wirksamen oder auch bestandskräftigen) Verwaltungsaktes verweisen zu können. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes losgelöst von dessen innerer Wirksamkeit ist Folge der grundsätzlich rechtsfehlerunabhängigen Wirksamkeit des Verwaltungsaktes [dazu s. u. G. I. 4. a)]. Zwar bestimmt der innerlich wirksame Verwaltungsakt dem Rechtsunterworfenen gegenüber, „was für ihn Rechtens sein soll" 1 8 7 . Der Inhalt des innerlich wirksamen Verwaltungsaktes ist Recht. Doch steht damit nicht die Rechtmäßigkeit der Erzeugung dieses Rechts fest. Zwar hat Otto Mayer im Erlass des Verwaltungsaktes eine „obrigkeitliche Selbstbezeugung der Rechtmäßigkeit" gesehen.188 Doch ging es dabei nicht um die positivrechtliche Legalität des Verwaltungshandelns, sondern allein um dessen moralische Legitimität. 189 Denn nach Otto Mayer besaß die Exekutive eine von den Gesetzen unabhängige Regelungsbefugnis, so dass es auf die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte nicht ankam. 190 Ferner widerspricht Otto Mayers Ausgangsverständnis einer vor-rechtlichen Staatsgewalt dem Rechtsstaatsprinzip. 191 Kraft des Verwaltungsaktes ist „Rechtens", was der Verwaltungsakt bestimmt, nicht jedoch, dass der Verwaltungsakt bestimmt. Insoweit erfahrt das Prinzip „ex iniuria ius non oritur" eine Einschränkung. 192 Nicht nur ist die innere Wirksamkeit von der Rechtmäßigkeit unabhängig, sondern auch umgekehrt die Rechtmäßigkeit von der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes. Ebenso wenig wie die Rechtswidrigkeit die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes ausschließt, folgt aus der inneren Wirksamkeit die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes. Dies bestätigt die Überlegung, dass nicht einmal materiell bestandskräftige Urteile ihre eigene Rechtmäßigkeit festzustellen vermögen. 193 Beispielsweise kann unter Berufung 186 Rohlfing, Nachprüfbarkeit bestandskräftiger Verwaltungsakte, S. 158 ff., 300; Scherzberg, DVB1. 1991, 84 (92); Steinweg, NJW 2003, 3037 (3038 f.); Ehlers, Liber Amicorum Erichsen, S. 1 (16); vorsichtiger Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 121. '87 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Bd., S. 228. 188 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Bd., S. 95 f. 189 Mithin erfüllte die „Selbstbezeugung" eine „rein ideologische Funktion", SchmidtDe Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 239. 190 Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 236 ff., 241 f. 1 91 So bereits - in monarchischer, aber desungeachtet rechtsstaatlicher Zeit - Kelsen, AöR 31 (1913), 109 (205 f.). 192 Zur Einschränkbarkeit dieses Grundsatzes s. nur Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 278 f. 193 Zu diesem Argument bereits Rohlfing, Nachprüfbarkeit bestandskräftiger Verwaltungsakte, S. 159. Nur scheinbar abweichend Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 272 f., nach dem mit Rechtskraft einer Entscheidung die „»Rechtmäßigkeit* dieser Entscheidung" (Hervorhebung im Original) nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Unter „Rechtmäßigkeit" versteht Kelsen an dieser

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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auf die Rechtswidrigkeit eines materiell bestandskräftigen Urteils die Wiederaufnahme (§ 153 VwGO i.V. m. §§ 578 ff. ZPO) beantragt oder eine Urteils-Verfassungsbesch werde zum Bundesverfassungsgericht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a, §§ 13 Nr. 8 a, 90 Abs. 1 BVerfGG) oder eine Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Art. 34 EMRK) eingelegt werden. Stünde mit der inneren Wirksamkeit (oder auch mit der Bestandskraft) des Verwaltungsaktes dessen Rechtmäßigkeit verbindlich fest, könnte die Rücknahme des (u. U. unanfechtbaren) Verwaltungsaktes nicht nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG dessen Rechtswidrigkeit voraussetzen. 194 Zudem betreffen die Wiederaufgreifensgründe des § 51 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 VwVfG zumeist rechtswidrige bestandskräftige Verwaltungsakte, die gerade auf Grund ihrer Rechtswidrigkeit einer erneuten Sachentscheidung unterworfen werden. Zudem ginge mit der Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes - als einer qualifizieren Form der Rechtswidrigkeit - stets eine konkludente Teilaufhebung des Verwaltungsaktes einher, falls die Feststellung der eigenen Rechtmäßigkeit am Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes Anteil hätte. Während jedoch eine behördliche oder gerichtliche Aufhebung durch Beseitigung der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes erga omnes Gestaltungswirkung entfaltet, wird eine solche Wirkung der Nichtigkeitsfeststellung durch die Behörde nach § 44 Abs. 5 VwVfG oder das Gericht nach § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO nicht zuerkannt. 195 Überdies liegt der Konzeption des Amtshaftungsanspruchs die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass weder mit Vornahme eines Urteils, noch mit Vornahme eines Verwaltungsaktes dessen Rechtmäßigkeit feststeht. Amtshaftungsansprüche wegen rechtswidriger gerichtlicher Entscheidungen sind zwar durch das Urteilsspruchprivileg (§ 839 Abs. 2 BGB) und den Vorrang des Primärrechtsschutzes (§ 839 Abs. 3 BGB) empfindlich eingeschränkt, aber doch möglich. Im Hinblick auf Verwaltungsakte, die als exekutive Handlungen eine geringere Richtigkeitsgewähr als judikative Entscheidungen bieten, sind deshalb Amtshaftungsansprüche erst recht nicht ausgeschlossen. Somit präjudiziell die Abriss Verfügung den Amtshaftungsprozess insoweit nicht, wie ihre eigene Rechtmäßigkeit als Voraussetzung eines Amtshaftungsanspruches in Rede steht. Die Rechtswidrigkeit der den Y diskriminierenden Abrissverfügung ist zu bejahen. Der Amtswalter hat eine dem Schutz des Y dienende Amtspflicht verletzt, wie Art. 34 S. 1 GG/§ 839 Abs. 1 BGB voraussetzen. Die Ersatzpflicht tritt jedoch nach § 839 Abs. 3 BGB dann nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch Stelle den rechtserzeugenden Charakter der Entscheidung (d. h. die „Existenz" oder „Geltung" der von der Entscheidung ausgesprochenen „individuellen Norm"), wie auch aus der Gleichsetzung der Rechtskraft mit der „Geltung" des Inhalts der Entscheidung hervorgeht. '94 Zu diesem Argument Rohlfing, Nachprüfbarkeit bestandskräftiger Verwaltungsakte, S. 159; Ehlers, Liber amicorum Erichsen, S. 1 (16); Steinweg, NJW 2003, 3037 (3038). 195 Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn 205, § 43 Rn 129.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

eines Rechtsmittels abzuwenden. Den Schaden, den Y bereits durch den Erlass der diskriminierenden Abrissverfügung an seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) erlitten hat, konnte durch nachfolgende Rechtsbehelfe nicht abgewendet werden. Mit einem Anfechtungswiderspruch oder einer Anfechtungsklage hätte Y allenfalls die behördliche oder gerichtliche Aufhebung der Abrissverfügung (§§ 72, 73 Abs. 1 S. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) erwirken können. Diese Aufhebung hätte jedoch lediglich weitergehenden Schäden vorgebeugt, nicht jedoch den bereits entstandenen Schaden rückgängig gemacht. Mithin kommt die Obliegenheit des Verletzten zur Schadensminimierung nach § 839 Abs. 3 BGB im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. Y hat einen Amtshaftungsanspruch auf Schmerzensgeld wegen des durch den rechtswidrigen Erlass der Abrissverfügung erlittenen Schadens. Insoweit hindert die innere Wirksamkeit der Abrissverfügung nicht den Erfolg der Amtshaftungsklage.

(2) Präjudizwirkung

gestaltender Verwaltungsakte

Auch gestaltenden Verwaltungsakten kommt Präjudizwirkung zu. Beispielsweise ist die Einbürgerung eines Ausländers nach §§ 8 ff., 40 b, 40 c StAG ein gestaltender Verwaltungsakt, der dem Betroffenen die deutsche Staatsangehörigkeit verleiht. Da die Staatsangehörigkeit das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag nach Art. 38 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 1 S. 1 GG, §§ 1 Abs. 1 S. 2,12 Abs. 1 BWahlG präjudiziell, ist das Wahlrecht eine akzidentielle Rechtsfolge des EinbürgerungsVerwaltungsaktes. Ein weiteres Beispiel ist die Präjudizwirkung der das Wehrdienstverhältnis begründenden Einberufung (gestaltender Verwaltungsakt) für die u. U. erst nachfolgende Dienstantrittsaufforderung (befehlender Verwaltungsakt). 196 Während befehlende Verwaltungsakte eine Rechtsgrundfunktion erfüllen können, indem sie öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche des in die Pflicht genommenen Adressaten gegenüber dem Verwaltungsträger ausschließen [s. o. (1) (c)], kann gestaltenden Verwaltungsakte im umgekehrten Verhältnis Rechtsgrundfunktion zukommen. Beispielsweise schließt ein Bescheid, mit dem ein verlorener Zuschuss bewilligt wird, öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche des Verwaltungsträgers gegenüber dem Subventionsempfänger solange aus, wie der Bescheid besteht.

(3) Präjudizwirkung

feststellender

Verwaltungsakte

Am weitesten reicht die Präjudizwirkung feststellender Verwaltungsakte, da deren Regelungsgehalt im Vergleich zu demjenigen befehlender oder gestaltender Verwaltungsakten eine größere „Offenheit" besitzt 197 . Stellt beispielsweise eine 196 Dazu BVerwG, Urt. v. 26. 6. 1969 - V I I I C 36.69 - BVerwGE 32, 243 (247 f.). 197 p Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 142. Beispiel ist die Feststellung einer Beitragspflicht „dem Grunde nach", BVerwG, Urt. v. 15. 1. 1987 - 3 C 3.81 - BVerwGE 75, 318 (319 f.).

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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Bescheinigung über einen Referenzmengenübergang nach der Milch-Garantiemengen-Regelung den Referenzmengenübergang unrichtig fest, dann sind die Beteiligten daran gehindert, sich auf die wahre Rechtslage zu berufen, solange die Bescheinigung nicht zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben ist. 1 9 8 Intendierte Rechtsfolge einer solchen Bescheinigung ist die Feststellung des Referenzmengenübergangs. Die innerlich wirksame Bescheinigung präjudiziell mithin alle an den Referenzmengenübergang anknüpfenden behördlichen oder gerichtlichen Entscheidungen.

bb) Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes Ebenso wie einem Urteil, kommt dem Verwaltungsakt aufgrund gesetzlicher Anordnung neben der Präjudizwirkung auch Tatbestandswirkung zu. 1 9 9 Während die Präjudizwirkung eines Rechtsaktes unmittelbar an die nackte intendierte Rechtsfolge anknüpft, unabhängig von deren Einkleidung in die Urteils- oder Verwaltungsaktsform, stellt die Tatbestandswirkung über die intendierte Rechtsfolge hinaus auf die verwendete Rechtsaktsform ab. 2 0 0 Die hier so genannte Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes wird teilweise auch als „TatbestandsWirkung i. e. S." bezeichnet und der als „Tatbestandswirkung i. w. S." verstandenen Präjudizwirkung gegenüber gestellt. 201 Die Unterscheidung zwischen Präjudiz Wirkung und Tatbestands Wirkung eines Rechtsaktes verdeutlicht das Beispiel einer strafgerichtlichen Urteils. Die rechtskräftige Verurteilung kann für die Beurteilung der Zuverlässigkeit einer Person nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG Präjudizwirkung, für die Ausweisung der Person nach §§ 53 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG jedoch Tatbestandswirkung besitzen. Denn im Gaststättenrecht ist die strafgerichtliche Verurteilung nur einer unter mehren möglichen Anknüpfungspunkten, auf die sich die Beurteilung des Betroffenen als unzuverlässig stützen lässt. Hingegen kommt es im Ausländerrecht nicht auf die wahre Delinquenz des Betroffenen, sondern auf die Verhängung einer Kriminalstrafe an, unabhängig davon, ob der Betroffene zu Recht oder zu Unrecht verurteilt worden oder unbestraft geblieben ist. Unter Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes sollen diejenigen akzidentiellen Rechtsfolgen verstanden werden, die tatbestandlich das Vorliegen eines inneres BVerwG, Urt. v. 17. 04. 1997 - 3 C 2.95 - BayVBl. 1998, 346 (346). 199 Zur Tatbestandswirkung von Urteilen s. bereits Kisch, Beiträge zur Urteilslehre, S. 36; Gaul, FS Zeuner, S. 317 ff. In der Sache auch Kuttner, Nebenwirkungen der Zivilurteile, S. 2 ff., 16 ff., 83 ff., 115 ff., 124 ff. 200 Zu terminologischen Verwirrungen über den Begriff der „Tatbestandswirkung" s. Knöpfte, BayVBl. 1982, 225 (226). 201 So etwa Hans Meyer, in: ders. / Borgs, VwVfG, § 35 Rn 8 f.; Seibert, BindungsWirkung des Verwaltungsaktes, S. 77 ff.; Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 53; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 145.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

lieh wirksamen Verwaltungsaktes bestimmten Inhaltes voraussetzen. 202 Angeknüpft wird an das Vorhandensein eines verbindlichen Verwaltungsaktes kraft Einsetzungsnorm, mithin nicht an eine „Tatsache" 203 . Die Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes ist in subjektiver Hinsicht nicht notwendig durch den Kreis derjenigen beschränkt, denen gegenüber der Verwaltungsakt innerlich wirksam ist. Denn anders als die Präjudizwirkung, die schlicht an die intendierte Rechtsfolge des Verwaltungsaktes anknüpft [s. o. aa)], beruhen die einzelnen Fälle der Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes jeweils auf besonderer (gesetzlicher oder anderweitiger) Anordnung. Das Gesetz oder der sonstige Rechtsakt kann dem Verwaltungsakt auch gegenüber solchen Personen Tatbestandswirkung verleihen, gegenüber denen dem Verwaltungsakt selbst (etwa mangels personenbezogener Bekanntgabe 204 ) keine innere Wirksamkeit zukommt. Dies entspricht der allgemein üblichen Begriffsbildung der Tatbestandswirkung von Urteilen 205 , deren Schulbeispiel 206 der Anspruch des Bürgen gegen den Hauptschuldner auf Befreiung von der Bürgschaft nach § 775 Abs. 1 Nr. 4 BGB ist. Dieser Anspruch entsteht kraft Gesetzes, sobald der Gläubiger gegen den Bürgen ein vollstreckbares Urteil erwirkt hat, obwohl die (etwaige) Rechtskraft dieses Urteils nach §§ 325, 322 ZPO den Hauptschuldner nicht erfasst. Solche Tatbestandswirkungen gegenüber Dritten werden auch als „Reflexwirkungen" 207 angesprochen. Beispiele der Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes sind das materiellrechtliche Wiederholungsverbot [(1)], die vollstreckungsrechtliche Titelfunktion [(2)], die Veijährungsunterbrechung [(3)], die Tatbestandswirkung von Gestattungen 202 Zwischen Präjudiz- und Tatbestandswirkung unterscheidend Kuttner, Nebenwirkungen der Zivilurteile, S. 4 f.; Domke, Rechtsfragen der Bestandskraft, S. 64 ff., 68 f.; Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 327 f.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 145; Knöpfte, BayVBl. 1982, 225 (230); Merten, NJW 1983, 1993 (1997). Unter Einbeziehung der Präjudizwirkung in den Begriff der Tatbestandswirkung hingegen BVerwG, Urt. v. 4. 7. 1986 - 4 C 31.84 - BVerwGE 74, 315 (320); Kormann, AöR 30 (1913), 253 (258); Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, § 50 I. c); Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn 42; Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 53, 177 f.; Ule/ Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 56 Rn 4; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13 Rn 4; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 43 Rn 16 ff., 24 f.; Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 43 Rn 17; Berg, FS Maurer, S. 729 (730 f.). 203 So aber missverständlich Kormann, AöR 30 (1913), 253 (256 f.); Erichsen, in: ders./ Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13 Rn 4; Rohlfing, Nachprüfbarkeit bestandskräftiger Verwaltungsakte, S. 264 f. 204 Zur (individuellen oder öffentlichen) Bekanntgabe gerade gegenüber dem Betroffenen als Voraussetzung innerer Wirksamkeit ihm gegenüber, s. u. F. I. 3., J. IV. 205 Gaul, FS Zeuner, S. 317 (328 f.); Rohlfing, Nachprüfbarkeit bestandskräftiger Verwaltungsakte, S. 256; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, § 322 Rn 16 f.; Gottwald, in: Münchener Kommentar, ZPO, § 325 Rn 8 a. E. 206 s. bereits Kisch, Beiträge zur Urteilslehre, S. 35. 207 So für die zivilrechtliche Tatbestandswirkung gegenüber Dritten bereits Jhering, JhrJb 10 (1871), 245 (245 f., 263 f., 268); Kuttner, Nebenwirkungen der Zivilurteile, S. 10. Ebenso Gaul, FS Zeuner, S. 317 (318, 350).

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

81

[(4)], die Tatbestandswirkung bei der Rückforderung erbrachter Leistungen [(5)], die Tatbestandswirkung der marktverkehrsrechtlichen Festsetzung [(6)] sowie Tatbestandswirkungen auf privatrechtlichem [(7)] oder auch strafrechtlichem Gebiet [(8)], die Tatbestands Wirkung für die Geltung von Satzungen [(9)] und die Tatbestandswirkung für akzessorische Verwaltungsakte [(10)]. (1) Materiellrechtliches

Wiederholungsverbot

(ne bis in idem)

Solange die innere Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes andauert, darf die Behörde den betroffenen Regelungsgegenstand keiner erneuten Regelung durch Verwaltungsakt unterwerfen. 208 Zwar wird die Geltung eines materiellrechtlichen 209 Wiederholungsverbotes bestritten 210 . Doch gebietet der rechtsstaatliche Grundsatz der Rechtsklarheit ein ne bis in idem nicht nur bei Entscheidungen der Straf-, Zivil- und Verwaltungsgerichte (vgl. Art. 103 Abs. 3 GG, §§ 322 ZPO, 121 VwGO), sondern auch bei behördlichen Entscheidungen. Das Wiederholungsverbot für Verwaltungsakte hindert die Behörde nicht daran, die mit Fortschreiten der Zeit unerlässlichen Korrekturen oder Neugestaltungen vorzunehmen. Denn das Wiederholungsverbot spricht der Behörde nicht die Befugnis ab, die getroffene Erstentscheidung aufzuheben und an ihre Stelle eine Zweitentscheidung zu setzen. Lediglich obliegt der Behörde - um widersprüchliches Verhalten zu vermeiden - mit dem Erlass der Zweitentscheidung die Aufhebung der Erstentscheidung zu verbinden. Ob die Aufhebung rechtmäßig ist, beantwortet nicht das Wiederholungsverbot, sondern beantworten insbesondere die Verbote amtswegiger Aufhebung [dazu s. o. II. 1. a)]. Da die Aufhebung einer verwaltungsaktförmigen Erstentscheidung, anders als die Aufhebung einer gerichtlichen Erstentscheidung, grundsätzlich auch konkludent möglich ist, kommt es regelmäßig auch dann zu keinem Verstoß gegen das Wiederholungsverbot, wenn die Behörde eine Zweitentscheidung erlässt, ohne die Erstentscheidung explizit aufzuheben. 211

208 Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 45, 127 ff., der dieses Verbot allerdings an der Bestandskraft statt an der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes festmacht. Im Ergebnis stimmt diese Auffassung mit der hier vertretenen überein, da sie für den Zeitraum vor Eintritt der Bestandskraft in Anlehnung an § 318 ZPO eine spezifische Selbstbindung der Verwaltung an die getroffene Entscheidung annimmt. 209 Zum seit langem umstrittenen prozessualen Wiederholungsverbot s. BVerwG, Urt. v. 8. 12. 1992 - 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 (257 f.); Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rn 81; Kothe, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 121 Rn 5; J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn 5; Götzen, Das Verwaltungsakt-Wiederholungsverbot, S. 25 ff., 80 f.; Ehlers, Verw 31 (1998), 53 (74). 210 Dagegen Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, § 52 III. b) (S. 447); J. Ipsen, Verw 17 (1984), 169 (187). 211 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 45 f. 6 Steinweg

82

1. Kap.: Begriffsbestimmung

(2) Vollstreckungsrechtliche

Titelfunktion

Eine bedeutsame Tatbestandswirkung des befehlenden Verwaltungsaktes ist seine vollstreckungsrechtliche Funktion. 212 Der innerlich wirksame befehlende Verwaltungsakt dient hinsichtlich der durch ihn erzeugten Pflicht gemäß § 6 Abs. 1 VwVG als Vollstreckungstitel (Grundverfügung), ist mithin eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Vollstreckung im gestreckten Verfahren. 213 An die Vollstreckung kraft Titels - und daher mittelbar an den Vollstreckungstitel selbst - knüpft die Erhebung der Kosten insbesondere einer Ersatzvornahme an. (3) Verjährungsunterbrechung

Ein zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassener (innerlich wirksamer) Verwaltungsakt unterbricht nach § 53 Abs. 1 S. 1 VwVfG die Verjährung dieses Anspruchs. (4) Tatbestandswirkung

von Gestattungen

Unterliegt eine Tätigkeit dem Vorbehalt der Genehmigung, so ist die Tätigkeit kraft Gesetzes verboten, solange keine Genehmigung eingeholt ist. Die Genehmigung bildet ein negatives Tatbestandsmerkmal des die Tätigkeit verbietenden Gesetzes. Intendierte Rechtsfolge der Genehmigung ist (neben der Feststellung der Genehmigungsvoraussetzungen) die Gestattung der Tätigkeit. Diese Gestattung entfaltet nach dem Gesetz Tatbestandswirkung. Beispielsweise errichten die §§ 30 ff. GewO in Ausnahme vom Grundsatz der Gewerbefreiheit nach § 1 Abs. 1 GewO (vgl. Art. 12 Abs. 1 GG) für bestimmte Gewerbe ein Genehmigungserfordernis. Die Gestattung des genehmigungsbedürftigen Gewerbes löst im Wege der Tatbestandswirkung eine gesetzliche Gegenausnahme aus, so dass insoweit wiederum Gewerbefreiheit besteht. Das Recht zum Betrieb des Gewerbes ist mithin keine intendierte Rechtsfolge, sondern lediglich eine (durch das Gesetz vermittelte) akzidentielle Rechtsfolge der Genehmigung. In gewissen Fällen knüpft das Gesetz an die behördliche Genehmigung zusätzlich zu der den Inhaber begünstigenden Gestattungswirkung eine belastende Rechtsfolge, beispielsweise die gesetzliche Pflicht zum Gebrauchmachen einer Genehmigung im Luftverkehrsrecht. 214

212

Zur vollstreckungsrechtlichen Funktion als Tatbestandswirkung des (zivilgerichtlichen) Leistungsurteil s. bereits Kisch, Beiträge zur Urteilslehre, S. 36 ff. 213 Eine über den verpflichtenden Charakter des Verwaltungsaktes (materielle Vollstreckbarkeit) hinausgehende Rechtmäßigkeitsvoraussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen ist dabei die Unanfechtbarkeit oder sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes (formelle Vollstreckbarkeit). Dazu Baumann, GewArch 2004,448 (448).

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes (5) Tatbestandswirkung

bei der Rückforderung

erbrachter

83 Leistungen

Die auf § 49 a Abs. 1 Alt. 1 oder Alt. 2 VwVfG gestützte Rückforderung der aufgrund eines Verwaltungsaktes erbrachten Leistungen setzt tatbestandlich die Rücknahme oder den Widerruf des ursprünglichen Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit voraus. Dem Rücknahme- oder Widerrufsverwaltungsakt kommt demgemäß Tatbestandswirkung zu. (6) Tatbestandswirkung

der marktverkehrsrechtlichen

Festsetzung

Die marktverkehrsrechtliche Festsetzung einer Veranstaltung nach § 69 Abs. 1 GewO intendiert eine Rechtsfolge ausschließlich gegenüber dem jeweiligen Veranstalter. 215 Jedoch löst die Festsetzung gegenüber Dritten, die als Marktbeschicker, Aussteller oder Anbieter i. S. d. § 70 GewO dem Teilnehmerkreis der festgesetzten Veranstaltung angehören, eine Vielzahl von Erleichterungen aus, die als Marktprivilegien zusammengefasst werden. 216 Die marktverkehrsrechtliche Festsetzung ist zumindest dann Verwaltungsakt, wenn der Veranstalter nicht mit dem Verwaltungsträger der festsetzenden Behörde identisch ist. 2 1 7 Da die Festsetzung der Veranstaltung (regelmäßig) nur gegenüber dem Veranstalter ergeht 218 , kann sie mangels der nach § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG erforderlichen Bekanntgabe an die Teilnehmer diesen gegenüber keine innere Wirksamkeit erlangen. Aus diesem Grunde zielt die Festsetzung von vornherein nicht auf Rechtsfolgen für die Teilnehmer ab. Mithin knüpfen die Marktprivilegien im Wege der Tatbestandswirkung an die (gegenüber dem Veranstalter innerlich wirksame) Festsetzung an. (7) Tatbestandswirkung

auf privatrechtlichem

Gebiet

Die Rechtsordnung verleiht einem Verwaltungsakt auf dem Gebiet des Privatrechts Tatbestandswirkung, sofern das Vorhandensein oder Fehlen des innerlich wirksamen Verwaltungsaktes Tatbestandsmerkmal einer zivilrechtlichen Regelung ist. Die intendierte Rechtsfolge eines solchen Verwaltungsaktes liegt auf öffentlich-rechtlichem Gebiet. Doch knüpft an diesen Verwaltungsakt eine akzidentielle Rechtsfolge auf privatrechtlichem Gebiet an. Beispielsweise wirkt eine Genehmigung zur Zweckentfremdung von Wohnraum nicht unmittelbar auf das Mietverhältnis ein. 2 1 9 Falls jedoch die Vertragsparteien einen Mietvertrag unter der auf215

Ehlers, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht I, § 2 Rn 76; daran anknüpfend Steinweg, GewArch 2004, 101 (105). 216 s. die Zusammenstellung bei Schönleiter, in: Landmann / Rohmer, GewO, § 69 Rn 14. 217 BVerwG, Uit. v. 3. 3. 1987 - 1 C 15.85 - BVerwGE 77, 70 (71); Ehlers, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht I, § 2 Rn 76 m. w. N. 21 » Gesetzesbegründung BT-Drs. 7/3859, S. 13; Ehlers, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht I, § 2 Rn 76. 219 BVerwG, Urt. v. 22.4. 1994 - 8 C 29.92-8 C 29.92 - BVerwGE 95, 341 (361); zust. R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 140.

6*

84

1. Kap.: Begriffsbestimmung

schiebenden Bedingung (§ 154 Abs. 1 BGB) der Erteilung oder unter der auflösenden Bedingung (§ 154 Abs. 2 BGB) der Versagung der Zweckentfremdungsgenehmigung schließen, kommt der Genehmigung Tatbestandswirkung auf dem Gebiet des Privatrechts zu. Es handelt sich dann um eine kraft privatrechtlichen Vertrages eintretende akzidentielle Rechtsfolge des Verwaltungsaktes. 220 Im Gegensatz dazu gehört beim privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt, bereits die intendierte Rechtsfolge dem privaten Recht an. 2 2 1 Der privatrechtsgestaltende Verwaltungsakt bedarf mithin keiner gesetzlich oder anderweitig vermittelten Tatbestandswirkung, um auf dem Gebiet des Privatrechts Rechtsfolgen hervorzubringen. 2 2 2 Beispiel ist die verwaltungsaktförmige Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde nach § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB. 223 Da die Behörde eine solche Maßnahme auf öffentlich-rechtlicher Grundlage (§ 24 BauGB) trifft, handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Rechtsakt. Mithin ergeht die Maßnahme i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG „zur Regelung... auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts", denn die Öffentlich-Rechtlichkeit ist kein die intendierte Rechtsfolge betreffendes (materielles) Merkmal, sondern ein auf die Handlungsform bezugnehmendes (formelles) Merkmal [s. o. I. 2. a)]. Ebenso wie ein Gesetz zivilrechtlichen Inhalts gehört ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt dem öffentlichen Recht an, intendiert jedoch eine Rechtsfolge im Privatrecht. (8) Tatbestandswirkung

auf strafrechtlichem

Gebiet

Die Rechtsordnung verleiht einem Verwaltungsakt auf dem Gebiet des Strafrechts Tatbestandswirkung, soweit das Vorhandensein oder Fehlen des innerlich 220

Zu kraft Vertrages eintretenden akzidentiellen Rechtsfolgen gerichtlicher Entscheidungen s. bereits Kuttner, Die privatrechtlichen Nebenwirkungen der Zivilurteile, S. 9, 10 ff., 15 ff., der solche „gewillkürten Nebenwirkungen" von „gesetzlichen Nebenwirkungen" unterscheidet. 22 1 Abweichend P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 137, nach denen die intendierte Rechtsfolge des privatrechtsgestaltenden Verwaltungsaktes - entgegen dem buchstäblichen Sinn - dem öffentlichen Recht angehören soll. Wie hier Hans Meyer, in: ders. / Borgs, VwVfG, § 35 Rn 30; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn 79; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 48 Rn 17; Janßen, in: Obermayer, VwVfG, § 35 Rn 51; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 21, 27; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 35 Rn 91; Jarass, W D S t R L 50 (1991), 238 (252 ff.). Undeutlich Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 22 ff., 26 f., 29 f. (vgl. aber S. 359). 222 Insoweit unterscheidet Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 284 ff., zwischen „privatrechtsalleingestaltenden" und lediglich „privatrechtsmitgestaltenden" Verwaltungsakten (darunter beispielsweise solchen Genehmigungen, die zur Wirksamkeit eines privatrechtlichen Rechtsgeschäftes nicht hinreichend, aber doch als Rechtsbedingung notwendig sind). 223 Zu diesem Schulbeispiel OVG Lüneburg, Beschl. v. 30. 1. 1975 - V I OVG B. 99/74 NJW 1976, 159 (160); Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 433 f. (Fn 94); Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 20.

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

85

wirksamen Verwaltungsaktes Tatbestandsmerkmal einer Strafnorm 224 ist (strafrechtliche Verwaltungsaktakzessorietät 225). Dabei kann der Verwaltungsakt die Strafbarkeit einer Verhaltensweise auslösen oder umgekehrt verhindern. Beispielsweise wird wegen unerlaubten Betreibens einer (kerntechnischen) Anlage bestraft, wer die Anlage entweder ohne die erforderliche (atomrechtliche) Genehmigung (§ 327 Abs. 1 Alt. 1 StGB) oder entgegen einer vollziehbaren Untersagung (§ 327 Abs. 1 Alt. 2 StGB) betreibt. Die Strafbarkeit oder Straflosigkeit tritt dabei nicht kraft Verwaltungsaktes als dessen intendierte Rechtsfolge, sondern kraft Gesetzes als akzidentielle Rechtsfolge des Verwaltungsaktes ein. 2 2 6 Mithin steht dem Strafgesetzgeber offen, die von ihm selbst angeordnete Verwaltungsaktakzessorietät zu begrenzen. 227 Etwa liegt nach der sog. Missbrauchsklausel des § 330 d Nr. 5 StGB ein Handeln ohne Genehmigung i. S. d. § 327 Abs. 1 Alt. 1 StGB auch dann vor, wenn zwar eine innerlich wirksame (also insbesondere nicht nichtige) Genehmigung vorhanden ist, doch diese durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Anhaben erschlichen ist. Zudem ist eine Lockerung der Verwaltungsaktakzessorietät in zeitlicher Hinsicht möglich und evtl. von der Verfassung zwingend erfordert. 228 Die Strafbarkeit einer Verhaltensweise auf einen rückwirkend inkriminierenden Verwaltungsakt zu stützen könnte zum einen das in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltene strafrechtliche Rückwirkungsverbot (nulla poena sine lege praevia) entgegenstehen229, zum anderen das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 224 Die Tatbestandwirkung des Verwaltungsaktes bezieht sich dabei nicht notwendig auf den eng verstandenen „Straftatbestand", wie er dem Besonderen Teil des Strafgesetzbuches oder strafrechtlichen Nebengesetzen entnommen wird, sondern kann auch andere Elemente des „Gesamtstraftatbestandes" (aus u. a. Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit, Schuld) betreffen. Etwa wird bei repressiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt angenommen, die verwaltungsaktsförmige Genehmigung schließe nicht schon die Tatbestandsmäßigkeit, sondern erst die Rechtmäßigkeit des Verhaltens aus, s. BGH, Urt. v. 22. 7. 1993 - 4 StR 322/93 - NStZ 1993, 594 f.; Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbem. §§ 32 ff. Rn 61 m. w. N. 225 Dazu BVerfG, Beschl. v. 6.5. 1987 - 2 BvL 11/85 - BVerfGE 75, 329 (340 ff.); Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Rn 202 ff., 216 ff.; Hirsch, in: Leipziger Kommentar, 1994, StGB, Vor § 32 Rn 160 ff.; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vorbem §§ 32 ff. Rn 61 ff.; Winkelbauer, NStZ 1986, 149 ff.; ders., NStZ 1988, 201 ff.; Af. Schröder, VVDStRL 50 (1991), 196 (210 ff.; 220 ff.). 226 So hebt M. Schröder, VVDStRL 50 (1991), 196 (221), zu Recht hervor, dass auch der strafrechtlich relevante Verwaltungsakt „kein Akt der Strafgesetzgebung" ist, sondern „Vollzugsakt des Verwaltungsgesetzes" bleibt. 227 Zu Lockerungen der Verwaltungsakt-Akzessorietät siehe etwa Kühl, Strafrecht, Allgemeiner Teil, § 9 Rn 119 ff., 128 ff. 228 Es ist deshalb voreilig, mit der Aufhebung ex tunc des strafbegründenden Verwaltungsaktes unbesehen die Strafbarkeit zu verneinen, so aber Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 92. 229

Vgl. Schmidt Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Rn 220, mit Nachweisen zum Streitstand.

86

1. Kap.: Begriffsbestimmung

Abs. 1 GG abgeleitete Tatschuldprinzip (nulla poena sine culpa 230 ). Insbesondere dürfte einem schuldausschließenden unvermeidbaren Verbotsirrtum (vgl. § 17 S. 1 StGB) unterliegen, wer entgegen einem erst später erlassenen rückwirkenden Verwaltungsakt handelt. Falls diese verfassungsrechtlichen Bedenken im Ergebnis durchgreifen, darf der Strafgesetzgeber mithin keine strikte Akzessorietät anordnen, sondern muss trotz der Rückwirkung des Verwaltungsaktes auf den Zeitpunkt der Tatbegehung abstellen. Hingegen lässt die Verfassung zu, dass die für ein bestimmtes Verhalten bereits verwirkte Strafbarkeit nachträglich entfällt. 231 In Betracht kommen insbesondere die rückwirkende Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der die Strafbarkeit des Verhaltens bedingt, sowie der Erlass eines rückwirkenden Verwaltungsaktes, der die Strafbarkeit des Verhaltens entfallen lässt. Inwieweit solche Ereignisse strafaufhebend wirken, ist eine strafrechtliche, mithin durch Auslegung der einzelnen Straftatbestände zu beantwortende, Frage. 232 Dabei ist danach zu fragen, ob nach den Wertungen des Gesetzgebers das Strafbedürfnis wegen des zunächst begangenen Ordnungsverstoßes andauert oder wegen der rückwirkend hergestellten Verwaltungsrechtskonformität entfallt. 233 (9) Tatbestandswirkung

für die Geltung von Satzungen

Sofern der Erlass von Satzungen autonomer Körperschaften unter dem Vorbehalt staatlicher Genehmigung steht, kommt dem genehmigenden Verwaltungsakt Tatbestandswirkung für das Wirksamwerden, nicht jedoch das Wirksambleiben der Satzung zu. Die Satzungsgenehmigung ist zwar nicht unaufhebbar 234, doch gilt die Satzung ohne Genehmigung fort. Eine Aufhebung der Satzungsgenehmigung wirkt deshalb nur gegen die autonome Körperschaft. 235

230 Dazu allgemein BVerfG, Beschl. v. 4. 2. 1959 - 1 BvR 197/53 - BVerfGE 9, 167 (169); Jescheck, in: Leipziger Kommentar, Vor § 13 Rn 71 m. w. N. 231 Einfachrechtliches (verfassungsgemäßes) Beispiel ist der Rücktritt, der gemäß § 24 StGB von der bereits eingetretenen Versuchsstrafbarkeit befreit, Es er, in: Schönke / Schröder, StGB, § 24 Rn 4 m. w. N. 232 Nachweise zum diesbezüglichen Streitstand bei Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbem. §§ 32 ff. Rn 63; Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 17 Rn 51; Winkelbauer, NStZ 1986, 149 ff., ders., NStZ 1988, 201 ff. 233 So scheidet nach Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Rn 220, eine Bestrafung in diesem Fall aus, wenn nicht ausnahmsweise die Strafnormen „auf schnellen Vollzug angelegte Ordnungsinteressen sichern sollen". Ebenso M. Schröder, VVDStRL 50 (1991), 196 (223 ff.). 234 So aber OVG NRW, Urt. v. 9. 6. 1992 - 15 A 1565/90 - NWVB1. 1992, 407 (408); Beschl. v. 7. 4. 1995 - 25 B 365/95 - NVwZ-RR 1996, 169 (170); Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 16 Rn 5; Ehlers, Verw 31 (1998), 53 (69). 235 BVerwG, Urt. v. 17. 3. 1992 - 1 C 31.89 - BVerwGE 90, 88 (90); Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 48 Rn 20.

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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(10) Tatbestandswirkung fiir akzessorische Verwaltungsakte

Ein akzessorischer Verwaltungsakt 236 intendiert eine Rechtsfolge nur so lange, wie der zugehörige Hauptverwaltungsakt innerlich wirksam besteht. Dem Hauptverwaltungsakt kommt deshalb Tatbestandswirkung für die Intention einer Rechtsfolge durch den akzessorischen Verwaltungsakt zu. Insbesondere erledigt sich der akzessorische Verwaltungsakt i. S. d. §§ 43 Abs. 2 Alt. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO, sobald der Hauptverwaltungsakt aufgehoben wird [s. u. E. II. 3 f)]. cc) Feststellungswirkung des Verwaltungsaktes Die eigentümliche Feststellungswirkung, die das Gesetz allenfalls bestimmten Verwaltungsakten verleiht, muss von der Präjudizwirkung oder auch Tatbestandswirkung eines gewöhnlichen feststellenden Verwaltungsaktes unterschieden werden. 237 Während die Präjudizwirkung und ebenso die Tatbestandswirkung lediglich zu einer Bindung an das behördliche Subsumtionsergebnis führen und demgemäß durch die intendierte Rechtsfolge des Verwaltungsaktes begrenzt werden, knüpft die Feststellungswirkung an den behördlichen Subsumtionsvorgang an. Der Verwaltungsakt besitzt dann Feststellungswirkung, wenn das Gesetz bloßen Elementen der Begründung des Verwaltungsaktes in späteren Verfahren Verbindlichkeit beimisst. 238 Fälle dieser besonderen Feststellungswirkung von Verwaltungsakten sind zumindest äußerst selten. 239 Als ein Beispiel der Feststellungswirkung wird oftmals die Ausstellung des Vertriebenenausweises nach § 15 Abs. 5 BVFG a. F. 2 4 0 genannt.241 Die deutsche Volkszugehörigkeit soll danach bloße Vorfrage der Aus236 Zur Akzessorietät von Verwaltungsakten untereinander s. P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 152. 23 ? Knöpfte, BayVBl. 1982, 225 (229 f.). Nicht zwischen der Feststellungswirkung und der Feststellung als intendierter Rechtsfolge unterscheidend noch Kormann, AöR 30 (1913), 253 (259). 238 Übereinstimmend die Begriffsbildung bei Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn 43; Seibert, Bindungswirkung des Verwaltungsaktes, S. 130; Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, S. 208; Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 55; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 56 Rn 4; Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 151; Erichsen, in: ders./ Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13 Rn 4; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn 9; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 43 Rn 26 ff.; Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 43 Rn 22; Knöpfte, BayVBl. 1982, 225 (230). Ohne Not abweichend Domke, Rechtsfragen der Bestandskraft, S. 65 ff. (68 f.). 239 Dies darf aber nicht dazu verleiten, mit J. Ipsen, Verw 17 (1984), 169 (178), den Begriff der Feststellungswirkung überhaupt „aus dem Verwaltungsverfahrensrecht zu verbannen". Denn nur sofern ein Begriff der Feststellungswirkung existiert, lässt sich im Einzelfall eine Feststellungswirkung verneinen. 240 Vgl. § 15 Abs. 1 S. 2 - 4 BVFG n. F. für die Bescheinigung über die Spätaussiedlereigenschaft.

88

1. Kap.: Begriffsbestimmung

Stellung des Vertriebenenausweises sein, aber dennoch mit der Ausstellung des Ausweises verbindlich feststehen. Näher liegt allerdings, die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit schlicht als eine (feststellende) intendierte Rechtsfolge des Ausweises aufzufassen, die auf diese Weise an der Präjudizwirkung dieses Verwaltungsaktes Teil nimmt. 2 4 2 Demgegenüber ist die Konstruktion einer über die Präjudizwirkung hinausgehenden Feststellungswirkung zumindest bei Gerichtsurteilen unerlässlich. 243 So bindet beispielsweise § 35 Abs. 3 GewO die behördliche Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden zu Gunsten desselben an die Feststellung des Sachverhaltes und weitere Vorfragen, auf denen die strafgerichtliche Urteilsfindung beruht.

2. Innerlich wirksame intendierte Regelung des Verwaltungsaktes Inhalt des innerlich wirksamen Verwaltungsaktes ist seine intendierte Regelung. Sofern einem Verwaltungsakt im vollen Umfang nicht nur äußere, sondern auch innere Wirksamkeit zukommt, stimmt die innerlich wirksame intendierte Regelung des Verwaltungsaktes mit der äußerlich wirksamen intendierten Regelung (dazu s. o. II. 2.) überein. Fehlt dem äußerlich wirksamen Verwaltungsakt jedoch teilweise die innere Wirksamkeit, beispielsweise infolge Teilnichtigkeit nach § 44 Abs. 4 VwVfG, so bleibt die innerlich wirksame intendierte Regelung hinter der äußerlich wirksamen intendierten Regelung zurück.

3. Innere Wirksamkeit kraft der Einsetzungsnorm Die Frage, ob ein Rechtsakt die mit ihm intendierte Regelung entfaltet, wird nicht durch den Rechtsakt selbst beantwortet. 244 Vielmehr beantwortet diese Frage eine im Stufenbau der Rechtsordnung höher stehende Norm, die dem Verwaltungsakt innere Wirksamkeit verleiht. 245 , die im Folgenden Einsetzungsnorm genannt wird. 2 4 6 241 BVerwG, Urt. v. 16. 10. 1969 - I C 20.66 - BVerwGE 34, 90 (91); Urt. v. 1. 2. 1980 6 C 21.78 - BVerwGE 60, 316 (320 f.); krit. dazu Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 151 ff. Als weiteres Beispiel der Feststellungswirkung versteht Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 43 Rn 22, die in § 42 AsylVfG angeordnete Bindung der Ausländerbehörde an die Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge des Verwaltungsgerichts über das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach damaligem § 53 AuslG. 242 So bereits Seibert, Bindungswirkung S. 131 f.; in diese Richtung auch Randak, JuS 1992, 33 (35), wohl auch OVG NRW, Beschl. v. 6. 12. 1993 - 25 A 1445/92 - NWVB1. 1994, 229 (230). 243 Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, Rn 445. 244 Dies gilt entgegen Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 82 f., nicht nur für privatrechtliche Rechtsgeschäfte, sondern ebenso für Verwaltungsakte. 245 Zum Stufenbau der Rechtsordnung s. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 196 ff., nach dem der „Geltungsgrund einer Norm" nur in der Geltung einer anderen Norm liegen kann.

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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Die als Entfaltung der intendierten Regelung definierte innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes (s. o. 1.) ist mithin Rechtsfolge der Einsetzungsnorm. Da innere Wirksamkeit ohne äußere Wirksamkeit nicht möglich ist, sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Einordnungsnorm zugleich (notwendige, nicht hinreichende) Tatbestandsvoraussetzungen der Einsetzungsnorm. Eine darüber hinausgehende negative Tatbestandsvoraussetzung der Einsetzungsnorm ist beispielsweise das Fehlen der Nichtigkeit nach §§ 43 Abs. 3, 44 VwVfG. Denn ein nichtiger Verwaltungsakt entfaltet keine mit ihm intendierte Regelung. Der Tatbestand der Einsetzungsnorm wird im Dritten Kapitel eingehend untersucht (s. u. G.-J.). Im Vorgriff darauf ist hervorzuheben, dass die schlichte (nicht zur Nichtigkeit qualifizierte) Rechtswidrigkeit der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes nicht entgegensteht. 247 Die Einsetzungsnorm verleiht mithin auch schlicht-rechtswidrigen Verwaltungsakten innere Wirksamkeit. Die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes ist weder Voraussetzung noch Folge der inneren Wirksamkeit. Ob ein die Tatbestandsvoraussetzungen der Einsetzungsnorm erfüllender und daher kraft Einsetzungsnorm innerlich wirksamer Verwaltungsakt rechtmäßig ist, bestimmt sich vielmehr nach der Beurteilungsnorm. Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Verwaltungsaktes und damit der Tatbestand der Beurteilungsnorm bedürften einer gesonderten Untersuchung im Vierten Kapitel (s. u. K . - M . ) . Ebenso wie zwischen der Einordnungsnorm und der kraft Einordnungsnorm äußerlich wirksamen intendierten Regelung unterschieden werden muss (s. o. II. 2.-3.), bedarf es der Unterscheidung zwischen der Einsetzungsnorm und der kraft Einsetzungsnorm innerlich wirksamen intendierten Regelung des Verwaltungsaktes. Die innerlich wirksame intendierte Regelung des Verwaltungsaktes ist mithin Rechtsfolge der Einsetzungsnorm, zerfällt jedoch ihrerseits in Tatbestand und Rechtsfolge.

246 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 202, nach dem die Grundnorm als „Einsetzung des Grundtatbestandes der Rechtserzeugung" verstanden werden kann. Krit. zum Konzept der Grundnorm Priester, in: Krawietz/Schelsky, Rechtssystem und gesellschaftliche Basis bei Hans Kelsen, S. 211, 223 f. Die Einsetzungsnorm des Verwaltungsaktes ordnet (in der Terminologie Kelsens) dessen „Geltung" als „individueller Rechtsnorm" an. Explizit den Ausdruck „Einsetzungsnorm" im hier verwendeten Sinne gebrauchen beispielsweise Tosch, Die Bindung des verfassungsändernden Gesetzgebers an den Willen des historischen Verfassungsgebers, S. 87, 90, 110 (im Hinblick auf Verfassungsänderungen) sowie Hoffmann, FS E. Wolf, S. 210, 212 (im Hinblick auf Fach- und Verfassungsrichterrecht). 247 Auch der schlicht-rechtswidrige Verwaltungsakt besitzt nur deshalb innere Wirksamkeit, weil die Rechtsordnung ihm trotz Rechtswidrigkeit innere Wirksamkeit beilegt. Die grundsätzliche Unabhängigkeit von der Rechtmäßigkeit macht deshalb entgegen Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 83, eine normative Grundlage der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes nicht entbehrlich.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes mit einer bestimmten intendierten Regelung die Rechtsfolge der Einsetzungsnorm bildet: Tatbestand der Einsetzungsnorm Voraussetzungen der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes Rechtsfolge der Einsetzungsnorm Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes Intendierte Rechtsfolge des innerlich wirksamen Verwaltungsaktes - Eintritt der intendierten Verpflichtung - Eintritt der intendierten Gestaltung - Eintritt der intendierten Feststellung Akzidentielle Rechtsfolgen des innerlich wirksamen Verwaltungsaktes - Präjudiz Wirkung des Verwaltungsaktes - Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes - Feststellungswirkung des Verwaltungsaktes Innerlich wirksame intendierte Regelung Tatbestand der innerlich wirksamen intendierten Regelung Rechtsfolge der innerlich wirksamen intendierten Regelung - Intention einer Verpflichtung - Intention einer Gestaltung - Intention einer Feststellung

IV. Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes Was unter der Rechtmäßigkeit des äußerlich wirksamen Verwaltungsaktes zu verstehen ist, bedarf der Erläuterung anhand der daran anknüpfenden Folgen (1.). Rechtmäßig oder rechtswidrig ist der Verwaltungsakt stets mit einer bestimmten intendierten Regelung (2.) und dies aufgrund der Beurteilungsnorm (3.).

1. Folgen der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes Der Begriff der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes begegnet - anders als der Begriff der äußeren oder der inneren Wirksamkeit - als gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Der Gesetzgeber selbst hat mit der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zahlreiche Rechtsfolgen materieller und auch prozessualer Art verbunden. Aus diesem Grunde ist der Begriff der Rechtmäßigkeit nicht in gleicher Weise einer Definition zugänglich wie die Begriffe der äußeren oder inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes (dazu s. o. II. 1., III. 1.).

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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Die rechtswissenschaftliche Verständigung sollte nicht dadurch erschwert werden, dass neben dem positivrechtlichen Gesetzesbegriff ein abweichender, vorgeblich überpositiver Rechtmäßigkeitsbegriff gebraucht wird. 2 4 8 Insbesondere ist es voreilig, von einer behördlichen Aufhebungspflicht, also der Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung eines Verwaltungsaktes, auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes auch i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG zu schließen' Der Begriff der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes ist anhand der materiellen und prozessualen Rechtsfolgen zu bestimmen, die aufgrund Gesetzes an die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes anknüpfen. An dieser Stelle bleibt noch offen, inwieweit der in der Verwaltungsgerichtsordnung verwendete prozessuale Rechtmäßigkeitsbegriff mit dem materiellen Rechtmäßigkeitsbegriff der Verwaltungsverfahrensgesetze übereinstimmt [dazu s. u. L. I. 2. b) dd)]. Wenn zwei Gesetze dasselbe sagen, so ist es nicht - oder zumindest nicht notwendig - dasselbe.249 Deshalb bedürfen die materiellen [a>] und prozessualen Folgen [b)] der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zunächst getrennter Untersuchung.

a) Materielle

Folgen der Rechtmäßigkeit

In materieller Hinsicht ist die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes bedeutsam für die Nichtigkeit, die Rücknehmbarkeit und die Umdeutbarkeit des Verwaltungsaktes sowie für die Wirksamkeit eines inhaltsgleichen verwaltungsrechtlichen Vertrages. Ist der Verwaltungsakt rechtmäßig, so leidet er erst recht nicht an einem qualifizierten Fehler, der nach § 44 Abs. 1, Abs. 2 VwVfG oder besonderen Vorschriften zur Nichtigkeit führt. Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ist zur Nichtigkeit mithin notwendig, wenn auch nicht hinreichend (dazu s. u. G. I. 4.). Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen, sondern allenfalls widerrufen werden. Da der Widerruf eines Verwaltungsaktes etwa nach § 49 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 VwVfG strengeren Kautelen als die Rücknahme nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG unterliegt, geht die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes mit einem gesteigerten Schutz durch die Verbote amtswegiger Aufhebung einher [dazu s. o. II. 1. a)]. 2 5 0 248 Eine Definition des Rechtswidrigkeitsbegriff vermeidet die Gefahren, die sich mit einem von der positiven Rechtsordnung losgelösten Rechtswidrigkeitsbegriff ergeben, z. B. bei Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 132, nach dem ein Verwaltungsakt „rechtswidrig werden" kann und deshalb nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO „tendenziell" der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist. Es handelt sich um die gleichen begriffsjuristischen Gefahren, denen etwa Götz, DÖV 1973,298 (299), erliegt, wenn er entgegen § 58 VwVfG (§ 55 des Entwurfes 1973) zwischen rechtsunwirksamen und lediglich rechtswidrigen verwaltungsrechtlichen Verträgen unterscheidet. 249 Vgl. das geflügelte Wort „wenn zwei Grundgesetze dasselbe sagen, so ist es nicht dasselbe", das Smend, ZevKR 1 (1951), 4 (4), im Hinblick auf die durch Art. 140 GG inkorporierten Weimarer Kirchenartikel geprägt hat. Dessen ungeachtet handelt es sich um vollgültiges Verfassungsrecht, s. Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 Rn 2.

92

1. Kap.: Begriffsbestimmung

Auch kann gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG nur ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden. Dabei wird die Rechtswidrigkeit entweder gleichbedeutend mit der Fehlerhaftigkeit im Sinne dieser Vorschrift oder doch zumindest als deren notwendige Voraussetzung verstanden. 251 Ferner knüpft die Unwirksamkeit eines nach § 54 S. 2 VwVfG geschlossenen verwaltungsrechtlichen Vertrages gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 VwVfG an die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes gleichen Inhalts an.

b) Prozessuale Folgen der Rechtmäßigkeit

In prozessualer Hinsicht steuert die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes den Erfolg etwaiger Rechtsbehelfe. Die Begründetheit der zulässigen Anfechtungsklage setzt gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes notwendig, wenn auch nicht hinreichend voraus. In Fällen evidenter Rechtmäßigkeit ist die Anfechtungsklage bereits mangels Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO unzulässig. Ebenso bleibt der Anfechtungswiderspruch gegen einen rechtmäßigen Verwaltungsakt gemäß §§ 68 Abs. 1, 72, 73 Abs. 1 S. 1 VwGO ohne Erfolg, sofern es auch an einer Zweckwidrigkeit des Verwaltungsaktes fehlt. Darüber hinaus hängt die behördliche Aussetzung der Vollziehung eines öffentliche Abgaben oder Kosten anfordernden Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 4 S. 2 VwGO von ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes ab. Dieser Rechtsgedanke lässt sich auf andere Verwaltungsakte und auch auf die gerichtliche Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 und Alt. 2 VwGO übertragen. 252 Zudem ist die Rechtmäßigkeit des begehrten Verwaltungsaktes Begründetheitsvoraussetzung der Verpflichtungsklage. Die Verpflichtungsklage ist gemäß § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO begründet, wenn die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten Verwaltungsaktes rechtswidrig, der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt 250

Dies gilt auch dann, wenn man mit der zutreffenden Ansicht den Widerruf rechtswidriger Verwaltungsakte, auch wenn sie unter Widerrufsvorbehalt ergangen sind, ablehnt. Denn das Vertrauen auf den Bestand eines solchen Verwaltungsaktes ist infolge der Widerrufsvorbehaltes nicht schutzwürdig i. S. d. § 48 Abs. 2 VwVfG, s. u. L. I. 2. b) bb). 251 Wirth, Umdeutung fehlerhafter Verwaltungsakte, S. 164 ff. (174), Somalee, Die Umdeutung fehlerhafter Verwaltungsakte, S. 110; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 47 Rn 29; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn 28; Badura, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 38 Rn 44. Zur Frage, ob ein Verwaltungsakt auch dann umdeutbar ist, wenn der Rechtsfehler nach § 44 VwVfG zur Nichtigkeit führt oder aber nach § 45 VwVfG behebbar ist oder nach § 46 VwVfG nicht zu einem Aufhebungsanspruch führt s. u. D. I. 4. c); F. III. 2. c) aa). 2 2 * BayVGH, Beschl. v. 13. 6. 1978 - 22 X 78 - BayVBl. 1978, 671 (672); daran anknüpfend Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, S. 535 ff., 1591 ff.

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes

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und die Sache spruchreif ist. Dies ist der Fall, wenn der Kläger einen materiellen Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt hat. 2 5 3 Ein materieller Anspruch ist nach der auf das öffentliche Recht übertragbaren Legaldefinition des § 194 Abs. 1 BGB das Recht, von einem anderen ein Tun, Dulden oder Unterlassen zu verlangen. Das Recht des Anspruchsinhabers setzt eine korrespondierende Pflicht des Anspruchsgegners voraus. 254 Ist der begehrte Verwaltungsakt rechtswidrig, so ist der Verwaltungsträger nicht zum Erlass, sondern zum Nichterlass verpflichtet.

2. Rechtmäßige intendierte Regelung des Verwaltungsaktes Inhalt des rechtmäßigen Verwaltungsaktes ist seine intendierte Regelung. Die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit kann sich auf die gesamte äußerlich wirksame intendierte Regelung oder nur auf einen Teil derselben erstrecken. 255 Beispielsweise führt eine Teilrechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, sofern die übrigen Zulässigkeits- und Begründetheitsvoraussetzungen einer Anfechtungsklage erfüllt sind, zur gerichtlichen Teilaufhebung. Denn nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO hebt das Gericht den angefochtenen Verwaltungsakt lediglich auf, „soweit" er rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist.

3. Rechtmäßigkeit kraft der Beurteilungsnorm Der Verwaltungsakt kann sich ebenso wenig selbst Rechtmäßigkeit beilegen wie äußere oder innere Wirksamkeit (dazu s. o. II. 3, III. 3.). Die Frage nach seiner eigenen Rechtmäßigkeit beantwortet daher nicht der Verwaltungsakt selbst [s. o. III. 1. a) aa) (3) (d)], sondern eine von außen an den Verwaltungsakt herantretende Norm. Da zwischen dem materiellen Rechtmäßigkeitsbegriff der Verwaltungsverfahrensgesetze und dem prozessualen Rechtmäßigkeitsbegriff der Verwaltungsgerichtsordnung unterschieden wird (dazu s. o. 1.), verleiht eine Norm dem Verwaltungsakt Rechtmäßigkeit im materiellen Sinne (materielle Beurteilungsnorm), eine andere Norm Rechtmäßigkeit im prozessualen Sinne (prozessuale Beurteilungsnorm). Gesetzliche Rechtsfolge der (materiellen oder prozessualen) Beurteilungsnorm ist der (im materiellen oder prozessualen Sinne) rechtmäßige Verwaltungsakt. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Beurteilungsnorm bilden mithin die gesetzlichen Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes. Sie werden im Vierten Kapitel ermittelt (s. u. K . - M . ) . 253 Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rn 64; Ehlers, JURA 2004, 30 ff. 254 Jedoch geht umgekehrt nicht mit jeder Pflicht ein korrespondierendes Recht einher. Es gibt also Pflichten ohne Rechte, aber keine Rechte oder Pflichten, Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 133 ff. 255 Zur Teilrechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes s. allgemein Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 45 ff.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung Zwischenergebnis

Als Zwischenergebnis kann die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes i m materiellen Sinne und i m prozessualen Sinne als Folge der materiellen oder prozessualen Beurteilungsnorm dargestellt werden: Tatbestand der materiellen Beurteilungsnorm Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit im materiellrechtlichen Sinne Rechtsfolge der materiellen Beurteilungsnorm Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes im materiellrechtlichen Sinne - Ausschluss der Nichtigkeit (§§ 43 Abs. 3,44 VwVfG) - Ausschluss der Rücknehmbarkeit (§ 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG) - Ausschluss der Umdeutung (§ 47 Abs. 1 VwVfG) - Wirksamkeit inhaltsgleicher Verträge (§ 58 Abs. 2 Nr. 1, 2 VwVfG) Rechtmäßige intendierte Regelung des Verwaltungsaktes Tatbestand der rechtmäßigen intendierten Regelung Rechtsfolge der rechtmäßigen intendierten Regelung - Intention einer Verpflichtung - Intention einer Gestaltung - Intention einer Feststellung Tatbestand der prozessualen Beurteilungsnorm Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit im prozessrechtlichen Sinne Rechtsfolge der prozessualen Beurteilungsnorm Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes im prozessrechtlichen Sinne Unbegründetheit der Anfechtungsklage (§113 Abs. 1 S. 1 VwGO) - Z. T. Fehlen bereits der Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO) - Z. T. Unbegründetheit des Widerspruchs (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO) - Z. T. Erfolglosigkeit des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80 f. VwGO) Rechtmäßige intendierte Regelung des Verwaltungsaktes Tatbestand der rechtmäßigen intendierten Regelung Rechtsfolge der rechtmäßigen intendierten Regelung - Intention einer Verpflichtung - Intention einer Gestaltung - Intention einer Feststellung

C. Verwaltungsakt und Zeit Zunächst ist der zeitliche Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes begrifflich gegenüber anderen zeitlichen Aspekten i m Umkreis des Verwaltungsaktes abzugrenzen (I.). A u f Grundlage der Unterscheidung von Punktverwaltungsakten und Dauerverwaltungsakten (II.) ist sodann der zeitliche Regelungsgehalt zum einen von Punktverwaltungsakten (III.), zum anderen von Dauerverwaltungsakten (IV.) zu bestimmen.

C. Verwaltungsakt und Zeit

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I. Zeitliche Aspekte im Umkreis des Verwaltungsaktes Der zeitliche Regelungsgehalt betrifft die zeitlichen Aspekte der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes (1.), unterscheidet sich mithin von den zeitlichen Aspekten der Einordnungsnorm (2.), der Einsetzungsnorm (3.) und der Beurteilungsnorm (4.), die dem Verwaltungsakt äußere Wirksamkeit, innere Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit verleihen.

1. Zeitliche Aspekte der intendierten Regelung Die dem Recht eigentümliche Fähigkeit zur Rückwirkung erfordert die Unterscheidung zwischen dem Zeitpunkt, in dem die Rechtsfolge eintritt, und dem Zeitraum, für den die Rechtsfolge eintritt (s. o. A. I.). Diese Unterscheidung zwischen zwei Zeiten entspricht derjenigen zwischen der Zeit als Merkmal des Tatbestandes und der Zeit als Merkmal der Rechtsfolge einer Regelung (s. o. A. III.). Als konditionales Programm gliedert sich die intendierte Regelung des Verwaltungsaktes in Tatbestand und Rechtsfolge (s. o. B. II. 2., A. II.). Die Zeit als Tatbestandsmerkmal und die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der intendierten Regelung werden fortan unter dem Begriff des zeitlichen Regelungsgehaltes zusammengefasst. Die Zeit als Tatbestandsmerkmal der intendierten Regelung benennt die an die Zeit gestellten tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen der Verwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert. Die Zeit als Tatbestandsmerkmal der intendierten Regelung gibt mithin die Zeitpunkte an, in denen eine Rechtsfolge intendiert ist. Demgegenüber bezeichnet die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der intendierten Regelung den Zeitraum, für den der Verwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert. Der Zeitpunkt, in dem der Verwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert, und der Zeitraum, für den der Verwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert, werden durch die intendierte Regelung als Inhalt des Verwaltungsaktes bestimmt. Zum Inhalt, mit dem der Verwaltungsakt nach § 43 Abs. 1 S. 2 VwVfG wirksam wird, gehört mithin sein zeitlicher Regelungsgehalt.256 Der Sache nach hat dies auch das Bundesverwaltungsgericht anerkannt. Allerdings führt der insoweit vom Gericht verwendete Ausdruck „Regelung des zeitlichen Geltungsbereichs" 257 in die Irre. Der Verwaltungsakt kann sich nicht selbst Geltung (i. S. v. innerer Wirksamkeit) verleihen, deshalb auch nicht selbst den zeitlichen Bereich seiner Geltung (i. S. v. Dauer seiner inneren Wirksamkeit) bestimmen. Innere Wirksamkeit erlangt der Verwaltungsakt vielmehr kraft der Einsetzungsnorm (s. o. B. III. 3.). Allein die Einset256 Ganz ähnlich bereits OVG NRW, Urt. v. 31. 3. 1980 - 4 A 737 / 79 - juris, nach dem das „Zeitelement zum Regelungsinhalt" des Verwaltungsaktes gehört. 257 BVerwG, Urt. v. 6. 6. 1991 - 3 C 46.86 - BVerwGE 88, 278 (281). Ebenso charakterisiert Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 12, den „zeitlichen Geltungsbereich" einer „Norm" (auch eines Verwaltungsaktes) als ein Element ihres Inhalts.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

zungsnorm legt Beginn und Ende der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes fest. Der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes kommt dabei nur insofern Bedeutung zu, wie nach dem Tatbestand der Einsetzungsnorm die Dauer der inneren Wirksamkeit vom Inhalt des Verwaltungsaktes abhängt.

2. Zeitliche Aspekte der Einordnungsnorm Rechtsfolge der Einordnungsnorm ist die äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes mit einer bestimmten intendierten Regelung, die ihrerseits in Tatbestand und Rechtsfolge zerfällt (s. o. B. II. 2.-3.). Ebenso wie die Einordnungsnorm von der kraft Einordnungsnorm äußerlich wirksamen intendierten Regelung unterschieden werden muss, sind auch die zeitlichen Aspekte der Einordnungsnorm von denjenigen der intendierten Regelung zu unterscheiden. Die Zeit begegnet einerseits als Tatbestandsmerkmal, andererseits als Rechtsfolgenmerkmal der Einordnungsnorm. Die Zeit als Tatbestand der Einordnungsnorm benennt die an die Zeit gestellten tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die Einordnungsnorm einem Verwaltungsakt äußere Wirksamkeit beilegt. Die Zeit als Tatbestandsmerkmal der Einordnungsnorm gibt mithin die Zeitpunkte an, in denen der Verwaltungsakt kraft der Einordnungsnorm äußere Wirksamkeit besitzt. Hingegen bezeichnet die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der Einordnungsnorm den Zeitraum, für den dem Verwaltungsakt kraft der Einordnungsnorm äußere Wirksamkeit zukommt. Die Zeit als Tatbestandsmerkmal und die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der Einordnungsnorm fallen beispielsweise dann auseinander, wenn der Verwaltungsakt ex tunc aufgehoben wird (dazu s. u. E. I. 1.). In einem Zeitpunkt nach der Aufhebung kommt dem ex tunc aufgehobenen Verwaltungsakt für den Zeitraum ab Erlass rückwirkend keine äußere Wirksamkeit mehr zu. Zudem kann der Zeitraum, für den der Verwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert, von dem Zeitraum abweichen, für den die Einordnungsnorm dem Verwaltungsakt äußere Wirksamkeit beilegt. Beispielsweise intendiert ein rückwirkender Verwaltungsakt eine Rechtsfolge für einen Zeitraum vor seinem Erlass. Indessen fehlt dem Verwaltungsakt für den Zeitraum vor seinem Erlass die äußere Wirksamkeit, da lediglich der intendierten Regelung, nicht jedoch der Einordnungsnorm Rückwirkung zukommt. Denn die Rechtsordnung ermöglicht zwar den Erlass eines rückwirkenden Verwaltungsaktes, aber nicht den rückwirkenden Erlass eines Verwaltungsaktes. Umgekehrt besitzt ein vorauswirkender Verwaltungsakt bereits für den Zeitraum unmittelbar nach Erlass äußere Wirksamkeit, für den er infolge der in seiner intendierten Regelung angelegten Verzögerung keine Rechtsfolge intendiert.

C. Verwaltungsakt und Zeit

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3. Zeitliche Aspekte der Einsetzungsnorm Rechtsfolge der Einsetzungsnorm ist die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes mit einer bestimmten intendierten Regelung, die ihrerseits in Tatbestand und Rechtsfolge zerfällt (s. o. B. III. 2.-3.). Die Einsetzungsnorm verhält sich zur innerlich wirksamen intendierten Regelung wie die Einordnungsnorm zur äußerlich wirksamen intendierten Regelung. Dementsprechend unterscheiden sich nicht nur die zeitlichen Aspekte der Einordnungsnorm von denjenigen der äußerlich wirksamen intendierten Regelung (s. o. 2.), sondern auch die zeitlichen Aspekte der Einsetzungsnorm von denjenigen der innerlich wirksamen intendierten Regelung. Die Zeit begegnet einerseits als Tatbestandsmerkmal, andererseits als Rechtsfolgenmerkmal der Einsetzungsnorm. Die Zeit als Tatbestandsmerkmal der Einsetzungsnorm benennt die an die Zeit gestellten tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die Einsetzungsnorm einem Verwaltungsakt innere Wirksamkeit beilegt. Die Zeit als Tatbestandsmerkmal der Einsetzungsnorm gibt mithin die Zeitpunkte an, in denen der Verwaltungsakt kraft der Einsetzungsnorm innere Wirksamkeit besitzt. Hingegen bezeichnet die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der Einsetzungsnorm den Zeitraum, für den der Verwaltungsakt kraft der Einsetzungsnorm innere Wirksamkeit besitzt. Die Zeit als Tatbestandsmerkmal und die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der Einsetzungsnorm fallen beispielsweise dann auseinander, wenn ein zunächst nichtiger Verwaltungsakt mit heilender Wirkung ex tunc bestätigt wird (dazu s. u. J. II. 1.). In einem Zeitpunkt nach der Bestätigung kommt dem vormals nichtigen Verwaltungsakt rückwirkend für den Zeitraum ab seinem Erlass innere Wirksamkeit zu. Der Zeitraum, für den der Verwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert, stimmt nicht notwendig mit dem Zeitraum überein, für den die Einsetzungsnorm dem Verwaltungsakt innere Wirksamkeit verleiht. Beispielsweise intendiert ein innerlich wirksamer rückwirkender Verwaltungsakt für den Zeitraum vor seinem Erlass eine Rechtsfolge, obwohl ihm für diesen Zeitraum die äußere Wirksamkeit und infolgedessen auch die innere Wirksamkeit fehlt (vgl. o. 2.).

4. Zeitliche Aspekte der Beurteilungsnorm Rechtsfolge der materiellen oder prozessualen Beurteilungsnorm ist die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes im materiellen oder prozessualen Sinne (s. o. B. IV. 3.). Die intendierte Regelung des rechtmäßigen Verwaltungsaktes zerfällt dabei ihrerseits in Tatbestand und Rechtsfolge. Unterschieden werden muss deshalb zwischen den zeitlichen Aspekten der Beurteilungsnorm und den zeitlichen Aspekten der rechtmäßigen intendierten Regelung. Die Zeit begegnet einerseits als Tatbestandsmerkmal, andererseits als Rechtsfolgenmerkmal der Beurteilungsnorm. Die Zeit als Tatbestand der Beurteilungsnorm benennt die an die Zeit gestellten tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen 7 Steinweg

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

der Verwaltungsakt rechtmäßig ist. Die Zeit als Tatbestandsmerkmal der Beurteilungsnorm gibt mithin die Zeitpunkte an, in denen der Verwaltungsakt als rechtmäßig beurteilt wird. Hingegen bezeichnet die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der Beurteilungsnorm den Zeitraum, für den der Verwaltungsakt rechtmäßig ist. Die Zeit als Tatbestandsmerkmal und die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der Beurteilungsnorm fallen beispielsweise dann auseinander, wenn eine Beurteilungsnorm rückwirkend eine Rechtmäßigkeitsanforderung an den Verwaltungsakt erhebt (dazu s. u. L.). Falls der Verwaltungsakt der rückwirkenden Rechtmäßigkeitsanforderung nicht genügt, verliert er seine Rechtmäßigkeit ex tunc. Der Zeitraum, für den der Verwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert, stimmt nicht notwendig mit dem Zeitraum überein, für den die Beurteilungsnorm dem Verwaltungsakt Rechtmäßigkeit verleiht. Beispielsweise intendiert ein rechtmäßiger rückwirkender Verwaltungsakt für den Zeitraum vor seinem Erlass eine Rechtsfolge, obwohl ihm für diesen Zeitraum die äußere Wirksamkeit fehlt und infolgedessen eine Rechtmäßigkeitsprüfung mangels Prüfungsgegenstandes nicht in Betracht kommt. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis können die unterschiedlichen zeitlichen Aspekte im Umkreis des Verwaltungsaktes dargestellt werden: Zeit als Tatbestandsmerkmal der Einordnungsnorm Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der Einordnungsnorm Zeitlicher Regelungsgehalt des äußerlich wirksamen Verwaltungsaktes - Zeit als Tatbestandsmerkmal der äußerlich wirksamen intendierten Regelung - Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der äußerlich wirksamen intendierten Regelung Zeit als Tatbestandsmerkmal der Einsetzungsnorm Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der Einsetzungsnorm Zeitlicher Regelungsgehalt des innerlich wirksamen Verwaltungsaktes - Zeit als Tatbestandsmerkmal der innerlich wirksamen intendierten Regelung - Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der innerlich wirksamen intendierten Regelung Zeit als Tatbestandsmerkmal der Beurteilungsnorm Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der Beurteilungsnorm Zeitlicher Regelungsgehalt des rechtmäßigen Verwaltungsaktes - Zeit als Tatbestandsmerkmal der rechtmäßigen intendierten Regelung - Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der rechtmäßigen intendierten Regelung

C. Verwaltungsakt und Zeit

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II. Punktverwaltungsakte und Dauerverwaltungsakte Kein Verwaltungsakt intendiert in einem Zeitpunkt vor seinem Erlass eine Rechtsfolge. Denn da auch ein rückwirkender Verwaltungsakt erst mit seinem Erlass äußere Wirksamkeit erlangt, kann er eine Rechtsfolge nicht schon in einem Zeitpunkt vor seinem Erlass, sondern nur für einen Zeitraum vor seinem Erlass intendieren. Ob der Zeitpunkt eine Rechtsfolge im Zeitpunkt seines Erlasses oder in späteren Zeitpunkten intendiert, hängt indessen davon ab, ob es sich um einen Punktverwaltungsakt oder um einen Dauerverwaltungsakt handelt. Nach Angabe einer allgemeinen Definition dieser Begriffe (1.) ist im Einzelnen zu ermitteln, welche befehlenden (2.), gestaltenden (3.) oder feststellenden Verwaltungsakte (4.) Dauerverwaltungsakte und welche Punktverwaltungsakte sind.

1. Allgemeines Vor nunmehr fünfzig Jahren hat Bachof eine erste Begriffbestimmung des „Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung" vorgenommen. Danach besitzen solche Verwaltungsakte Dauerwirkung, „deren Rechtswirkungen sich nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpfen; die also nicht mit ihrem Erlaß alle möglichen Rechtswirkungen äußern und sich selbst mit dem Erlaß verzehren, sondern die ein auf Dauer berechnetes Rechtsverhältnis zum Entstehen bringen und zwar... ein Rechtsverhältnis, das der Herrschaft des öffentlichen Rechts unterstellt bleibt." 258 Rechtsprechung und Lehre verwenden den Begriff des „Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung" (oder kurz: des „Dauerverwaltungsaktes") insbesondere dazu, den maßgeblichen Zeitpunkt für die Entscheidung über die Anfechtungsklage zu bestimmen. Allerdings besteht bereits keine Einigkeit über die an das Vorliegen eines Dauerverwaltungsaktes anknüpfenden Folgen. So wird die Eigenschaft als Dauerverwaltungsakt teilweise als hinreichende Voraussetzung 259, teilweise als lediglich notwendige Voraussetzung 260 dafür verstanden, dass der Verwaltungsakt durch Änderung der tatsächlichen Verhältnisse „rechtswidrig werden" kann. 261 Schulbeispiel eines Dauerverwaltungsaktes ist - oder war zumindest - die Gewerbeuntersagung 258 Bachof, JZ 1954,416 (419). 259 So P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 149; Janßen, in: Obermayer, VwVfG, § 35 Rn 139; Kleinlein, VerwArch 81 (1990), 149 (189); Manssen, ZfSH/SGB 1991, 225 (234); wohl auch Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 61 Rn 21; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn 2; Wiesner, in: v. Wulffen, SGB X, § 48 Rn 3; Schnapp, SGb 1993, 1 (5 f.); Seewald, SGb 2000, 382 (384). 260 So Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 117 f. 234; Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 82; dies., NVwZ 1996, 134 (134 f.). Undeutlich Henneke, in: Knack, VwVfG, § 35 Rn 95. 261 Hingegen hält Grieger, ZfSH/SGB 2002, 451 (457) ein „Rechtswidrigwerden" auch bei anderen als Dauerverwaltungsakten für möglich. 7*

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

gemäß § 35 Abs. 1 GewO. Bei Anfechtungsklagen gegen Gewerbeuntersagungen hat vormals das Bundesverwaltungsgericht etwaige nach Erlass eingetretene Änderungen der Sach- und Rechtslage berücksichtigt und dies mit der Eigenschaft der Gewerbeuntersagung als Dauerverwaltungsakt begründet. 262 Nunmehr erachtet das Bundesverwaltungsgericht bei Anfechtungsklagen gegen Gewerbeuntersagungen den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung für maßgeblich 263 , hält aber an der Einordnung der Gewerbeuntersagung als Dauerverwaltungsakt fest. 264 Das Gericht erkennt keine prozessrechtliche Norm des Inhalts mehr an, dass bei Dauerverwaltungsakten Änderungen der Sachlage stets zu berücksichtigen sind. Dies sei vielmehr nur grundsätzlich der Fall, entscheidend komme es aber auf die Besonderheiten des materiellen Rechts" an. 2 6 5 Ferner ist auf Grundlage Bachofs recht kasuistischer und wenig systematischer Definition keine Einigkeit darüber erzielt worden, unter welchen Voraussetzungen ein „Dauerverwaltungsakt" gegeben ist. 2 6 6 Im Hinblick auf befehlende Verwaltungsakte ist unklar, warum ein auch noch so kurzlebiges (und in diesem Sinne: „einmaliges") Gebot oder Verbot geeignet ist, ein auf eine gewisse beschränkte „Dauer berechnetes Rechtsverhältnis zum Entstehen zu bringen" und deshalb Dauerverwaltungsakt ist. 2 6 7 Im Hinblick auf gestaltende Verwaltungsakte wurde bezweifelt, ob anstatt einer „einmaligen Gestaltung der Rechtslage" eine „mehrmalige" Gestaltung der Rechtslage überhaupt vorstellbar ist. 2 6 8 Im Hinblick auf feststellende Verwaltungsakte beansprucht Bachofs Definition ohnehin keine Geltung. 269 Trotz dieser Unzulänglichkeiten hat sich der Sozialgesetzgeber den Begriff des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung in §§ 45 Abs. 3,48 SGB X zu Eigen gemacht 262 BVerwG, Urt. v. 5. 8. 1965 - 1 C 69.62 - BVerwGE 22, 16 (23); Urt. v. 15. 11. 1967 I C 43.67 - BVerwGE 28,202 (205). 263 BVerwG, Urt. v. 2. 2. 1982 - 1 C 146.80 - BVerwGE 65, 1 (2). Im Beschl. v. 23.11. 1990 - 1 B 155.90 - NVwZ 1991, 372 (373), als ständige Rechtsprechung bezeichnet. 264 BVerwG, Urt. v. 2. 2. 1982 - 1 C 146.80 - BVerwGE 65, 1 (3) lehnt es ab, die Gewerbeuntersagung „wie jeden anderen Dauerverwaltungsakt" zu behandeln. Die Einordnung als Dauerverwaltungsakt bleibt mithin unberührt, abweichend Mareks, Die Untersagungsvorschrift des § 35 Gewerbeordnung, S. 17, ders., in: Landmann/Rohmer, GewO, § 35 Rn 21 (Lfg. 2000). 265 BVerwG, Beschl. v. 23. 11. 1990-1 B 155.90-NVwZ 372 (373). 266 in diesem Zusammenhang hat Felix, NVwZ 2003, 385 (388 ff.), jüngst sogar vorgeschlagen, auf den Begriff des „Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung" im allgemeinen Verwaltungsrecht vollständig zu verzichten. Dies ist aber dann nicht erforderlich, wenn eine handhabbare Begriffsbestimmung vorgenommen wird. 267 in diese Richtung R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 150 a. 268 Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 65. Insoweit spricht Schnapp, SGb 1993, 1 (6), sogar von „Nonsens". 269 Nach Bachof, JZ 1954, 416 (419 Fn 45), sollen feststellende Verwaltungsakte „wegen ihrer Besonderheiten bewußt außer Betracht bleiben".

C. Verwaltungsakt und Zeit

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und dabei ausweislich der Materialien 270 an Bachofs Definition angeknüpft. Dem Gesetzestext lassen sich jedoch nicht die Voraussetzungen der Dauerwirkung, sondern lediglich gewisse Folgen der Dauerwirkung im Hinblick auf die amtswegige Aufhebung entnehmen. So unterliegt einerseits die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte mit Dauerwirkung gemäß § 45 Abs. 3 SGB X einer Fristbindung, andererseits können Verwaltungsakte mit Dauerwirkung gemäß § 48 SGB X auch außerhalb der allgemeinen Ermächtigungen zur Rücknahme in §§ 44 f. SGB X und zum Widerruf in §§ 46 f. SGB X aufgehoben werden. Der Grundsatz des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X verpflichtet die Behörde dazu, den Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ex nunc aufzuheben, sofern in den dem Erlass zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, eine wesentliche Änderung eintritt. Das Bundessozialgericht misst einem Verwaltungsakt Dauerwirkung dann zu, wenn er „in rechtlicher Hinsicht über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe bzw. Bindungswirkung hinaus Wirkungen zeitigt" 2 7 1 . Diese Begriffsbestimmung hat mit der Begründung Ablehnung gefunden, dass jeder Verwaltungsakt über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe und keiner über den Zeitpunkt seiner Bindungswirkung hinaus wirke. 2 7 2 Die Formulierung des Bundessozialgerichts mag Missverständnisse herausfordern, doch ist die Kritik in der Sache nicht vollständig berechtigt. Erkennbar sind keine Wirkungen nach Ablauf der „Bindungswirkung" gemeint, sondern fortdauernde Wirkungen nach Beginn der „Bindungswirkung". Die (knappe) Begriffsbestimmung des Bundessozialgerichts ist mithin nicht weit von der (redundanten) Begriffsbestimmung des Bundesverwaltungsgerichts entfernt, wonach Dauerwirkung einem Verwaltungsakt zukommt, „dessen Wirkung nach Sinn und Zweck und dem einschlägigen Recht wesensgemäß auf Dauer angelegt ist, was insbesondere der Fall ist, wenn der Verwaltungsakt ein auf Dauer berechnetes, wenn auch u. U. befristetes, oder in seinem Bestand von ihm abhängiges Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich verändert." 273 Statt zu einem bestimmten Zeitpunkt sollen die vom Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ausgehenden Rechtsfolgen während eines gewissen Zeitraumes eintreten. 274 Damit übereinstimmend werden Dauerverwaltungsakte auch als „Zeitraum- und zukunftsbezogene Regelungen" bezeichnet.275 270 s. die Begründung zu § 43 Abs. 3 SGB X des Regierungsentwurfes, BT-Drs. 8/2034, S. 34. 271 BSG, Urt. v. 16. 2. 1984 - 1 RA 15/83 - BSGE 56, 165 (170); Urt. v. 30. 1. 1985 1 RJ 2/84 - BSGE 58, 27 (28); Urt. v. 28. 9. 1999 - B. 2 U 32/98 R - SGb 2000, 378 (381). 272 Manssen, ZfSH/SGB 1991, 225 (230ff.); P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 149. 273 BVerwG, Urt. v. 17. 9. 1987 - 5 C 26.84 - BVerwGE 78, 101 (111); Urt. v. 28. 2. 1997 - 1 C 29.95 - BVerwGE 104, 115 (120); tendenziell auch P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 149; krit. dazu Ehlers, Verw 31 (1998), 53 (69). 274 BVerwG, Urt. v. 29. 11. 1979 - 3 C 103.79 - BVerwGE 59, 148 (160); Beschl. v. 13. 6. 1995 - 6 B 15.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 351; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 149. 275 Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 86 ff., 89; zust. P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 149.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

Der Begriff der Dauerwirkung ist auf solche Rechtsfolgen beschränkt, deren Herbeiführung und Aufrechterhaltung Inhalt der durch den Verwaltungsakt getroffenen Regelung ist; ausgeschlossen sind solche Rechtswirkungen, deren Entstehen oder Wegfall unmittelbar auf dem Gesetz beruht, wobei der Erlass des Verwaltungsaktes nur eine von mehreren tatbestandlichen Voraussetzungen für den Eintritt der gesetzlichen Folgen ist. 2 7 6 Der Dauercharakter bezieht sich mithin auf die intendierten, nicht auch auf die akzidentellen Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes. Im üblichen Sprachgebrauch bleibt allerdings offen, ob der Tatbestand oder die Rechtsfolge der intendierten Regelung des Dauerverwaltungsaktes „Zeitraum- und zukunftsbezogen" ist. In Präzisierung der Definition Bachofc wird im Folgenden unter einem Dauerverwaltungsakt ein Verwaltungsakt verstanden, der nicht nur in einem Zeitpunkt (etwa dem Erlasszeitpunkt), sondern noch in Zeitpunkten nach dem Erlass eine Rechtsfolge intendiert. 277 Beispielsweise verlangt ein Verwaltungsakt, „der jemandem den Abbruch seines Hauses aufgibt,... dies nicht nur im Augenblick seines Erlasses oder in einem sonstigen genau fixierten Zeitpunkt, sondern so lange, bis das gestellte Verlangen erfüllt ist". 2 7 8 Nicht ausreichend ist dabei die Intention einer Rechtsfolge fiir einen zukünftigen Zeitraum. Wohlgemerkt kann der hier gebildete Begriff des Dauerverwaltungsaktes nicht von vornherein beanspruchen, mit dem Gesetzesbegriff des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung in §§ 45 Abs. 3,48 SGB X überein zu stimmen. Ein Verwaltungsakt, der ausschließlich im Erlasszeitpunkt eine Rechtsfolge (fiir einen gegenwärtigen, vergangenen oder zukünftigen Zeitraum) intendiert, wird im Folgenden Punktverwaltungsakt 279 genannt. Da ein Punktverwaltungsakt allein im Erlasszeitpunkt eine Rechtsfolge intendiert, geht jede nicht auf den Erlasszeitpunkt zurückwirkende Aufhebung dieses Verwaltungsaktes ins Leere. Punktverwaltungsakt ist mithin jeder Verwaltungsakt, der nur ex tunc aufgehoben werden kann. Hingegen ist Dauerverwaltungsakt ein Verwaltungsakt, der (zumindest in bestimmten Zeitpunkt nach seinem Erlass) einer Aufhebung ex nunc zugänglich ist, mag diese auch rechtswidrig sein. 280 Insoweit kommt es nur darauf an, ob der Verwaltungsakt ex nunc aufgehoben werden kann (rechtliches Können), nicht darauf, ob er aufgehoben werden darf (rechtliches Dürfen). 276

So bereits Bähr, Die maßgebliche Rechts- und Sachlage, S. 55. Damit übereinstimmend charakterisiert Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn 2, den Dauerverwaltungsakt als einen Verwaltungsakt, der sich „ständig neu aktualisiert". 2 ™ So bereits Bachof, JZ 1954,416 (420). 277

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9 Bezeichnung in Anlehnung an den von Manssen, DVB1. 1997, 633 (635); Ehlers, Verw 31 (1998), 53 (70), verwendeten Terminus „Zeitpunkt-Verwaltungsakt". 280 Übereinstimmend insoweit Bode, Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte, S. 162 f.; Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 56; Knoke, Rücknahme von Verwaltungsakten, S. 142; Arndt, Rücknahme und Widerruf, S. 101; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 150; Erichsen,

C. Verwaltungsakt und Zeit

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2. Befehlende Verwaltungsakte Intendierte Rechtsfolge eines befehlenden Verwaltungsaktes ist die Auferlegung einer Pflicht zu einem bestimmten Verhalten (s. o. B. II. 2.). Das abgeforderte Verhalten besteht beim gebietenden Verwaltungsakt in einem Tun, beim verbietenden Verwaltungsakt in einem Unterlassen. Sowohl verbietende, als auch gebietende Verwaltungsakte sind einer auf Wirkung für die Zukunft beschränkten Aufhebung zugänglich und in diesem Sinne Dauerverwaltungsakte. Beispiel eines verbietenden Verwaltungsaktes ist die Untersagung einer erlaubnisfreien Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 1 GewO. Die Gewerbeuntersagung ist kein gestaltender Verwaltungsakt 281, der die aktuelle Betätigungsfreiheit in einen Anspruch auf Wiedergestattung umwandelt 282 , sondern als befehlender Verwaltungsakt der Vollstreckung fähig und bedürftig. 283 Das Verbot der Gewerbeausübung ist intendierte Rechtsfolge des Verwaltungsaktes und besteht solange fort, wie der Verwaltungsakt innerlich wirksam ist. 2 8 4 Die Aufhebung ex nunc einer Gewerbeuntersagung ist somit konstruktiv möglich. Als regulärwirkende Aufhebung der Gewerbeuntersagung kann insbesondere die Wiedergestattung einer erlaubnisfreien Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 6 GewO verstanden werden. 285 Nach dem Kriterium der Aufhebbarkeit ex nunc (dazu s. o. 1.) ist die Gewerbeuntersagung mithin ein Dauerverwaltungsakt. 286 in: ders./ Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rn 41; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn 23; undeutlich Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn 67. Der von Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 66, 77, sowie Manssen, ZfSH/ SGB 1991, 225 (230); ders., DVB1. 1997, 633 (634), an den Begriffsbestimmungen Bachofs und des Bundessozialgerichts geübte Kritik kann an dieser Stelle nicht gefolgt werden. Dass ein Verwaltungsakt noch Wirkungen zeitigt (also Gegenstand einer Aufhebung ex nunc gemacht werden kann), ist keine Eigenschaft, die jedem Verwaltungsakt zukommt. Auch der von Felix, NVwZ 2003, 385 (386), erhobene Einwand, jeder Verwaltungsakt wirke auf Dauer und könne deshalb als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bezeichnet werden, trägt aus diesem Grunde nicht. 281 So noch Mareks, Die Untersagungsvorschrift des § 35 Gewerbeordnung, S. 17; unentschieden nunmehr ders., in: Landmann/Rohmer, GewO, § 35 Rn 21 (Lfg. 2000). 282 So aber Barbey, WiVerw 1982, 82 (87,97); ebenso Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 107 f., die jedoch die Gewerbeuntersagung daneben auch als befehlenden Verwaltungsakt qualifiziert. 283 Ehlers, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht I, § 2 Rn 65. 284 BVerwG, Urt. v. 15. 11. 1967 - I C 43.67 - BVerwGE 28, 202 (205); P. Stelkens/ U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 149; Badura, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Abschn. Rn 139. 285

Deshalb steht § 35 Abs. 6 GewO als (bundesrechtliche) Spezialregelung einem auf veränderte Umstände gestütztem Widerruf nach § 49 Abs. 1 VwVfG (des Landes) entgegen, dazu Ehlers, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrechts I., § 2 Rn 54. 286 Ausgehend von teilweise abweichenden Begriffsbildungen gelangen zum gleichen Ergebnis Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 178 f.; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 149; Badura, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

Beispiel eines gebietenden Verwaltungsaktes ist der Steuerbescheid, der die Pflicht zur Leistung eines bestimmten Geldbetrages auferlegt. Teilweise werden Steuerbescheide als Musterbeispiele von Verwaltungsakten ohne Dauerwirkung angesehen.287 Dessen ungeachtet ist die Aufhebung ex nunc eines Steuerbescheides konstruktiv möglich, wenn auch regelmäßig unzulässig. Im Hinblick auf die erbrachte Leistung dient der fortdauernde Steuerbescheid als Rechtsgrund. Solange der Steuerbescheid besteht, sind öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche im Wege der Präjudizwirkung ausgeschlossen [dazu s. o. B. JH. 1. b) aa) (1) (c)]. Im gleichen Umfang wie der Steuerbescheid aufgehoben wird, entsteht der Erstattungsanspruch kraft Gesetzes. Die Aufhebung ex nunc des Steuerbescheides löst deshalb ex nunc einen Erstattungsanspruch aus. Weiteres Beispiel eines gebietenden Verwaltungsaktes ist die Polizei- oder Ordnungsverfügung, soweit sie zu einem Tun verpflichtet, so etwa eine baurechtliche Beseitigungsanordnung gemäß § 61 Abs. 1 S. 2 BauO NRW. Ergeht die Beseitigungsanordnung wegen eines nicht genehmigten und zunächst aus bauplanungsrechtlichen Gründen nicht genehmigungsfähigen Bauwerks, so ist die Beseitigungsanordnung später ex nunc aufzuheben, wenn vor Abriss des Bauwerks die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nachträglich eintritt und die Baugenehmigung nachträglich erteilt wird. Denn bei der baurechtlichen Beseitigungsanordnung handelt es sich gemäß § 12 Abs. 2, Abs. 1 OBG NRW i.V. m. § 60 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BauO NRW um eine Ordnungsverfügung. Der Betroffene kann nach § 22 S. 1 OBG N R W 2 8 8 die Aufhebung einer Ordnungsverfügung, die fortdauernde Wirkung ausübt, verlangen, sobald ihre Voraussetzungen entfallen.

3. Gestaltende Verwaltungsakte Intendierte Rechtsfolge eines gestaltenden Verwaltungsaktes ist die Erzeugung eines rechtlichen Umstandes, der nicht selbst in einer Pflicht besteht (s. o. B. IL 2.). Teilweise wird die Auffassung vertreten, ein gestaltender Verwaltungsakt könne kein Dauerverwaltungsakt sein, da er keine „zukunftsbezogene und zeitraumbezogene Regelung" enthalte. 289 Diese Beurteilung trifft jedoch, wie eine Verwaltungsrecht, 3. Abschn. Rn 139; Ehlers, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrechts I., § 2 Rn 67. Abweichend indessen Mareks, Die Untersagungsvorschrift des § 35 GewO, S, 16 ff.; ders., in: Landmann/Rohmer, GewO, § 35 Rn 21 (Lfg. 2000); Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 108 f.; Barbey, WiVerw 1982, 82 (92). 287 Tipke, in: ders. / Kruse, AO, § 118 Rn 40 (Lfg. 2003); grundsätzlich ebenso Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 227 ff. 288 Vgl. bereits § 43 des preußischen Polizei Verwaltungsgesetzes. 289 Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 222. Ebenso stellen etwa Kot he, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 108 Rn 19 ff.; Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 525, dem gestaltenden Verwaltungsakt als vermeintlichem Gegensatz den Verwaltungsakt mit Dauerwirkung gegenüber.

C. Verwaltungsakt und Zeit

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nach Fallgruppen differenzierende Untersuchung belegt, nicht auf alle gestaltenden Verwaltungsakte zu. Gestaltend ist insbesondere der einen Status begründende oder entziehende Verwaltungsakt [a)], der einen vorausgegangenen Verwaltungsakt aufhebende Verwaltungsakte [b)], der gestattende Verwaltungsakt [c)] sowie der konstitutiv-bewilligende Verwaltungsakt [d)].

a) Statusbegründende und statusentziehende Verwaltungsakte

Gestaltenden Verwaltungsakten, die den Status einer Person (als deutscher Staatsangehöriger, als Flüchtling, als Soldat 290 etc.) begründen oder entziehen, kommt keine Dauerwirkung zu. 2 9 1 Beispielsweise begründet eine im Zeitpunkt Februar 2004 für den Zeitraum März 2004 bis Februar 2009 ausgesprochene Ernennung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BRRG (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BBG) den Beamtenstatus. Die Ernennung ist auf einen gewissen Anfangstermin (März 2004) aufschiebend befristet sowie auf einen gewissen Endtermin (Februar 2009) auflösend befristet. Dies könnte zu dem Schluss verleiten, die Beamtenernennung sei einer Aufhebung ex nunc zugänglich. So wird in der Literatur teilweise die Möglichkeit, einen Verwaltungsakt regulärwirkend aufzuheben, mit der Möglichkeit gleichgesetzt, den Verwaltungsakt auflösend zu befristen. 292 Jedoch trifft diese Gleichsetzung nicht zu. Vielmehr kann auch ein Punktverwaltungsakt unter auflösende Befristung gestellt werden, sofern der Endtermin bereits bei Erlass feststeht [s. u. III. 2. a)]. Denn der Punktverwaltungsakt intendiert eine Rechtsfolge, wenn auch nur in einem Zeitpunkt, so doch für einen bestimmten Zeitraum. Dieser Zeitraum kann durch die auflösende Befristung auf einen gewissen Endtermin begrenzt sein. Die auflösende Befristung des Punktverwaltungsaktes betrifft mithin den Zeitraum, für den eine Rechtsfolge intendiert ist. Indessen ergreift eine Aufhebung ex nunc nur die in zukünftigen Zeitpunkten intendierte Rechtsfolge, weshalb sie beim Punktverwaltungsakt, auch beim auflösend befristeten Punktverwaltungsakt, ins Leere geht. Dies bestätigen die folgenden Überlegungen. Die Aufhebung ex tunc eines Verwaltungsaktes übertrifft die Aufhebung ex nunc insoweit, wie sie auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes zurückwirkt. Auch ein rückwirkender Verwaltungsakt intendiert eine Rechtsfolge nur 290 Zur „Überführung des Wehrpflichtverhältnisses in das Wehrdienstverhältnisses" durch die „statusrechtliche Wirkung" der Einberufung s. nur BVerwG, Urt. v. 26. 6. 1969 - VIII C 36.69 - BVerwGE 32, 243 (247 f.). 291 So bereits Bähr, Die maßgebliche Rechts- und Sachlage, S. 53. 292 So halten R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 150, diese beiden Möglichkeiten für spezifische Eigenschaften des „Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung". Ebenso qualifiziert Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 56, 132, alle befristeten Verwaltungsakte als Dauerverwaltungsakte.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

für einen Zeitraum vor seinem Erlass, nicht in Zeitpunkten vor seinem Erlass, ist deshalb einer auf einen früheren Zeitpunkt zurückwirkenden Aufhebung weder fähig noch bedürftig. Denn ein rückwirkender Verwaltungsakt wird nicht rückwirkend erlassen, sondern lediglich mit rückwirkend intendierter Rechtsfolge (s. o. I. 2.). Umgekehrt wirkt die rückwirkende Aufhebung eines vorauswirkenden Verwaltungsaktes auf den Zeitpunkt des Erlasses zurück und nicht lediglich auf den im Verwaltungsakt bestimmten Anfangstermin. Die Aufhebung ex tunc ergreift den Verwaltungsakt mithin insoweit, wie in vergangenen Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendiert ist, unabhängig davon, für welchen Zeitraum die Rechtsfolge intendiert ist. Die Aufhebung ex nunc eines Verwaltungsaktes unterscheidet sich von der Aufhebung ex tunc in umso geringerem Maße, je eher sie vorgenommen wird. Hebt die Behörde einen Verwaltungsakt bereits eine juristische Sekunde nach dem Erlass auf, so stimmen Aufhebung ex nunc und Aufhebung ex tunc vollends überein. Die regulärwirkende Aufhebung beseitigt die intendierte Regelung eines bestehenden Verwaltungsaktes mithin im selben Umfang, wie es die Behörde im Zeitpunkt der Aufhebung vermag, durch Neuerlass eine Verwaltungsakt mit entsprechender intendierter Regelung zu erzeugen. Da die Rechtsordnung lediglich den Erlass von Verwaltungsakten mit rückwirkend intendierter Rechtsfolge, nicht aber den rückwirkenden Erlass von Verwaltungsakten kennt (s. o. I. 2.), kann die Behörde lediglich einen Verwaltungsakt erlassen, der im gegenwärtigen Zeitpunkt und in zukünftigen Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendiert. Deshalb ergreift die Aufhebung ex nunc einen bestehenden Verwaltungsakt nur insoweit, wie in gegenwärtigen oder in zukünftigen Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendiert ist, unabhängig davon, für welchen Zeitraum die Rechtsfolge intendiert ist. Aus der auflösenden Befristung einer Beamtenernennung auf einen gewissen Endtermin lässt sich deshalb nicht auf die Möglichkeit zu einer Aufhebung ex nunc schließen. Vielmehr steht einer Aufhebung ex nunc der Beamtenernennung ihr statusbegründender Charakter entgegen. Die Ernennung erschöpft sich in der einmaligen Gestaltung der Rechtslage, einem bisherigen Nichtbeamten den Status eines Beamten auf Zeit zu verleihen. Nachdem die Ernennung den Beamtenstatus einmal begründet hat, bedarf es ihrer nicht länger. Denn wer bereits Beamter auf Zeit ist, kann nicht mehr Beamter auf Zeit werden. Der Fortbestand des Beamtenverhältnisses ist keine intendierte, sondern lediglich eine akzidentelle Rechtsfolge des ErnennungsVerwaltungsaktes. Das kraft Verwaltungsaktes begründete Beamtenverhältnis besteht kraft Gesetzes solange fort, bis der Beamtenstatus wieder entzogen wird, etwa im Wege der Entlassung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 BRRG (§ 6 Abs. 3 Nr. 1 BBG). Die Entlassung kann dabei nicht als Aufhebung ex nunc der Ernennung verstanden werden. Denn die Entlassung setzt voraus, dass der zu entziehende Beamtenstatus kraft Ernennung begründet ist und begründet bleibt. Insoweit verhalten sich Ernennung und Entlassung zueinander wie die erstmalige Übereignung einer Sache zur Weiterübereignung derselben Sache. Die erstmalige Übereignung bleibt auch nach Weiterübereignung

C. Verwaltungsakt und Zeit

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gültig, wenn auch das Eigentum nicht in der Person des Ersterwerbers selbst, sondern in der Person seines Einzelrechtsnachfolgers fortbesteht (s. o. A. I. 3.). Zwar sieht § 12 BBG (§ 9 BRRG) die Rücknahme der Ernennung vor, ohne ausdrücklich die Rückwirkung auf den Erlasszeitpunkt vorzuschreiben. Doch belegen die begleitenden Vorschriften den rückwirkenden Charakter der Rücknahme. So bleiben nach § 14 S. 1 Alt. 2 BBG die Amtshandlungen des Ernannten in gleicher Weise gültig, „wie wenn sie ein Beamter ausgeführt hätte". Die Dienstbezüge können dem Ernannten gemäß § 14 S. 2 BBG belassen werden. Beider Regelungen bedarf es nur deshalb, weil die Rücknahme das Beamtenverhältnis ex tunc vernichtet. Ebenso wenig ist im Wege des Widerrufs eine Aufhebung ex nunc der Beamtenernennung möglich. Zwar kennt das Beamtenrecht nach § 5 Abs. 2 BBG (§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BRRG) die Figur des Beamten auf Widerruf. Doch beendet der „Widerruf' das Beamtenverhältnis, ohne den Ernennungsverwaltungsakt aufzuheben. Es handelt sich um eine Spielart der Entlassung, die nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 BBG (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 BRRG) das Beamtenverhältnis beendet. Dies geht aus § 32 Abs. 1 S. 1 BBG (§ 23 Abs. 4 BRRG) hervor, wonach der Beamte auf Widerruf jederzeit „durch Widerruf entlassen werden" kann. 293 Aus diesen Gründen ist eine Aufhebung ex nunc der Beamtenernennung bereits konstruktiv nicht möglich, die Beamtenernennung mithin nicht Dauerverwaltungsakt 2 9 4 , sondern Punktverwaltungsakt. Entsprechendes gilt für die Entlassung, die gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 1 BBG (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 BRRG) den Beamtenstatus entzieht. 295 Denn wer bereits kein Beamter mehr ist, kann den Beamtenstatus nicht mehr verlieren. b) Aufhebende Verwaltungsakte

Gestaltend sind auch solche Verwaltungsakte, die vorausgegangene Verwaltungsakte aufheben. Dass Aufhebungs(verwaltungs)akte zwar ex tunc, nicht aber ex nunc aufhebbar sind, wird an späterer Stelle eingehend begründet (s. u. F. I.). An dieser Stelle soll der Hinweis genügen, dass, was einmal aufgehoben ist, nicht 293 Auch im Katalog des § 6 Abs. 3 BBG begegnet der „Widerruf 4 nicht als eigenständiger Beendigungsgrund des Beamtenverhältnisses, sondern als Unterfall der Entlassung. Dass § 6 Abs. 3 BBG die Rücknahme ebenfalls nicht nennt, ist kein Gegenargument. Denn infolge ihrer Rückwirkung auf den Ernennungszeitpunkt beendet die Rücknahme nicht das Beamtenverhältnis, sondern hindert rückwirkend, dass kraft der Ernennung das Beamtenverhältnis nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 BBG entsteht. 294 So aber, ohne durchschlagende Begründung, P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/ Sachs, VwVfG, § 35 Rn 150 a; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 35 Rn 95; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn 147. Wie hier beispielsweise Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 214. 295 Abweichend gehen Bücking (Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 61) und Willmer (Die sog. „Fortsetzungsfeststellungsklage", S. 38) ohne Begründung von der Möglichkeit der Aufhebung ex nunc einer Beamtenentlassung aus.

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

„aus dem Nichts" wieder entstehen kann. Hat der Aufhebungsakt die Aufhebung bereits bewirkt, vermag ihn seinerseits eine auf Wirkung für die Zukunft beschränkte Aufhebung ebenso wenig zu erreichen, wie dies bei der Ernennung oder Entlassung eines Beamten der Fall ist [dazu s. o. a)]. Aufhebungsverwaltungsakte sind mithin Punktverwaltungsakte. 296 So ist beispielsweise der Umstand, dass dem Betroffenen nach dem Widerruf ex nunc einer Erlaubnis die erlaubnispflichtige Tätigkeit auf Dauer verwehrt ist, intendierte Rechtsfolge des Gesetzes, das die Tätigkeit einer Erlaubnispflicht unterstellt, nicht aber des Widerrufs, der sich in der einmaligen Umgestaltung der Rechtslage erschöpft. 297

c) Gestattende Verwaltungsakte

Die Gestattung einer genehmigungspflichtigen Tätigkeit gestaltet die Rechtslage, indem sie das ansonsten eingreifende gesetzliche Tätigkeitsverbot ausschließt [s. o. B. III. 1. b) bb) (4)]. Zwar tritt der Umstand, dass nach der Erteilung einer Erlaubnis die erlaubnispflichtige Tätigkeit nicht mehr verboten ist, ebenso kraft Gesetzes als lediglich akzidentielle Rechtsfolge des Verwaltungsaktes ein wie das gesetzliche Verbot der Tätigkeit nach einem Widerruf der erforderlichen Erlaubnis [dazu s. o. b)]. Doch erschöpft sich die Erlaubnis nicht in einer einmaligen (punktuellen) Umgestaltung der Rechtslage, wie dies beim Widerruf der Erlaubnis der Fall ist. Vielmehr zielt die Erlaubnis auf eine mehrmalige (kontinuierliche) Umgestaltung der Rechtslage ab, indem sie in jedem Zeitpunkt neu das gesetzliche Tätigkeitsverbot ausschließt. Aus diesem Grund ist die Aufhebung ex nunc eines gestattenden Verwaltungsaktes möglich, wie etwa die Ermächtigungen in § 15 Abs. 2, Abs. 3 GastG zum - lediglich ex nunc wirkenden - Widerruf einer rechtmäßig erteilten Gaststättenerlaubnis belegen. Gestattende Verwaltungsakte sind mithin Dauerverwaltungsakte. 298

296

Über die fehlende Dauerwirkung der Aufhebungsverwaltungsakte besteht im Ergebnis weitgehend Einigkeit, obwohl im Einzelnen die Begriffsbildung verschieden ist: BSG, Urt. v. 12. 2. 1958 - 11 / 9 RV 948/55 - BSGE 7, 8 (13); VGH BW, Urt. v. 24. 9. 1959 - 1 S 20 / 59 - VerwRspr. 13 (1961), 616 (617). Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 215 f.; Ruland, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Abschn., Rn 232; Kothe, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 108 Rn 19 ff.; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 149; Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 525. 29i BVerwG, Beschl. v. 22. 7. 1982 - 3 B 36.82 - Buchholz 418.21 ApBO Nr. 4; OVG NRW, Beschl. v. 7. 2. 2000 - 13 A 180/99 - NVwZ 2000, 697 (679); Bahr, Die maßgebliche Rechts- und Sachlage, S. 54 f.; Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 215; Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 99 f.; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 35 Rn 149. 298 So im Ergebnis auch VG München, Urt. v. 2. 2. 2000 - M. 7 K 99.2059 - NVwZ-RR 2000, 722 (723); R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 150 a; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn 2; abweichend hingegen Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 213.

C. Verwaltungsakt und Zeit d) Konstitutiv-bewilligende

109

Verwaltungsakte

Die behördliche Bewilligung einer Leistung an den Bürger ist dann gestaltender Verwaltungsakt, wenn die Behörde nicht darauf abzielt, einen Leistungsanspruch als bereits kraft Gesetzes bestehend festzustellen, sondern darauf, einen Leistungsanspruch erst zu erzeugen. 299 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Leistung im Ermessen der Behörde steht. 300 Beispielsweise konstituiert erst der Sozialhilfebescheid den Anspruch des Sozialhilfeempfängers auf eine bestimmte Leistung. Zwar besteht gemäß §§ 9 Alt. 1 SGB I, 1 Abs. 1 Alt. 1, 11 Abs. 1 S. 1 BSHG kraft Gesetzes ein abstrakter Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt 301. Doch bedarf dieser Anspruch, da sich die Sozialhilfe gemäß § 3 Abs. 1 BSHG nach den Besonderheiten des Einzelfalles richtet, der Konkretisierung im Hinblick auf Maß und Form als persönliche Hilfe, Geld- oder Sachleistung gemäß § 8 Abs. 1 BSHG. Insoweit räumt § 4 Abs. 2 BSHG der Behörde (Auswahl-)Ermessen ein. 3 0 2 Allerdings ist der Sozialhilfebescheid nach verbreiteter Auffassung kein Dauerverwaltungsakt 303, da die Sozialhilfe stets für begrenzte Zeiträume (zumeist: einzelne Monate) bewilligt wird 3 0 4 , nicht als rentenähnliche Dauerleistung gewährt wird 3 0 5 . Der Sozialhilfefall ist „gleichsam täglich erneut regelungsbedürftig". 306 Wird die Sozialhilfe fortgesetzt gewährt, beruht dies jeweils auf einer neuen, konkludenten Weiterbewilligung. 307 Wird die Sozialhilfe eingestellt, beruht dies nicht auf einer Aufhebung ex nunc der Bewilligung, sondern schlicht auf der Unter299 Ob der Leistungsanspruch nach wahrer Rechtslage besteht, ist dabei nur für die Rechtmäßigkeit des feststellenden Verwaltungsaktes, nicht aber für die Abgrenzung gegenüber dem gestaltenden Verwaltungsakt entscheidend. 300 p Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 139 b. Ausreichend für den gestaltenden Charakter des Verwaltungsaktes dürfte darüber hinaus, dass die Behörde (zutreffend oder auch falschlich) Ermessen in Anspruch nimmt, die Leistung zu versagen. 301 Neben der Hilfe zum Lebensunterhalt kennt das Sozialhilferecht noch die Hilfe in besonderen Lebenslagen gemäß §§ 9 Alt. 2 SGB I, 1 Abs. 1 Alt. 2,28 Abs. 1 S. 1 BSHG. 302 Sogar für den Regelbedarf sind nach § 22 Abs. 1 S. 2 BSHG Abweichungen von den (in Rechtsverordnungen festgelegten) Regelsätzen der Geldleistung möglich. 303 So etwa die Auffassung in der Begründung zu § 43 Abs. 3 SGB X des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 8/2034, S. 34, ebenso Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 200 f.; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn 2 Fn 4; Pickel, SGb 1992, 294 (294). 304 Ruland, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Abschn. Rn 47. 305 BT-Drs. 8/2034, S. 34; BVerwG, Urt. v. 15. 11. 1967 - V C 71.67 - BVerwGE 28, 216 (217); Ruland, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Abschn. Rn 232 (Fn 622), 47. 306 BT-Drs. 8/2034, S. 33 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urt. v. 30. 11. 1966 - V C 29.66 - BVerwGE 25, 307 (309). 307 BVerwG, Urt. v. 15. 11. 1967 - V C 71.67 - BVerwGE 28, 216 (218); zust. Ruland, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Abschn. Rn 47.

110

1. Kap.: Begriffsbestimmung

lassung der Weiterbewilligung 308 . Deshalb ist der Betroffene in solchen Fällen auf die Verpflichtungsklage verwiesen 309 . Aufgrunddessen kann der Sozialhilfebescheid als Kettenverwaltungsakt (dazu s. u. F. IV. 3.), nicht jedoch als Punktverwaltungsakt qualifiziert werden. Da ein Sozialhilfebescheid eine Leistungsgewährung nur für einen eng umgrenzten Zeitraum intendiert, ist eine Aufhebung ex nunc nicht erforderlich, um die Gewährung von Sozialhilfe einzustellen. Dennoch ist eine Aufhebung ex nunc konstruktiv möglich, wenn auch regelmäßig unzulässig. Im Hinblick auf die bereits erbrachte Leistung dient der fortdauernde Sozialhilfebescheid als Rechtsgrund. Solange der Sozialhilfebescheid besteht, sind öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche im Wege der Präjudizwirkung ausgeschlossen [dazu s. o. B. III. 1 b) aa) (2)]. Wird der Sozialhilfebescheid ex nunc aufgehoben, so entsteht der gesetzliche Erstattungsanspruch ex nunc. Da eine regulärwirkende Aufhebung den Sozialhilfebescheid erreicht, handelt es sich im hier verstandenen Sinne um einen Dauerverwaltungsakt. 310 Erst recht sind konstitutivbewilligende Verwaltungsakte, die für umfassendere Zeiträume eine Leistungsgewährung intendieren, Dauerverwaltungsakte.

4. Feststellende Verwaltungsakte Intendierte Rechtsfolge eines feststellenden Verwaltungsaktes ist die Feststellung eines rechtlichen Umstandes (s. o. B. II. 2.). Der Gegenstand, auf den sich die Feststellung bezieht, und damit der feststellende Verwaltungsakt können dauernder oder punktueller Art sein. Ein Verwaltungsakt, der die Pflicht zu einem Tun oder Unterlassen auferlegt, ist einer Aufhebung ex nunc zugänglich (s. o. 2.). Ebenso kann ein Verwaltungsakt, der die Pflicht zu einem Tun oder Unterlassen feststellt, ex nunc aufgehoben werden und ist deshalb Dauerverwaltungsakt. Auch kann ein Verwaltungsakt, der einen Anspruch auf eine bestimmte Leistung erst konstituiert, ex nunc aufgehoben werden [s. o. 3. d)]. Entsprechendes gilt, wenn der Verwaltungsakt den betreffenden Anspruch lediglich als kraft Gesetzes bestehend deklariert. Dauerverwaltungsakte sind deshalb insbesondere sozialrechtliche Leistungsbescheide, die gesetzliche Ansprüche feststellen, beispielsweise Bewilligungsbescheide über Renten, Kinderzuschuss, Wohngeld, Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungs308 So charakterisieren Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 200 f.; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn 2 Fn 4, den Sozialhilfebescheid als Kettenverwaltungsakt. 509 Insoweit auch Grieger, ZfSH/SGB 2002, 451 (455); Ruland, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Abschn. Rn 47 m. w. N. 3 "> Auch nach OVG NRW, Urt. v. 24. 3. 1993 - 24 A 1093/90 - NWVB1. 1993, 393 (394 f.); Grieger, ZfSH/SGB 2002, 451 (454); P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 35 Rn 150 b, kann ein Sozialhilfebescheid als Verwaltungsakt mit - allerdings begrenzter - Dauerwirkung verstanden werden.

C. Verwaltungsakt und Zeit

111

gesetz.311 Da ein gestattender Verwaltungsakt ex nunc aufgehoben werden kann, trifft gleiches auf einen Verwaltungsakt zu, der das Bestehen einer Gestattung feststellt. Insoweit jedoch ein gestaltender Verwaltungsakt nicht ex nunc aufgehoben werden kann [s. o. 3. a)-b)], ist die Aufhebung ex nunc auch bei einem feststellenden Verwaltungsakt, der sich auf den gleichen Gegenstand bezieht, ausgeschlossen. Beispielsweise ist die Feststellung, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Beamtenstatus begründet oder zu einem bestimmten Zeitpunkt entzogen worden ist, nicht ex nunc aufhebbar, mithin ein Punktverwaltungsakt. Ebenso wenig ist die Feststellung, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Recht besteht oder nicht besteht, ex nunc aufhebbar. Es handelt sich mithin nicht um einen Dauerverwaltungsakt. 3 1 2 Entsprechendes gilt für die Ablehnung eines Antrags 313 sowie für Prüfungsentscheidungen314. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, welche Verwaltungsakte Punktverwaltungsakte und welche Dauerverwaltungsakte sind: Punktverwaltungsakt

Dauerverwaltungsakt

Intention einer Rechtsfolge nur in einem Zeitpunkt

Intention einer Rechtsfolge in verschiedenen Zeitpunkten

Befehlende Verwaltungsakte

keine

alle

Gestaltende Verwaltungsakte

u. a. Statusbegründungen und Statusentziehungen, Aufhebungen

u. a. Gestattungen, konstitutive Bewilligungen

Feststellende Verwaltungsakte

u. a. Feststellungen von u. a. Feststellungen Statusbegründungen oder einer Pflicht, deklaratorische Statusentziehungen, Bewilligungen Ablehnungen eines Antrags, Prüfungsentscheidungen

311 So im Ergebnis auch Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 199 f., der insoweit sogar von „Musterbeispielen" des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung spricht. Vgl. auch Breitkopf, Rücknahme und Widerruf, S. 125 f. 312 So im Ergebnis auch P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 150 a). 313 Wie hier auch BSG, Urt. v. 16. 2. 1984 - 1 RA 15/83 - BSGE 56, 165 (170); Urt. v. 30. 1. 1985 - 1 RJ 2/84 - BSGE 58, 27 (29); Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 217 f. 314 BVerwG, Beschl. v. 13. 6. 1995-6 B 15.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 351; R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 150 b.

112

1. Kap.: Begriffsbestimmung

III. Zeitlicher Regelungsgehalt des Punktverwaltungsaktes Der Punktverwaltungsakt intendiert in lediglich einem Zeitpunkt eine Rechtsfolge (s.o. II. 1.). In Übereinstimmung mit Bachofs Begriffsbestimmung des Dauerverwaltungsaktes kann der Punktverwaltungsakt als ein Verwaltungsakt gekennzeichnet werden, der bereits mit Erlass alle Rechtswirkungen äußert, sich also mit Erlass selbst verzehrt. 315 Anfang (1.) und Ende (2.) des zeitlichen Regelungsgehaltes des Punktverwaltungsaktes sind zu ermitteln.

1. Anfang des zeitlichen Regelungsgehaltes Der zeitliche Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes umfasst einerseits die Zeit als Tatbestandsmerkmal und andererseits die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der intendierten Regelung (s. o. 1.1.). Der Anfang des zeitlichen Regelungsgehaltes könnte deshalb entweder den ersten Zeitpunkt meinen, in dem eine Rechtsfolge intendiert ist oder aber den Beginn des Zeitraumes, für den eine Rechtsfolge intendiert ist. Da ein Punktverwaltungsakt eine Rechtsfolge lediglich in einem Zeitpunkt intendiert, bietet sich an, unter dem Anfang des zeitlichen Regelungsgehaltes den Beginn des Zeitraumes zu verstehen, für den der Punktverwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert. Wann dieser Zeitraum beginnt, hängt von einer etwaigen Anfangsterminsbestimmung ab. In Betracht kommen die aufschiebende Befristung auf einen von vornherein gewissen [a)] oder auf einen zunächst noch ungewissen Anfangstermin [b)], die ex nunc aufschiebende [c)] oder ex tunc aufschiebende Bedingung [d)] sowie die Rückwirkungsanordnung [e)], sofern es nicht an einer Anfangsterminsbestimmung fehlt [f)]. a) Aufschiebende Befristung auf einen gewissen Anfangstermin

Gewissheit besteht bei der Befristung des Verwaltungsaktes nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG im Unterschied zur Bedingung des Verwaltungsaktes nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG darüber, dass das erwartete Ereignis eintritt, jedoch nicht notwendig darüber, wann das erwartete Ereignis eintritt. 316 Beispielsweise ist der Tod eines Lebewesens ein Ereignis, dass gewiss eintritt (mors certa), obgleich zu einem ungewissen Zeitpunkt (hora incerta). 317 Demzufolge muss zwischen der 315 BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1967 - I C 1.67 - BVerwGE 28, 292 (294); grundlegend Bachof JZ 1954,416 (419). 316

Schachel, Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten, S. 22; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 50 Rn 7; Janßen, in: Obermayer, VwVfG, § 36 Rn 5; P. Stelkens/ U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 13; Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 11; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 36 Rn 15. 317 Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 50 Rn 7; P Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 13.

C. Verwaltungsakt und Zeit

113

Bedingung (dies incertus an), der Befristung auf einen gewissen Termin (dies certus an, certus quando) und der Befristung auf einen zunächst noch ungewissen Termin (dies certus an, incertus quando) differenziert werden. 318 Ist der Punktverwaltungsakt auf einen von vornherein gewissen Anfangstermin aufschiebend befristet, wird eine Rechtsfolge nicht für den gegenwärtigen Zeitraum intendiert, sondern vorauswirkend für einen zukünftigen Zeitraum, beginnend mit dem Anfangstermin. Da sich der Punktverwaltungsakt darin erschöpft, in nur einem Zeitpunkt eine Rechtsfolge zu intendieren, ist im Anfangstermin selbst keine Rechtsfolge intendiert. Beispiel eines auf einen gewissen Anfangstermin aufschiebend befristeten Punktverwaltungsaktes ist die in einem Zeitpunkt für einen gewissen zukünftigen Zeitraum ausgesprochene Ernennung zum Beamten nach § 5 Abs. 1 BRRG (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BBG).

b) Aufschiebende Befristung auf einen zunächst ungewissen Anfangstermin

Ein Punktverwaltungsakt kann zwar gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG unter aufschiebender Befristung auf einen von vornherein gewissen Anfangstermin stehen [s. o. a)], nicht jedoch unter aufschiebender Befristung auf einen zunächst ungewissen Anfangstermin. Da ein aufschiebend befristeter Punktverwaltungsakt eine Rechtsfolge nur in einem Zeitpunkt für den Zeitraum ab dem Anfangstermin intendiert, muss der Anfangstermin bereits bei Erlass gewiss sein. Die aufschiebende Befristung ginge ins Leere, würde über den Zeitpunkt erst dann Gewissheit erlangt, wenn der Verwaltungsakt schon keine Rechtsfolge mehr intendiert.

c) Ex nunc aufschiebende Bedingung

Der aufschiebenden Befristung auf einen noch ungewissen Anfangstermin nah verwandt ist die ex nunc aufschiebende Bedingung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG. Bei der aufschiebenden Bedingung ist ungewiss, ob das erwartete Ereignis jemals eintritt. 319 Da insbesondere ungewiss ist, zu welchem Zeitpunkt das erwartete Ereignis eintritt, entspricht der zeitlichen Regelungsgehalt des ex nunc aufschiebend bedingten Verwaltungsaktes demjenigen des auf einen zunächst ungewissen Anfangstermin aufschiebend befristeten Verwaltungsaktes. Deshalb ist ein Punktverwaltungsakt einer ex nunc aufschiebenden Bedingung aus den gleichen Gründen verschlossen, aus denen die aufschiebende Befristung 318 So die zivilrechtliche Terminologie, s. nur Bork, in: Staudinger, BGB, 2003, Vorbem. zu §§ 158 -163, Rn 9 m. w. N. 319 Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 50 Rn 10; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 18; Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 11 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 36 Rn 19.

8 Steinweg

114

1. Kap.: Begriffsbestimmung

des Punktverwaltungsaktes auf einen zunächst ungewissen Anfangstermin scheitert [dazu s. o. b)]. Die ex nunc aufschiebende Bedingung kann im zeitlichen Regelungsgehalt eines Verwaltungsaktes erst dann ihren Niederschlag finden, wenn Gewissheit über den Bedingungseintritt besteht, also in einem späteren Zeitpunkt als dem des Erlasses. Da der Punktverwaltungsakt in solchen Zeitpunkten ohnehin auf keine Rechtsfolge mehr abzielt, kommt eine ex nunc aufschiebende Bedingung des Punktverwaltungsaktes nicht in Betracht. Auf diesem Zusammenhang beruht die Nebenbestimmungsfeindlichkeit insbesondere statusbegründender Verwaltungsakte 320, bei denen es sich stets um Punktverwaltungsakte handelt [s. o. II. 3. a)].

d) Ex tunc aufschiebende Bedingung

In besonderen Fällen kann dem Verwaltungsakt eine auf den Erlasszeitpunkt zurückwirkende aufschiebende Bedingung anhaften. Infolge der Rückwirkung kommt eine ex tunc aufschiebende Bedingung auch bei Punktverwaltungsakten in Betracht. Als ex tunc aufschiebend bedingter Verwaltungsakt kann insbesondere der vorsorgliche Verwaltungsakt verstanden werden. Vorsorglicher Verwaltungsakt war beispielsweise der Bescheid, mit dem die Hauptfürsorgestelle gemäß § 18 des Schwerbehindertengesetzes a. F. (SchwbG) 321 ihre Zustimmung zur Kündigung eines Arbeitnehmers deshalb „unter dem Vorbehalt der Schwerbehinderteneigenschaft" versagte, weil das Versorgungsamt über den Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft noch nicht gemäß § 4 Abs. 1 SchwbG entschieden hatte. Allerdings ist die Einordnung der vom Bundesverwaltungsgericht 322 aus Anlass dieses Beispielfalles entwickelten Figur des vorsorglichen Verwaltungsaktes in die Handlungsformenlehre umstritten. Vertreten wird, es handele sich um eine eigenständige Verwaltungsakt320 Dazu BVerwG, Urt. v. 29. 6. 1967 - VIII C 109.67 - BVerwGE 27, 263 (266); P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 62; Erichsen, in: ders./ Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13 Rn 9. Eine Nebenbestimmungsfeindlichkeit gestaltender Verwaltungsakte jedweder Art behaupten Franßen, Über bedingungsfeindliche Verwaltungsakte, S. 146; Wolnicki, NVwZ 1994, 872 (874). Nebenbestimmungsfeindlich sind auch statusverändernde Privatrechtsgeschäfte. Zwar wird vertreten, eine arbeitsrechtliche Änderungskündigung könne nicht nur unbedingt, sondern auch bedingt ausgesprochen werden. Doch handelt es sich bei dieser Differenzierung um nicht mehr als ein Potemkinsches Dorf. Denn an die (vermeintlich) bedingte Änderungskündigung sollen die gleichen Rechtsfolgen anknüpfen wie an eine unbedingte, so BAG, Urt. v. 30. 5. 1980 - 7 AZR 215/78 - AP BGB § 611 Arzt-Krankenhaus-Vertrag Nr. 8; Künzl, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, KSchG, § 2 Rn 7, 11. 321 Das Schwerbehindertengesetz ist nunmehr im SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - aufgegangen. 322 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1988 - 5 C 67/85 - BVerwGE 81, 84 ff.

C. Verwaltungsakt und Zeit

115

form 3 2 3 , um einen auflösend bedingten Verwaltungsakt 324, um eine Spielart des vorläufigen Verwaltungsaktes 325 oder um einen endgültigen Verwaltungsakt, von dem nur in einem bestimmten Fall Gebrauch gemacht werden kann. 326 Teilweise wird sogar der Verwaltungsaktscharakter bestritten. 327 Der Zustimmungsverweigerung durch die Hauptfürsorgestelle war der Vorbehalt immanent, dass ihr nur im Falle der späteren Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft rechtliche Bedeutung zukam. 328 Die Zustimmungsverweigerung stellte sich als mangels Zustimmungserfordernis gegenstandslos heraus, sofern der Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft abgelehnt wurde. 329 Das Bundesverwaltungsgericht qualifizierte diesen Vorbehalt zu Recht nicht als auflösende Bedingung. 330 Denn eine Verweigerung der Zustimmung zur Kündigung war rückwirkend erst dann intendiert, wenn das Versorgungsamt die Schwerbehinderteneigenschaft feststellte. Die durch den vorsorglichen Verwaltungsakt getroffene Regelung ist mithin abschließend, steht aber unter dem Vorbehalt, dass seine Voraussetzungen von einer anderen Behörde festgestellt werden. 331

e) Rückwirkungsbestimmung

Die Rückwirkungsbestimmung bildet das symmetrische Gegenstück zur aufschiebenden Befristung auf einen gewissen Anfangstermin. Ist der Punktverwaltungsakt auf einen gewissen Anfangstermin aufschiebend befristet, so ist im Erlasszeitpunkt vorauswirkend für einen zukünftigen Zeitraum eine Rechtsfolge intendiert [s. o. a)]. Rückwirkend ist der Punktverwaltungsakt dann, wenn er im Erlasszeitpunkt für einen vergangenen Zeitraum eine Rechtsfolge intendiert. Die Rückwirkung beruht dabei auf einer im Verwaltungsakt enthaltenen Rückwirkungsbestimmung, die den Anfangstermin des zeitlichen Regelungsgehaltes auf einen Zeitraum vor Erlass des Verwaltungsaktes vorverlegt. Beispiel ist die auf den Erlasszeitpunkt zurückwirkende Rücknahme einer Beamtenernennung nach § 9 BRRG (§ 12BBG).

323 So wohl Weide s, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, § 2 III. 13. (S. 45 f.). 324 So Püttner, JZ 1989,846 (847); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 195. 325 So Di Fabio, DÖV 1991, 629 (630 f.); Losch, NVwZ 1995, 235 (237 f.); F. J. Kopp, Vorläufiges Verwaltungsverfahren und vorläufiger Verwaltungsakt, S. 86 ff. 326 J. Martens, NVwZ 1991, 1043 (1044), zust. Henneke, in: Knack, VwVfG, § 35 Rn 123. 327 So wohl Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn 63 c, nach dem die Vorsorglichkeit mit der,»Natur des Verwaltungsaktes als definitiver, vollziehbarer und vollstreckbarer Behördenentscheidung" kollidiert. 328 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1988 - 5 C 67/85 -BVerwGE 81, 84 (94). 329 Insoweit auch Peine, FS Thieme, S. 563 (585). 330 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1988 - 5 C 67/85 - BVerwGE 81, 84 (94). 331 Insoweit auch Richter/Schuppert/Bumke, Casebook Verwaltungsrecht, S. 151 f. *

116

1. Kap.: Begriffsbestimmung f) Fehlen einer Anfangsterminsbestimmung

Ist ein Punktverwaltungsakt weder auf einen gewissen Anfangstermin aufschiebend befristet [dazu s. o. a)], noch mit einer Rückwirkungsbestimmung versehen [dazu s. o. e)], so intendiert er im Erlasszeitpunkt eine Rechtsfolge für den gegenwärtigen Zeitraum ab Erlass.

2. Ende des zeitlichen Regelungsgehaltes Ebenso wie unter dem Anfang des zeitlichen Regelungsgehaltes kann auch unter dem Ende des zeitlichen Regelungsgehaltes zweierlei verstanden werden [vgl. o. 1. vor a)]. Denn der zeitliche Regelungsgehalt umfasst einerseits die Zeit als Tatbestandsmerkmal und andererseits die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes (s.o. I. 1.). Das Ende des zeitlichen Regelungsgehaltes kann mithin entweder den letzten Zeitpunkt bezeichnen, in dem eine Rechtsfolge intendiert ist oder aber den Abschluss des Zeitraumes, für den eine Rechtsfolge intendiert ist. Ein Punktverwaltungsakt intendiert eine Rechtsfolge nur in einem Zeitpunkt (s. o. II. 1.). Aus diesem Grund bietet sich an, als Ende des zeitlichen Regelungsgehaltes den Abschluss des Zeitraumes zu verstehen, für den der Punktverwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert. Das Ende des zeitlichen Regelungsgehaltes des Punktverwaltungsaktes richtet sich nach einer etwaigen Endterminsbestimmung. In Betracht kommt die auflösende Befristung auf einen von vornherein gewissen Endtermin [a)] oder auf einen zunächst noch ungewissen Endtermin [b)] sowie die ex nunc auflösende [c)] oder ex tunc auflösende Bedingung [d)]. Allerdings kann es auch an einer Endterminsbestimmung fehlen [e)].

a) Auflösende Befristung auf einen gewissen Endtermin

Ist der Punktverwaltungsakt auf einen gewissen Endtermin auflösend befristet (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG), so intendiert er bereits im Erlasszeitpunkt eine Rechtsfolge lediglich für den Zeitraum bis zu diesem Endtermin. Beispiel ist die Ernennung eines Beamten auf Zeit [s. o. II. 3. a)].

b) Auflösende Befristung auf einen zunächst ungewissen Endtermin

Demgegenüber ist beim Punktverwaltungsakt die auflösende Befristung auf einen zunächst ungewissen Endtermin ebenso wenig möglich wie die aufschiebende Befristung auf einen ungewissen Anfangstermin [dazu s. o. 1. b)]. Ist der Endtermin im Erlasszeitpunkt noch ungewiss, kann die Endterminsbestimmung keine Bedeutung besitzen, da in späteren Zeitpunkten, in denen Gewissheit über

C. Verwaltungsakt und Zeit

117

den Endtermin erlangt werden könnte, der Punktverwaltungsakt auf keine Rechtsfolge mehr abzielt. c) Ex nunc auflösende Bedingung

Der auflösenden Befristung auf einen noch ungewissen Endtermin nah verwandt ist die ex nunc auflösende Bedingung. Bei ihr ist ungewiss, ob das erwartete Ereignis jemals eintritt, also insbesondere, zu welchem Zeitpunkt es eintritt. Der zeitliche Regelungsgehalt des ex nunc auflösend bedingten Verwaltungsaktes entspricht deshalb demjenigen des auf einen zunächst ungewissen Endtermin auflösend befristeten Verwaltungsaktes [dazu s. o. b)]. Ein Punktverwaltungsakt kann ebenso wenig unter eine ex nunc auflösende Bedingung gestellt werden. Denn die ex nunc auflösende Bedingung kann im zeitlichen Regelungsgehalt eines Verwaltungsaktes erst dann ihren Niederschlag finden, wenn Gewissheit über den Bedingungseintritt besteht, also in einem Zeitpunkt, in dem der Punktverwaltungsakt keine Rechtsfolge mehr intendiert.

d) Ex tunc auflösende Bedingung

In bestimmten Fällen haftet dem Verwaltungsakt eine auf den Erlasszeitpunkt zurückwirkende auflösende Bedingung an. 3 3 2 Insbesondere steht ein vorläufiger Verwaltungsakt unter ex tunc auflösender Bedingung auf den Erlass des endgültigen Verwaltungsaktes [s. u. IV. 2. d)]. Wegen der Rückwirkung auf den Erlasszeitpunkt ist eine ex tunc auflösende Bedingung auch beim Punktverwaltungsakt möglich. e) Fehlen einer Endterminsbestimmung

Falls eine auflösende Befristung auf einen gewissen Endtermin [dazu s. o. a)] fehlt, intendiert der Punktverwaltungsakt im Erlasszeitpunkt eine Rechtsfolge für einen von der Anlage her unendlichen Zeitraum.

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lassen sich Anfang und Ende des zeitlichen Regelungsgehalts des Punktverwaltungsaktes darstellen:

332 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 195; Kopp/Ramsauer, § 36 Rn 19; Kopp, DVB1. 1989, 238 (240).

VwVfG,

118

1. Kap.: Begriffsbestimmung

Anfaiig des zeithchen Regelungsgehaltes des Punktverwaltungsaktes

Ende des zeitlichen Regelungsgehaltes des Punktverwaltungsaktes

Intention einer Rechtsfolge...

Intention einer Rechtsfolge...

... für den gegenwärtigen Zeitraum - Fehlen einer Anfangsterminsbestimmung - Vor Eintritt einer ex tunc auflösenden Bedingung - Nach Eintritt einer ex tunc aufschiebenden Bedingung

... für einen unendlichen Zeitraum - Fehlen einer Endterminsbestimmung - Vor Eintritt einer ex tunc auflösenden Bedingung - Nach Eintritt einer Ex tunc aufschiebenden Bedingung

... für einen zukünftigen Zeitraum - Aufschiebende Befristung auf gewissen Anfangstermin

... für einen endlichen Zeitraum - Auflösende Befristung auf gewissen Endtermin

... für einen vergangenen Zeitraum - Rückwirkungsbestimmung

... für keinen Zeitraum - Vor Eintritt einer ex tunc aufschiebenden Bedingung - Nach Eintritt einer ex tunc auflösenden Bedingung

IV. Zeitlicher Regelungsgehalt des Dauerverwaltungsaktes Der Dauerverwaltungsakt intendiert nicht ausschließlich in einem Zeitpunkt, etwa dem Zeitpunkt seines Erlasses, eine Rechtsfolge (s.o. II. 1.). Daher bietet sich an, unter dem Anfang des zeitlichen Regelungsgehaltes den ersten Zeitpunkt zu verstehen, in dem der Dauerverwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert (1.), unter dem Ende des zeitlichen Regelungsgehaltes den letzten Zeitpunkt, in dem der Dauerverwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert (2.).

1. Anfang des zeitlichen Regelungsgehaltes des Dauerverwaltungsaktes Welchen Anfang der zeitliche Regelungsgehalt des Dauerverwaltungsaktes aufweist, hängt davon ab, ob er mit einer aufschiebenden Befristung auf einen von vornherein gewissen [a>] oder zunächst noch ungewissen Anfangstermin [b)], mit einer ex nunc aufschiebenden [c)] oder ex tunc aufschiebenden Bedingung [d)] versehen ist. In Betracht kommen ferner eine Rückwirkungsanordnung [e)] oder das Fehlen einer Anfangsterminsbestimmung [f)]. a) Aufschiebende Befristung auf einen gewissen Anfangstermin

Die aufschiebende Befristung auf einen von vornherein gewissen Anfangstermin äußert sich beim Punktverwaltungsakt darin, dass bereits im Erlasszeitpunkt eine

C. Verwaltungsakt und Zeit

119

Rechtsfolge für einen zukünftigen, mit dem Anfangstermin beginnenden Zeitraum intendiert wird [s. o. III. 1. a)]. Im Gegensatz dazu findet beim Dauerverwaltungsakt eine aufschiebende Befristung noch nicht im Erlasszeitpunkt ihren Niederschlag; vielmehr intendiert der Dauerverwaltungsakt eine Rechtsfolge noch in späteren Zeitpunkten, insbesondere auch im Anfangstermin, auf den er aufschiebend befristet ist. Ist der Dauerverwaltungsakt auf einen von vornherein gewissen Anfangstermin aufschiebend befristet, so ist nicht im Erlasszeitpunkt eine Rechtsfolge für einen zukünftigen Zeitraum intendiert. Vielmehr zielt der Dauerverwaltungsakt in jedem Zeitpunkt auf eine Rechtsfolge für den jeweils gegenwärtigen Zeitraum ab, mithin im Anfangstermin auf eine Rechtsfolge für den Anfangstermin. Verbietet beispielsweise die Behörde bereits am 30. April eine für den 1. Mai angesetzte Versammlung, so ist erst im Zeitpunkt 1. Mai für den gegenwärtigen Zeitraum 1. Mai das Verbot intendiert.

b) Aufschiebende Befristung auf einen zunächst ungewissen Anfangstermin

Da ein Dauerverwaltungsakt eine Rechtsfolge noch in späteren Zeitpunkten als dem seines Erlasses intendiert, ist bei ihm die aufschiebende Befristung (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) auch auf einen zunächst noch ungewissen Anfangstermin möglich. Ein solcher Dauerverwaltungsakt intendiert im Erlasszeitpunkt noch keine Rechtsfolge, sondern erst im Anfangstermin für den Anfangstermin. Über den Anfangstermin wird erst mit dessen Eintritt Gewissheit erlangt. Da der Anfangstermin mit seinem Eintritt gewiss wird, unterscheidet sich der zeitliche Regelungsgehalt danach nicht mehr vom zeitlichen Regelungsgehalt eines auf einen von vornherein gewissen Anfangstermin aufschiebend befristeten Verwaltungsaktes.

c) Ex nunc aufschiebende Bedingung

Der zeitliche Regelungsgehalt des aufschiebend bedingten Dauerverwaltungsaktes entspricht demjenigen des auf einen zunächst noch ungewissen Anfangstermin aufschiebend befristeten Dauerverwaltungsaktes [dazu s. o. b)]. Der aufschiebend bedingte Dauerverwaltungsakt intendiert im Erlasszeitpunkt noch keine Rechtsfolge, sondern erst im Zeitpunkt des Bedingungseintritts für den gegenwärtigen Zeitraum. d) Ex tunc aufschiebende Bedingung

Ebenso wie bei Punktverwaltungsakten kommt auch bei Dauerverwaltungsakten eine auf den Erlasszeitpunkt zurückwirkende aufschiebende Bedingung in Betracht. Insbesondere steht ein vorsorglicher Verwaltungsakt unter der ex tunc aufschiebenden Bedingung des Erlasses des bevorsorgten Verwaltungsaktes [dazu

s. o. in. l.d)].

120

1. Kap.: Begriffsbestimmung e) Rückwirkungsbestimmung

Im Gegensatz zum Punktverwaltungsakt kann einem Dauerverwaltungsakt bereits aus konstruktiven Gründen weder Vorauswirkung noch Rückwirkung beigelegt werden. Ein vorauswirkender Punktverwaltungsakt intendiert im Erlasszeitpunkt eine Rechtsfolge für einen dem Erlass nachfolgenden Zeitraum, ein rückwirkender Punktverwaltungsakt intendiert im Erlasszeitpunkt eine Rechtsfolge für einen dem Erlass vorausliegenden Zeitraum. Beides ist beim Dauerverwaltungsakt nicht möglich. So intendiert der aufschiebend befristete Dauerverwaltungsakt eine Rechtsfolge nicht schon im Erlasszeitpunkt für einen zukünftigen Zeitraum, sondern erst in späteren Zeitpunkten für den jeweils gegenwärtigen Zeitraum [s. o. a)-b)]. Da der Dauerverwaltungsakt in jedem Zeitpunkt eine Rechtsfolge nur für den gegenwärtigen Zeitraum intendiert, ist die Intention einer Rechtsfolge für einen Zeitraum vor Erlass nicht möglich. Denn in Zeitpunkten vor Erlass intendiert ein Verwaltungsakt mangels Existenz keine Rechtsfolge. In der mangelnden Rückwirkungsfähigkeit des Dauerverwaltungsaktes liegt insbesondere begründet, dass die Rechtsordnung zwar rückwirkende gestaltende und rückwirkende feststellende Verwaltungsakte, nicht aber rückwirkende befehlende Verwaltungsakte kennt. 333 Denn befehlende Verwaltungsakte sind stets Dauerverwaltungsakte (s. o. IL 2.) und deshalb keiner Rückwirkung zugänglich.

f) Fehlen einer Anfangsterminsbestimmung

Ist ein Dauerverwaltungsakt weder aufschiebend befristet [dazu s.o. a)-b)], noch ex nunc aufschiebend bedingt [dazu s. o. c)], so intendiert er im Zeitpunkt des Erlasses und in späteren Zeitpunkten eine Rechtsfolge für den jeweils gegenwärtigen Zeitraum.

2. Ende des zeitlichen Regelungsgehaltes des Dauerverwaltungsaktes Das Ende des zeitlichen Regelungsgehaltes des Dauerverwaltungsaktes bezeichnet den letzten Zeitpunkt, in dem eine Rechtsfolge intendiert ist. Dieser letzte Zeitpunkt bemisst sich danach, ob der Verwaltungsakt mit einer auflösenden Befristung auf einen gewissen Endtermin [a)] oder auf einen ungewissen Endtermin [b)] oder mit einer auflösenden Bedingung [c)] versehen ist oder jegliche Endterminsbestimmung fehlt [d)].

333

Versucht die Behörde, einen rückwirkenden Befehl in Verwaltungsaktsform auszusprechen, so liegt deshalb ein Nicht(verwaltungs)akt vor, kein nichtiger Verwaltungsakt, so aber Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, § 50 III. c) (S. 422).

C. Verwaltungsakt und Zeit

121

a) Auflösende Befristung auf einen gewissen Endtermin

Mit dem Dauerverwaltungsakt ist eine Rechtsfolge noch in späteren Zeitpunkten als dem des Erlasses intendiert, dafür aber immer nur für den jeweils gegenwärtigen Zeitraum [s. o. 1. a)]. Unterliegt der Dauerverwaltungsakt der auflösenden Befristung auf einen gewissen Endtermin, so ist nur in den Zeitpunkten zwischen Erlass und Endtermin eine Rechtsfolge für den jeweils gegenwärtigen Zeitraum intendiert, in Zeitpunkten nach dem Endtermin jedoch keine Rechtsfolge mehr. Zur Verdeutlichung diene wiederum das Beispiel des Verbots einer für den 1. Mai angesetzten Versammlung. Eine erst am 2. Mai ausgesprochene Aufhebung ex nunc geht ins Leere. Denn das Verbot ist im Zeitpunkt 1. Mai/wr den gegenwärtigen Zeitraum intendiert, im Zeitpunkt 2. Mai ist hingegen kein Verbot intendiert. Nach einer Auffassung in der Literatur haftet der für eine bestimmte Tages- oder Jahreszeit erteilten Genehmigung, etwa eines Cafés oder Saisonbetriebes, keine „echte Befristung" 334 , sondern eine „Inhaltsbestimmung"335 an. Die Gegenüberstellung von „Befristung" und „Inhaltsbestimmung" missachtet, das jedwede Befristung periodischer oder singulärer Art den zeitlichen Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes festlegt, mithin als „zeitliche Inhaltsbestimmung"336 verstanden werden kann. Zwar erfährt die periodische Genehmigung mit Ablauf der bestimmten Tages- oder Jahreszeit keine Erledigung i. S. d. §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO, sondern bleibt mit unverändertem zeitlichen Regelungsgehalt wirksam. Doch führt das Erreichen des von Anfang an gewissen Endtermins auch in Fällen einer singulären Befristung nicht zur Erledigung des Verwaltungsaktes [dazu s. u. E. II. 3. b) dd)]. Der bloße Ablauf des zeitlichen Regelungsgehaltes ist kein Erledigungsgrund. Vielmehr setzt, wie noch zu zeigen ist, die Erledigung die Verkürzung oder Zerstörung des zeitlichen Regelungsgehaltes des Verwaltungsaktes voraus (s. u. E. II. 2.).

b) Auflösende Befristung auf einen zunächst ungewissen Endtermin

Da ein Dauerverwaltungsakt eine Rechtsfolge noch in späteren Zeitpunkten als dem seines Erlasses intendiert, kann ihm eine auflösende Befristung (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) auch auf einen zunächst noch ungewissen Endtermin anhaften. Ein solcher Dauerverwaltungsakt intendiert in Zeitpunkten nach dem Endtermin keine Rechtsfolge mehr, sondern nur in den Zeitpunkten zwischen dem Erlass und dem 334 So Laubinger, WiVerw 1982, 117 (119, 132). Undeutlich Karl, Rechtsschutz gegenüber rechtswidrigen Nebenbestimmungen, S. 21, der „periodische Erlaubnisse" als befristet „im streng logischen Sinne", doch - die erteilte Erlaubnis nicht hinter dem Antrag zurückbleibe nicht als befristet „im technischen Sinne" ansieht. 335 p, Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 13. 336 So Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 6; Pietzcker, NVwZ 1995, 15 (17); Remmert, VerwArch 88 (1997), 112 (127).

122

1. Kap.: Begriffsbestimmung

Endtermin für den jeweils gegenwärtigen Zeitraum. Über den Endtermin wird erst mit dessen Eintritt Gewissheit erlangt. Nach Eintritt des nunmehr gewissen Endtermins unterscheidet sich der zeitliche Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes nicht vom zeitlichen Regelungsgehalt eines auf einen von vornherein gewissen Endtermin auflösend befristeten Verwaltungsaktes.

c) Ex nunc auflösende Bedingung

Der zeitliche Regelungsgehalt des auflösend bedingten Dauerverwaltungsaktes entspricht demjenigen des auf einen zunächst noch ungewissen Anfangstermin aufschiebend befristeten Dauerverwaltungsaktes [dazu s. o. b)]. Ein auflösend bedingter Dauerverwaltungsakt intendiert in Zeitpunkten nach dem Bedingungseintritt keine Rechtsfolge mehr, sondern nur in den Zeitpunkten zwischen Erlass und Bedingungseintritt für den jeweils gegenwärtigen Zeitraum. Infolge einer Kombination aufschiebender und auflösender Bedingungen kann der Dauerverwaltungsakt einen periodischen, fortwährend unterbrochenen, zeitlichen Regelungsgehalt aufweisen. Beispielsweise kann dem Betreiber eines Kühlturms durch befehlenden Verwaltungsakt aufgegeben werden, das sich aufgrund der Abdämpfe bildenden Glatteis zu beseitigen.337 Ob sich Glatteis bildet, hängt von den Witterungsverhältnissen und insbesondere der Jahreszeit ab.

d) Ex tunc auflösende Bedingung

Unter ex tunc auflösender Bedingung steht insbesondere der vorläufige Verwaltungsakt. 338 Beispiel ist die Bewilligung einer Beihilfe an einen Milchwerksbetreiber „vorbehaltlich des Ergebnisses der noch durchzuführenden Betriebsführung". 339 Der Betriebsprüfungsbericht kommt anhand des nunmehr vollständig ermittelten Sachverhalts zu dem Ergebnis, dass ein Teil der Beihilfe zu Unrecht gewährt worden ist. Die Behörde wartet ein Jahr ab, bis sie den entsprechenden Teilbetrag zurückfordert. In Frage steht, ob diesem Vorgehen die Rücknahmefrist des § 48 Abs. 4, Abs. 1 S. 2 VwVfG entgegensteht. Mit der Rückforderung der gewährten Subvention geht nur dann eine konkludente Rücknahme des Bewilligungsbescheides einher, wenn es einer Aufhebung noch bedarf. Indessen erfährt der Bewilligungsbescheid mit Ermittlung des Sachverhalts durch den Betriebsprüfer eine rückwirkende Erledigung 340 [dazu s. u. E. II. 3. g)]. Das Vorgehen der Behörde muss sich deshalb nicht an den Verboten amtswegiger Aufhebung messen lassen. 337 338 339 340

OVG Münster, Urt. v. 18. 4. 1961 - V I I A 1281/56 - OVGE 16, 289 ff. Dies erwägend bereits F. J. Kopp, DVB1. 1989, 238 (240). BVerwG, Urt. v. 14. 4. 1983 - 3 C 8.82 - BVerwGE 67, 99 ff. Insoweit bereits Losch, NVwZ 1995, 235 (237).

C. Verwaltungsakt und Zeit

123

e) Fehlen einer Endterminsbestimmung Unterliegt der Dauerverwaltungsakt weder einer auflösenden Befristung [dazu s. o. a)-b)] noch einer auflösenden Bedingung [dazu s. o. c)], so intendiert er eine Rechtsfolge in jedem Zeitpunkt ab Erlass für den jeweils gegenwärtigen Zeitraum.

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lassen sich Anfang und Ende des zeitlichen Regelungsgehalts des Dauerverwaltungsaktes darstellen: Anfang des zeitlichen Regelungsgehaltes des Dauerverwaltungsaktes

Ende des zeitlichen Regelungsgehaltes des Dauerverwaltungsaktes

Intention einer Rechtsfolge...

Intention einer Rechtsfolge...

... bereits im Erlasszeitpunkt - Fehlen einer Anfangsterminsbestimmung - Nach Eintritt einer ex tunc aufschiebenden Bedingung

... in allen Zeitpunkten - Fehlen einer Endterminsbestimmung - Vor Eintritt eines zunächst ungewissen Endtermins - Vor Eintritt einer ex tunc auflösenden Bedingung - Vor Eintritt einer ex nunc auflösenden Bedingung

... erst in einem späteren Zeitpunkt - Aufschiebende Befristung auf gewissen Anfangstermin - Nach Eintritt eines ungewiss gewesenen Anfangstermins - Nach Eintritt einer ex nunc aufschiebenden Bedingung

... nur in Zeitpunkten bis zum Endtermin - Auflösende Befristung auf gewissen Endtermin - Nach Eintritt eines ungewiss gewesenen Endtermins - Nach Eintritt einer ex nunc auflösenden Bedingung

... in keinem Zeitpunkt - Vor Eintritt eines zunächst ungewissen Anfangstermins - Vor Eintritt einer ex nunc aufschiebenden Bedingung - Vor Eintritt einer ex tunc aufschiebenden Bedingung

... in keinem Zeitpunkt - Nach Eintritt einer ex tunc auflösenden Bedingung

Zweites Kapitel

Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes Im Zweiten Kapitel werden die Voraussetzungen ermittelt, unter denen ein Verwaltungsakt mit einem bestimmten zeitlichen Regelungsgehalt äußere Wirksamkeit besitzt. Dabei ist die äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes im Zeitpunkt des Erlasses (D.) anders zu beurteilen als in einem späteren Zeitpunkt, sofern der Verwaltungsakt an äußerer Wirksamkeit verliert (E.) oder an äußerer Wirksamkeit gewinnt (F.).

D. Äußere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt Nachzugehen ist zunächst der qualitativen Frage, ob der Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt äußere Wirksamkeit besitzt (I.) und sodann der quantitativen Frage, mit welchem zeitlichen Regelungsgehalt dies der Fall ist (II.).

I. Äußerlich wirksamer Verwaltungsakt Die äußere Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes im Erlasszeitpunkt steht nur dann in Frage, wenn die Behörde eine Maßnahme in dieser Handlungsform getroffen hat, mithin der Erlass eines Verwaltungsaktes nach § 9 Halbs. 2 Alt. 1 VwVfG bejaht wird. Der Untersuchung bedarf, ob der Erlass für die äußere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt nicht nur notwendig, sondern auch hinreichend ist. Äußere Wirksamkeit wird dem Verwaltungsakt durch die Einordnungsnorm verliehen (s. o. B. II. 3.). Der Begriff der äußere Wirksamkeit fasst verschiedene materielle und prozessuale Rechtsfolgen zusammen (s. o. B. II. 1.), darunter den Schutz durch die Verbote amtswegiger Aufhebung nach §§ 48 ff. VwVfG und besonderen Vorschriften, die Umdeutbarkeit nach § 47 VwVfG und die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO. Damit diese materiellen und prozessualen Rechtsfolgen kraft der Einordnungsnorm eintreten, kommen Anforderungen an die Form (1.), an den Inhalt (2.), an die Bekanntgabe (3.), an die Rechtmäßigkeit (4.) und an die Unanfechtbarkeit der betreffenden Maßnahme (5.) in Betracht.

D. Äußere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

125

1. Form der Maßnahme In formeller Hinsicht setzen der Erlass eines Verwaltungsaktes [dazu s. o. B. I. 2. a)] und mithin auch die äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes im Erlasszeitpunkt die hoheitliche Maßnahme einer Behörde zur Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts voraus.

2. Inhalt der Maßnahme In materieller Hinsicht sind an den Erlass eines Verwaltungsaktes zwar keine Voraussetzungen gestellt. Doch beschränkt sich diese Untersuchung auf Maßnahmen, die nicht nur im formellen Sinne des § 9 VwVfG, sondern auch im materiellen Sinne des § 35 VwVfG, Verwaltungsakte sind [s. o. B. I. 2. b)]. Die Maßnahme muss gemäß § 35 S. 1 VwVfG ihrem objektiven Sinngehalt nach1 auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sein. Dies ist dann der Fall, wenn die intendierte Rechtsfolge 2 dem Außenrechtskreis angehört. Zudem muss die Maßnahme, sofern nicht § 35 S. 2 VwVfG für Allgemeinverfügungen anderes bestimmt3, nach § 35 S. 1 VwVfG zur Regelung eines Einzelfalles getroffen werden. Dies ist dann der Fall, wenn die intendierte Rechtsfolge einen in Person und Sache eng umgrenzten (individuell-konkreten 4) Sachverhalt betrifft. Aus § 43 Abs. 1 S. 2 VwVfG geht hervor, dass sich die intendierte Regelung als der Inhalt des Verwaltungsaktes vorrangig aus dem objektiv Erklärten, nicht aus dem subjektiv Gewollten, ergibt. 5 Der vom Behördenvertreter gewollte Inhalt dient lediglich als Hilfskriterium, um den erklärten Inhalt zu ermitteln. 6 Entscheidend 1 BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1994 - 1 1 C 4.94 - DVB1. 1995, 744 (745). Es kommt mithin auf den ausdrücklich formulierten oder aus dem Erklärungsgehalt zu erschließenden Entscheidungssatz (Tenor) an, Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 39. 3 Beispielsweise ermöglicht § 35 S. 2 Var. 1 VwVfG den Erlass sog. generell-konkreter Regelungen in Verwaltungsaktsform, Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 50. 4 Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 47. 5 BVerwG, Urt. v. 26. 4. 1968 - V I C 113.67 - BVerwGE 29, 310 (312 f.); Urt. v. 2. 9. 1999 - 2 C 22.98 - BVerwGE 109, 283 (286); Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f., in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 43; Badura, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 38 Rn 17. 2

6

Aus diesem Grund ist es entgegen Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 7, nicht möglich, die rechtliche Geltung einer Norm (als den „objektiven Sinn" der Norm) unmittelbar auf die tatsächliche Absicht der handelnden Personen (als den „subjektiven Sinn" der Norm) zurückzuführen. Das Sollen des Verpflichteten setzt nicht notwendig ein Wollen des Verpflichtenden voraus. Beispielsweise fehlt es im Lehrbuchfall der Trierer Weinversteigerung am Bewusstsein, eine rechtsverbindliche Erklärung abzugeben. Das fehlende Erklärungsbewusstsein schließt jedoch nicht das Vorliegen einer Willenserklärung aus, so auch BGH, Urt. v. 7. 6. 1984 - IX ZR 66 / 83 - BGHZ 91,324 (329 f.).

126

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

ist, was der Erklärungsempfänger von seinem Standpunkt aus bei verständiger Würdigung verstehen konnte.7 In Fällen des Inhaltsirrtums oder Erklärungsirrtums, in denen Wille und Erklärung auseinander fallen 8, ist entsprechend § 119 Abs. 1 Alt. 1 oder Alt. 2 BGB allein die Erklärung maßgebend. Die mit dem Verwaltungsakt im Rechtssinne intendierte Rechtsfolge ist deshalb nicht notwendig die vom Behördenvertreter bei Erlass des Verwaltungsaktes tatsächlich erwünschte Rechtsfolge. Zumindest der Eintritt äußerer Wirksamkeit stellt keine Anforderungen an den zeitlichen Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes.9 Auch ein Verwaltungsakt, der lediglichfiir einen dem Erlass nachfolgenden Zeitraum eine Rechtsfolge intendiert, besitzt bereits im Erlasszeitpunkt äußere Wirksamkeit. Denn ein aufschiebend befristeter oder aufschiebend bedingter Verwaltungsakt unterliegt einerseits bereits im Erlasszeitpunkt der Anfechtung 10 und ist andererseits bereits im Erlasszeitpunkt durch die Verbote amtswegiger Aufhebung geschützt.11 Ob ein aufschiebend befristeter oder aufschiebend bedingter Verwaltungsakt im Zeitpunkt seines Erlasses auch innere Wirksamkeit erlangt, bleibt indessen zu untersuchen (dazu s. u. G. I. 2.). Umgekehrt besitzt ein rückwirkender Verwaltungsakt vor seinem Erlass keine äußere Wirksamkeit. Vielmehr intendiert der rückwirkende Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt eine Rechtsfolge fiir einen vorausgegangenen Zeitraum. Denn die Rechtsordnung kennt nicht den rückwirkenden Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern nur den Erlass eines Verwaltungsaktes mit rückwirkendem Inhalt (s. o. C. I. 2.). 3. Bekanntgabe der Maßnahme Da ohne den Bekanntgabeerfolg gegenüber wenigstens einer Person nach § 41 VwVfG noch kein Erlass i. S. d. § 9 Halbs. 2 Alt. 1 VwVfG gegeben ist, setzt die äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes im Erlasszeitpunkt die Bekanntgabe an eine Person zumindest notwendig voraus. Ohne Bekanntgabe liegt ein Nichtakt vor, gegen den die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gegeben ist. 12 Die Bekanntgabe an eine Person ist zudem hinreichend, um gegen7 So - auch für öffentlich-rechtliche Rechtsakte - bereits RG, Urt. v. 4. 1. 1918 - U 394/ 17 - RGZ 91,423 (426). Näher Kluth, NVwZ 1990, 608 (610). 8

Betrifft der Irrtum hingegen lediglich Vorfragen der Erklärung (Motivirrtum) stimmen Wille und Erklärung in Bezug auf die entschiedenen Hauptfrage ohnehin überein, Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 119 Rn 23. 9 Remmert, VerwArch 88 (1997), 112 (128). 10 Auch der Lauf der Anfechtungsfristen (§§ 70, 74, 58 VwGO) setzt nicht den Eintritt des Anfangstermins voraus, Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 59. 11 BVerwG, Urt. v. 1. 2. 1978 - 6 C 9.77 - BVerwGE 55, 212 (214 f.). 12 BVerwG, Urt. v. 21. 11. 1986-8 C 127/84-DVB1. 1987, 629 f.

D. Äußere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

127

über allen Personen den Schutz durch die Verbote amtswegiger Aufhebung, die Umdeutbarkeit sowie die Anfechtbarkeit als Verwaltungsakt 13 auszulösen, mithin die äußere Wirksamkeit herbeizuführen. 14 Dies belegt ein Beispielsfall zur Standplatzvergabe für einen öffentlich-rechtlich ausgestalteten15 gemeindlichen Wochenmarkt. Die Gemeinde sendet am 5. Januar einen entsprechenden Brief an den Begünstigten und den ausgeschlossenen Konkurrenten ab. Der Begünstigte und sein Konkurrent erlangen durch Zufall bereits am 6. Januar Kenntnis vom Inhalt des Briefes. Am 7. Januar trifft der Brief beim Begünstigten ein. Eine behördliche Mitteilung an den Konkurrenten unterbleibt. In Frage steht, ab welchem Zeitpunkt ein „Widerruf 4 der Standplatzvergabe an den Verboten amtswegiger Aufhebung nach §§ 48 ff. VwVfG zu messen ist. Einen Schutz vor amtswegiger Aufhebung erlangt der Verwaltungsakt als spezifische verwaltungsrechtliche Willenserklärung entweder mit der Abgabe (am 5. Januar), mit dem Zugang (am 7. Januar) oder erst mit dem Erfolg der Bekanntgabe gemäß der Dreitagesfiktion des § 41 Abs. 2 Halbs. 1 VwVfG (mit Ablauf des 8. Januars). Die Behörde kann durch einen entsprechend § 130 Abs. 1 S. 2 BGB rechtzeitig erklärten „Widerruf 4 den bevorstehenden Zugang des bereits abgegebenen Verwaltungsaktes abwenden [s. o. B. I. 2. c)]. Zwischen Abgabe und Zugang greifen mithin die Verbote amtswegiger Aufhebung noch nicht. Ein zu dieser Zeit erklärter „Widerruf 4 ist nicht gemäß §§43 Abs. 2 Alt. 1 Var. 2, 49 VwVfG als wirksamkeitsvernichtend, sondern entsprechend § 130 Abs. 1 S. 2 BGB als wirksamkeitsverhindernd zu verstehen. Die Behörde kann auch noch während des Dreitageszeitraumes des § 41 Abs. 2 Halbs. 1 VwVfG durch „Widerruf' entsprechend § 130 Abs. 1 S. 2 BGB den Eintritt äußerer Wirksamkeit verhindern. Zwar beschwert die Vermutung des § 41 Abs. 2 Halbs. 2 VwVfG die Behörde mit der (sachlichen) Beweislast16, falls der Zugang innerhalb der Dreitagesfrist zweifelhaft ist. Doch findet die Bekanntgabefiktion des § 41 Abs. 2 Halbs. 1 VwVfG, falls der Zugang innerhalb der Dreitagesfrist gewiss ist, auch zu Lasten des Empfängers Anwendung. 17 13 Insoweit auch Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rn 20. 14 Insoweit auch Knoke, Rücknahme von Verwaltungsakten, S. 74. Nicht zugestimmt werden kann aber der auf S. 76 geäußerten Auffassung, Bekanntgabefehler berührten nicht die äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes. 15 Zu Spielräumen der Verwaltung in der Handlungsformenwahl s. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 175 ff. 16 Im Verwaltungsprozess gibt es wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes des § 86 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 VwGO keine formelle Beweislast (Beweisführungslast), BVerwG, Urt. v. 30. 1. 1997 - 2 C 10.96 - BVerwGE 104, 55 (58); Dawin, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 86 Rn 10 m. w. N. 17 Dies verneinend Hans Meyer, in: ders. / Borgs, VwVfG, § 41 Rn 13; Liebetanz, in: Obermayer, VwVfG, § 41 Rn 34.

128

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Für eine Beschränkung der Bekanntgabefiktion auf die dem Empfänger günstigen Folgen bietet der Normtext keinen Anhalt. Zudem kann der Inhalt eines Verwaltungsaktes einen einzigen Betroffenen sowohl begünstigen, als auch belasten. Ein solcher „Verwaltungsakt mit Mischwirkung" 18 ist beispielsweise die mit einer belastenden Auflage verbundene begünstigende Hauptregelung (§ 35 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG). Es ist untunlich, den Bekanntgabeerfolg hinsichtlich der belastenden Nebenbestimmung zu verneinen, jedoch hinsichtlich der begünstigenden Hauptregelung zu bejahen, und auf diese Weise dem Empfänger zwischen Zugang und Ablauf der Dreitagesfrist entgegen dem erklärten Willen der Behörde eine nebenbestimmungsfreie Hauptregelung zu gewähren. Die Bekanntgabefiktion des § 41 Abs. 2 Alt. 1 VwVfG muss mithin auf alle Folgen der Bekanntgabe angewendet werden, ohne Unterscheidung danach, ob der Empfänger begünstigt oder belastet wird. Den Schutz durch die Verbote amtswegiger Aufhebung genießt die Standplatzvergabe deshalb erst mit Erfolg der Bekanntgabe mit Ablauf des 8. Januar. Entsprechend kann der ausgeschlossene Konkurrent erst mit Ablauf des 8. Januar die Standplatzvergabe anfechten. Nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist die Anfechtungsklage statthaft, wenn der Kläger die gerichtliche Aufhebung eines - bereits rechtlich existenten - Verwaltungsaktes begehrt. Als spezifische verwaltungsrechtliche Willenserklärung erlangt der Verwaltungsakt die Anfechtbarkeit entweder mit der Abgabe, mit dem Zugang oder erst mit dem Erfolg der Bekanntgabe. Solange der Behörde ein „Widerruf 4 entsprechend § 130 Abs. 1 S. 2 BGB möglich ist, fehlt es an einem der behördlichen Aufhebung nach §§ 48 f. VwVfG oder auch gerichtlichen Aufhebung nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO fähigen Gegenstand. Eine vor dem Erfolg der Bekanntgabe erhobene Anfechtungsklage ist deshalb unstatthaft. Die Anfechtungsklage ist allerdings für Jedermann statthaft, sobald gegenüber einer Person der Bekanntgabeerfolg eingetreten ist. 19 Dass die Kenntnis des ausgeschlossen Konkurrenten vom Verwaltungsakt nicht auf behördlicher Veranlassung, sondern auf Zufall beruht, steht einer Anfechtung mithin nicht entgegen.

Der „Verwaltungsakt mit Mischwirkung" wird oftmals auch „Verwaltungsakt mit Doppelwirkung" genannt, was aber (zumal aufgrund § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO) Verwechslungen mit dem „Verwaltungsakt mit Drittwirkung" fördert. So aber die Terminologie von Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 61 Rn 27; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 50 Rn 12 f.; § 48 Rn 129 f., der allerdings den begünstigenden Verwaltungsakt mit belastenden Nebenbestimmung nicht als „Mischverwaltungsakt" einzuordnen scheint. 19 Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rn 20; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn. 156; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn 66.

D. Äußere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

129

4. Rechtmäßigkeit der Maßnahme Der Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Erlass des Verwaltungsaktes nach § 9 Halbs. 2 Alt. 1 VwVfG ist von der Rechtmäßigkeit des hervorgebrachten Verwaltungsaktes unabhängig (s. o. B. I. 4.). Zumindest der schlicht-rechtswidrige Verwaltungsakt löst die materiellen und prozessualen Rechtsfolgen aus, die als äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes zusammengefasst werden (dazu s. o. B. II. 1.). So genießt ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der lediglich unter den vergleichsweise strengen Kautelen des § 49 VwVfG widerrufen werden darf, einen weitergehenden Schutz vor amtswegiger Aufhebung als ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der unter Beachtung des § 48 VwVfG zurücknehmbar ist. Auch steht wenigstens die schlichte Rechtswidrigkeit einer Umdeutung nach § 47 VwVfG nicht entgegen, zumal diese einen fehlerhaften Ausgangsverwaltungsakt voraussetzt [näher dazu s. u. F. III. 2. c) aa)]. Desgleichen hängt lediglich die Begründetheit der Anfechtungsklage gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, nicht aber die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO von der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des anzufechtenden Verwaltungsaktes ab. Demgegenüber ist zunächst offen, ob die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes allein die innere Wirksamkeit ausschließt [dazu s. u. G. I. 4. b)] und die äußere Wirksamkeit unberührt lässt. Zumindest kann die äußere Wirksamkeit des nichtigen Verwaltungsaktes nicht mit der Wortspielerei begründet werden, auch ein nichtiger Verwaltungsakt sei ein Verwaltungsakt, mithin existent, deshalb äußerlich wirksam. 20 Denn, ob Nichtigkeit und äußere Wirksamkeit miteinander vereinbar sind, also auch nichtige Verwaltungsakte existieren, ist erst zu beweisen. Zwar wird dem nichtigen Verwaltungsakt die äußere Wirksamkeit nur vereinzelt ausdrücklich abgesprochen.21 Doch sind Auffassungen verbreitet, nach denen die unter dem Begriff der äußeren Wirksamkeit zusammengefassten materiellen und prozessualen Rechtsfolgen (s.o. B. H 1.) im Falle der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes ausbleiben. So wird teilweise bestritten, dass nichtige Verwaltungsakte einer gerichtlichen [a>] oder behördlichen Aufhebung [b)] oder einer Umdeutung [c>] zugänglich sind.

20 Insoweit zutreffend die Kritik an der verbreiteten Vorgehensweise bei Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 65, der dann aber - wenig zielführend - die „Frage der Existenz im Angesicht des Wesens eines Verwaltungsaktes" zu beantworten sucht. 21 Die äußere Wirksamkeit des nichtigen Verwaltungsaktes verneinend Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 43 Rn 20; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 43 Rn 47; Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 66. Bejahend hingegen Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 61 Rn 11; Knoke, Rücknahme von Verwaltungsakten, S. 80 f.; Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 47; Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 6; Erbguth, Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte, S. 83 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 207; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 43 Rn 27 f.; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn 15; Krebs, VerwArch 68 (1977), 285, (288 f.); wohl auch Schnapp/Cordewener, JuS 1999, 39 (40 f.).

9 Steinweg

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes a) Gerichtliche

Aufhebbarkeit

nichtiger Verwaltungsakte

Anfechtbar ist ein nichtiger Verwaltungsakt nur dann, wenn eine gerichtliche Aufhebung nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO konstruktiv möglich ist. In diesem Zusammenhang werden im Wesentlichen vier Auffassungen vertreten: Nach der ersten Auffassung ist die gegen einen nichtigen Verwaltungsakt erhobene Anfechtungsklage bereits nicht statthaft, sondern nach entsprechendem Hinweis des Vorsitzenden (§ 86 Abs. 3 VwGO) aufgrund Antrags des Klägers in eine Nichtigkeitsfeststellungsklage neu zu stellen.22 Jedoch ist eine solche Vorgehensweise untunlich, da sie den Kläger unangemessen benachteiligt. Denn irrt sich der Vorsitzende und ist der betreffende Verwaltungsakt lediglich rechtswidrig, so wird dem Kläger die aufschiebende Wirkung genommen, die nach § 80 Abs. 1 VwGO grundsätzlich mit der Anfechtungsklage einhergeht. Die Behörde oder auch Drittbetroffene können aus dem mangels Nichtigkeit gemäß § 43 Abs. 3 VwVfG innerlich wirksamen Verwaltungsakt Rechte und Befugnisse herleiten, beispielsweise Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger vornehmen oder zulasten des Klägers von einer Begünstigung Gebrauch machen. Erkennt das Rechtsmittelgericht die wahre Rechtslage, so muss es die Nichtigkeitsfeststellungsklage mangels Nichtigkeit des Verwaltungsaktes abweisen. Da in aller Regel die Anfechtungsfrist nunmehr versäumt ist, bleiben dem Kläger gemäß § 60 Abs. 2 S. 1 und 3, Abs. 1 VwGO für den dann erforderlichen Wiedereinsetzungsantrag und die neuerliche Erhebung der Anfechtungsklage lediglich zwei Wochen, anstatt wie nach §§ 74, 58 VwGO wenigstens ein Monat. 23 Nach der zweiten Auffassung ist die gegen einen nichtigen Verwaltungsakt erhobene Anfechtungsklage zwar statthaft. Doch könne das Gericht den Verwaltungsakt infolge Nichtigkeit nicht aufheben, sondern lediglich die Nichtigkeit feststellen.24 Dieser Lösungsvorschlag ist sowohl dogmatisch als auch praktisch unbefriedigend. Aus dogmatischer Sicht ist eine bestimmte Rechtsschutzform gegen eine Maßnahme nur dann statthaft, wenn die dieser Rechtsschutzform entsprechende (gerichtliche oder behördliche) Entscheidung über die Maßnahme konstruktiv mög22

So Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 14 Rn 11; Sodan, in: ders./Ziekow, § 42 Rn 23. Nicht nachvollziehbar Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 139, 178, nach denen Anfechtungswiderspruch und Anfechtungsklage erst dann unzulässig werden, wenn die Widerspruchsbehörde oder das Gericht die Nichtigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes erkennen. Richtigerweise muss sich die Rechtsauffassung der Widerspruchsbehörde oder des Gerichts an der Statthaftigkeit des Rechtsbehelfes messen lassen und nicht umgekehrt. 23

Eine andere Frage ist, inwieweit ein unzutreffender Hinweis des Vorsitzenden als „höhere Gewalt" im Sinne der Ausschlussfrist des § 60 Abs. 3 VwGO bewertet werden kann. 24 So Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, S. 20; v. Oertzen, in: Redeker/ v. Oertzen, VwGO, § 42 Rn 12; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 37; wohl auch Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 69; Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rn 18; § 43 Rn 27, der aber die Möglichkeit zugesteht, die Aufhebung eines evtl. nichtigen Verwaltungsaktes „sicherheitshalber" auszusprechen.

D. Äußere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

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lieh ist. Beispielsweise kann das Gericht einen rechtmäßigen Verwaltungsakt aufheben oder die Nichtigkeit eines nicht nichtigen Verwaltungsaktes feststellen, lediglich darf das Gericht dies nach §§ 113 Abs. 1 S. 1,43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO nicht tun. 25 Die entsprechenden Klagen sind unbegründet, nicht unstatthaft. Könnte das Gericht einen nichtigen Verwaltungsakt nicht gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO aufheben, so wäre nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO bereits die Statthaftigkeit zu verneinen. Umgekehrt müsste die für statthaft erachtete Anfechtungsklage gegen einen nichtigen und damit qualifiziert rechtswidrigen Verwaltungsakt begründet sein und zur gerichtlichen Aufhebung führen, sofern der Kläger in seinen subjektiven Rechten verletzt ist. Die Rechtsverletzung durch einen nichtigen Verwaltungsakt ist auch nicht ausgeschlossen. Dass die intendierte Regelung des nichtigen Verwaltungsaktes mangels innerer Wirksamkeit nicht zur Entfaltung gelangt, schließt einen „Eingriff in Freiheit und Eigentum" lediglich im Sinne der klassischen (engen) Begriffsdefinition, nicht aber im Sinne des modernen (weiten) Begriffsverständnisses aus.26 Aus praktischer Sicht liegt ein Wertungswiderspruch darin, dem Anfechtungskläger die erga omnes wirkende gerichtliche Aufhebung des Verwaltungsaktes nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO gerade dann vorzuenthalten, wenn das Gericht den Verwaltungsakt für qualifiziert rechtswidrig (d. h. nichtig) hält. Gegenüber allen von der Rechtskraft des Nichtigkeitsfeststellungsurteils nach §§ 121, 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO nicht erfassten Verwaltungsträgern und Privatpersonen kommt dem betreffenden Verwaltungsakt weiterhin innere Wirksamkeit zu, sofern er nach wahrer Rechtslage nicht nichtig ist. Spricht das Gericht indessen die Aufhebung aus, so verliert der betreffende Verwaltungsakt mit der äußeren Wirksamkeit auch gegenüber Dritten seine innere Wirksamkeit. 27 Nach der dritten Auffassung unterliegt ein nichtiger Verwaltungsakt tung gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, doch soll die Aufhebung Abs. 1 S. 1 VwGO lediglich den auf dem nichtigen Verwaltungsakt „Rechtsschein" betreffen. 28 Der Kläger dürfe im Interesse effektiven

der Anfechnach § 113 beruhenden Rechtsschut-

25 Die gerichtliche oder auch behördliche Nichtigkeitsfeststellung gäbe keinen Sinn, wenn sie bei nicht nichtigen Verwaltungsakten ins Leere ginge. Die grundsätzlich rechtsfehlerunabhängig verbindliche Nichtigkeitsfeststellung dient gerade dazu, den Durchgriff auf die wahre Rechtslage zu versperren. 26 Zur „Imperativität" als notwendigem Merkmal des Grundrechtseingriffs im klassischen, nicht jedoch im modernen Sinne s. Sachs, in: ders., GG, Vor Art. 1 Rn 78 ff. m. w. N. 27 Auf die erga-omnes-Wirkung des Anfechtungsurteils weisen in diesem Zusammenhang bereits Kopp /Schenke, VwGO, § 42 Rn 3, Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 183; Ehlers, JURA 2004, 30 (32), hin. 28 So OVG RP, Urt. v. 25. 6. 1986 - 8 A. 92/85 - NVwZ 1987, 899 f.; Tettinger/Wahrendorf, Verwaltungsprozeßrecht, § 15 Rn 11; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 43 Rn 32; Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn 3; wohl auch Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rn 23; v. Oertzen, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 42 Rn 12. Unklar Jörg Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn 8, der einerseits die Aufhebung nichtiger Verwaltungsakte „grundsätzlich" ausschließt, andererseits die Prüfung der Nichtig-

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

zes gemäß Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht mit der im Einzelfall schwierigen Abgrenzung zwischen noch schlicht rechtswidrigen und bereits nichtigen Verwaltungsakten belastet werden. 29 Jedoch ist der bloße Rechtsschein ein „juristisches Nulluni" 3 0 . Als Rechtsakt kann das Anfechtungsurteil den Rechtsschein als bloße Tatsache nicht beseitigen.31 Führte die Anfechtung eines nichtigen Verwaltungsaktes allein zu dem - notwendig vergeblichen - Versuch des Gerichts, einen Rechtsschein „aufzuheben", so wäre dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht genügt. Nach der vierten, hier vertretenen, Auffassung sind nichtige Verwaltungsakte nicht anders als andere Verwaltungsakte gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO anfechtbar und gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO durch Anfechtungsurteil aufhebbar. 32 Dafür spricht bereits die in § 43 Abs. 2 S. 2 VwGO vorausgesetzte Möglichkeit, auch gegen nichtige Verwaltungsakte mit der Anfechtungsklage als einer besonderen Gestaltungsklage vorzugehen. Die Aufhebung ohnehin nichtiger Verwaltungsakte scheint allerdings zunächst ausgeschlossen zu sein. So kann nach Kelsen „was nichtig ist, ... nicht im Wege rechtens vernichtet werden" 33 . Jedoch gebraucht Kelsen die „Nichtigkeit" als Gegenbegriff zur „Geltung" oder auch „Existenz einer Norm" 3 4 . Unter „Vernichtung einer Norm" versteht Kelsen die Beseitigung ihrer „Geltung" 35 , also ihrer inneren Wirksamkeit. Zur äußeren Wirksamkeit erklärt sich Kelsen nicht. Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes erschöpft sich nicht in der keitsvoraussetzungen für entbehrlich hält, wenn zumindest die Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO gebeben sind. Die Beseitigung des Rechtsscheins durch „Aufhebung" auch eines Nichtverwaltungsaktes hält der BFH, Urt. v. 26. 3. 1985 - V m R 225 / 83 - NVwZ 1986,156 (157), für vorstellbar. 29 So etwa Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozessrecht, Rn 139. 30 Dies zugestehend Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozessrecht, Rn 139. Die gegenteilige Ansicht, nach der eine Aufhebung bestimmter Realakte (nämlich Wissenserklärungen und Meinungsäußerungen) durch Rechtsakt in Betracht kommt, Zyst, System eines Verwaltungsrechtsschutzes ohne Verwaltungsakt, S. 91 ff., ist zu Recht ohne Gefolgschaft geblieben. 32 Ebenso Dienstgericht des Bundes, Urt. v. 9.2. 1979 - RiZ (R) 6/78 - BGHZ 73, 312 ff.; BFH, Urt. v. 26. 6. 1985 - IV. R 62/83 - NVwZ 1987, 359 (360); Ule /Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 61 Rn 11; Mikorey, Probleme der Erledigung, S. 88; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn 15; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 183; Ehlers, Die Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und die Ultra-vires-Doktrin des öffentlichen Rechts, S. 67; ders., NVwZ 1990, 105 (108); ders., JURA 2004, 30 (32). Auch das BVerwG, Urt. v. 20. 3. 1964 - VII C 10.61 - BVerwGE 18, 154 (155), hat die Anfechtungsklage gegen nichtige Verwaltungsakte zugelassen, allerdings mit der damals schon unzutreffenden Begründung, bei der Anwendung des prozessrechtlichen Begriffs des Verwaltungsaktes sei im Interesse der Rechtsschutzgewährung „großzügig zu verfahren". Wegen der umfassenden Rechtsschutzgewährung gemäß Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG hängt nicht das Ob, sondern lediglich das Wie des Rechtsschutzes von der Qualifikation als Verwaltungsakt ab. 33 Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 271. 34 Zur „Geltung" als spezifischer Existenz einer Norm s. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 9. 35 Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 281.

D. Äußere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

133

Beseitigung der inneren Wirksamkeit, ergreift vielmehr auch die äußere Wirksamkeit (dazu s. u. E. I.). Der nichtige Verwaltungsakt ist kein rechtliches Nullum. 36 Insbesondere kann dem Betroffenen ein Anspruch auf Aufhebung des nichtigen Verwaltungsaktes zustehen, wie aus einem Umkehrschluss zu § 46 VwVfG hervorgeht. Ebenso wie ein ungültiger Bebauungsplan37 ist auch ein nichtiger Verwaltungsakt der Aufhebung zugänglich. Die Folge der Aufhebung nach § 43 Abs. 2 VwVfG geht noch über die Folge der Nichtigkeit nach § 43 Abs. 3 VwVfG hinaus.38 b) Behördliche Aufhebbarkeit

nichtiger Verwaltungsakte

Die Frage der behördlichen Aufhebbarkeit nichtiger Verwaltungsakt ist ebenso zu bejahen wie die Frage nach der gerichtlichen Aufhebbarkeit. 39 Ein nach § 44 VwVfG zur Nichtigkeit führender qualifizierter Rechtsfehler schließt den Schutz durch die Verbote amtswegiger Aufhebung nach §§ 48 ff. VwVfG oder besonderen Vorschriften nicht gänzlich aus. Die Rücknahme auch eines nichtigen begünstigenden Verwaltungsaktes gemäß § 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG ist - außer in Fällen der §§ 48 Abs. 4 S. 2, Abs. 3 S. 3 Nr. 1, 50 VwVfG - nur innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Behörde zulässig. Allerdings bleibt der Behörde unbenommen, nach § 44 Abs. 5 VwVfG die Nichtigkeit festzustellen, auch wenn sie zur Aufhebung nicht mehr befugt ist. Der Schutz des nichtigen Verwaltungsaktes vor amtswegiger Aufhebung kann allerdings nicht verhindern, dass der gleiche Regelungsgegenstand ohne Aufhebung des nichtigen Verwaltungsaktes erneut einer (inhaltsgleichen oder abweichenden) Regelung unterzogen wird. 4 0 Denn ein materielles Verwaltungsaktswiederholungsverbot setzt als Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes dessen innere 36 So aber Gröpl, JA 1995, 904 (904). 37 BVerwG, Urt. v. 21. 11. 1986 - 4 C 60.84 - Buchholz 406.11 § 11 BBauG Nr. 2 S. 3, impliziert, dass ein Bebauungsplan trotz Nichtigkeit der erforderlichen Satzungsgenehmigung aufhebbar ist. 38 Entgegen Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 63, bedeutet dies nicht, dem nichtigen Verwaltungsakt sinnwidrig einen „höheren rechtlichen Wert" als dem aufgehobenen (z. B. zurückgenommenen) Verwaltungsakt beizumessen. Eher könnte dem nichtigen unaufgehobenen Verwaltungsakt ein „tieferer rechtlicher Unwert" zugesprochen werden als dem ehemals schlicht-rechtswidrigen, doch nunmehr bereits aufgehobenen Verwaltungsakt. 39 Ebenso BSG, Urt. v. 23. 2. 1989 - 11 / 7 RAr 103/87 - DVB1. 1990, 210 (210); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 48 Rn 67; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 61 Rn 11; Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 49; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 43 Rn 19,48. Abweichend Hans Meyer, in: ders./ Borgs, VwVfG, § 48 Rn 15; Knoke, Rücknahme von Verwaltungsakten, S. 87 f.; Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 45; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn 16; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rn 8 Fn 13; Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 48 Rn 30; wohl auch Erbguth, Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte, S. 88. 40 Dazu Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 209.

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Wirksamkeit voraus [s. o. B. HI. 1 b) bb) (1)]. Der Mangel an innerer Wirksamkeit wird durch den Schutz vor amtswegiger Aufhebung nicht behoben. Ein Bedürfnis zur Rücknahme eines nichtigen Verwaltungsaktes besteht beispielsweise darin, nach § 49 a Abs. 1 S. 1 Var. 1, Abs. 3 VwVfG im Wege der Tatbestandswirkung einen gesetzlichen Zinsanspruch zu erzeugen. 41 Der Rücknahme nichtiger Verwaltungsakte steht insbesondere nicht entgegen, dass sie unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 3 VwVfG einen Entschädigungsanspruch auslöst.42 Denn die übrigen Anspruchsvoraussetzungen sind in keinem Fall erfüllt, da das Vertrauen auf den Bestand eines Verwaltungsaktes, den die Rechtsordnung als nichtig brandmarkt, nicht ohne Wertungswiderspruch als schutzwürdig beurteilt werden kann. 43

c) Umdeutbarkeit nichtiger Verwaltungsakte

Die Umdeutbarkeit nichtiger Verwaltungsakte wird insbesondere durch ihre Aufhebbarkeit [dazu s. o. a)-b)] nahe gelegt. Es ist mit der Wortbedeutung vereinbar, auch nichtige Verwaltungsakte als „fehlerhaft" i. S. d. § 47 Abs. 1 VwVfG zu verstehen. 44 Da nichtige Verwaltungsakte ebenso wie schlicht rechtswidrige Verwaltungsakte der Rücknahme unterliegen [s. o. b)], lässt sich aus der in § 47 Abs. 2 S. 2 VwVfG normierten Voraussetzung, dass der Ausgangsverwaltungsakt zurücknehmbar sein muss, kein systematisches Argument gegen die Umdeutung nichtiger Verwaltungsakte herleiten. 45 Auch hindert die Bestimmung des § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 VwVfG, nach der die Rechtsfolgen des Ersatzverwaltungsaktes für den Betroffenen nicht ungünstiger als die Rechtsfolge des Ausgangsverwaltungsaktes sein dürfen, nicht die Umdeutung nichtiger (belastender 46) Verwaltungsakte.47 Zwar darf der Ersatzverwaltungsakt nach dieser Vorschrift keine für den Betroffenen ungünstigere Rechtsfolge als der Ausgangsverwaltungsakt intendieren. Doch ist dadurch - auch bei der Umdeutung schlicht-rechtswidriger belastender Verwaltungsakte - nicht jedwede Schlechterstellung des Betroffenen ausSachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 49 a Rn 18. So aber Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn 16. 43 Den Vertrauensschutz kategorisch ausschließend BVerwG, Urt. v. 17. 7. 1980 - I C 109/78 - NJW 1981, 363; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 208, vorsichtiger jedoch § 49 a Rn 18, § 48 Rn 67. Indessen kann der Ausschluss des Vertrauensschutzes nicht in jedem Fall mit dem Kennenmüssen von der Rechtswidrigkeit gemäß § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 Alt. 2 VwVfG begründet werden. Denn insbesondere die Nichtigkeitsgründe des § 44 Abs. 2 VwVfG sind evidenzunabhängig. 42

44

Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 44. So aber Hans Meyer, in: ders./ Borgs, VwVfG, § 47 Rn 8. Das Argument aus § 47 Abs. 2 S. 2 VwVfG könnte wegen der in § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG grundsätzlich eröffneten Rücknahmebefugnis ohnehin nur die Umdeutung begünstigender nichtige Verwaltungsakte. 46 Der Umdeutung (lediglich-)begünstigender nichtiger Verwaltungsakte stünde dabei auch ein weit verstandenes Schlechterstellungsverbot nicht entgegen. 47 So aber Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 47 Rn 8. 45

D. Äußere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

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geschlossen. Denn indem an die Stelle eines rechtswidrigen belastenden Ausgangsverwaltungsaktes ein rechtmäßiger belastender Ersatzverwaltungsakt tritt, verliert der Betroffene die Aussicht auf eine behördliche Aufhebung nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG oder eine gerichtliche Aufhebung nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. 4 8 Ferner ist der Betroffene erst an den (umgedeuteten) Ersatzverwaltungsakt gebunden, sofern er den (umzudeutenden) Ausgangsverwaltungsakt gemäß § 80 Abs. 1 VwGO mit aufschiebender Wirkung angefochten hatte. Unter dem Aspekt der Systematik spricht für die Umdeutbarkeit nichtiger Verwaltungsakte, dass diese in § 47 VwVfG, anders als in §§ 45,46 VwVfG, nicht ausdrücklich ausgenommen sind. 49 Gegen die Umdeutbarkeit nichtiger Verwaltungsakte wird das teleologische Argument vorgebracht, sie unterlaufe die Unwirksamkeit des nichtigen Verwaltungsaktes gemäß § 43 Abs. 3 VwVfG als die vom Gesetzgeber vorgesehene „schwerste Sanktion". 50 Doch setzt eine solche Argumentation voraus, was sie zu beweisen sucht. Es steht erst noch in Frage, ob der Gesetzgeber einem nichtigen Verwaltungsakt mit der inneren Wirksamkeit zugleich die Umdeutbarkeit abgesprochen hat. Eine Umdeutung trotz Nichtigkeit entspricht auch dem § 140 BGB zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgedanken der Konversion. 51 So musste der Zivilgesetzgeber die Nichtigkeit als Voraussetzung der Umdeutung von Privatrechtsgeschäften normieren, da nach § 134 BGB jeder Verstoß gegen ein Verbotsgesetz zur Nichtigkeit des Privatrechtsgeschäftes führt. Zwar ist im Gegensatz dazu die innere Wirksamkeit von Verwaltungsakten gemäß §§ 43 Abs. 3,44 VwVfG grundsätzlich von Rechtsfehlern unabhängig, weshalb die privatrechtliche Umdeutungsdogmatik nur mit Bedacht auf Verwaltungsakte übertragen werden kann. So sind zumindest nicht ausschließlich nichtige Verwaltungsakte umdeutbar, wie dies vor der Kodifikation in § 47 Abs. 1 VwVfG behauptet worden war. 52 Doch bedürfen gerade nichtige und deshalb innerlich unwirksame Ausgangsverwaltungsakte der Umdeutung, um dem Behördenwillen wenigstens durch einen zielgleichen innerlich wirksamen Ersatzverwaltungsakt zu verwirklichen. Mithin steht die Nichtigkeit des Ausgangsverwaltungsaktes einer Umdeutung nicht entgegen.53 48 Zur Unbeachtlichkeit des Verlusts des Aufhebungsanspruchs VGH BW, Urt. v. 3. 1. 1985 - 14 S 2605/83 - NVwZ 1985, 349 (349); BayVGH, Urt. v. 12. 10. 1989 - 26 B 86.02944 - NVwZ-RR 1991, 117 (117); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 47 Rn 52; Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 47 Rn 18; Schenke, DVB1. 1987, 641 (645). 4 9 Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 47 Rn 6. 50 Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 47 Rn 8; Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 47 Rn 8. 51

Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 44. 52 So noch OVG Münster, Urt. v. 3.4. 1952 - IV. A. 543/51 - VerwRspr. 5 (1953), 157 (Nr. 29). Dagegen Wirth, Umdeutung fehlerhafter Verwaltungsakte, S. 166 f. 53 BVerwG, Urt. v. 23. 11. 1999 - 9 C 16.99 - BVerwGE 110, 111 (114); VGH BW, Urt. v. 3. 1. 1985 - 14 S 2605/83 - NVwZ 1985, 349; Wirth, Umdeutung fehlerhafter Verwaltungsakte, S. 174; Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, S. 213; Samalee, Umdeutung fehlerhafter Verwaltungsakte, S. 130 f.; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 43 Rn 30; § 47 Rn 6; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 47 Rn 31; Badura, in: Erich-

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

5. Unanfechtbarkeit der Maßnahme Die äußere Wirksamkeit hängt nicht davon ab, ob der Verwaltungsakt noch angefochten werden kann. Denn die Unanfechtbarkeit nach §§ 70, 74 VwGO betrifft die Versäumnis der Anfechtungsfrist, nicht jedoch die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage als verwaltungsaktsspezifischer Rechtsschutzform. Auch schützen die Verbote amtswegiger Aufhebung den Verwaltungsakt bereits vor Eintritt der Unanfechtbarkeit. 54 So unterliegt ausweislich des Gesetzeswortlautes der §§ 48, 49 VwVfG der Verwaltungsakt „auch nachdem er unanfechtbar geworden ist" der Rücknahme und dem Widerruf. Zwar erweitert § 50 VwVfG die Aufhebungsbefugnisse für - fristgemäß 55 - angefochtene Verwaltungsakte. Doch setzt § 50 VwVfG gerade voraus, dass Verwaltungsakte bereits vor Ablauf der Rechtsbehelfsfristen grundsätzlich dem Regime der §§ 48,49 VwVfG unterfallen. Umgekehrt schließt die Unanfechtbarkeit als „formelle Bestandskraft" des Verwaltungsaktes (dazu s. u. G. I. 5.) lediglich die Rechtmäßigkeit einer Aufhebung in ordentlichen Rechtsbehelfsverfahren aus, nicht aber die konstruktive Möglichkeit einer Aufhebung dieser oder einer anderen Art. 5 6

I I . Zeitlicher Regelungsgehalt des äußerlich wirksamen Verwaltungsaktes Der Umfang, mit dem der Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt äußere (und ggf. auch innere) Wirksamkeit erlangt, bestimmt sich gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 VwVfG nach seinem Inhalt. Dieser Inhalt ist die intendierte Regelung des Verwaltungsaktes, die aus Tatbestand und Rechtsfolge besteht (s. o. B. II. 2.). Der zeitliche Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes gibt an, in welchen Zeitpunkten und für welche Zeiträume der Verwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert und beschreibt mithin den Umfang, in dem der Verwaltungsakt äußere Wirksamkeit besitzt. Ein sen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 38 Rn 44; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 47 Rn 12; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 44; Schenke, DVB1. 1987, 641 (644 f.); Ehlers, Verw 37 (2004), 255 (277). 54 Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, S. 164; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 33; Merten, NJW 1983, 1993 (1996). Undeutlich Schenke, FS Maurer, S. 723 (736 f.), der dem durch Verwaltungsakt Belasteten vor Unanfechtbarkeit einen Anspruch auf amtswegige Aufhebung zugesteht, doch die Anwendung des § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG nicht a priori ausschließt. Indessen muss nach der hier vertretenen Auffassung streng zwischen der Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG und der unbenannten Aufhebung gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO unterschieden werden [dazu s. u. L. I. 2. b) dd)], so dass die Konstruktion von Rücknahmeansprüchen weitgehend entbehrlich ist. 55 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 50 Rn 100. 56 Zur Unterscheidung zwischen der formellen Bestandskraft (die Unanfechtbarkeit voraussetzt) und anderen (von der Unanfechtbarkeit unabhängigen) Aufhebungsverboten, s. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 17.

D. Äußere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

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im Erlasszeitpunkt äußerlich wirksamer Verwaltungsakt intendiert nicht notwendig eine Rechtsfolge für den gesamten gegenwärtigen Zeitraum ab Erlass. Vielmehr kann der Anfangstermin oder auch der Endtermin des zeitlichen Regelungsgehaltes abweichend bestimmt sein. Ein rückwirkender Verwaltungsakt intendiert im Erlasszeitpunkt eine Rechtsfolge für einen dem Erlass vorausliegenden (vergangenen) Zeitraum. Dennoch erlangt der rückwirkende Verwaltungsakt erst im Erlasszeitpunkt äußere Wirksamkeit, wenn auch mit einem vergangenheitsbezogenen zeitlichen Regelungsgehalt [s. o. C. III. 1. e)]. Umgekehrt besitzt der vorauswirkende Verwaltungsakt bereits im Erlasszeitpunkt äußere Wirksamkeit, wenn auch mit einem zukunftsbezogenen zeitlichen Regelungsgehalt. Ein vorauswirkender Verwaltungsakt intendiert im Erlasszeitpunkt eine Rechtsfolge für einen dem Erlass nachfolgenden (zukünftigen) Zeitraum [s. o. C. III. l.a)]. Ist der Verwaltungsakt auf einen von vornherein gewissen Endtermin auflösend befristet, intendiert er eine Rechtsfolge nur für den Zeitraum bis zu diesem Endtermin [s. o. C. HI. 2. a), IV. 2. a)]. Die auflösende Befristung auf einen gewissen Endtermin beschränkt den zeitlichen Regelungsgehalt und damit die Quantität der äußeren Wirksamkeit bereits im Erlasszeitpunkt. Der auf einen gewissen Endtermin auflösend befristete Verwaltungsakt erlangt zu keinem Zeitpunkt äußere Wirksamkeit mit einem unbeschränkten zeitlichen Regelungsgehalt. Dies bestätigt eine Symmetrieüberlegung. Ebenso wie die aufschiebende Befristung auf einen gewissen Anfangstermin nicht den Eintritt der äußeren Wirksamkeit verzögert, sondern den Umfang beschränkt, in dem der Verwaltungsakt von Anfang an äußere Wirksamkeit erlangt, führt die auflösende Befristung auf einen gewissen Endtermin nicht den Verlust der äußeren Wirksamkeit herbei, sondern beschränkt von Anfang an den Umfang der äußeren Wirksamkeit. 57 Die Befristung auf einen gewissen Anfangs- oder auch Endtermin betrifft immer nur die quantitative Frage nach dem „Wie viel" der äußeren Wirksamkeit, nicht die qualitative Frage nach dem „Ob" der äußeren Wirksamkeit. Hingegen ist der zeitliche Regelungsgehalt im Erlasszeitpunkt noch unbeschränkt, falls der Verwaltungsakt auf eine zunächst ungewissen Anfangs- oder Endtermin befristet ist oder unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung steht [s. o. C. III. 1. d), 2. d), IV. 1. b ) - d ) , 2. b)-d)]. Im Erlasszeitpunkt erlangt solch ein Verwaltungsakt mithin zunächst äußere Wirksamkeit mit einem unbeschränkten zeitlichen Regelungsgehalt. Allein in späteren Zeitpunkten beeinträchtigt die Befristung auf einen ungewissen Anfangs- oder Endtermin oder die Bedingung die äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes [dazu s. u. E. II. 3. b) aa)-dd)]. 57 Aus diesem Grund führt der Eintritt des gewissen Endtermins nicht zum Verlust der (äußeren oder inneren) Wirksamkeit des auflösend befristeten Verwaltungsaktes und ist kein Erledigungsgrund i. S. d. §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO, eingehend dazu s. u. E. n. 2. a), 3. b) dd).

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes Zwischenergebnis

Als Zwischenergebnis können die Folgen und Voraussetzungen der äußeren Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt festgehalten werden: Folgen der äußeren Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt ... in dem durch den zeitlichen Regelungsgehalt bestimmten Umfang - Schutz vor amtswegiger Aufhebung im Erlasszeitpunkt (§§ 48 ff. VwVfG u. a.) - Statthaftigkeit der Umdeutung im Erlasszeitpunkt (§ 47 VwVfG) - Statthaftigkeit der Anfechtungsklage im Erlasszeitpunkt (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) Voraussetzungen der äußeren Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt Anforderungen an die Form - Behördenakt („Maßnahme einer Behörde") - Rechtsakt („zur Regelung") - Öffentlich-rechtlicher Akt („auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts") - Hoheitsakt („Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme") Anforderungen an den Inhalt (gemäß Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes) - Außenwirkungsfinalität („auf unmittelbarer Rechtswirkung nach außen gerichtet") - Einzelfallcharakter der Regelung (Ausnahmen für Allgemeinverfügungen) Bekanntgabe an beliebige Person Keine Anforderungen an die Rechtmäßigkeit, insbesondere Nichtigkeit unbeachtlich Keine Anforderungen an die Unanfechtbarkeit

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt Äußere Wirksamkeit verliert der Verwaltungsakt entweder i m Wege der Aufhebung (I.) oder i m Wege der Erledigung (II.).

I . A u f h e b u n g des Verwaltungsaktes Dargelegt wird, welche Folgen an die Aufhebung des Verwaltungsaktes anknüpfen (1.) sowie unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsakt als aufgehoben zu beurteilen ist (2.). Anschließend werden diverse Formen des Aufhebungsaktes unterschieden (3.).

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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1. Folgen der Aufhebung des Verwaltungsaktes Ein aufgehobener Verwaltungsakt bringt keine mit ihm intendierte Rechtsfolge hervor. Mit der intendierten Rechtsfolge entfallen die daran anknüpfende Präjudizund Tatbestandswirkung sowie die Feststellungswirkung [dazu s. o. B. III. 1. b)]. Die Aufhebung zieht mithin den Verlust wenigstens der inneren Wirksamkeit nach sich. 58 Der Untersuchung bedarf, ob die rückwirkende [a>] oder regulärwirkende Aufhebung [b)] darüber hinaus zum Verlust der äußeren Wirksamkeit führt. 59

a) Folgen der Aufhebung ex tunc des Verwaltungsaktes

Im ersten Zugriff kann die äußere Wirksamkeit als die rechtliche Existenz des Verwaltungsaktes umschrieben werden (s.o. B. II. 1.). Gegen die Möglichkeit eines Verlusts äußerer Wirksamkeit wurde deshalb vorgebracht, es sei „schlicht denkunmöglich, einmal Existentes im nachhinein rückwirkend zu beseitigen"60. Da jedoch die Rechtsordnung - anders als die Wirklichkeit - zur Rückwirkung fähig ist (s. o. A. I. vor 1.), vermag diese Argumentation nicht zu überzeugen.61 Die äußere Wirksamkeit meint die rechtliche Existenz des Verwaltungsaktes, also die Beurteilung des zugrunde liegenden Behördenhandelns, nicht die tatsächliche Existenz des Behördenhandelns selbst.62 Die Beurteilung des Behördenhandelns ist einer rückwirkenden Änderung zugänglich, so dass ein Verlust ex tunc äußerer Wirksamkeit möglich ist. Insbesondere könnte der Verwaltungsakt mit einer Aufhebung ex tunc seine äußere Wirksamkeit ex tunc verlieren. Zwar ist die Aufhebung des Verwaltungsaktes ohne verwaltungsverfahrensrechtliche Folgen. Denn die Aufhebung betrifft allein die intendierte Regelung als den Inhalt des Verwaltungsaktes, während die verwaltungsverfahrensrechtliche Funktion ausschließlich an die Form des Verwaltungsaktes anknüpft [dazu 58 s. nur Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 47, 99; Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 180. 59 Dafür zumindest dem Worte, wenn auch nicht notwendig der hier verwendeten Wortbedeutung, nach Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 70 f.; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn 2 f.; Krebs, VerwArch 68 (1977), 285 (290 f.); Schnapp/Cordewener, JuS 1999, 39 (47), z. T. auch Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 49. Ablehnend Marter steig, Fortsetzungsfeststellungsklage, S. 81 ff.; Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 5 ff.; Knoke, Rücknahme von Verwaltungsakten, S. 86; Erbguth, Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte, S. 110 ff.; wohl auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 43 Rn 4, 180. 60 So wörtlich Schmidt-De Caluwe, VerwArch 90 (1999) 49 (56). Der Sache nach ebenso Bode, Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte, S. 31; Martersteig, Fortsetzungsfeststellungsklage, S. 82; Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 6. 61 Zutreffend rügen Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 48, und daran anknüpfend Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 62, eine solche rein naturwissenschaftliche Denkweise. 62 So aber Erbguth, Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte, S. 154.

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

s. o. B. I. 2. b)]. Deshalb überdauert der Abschluss des Verwaltungsverfahrens, das nach § 9 Halbs. 1 Alt. 1 VwVfG einen Verwaltungsakt hervorgebracht hat, auch eine rückwirkende Aufhebung dieses Verwaltungsaktes. Allenfalls wird zwecks Aufhebung ein neues Verwaltungsverfahren eröffnet und seinerseits durch Erlass des Aufhebungsverwaltungsaktes nach § 9 Halbs. 2 Alt. 1 VwVfG abgeschlossen.63 Doch spricht die verwaltungsverfahrensrechtliche Folgenlosigkeit der Aufhebung nicht gegen einen Verlust äußerer Wirksamkeit. Vielmehr zieht die Aufhebung ex tunc deshalb den rückwirkenden Verlust äußerer Wirksamkeit nach sich, weil sie zum Fortfall ex tunc der materiellen [aa)] und prozessualen Folgen [bb)] führt, die als äußere Wirksamkeit zusammengefasst werden.

aa) Materielle Folgen der Aufhebung ex tunc Materiellrechtlich bleibt der Verwaltungsakt gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG „wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist". Der Verlust der Wirksamkeit nach dieser Vorschrift ergreift die materiellrechtlichen Folgen des Verwaltungsaktes.64 Ist der Verwaltungsakt bereits ex tunc aufgehoben, so fehlt es an einem Gegenstand, der einer weiteren Aufhebung zugänglich ist und des Schutzes vor amtswegiger Aufhebung bedarf. Ebenso unterliegt ein ex tunc aufgehobener Verwaltungsakt nicht mehr der Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG. 6 5 Denn gemäß § 47 Abs. 2 S. 2 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nur dann umdeutbar, wenn er zurückgenommen werden darf, was voraussetzt, dass er noch zurückgenommen werden kann.

bb) Prozessuale Folgen der Aufhebung ex tunc Prozessrechtlich ist gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft, wenn sich der Verwaltungsakt „vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt" hat. Die behördliche oder auch gerichtliche Aufhebung wird somit in § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO als Unterfall der Erledigung verstanden, während in § 43 Abs. 2 VwVfG die Aufhebung (durch Rücknahme, Widerruf oder auf andere Weise) selbständig neben die Erledigung (durch Zeitablauf oder auf andere 63 Zur Unabhängigkeit des behördlichen Aufhebungsverfahrens vom behördlichen AusgangsverfahrenÄTiofce, Rücknahme von Verwaltungsakten, S. 107 f.; Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 252; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 16 Rn 6; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 48 Rn 146. 64 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 2. 65 So für bestandskräftig aufgehobene Verwaltungsakte BayVGH, Urt. v. 10. 2.1993 - 23 B 90.503-NVwZ-RR 1994,113 (113); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 47 Rn25.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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Weise) tritt. 66 Zumindest insoweit unterscheiden sich die Erledigungsbegriffe der beiden Vorschriften. 67 Ob die Voraussetzungen der Erledigung im prozessualen Sinne des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO dabei mit denen der Erledigung im materiellen Sinne des § 43 Abs. 2 Alt. 2 VwVfG übereinstimmen, bleibt zu untersuchen (s. u. II. 2.). Jedenfalls bietet sich zur Darstellung der Verlustgründe der äußeren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes an, den Aufhebungsbegriff vom Erledigungsbegriff abzukoppeln. Im Folgenden wird Erledigung deshalb in einem engeren, die Aufhebung ausschließenden, Sinne verstanden. Nach Aufhebung ex tunc des Verwaltungsaktes fehlt es an einem Gegenstand, dessen gerichtliche Aufhebung durch Anfechtungsurteil nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO mit der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO begehrt werden könnte. Die Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage setzt mithin die Unstatthaftigkeit der Anfechtungsklage voraus. Da somit neben den materiellen Folgen äußerer Wirksamkeit [dazu s. o. aa)] auch die prozessualen Folgen äußerer Wirksamkeit entfallen, verliert der Verwaltungsakt nicht erst seine innere, sondern bereits seine äußere Wirksamkeit. Die Aufhebung ex tunc wirkt auf den Erlasszeitpunkt zurück, ergreift mithin den gesamten Verwaltungsakt, soweit in gegenwärtigen, zukünftigen oder auch vergangenen Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendiert ist. Da mit der Aufhebung ex tunc rückwirkend der Gegenstand entfällt, dem zuvor äußere Wirksamkeit verliehen war, führt sie zum Verlust ex tunc der äußeren Wirksamkeit. Beispielsweise beseitigt die Aufhebung ex tunc eine vormals durch Zahlungsbescheid begründete Leistungspflicht rückwirkend. Etwaigen Leistungen auf den Zahlungsbescheid fehlt deshalb von Anfang an der Rechtsgrund. Zwar erfasst der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch vorbehaltlich spezialgesetzlicher Vorschriften nicht Zinsen als solche68, doch sind in entsprechender Anwendung der §§818 Abs. 1, 100 BGB alle tatsächlich gezogenen Nutzungen des Gegenstandes der Bereicherung 69, insbesondere erzielte Zinsgewinne70, herauszugeben, sofern 66

Insoweit wie hier Martersteig, Fortsetzungsfeststellungsklage?, S. 76; Willmer, Die sog. ,»Fortsetzungsfeststellungsklage", S. 34 f.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 4, 191; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 43 Rn 24, 26; Gröpl, JA 1995, 903 (983, 986); Ruffert, BayVBl. 2003, 33 (34 f.); Abweichend Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 44 f., der ohne hinreichende Begründung die Wendung „oder durch Zeitablauf 4 im Normtext des § 43 Abs. 2 VwVfG für unbeachtlich erklärt und das Gesetz dadurch unzulässigerweise auf den Wortlaut „zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder auf andere Weise erledigt" verkürzt. 67 Vgl. Ruffert, BayVBl. 2003, 33 (35). Bedenklich deshalb Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 99 f., der die Aufhebung als Erledigungsgrund gerade im materiellen Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG anführt. 68 BVerwG, Urt. v. 14. 2. 1962 - V C 11 und 16.61 - BVerwGE 14,1 (3); Urt. v. 7. 2. 1985 - 3 C 33.83 - BVerwGE 71,48 (53); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 432. 69 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 432. 70 BVerwG, Urt. v. 7. 2. 1985 - 3 C 33.83 - BVerwGE 71, 48 (55); Schön, NJW 1993, 3289 (3292 f.).

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

die Nutzungen während der Rechtsgrundlosigkeit der Vermögensverschiebung gezogen wurden. Unabhängig davon, ob der Betroffene bereits geleistet hat, ist der Zahlungsbescheid einer Aufhebung weder länger fähig, noch bedürftig. Es gibt keinen der gerichtlichen Aufhebung nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO zugänglichen Gegenstand mehr. Deshalb ist die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO unstatthaft. An ihre Stelle tritt die Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO, die auf Feststellung der (objektiven) Rechtswidrigkeit und der (subjektiven) Rechtsverletzung des Klägers durch den bereits aufgehobenen Verwaltungsakt abzielt. b) Folgen der Aufhebung ex nunc des Verwaltungsaktes

Die Aufhebung ex nunc steht der Aufhebung ex tunc darin nach, nicht auf den Erlasszeitpunkt des betreffenden Verwaltungsaktes zurückzuwirken. Die regulärwirkende Aufhebung ergreift den Verwaltungsakt nur insoweit, wie in gegenwärtigen und zukünftigen Zeitpunkten, nicht jedoch in vergangenen Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendiert ist. Da ein Punktverwaltungsakt nur in einem Zeitpunkt eine Rechtsfolge intendiert, ist allein ein Dauerverwaltungsakt einer Aufhebung ex nunc zugänglich (s. o. C. II. 1.). Wird beispielsweise durch Ernennung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. BBG (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BRRG) der Status eines Beamten begründet, so kann die Ernennung lediglich ex tunc aufgehoben werden, etwa im Wege der Rücknahme gemäß § 12 BBG (§ 9 BRRG) 71 . Eine Aufhebung ex nunc ist weder möglich noch erforderlich. Vielmehr kann das Beamten Verhältnis im Wege der Entlassung gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 1 BBG (§21 Nr. 1 BRRG) nur deshalb beendet werden, weil das Beamten Verhältnis weiterhin als kraft Ernennung begründet zu beurteilen ist [s. o. C. II. 3. a)]. Ebenso wie der Gegenstand der Aufhebung ex nunc gegenüber dem Gegenstand der Aufhebung ex tunc beschränkt ist, bleiben auch die materiellen Folgen einer regulärwirkenden Aufhebung nach § 43 Abs. 2 VwVfG sowie die prozessualen Folgen einer regulärwirkenden Aufhebung nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO hinter den materiellen und prozessualen Folgen einer rückwirkenden Aufhebung zurück. Somit stehen Wirkung ex tunc und Wirkung ex nunc zueinander nicht im Verhältnis von aliud zu aliud, sondern im Verhältnis von maius zu minus. 72 Ein ex nunc aufgehobener Verwaltungsakt kann weder von der Behörde noch vom Gericht ein weiteres Mal ex nunc aufgehoben werden, doch bleibt eine Aufhebung ex tunc 71 Daneben ist eine gerichtliche Aufhebung ex tunc durch das von einem Konkurrenten erstrittene Anfechtungsurteil gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO möglich, wenn auch nach bisheriger Rechtsprechung aufgrund der sog. Ämterstabiliütät eine solche Anfechtung unzulässig. Diese Rechtsprechung zumindest einschränkend nunmehr BVerwG, Urt. v. 21. 8. 2003 2 C 14/02-BVerwGE 118, 370 ff. 7 2 Insoweit bereits Bachof JZ 1954,416 (420).

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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möglich. Wie zu zeigen ist, führt die Aufhebung ex nunc des Verwaltungsaktes sowohl im Hinblick auf die materiellen [aa)] als auch im Hinblick auf die prozessualen Folgen [bb>] zum regulärwirkenden Verlust äußerer Wirksamkeit. aa) Materielle Folgen der Aufhebung ex nunc In materieller Hinsicht entfallen mit der Möglichkeit der Aufhebung ex nunc die vor einer amtswegigen Aufhebung ex nunc schützenden Verbote nach §§ 48 ff. VwVfG und besonderen Vorschriften. Insoweit eine Aufhebung ex tunc in Rede steht, bleiben die Verbote amtswegiger Aufhebung jedoch anwendbar. Beispielsweise kann ein Subventionsbewilligungsbescheid, der bereits aufgrund eines Widerrufsvorbehaltes gemäß §§ 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Alt. 2, 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG regulärwirkend widerrufen worden ist, noch wegen Auflagenverstoßes gemäß §§ 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG rückwirkend widerrufen werden. Ob der Bescheid nicht nur ex tunc widerrufen werden kann, sondern auch ex tunc widerrufen werden darf, bemisst sich weiterhin nach den Verboten amtswegiger Aufhebung. Insbesondere bleibt die Fristbindung des Widerrufs nach §§ 48 Abs. 4,49 Abs. 3 S. 2 VwVfG zu beachten. bb) Prozessuale Folgen der Aufhebung ex nunc In prozessualer Hinsicht wird die Anfechtungsklage mangels nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO gerichtlich aufhebbaren Gegenstandes in dem Umfang unstatthaft, in dem der angefochtene Verwaltungsakt außerhalb des Prozesses aufgehoben wird. Ergreift die außerprozessuale Aufhebung den Verwaltungsakt lediglich ex nunc, so bleibt ein Restverwaltungsakt zurück, der nach wie vor einer Aufhebung ex tunc zugänglich ist. Die statthafte Klageart bestimmt sich gemäß § 88 VwGO nach dem klägerischen Begehren, das seinerseits anhand des verfolgten Rechtsschutzziels zu ermitteln ist. Mithin muss in Bestimmung der Rechtsschutzform danach unterschieden werden, ob der Kläger um Rechtsschutz gegen den bereits der Aufhebung ex nunc anheim gefallenen Teil des Verwaltungsaktes [(1)] oder gegen den von der Aufhebung ex nunc verschont gebliebenen Teil des Verwaltungsaktes [(2)] nachsucht. (1) Rechtsschutz gegen den bereits aufgehobenen Teil des Verwaltungsaktes

Regelmäßig erstrebt der Anfechtungskläger eine Aufhebung ex tunc des betreffenden Verwaltungsaktes nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO und ist das Anfechtungsbegehren in diesem strengen Sinne auf Kassation gerichtet. Indessen ist bei Dauerverwaltungsakten als minus auch die Aufhebung des Verwaltungsaktes ab einem bestimmten, dem Erlasszeitpunkt nachfolgenden, Zeitpunkt möglich. Der Kläger kann sein Anfechtungsbegehren von vornherein auf eine solche Aufhebung be-

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

schränken. Wird der in Rede stehende Verwaltungsakt während des Anfechtungsprozesses ex nunc aufgehoben, so kann dies dazu führen, dass der Kläger Rechtsschutz nur noch gegen den bereits aufgehobenen Teil des Verwaltungsaktes begehrt. Insoweit ist nicht mehr die Anfechtungsklage, sondern die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO statthafte Rechtsschutzform. Im Beispielsfall stellt die Bundespolizei den von einem Fahrgast mitgeführten Hund sicher (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 BPolG; vgl. § 21 Nr. 1 ME PolG) und nimmt ihn in Verwahrung (§ 48 Abs. 1 S. 1 BPolG, vgl. § 22 Abs. 1 S. 1 ME PolG), um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Der Betroffene hält zwar den Erlass der Sicherstellungsanordnung, nicht aber ihre Aufrechterhaltung für rechtmäßig. Nach erfolglosem Vorverfahren und Erhebung der Anfechtungsklage widerruft die Bundespolizei die Sicherstellungsanordnung aus Gründen der Zweckmäßigkeit und gibt den Hund zurück. Doch behält sie sich vor, in zukünftig sich wiederholenden Fällen, die Sicherstellung länger andauern zu lassen. In Frage steht die nunmehr statthafte Rechtsschutzform. Die bislang lediglich ex nunc aufgehobene Sicherstellungsanordnung ist weiterhin einer Aufhebung ex tunc zugänglich, insbesondere durch Anfechtungsurteil nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Indessen setzt die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO nicht nur einen anfechtungstauglichen Gegenstand (Verwaltungsakt), sondern auch ein auf gerichtliche Aufhebung desselben abzielendes Begehren des Klägers (Anfechtungsbegehren) voraus. Der Betroffene machte nicht geltend, die Sicherstellungsanordnung sei rechtswidrig erlassen, sondern, ihre Aufrechterhaltung sei rechtswidrig gewesen. Die Sicherstellungsanordnung unterlag somit nur zu dem Teil der Anfechtung, wie sie mittlerweile ohnehin einem Widerruf ex nunc anheim gefallen ist. Somit ist der Anfechtungsgegenstand „vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt". Statthaft ist mithin nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die Fortsetzungsfeststellungsklage, mit der die Rechtswidrigkeit des bereits aufgehobenen Teils der Sicherstellungsanordnung geltend gemacht wird. (2) Rechtsschutz gegen den noch nicht aufgehobenen Teil des Verwaltungsaktes

Nach dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO tritt die Fortsetzungsfeststellungsklage dann an die Stelle der Anfechtungsklage, wenn sich der Verwaltungsakt „vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt" hat. Auf den Fall einer Aufhebung des Verwaltungsaktes noch vor Klageerhebung findet § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO nur aufgrund Analogie Anwendung.73 Denn wie der systematische Zusam73 BVerwG, Urt. v. 9. 2. 1967 - 1 C 49.64 - BVerwGE 26,161 (164). Begründung der Analogievoraussetzungen bei Ehlers, JURA 2001,415 (417 f.). Abweichend vertritt Wehr, DVB1. 2001, 785 (792), in Fällen vorprozessualer Erledigung die Statthaftigkeit der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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menhang belegt, meint das Wort „vorher" in dieser Vorschrift die Aufhebung (oder Erledigung) des Verwaltungsaktes, ehe das Gericht nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO über die bereits nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO eingelegte Anfechtungsklage entscheidet.74 Mithin regelt § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO unmittelbar nur den Fall einer Aufhebung (oder Erledigung) zwischen Klageerhebung und gerichtlicher Entscheidung. Dies könnte zu dem Schluss verleiten, die Fortsetzungsfeststellungsklage verdränge die Anfechtungsklage auch in dem Falle vollständig, dass der angefochtene Verwaltungsakt zwischen Klagerhebung und gerichtlicher Entscheidung lediglich einer Aufhebung ex nunc anheim fällt. Denn die Aufhebung ex nunc des angefochtenen Verwaltungsaktes scheint gerade der in § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO vorausgesetzte Fall zu sein, in dem die Aufhebung zwischen Klageerhebung und gerichtlicher Entscheidung vorgenommen wird. Jedoch erweist sich diese Argumentation als voreilig. Wäre eine Aufhebung ex nunc des angefochtenen Verwaltungsaktes mit einer zwischen Klageerhebung und gerichtlicher Entscheidung erfolgenden Aufhebung gleichzusetzen, so müsste die Aufhebung ex tunc des angefochten Verwaltungsaktes folgerichtig bereits rückwirkend vor der Klageerhebung eingetreten sein und dieser Fall aus dem unmittelbaren Anwendungsbereich der Fortsetzungsfeststellungsklage herausfallen. Dies trifft aber nicht zu. Vielmehr ist danach zu unterscheiden, ob die Aufhebung vor Klageerhebung vorgenommen worden ist (analoger Anwendungsfall des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) oder aber erst während des Anfechtungsprozesses, wenn auch rückwirkend, vorgenommen wird (unmittelbarer Anwendungsfall des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO). Angesprochen ist damit die Unterscheidung zwischen der Zeit als Tatbestandsmerkmal der Einordnungsnorm und der Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der Einordnungsnorm (dazu s. o. C. I. 2.). Die Zeit als Tatbestandsmerkmal der Einordnungsnorm benennt die Zeitpunkte, in denen der Verwaltungsakt kraft der Einordnungsnorm äußere Wirksamkeit besitzt. Hingegen bezeichnet die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der Einordnungsnorm den Zeitraum, für den dem Verwaltungsakt kraft der Einordnungsnorm äußere Wirksamkeit zukommt. Die Unterscheidung zwischen zwei Zeiten ist deshalb erforderlich, weil die äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes keinen tatsächlichen Umstand bezeichnet, sondern eine rechtliche Bewertung von Tatsachen. Gegenüber der Wirklichkeit zeichnet sich das Recht durch die Fähigkeit zu Rückwirkung und Vorauswirkung aus (s. o. A. I. vor 1.). 74 BVerwG, Urt. v. 9. 2. 1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 (165); Mikorey, Probleme der Erledigung, S. 91 ff.; Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 399; Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 352, 354, 361; Schenke, FS Roellecke, S. 461 (474); Ehlers, JURA 2001, 415 (417); Wehr, DVB1. 2001, 785 (785). In der Sache ebenso Gebhardt-Benischke, Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines vor Klageerhebung erledigten Verwaltungsaktes S. 20; Willmer, Die sog. „Fortsetzungsfeststellungsklage' 4, S. 156. Abweichend Göpfert, Die Fortsetzungsfeststellungsklage, S. 39 ff. 10 Steinweg

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Dass die äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes - anders als eine Tatsache rückwirkend beseitigt werden kann, wird durch Ausweitungen des Verwaltungsaktsbegriffes verdeckt, die in der Sache nicht geboten sind 75 . Beispielsweise hat das Bundesverwaltungsgericht aus dem polizeilichen Schlagstockeinsatz gegen einen Demonstranten auf einen befehlenden Verwaltungsakt des Inhalts geschlossen, das polizeiliche Vorgehen zu dulden. 76 Wenn man diese Auffassung teilt, muss präzise zwischen dem Schlagstockeinsatz (als Realakt) und dem konkludent erlassenen Duldungsverwaltungsakt (als Rechtsakt) unterschieden werden. 77 Der zu duldende Schlagstockeinsatz kann nicht rückgängig gemacht oder „aufgehobenen" werden, „erledigt" sich daher bereits mit seiner Vornahme unwiederbringlich. Hingegen bleibt der zur Duldung verpflichtende Verwaltungsakt einer Aufhebung ex tunc zugänglich, insbesondere durch gerichtliche Anfechtungsurteil gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Nur dann, wenn man den Realakt mit dem Verwaltungsakt gleichsetzt, „bedeutet der Vollzug notwendig die Erledigung". 78 Aus der Unmöglichkeit, den Schlagstockeinsatz rückgängig zu machen, lassen sich die UnStatthaftigkeit einer gegen den Duldungsverwaltungsakt erhobenen Anfechtungsklage und die Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO mithin nur dann herleiten, wenn man den Duldungsverwaltungsakt mit dem Schlagstockeinsatz selbst verwechselt. Dies führt auf ein Verständnis des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO hin, nach dem die Fortsetzungsfeststellungsklage nur dann im vollen Umfang an die Stelle der An75

Erforderlich war die Ausweitung des Verwaltungsaktsbegriff etwa in angesichts der §§ 127 ff. des preußischen Landesverwaltungsgesetzes, die Rechtsschutz nur gegen Verfügungen eröffneten. Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 97 Fn 9, bemerkt dazu, ein Verwaltungsakt werde „also nötigenfalls »erdichtet*". Bereits Renck, JuS 1970, 112 (115) kennzeichnet den sog. „realen Verwaltungsakt" als „längst überflüssige Trickfigur eines rudimentären Verwaltungsprozeßrechts". ™ BVerwG, Urt. v. 9. 2. 1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 (164) - Schwabinger Krawalle. Indessen geht der Schluss aus einer behördlichen Zwangshandlung auf einen konkludenten Duldungsverwaltungsakt regelmäßig zu weit, s. Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 29 ff.; Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 42 Rn 43 (Fn 106); Renck, JuS 1970, 113 (114 f.); Pietzner, VerwArch 84 (1993), 261 (273 ff.). Hans Meyer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 551 (562 f.), nennt es eine „verwegene Annahme" und ein „extremes und die Auslegungsgewalt des Gericht erheblich überziehendes Beispiel", wenn das Bundesverwaltungsgericht in den Hieb mit dem Schlagstock einen konkludenten Duldungsverwaltungsakt hineindeutet. Hans Meyer weist zutreffend auf die Folgeprobleme einer solchen Einordnung hin. Infrage steht zunächst der Regelungsgehaltsgehalt eines solchen, von einer Platzverweisung abzugrenzenden, Duldungsverwaltungsaktes, sodann, ob kraft Duldungsverwaltungsaktes auch der rechtswidrige Hieb zu dulden ist, und schließlich, ob der Bekanntgabeerfolg erst stattfindet, wenn der Schlag vom Betroffenen gespürt wird, da er im Tumult den Nächsten treffen könnte. 77 Auf einer Verwechslung beruht wohl die Äußerung Hennekes, in: Knack, VwVfG, § 35 Rn 83, nach dem auch Realakte teilweise als Verwaltungsakte qualifiziert werden können. ™ Wie hier Renck, JuS 1970, 113 (115).

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

147

fechtungsklage tritt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt zwischen Klageerhebung und gerichtlicher Entscheidung rückwirkend aufgehoben wird (oder sich rückwirkend erledigt) 79 . Rechtsschutz gegen den von einer Aufhebung ex nunc verschont gebliebenen Teil des Verwaltungsaktes wäre danach weiterhin in Form der Anfechtungsklage nach §§42 Abs. 1 Alt. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO gegeben. Gestützt wird diese Auslegung durch die in § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO verwendete Zeitform. Danach muss der Verwaltungsakt nicht gegenwärtig rechtswidrig, sondern vielmehr rechtswidrig „gewesen" sein. 80 Allerdings ist dieses Verständnis des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zunächst nicht zwingend. So geht das Bundesverwaltungsgericht 81 davon aus, dass Rechtsschutz gegen einen ex nunc aufgehobenen Verwaltungsakt nur im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage eröffnet ist. 82 Zumindest könnte § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage dann an die Aufhebung ex nunc knüpfen, wenn der Verwaltungsakt keine akzidentiellen Rechtsfolgen hervorruft. 83 Welche Lesart des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zutrifft, werde anhand eines Beispielfalles gezeigt. Die Bundespolizei stellt den von einem Fahrgast mitgefühlten Hund sicher (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 BPolG; vgl. § 21 Nr. 1 ME PolG) und nimmt ihn in Verwahrung (§ 48 Abs. 1 S. 1 BPolG, vgl. § 22 Abs. 1 S. 1 ME PolG), um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Der Betroffene hält bereits den Erlass der Sicherstellungsanordnung für rechtswidrig. Nach erfolglosem Vorverfahren und Erhebung der Anfechtungsklage widerruft die Bundespolizei die Sicherstellungsanordnung aus Gründen der Zweckmäßigkeit und gibt den Hund zurück. Gefragt ist nach der nunmehr statthaften Rechtsschutzform. Das Rechtsschutzziel, den in Verwahrung genommenen Hund wiederzuerlangen, hat der Betroffene bereits außerprozessual durch den Widerruf ex nunc der Sicherstellungsanordnung erreicht. Indessen verfolgt der Kläger weiterhin das Rechtsschutzziel, im Wiederholungsfalle den Erlass einer Sicherstellungsanordnung durch die Bundespolizei abzuwenden. An Stelle der Anfechtungsklage nach § 42 79 Dies vertretend bereits Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 57 ff. 70, der allerdings zu weit geht, wenn er die Aufhebung ex nunc in keinem Fall als für die Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage ausreichend erachtet, dazu s. o. (1.). 80 Darauf weist bereits Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 150, hin.

81 BVerwG, Urt. v. 14. 7. 1999 - 6 C 7/98 - BVerwGE 109, 203 (206); Beschl. v. 17. 12. 2001 - 6 B 61 /Ol - NVwZ-RR 2002, 323 (323); ebenso VGH BW, Urt. v. 15. 10. 1997 - 1 S 2555/96 - , ESVGH 48, 158 (158 f.); Hufen, JuS 2000, 720 (720); R. P. Schenke, NVwZ 2000, 1255 (1255); Rozek, JuS 2000, 1162 (1162). 82 Eine Aufhebung ex nunc lassen jedoch demgegenüber nicht ausreichen OVG NRW, Urt. v. 31.3.1980 - 4 A 737/79 - juris; SächsOVG, Beschl. v. 27.11.2003 - 3 BS 471 /02 juris. 83 Der Sache nach vertritt diese differenzierende Auffassung Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 84,90. 1

148

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Abs. 1 Alt. 1 VwGO könnte die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO statthaft sein. Eine solche Lösung wäre zwar mit dem Verfassungsgebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG (vgl. Art. 13 EMRK) vereinbar. Denn sein Rechtsschutzziel erreichte der Betroffene bereits dann, wenn das Gericht gemäß §113 Abs. 1 S. 4 VwGO die Rechtswidrigkeit der Sicherstellungsanordnung feststellt. Um eine Wiederholung des Vorgehens auszuschließen, ist eine gerichtliche Aufhebung des von der behördlichen Aufhebung ex nunc unberührten Teils des Verwaltungsaktes entbehrlich. Zudem verlöre der Restverwaltungsakt auch durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zwar mangels Aufhebung nicht seine äußere Wirksamkeit, aber doch seine innere Wirksamkeit. Denn im Gegensatz zur schlichten Rechtswidrigkeit schließt die festgestellte Rechtswidrigkeit gemäß § 43 Abs. 3 VwVfG die innere Wirksamkeit aus (dazu s. u. H. II. 3.). Mithin ist ein Anfechtungsurteil nicht dazu erforderlich, dass der Restverwaltungsakt keine intendierten Rechtsfolgen mehr entfalten oder akzidentielle Rechtsfolgen auslösen kann. 84 Doch widerspräche eine solche Lösung dem prozessökonomischen Grundsatz, die rechtsschutzintensivere Klageart vorrangig zum Zuge kommen zu lassen.85 Dieser Grundsatz gelangt etwa in der Subsidiarität der allgemeinen Feststellungsklage gegenüber Gestaltungs- und Leistungsklagen (darunter insbesondere Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen) gemäß § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO zum Ausdruck. Der Betroffene macht mit seiner Klage geltend, die Sicherstellungsanordnung sei von Anfang an rechtswidrig gewiesen. Damit greift er nicht nur den bereits ex nunc aufgehobenen Teil, sondern erst recht den noch bestehenden Teil dieses Verwaltungsaktes an. Dieser Teil des Verwaltungsaktes ist der Anfechtung nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO sowie der gerichtlichen Aufhebung nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO zugänglich. Ein Anfechtungsurteil nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ist rechtsschutzintensiver als ein Fortsetzungsfeststellungsurteil nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO, da es durch Aufhebung des betreffenden Verwaltungsaktes die Rechtslage erga omnes gestaltet. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist mithin gegenüber der Anfechtungsklage subsidiär, findet also nur Anwendung, sofern in Verfolgung des Rechtsschutzziels eine Anfechtung konstruktiv ausgeschlossen ist. 86 84 Daher kann der Argumentation Bückings, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 63 f., 67 (Fn 1.), nicht gefolgt werden, im Falle einer Aufhebung ex nunc oder Erledigung ex nunc sei ein Anfechtungsurteil für den effektiven Rechtsschutz unentbehrlich. 85 Dazu BVerwG, Urt. v. 7. 9.1989 - 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 Allgemeines Kommunalrecht Nr. 93 S. 55 f.; Urt. v. 25. 4. 1996 - 3 C 8.95 - Buchholz 418.61 TierKBG Nr. 12 S. 18 f.; Urt. v. 12. 9. 2 0 0 0 - 7 C 3/00-BVerwGE 111, 306 (307). 86 Damit scheidet die von Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 44, angebotene Auslegung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO aus, nach der trotz rechtslogischer Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes dennoch die Fortsetzungsfeststellungsklage statthafte Rechtsschutzform sein kann.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

149

Ferner verstieße es gegen die allgemeinverwaltungsrechtliche Konzeption der „Bestandskraft" von Verwaltungsakten, wenn der Betroffene gegen den von der behördlichen Aufhebung ex nunc verschont gebliebenen Restverwaltungsakt mit der Fortsetzungsfeststellungsklage vorgehen könnte, obwohl diese Rechtsschutzform keiner eigenen Fristbindung unterliegt. So läuft nach Eintritt der Erledigung keine Klagefrist mehr; war die Anfechtungsklage bereits zum Zeitpunkt der Erledigung verfristet, der Verwaltungsakt mithin unanfechtbar, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage allerdings aufgrund ihrer Subsidiarität gegenüber der Anfechtungsklage unzulässig. Als „formelle Bestandskraft" des Verwaltungsaktes wird dessen Unanfechtbarkeit mit ordentlichen Rechtsbehelfen (Anfechtungswiderspruch, Anfechtungsklage) bezeichnet (näher dazu s. u. G. I. 5.). Da diese Unanfechtbarkeit gewöhnlich mit Ablauf der prozessualen Anfechtungsfristen nach §§ 70, 74, 58 VwGO eintritt, weist die Bestandskraft engste prozessuale Bezüge auf. Dessen ungeachtet ist zweifelhaft, ob die Bestandskraft des Verwaltungsaktes zur Disposition des Prozessrechtsgesetzgebers steht. Denn weder nach dem historischen Verständnis Otto Mayers, noch nach heutiger Verfassungslage ist der Verwaltungsakt eine „Zweckschöpfung des Prozessrechts" 87 zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes. Der Verwaltungsaktsbegriff hat wegen Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG (vgl. Art. 13 EMRK) keine rechtsschutzeröffnende Funktion mehr. 88 Bereits das materielle allgemeine Verwaltungsrecht legt die Bestandskraftfähigkeit des Verwaltungsaktes zugrunde. In den bundes- und landesrechtlichen Kodifikationen wird dies im Verwaltungsaktsmerkmal der „Hoheitlichkeit" in § 35 S. 1 VwVfG angedeutet89 und geht explizit aus der Abschnittsüberschrift „Bestandskraft des Verwaltungsaktes" zu §§ 4 3 - 5 2 VwVfG sowie aus der Erwähnung der „Unanfechtbarkeit" in §§ 48 Abs. 1,49 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 51 Abs. 1 VwVfG hervor. Die grundsätzlich rechtsfehlerunabhängige innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes könnte umgangen werden, wäre eine nicht fristgebundene Klage zulässig. Die mangelnde Fristbindung der Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO rechtfertigt sich nur daraus, dass sie nur gegen nichtige und deshalb innerlich unwirksame Verwaltungsakte Erfolg hat. 90 Die in der Verwal87 So aber früher BVerwG, Urt. v. 28. 11. 1969 - V I I C 18.69, BVerwGE 34, 248 (250), daran anknüpfend noch BFH, Urt. v. 10. 11. 1 9 9 8 - V I I I R 3 / 9 8 - B F H E 187, 386 (389). 88 Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 25 ff. 89 Das Merkmal der Hoheitlichkeit in § 35 S. 1 VwVfG bedeutet die Inanspruchnahme einseitiger Rechtsetzungsmacht, s. BVerwG, Urt. v. 27. 10. 1982 - 3 C 6/82 - BVerwGE 66, 218 (220); Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Rn 68; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 22; Hill, DVB1. 1989, 321 (323); Renck, NVwZ 1991,1038 (1041). Weniger präzis die ältere Parallelvorschrift § 106 Abs. 1 LVwG SH, die den Verwaltungsakt als „öffentlich-rechtliche Maßnahme" charakterisiert. 90 Den Zusammenhang zwischen grundsätzlich rechtsfehlerunabhängiger innerer Wirksamkeit und Fristbindung der Anfechtungsklage hebt der VGH BW, Urt. v. 30.10.1991 - 4 S 1597/91 - ESVGH 42, 106 (109), hervor. Danach gelangt in § 44 Abs. 1 VwVfG „der Gedanke zum Ausdruck, daß ein Verwaltungsakt vom Bürger grundsätzlich nur auf dem Weg

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

tungsgerichtsordnung errichteten Anfechtungsfristen ermöglichen somit auf prozessrechtlichem Wege, die bereits materiellrechtlich angelegte Bestandskraft von Verwaltungsakten durchzusetzen. Die Zulassung einer Fortsetzungsfeststellungsklage gegen den noch aufhebbaren Restverwaltungsakt wäre mit dessen Bestandskraftfähigkeit mithin nur dann vereinbar, wenn die Anfechtungsfristen analoge Anwendung fänden, wie eine verbreitete Auffassung 91 annimmt. Indessen liegen die Voraussetzungen einer Analogie nicht vor. Denn die Fortsetzungsfeststellungsklage ist gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zumindest dann statthaft, wenn der angefochtene Verwaltungsakt ex tunc aufgehoben wird. Mangels äußerer Wirksamkeit ist der ex tunc aufgehobene Verwaltungsakt keiner Bestandskraft mehr fähig, mithin die Interessenlage bei der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht mit derjenigen bei der Anfechtungsklage vergleichbar. Deshalb finden die Anfechtungsfristen keine analoge Anwendung.92 Der Umstand, dass vielerorts eine analoge Anwendung der Anfechtungsfristen auf die Fortsetzungsfeststellungsklage für erforderlich erachtet wird, belegt nur das Bedürfnis, die Statthaftigkeit der (fristlos zulässigen) Fortsetzungsfeststellungsklage zugunsten der Statthaftigkeit der (fristgebundenen) Anfechtungsklage eng zu begrenzen. Im Beispielsfall ist die Sicherstellungsanordnung einer Bestandskraft insofern zugänglich, wie sie die behördliche Aufhebung ex nunc überdauert hat. Um die Bestandskraftfähigkeit des Restverwaltungsaktes prozessual durchzusetzen, ist eine Fristbindung der Klage erforderlich. Statthafte Rechtsschutzform ist deshalb nicht die ohne Beachtung einer Frist zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage, sondern die nach §§ 74, 58 VwGO fristgebundene Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis sind die materiellen und prozessualen Folgen einer Aufhebung ex tunc sowie einer Aufhebung ex nunc des Verwaltungsaktes festzuhalten: des - fristgebundenen - Rechtsbehelfs beseitigt werden kann und ausnahmsweise nur dann wegen Nichtigkeit - keine Beachtung im Rechtsverkehr verdient, wenn er die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so erheblichen und offensichtlichen Maß verletzt, daß von niemandem erwartet werden kann, ihn als verbindlich anzuerkennen." 91 So VGH BW, Urt. v. 15. 10. 1997 - 1 S 2555/96 - , ESVGH 48, 158 (158 f.); Mikorey, Probleme der Erledigung, S. 160; Dolde, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 68 Rn 23; Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 74 Rn 11 ff.; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn 658; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 703; wohl auch Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn 128; Erichsen, JURA 1989, 49 (51); der Sache nach auch Martersteig, Fortsetzungsfeststellungsklage?, S. 133 f. 92 Insoweit auch BVerwG, Urt. v. 14. 7. 1999-6 C 7/98 - BVerwGE 109, 203 (206 ff.); BayVGH, Beschl. v. 19. 7. 1991-22 B 90.1722 - NVwZ-RR 1992, 218 (219); Rennen, in: Eyermann, VwGO, § 74 Rn 2.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt Folgen im Hinblick auf die in gegenwärtigen oder zukünftigen Zeitpunkten intendierte Rechtsfolge Aufhebung ex tunc - Rückwirkender Verlust innerer Wirksamkeit

Fortfall der intendierten Rechtsfolge sowie der daran anknüpfenden akzidentiellen Rechtsfolgen (Präjudiz-, Tatbestands- und Feststellungswirkung)

- Rückwirkender Verlust äußerer Wirksamkeit

Fortfall des Schutzes durch Verbote amtswegiger Aufhebung sowie der Möglichkeit der Umdeutung

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Folgen im Hinblick auf die in vergangenen Zeitpunkten intendierte Rechtsfolge

UnStatthaftigkeit der Anfechtungsklage und Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage Aufhebung ex nunc - Regulärwirkender Verlust innerer Wirksamkeit

Fortfall der intendierten Rechtsfolge sowie der daran anknüpfenden akzidentiellen Rechtsfolgen (Präjudiz-, Tatbestands-, und Feststellungswirkung)

Fortbestand der intendierten Rechtsfolge sowie der daran anknüpfenden akzidentiellen Rechtsfolgen (Präjudiz, Tatbestands- und Feststellungswirkung)

- Regulärwirkender Verlust äußerer Wirksamkeit

Fortfall des Schutzes durch Verbote amtswegiger Aufhebung sowie der Möglichkeit der Umdeutung

Fortbestand des Schutzes durch Verbote amtswegiger Aufhebung sowie der Möglichkeit der Umdeutung

UnStatthaftigkeit der Anfechtungsklage und Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage

Statthaftigkeit der Anfechtungsklage und Unstatthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage

2. Voraussetzungen der Aufhebung Die Voraussetzungen, unter denen ein Verwaltungsakt als aufgehoben zu beurteilen ist, dürfen nicht mit den Voraussetzungen verwechselt werden, unter denen die Aufhebung rechtmäßig ist. Denn hier wie andernorts 93 muss zwischen dem rechtlichen Können und dem rechtlichen Dürfen unterschieden werden. Die Aufhebung des Verwaltungsaktes bezeichnet die Beseitigung der intendierten Regelung durch einen fremden, in den Bestand des Verwaltungsaktes eingrei93 So muss beispielsweise zwischen der Zurechnung zu Verwaltungsträgern (Können) und der Zuständigkeit von Verwaltungsträgern (Dürfen) unterschieden werden, Ehlers, Die Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und die Ultra-viresDoktrin des öffentlichen Rechts, S. 59 ff., 79 f.

152

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

fenden, Rechtsakt. Kein Eingriff in die intendierte Regelung ist demgegenüber mit der Berichtigung des Verwaltungsaktes gemäß § 42 Abs. 1 VwVfG verbunden. 94 Danach ist eine Unrichtigkeit nur dann berichtigbar, wenn sie „ins Auge springt" 95 , mithin entsprechend der Auslegungsregel des § 133 BGB - falsa demonstratio non nocet - nicht zu einer Abweichung von Wille und Erklärung führt. 96 Eine Aufhebung ex nunc bezeichnet die Beseitigung der intendierten Regelung zu dem Teil, wie in gegenwärtigen oder zukünftigen Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendiert ist. Mithin verkürzt die Aufhebung ex nunc den zeitlichen Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes. Die Aufhebung ex tunc bezeichnet die Beseitigung der intendierten Regelung in vollem Umfang, insoweit in gegenwärtigen, zukünftigen oder auch vergangenen Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendiert ist. Mithin zerstört die Aufhebung ex tunc den zeitlichen Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes. Jede Aufhebung ex tunc schließt notwendig eine Aufhebung ex nunc mit ein.

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ergeben sich die Voraussetzungen, unter denen der Verwaltungsakt als aufgehoben zu beurteilen ist: Punktverwaltungsakt

Dauerverwaltungsakt

Zerstörung des zeitlichen Aufhebung ex tunc Regelungsgehaltes - Fortfall der Intention einer Rechtsfolge in vergangenen, gegenwärtigen oder zukünftigen Zeitpunkten aufgrund Beseitigung ex tunc der intendierten Regelung (Konstruktiv Verkürzung des zeitlichen ausgeschlossen) Regelungsgehaltes - Fortfall der Intention einer Rechtsfolge in gegenwärtigen oder zukünftigen Zeitpunkten aufgrund Beseitigung ex nunc der intendierten Regelung

Aufhebung ex nunc

3. Kasuistik der Aufhebung Aufhebungsakt ist der in den Bestand des Verwaltungsaktes eingreifende und auf diese Weise die Aufhebung bewirkende Rechtsakt. Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes ist nach § 43 Abs. 2 VwVfG durch Rücknahme, Widerruf oder auf 94 Insoweit auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42 Rn 32. 95 BVerwG, Urt. v. 12. 7. 1972 - V I C 24.69 - BVerwGE 40, 212 (216). 96 BVerwG, Beschl. v. 11. 1. 2000 - 11 VR 4.99 - NVwZ 2000, 553 (554).

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

153

andere Weise möglich. Der Aufhebung dient somit als Oberbegriff sowohl der Beseitigung der intendierten Regelung von Amts wegen als auch in behördlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren. 97 Zwar müssen sich im Rechtsleben actus und actus contrarius nicht notwendig entsprechen.98 Doch kann der Verwaltungsakt als öffentlich-rechtlicher Außenrechtsakt nur durch einen (andersartigen oder gleichartigen) öffentlich-rechtlichen Außenrechtsakt aufgehoben werden. 99 Im Einzelnen kommt eine Aufhebung durch Verwaltungsakt [a)], durch gerichtliche Entscheidung [b>], durch Rechtsnorm [c)], durch verwaltungsrechtlichen Vertrag [d)] sowie durch einseitiges Verwaltungsrechtsgeschäft [e>] in Betracht.

a) Aufhebung durch Verwaltungsakt

Eine Behörde kann eine ihrerseits in die Form eines Verwaltungsaktes gekleidete Aufhebung eines Verwaltungsaktes von Amts wegen oder im Zuge eines behördlichen Rechtsbehelfsverfahrens aussprechen. Regelmäßig wird die Behörde einen Verwaltungsakt nur dann aufheben, wenn sie dazu befugt ist. Allerdings bewirkt auch ein rechtswidriger und dessen ungeachtet gemäß § 43 Abs. 3 VwVfG innerlich wirksamer Verwaltungsakt die Aufhebung des Ausgangs Verwaltungsaktes100, so dass hier rechtliches Können und rechtliches Dürfen auseinander fallen. Ob eine amtswegige Aufhebung rechtmäßig ist, bemisst sich nach §§ 48 ff. VwVfG und besonderen Vorschriften. Grundsätzlich knüpft das Gesetz dabei gesteigerte Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen an eine rückwirkende Aufhebung. Teilweise, beispielsweise im Anwendungsbereich des § 49 Abs. 2 VwVfG, fehlt es bereits an einer gesetzlichen Ermächtigung zum rückwirkenden Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes. Ferner kann in konkreten Fällen trotz abstrakt vorhandener Ermächtigung eine Aufhebung ex tunc unzulässig, eine Aufhebung ex nunc dagegen zulässig sein. So kann schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes gemäß § 48 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 VwVfG gebieten, den Verwaltungsakt lediglich ex nunc zurückzunehmen. Auch kann die Wahl der Aufhebung ex tunc statt der Aufhebung ex nunc einen Ermessensfehler der Rücknahme nach § 48 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 VwVfG oder des Widerrufs nach § 49 Abs. 3 VwVfG begründen. Ob die Aufhebung in behördlichen Rechtsbehelfsverfahren zulässig ist, richtet sich für den Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid nach §§ 72, 73 VwGO, für die Neubescheidung aufgrund Wiederaufgreifens nach § 51 VwVfG. Abhilfebescheid und stattgebender Widerspruchsbescheid heben den Verwaltungsakt regelmäßig, 97 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 48 Rn 22; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn 28, § 16 Rn 1 ff. 98 Ehlers, JuS 1990, III (778). 99 Denn da Recht nur durch Recht erzeugt wird (Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 196 ff.), kann auch Recht nur durch Recht zerstört werden. 100 Darauf weist insbesondere Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 22, hin.

154

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

wenn auch nicht notwendigerweise, ex tunc auf. Durch die Entscheidung der Behörde, ein mit dem Ausgangsverwaltungsakt abgeschlossenes Verwaltungsverfahren wieder aufzugreifen, kommt eine Aufhebung ex tunc des Ausgangsverwaltungsaktes vor allem dann in Betracht, wenn neue Beweismittel oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO das Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 VwVfG eröffnen. Im Fall des Wiederaufgreifensgrundes des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG wird oftmals nur eine Aufhebung ab Änderung der zugrunde liegenden Sach- oder Rechtslage, nicht aber ab Erlass geboten sein.

b) Aufhebung durch gerichtliche

Entscheidung

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes ist auch durch die Judikative möglich. Gibt das Verwaltungsgericht einer Anfechtungsklage statt, so hebt es gemäß §§113 Abs. 1 S. 1, 107 VwGO den angefochtenen Verwaltungsakt durch Anfechtungsurteil auf. Ausnahmsweise kann die Entscheidung des Gerichts nach § 84 VwGO statt durch Urteil durch Gerichtsbescheid ergehen. Die gerichtliche Aufhebung wirkt regelmäßig ex tunc. 101 Keine Aufhebung des Verwaltungsaktes ist hingegen mit der verwaltungsgerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nach § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO verbunden, ebenso wenig wie dies bei einer behördlichen Feststellung der Nichtigkeit nach § 44 Abs. 5 VwVfG der Fall ist. Zwar zieht eine unzutreffende Nichtigkeitsfeststellung den Verlust der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes nach sich (s. u. H. II. 2.). Doch bestehen nach einer (zutreffenden oder auch unzutreffenden) Feststellung der Nichtigkeit sowohl die materiellen, als auch die prozessualen Folgen der äußeren Wirksamkeit unbeeinträchtigt fort. So ist eine Umdeutung des Verwaltungsaktes ungeachtet festgestellter Nichtigkeit nach § 47 VwVfG nicht ausgeschlossen. Ferner ist ein Verwaltungsakt, dessen Nichtigkeit festgestellt ist, weiterhin nach §§ 42 Abs. 1 Alt. 1, 68 Abs. 1 S. 1 VwGO anfechtbar. Der Erfolg der Anfechtungsklage oder des Anfechtungswiderspruchs gegen einen solchen Verwaltungsakt scheitert nicht allgemein an der mangelnden Statthaftigkeit, sondern allenfalls an dem im Einzelfall fehlenden Rechtsschutzbedürfnis. Ein Rechtsschutzbedürfnis kann beispielsweise dann bestehen, wenn der Betroffene durch den Devolutiveffekt des Widerspruchs die Entscheidungskompetenz der Widerspruchsbehörde herbeiführen will. Ebenfalls keine Aufhebung des Verwaltungsaktes enthält ein verwaltungsgerichtliches Fortsetzungsfeststellungsurteil nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO. Der Regelungsausspruch des Fortsetzungsfeststellungsurteils ist darauf beschränkt, die Rechtswidrigkeit des betreffenden Verwaltungsaktes sowie die Rechtsverletzung des Klägers festzustellen. 102 Auf eine Rechtsgestaltung durch Aufhebung des Ver101 J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn 3. 102 Dass die Feststellung einer Rechtsverletzung des Klägers zum Regelungsausspruch gehört, gibt zwar der Normtext des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO nicht ausdrücklich an, folgt jedoch

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

155

waltungsaktes zielt das Fortsetzungsfeststellungsurteil schon deshalb nicht ab, weil der Verwaltungsakt (zumindest nach Auffassung des Gerichts 103 ) ohnehin „durch Zurücknahme oder anders erledigt ist". In Betracht kommt die Aufhebung des Verwaltungsaktes auch durch Urteil oder Beschluss des über eine Verfassungsbeschwerde entscheidenden Bundesverfassungsgerichts nach § 95 Abs. 2 BVerfGG oder des Landesverfassungsgerichts aufgrund einer vergleichbaren Vorschrift. 104 Keine Aufhebung des als konventionswidrig gerügten Verwaltungsaktes geht jedoch mit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach Art. 34,41 EMRK einher. 105

c) Aufliebung durch Rechtsnorm

Nicht ausgeschlossen ist eine Aufhebung von Verwaltungsakten durch die Legislative in Form eines Gesetzes106 oder durch die Exekutive aufgrund entsprechender gesetzlicher Ermächtigung in Form einer Rechtsverordnung oder Satzung. Beispiel de lege lata ist die rückwirkende Aufhebung des Ausgangsverwaltungsaktes, die gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG kraft Gesetzes mit der Umdeutung einher geht (s. u. F. III.).

d) Aufliebung durch verwaltungsrechtlichen

Vertrag

Grundsätzlich gleichberechtigt neben den Verwaltungsakt tritt gemäß § 54 S. 2 VwVfG der öffentlich-rechtliche (verwaltungsrechtliche 107) Vertrag. Als mehrseiaus dem Charakter der Fortsetzungsfeststellungsklage (unmittelbar) nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO als „kupierter Anfechtungsklage". 103 Zu den Folgen eines mangels Aufhebung oder Erledigung nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO unstatthaften Fortsetzungsfeststellungsurteils s. u. H. II. 3. 104 Der Landesgesetzgeber kann ungeachtet der bundesrechtlichen Prozessordnungen selbst die Kassation fachgerichtlicher Entscheidungen durch das Landesverfassungsgericht vorsehen s. Berg, S. 529 (533 ff.) in: Starck/Stern, Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Teilband n. 105 BVerwG, Beschl. v. 4. 6. 1998 - 2 DW 3.97 - DÖV 1998, 924 ff.; Ehlers, in: ders., Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 2 Rn 52. Allerdings ermöglicht § 559 Nr. 6 StPO zugunsten des Verurteilten die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens, wenn der EGMR eine Verletzung der Konvention oder ihrer Protokolle festgestellt hat. 106 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, § 541. d); Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 147; Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 99; Erbguth, Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte, S. 18; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 190; Pietzner/Ronellenfitsch, Assessorexamen im öffentlichen Recht, § 27 Rn. 20; Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 98 ff. 107 In Abgrenzung zu anderen öffentlich-rechtlichen Verträgen, dazu Bonk, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn 20 ff.; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn 10; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 54 Rn 5.

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

tiges Rechtsgeschäft nach §§ 145 ff. BGB i.V. m. § 62 S. 2 VwVfG kommt der verwaltungsrechtliche Vertrag durch korrespondierende (öffentlich-rechtliche) Willenserklärungen der (staatlichen oder auch privaten) Vertragspartner zustande. Der verwaltungsrechtliche Vertrag vermag als öffentlich-rechtlicher Außenrechtsakt die Aufhebung eines Verwaltungsaktes zu bewirken, ungeachtet dessen hoheitlichen Charakters.

e) Aufhebung durch einseitiges Verwaltungsrechtsgeschäft

Obwohl im öffentlichen ebenso wie im privaten Recht allgemeine Vorschriften über den Verzicht fehlen, erlauben doch die fragmentarisch vorhandenen Regelungen, die hinsichtlich bestimmter Rechtsposition entweder den Verzicht ausdrücklich zulassen108 oder ausdrücklich untersagen 109 den Schluss auf ein allgemeines verwaltungsrechtliches Institut des Verzichts 110 . Den Verzicht auf eine verwaltungsrechtliche Rechtsposition kann eine Behörde (für ihren Verwaltungsträger) oder aber ein Privater bewirken. Ein behördlicher Verzicht kann dabei in einem Verwaltungsakt enthalten sein. 111 Auch können die Behörde oder der Private den Verzicht in einem verwaltungsrechtlichen Vertrag konsensual vereinbaren. Ebenso möglich ist ein Verzicht durch einseitiges, wenn auch nicht hoheitliches, verwaltungsrechtliches Rechtsgeschäft. Im Zivilrecht ist die Aufhebung eines schuldrechtlichen Vertrages (Schuldverhältnis i. w. S. 1 1 2 ) nur durch Aufhebungsvertrag (consensus contrarius 113 ), nicht durch einseitiges Rechtsgeschäft des Begünstigten möglich. Sogar auf eine einzelne Forderung (Schuldverhältnis i. e. S. 1 1 4 ) kann der Gläubiger nicht einseitig verzichten, vielmehr bedarf es gemäß § 397 BGB eines Erlassvertrages. Hingegen ist ein einseitiges Rechtsgeschäft im Zivilrecht hinreichend zum Verzicht auf das Eigentum an Grundstücken und beweglichen Sachen nach §§ 928, 959 BGB, zum Verzicht auf den Nießbrauch nach § 1064 BGB, grundsätzlich zum Verzicht auf los Etwa in § 26 StAG (Verzicht auf deutsche Staatsangehörigkeit), § 46 SGB-AT (Verzicht auf Sozialleistungen), § 38 KWahlG NRW (Verzicht auf Kommunalmandat). 109 Etwa in § 2 Abs. 3 BBesG (kein Verzicht auf Besoldung des Beamten, Richters oder Soldaten mit Ausnahme vermögenswirksamer Leistungen), § 6 BDSG (kein Verzicht auf Rechte auf Auskunft über oder Berichtigung, Löschung oder Sperrung von Daten). ho Dazu P Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 53 Rn 17 a); de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 491 f. m. w. N. Zu Umfang und Grenzen der Bedeutung des Willens des vom Verwaltungsakt Betroffenen eingehend Sachs, VerwArch 76 (1985), 398 ff. m Hingegen wird beispielsweise der Erlass auf Ansprüche nach dem Steuerschuld Verhältnis nach § 227 AO durch Verwaltungsakt ausgesprochen, Kruse /Loose, in: Tipke/Kruse, AO, § 227, Rn 132 (Lfg. 2002). 112 Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl. vor § 241 Rn 3. 113 Heinrichs, Palandt, BGB, § 305 Rn 7. 114 Heinrichs, Palandt, BGB, Einl. vor § 241 Rn 3.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

157

Rechte an einem Grundstück nach § 875 BGB 1 1 5 , zum Verzicht auf Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten nach §§ 1255, 1273 Abs. 2 BGB, zum Verzicht auf eine bereits angefallene Erbschaft gemäß § 1945 B G B 1 1 6 sowie allgemein zum Verzicht auf Einreden und Gestaltungsrechte 117. Da mithin der Verzicht im Zivilrecht nur ausnahmsweise ein mehrseitiges Rechtsgeschäft verlangt, genügt auch im öffentlichen Recht grundsätzlich eine einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklärung des Dispositionsbefugten. Begründet oder bestätigt ein Verwaltungsakt ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG so kommt dem Begünstigten regelmäßig die Dispositionsbefugnis darüber zu. Der hoheitliche Charakter des Verwaltungsaktes gemäß § 35 S. 1 VwVfG steht dem nicht entgegen, dass über ihn durch zwar öffentlich-rechtliches, aber nicht-hoheitliches Rechtsgeschäft disponiert wird. So ist die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht nur durch verwaltungsrechtlichen Vertrag als mehrseitigem Rechtsgeschäft [s. o. d)], sondern - die entsprechende Dispositionsbefugnis vorausgesetzt - auch durch einseitiges Verwaltungsrechtsgeschäft möglich. 118 Der Verzicht des Begünstigten auf die durch Verwaltungsakt eingeräumte Rechtsposition ist nicht in dieser Rechtsposition selbst angelegt und kann deshalb nicht als Grund einer Erledigung „auf andere Weise" i. S. d. § 43 Abs. 2 Alt. 2 Var. 2 VwVfG verstanden werden. 119 Vielmehr bewirkt der Verzicht einen Eingriff von außen auf den Verwaltungsakt. Der Verzicht hebt einen Dauerverwaltungsakt ex nunc auf. 1 2 0 Indessen vermag ein Verzicht auf die intendierte Rechtsfolge den begünstigenden Punktverwaltungsakt nicht zu erreichen, da dieser in Zeitpunkten nach Erlass keine Rechtsfolge intendiert und deshalb einer Aufhebung ex nunc nicht zugänglich ist. Allerdings ist beim begünstigenden Punktverwaltungsakt ein Verzicht auf begünstigende akzidentielle Rechtsfolgen denkbar. Beispielsweise kann ein Beamter, Richter oder Soldat auf die Statusbegründung kraft Ernennungsverwaltungsakt Der Verzicht des Grundpfandgläubigers auf eine Hypothek oder Grundschuld führt allerdings gemäß §§ 1168,1192 Abs. 1 BGB zwar zum Verlust der Inhaberschaft des Verzichtenden, doch nicht zum Fortfall der Hypothek oder Grundschuld, die als Eigentümergrundpfandrecht fortbesteht. 116 Die einseitige Ausschlagung der Erbschaft nach § 1945 BGB ist zu unterscheiden vom Verzicht auf den künftigen Anfall eines gesetzlichen Erbrechtes, der nach § 2348 der Form eines (notariellen) Vertrages bedarf. 117 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 397 Rn 1. Iis Auch Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 104, erachtet die „Rechtsetzung durch Verwaltungsakt" im Wege der Rechtshandlung eines Privaten für aufhebbar. 119 Insoweit zutreffend Ruffert, BayVBl. 2003, 33 (38). Zu den Voraussetzungen der Erledigung als „selbstbestimmtem Verlustgrund äußerer Wirksamkeit" s. o. E. II. 2. vor a). 120

Den Verzicht als Erledigungsgrund verstehen demgegegenüber BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1989 - 4 C 36.86 - BVerwGE 84, 209 (211 f.); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 196. In dieser Qualifikation liegt zwar eine Ungenauigkeit, die sich aber hinsichtlich der Rechtsfolgen nicht auswirkt, da Aufhebung und Erledigung nach §§43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die gleichen Rechtsfolgen hervorrufen.

158

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

nicht verzichten, jedoch gemäß § 2 Abs. 3 Halbs. 2 BBesG auf die ihm als Beamten, Richter oder Soldaten kraft Gesetzes zustehenden vermögenswirksamen Leistungen. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis können diverse Formen des Aufhebungsaktes unterschieden werden: Hoheitliche Aufhebungsakte Aufhebungsakte der Legislative - Gesetz Aufhebungsakte der Exekutive - Verwaltungsakt ... von Amts wegen Widerruf, Rücknahme, unbenannte Aufhebung ... in ordentlichen Rechtsbehelfsverfahren Abhilfebescheid, Widerspruchsbescheid ... in außerordentlichen Rechtsbehelfsverfahren Neubescheidung - Verordnung - Satzung Aufhebungsakte der Judikative - Urteil oder Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts - Urteil oder Beschluss des Verfassungsgerichts Rechtsgeschäftliche Aufhebungsakte - Mehrseitiges Verwaltungsrechtsgeschäft (Öffentlich-rechtlicher Vertrag) - Einseitiges Verwaltungsrechtsgeschäft (Öffentlich-rechtliche Verzichtserklärung)

IL Erledigung des Verwaltungsaktes Der Untersuchung bedürfen die an die Erledigung des Verwaltungsaktes anknüpfenden Folgen (1.), sowie die Voraussetzungen, unter denen der Verwaltungsakt einer Erledigung anheim fällt (2.). Anschließend sind einzelne Gründe der Erledigung zu ermitteln.

1. Folgen der Erledigung des Verwaltungsaktes Die Erledigung des Verwaltungsaktes zieht nach § 43 Abs. 2 VwVfG die gleichen materiellen Folgen und nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die gleichen prozessualen Folgen wie die Aufhebung des Verwaltungsaktes nach sich. Deshalb muss entsprechend der Differenzierung zwischen der Aufhebung ex tunc und der Aufhebung ex nunc zwischen einer Erledigung ex tunc [a>] und einer Erledigung ex nunc des Verwaltungsaktes [b)] unterschieden werden.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt a) Folgen der Erledigung

159

ex tunc des Verwaltungsaktes

Die Begriffsbildung einer rückwirkenden Erledigung des Verwaltungsaktes ist zwar nicht üblich 1 2 1 , aber doch erforderlich. 122 Da die Rechtsfolgen der Erledigung gemäß §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO mit den Rechtsfolgen der Aufhebung des Verwaltungsaktes übereinstimmen, führt lediglich eine Erledigung ex tunc zu den gleichen Rechtsfolgen, wie sie durch eine Aufhebung ex tunc hervorgerufen werden. Die Erledigung ex tunc wirkt auf den Erlasszeitpunkt zurück, ergreift mithin den gesamten Verwaltungsakt, soweit in gegenwärtigen und zukünftigen Zeitpunkten oder auch in vergangenen Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendiert ist. Ebenso wie die Aufhebung ex tunc [dazu s. o. I. 1. a)] geht die Erledigung ex tunc sowohl in materieller [aa)], als auch in prozessualer Hinsicht [bb)] mit einem rückwirkenden Verlust äußerer Wirksamkeit einher. 123

aa) Materielle Folgen der Erledigung ex tunc Materiellrechtlich bleibt der Verwaltungsakt gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG „wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist". Da die Erledigung mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes gleichgestellt ist, kann ein rückwirkend erledigter Verwaltungsakt ebenso wenig aufgehoben werden, wie dies bei einem bereits rückwirkend aufgehobenen Verwaltungsakt möglich ist. 1 2 4 Somit bedarf ein ex tunc erledigter Verwaltungsakt keines Schutzes mehr vor amtswegiger Aufhebung gemäß §§ 48 ff. VwVfG oder besonderen Vorschriften. Auch unterliegt ein ex tunc erledigter Verwaltungsakt nicht mehr der Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG. Der Veranschaulichung diene der Beispielsfall einer Entlassung aus der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 18 StAG. Die Entlassung steht gemäß § 24 StAG unter der ex tunc auflösenden Bedingung, dass der Betroffene die ihm zugesicherte 121 s. aber bereits OVG NRW, Urt. v. 31. 3. 1980 - 4 A 737 / 79 - juris; Mikorey, Probleme der Erledigung, S. 111; Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 53 ff.; Ehlers, Liber amicorum Erichsen, S. 1 (7); Losch, NVwZ 1995, 235 (237). 122 Nicht gefolgt werden kann Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 192, der es als Frage von eher terminologischer Bedeutung erachtet, ob die Erledigung mit dem rückwirkenden Wegfall sämtlicher Wirkungen des Verwaltungsaktes einhergeht. Diese Frage kann der einzelne Rechtsanwender nicht aufgrund einer von ihm freigewählten Terminologie entscheiden, da der Gesetzgeber in §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die Erledigung des Verwaltungsaktes zum Gesetzesbegriff erhoben und an die Erledigung gewisse materielle und prozessuale Rechtsfolgen geknüpft hat. 123 Einen Verlust äußerer Wirksamkeit im Wege der Erledigung bejahend auch Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 70, der allerdings von einem abweichenden Begriffsverständnis der äußeren Wirksamkeit ausgeht. 124 Insoweit auch Mikorey, Probleme der Erledigung, S. 101.

160

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

fremde Staatsangehörigkeit innerhalb eines Jahres erwirbt. Behauptet die Behörde die Rechtswidrigkeit der Entlassung, so muss sich eine innerhalb der Jahresfrist ausgesprochene Rücknahme an den Verboten amtswegiger Aufhebung messen lassen. Die Entlassung ist nicht nur belastend, sondern auch begünstigend i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG. Hingegen ist die Entlassung nach fruchtlosem Verstreichen der Jahresfrist einer Aufhebung weder fähig, noch bedürftig. Mit der rückwirkenden Erledigung i. S. d. § 43 Abs. 2 Alt. 2 VwVfG unterliegt die Entlassung in vollem Umfang nicht mehr dem Schutz amtswegiger Aufhebung.

bb) Prozessuale Folgen der Erledigung ex tunc Prozessrechtlich ist gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft, wenn sich der Verwaltungsakt vorher „durch Zurücknahme oder anders erledigt" hat. Nach Aufhebung ex tunc und ebenso nach Erledigung ex tunc des Verwaltungsaktes fehlt es an einem Gegenstand, dessen gerichtliche Aufhebung durch Anfechtungsurteil nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO mit der Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO begehrt werden kann. Die rückwirkende Erledigung führt mithin zur UnStatthaftigkeit der Anfechtungsklage. Dies veranschauliche wiederum der Beispielsfall einer Entlassung aus der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 18 StAG. Die Entlassung steht gemäß § 24 StAG unter der ex tunc auflösenden Bedingung, dass der Betroffene die ihm zugesicherte fremde Staatsangehörigkeit innerhalb eines Jahres erwirbt. Bestreitet der Betroffene das Vorliegen eines gültigen Antrags auf Entlassung, so ist zunächst die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthafte Rechtsschutzform. Verstreicht die Jahresfrist, ohne dass der Betroffene die ihm zugesicherte fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, so ist der Betroffene rückwirkend als nicht aus der deutschen Staatsangehörigkeit ausgeschieden zu betrachten. 125 Die Entlassung erledigt sich ex tunc i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, ist mithin in vollem Umfang keiner Anfechtung mehr zugänglich. Statthaft ist nunmehr die Fortsetzungsfeststellungsklage.

b) Folgen der Erledigung

ex nunc des Verwaltungsaktes

Die Erledigung ex nunc des Verwaltungsaktes bleibt hinter der Erledigung ex tunc im gleichen Umfang zurück wie die Aufhebung ex nunc hinter der Aufhebung ex tunc [dazu s. o. I. 1. b)]. Die Erledigung ex nunc ergreift den Verwaltungsakt nur, insofern in gegenwärtigen oder zukünftigen Zeitpunkten eine Rechtsfolge in125 Aufgrund des politischen Symbolkraft dies Rechtsgebietes finden sich im deutschen ebenso wie im ausländischen Staatsangehörigkeitsrecht zahlreiche weitere Beispielsfälle der Rückwirkung, dazu Belgard, Der Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit mit rückwirkender Kraft, S. 61 ff., der allerdings zu Unrecht den rückwirkenden Charakter des § 24 StAG bestreitet.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

161

tendiert ist und lässt den Verwaltungsakt unberührt, insofern in vergangenen Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendiert ist. Die Erledigung ex nunc ist daher nur bei Dauerverwaltungsakten möglich. Behörden und Gerichte können einen ex nunc erledigten Verwaltungsakt - ebenso wie einen ex nunc aufgehobenen Verwaltungsakt - nicht regulärwirkend, sondern nur noch rückwirkend aufheben. Dementsprechend führt die Erledigung ex nunc nicht anders als die Aufhebung ex nunc gemäß §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zum Verlust ex nunc der äußeren Wirksamkeit, sowohl in materieller [aa)], als auch in prozessualer Hinsicht [bb)].

aa) Materielle Folgen der Erledigung ex nunc Der ex nunc erledigte Verwaltungsakt ist keiner behördlichen Aufhebung ex nunc mehr zugänglich. Mit der Möglichkeit der regulärwirkend Aufhebung entfallen insoweit auch die Verbote amtswegiger Aufhebung nach §§ 48 ff. VwVfG oder besonderen Vorschriften. Auch eine Umdeutung des Verwaltungsaktes nach § 47 Abs. 1 VwVfG kommt insoweit nicht mehr in Betracht, wie der Verwaltungsakt einer Erledigung ex nunc anheim gefallen ist. Ebenso wie ein ex nunc aufgehobener Verwaltungsakt [dazu s. o. I. 1. b) aa)] kann ein ex nunc erledigter Verwaltungsakt jedoch noch ex tunc aufgehoben werden. Insoweit dauern die etwaige Umdeutbarkeit und die Verbote amtswegiger Aufhebung an.

bb) Prozessuale Folgen der Erledigung ex nunc Der ex nunc erledigte Verwaltungsakt ist keiner gerichtlichen Aufhebung ex nunc mehr zugänglich. Deshalb wird eine Anfechtungsklage unstatthaft, sofern der Anfechtungskläger sein Begehren auf eine regulärwirkende gerichtliche Aufhebung nach §§ 42 Abs. 1 Alt. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO beschränkt hatte. Für den Rechtsschutz gegen den der Erledigung ex nunc anheim gefallenen Teil des Verwaltungsaktes ist die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO statthaft [(1)]. Hingegen bleibt, wie darzulegen ist, die Anfechtungsklage statthaft, insofern der Kläger um Rechtsschutz gegen von der Erledigung ex nunc verschonten Teil des Verwaltungsaktes nachsucht [(2)]. (1) Rechtsschutz gegen den bereits erledigten Teil des Verwaltungsaktes

Die Erledigung des Verwaltungsaktes ruft nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die gleichen prozessualen Rechtsfolgen hervor wie die Aufhebung des Verwaltungsaktes. Insoweit der Verwaltungsakt bereits einer Erledigung ex nunc anheim gefallen ist, fehlt es an einem Gegenstand, dessen gerichtliche Aufhebung nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO begehrt werden könnte. Insoweit ist deshalb nicht mehr die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, sondern die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO statthafte Rechtsschutzform. 1 Steinweg

162

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

(2) Rechtsschutz gegen den noch nicht erledigten Teil des Verwaltungsaktes

Ebenso wie im Falle einer regulärwirkenden Aufhebung [dazu s. o. I. 1. b) bb) (2)] steht in Frage, ob Rechtsschutz gegen den Teil des Verwaltungsaktes, den eine lediglich regulärwirkende Erledigung zurücklässt, weiterhin in Form der Anfechtungsklage eröffnet ist. 1 2 6 Denn aus der Unstatthaftigkeit der Anfechtungsklage für den Fall, dass der Kläger das Begehren auf eine gerichtliche Aufhebung ex nunc beschränkt [dazu s. o. (1)], folgt noch nicht die Unstatthaftigkeit der Anfechtungsklage für den Fall, dass der Kläger keine solche Beschränkung des Aufhebungsbegehrens vornimmt. Der angefochtene Verwaltungsakt fällt einer Erledigung ex nunc nur insoweit anheim, wie in gegenwärtigen oder zukünftigen Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendiert worden ist. Ungeachtet einer Erledigung ex nunc ist in Zeitpunkten vor dem Erlasszeitpunkt weiterhin eine Rechtsfolge intendiert, mithin der Verwaltungsakt weiterhin einer Aufhebung ex tunc, insbesondere durch gerichtliches Anfechtungsurteil nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, zugänglich. Dass eine regulärwirkende Aufhebung den bereits regulärwirkend erledigten Verwaltungsakt nicht zu erreichen vermag, begründet nicht die Unstatthaftigkeit der Anfechtungsklage. Anderenfalls wäre Rechtsschutz gegen Punktverwaltungsakte niemals in Form der Anfechtungsklage eröffnet, da Punktverwaltungsakte ausschließlich im Erlasszeitpunkt eine Rechtsfolge intendieren und deshalb nur ex tunc aufgehoben werden können. Auch lässt sich die Unstatthaftigkeit der Anfechtungsklage nicht kurzerhand auf die Behauptung stützen, ein der Anfechtungsklage nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO grundsätzlich vorausgehendes behördliches Widerspruchsverfahren sei sinnlos, wenn der betroffene Verwaltungsakt bereits ex nunc erledigt ist. Denn könnte der Rechtsbehelfsführer das verfolgte Rechtsschutzziel nicht durch Aufhebung ex tunc des angegriffenen Restverwaltungsaktes im Wege des Abhilfebescheids oder stattgebenden Widerspruchsbescheids nach §§ 72 f. VwGO erreichen, wäre ihm auch mit der bloßen Feststellung der Rechtswidrigkeit des Restverwaltungsaktes durch Fortsetzungsfeststellungsurteil nach §113 Abs. 1 S. 4 VwGO nicht gedient. Das Fehlen des zur Anfechtung erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses könnte nicht die Statthaftigkeit einer weniger rechtsschutzintensiven Klageart begründen, sondern nur die Unzulässigkeit jedweden Rechtsschutzes gegen den Restverwaltungsakt. Nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO verdrängt die Fortsetzungsfeststellungsklage die Anfechtungsklage dann als statthafte Klageart, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt „vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt" hat. Der Wortlaut dieser Vorschrift zwingt nicht zu der Annahme, die Fortsetzungsfeststellungsklage träte bereits dann im vollen Umfang an die Stelle der Anfechtungsklage, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt zwischen Klageerhebung und gerichtlicher Entscheidung lediglich ex nunc erledigt (oder ex nunc aufgehoben wird). Vielmehr ist 126

Dies erwägend bereits Ehlers, Liber amicorum Erichsen, S. 1 (7).

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

163

Rechtsschutz gegen den der regulärwirkenden Erledigung (oder Aufhebung) nicht anheim gefallenen Teil des Verwaltungsaktes weiterhin in Form der Anfechtungsklage nach §§ 42 Abs. 1 Alt. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. Dieses Ergebnis beruht auf dem prozessökonomischen Grundsatz, nach dem die Anfechtungsklage als rechtsschutzintensivere Klageart Vorrang vor der Fortsetzungsfeststellungsklage genießt, ferner auf der allgemeinverwaltungsrechtlichen Konzeption, die dem Verwaltungsakt (auch dem ex nunc erledigten oder ex nunc aufgehobenen) die Fähigkeit zur Bestandskraft verleiht, mithin eine fristgebundene Rechtsschutzform erfordert [s. o. I. 1. b) bb) (2)]. Der Erläuterung diene ein Beispielsfall. Die Bundespolizei stellt den von einem Fahrgast mitgefühlten Hund sicher (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 BPG; vgl. § 21 Nr. 1 ME PolG) und nimmt ihn in Verwahrung (§ 48 Abs. 1 S. 1 BPG, vgl. § 22 Abs. 1 S. 1 ME PolG), um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Der Betroffene hält bereits den Erlass der Sicherstellungsanordnung für rechtswidrig. Während des Anfechtungsprozesses verstirbt der Hund. Gefragt ist nach der nunmehr statthaften Rechtsschutzform. .Das Rechtsschutzziel, den in Verwahrung genommenen Hund wieder zu erlangen, ist außerprozessual entfallen. Indessen verfolgt der Kläger weiterhin das Rechtsschutzziel, im Wiederholungsfalle den Erlass einer Sicherstellungsanordnung durch die Bundespolizei abzuwenden. Die prozessuale Situation entspricht derjenigen nach einer Aufhebung ex nunc der angefochtenen Sicherstellungsanordnung [dazu s. o. I. 1. b) bb) (2)]. Die bislang lediglich ex nunc erledigte Sicherstellungsanordnung ist weiterhin einer Aufhebung ex tunc zugänglich. Als rechtsschutzintensivere Klageart kommt deshalb nicht die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO, sondern die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zum Zuge. Allein die Statthaftigkeit der - fristgebundenen - Anfechtungsklage entspricht der allgemeinverwaltungsrechtlichen Konzeption der Bestandskraft von Verwaltungsakten. Im Beispielsfall ist die Sicherstellungsanordnung einer Bestandskraft insofern zugänglich, wie sie die lediglich regulärwirkende Erledigung überdauert hat. Nicht gefolgt werden kann der Argumentation, auch der lediglich ex nunc wirkende Wegfall der Beschwer müsste (in vollem Umfang) als Erledigung des Verwaltungsaktes qualifiziert werden, da ansonsten die Fortsetzungsfeststellungsklage einen nur sehr mangelhaften Rechtsschutz gewähre. 127 Zugegeben ist, dass Fälle einer rückwirkenden Erledigung praktisch weit seltener begegnen als Fälle einer regulärwirkenden Erledigung des Verwaltungsaktes. Nach der hier verfolgten Auffassung ist Rechtsschutz entsprechend selten in Form der Fortsetzungsfeststellungsklage eröffnet. Dadurch wird der Betroffene jedoch nicht rechtsschutzlos gestellt, sondern im Gegenteil auf die rechtsschutzintensivere Anfechtungsklage verwiesen. 127

Ii*

So aber Mikorey, Probleme der Erledigung, S. 34 f.

164

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes Zwischenergebnis

Als Zwischenergebnis sind die materiellen und prozessualen Folgen einer Erledigung ex tunc sowie einer Erledigung ex nunc des Verwaltungsaktes festzuhalten: Folgen im Hinblick auf die in gegenwärtigen oder zukünftigen Zeitpunkten intendierte Rechtsfolge Erledigung ex tunc - Rückwirkender Verlust innerer Wirksamkeit

Fortfall der intendierten Rechtsfolge sowie der daran anknüpfenden akzidentiellen Rechtsfolgen (Präjudiz-, Tatbestands- und Feststellungswirkung)

- Rückwirkender Verlust äußerer Wirksamkeit

Fortfall des Schutzes durch Verbote amtswegiger Auf hebung sowie der Möglichkeit der Umdeutung

Folgen im Hinblick auf die in vergangenen Zeitpunkten intendierte Rechtsfolge

UnStatthaftigkeit der Anfechtungsklage und Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage Erledigung ex nunc - Regulärwirkender Verlust innerer Wirksamkeit

Fortfall der intendierten Rechtsfolge sowie der daran anknüpfenden akzidentiellen Rechtsfolgen (Präjudiz-, Tatbestands-, und Feststellungswirkung)

Fortbestand der intendierten Rechtsfolge sowie der daran anknüpfenden akzidentiellen Rechtsfolgen (Präjudiz, Tatbestands- und Feststellungswirkung)

- Regulärwirkender Verlust äußerer Wirksamkeit

Fortfall des Schutzes durch Verbote amtswegiger Aufhebung sowie der Möglichkeit der Umdeutung

Fortbestand des Schutzes durch Verbote amtswegiger Aufhebung sowie der Möglichkeit der Umdeutung

UnStatthaftigkeit der Anfechtungsklage und Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage

Statthaftigkeit der Anfechtungsklage und Unstatthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage

2. Voraussetzungen der Erledigung des Verwaltungsaktes Für gewöhnlich steht nicht in Frage, ob eine Aufhebung erfolgt ist, sondern allenfalls, ob sie rechtmäßig erfolgt ist. Ungleich schwerer zu beantworten ist die Frage, ob eine Erledigung des Verwaltungsaktes eingetreten ist. Dabei ist insbesondere noch offen, inwieweit der materielle Erledigungsbegriff des § 43 Abs. 2 Alt. 2 V w V f G mit dem prozessualen Erledigungsbegriff des § 113 Abs. 1 S. 4 V w G O übereinstimmt. 1 2 8

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

165

Das Gesetz knüpft an die Erledigung des Verwaltungsaktes Folgen, ohne die Voraussetzungen anzugeben, unter denen ein Verwaltungsakt als erledigt anzusehen ist. Zwar ist dem Wortlaut des § 43 Abs. 2 Alt. 2 VwVfG zu entnehmen, dass Erledigung „durch Zeitablauf oder auf andere Weise" eintritt. Doch in welchen Fällen der bloße Zeitablauf die Erledigung des Verwaltungsakts herbeizuführen vermag, gibt die Vorschrift nicht an 1 2 9 , vielmehr ist insoweit der jeweilige Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes maßgebend.130 Ebenso wenig benennt der Normtext die Anforderungen einer Erledigung auf andere Weise. Noch dürftiger ist der Wortlaut des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO, nach dem Erledigung „durch Zurücknahme oder anders" eintreten kann. Daraus geht lediglich hervor, dass an die Aufhebung die gleichen prozessualen Folgen anknüpfen wie an die Erledigung. Ferner ist nicht möglich, den Wirksamkeitsverlust des Verwaltungsaktes nach § 43 Abs. 2 Alt. 2 VwVfG als gesetzliche Voraussetzung der Erledigung zu verstehen. 131 Denn in dieser Vorschrift bildet die Erledigung ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal, so dass der Wirksamkeitsverlust die gesetzliche Folge der Erledigung ist. 1 3 2 Wäre der Wirksamkeitsverlust zugleich gesetzliche Voraussetzung der Erledigung, ließe sich der Inhalt des § 43 Abs. 2 Alt. 2 VwVfG auf die tautologische Anordnung reduzieren, dass ein Wirksamkeitsverlust zum Wirksamkeitsverlust führt. Hingegen erlaubt die Gleichheit der Folgen, die das Gesetz in §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO an die Aufhebung einerseits und an die Erledigung andererseits knüpft, Rückschlüsse auf die gesetzlichen Voraussetzungen der Erledigung. Die Aufhebung des Verwaltungsaktes tritt kraft eines fremden Rechtsaktes ein, der in den Bestand des Verwaltungsaktes eingreift (s. o. I. 2.). Die Aufhebung führt mithin zum Verlust der materiellen Folgen äußerer Wirksamkeit nach § 43 Abs. 2 VwVfG und der prozessualen Folgen äußerer Wirksamkeit nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO, ohne dass dieser Verlust in der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes selbst angelegt ist. In diesem Sinne lässt sich die Aufhebung des Verwaltungsaktes als „fremdbestimmter" Verlustgrund äußerer Wirksamkeit kennzeichnen. 133 Die Erledigung beruht nicht auf einem fremden, in den Bestand des Verwaltungsaktes eingreifenden Rechtsakt. Es gibt keinen dem Aufhebungsakt entspre128 Nach Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 84,90, geht die Erledigung im prozessualen Sinne in zeitlicher Hinsicht über die Erledigung im materiellen Sinne hinaus. 129

Insoweit auch Willmer, Die sog. „Fortsetzungsfeststellungsklage", S. 64. 130 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 193. 131

So aber Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 90, 96; Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 92. 1 32 Dies zutreffend hervorhebend Willmer, Die sog. „Fortsetzungsfeststellungsklage", S. 18 f. Im Hinblick auf § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO erkennt dies auch Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 44. 1 33 Erbguth, Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte, S. 16, charakterisiert die Aufhebung treffend als gezielt veranlasste „Wirksamkeitsbeendigung".

166

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

chenden „Erledigungsakt". Die Erledigung muss deshalb als ein in der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes selbst angelegter und in diesem Sinne „selbstbestimmter" Verlustgrund äußerer Wirksamkeit verstanden werden. 134 Der Verwaltungsakt kann sich nicht selbst aufheben, er kann sich aber selbst erledigen. 135 Statt auf dem Oktroy durch den Aufhebungsakt beruht die Erledigung des Verwaltungsaktes darauf, dass der Verwaltungsakt, ausgelöst durch ein bestimmtes Ereignis, von sich aus auf keine Rechtsfolge mehr abzielt. Entscheidend für die Erledigung des Verwaltungsaktes ist mithin, „was er regelt und wann diese Regelung ohne Aufhebung entfallen soll". 1 3 6 Dies legen auch die bekannten Formeln nahe, nach der Erledigung mit Wegfall der beschwerenden Regelung 137 eintritt, wenn der Verwaltungsakt seine regelnde Wirkung verliert 138 oder gegenstandslos139 wird. Es kommt darauf an, ob der Verwaltungsakt „Geltung auch für den Fall veränderter Umstände beansprucht". 140 Der Verwaltungsakt hat sich dann erledigt, wenn seine Auslegung (§§ 133, 157 BGB) ergibt, dass er „nicht länger auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist". 1 4 1 Zudem kann aus der Gleichheit der Folgen, die das Gesetz an die Aufhebung einerseits und die Erledigung andererseits knüpft, darauf geschlossen werden, dass die Erledigung im prozessualen Sinne des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO mit der Erledigung im materiellen Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG übereinstimmt. 142 Denn fielen die Erledigungsbegriffe auseinander, müsste ebenso die Aufhebung im prozessualen Sinne von der Aufhebung im materiellen Sinne unterschieden werden. Für eine solche Differenzierung besteht jedoch kein Anlass. Vielmehr ergreift eine Auf134 In der Sache ebenso Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommen und erledigten Verwaltungsakten, S. 132, nach dem „der Verwaltungsakt von sich aus schon keine Geltung mehr beanspruchen" darf. Dass zumindest die Erledigung „auf andere Weise" gemäß § 43 Abs. 2 Alt. 2 Var. 2 VwVfG im Verwaltungsakt selbst angelegt sein muss anerkennend auch Ruffert, BayVBl. 2003, 33 (38). 135

Reflexiven Gebrauch vom Verb „erledigen" macht etwa Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 22. Danach bleibt der Verwaltungsakt bleibt rechts wirksam, bis er durch einen actus contrarius aufgehoben wird, „sofern er sich nicht von selbst erledigt". 136 Ruffert, BayVBl. 2003, 33 (34). 137 BVerwG, Urt. v. 27. 2. 1969 - VIII C 88.68 - BVerwGE 31, 324 (325); Beschl. v. 25. 11. 1981 - 1 WB 131.80 - BVerwGE 73, 312 (314); Göpfert, Fortsetzungsfeststellungsklage, S. 59; Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann /Pietzner, VwGO, § 113 Rn 81; Ehlers, JuS 1983, 869 (871). 138 VGH BW, Urt. v. 14. 5. 1976 - III. 741 /75 - NJW 1977, 861 (861) OVG NRW, Urt. v. 19. 12. 1995 - 11 A 2734/93 - UPR 1996, 458 (458); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 191; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 43 Rn 26; Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 144; Weber, BayVBl. 2003,488 (489). 139 So Mikorey, Probleme der Erledigung, S. 63; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 310; Erichsen, JURA 1989,49 (50). 140 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 43 Rn 43. 141

Willmer, Die sog. „Fortsetzungsfeststellungsklage", S. 33. 142 Zu beachten bleibt hier die Ausklammerung der Aufhebung aus dem Erledigungsbegriff, dazu s. o. I. 1. a) bb).

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

167

hebung oder Erledigung den Verwaltungsakt in prozessualer Hinsicht nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO stets im gleichen Umfange wie in materieller Hinsicht nach § 43 Abs. 2 VwVfG. Mit einer rückwirkenden Aufhebung oder Erledigung enden sowohl die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage, als auch die Verbote amtswegiger Aufhebung und die Möglichkeit der Umdeutung in vollem Umfang [s. o. I. 1. a), II. 1. a)]. Mit einer regulärwirkenden Aufhebung oder Erledigung enden sowohl die materiellen, als auch die prozessualen Folgen äußerer Wirksamkeit nur zeitlich-teilumfänglich. Der von der Aufhebung ex nunc oder Erledigung ex nunc verschont gebliebene Restverwaltungsakt ist weiterhin durch die Verbote amtswegiger Aufhebung geschützt und weiterhin mit der Anfechtungsklage angreifbar [s. o. I. l.b), II. l.b)]. Als selbstbestimmter Verlustgrund äußerer Wirksamkeit setzt die Erledigung voraus, dass der Verwaltungsakt von sich aus keine Rechtsfolge mehr intendiert. Da die Erledigung allein die mit dem Verwaltungsakt intendierten, nicht etwaige an den Verwaltungsakt anknüpfende akzidentielle Rechtsfolgen betrifft, genügt ein Fortfall der sog. intensiven Beschwer und ist ein Fortfall der sog. extensiven Beschwer nicht erforderlich 143 . Eine Rechtsfolge ist mit dem Verwaltungsakt dann nicht mehr intendiert, wenn der zuvor unter den Tatbestand der intendierten Regelung subsumierbare Sachverhalt entfällt. 144 Zu denken ist an den Fortfall des von der Regelung in Bezug genommen Objektes oder auch Subjektes.145 Da sich die intendierte Regelung des Verwaltungsaktes in Tatbestand und Rechtsfolge gliedert (s. o. B. II. 2.), begegnet die Zeit zum einen als Merkmal des Tatbestandes, zum anderen als Merkmal der Rechtsfolge der intendierten Regelung (s. o. C. I. 1.). Die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der intendierten Regelung benennt den Zeitraum, für den der Verwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert. Indessen gibt die Zeit als Tatbestandsmerkmal der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes an, in welchen Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendiert ist. Ob die Erledigung des Verwaltungsaktes in der Zeit als Rechtsfolgenmerkmal oder aber in der Zeit als Tatbestandsmerkmal der intendierten Regelung angelegt ist, bedarf der Untersuchung. Zu zeigen ist, dass zur Erledigung des Verwaltungsaktes der bloße Ablauf des unverändert fortbestehenden zeitlichen Regelungsgehaltes nicht genügt [a)]. Vielmehr setzt die Erledigung ex nunc eine Verkürzung des zeitlichen Regelungsgehaltes [b)], die Erledigung ex tunc eine Zerstörung des zeitlichen Regelungsgehaltes voraus [c)].

143

Mikorey, Probleme der Erledigung, S. 31 ff. Läse ho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 106 ff., spricht insoweit doppeldeutig vom Fortfall des „geregelten Sachverhalts", wobei offen bleibt, ob der unter den Tatbestand der intendierten Regelung subsumierbare Sachverhalt oder aber der von der Rechtsfolge der intendierten Regelung betroffene Sachverhalt gemeint ist. 144

Ehlers, Verw 37 (2004), 255 (274).

168

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes a) Ablauf des zeitlichen

Regelungsgehaltes

Der bloße Ablauf des unverändert fortbestehenden zeitlichen Regelungsgehaltes vermag weder die Erledigung des Punktverwaltungsaktes [aa)] noch des Dauerverwaltungsaktes [bb>] hervorzurufen. aa) Ablauf des zeitlichen Regelungsgehaltes des Punktverwaltungsaktes Der Punktverwaltungsakt intendiert nur in einem Zeitpunkt eine Rechtsfolge (s. o. C. II. 1.). Der Endtermin des zeitlichen Regelungsgehaltes wird mit Ablauf des Zeitraumes erreicht, für den der Punktverwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert ist [s. o. C. III. 2. vor a)]. Einerseits kann der Ablauf des Zeitraumes, ßr den ein Verwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert, allenfalls zu einer Erledigung ex nunc dieses Verwaltungsaktes führen, nicht aber zu einer Erledigung ex tunc. Denn auch nach Ablauf dieses Zeitraumes ist noch für den nunmehr vergangenen Zeitraum eine Rechtsfolge intendiert. Andererseits kann ein Punktverwaltungsakt einer Erledigung ex nunc nicht anheim fallen. Denn da die Erledigung des Verwaltungsaktes gemäß §§43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die gleichen Rechtsfolgen wie die Aufhebung des Verwaltungsaktes hervorruft, ist eine Erledigung ex nunc des Punktverwaltungsaktes ebenso wenig möglich wie eine Aufhebung ex nunc (dazu s. o. C. II. 1.). Bereits aus diesem Grund findet der Punktverwaltungsakt mit Ablauf des Zeitraumes, ßr den eine Rechtsfolge intendiert ist, keine Erledigung. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch eine weitere Überlegung. Der Punktverwaltungsakt intendiert allein in einem Zeitpunkt eine Rechtsfolge ßr einen bestimmten gegenwärtigen, zukünftigen oder auch bereits vergangenen Zeitraum [s. o. C. III. 1. a), e), f)]. Zöge der Ablauf des Zeitraumes,ywr den eine Rechtsfolge intendiert ist, die Erledigung des Verwaltungsaktes nach sich, so müsste ein rückwirkender Punktverwaltungsakt bereits im Erlasszeitpunkt einer Erledigung anheim fallen und gemäß §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO seine äußere Wirksamkeit stante pede verlieren. Die rückwirkende intendierte Rechtsfolge könnte mithin in keinem Zeitpunkt zur Entfaltung gelangen. Die Nichterledigung des Punktverwaltungsaktes durch Ablauf des Zeitraumes, ßr den eine Rechtsfolge intendiert ist, verdeutlicht der Beispielsfall der noch während der festgesetzten Dienstzeit ausgesprochenen Entlassung eines Beamten auf Zeit. Infrage steht die nunmehr statthafte Rechtsschutzform, wenn über die Klage des Entlassenen bis zum Ablauf der regulären Dienstzeit noch nicht entschieden ist. Die Entlassung zielt gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 1 BBG (§ 21 Nr. 1 BRRG) auf die Beendigung des Beamtenverhältnisses ab. Ein Beamtenverhältnis kann nur insoweit beendet werden, wie es zuvor begründet worden ist. Die Entlassung des Beamten kann deshalb nicht ßr einen längeren Zeitraum intendiert sein als die Er-

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

169

nennung zum Beamten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BBG (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BRRG). Die Entlassung des Zeitbeamten ist mithin ebenso auflösend befristet wie die Ernennung zum Zeitbeamten [dazu s. o. C. II. 3. a)]. Eine Entlassung ist somit im Erlasszeitpunkt für die verbleibende Dienstzeit intendiert. Mit Ablauf dieses Zeitraumes erfährt der zeitliche Regelungsgehalt der Entlassung allerdings keine Änderung. Denn in späteren Zeitpunkten als dem des Erlasses ist ohnehin ßr keinen Zeitraum eine Rechtsfolge intendiert. Zwar ist die Entlassung im Juni 2000 keiner Aufhebung ex nunc zugänglich, somit eine Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO unstatthaft, insofern der Kläger sein Begehren auf eine gerichtliche Aufhebung ex nunc durch Anfechtungsurteil nach §113 Abs. 1 S. 1 VwGO beschränkt. Doch führt dies nicht zur Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO. Denn als „amputierte Anfechtungsklage" 146 kann die Fortsetzungsfeststellungsklage immer nur an die Stelle einer nicht länger statthaften Anfechtungsklage treten. Insofern die Anfechtungsklage niemals statthaft war, ist ein Verlust an Statthaftigkeit nicht möglich, kann mithin nicht die Fortsetzungsfeststellungsklage an Stelle der Anfechtungsklage statthaft werden. Die Entlassung intendiert in keinem Zeitpunkt nach Erlass eine Rechtsfolge, ist mithin einer Aufhebung ex nunc von Anfang an verschlossen, so dass die mangelnde Aufhebbarkeit ex nunc keine vorherige Erledigung erfordert. Einer Aufhebung ex tunc ist die Entlassung hingegen nach wie vor fähig und bedürftig. Somit ist die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO auf gerichtliche Aufhebung ex tunc der Entlassung durch Anfechtungsurteil gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO weiterhin statthaft. Für die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ist in diesem Fall kein Raum. bb) Ablauf des zeitlichen Regelungsgehaltes des Dauerverwaltungsaktes Die Erledigung des Verwaltungsaktes führt nach §§43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zu dem gleichen Verlust äußerer Wirksamkeit wie er mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes einhergeht. Als fremdbestimmter Verlustgrund äußerer Wirksamkeit setzt die Aufhebung des Verwaltungsaktes die Beseitigung der intendierten Regelung durch einen fremden, in den Bestand des Verwaltungsaktes eingreifenden, Rechtsakt voraus (s. o. I. 2.). Dementsprechend setzt die Erledigung des Verwaltungsaktes als selbstbestimmter Verlustgrund äußerer Wirksamkeit [s. o. vor a)] den Fortfall der intendierten Regelung aus einem im Verwaltungsakt selbst angelegten Grund voraus. Der Verwaltungsakt intendiert nur solange eine Rechtsfolge, wie der Tatbestand der intendierten Regelung erfüllt ist. Auch ohne Eingriff in die intendierte Regelung ist eine Rechtsfolge dann nicht mehr in146

So ausdrücklich Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rn 77; Dolde, in: Schoch / Schmidt-Aßmann /Pietzner, VwGO, § 68 Rn 23; Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn 97; Schenke, FS Menger, S. 461 (467).

170

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

tendiert, wenn der zuvor unter den Tatbestand der intendierten Regelung subsumierbare Sachverhalt entfallt. Die Erledigung setzt somit den Fortfall des tatbestandsmäßigen Sachverhaltes voraus. Der tatbestandsmäßige Sachverhalt ist insbesondere in zeitlicher Hinsicht gekennzeichnet, da der Verwaltungsakt einen gewissen zeitlichen Regelungsgehalt aufweist (s. o. C. I. 1.). Der Dauerverwaltungsakt intendiert in verschiedenen Zeitpunkten eine Rechtsfolge nur für den jeweils gegenwärtigen Zeitraum. Dementsprechend wird/wr einen bestimmten Zeitraum eine Rechtsfolge allein im zugehörigen Zeitpunkt intendiert. Daher verschiebt sich mit Fortschreiten in der Zeit der Zeitraum, für den der Dauerverwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert. Auf diesem Zusammenhang mag die teilweise vertretene Auffassung beruhen, der Dauerverwaltungsakt falle mit Fortschreiten in der Zeit kontinuierlich einer Erledigung anheim. 147 Jedoch erledigt das bloße Verstreichen von Zeit, ohne dass besondere Umstände hinzutreten, den Dauerverwaltungsakt ebenso wenig, wie dies beim Punktverwaltungsakt der Fall ist [dazu s. o. aa)]. Der Dauerverwaltungsakt erreicht den Endtermin seines zeitlichen Regelungsgehaltes sobald der letzte Zeitpunkt eintritt, in dem eine Rechtsfolge intendiert ist [C. IV. 2 vor a)]. Zwar intendiert der Dauerverwaltungsakt in Zeitpunkten, die diesem letzten Zeitpunkt nachfolgen, keine Rechtsfolge. Deshalb ist eine Aufhebung ex nunc nicht mehr möglich. Der Dauerverwaltungsakt scheint daher mit Fortschreiten in der Zeit einem Verlust äußerer Wirksamkeit im Wege der Erledigung nach §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zu erliegen. Doch erweist sich dieser Eindruck bei näherer Betrachtung als eine durch den bloßen Wechsel der Perspektive vom Erlasszeitpunkt zu einem späteren Beurteilungszeitpunkt bewirkte „optische Täuschung". Als gegenwärtig wird stets der Zeitpunkt verstanden, in dem die Rechtslage beurteilt wird. Mit Fortschreiten in der Zeit vom Erlasszeitpunkt zu einem späteren Beurteilungszeitpunkt rücken deshalb Zeiträume, die zuvor als gegenwärtig oder zukünftig zu beurteilen waren, in die Vergangenheit. 148 Die Lage des Zeitraumes, für den eine Rechtsfolge intendiert ist, erfährt relativ zum Beurteilungszeitpunkt einer Änderung, nicht jedoch der absolute Umfang dieses Zeitraumes. Der Verwaltungsakt entfaltet weiterhin Regelungswirkung, nur eben keine aktuelle Regelungswirkung mehr. 149 Der Eintritt des letzten Zeitpunktes, in dem eine Rechtsfolge intendiert ist, führt mithin nicht zur Erledigung des Dauerverwaltungsaktes. Dies veranschaulicht das Beispiel des auf § 15 Abs. 1 VersG gestützten Verbots einer zum 1. Mai angesetzten öffentlichen Versammlung. Infrage steht die statt147 So Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 194. 148 Vgl. dazu Nicolaus Ludwig Esmarch (1654-1719), Die Zeit ein stetes heute: „Was heute gestern heisst/Das hieß man gestern heute/Was heute morgen ist/wird morgen heute seyn." 149 So bereits Buching, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 140.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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hafte Rechtsschutzform für eine vor dem 1. Mai erhobene und nach dem 1. Mai aufrechterhaltene Klage. Dieser Fall entspricht dem zwar geläufigen, aber doch unzutreffenden Schulbeispiel150 einer Erledigung des Verwaltungsaktes. Das Versammlungsverbot ist aufgrund seines befehlenden Regelungsgehaltes ein Dauerverwaltungsakt (dazu s. o. C. II. 2.). Einerseits zielt ein Dauerverwaltungsakt noch in Zeitpunkten nach Erlass auf eine Rechtsfolge ab (s. o. C. II. 1.), andererseits ist die Rechtsfolge stets nurfiir den jeweils gegenwärtigen Zeitraum intendiert [s. o. C. IV. 1. a), e)]. Der Dauerverwaltungsakt ist mithin weder rückwirkend, noch vorauswirkend. Daher ist das Versammlungsverbot allein im Zeitpunkt 1. Mai fiir den dann gegenwärtigen Zeitraum 1. Mai intendiert, nicht schon in früheren Zeitpunkten fiir den noch zukünftigen Zeitraum 1. Mai oder in späteren Zeitpunkten für den nunmehr vergangenen Zeitraum 1. Mai. Zwar kommt nach dem 1. Mai eine regulärwirkende Aufhebung des Versammlungsverbotes nicht in Betracht. Sofern der Anfechtungskläger sein Begehren auf eine gerichtliche Aufhebung ex nunc nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO beschränkt, ist deshalb nach dem 1. Mai eine Anfechtungsklage mangels tauglichen Anfechtungsgegenstandes nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO unstatthaft. Doch folgt aus der UnStatthaftigkeit einer solchermaßen beschränkten Anfechtungsklage noch nicht die Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage. Als „amputierte Anfechtungsklage" 151 tritt die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO immer nur an die Stelle einer nicht länger statthaften Anfechtungsklage. Insofern die Anfechtungsklage niemals statthaft gewesen ist, kann sie ihre Statthaftigkeit nicht verlieren, mithin die Fortsetzungsfeststellungsklage nicht statthaft werden. Der Verwaltungsakt intendiert im selben - von Anfang an beschränkten - Umfang eine Rechtsfolge wie zuvor. Aus diesem Grund hat sich der Verwaltungsakt nicht erledigt, nicht einmal ex nunc. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist somit nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO unstatthaft. Statthafte Rechtsschutzform ist demgegenüber nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO die Anfechtungsklage 152, gerichtet auf rückwirkende Aufhebung des Versammlungsverbotes nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Der gegen die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage erhobene Einwand, die Feststellung der Rechtswidrigkeit sei für 150 s. nur HbgOVG, Urt. v. 22. 4. 1966 - Bf. I 20/65 - DVB1. 1967, 422 (423 f.); VGH BW, Beschl. v. 29. 3. 1993 - 1 S 118/93 - NVwZ-RR 1994, 87 ff. Für das Verbot einer nichtöffentlichen Versammlung entsprechend BVerwG, Urt. v. 23. 3. 1999 - 1 C 12/97 - NVwZ 1999, 991 (991). Aus der Literatur s. nur Wolff/Bachofi Verwaltungsrecht I, § 54 I. a) (S. 475); Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 306, 340; Erichsen, JURA 1989,49 (50). 151

So ausdrücklich Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 113 Rn 77; Dolde, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 68 Rn 23; Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn 97; Schenke FS Menger, S. 461 (467). 152 Noch HbgOVG, Urt. v. 13. 12. 1951 - Bf. I I 352/51 - VerwRspr. 4 (1952), 882 (886) verneint dezidiert die Statthaftigkeit einer Feststellungsklage und bejaht die Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage nach Ablauf des Termins, für den die verbotene Versammlung angesetzt war. Allerdings ging diese Auffassung in der späteren Rechtsprechung verloren, s. HbgOVG, Urt. v. 22.4. 1966 - Bf. I 20/65 - DVB1. 1967,422 (423 f.).

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

den Rechtsschutz genügend und die Aufhebung nicht mehr erforderlich 153 , greift nicht durch. Denn bei konsequenter Fortführung dieses Ansatzes bedürfte es niemals einer gerichtlichen Aufhebung des Verwaltungsaktes. 154 Der Dauerverwaltungsakt ist auch noch nach Ablauf seines zeitlichen Regelungsgehaltes einer Aufhebung ex tunc zugänglich. Würde auf die Aufhebung ex tunc verzichtet, obwohl sie konstruktiv möglich ist, müsste auch auf die Aufhebung ex nunc verzichtet werden, solange diese noch möglich ist. Zwar verliert der einer Aufhebung noch zugängliche Verwaltungsakt seine innere Wirksamkeit auch dann, wenn das Gericht (unstatthafterweise) lediglich gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die Rechtswidrigkeit feststellt, ohne gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO die Aufhebung auszusprechen (s. u. H. II. 3.). Doch verletzt eine solche Vorgehensweise sowohl den prozessökonomischen Grundsatz, die rechtsschutzintensivere Anfechtungsklage vorrangig vor der Fortsetzungsfeststellungsklage zum Zuge kommen zu lassen, als auch die allgemeinverwaltungsrechtliche Konzeption der Bestandskraft von Verwaltungsakten, die eine fristgebundene Anfechtungsklage an Stelle der fristfreien Fortsetzungsfeststellungsklage erforderlich macht [dazu s. o. 1.1. b) bb) (2), II. 1. b) bb) (2)].

b) Verkürzung

des zeitlichen

Regelungsgehaltes

Der zeitliche Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes verkürzt sich dann, wenn die in gegenwärtigen oder zukünftigen Zeitpunkten intendierte Rechtsfolge entfällt. Dies ist beim Punktverwaltungsakt bereits aus konstruktiven Gründen unmöglich. Denn da ein Punktverwaltungsakt eine Rechtsfolge ausschließlich in einem Zeitpunkt intendiert (s. o. C. II. 1.), kann sein zeitlicher Regelungsgehalt nicht im Hinblick auf die Zukunft verkürzt, sondern allenfalls rückwirkend auf den Erlasszeitpunkt zerstört werden [dazu s. u. c) aa)]. Demgegenüber ist eine Verkürzung des zeitlichen Regelungsgehaltes beim Dauerverwaltungsakt möglich und führt zur Erledigung ex nunc. Die in gegenwärtigen oder zukünftigen Zeitpunkten mit dem Dauerverwaltungsakt intendierte Rechtsfolge entfällt dann, wenn der zuvor unter den Tatbestand der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes subsumierbare Sachverhalt ex nunc entfällt. Beispielsweise unterliegt eine auf § 61 Abs. 1 S. 2 BauO NRW gestützte bauaufsichtsrechtliche Beseitigungsverfügung einer Erledigung ex nunc, wenn die betroffene Jagdhütte infolge Blitzschlags niederbrennt. In Zeitpunkten nach Untergang der Jagdhütte ist mangels Regelungssubstrats keine Verpflichtung mehr intendiert, die Jagdhütte zu beseitigen. Dessen ungeachtet ist in Zeitpunkten vor dem Untergang die Verpflichtung zur Beseitigung weiterhin intendiert. So dient die Beseiti153 So das BVerwG, Urt. v. 9. 2. 1967 - 1 C 49.64 - BVerwGE 26, 161 (165) im Fall der Schwabinger Krawalle. 1 54 So bereits Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 135.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

173

gungsverfügung nach wie vor als Grundverfügung etwaiger bereits getroffener Vollstreckungsmaßnahmen, beispielsweise einer Androhung der Ersatzvornahme nach §§ 55 Abs. 1 Alt. 1, 63 Abs. 1 S. 1, 57 Abs. 1. Nr. 1, 59 Abs. 1 VwVG NRW oder einer Zwangsgeldfestsetzung gemäß §§ 55 Abs. 1 Alt. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 1 VwVG NRW. Somit ist eine rückwirkende Aufhebung der Beseitigungsverfügung nach wie vor möglich. Insbesondere bleibt die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage hängt allerdings vom fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis des Klägers ab. 1 5 5 Die Beseitigungsverfügung hat sich nicht ex tunc, sondern lediglich ex nunc erledigt i. S. d. §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO.

c) Zerstörung des zeitlichen Regelungsgehaltes

Der zeitliche Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes wird zerstört, wenn die in gegenwärtigen, zukünftigen oder auch vergangenen Zeitpunkten intendierte Rechtsfolge entfällt. Diese rückwirkende Zerstörung des zeitlichen Regelungsgehaltes ist auch beim Punktverwaltungsakt möglich und führt bei diesem [aa)], wie auch beim Dauerverwaltungsakt zur Erledigung ex tunc [bb)].

aa) Zerstörung des zeitlichen Regelungsgehaltes des Punktverwaltungsaktes Da mit dem Punktverwaltungsakt nur in einem Zeitpunkt eine Rechtsfolge intendiert ist (s. o. C. II. 1.), kommt eine Beeinträchtigung des zeitlichen Regelungsgehaltes nur durch rückwirkenden Fortfall der im Erlasszeitpunkt intendierten Rechtsfolge in Betracht. Im Erlasszeitpunkt ist dann keine Rechtsfolge mehr intendiert, wenn der Sachverhalt, der im Erlasszeitpunkt ursprünglich unter den Tatbestand der intendierten Regelung subsumierbar war, rückwirkend entfällt. Da ein Fortfall des tatbestandsmäßigen Sachverhaltes den Verwaltungsakt erledigt, ruft ein rückwirkender Fortfall des tatbestandsmäßigen Sachverhaltes die Erledigung ex tunc des Punktverwaltungsaktes hervor. Dies belegt der Beispielsfall der Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts nach §§ 24 f. BauGB. Der Käufer, eine Religionsgemeinschaft, rügt die Verletzung des § 26 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BauGB. Über die Klage ist noch nicht entschieden, als der Verkäufer seine privatrechtliche Willenserklärung nach § 142 Abs. 1 BGB wirksam anficht. Infrage steht die nunmehr statthafte Klageart. Die politische Gemeinde übt ihr gesetzliches Vorkaufsrecht gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB in Verwaltungsaktform aus. Dieser Verwaltungsakt zielt gemäß § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB Zum Rechtsschutzbedürfnis als allgemeiner (klageartunabhängiger) Sachentscheidungsvoraussetzung s. Ehlers, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Vorbem. § 40 Rn 74 ff.

174

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

i. V. m. § 464 Abs. 2 BGB n. F. 1 5 6 darauf ab, die Gemeinde an Stelle des ursprünglichen Käufers in den zivilrechtlichen Kaufvertrag mit dem Verkäufer eintreten zu lassen. Da der Kaufvertrag einer solchen Vertragsübernahme nicht mehr fähig oder bedürftig ist, sobald die Gemeinde in den Kaufvertrag eingetreten ist, intendiert der Verwaltungsakt diese Rechtsfolge allein im Erlasszeitpunkt. Es handelt sich mithin um einen Punktverwaltungsakt. Der Verwaltungsakt zielt im Erlasszeitpunkt nur dann auf eine Vertragsübernahme ab, wenn zu diesem Zeitpunkt ein der Übernahme zugänglicher, also zivilrechtlich wirksamer, Kaufvertrag besteht. Die zivilrechtliche Anfechtung hat den Kaufvertrag rückwirkend zerstört, da die angefochtene Willenserklärung des Verkäufers gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig zu beurteilen ist und es deshalb an den in §§ 145 ff. BGB vorausgesetzten übereinstimmenden Willenserklärungen der Vertragspartner fehlt. Auf diese Weise ist der Gegenstand, auf den die Ausübung des Vorkaufsrechts Bezug nimmt, ex tunc entfallen. Rückwirkend ist bereits im Erlasszeitpunkt keine Rechtsfolge mehr intendiert. Der Verwaltungsakt ist auch einer Aufhebung ex tunc durch das Gericht nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht mehr zugänglich. Infolgedessen ist nicht länger die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, sondern nunmehr die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO statthafte Rechtsschutzform. Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann die klagende Religionsgemeinschaft dabei etwa dann aufweisen, wenn eine Wiederholung des Vorgehens durch die politische Gemeinde droht. 157

bb) Zerstörung des zeitlichen Regelungsgehaltes des Dauerverwaltungsaktes Ebenso wie ein Punktverwaltungsakt [dazu s. o. aa)] intendiert ein Dauerverwaltungsakt dann rückwirkend in keinem Zeitpunkt eine Rechtsfolge, wenn der zuvor unter den Tatbestand subsumierbare Sachverhalt ex tunc entfällt. Eine solche Zerstörung des zeitlichen Regelungsgehaltes erledigt den Dauerverwaltungsakt rückwirkend. Als Beispiele diene ein vorläufiger Dauerverwaltungsakt, etwa die Bewilligung einer Beihilfe an einen Milchwerkbetreiber „vorbehaltlich des Ergebnisses der noch durchzuführenden Betriebsführung" 158 [dazu s. o. C. IV. 2. d)]. Die Beihilfenbewilligung ist auf den negativen Ausgang der Betriebsführung auflösend ex tunc bedingt. Die Erledigung tritt daher rückwirkend ein 1 5 9 . Die Beihilfe ist von Anfang 156 Wortgleich § 505 Abs. 2 BGB a. F. 157 Ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse bejaht das BVerwG (Beschl. v. 26. 4. 1993 - 4 B 31 / 93 - NVwZ 1994, 282, 282 f.) in einem vergleichbaren Fall, in dem allerdings keine Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB, sondern ein Rücktritt des Verkäufers in Rede stand. 158 BVerwG, Urt. v. 14. 4. 1983 - 3 C 8.82 - BVerwGE 67, 99 ff. 159 Insoweit bereits Losch, NVwZ 1995, 235 (237).

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

175

an ohne Rechtsgrund geleistet, so dass sie zurückgefordert werden kann, ohne dass es einer Aufhebung bedarf. Die Voraussetzungen der Erledigung werden indessen überspannt, wenn verlangt wird, der Verwaltungsakt müsse hinweggedacht werden können, ohne dass dadurch eine Änderung in den rechtlichen oder tatsächlichen Beziehungen zwischen dem Adressaten des Verwaltungsaktes und der Verwaltung eintritt. 160 Zum einen besitzt ein bereits der Erledigung anheim gefallener Verwaltungsakt keine äußere Wirksamkeit mehr, kann mithin mangels rechtlicher Existenz nicht hinweggedacht werden. Zum anderen wäre eine Fortsetzungsfeststellungsklage mangels Interesses an der Feststellung der Rechtswidrigkeit stets unzulässig, setzte die Erledigung voraus, dass die vormalige Existenz des Verwaltungsaktes in jeder Hinsicht ohne rechtliche oder tatsächliche Bedeutung ist.

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis können die Voraussetzungen festgehalten werden, unter denen ein Punktverwaltungsakt oder Dauerverwaltungsakt einer Erledigung ex tunc oder unter denen ein Dauerverwaltungsaktes einer Erledigung ex nunc unterliegt: Punktverwaltungsakt

Dauerverwaltungsakt

Zerstörung des zeitlichen Erledigung ex tunc Regelungsgehaltes - Fortfall der Intention einer Rechtsfolge in vergangenen, gegenwärtigen oder zukünftigen Zeitpunkten aufgrund Fortfalls ex tunc des tatbestandsmäßigen Sachverhaltes Verkürzung des zeitlichen (Konstruktiv Regelungsgehaltes ausgeschlossen) - Fortfall der Intention einer Rechtsfolge in gegenwärtigen oder zukünftigen Zeitpunkten aufgrund Fortfalls ex nunc des tatbestandsmäßigen Sachverhaltes

Erledigung ex nunc

3. Kasuistik der Erledigung Erledigung ist der selbstbestimmte Verlustgrund äußerer Wirksamkeit [s. o. 2. vor a)]. Der Verwaltungsakt erledigt sich dann ex tunc oder ex nunc, wenn der 160 So aber Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 113.

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Sachverhalt, der sich bis dahin unter den Tatbestand der intendierten Regelung subsumieren ließ, rückwirkend oder regulärwirkend entfällt. Deshalb müssen die einzelnen Erledigungsgründe anhand des jeweiligen Tatbestandes der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes bestimmt werden. Manche Ereignisse sind bei Verwaltungsakten jedweder Art als Erledigungsgrund möglich [a)]. Andere Ereignisse kommen nur bei bestimmten Verwaltungsaktsarten in Betracht, etwa bei nebenbestimmungsbehafteten Verwaltungsakten [b)], bei befehlenden [c)], gestaltenden [d)] oder feststellenden Verwaltungsakten [e)] sowie bei akzessorischen [f)], vorläufigen [g)] oder vorsorglichen Verwaltungsakten [h)].

a) Ereignisse bei Verwaltungsakten

jedweder Art

Der Verwaltungsakt könnte einer Erledigung anheim fallen, sobald der vom Verwaltungsakt Betroffene ex tunc entfällt [aa)]. Ferner könnte ein Fortfall ex nunc des Betroffenen den Verwaltungsakt erledigen, abhängig davon, ob ein Rechtsnachfolger fehlt [bb)] oder ein Rechtsnachfolger vorhanden ist [cc)]. Eine Erledigung kommt ferner in Betracht durch Fortfall ex tunc [dd)] oder Fortfall ex nunc [ee)] des in Bezug genommenen Gegenstandes. Zudem könnte sich ein Verwaltungsakt entweder mit dem Verlust der Rechtmäßigkeit [ff)] oder aber mit dem Gewinn der Rechtmäßigkeit [gg)] erledigen. Schließlich kommt eine Erledigung durch konsensuales Verhalten aller Beteiligten in Betracht [hh)].

aa) Fortfall ex tunc der betroffenen Person Personen, denen gegenüber der Verwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert 161 , sind gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 und Alt. 2 VwVfG zum einen die Adressaten, zum anderen die Drittbetroffenen. Eine Rechtsfolge kann nur gegenüber einer als rechtsfähig vorhandenen Person intendiert sein. Natürliche Personen verlieren ihre Rechtsfähigkeit durch den Tod, juristische Personen durch Erlöschen. Über die Rechtsfähigkeit hinaus kann der Tatbestand der intendierten Regelung weitere Anforderungen daran erheben, dass eine Person dem Kreis der Betroffenen angehört. Beispielsweise ist ein Deutscher kein tauglicher Regelungsadressat einer ausländerrechtlichen Entscheidung. Wird ein Deutscher auf Antrag gemäß § 18 StAG aus der deutschen Staatsangehörigkeit entlassen, so wird er - vorerst - staatenlos. Fehlt ihm der nach § 4 Abs. 1 AufenthG erforderliche Aufenthaltstitel, trifft ihn gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG eine u. U. vollziehbare Ausreisepflicht. Droht die Behörde dem Betroffenen zur Durchsetzung der Ausreisepflicht gemäß §§ 48, 59 AufenthG die Abschiebung an 1 6 2 , so ist die Androhung nur so lange intendiert, 161

Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 97 und daran anschließend Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 197, sprechen insoweit vom Regelungssubjekt.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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wie die Ausländereigenschaft fortbesteht. 163 Der Tatbestand der intendierten Regelung der Abschiebungsandrohung setzt die Eigenschaft des Inanspruchgenommenen als Ausländer nach § 2 Abs. 1 AufenthG voraus. Verstreicht die Jahresfrist gemäß § 24 StAG, ohne dass der Betroffene die ihm zugesicherte fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, so ist er rückwirkend als nicht entlassen zu beurteilen [s. o. 1. a) aa)]. Da der Tatbestand der intendierten Regelung rückwirkend in keinem Zeitpunkt erfüllt ist, intendiert die Abschiebungsandrohung in keinem Zeitpunkt mehr eine Rechtsfolge, fällt mithin rückwirkend der Erledigung i. S. d. §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO anheim.

bb) Fortfall ex nunc der betroffenen Person ohne Rechtsnachfolger Ein Punktverwaltungsakt intendiert im Gegensatz zum Dauerverwaltungsakt nur in einem Zeitpunkt eine Rechtsfolge. In späteren Zeitpunkten ist niemand von der intendierten Rechtsfolge betroffen. Der Tatbestand der intendierten Regelung stellt allein auf den in einem Zeitpunkt gegebenen Sachverhalt ab. Ein regulärwirkender Fortfall des vormals Betroffenen, kann den Punktverwaltungsakt nicht erledigen. Deshalb stellt sich die Frage nach der Höchstpersönlichkeit oder Übergangsfähigkeit nicht im Hinblick auf die intendierte Rechtsfolge, sondern allenfalls im Hinblick auf die akzidentiellen Rechtsfolgen des Punktverwaltungsaktes. Beispiel eines Punktverwaltungsaktes ist die Ernennung zum Beamten. Die Begründung des Beamtenverhältnisses ist, wenn auch nicht notwendig für den Zeitraum ab Erlass, so doch ausschließlich im Erlasszeitpunkt intendiert. Dies gilt insbesondere auch für die Ernennung zum Beamten auf Zeit [s. o. C. II. 3. a)]. Der Fortbestand des Beamtenverhältnisses ist eine lediglich akzidentelle Rechtsfolge der Ernennung, mit allerdings höchstpersönlichem Charakter. Das nach wie vor durch die Ernennung begründete Beamtenverhältnis endet mit Entlassung, Verlust der Beamtenrechte, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auch mit dem Tod des Beamten, wie die Bestimmung des § 6 Abs. 3 BBG (§ 21 Abs. 1 BRRG) ausdrücklich festhält. Der Tod des Beamten erledigt die Ernennung schon deshalb nicht, weil die Ernennung als Punktverwaltungsakt einer Erledigung ex nunc nicht zugänglich ist. Höchstpersönlich ist ein Dauerverwaltungsakt, der eine Rechtsfolge nur gegenüber dem ursprünglich Betroffenen intendiert. 164 Eine Rechtsnachfolge ist deshalb 162 Bei der Abschiebungsandrohung gemäß § 59 AufenthG (vormals § 50 AuslG) handelt es sich um eine verwaltungsaktsförmige Vollstreckungsmaßnahme, s. BVerwG, Urt. v. 2.12. 1998 - 4 C 16/ 85 - NVwZ-RR 1989, 337 (338); Ehlers, Verw 31 (1998), 53 (60). 163 Abweichend soll nach Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 525; Bachof, JZ 1958,416 (417 Fn 28); eine Ausweisungsverfügung noch nach Einbürgerung fortbestehen. Ein Erlöschen eines Aufenthaltsverbots mit Einbürgerung erwägt Rupp, Der maßgebende Zeitpunkt, S. 190.

12 Stein weg

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

ausgeschlossen, weil der Tatbestand der intendierten Regelung allein auf die Person des ursprünglichen Betroffenen zugeschnitten ist 1 6 5 . Die Regelungsintention erstreckt sich mithin nicht auf Rechtsnachfolger. 166 Der Fortfall des ursprünglichen Betroffenen führt zur Erledigung ex nunc des höchstpersönlichen Dauerverwaltungsaktes.167 Beispiel eines höchstpersönlichen Dauerverwaltungsaktes ist eine Gaststättenerlaubnis nach § 2 Abs. 1 GastG. Da die Rechtmäßigkeit der Gaststättenerlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG die persönliche Zuverlässigkeit des Inhabers voraussetzt, etwaige Rechtsnachfolger aber nicht notwendig auch zuverlässig sein müssen, ist die Gaststättenerlaubnis nicht gegenüber Rechtsnachfolgern intendiert. Dies geht auch aus der Gewährung einer gesetzlichen Weiterführungsbefugnis an die minderjährigen Erben nach § 10 S. 1 Alt. 2 GastG hervor. Einer Weiterführungsbefugnis an der für die Erben fremden Erlaubnis des Erblassers hätte es nicht bedurft, wäre die Gaststättenerlaubnis vererblich und könnten die Erben entsprechend § 1922 Abs. 1 BGB an die Stelle des ursprünglichen Erlaubnisinhabers treten.

cc) Fortfall ex nunc der betroffenen Person mit Rechtsnachfolger Übergangsfähig ist ein Dauerverwaltungsakt, der eine Rechtsfolge nicht nur gegenüber dem ursprünglichen Betroffenen, sondern auch gegenüber etwaigen Rechtsnachfolgern intendiert. Dies ist der Fall, wenn auch Rechtsnachfolger den Tatbestand der intendierten Regelung erfüllen können. 168 Sofern Rechtsnachfolger 164

Dabei wäre der umgekehrte Schluss von der „Höchstpersönlichkeit" auf die mangelnde Übergangsfähigkeit als petitio principii nicht zulässig. Die „Höchstpersönlichkeit" öffentlichrechtlicher Positionen ist nicht mehr als die Bezeichnung dessen, was es zu beweisen gilt. Denn es handelt sich um einen „voraussetzungsleeren Begriff", s. Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 108 ff. 165 Da es auf den von der Behörde gesetzten Tatbestand der intendierten Regelung ankommt, trifft die Beurteilung nicht zu, die Erledigung durch Fortfall der betroffenen Person sei von der Regelungsintention der Behörde unabhängig, so aber Ruffert, Bay VB1.2003,33 (36). 166 Insoweit bereits Willmer, Die sog. „Fortsetzungsfeststellungsklage", S. 43. 167 In der Sache ebenso Erichsen, JURA 1989, 49 (50). - Eine andere Frage als die nach der Übergangsfähigkeit des Verwaltungsaktes ist diejenige nach der Übergangsfahigkeit eines etwaig bereits anhängigen Verwaltungsprozesses. Deshalb kann Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 103, nicht ohne Weiteres darin gefolgt werden, der Fortfall der vom Verwaltungsakt betroffenen Person beende durch Fortfall des Klägers auch den Verwaltungsprozess, so dass in dieser Situation eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ausgeschlossen sei. Beispielsweise erlischt der zivilrechtliche Nießbrauch an einer Sache gemäß § 1061 S. 1 BGB mit dem Tode des Nießbrauchers. Dennoch besteht ein etwaiges Zivilprozessrechtsverhältnis zunächst zwischen dem Eigentümer und den Erben des Nießbrauchers fort. 168 In diesem Zusammenhang stellt Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 114 ff., zutreffend auf die Maßgeblichkeit des Behördenwillens ab, etwaige Rechtsnachfolger in den „Regelungsbereich" des Verwaltungsaktes einzubeziehen.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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vorhanden sind, findet der übergangsfähige Dauerverwaltungsakt mit Fortfall der ursprünglichen Betroffenen keine Erledigung. Beispiel eines übergangsfähigen Dauerverwaltungsaktes ist eine Baugenehmigung nach § 75 Abs. 1 BauO NRW. Denn anders als (auch) personenbezogene Genehmigungen wie etwa die Gaststättenerlaubnis 169 ist die Baugenehmigung als (allein) sachbezogene Genehmigung ohne Rücksicht auf persönliche Eigenschaften des Antragstellers zu erteilen. Prüfungsmaßstab ist nach § 75 Abs. 1 BauO NRW lediglich die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit des in Rede stehenden Bauvorhabens. Einer Übergangsfähigkeit steht deshalb nichts entgegen. Ausdrücklich niedergelegt ist die Übergangsfähigkeit der Baugenehmigung in § 75 Abs. 2 BauO NRW. Ein etwaiger Rechtsnachfolger tritt deshalb an die Stelle des entfallenden ursprünglichen Betroffenen. Die Übergangsfähigkeit schließt dabei nicht aus, dass der Verwaltungsakt nach Fortfall ex nunc des ursprünglich Betroffenen aufgehoben werden muss. Beispielsweise führt der Tod des Wohngeldberechtigten nicht zur Erledigung des Wohngeldbescheides gemäß § 39 Abs. 2 SGB X, sondern nur zu einer behördlichen Aufhebungspflicht gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X . 1 7 0

dd) Fortfall ex tunc des betroffenen Gegenstandes Ebenso wie der Fortfall der von der intendierten Regelung betroffenen Person [s. o. aa)] kann auch der Fortfall des betroffenen Gegenstandes den Verwaltungsakt erledigen. 171 Ein Verwaltungsakt intendiert eine Rechtsfolge oftmals nur in Ansehung eines bestimmten Gegenstandes. Der betroffene Gegenstand ist nicht notwendig ein körperlicher Gegenstand i. S. d. § 90 BGB, kann mithin auch mit Wirkung für die Vergangenheit entfallen. 172 Entfällt der betroffene Gegenstand ex tunc, so ist der Tatbestand der intendierten Regelung rückwirkend in keinem Zeitpunkt erfüllt, mithin in keinem Zeitpunkt eine Rechtsfolge intendiert. 173 Der rückwirkende Die Gaststättenerlaubnis wird als „raumgebundene Personalerlaubnis" (so Badura, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Abschn. Rn 148) zwar für bestimmte Räume, aber doch bezogen auf eine bestimmte Person erteilt wird, Ehlers, in: Achterberg/ Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht I, § 2 Rn 43. 170 Wie hier Hänlein, JuS 1992, 559 (561). - Für die Rechtslage aufgrund des damaligen § 28 Abs. 2 S. 3 WohnGG noch abweichend BVerwG, Urt. v. 23. 1. 1990-8 C 37.88 BVerwGE 84, 274 (277 f.). 171 Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 97; Sachs, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 43 Rn 198; Pietzner/Ronellenfitsch, Assessorexamen im öffentlichen Recht, § 27 Rn 23 sprechen insoweit vom Wegfall des Regelungsobjektes. 172 Dass Buching, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 93, 89, den Fortfall ex tunc des Regelungsobjekts ablehnt, mag auf der Verengung dieses Begriffs auf die vom Verwaltungsakt in Bezug genommene Sache i. S. d. § 90 BGB beruhen. 173 Der betroffene Gegenstand bildet dabei ein Tatbestandsmerkmal der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes selbst, nicht - wie Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes,

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Fortfall des betroffenen Gegenstandes führt daher zur Erledigung ex tunc des Verwaltungsaktes gemäß §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO. Beispielsweise unterliegt der Verwaltungsakt, mit dem die Gemeinde ihr gesetzliches Vorkaufsrecht nach §§ 24 ff. BauGB ausgeübt hat, dann einer Erledigung ex tunc, wenn der in Bezug genommene Grundstückskaufvertrag nach § 142 Abs. 1 BGB mit Wirkung für die Vergangenheit angefochten wird [s. o. 2. c) aa)].

ee) Fortfall ex nunc des betroffenen Gegenstandes Da ein Punktverwaltungsakt eine Rechtsfolge nur in einem Zeitpunkt intendiert, ist in späteren Zeitpunkten ohnehin kein Gegenstand mehr betroffen. Der Fortfall ex nunc des - vormals - betroffenen Gegenstandes ruft deshalb keine Erledigung ex nunc des Punktverwaltungsaktes hervor. 174 Beispielsweise ist die Eintragung eines Bauwerks in die Denkmalliste nach § 3 Abs. 3, Abs. 1 S. 1 DSchG NRW ein Punktverwaltungsakt. Intendierte Rechtsfolge der Eintragung ist, im Erlasszeitpunkt die Denkmaleigenschaft des betroffenen Bauwerks nach § 2 DSchG NRW festzustellen. Akzidentelle Rechtsfolge der Eintragung ist nach § 3 Abs. 1 S. 2 DSchG NRW, das betroffene Bauwerk dem denkmalschutzrechtlichen Regime zu unterstellen. Wird das betroffene Bauwerk später zerstört, so unterliegt es mangels tatsächlicher Existenz nicht mehr dem Denkmalschutzrecht. Die Eintragung erledigt sich dadurch jedoch nicht, auch nicht ex nunc. Denn nach wie vor ist die Feststellung der Denkmaleigenschaft intendiert, wenn auch nur im Erlasszeitpunkt. Insbesondere ist die Denkmalseintragung weiterhin nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO anfechtbar. Demgegenüber ist keine Frage der statthaften Klageart, sondern eine von der Rechtsschutzform unabhängige Frage, ob der Kläger nach Zerstörung des Bauwerks des Rechtsschutzes noch bedarf. 175 Ein Dauerverwaltungsakt intendiert eine Rechtsfolge noch in Zeitpunkten nach Erlass, sofern in diesen Zeitpunkten der im Tatbestand der intendierten Regelung umschriebene Gegenstand gegeben ist. Der regulärwirkende Fortfall des ursprünglich betroffenen Gegenstandes erledigt den Dauerverwaltungsakt ex nunc. Beispielsweise unterliegt die baurechtliche Beseitigungsverfügung dann einer ErlediS. 117, annimmt - ein Tatbestandsmerkmal des erst durch den Verwaltungsakt begründeten Rechtsverhältnisses. 174 Abweichend bejaht Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 94 ff., die Erledigung des Verwaltungsaktes ohne Dauerwirkung, sobald das Regelungsobjekt ex nunc fortfällt. Dies ist verwunderlich, da einerseits auch nach dem von Bücking, S. 56, zugrundegelegten Begriffsverständnis ein Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung nicht ex nunc aufgehoben werden kann, mithin auch keiner Erledigung ex nunc zugänglich ist, und andererseits eine Erledigung ex tunc durch regulärwirkenden Fortfall des Regelungsobjekts fern liegt. 175 Zum Rechtsschutzbedürfnis als allgemeiner (klageartunabhängiger) Sachentscheidungsvoraussetzung s. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Vorbem. § 40 Rn 74 ff.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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gung ex nunc, wenn das zu beseitigende Bauwerk entfällt [s. o. 2. b)]. Da die Erledigung wohlgemerkt nicht rückwirkend eintritt, bleibt indessen die Anfechtungsklage statthaft, sofern der Kläger um Rechtsschutz gegen den noch nicht erledigten Restverwaltungsakt nachsucht.176

ff) Verlust der Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsakt Zur Erledigung eines Verwaltungsaktes ist nicht hinreichend, dass infolge Fortfalls der gesetzlichen Erlassvoraussetzungen ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts nicht mehr erlassen werden dürfte. 177 Der Fortfall der gesetzlichen Erlassvoraussetzungen führt allenfalls zum Verlust der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO (dazu s. u. L. II.). Ob der Verwaltungsakt rechtmäßig ist, beantwortet nicht der Verwaltungsakt selbst, sondern die Beurteilungsnorm (s. o. B. IV. 3.). Die intendierte Regelung als Inhalt des Verwaltungsaktes hängt von dessen Rechtmäßigkeit nicht ab. Weder das Erfüllt-Sein, noch das Erfüllt-Bleiben der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen bildet ein Tatbestandsmerkmal der intendierten Regelung. So wird zwar die Behörde bei Erlass eines Verwaltungsaktes auf dessen Rechtmäßigkeit Bedacht nehmen. Doch zielt der Verwaltungsakt regelmäßig auch für den Fall auf eine Rechtsfolge ab, dass er wider Erwarten nicht rechtmäßig ist oder nicht rechtmäßig bleibt. Die Regelungsintention besteht unabhängig von ihrer Vereinbarkeit mit dem zugrunde liegenden Recht. 178 Wäre eine Rechtsfolge nur für den Fall der Rechtmäßigkeit intendiert, so gäbe es keine schlicht-rechtswidrigen oder auch nichtigen Verwaltungsakte, wovon aber die umfangreichen gesetzlichen Regelungen des rechtswidrigen Verwaltungsaktes etwa in §§ 43 Abs. 3,44,47 Abs. 1,48 Abs. 1 S. 1 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 1,68 Abs. 1 S. 1,43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO ausgehen. Dieses Ergebnis bestätigt für gebundene Verwaltungsakte das Verbot des Widerrufs gemäß § 49 Abs. 1 a. E. VwVfG, wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste. Ist die Behörde zum Erlass eines gebundenen Verwaltungsaktes nicht verpflichtet, so ist sie dazu auch nicht berechtigt. Die Widerrufsbefugnis nach § 49 Abs. 1 VwVfG betrifft mithin nur solche gebundene Verwaltungsakte, die nicht mehr erlassen werden dürften. Somit geht das Gesetz von einer den Fortfall der gesetzlichen Erlassvoraussetzungen überdauernden Erforderi™ Im Ergebnis wie hier bereits J. Martens, DÖV 1970, 476 (480). Ebenso verneint Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 93 f., dass der Fortfall ex nunc des Regelungsobjekts zur Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage führt. 177 OVG NRW, Urt. v. 24. 3. 1993 - 24 A 1093/90 - NWVB1. 1993, 393 (394); VGH BW, Beschl. v. 29. 3. 1995 - 5 S 3456/94 - VB1BW. 1995, 485 (485). Mikorey, Probleme der Erledigung, S. 80 f.; Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 142 f.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 203. 178 Willmer, Die sog. „Fortsetzungsfeststellungsklage", S. 56.

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

lichkeit des Widerrufs aus. Zudem belegen die Widerrufsgründe der Änderung der Sachlage oder der Rechtslage in § 49 S. 1 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwVfG, dass ein Fortfall der gesetzlichen Erlassvoraussetzungen nicht eo ipso mit einer Erledigung des betreffenden Verwaltungsaktes einhergeht. Vielmehr bedarf es eines Widerrufs, um eine Anpassung an die neue Sachlage oder die neue Rechtslage vorzunehmen. Nur ausnahmsweise stellt der Tatbestand der intendierten Regelung auf das Vorliegen eines Umstandes ab, der zugleich Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des Verwaltungsaktes ist. In diesen Fällen ist der Verwaltungsakt auf den Fortfall dieses Umstandes auflösend bedingt. Nicht der Fortfall der gesetzlichen Erlassvoraussetzungen selbst, sondern der Eintritt der auflösenden Bedingung führt die Erledigung dieses Verwaltungsaktes herbei. Dies verdeutlicht der vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen 179 entschiedene Fall eines mit der Fachleitung für Pädagogik beauftragten Lehrers, dem eine entsprechende Zulage bewilligt worden war. In Frage stand, ob es einer behördlichen Aufhebung bedurfte, um die Zahlungen einzustellen und die auch nach Verlust der Fachleiterfunktion zunächst weiter gezahlten Beträge zurückzufordern. Einer behördlichen Aufhebung hätte es dann nicht mehr bedurft, hätte die Zulagenerteilung bereits mit Fortfall der Fachleiterfunktion ihre Erledigung gefunden. 180 Zwar durfte die Zulagenerteilung nur solange aufrechterhalten werden, wie die Fachleiterfunktion fortbestand. Doch war die Zulagenerteilung auch über den Fortfall der Fachleiterfunktion hinaus intendiert. Denn die Auslegung, der Bescheid habe die Zulage nur so lange zuerkannt, wie der Betroffene die Fachleiterfunktion wahrnehme, fand in Wortlaut und Sinnzusammenhang des Bescheids keine Stütze. 1 8 1 Mithin stand die Zulagenerteilung nicht unter der auflösenden Bedingung des Fortfall der Fachleiterfunktion, so dass mangels Erledigung ihre äußere und innere Wirksamkeit gemäß §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO bis zu einer allfälligen behördlichen Aufhebung fortdauerte.

gg) Gewinn der Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsakt Wird ein im Erlasszeitpunkt als rechtswidrig zu beurteilender Verwaltungsakt angefochten, so kann er in einem späteren Zeitpunkt Rechtmäßigkeit gewinnen, so dass die Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ohne Erfolg bleibt (dazu s. u. M. II.). Erkennt der Kläger nunmehr die Aussichtslosigkeit seiner Anfechtungsklage, so erledigt sich der Rechtsstreit in der Hauptsache gemäß § 161 Abs. 2 VwGO. Eine Erledigung des Verwaltungsaktes gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO 179 Sachverhalt nach OVG Münster, Urt. v. 26. 8. 1987 - 6 A 1910/ 84 - NVwZ-RR 1988, 1 f. 180 OVG Münster, Urt. v. 26. 8. 1987 - 6 A 1910/84 - NVwZ-RR 1988, 1 (1). 181 OVG Münster, Urt. v. 26. 8. 1987 - 6 A 1910/84 - NVwZ-RR 1988,1 (1). Einen Fortfall der Zulage bejahen indessen die Vörinstanz sowie Kopp, BayVBl. 1989, 652 (653); ders., BayVBl. 1990, 524 (524).

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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geht damit jedoch nicht einher. 182 Denn die Erledigung des Verwaltungsaktes ist zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache zwar hinreichend, aber nicht notwendig. 183 Die Erledigung des Verwaltungsaktes nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ist ein außerprozessuales, von Zulässigkeit und Begründetheit der Anfechtungsklage unabhängiges Ereignis. 184 Die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage hängt vom Fehlen der Erledigung i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ab, nicht umgekehrt die Erledigung des Verwaltungsaktes von den Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage. 185 Ein vormals rechtswidriger, nunmehr rechtmäßiger Verwaltungsakt bleibt äußerlich und innerlich wirksam. Es wäre paradox, im Gewinn der Rechtmäßigkeit eine Erledigung des Verwaltungsaktes, also eine Verkürzung seines zeitlichen Regelungsgehaltes, zu sehen. Die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO dient dem Rechtsschutz gegen rechtswidrige Verwaltungsakte, die ihre äußere und damit auch innere Wirksamkeit bereits verloren haben. Für eine analoge Anwendung zum Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte, die äußere und ebenso innere Wirksamkeit noch besitzen und noch dazu rechtmäßig sind, besteht kein Anlass. 186 Zum einen zieht eine Rechts Widrigkeitfeststellung nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO, die unstatthafterweise einen noch innerlich wirksamen Verwaltungsakt betrifft, den Verlust innerer Wirksamkeit nach sich (s. u. H. II. 3.). Ließe man eine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen den nunmehr als rechtmäßig zu beurteilenden Verwaltungsakt zu, so verlöre der Verwaltungsakt zwar nicht seine äußere, aber doch seine innere Wirksamkeit, ebenso als gelangte die Anfechtungsklage zum Erfolg. Zum anderen kann ein Verwaltungsakt, der nunmehr als rechtmäßig gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO beurteilt wird, nicht rechtswidrig gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO sein. Zwar ist die Fortsetzungsfeststellungsklage dann begründet, wenn der Verwaltungsakt „rechtswidrig gewesen ist". Doch setzt die Begründetheit der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht die vormalige Rechtswidrigkeit eines weiterhin wirksamen Verwaltungsaktes, sondern die Rechtswidrigkeit eines vormals wirksamen Verwaltungsaktes voraus. Nicht die Rechtswidrigkeit, sondern die Wirk182 So aber Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 326; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 18 Rn 62. 183 Mikorey, Probleme der Erledigung, S. 44. 184 Mikorey, Probleme der Erledigung, S. 43 f. iss Abweichend wohl Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 49, nach dem der Verwaltungsakt sich dann erledigt, „wenn der (potentielle) Anspruchsteller wegen inzwischen eingetretener Unmöglichkeit jedenfalls jetzt das nicht mehr erreichen kann, was er ursprünglich mit seinem Rechtsschutzbegehren erreichen wollte, bzw. mit einem Rechtsschutzbegehren erreichen wollen haben könnte". 186 Gegen eine Anwendung der Fortsetzungsfeststellungsklage auch Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 114 Rn 12 f; Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn 92.

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

samkeit des Verwaltungsaktes muss entfallen sein. Als Schwundform der Anfechtungsklage kann die Fortsetzungsfeststellungsklage nur dann zum Zuge kommen, wenn kein der gerichtlichen Aufhebung durch Anfechtungsurteil mehr zugänglicher Gegenstand besteht.

hh) Konsensuales Verhalten der Beteiligten Das Bundesverwaltungsgericht 187 hat eine Erledigung des Verwaltungsaktes auch dann angenommen, wenn alle Beteiligten übereinstimmend einen Verwaltungsakt als obsolet ansehen und davon ausgehen, dass die Sach- und Rechtslage auf dem Boden einer neuen „Geschäftsgrundlage" zu beurteilen ist. Ein Willen zum Verzicht sei dabei nicht notwendig, vielmehr konsensuales Verhalten hinreichend. Gegen die Beurteilung konsensualen Verhaltens als Erledigungsgrund erheben sich zahlreiche Bedenken. Als selbstbestimmter Verlustgrund äußerer Wirksamkeit setzt die Erledigung des Verwaltungsaktes voraus, dass der Tatbestand der intendierten Regelung nicht länger erfüllt und mithin eine Rechtsfolge nicht länger intendiert ist (s. o. 2.). Führte konsensuales Verhalten zur Erledigung, so müsste der Verwaltungsakt bereits dann keine Rechtsfolgen mehr intendieren, wenn alle Beteiligten irrtümlich annehmen, er intendiere keine Rechtsfolgen mehr. Unerfindlich ist, weshalb der Tatbestand der intendierten Regelung auf die unzutreffende Subsumtion unter seine eigenen Tatbestandsmerkmale abstellen sollte. 188 Konsensuales Verhalten führt deshalb nicht zur Erledigung des Verwaltungsaktes. 189 Dies verdeutlicht der Beispielsfall eines Bauvorbescheids. Der Nachbar ficht den Bauvorbescheid und die auf sie gestützte Baugenehmigung an. Im Anfechtungsprozess vertritt das Gericht in der mündlichen Verhandlung die unzutreffende Rechtsauffassung, „dass die Gültigkeit des Vorbescheids abgelaufen sei, da der Gegenstand der Baugenehmigung wegen unterschiedlicher Maße nicht mit demjenigen des Vorbescheids übereinstimme". Auf Anregung des Berufungsgerichts geben die Beteiligten ein verständliche prozessuale Erledigungserklärungen nach § 161 Abs. 2 VwGO ab. In Frage steht, ob sich auf den Vorbescheid eine neue Baugenehmigung stützen lässt. Insoweit dem Bau Vorbescheid als Verwaltungsakt äußere und innere Wirk187 BVerwG, Urt. v. 27. 3. 1998 - 4 C 11191 - NVwZ 1998, 729 (730), dazu Anm. Vahle, DVP 2000, 127. Im Ansatz zustimmend Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 43 Rn 37; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 18 Rn 59; M. Winkler, JA 1999, 194 (196). 188 Insbesondere stellte sich das Problem der Selbstreferenzialität. Führte konsensuales Verhalten selbst zur Erledigung, so müsste sich der Verwaltungsakt auch dann erledigen, wenn alle Beteiligten nur konsensual annehmen, dass alle Beteiligten konsensual annehmen, dass sich der Verwaltungsakt erledigt hat. 189 Im Ergebnis diesen Erledigungsgrund ebenso ablehnend Ruffert, BayVBl. 2003, 33 (39 f.); Ehlers, Verw 37 (2004), 255 (274).

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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samkeit zukommt, versperrt er - auch im Falle seiner Rechtswidrigkeit - den Blick auf die zugrunde liegende bauplanungsrechtliche Rechtslage. Der Bauvorbescheid könnte seine äußere und innere Wirksamkeit im Wege der Erledigung nach §§43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO verloren haben. Das Bundesverwaltungsgericht bejaht eine Erledigung durch konsensuales Verhalten der Beteiligten. Zur Begründung beruft sich das Gericht auf einen inneren Zusammenhang zwischen der Erledigung des Verwaltungsaktes nach § 43 Abs. 2 VwVfG und der in § 35 S. 1 VwVfG normierten Regelungsfunktion des Verwaltungsaktes. Dass der Verwaltungsakt auf eine Rechts Wirkung „gerichtet" ist, betone die Finalität des Verwaltungshandelns. Die Erledigung nach § 43 Abs. 2 VwVfG erfasse „gewissermaßen spiegelbildlich" den Fallbereich, in dem die dem Verwaltungsakt ursprünglich zukommende steuernde Funktion des Verwaltungshandelns nachträglich entfällt. Dieser Fortfall könne in unterschiedlicher Weise geschehen. Das Gesetz unterscheide hierbei zwischen einem eher formalisierten Handeln, das willentlich und zumeist einseitig auf die Aufgabe der steuernden Funktion des Verwaltungsaktes gerichtet ist, und solchen Rechtslagen, in denen nicht eine einseitige Handlung, sondern die Sach- und Rechtslage selbst zur Beendigung der ehemaligen Regelungswirkung führe. Als Beispiel nenne § 43 Abs. 2 Alt. 2 Var. 1 VwVfG den Zeitablauf, ohne damit jedoch andere Fälle auszuschließen. Die Erledigung „in anderer Weise" nach § 43 Abs. 2 Alt. 2 Var. 2 VwVfG sei als Auffangtatbestand des Verlusts der „Steuerungsfunktion" zu sehen. Bis hierhin kann den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zugestimmt werden. Bedenken ausgesetzt ist jedoch die Ansicht, zum Verlust der Steuerungsfunktion genüge der einverständliche Rechtsirrtum der Beteiligten, der Verwaltungsakt habe sich erledigt. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts geht die Steuerungsfunktion des Verwaltungsaktes auch dann verloren, wenn die als Behörde, Adressat, unmittelbar oder mittelbar Betroffenem Beteiligten dem Verwaltungsakt übereinstimmend keinerlei tatsächliche oder rechtliche Bedeutung mehr beimessen. Gegen eine solche Erledigung durch irrtümliche Annahme der Erledigung spricht die vom Bundesverwaltungsgericht bemühte Spiegelbildlichkeit zwischen der Regelungsintention des Verwaltungsaktes nach § 35 S. 1 VwVfG einerseits und dem Wirksamkeitsverlust nach § 43 Abs. 2 VwVfG andererseits. Nähme die irrtümliche Annahme der Erledigung dem nicht-erledigten Verwaltungsakt die Steuerungsfunktion, müsste vice versa die irrtümliche Annahme, der Verwaltungsakt habe sich nicht erledigt, dem erledigten Verwaltungsakt die Steuerungsfunktion erhalten. Doch genügt nach allgemeiner Ansicht zur Neubegründung der im Erledigungswege verlorenen Steuerungsfunktion nicht die irrtümliche Wissenserklärung der Beteiligten, der Verwaltungsakt habe sich nicht erledigt. Vielmehr bedarf es dazu eines neuen Verwaltungsaktes als Willenserklärung der Behörde. Deshalb können die Beteiligten auch nicht durch irrtümliche Wissenserklärung, der Verwaltungsakt habe sich erledigt, die Steuerungsfunktion des nicht erledigten Verwaltungsaktes ausräumen. Die Steuerungsfunktion, verstanden als das „Gerichtetsein"

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

auf Rechtsfolgen nach § 35 S. 1 VwVfG, 1 9 0 bildet ein voluntatives, kein lediglich intellektuelles Element des Verwaltungsaktes. Um die Intention einer Rechtsfolge zu beseitigen, ist die Behörde auf eine die frühere Willenserklärung abdingende neue Willenserklärung angewiesen. Als ein solcher actus contrarius kommt allein ein Aufhebungsakt in Betracht. Ist die Behörde der Auffassung, ein Verwaltungsakt habe sich erledigt, so kann sie - um sich des Verlusts der äußeren Wirksamkeit zu versichern - hilfsweise die Aufhebung des Verwaltungsaktes aussprechen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen der Aufhebung vorliegen. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen der Aufhebung nicht vor, so kann die Behörde ein Verbot amtswegiger Aufhebung nicht dadurch umgehen, dass sie die Erledigung des betreffenden Verwaltungsaktes irrtümlich bejaht. Auch die irrtümliche Annahme der Erledigung durch den Adressaten oder andere Betroffenen kann zum Verlust der Steuerungsfunktion des Verwaltungsaktes als Hoheitsaktes (§ 35 S. 1 VwVfG) nichts beitragen. Insbesondere kann der dispositionsbefugte Begünstigte den Verwaltungsakt im Wege des Verzichts durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung aufheben [s. o. I. 3. e)]. Eine bloße Wissenserklärung ist auch insoweit nicht genügend. Somit erledigt sich der Bauvorbescheid nicht durch irrtümliche Annahme seiner Erledigung. In bauplanungsrechtlicher Hinsicht ist deshalb die Baugenehmigung nicht vollständig überprüfbar.

b) Ereignisse bei nebenbestimmungsbehafteten

Verwaltungsakten

Der mit einer Nebenbestimmung nach § 36 Abs. 2 VwVfG behaftete Verwaltungsakt könnte einer Erledigung anheim fallen mit Eintritt einer ex nunc [aa)] oder ex tunc [bb)] auflösenden Bedingung, mit Eintritt eines zunächst noch ungewissen [cc)] oder von vornherein gewissen Endtermins [dd)], mit Ausübung eines Widerrufsvorbehaltes [ee)] oder mit Verstoß gegen eine Auflage [ff)].

aa) Eintritt einer ex nunc auflösenden Bedingung Der Eintritt einer auflösenden Bedingung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) ist in Übereinstimmung mit Rechtsprechung und Literatur 191 als Erledigungsgrund zu verstehen. Bei Punktverwaltungsakten ist eine ex nunc auflösende Bedingung nicht möglich, da in Zeitpunkten nach Erlass keine Rechtsfolge intendiert ist [s. o. 190 Das Konzept der „Steuerungsfunktion des Verwaltungsrechts" meinte ursprünglich in der rechtssoziologischen Diskussion die empirisch erfassbare Verhaltenssteuerung, nicht die rechtliche Verbindlichkeit, worauf das Bundesverwaltungsgericht die „Steuerungsfunktion des Verwaltungsaktes" bezieht, näher dazu Ruffert, BayVBl. 2003, 33 (34). 191 So ohne Begründung Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 101. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 194.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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C. III. 2. c)]. Bei Dauerverwaltungsakten bildet die ex nunc auflösende Bedingung ein negatives Tatbestandsmerkmal der intendierten Regelung. Denn infolge des Bedingungseintritts ist in nachfolgenden Zeitpunkten keine Rechtsfolge mehr intendiert [s. o. C. IV. 2. c)]. Somit verkürzt der Eintritt der ex nunc auflösenden Bedingung den zeitlichen Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes darauf, in vergangenen Zeitpunkten eine Rechtsfolge zu intendieren und führt daher zur Erledigung ex nunc. Dies verdeutlicht der Beispielsfall einer unter die auflösende Bedingung der Verlegung des Unternehmenssitzes gestellten Güterkraftverkehrsgenehmigung nach § 3 Abs. 2, Abs. 1 GüKG. 1 9 2 Mit Verlegung des Unternehmenssitzes tritt die ex nunc auflösende Bedingung ein, so dass sich die Güterkraftverkehrsgenehmigung ex nunc erledigt. Eine regulärwirkende Aufhebung ginge deshalb ins Leere. Konstruktiv möglich bleibt jedoch eine rückwirkende Aufhebung, so etwa eine mit Wirkung für die Vergangenheit ausgesprochene Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG wegen von Anfang an fehlender finanzieller Leistungsfähigkeit nach § 3 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2 GüKG.

bb) Eintritt einer ex tunc auflösenden Bedingung Einer ex tunc auflösenden Bedingung ist, infolge ihrer Rückwirkung auf den Erlasszeitpunkt, auch ein Punktverwaltungsakt zugänglich. Beispielsweise steht die antragsgemäße Entlassung aus der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 18 StAG nach § 24 StAG unter der ex tunc auflösenden Bedingung, dass der Betroffene die ihm zugesicherte fremde Staatsangehörigkeit nicht innerhalb eines Jahres nach der Entlassung erwirbt. Der Bedingungseintritt erledigt den Verwaltungsakt ex tunc. cc) Eintritt eines ungewissen Endtermins Der Eintritt des Endtermins des auflösend befristeten Verwaltungsaktes (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) wird in Rechtsprechung 193 und Literatur 194 oftmals als Erledigungsgrund angesehen, ohne dass zwischen von vornherein gewissen und zunächst noch ungewissen Endterminen differenziert wird. Die Beurteilung als 192 Sachverhalt in Anlehnung an BVerwG, Urt. v. 17. 9. 1987 - I C 15.85 - BVerwGE 78, 114 ff. 193 BVerwG, Urt. v. 3. 6. 1988 - 8 C 86.86 - BayVBl. 1988, 602 f.; Urt. v. 13. 12. 1991 8 C 65.90 - NVwZ-RR 1992, 250 (250); Beschl. v. 13. 10. 1999 - 6 B 122.98 - NVwZ-RR 2000, 324 (324); VGH BW, Urt. v. 20. 9. 1983 - 9 S 1596/82 - N V w Z 1984, 251. 194 Martersteig, Fortsetzungsfeststellungsklage?, S. 91 f.; Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 98; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 194; Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 144; Kopp /Ramsauer, VwVfG, § 43 Rn 40; Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 43 Rn 35; Gröpl, JA 1995, 903 (983, 987); Ehlers, JURA 2001, 415 (416 Fn 13); wohl auch Gebhardt-Benischke, Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines vor Klageerhebung erledigten Verwaltungsaktes, S. 13.

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Erledigungsgrund trifft auf den Eintritt eines im Erlasszeitpunkt ungewissen Endtermins zu. Eine auflösende Befristung auf einen zunächst ungewissen Endtermin ist bei Punktverwaltungsakten aus den selben Gründen ausgeschlossen wie eine ex nunc auflösende Bedingung [s. o. C. III. 2. b)-c)]. Bei Dauerverwaltungsakten bildet die auflösende Befristung auf einen zunächst ungewissen Endtermin ein negatives Tatbestandsmerkmal der intendierten Regelung. Denn infolge Eintritts der zunächst ungewissen Endtermins ist in Zeitpunkten nach dem Endtermin keine Rechtsfolge mehr intendiert [s. o. C. IV. 2. b)]. Somit verkürzt der Endterminseintritt den zeitlichen Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes darauf, in vergangenen Zeitpunkten eine Rechtsfolge zu intendieren und führt auf diese Weise zur Erledigung ex nunc. Ist beispielsweise eine Genehmigung auf die ungewisse Lebenszeit des Inhabers auflösend befristet, so erledigt sich die Genehmigung ex nunc, sobald der Inhaber stirbt. Der Erbe kann, selbst wenn die Genehmigung ihrer Art nach übergangsfähig war, von der Genehmigung keinen Gebrauch machen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 195 hat versucht, „für die Vergangenheit" eine Erledigung und infolgedessen die Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage zu bejahen, jedoch „für die Zukunft" eine Erledigung zu verneinen und den Betroffenen auf die Anfechtungsklage zu verweisen. Dieser Versuch kann bereits aus konstruktiven Gründen nicht gelingen. Zwar ist eine Erledigung ex nunc ohne Erledigung ex tunc denkbar, so dass insoweit teilweise die Fortsetzungsfeststellungsklage, teilweise weiterhin die Anfechtungsklage statthaft sein kann [s. o. 1. b) bb) (2)]. Doch ist umgekehrt eine Erledigung ex tunc ohne Erledigung ex nunc nicht möglich. Eine Erledigung „für die Vergangenheit" schließt notwendig eine Erledigung „für die Zukunft" ein. Denn ein „für die Vergangenheit" erledigter Verwaltungsakt kann gemäß §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO seine äußere Wirksamkeit nicht „für die Zukunft" wieder erlangen (dazu s. u. F. II.).

dd) Eintritt eines gewissen Endtermins Der Eintritt eines bereits im Erlasszeitpunkt gewissen Endtermins ruft - entgegen verbreiteter Auffassung 196 - keine Erledigung des Verwaltungsaktes hervor. Denn steht der Verwaltungsakt unter einer auflösenden Befristung auf einen von vornherein gewissen Endtermin, so läuft der zeitliche Regelungsgehalt zwar mit Eintritt dieses Endtermins ab, erfährt jedoch keine Verkürzung. Insoweit muss zwischen einer Erledigung des Verwaltungsaktes, die nach §§43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zum Verlust äußerer Wirksamkeit führt, und einem bloßen Veralten des Verwaltungsaktes, das den unverändert fortbestehenden zeitlichen Regelungsgehalt in die Vergangenheit rücken lässt, unterschieden werden. 195 VGH BW, Urt. v. 11. 12. 1990- 9 S 850/89 - NVwZ-RR 1991,479 (481 f.). 196 So die Ansicht, die nicht zwischen dem Eintritt eines ungewissen und dem Eintritt eines gewissen Endtermins differenziert, Nachweise s. o. cc).

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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Beispiel eines auf einen von vornherein gewissen Endtermin auflösend befristeten Punktverwaltungsaktes ist die Entlassung eines Zeitbeamten [s. o. 2. a) aa)]. Da das Beamtenverhältnis spätestens mit Ablauf der festgesetzten Dienstzeit endet, ist die Entlassung zwar für Zeiträume nach diesem Endtermin nicht intendiert. Doch beeinträchtigt der Eintritt dieses Endtermins den zeitlichen Regelungsgehalt der Entlassung nicht. Ungeachtet des Eintritts des Endtermins ist die Entlassung weiterhin im Erlasszeitpunkt für die festgesetzte Dienstzeit intendiert. Die Entlassung unterliegt deshalb mit Ablauf der festgesetzten Dienstzeit keiner Erledigung. Beispiel eines auf einen von vornherein gewissen Endtermin auflösend befristeten Dauerverwaltungsaktes ist das Verbot einer zu einem bestimmten Datum angesetzten Versammlung [s. o. 2. a) bb)]. Der Ablauf dieses Datums lässt den zeitlichen Regelungsgehalt des Versammlungsverbots unberührt. Das Versammlungsverbot ist nach wie vor im angesetzten Termin für den angesetzten Termin intendiert. Der Tatbestand der intendierten Regelung des auflösend befristeten Versammlungsverbotes ist ungeachtet des Eintritts des gewissen Endtermins im gleichen Maße wie zuvor erfüllt, mithin ist eine Rechtsfolge in gleichem Maße wie zuvor intendiert. Darin liegt der Unterschied zum Eintritt eines zunächst noch ungewissen Endtermins oder einer ex nunc auflösenden Bedingung, die beide zur Verkürzung des zeitlichen Regelungsgehaltes führen [dazu s. o. aa), cc)]. Das Versammlungsverbot fällt mit Ablauf des festgesetzten Versammlungstermins keiner Erledigung anheim. Ebenso haftet der für eine bestimmte Tages- oder Jahreszeit erteilten Genehmigung eine auflösende Befristung auf einen von vornherein gewissen Endtermin an [s. o. C. IV. 2. a)]. Die periodische Genehmigung erfährt mit Ablauf der bestimmten Tages- oder Jahreszeit keine Erledigung i. S. d. §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO, sondern bleibt mit unverändertem zeitlichen Regelungsgehalt wirksam. ee) Ausübung eines Widerrufsvorbehaltes Der Widerruf aufgrund Widerrufsvorbehalts kann zumindest gemäß den allgemeinen Ermächtigungen des § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 und Alt. 2 VwVfG lediglich mit Wirkung für die Zukunft ausgesprochen werden. 197 Ein Punktverwaltungsakt wird durch eine Aufhebung ex nunc nicht erreicht (s. o. C. II. 1.). Deshalb begegnet der Widerrufsvorbehalt ausschließlich bei Dauerverwaltungsakten. Der verwaltungsaktförmige Vorbehalt des Widerrufs (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG) könnte als Spielart der auflösenden Bedingung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) verstanden werden. 198 Ob dieses Verständnis zutrifft, kann hier offen bleiben und ist an 197

Zum Widerruf mit Wirkung auch für die Vergangenheit ermächtigt hingegen etwa § 49 Abs. 3 VwVfG 198 So etwa Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn 5; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 7.

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

späterer Stelle zu erörtern [dazu s. u. F. IV. 2 c)]. Denn mit Ausübung des Widerrufsvorbehaltes verliert der Hauptverwaltungsakt seine äußere Wirksamkeit nach §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO bereits im Wege der Aufhebung. Ein Verlust äußerer Wirksamkeit im Wege der Erledigung ist deshalb mit Ausübung des Widerrufsvorbehaltes jedenfalls nicht verbunden.

ff) Verstoß gegen eine Auflage Die Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG) berührt im Unterschied zur Bedingung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) nicht die durch den Hauptverwaltungsakt intendierte Rechtsfolge. Weder „suspendiert" die Auflage die Hauptregelung nach Art einer aufschiebenden Bedingung, noch „resolviert" die Auflage die Hauptregelung in der Weise einer auflösenden Bedingung. 199 Ein Dauerverwaltungsakt zielt bereits in Zeitpunkten vor Erfüllung der Auflage auf eine Rechtsfolge ab und auch noch in Zeitpunkten nach Verstoß gegen die Auflage. Nur aus diesem Grund vermag ihn der auf einen Auflagenverstoß gestützter Widerruf ex nunc gemäß § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwVfG noch zu erreichen. Der Auflagenverstoß erledigt den Dauerverwaltungsakt nicht ex nunc. Ein Punktverwaltungsakt zielt allein in einem Zeitpunkt auf eine Rechtsfolge ab. Deshalb ist zweifelhaft, ob überhaupt die Beifügung einer Auflage denkbar und sinnvoll ist. Jedenfalls erledigt ein etwaiger Auflagenverstoß den Punktverwaltungsakt nicht ex nunc, da der Punktverwaltungsakt einer Erledigung ex nunc nicht zugänglich ist.

c) Ereignisse bei befehlenden Verwaltungsakten

Ein befehlender Verwaltungsakt könnte der Erledigung unterliegen, wenn die durch ihn erzeugte Pflicht verletzt [aa)] oder aber in reversibler [bb)] oder irreversibler Weise [cc)] erfüllt wird.

199 Lediglich die aufschiebende Bedingung im Blick hatte Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 3., S. 231: „Die Bedingung nämlich suspendirt, zwingt aber nicht, der Modus zwingt, suspendirt aber nicht." Denn das Römische Recht kannte keine auflösende Bedingung, s. Bork, in: Staudinger, BGB, Vorbem. zu §§ 158-163, Rn 1. Diese „Suspension" der aufschiebenden Bedingung hat nichts mit dem Suspensiveffekt oder auch mit der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gemein. Bedenklich deshalb Henneke, in: Knack, VwVfG, § 36 Rn 33, der bezüglich der Befristung oder Bedingung von „aufschiebender Wirkung (Suspensiveffekt)" und „auflösender Wirkung (Resolutiveffekt)" spricht.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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aa) Verletzung der Pflicht aus dem Verwaltungsakt Intendierte Rechtsfolge des befehlenden Verwaltungsaktes ist die Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten (s. o. B. II. 2.). Die Verletzung der erzeugten Pflicht berührt deren Bestand nicht, führt insbesondere nicht zur Erledigung des befehlenden Verwaltungsaktes. Denn auch ein Verhalten, das nicht ist, kann doch gesollt sein. Ein „Rechtsbruch" beseitigt nicht das Recht, sondern ruft lediglich gewisse Unrechtsfolgen (Sanktionen) hervor. 200

bb) Reversible Erfüllung der Pflicht aus dem Verwaltungsakt Zunächst scheint die Erfüllung der durch befehlenden Verwaltungsakt erzeugten Pflicht, wenigstens in geeigneten Fällen, zur Erledigung des Verwaltungsaktes zu führen. 201 Insbesondere könnte die Erfüllung dem Eintritt einer auflösenden Bedingung entsprechen, die wie gezeigt, den Verwaltungsakt ex nunc erledigt [s. o. b) aa)]. Nahe gelegt wird diese Gleichsetzung durch Formulierungen wie in der Vorschrift des § 57 Abs. 3 VwVG NRW 2 0 2 . Danach dürfen Zwangsmittel zur Durchsetzung der Pflicht aus einem Verwaltungsakt „angewandt und solange wiederholt und gewechselt werden, bis der Verwaltungsakt befolgt worden ist oder sich auf andere Weise erledigt hat." Dabei führt neben der freiwilligen Befolgung der Pflicht aus dem Verwaltungsakt die zwangsweise Vollstreckung zur Erfüllung. Indessen zielt der befehlende Verwaltungsakt als Rechtsakt nicht auf einen tatsächlichen, sondern lediglich auf einen rechtlichen Erfolg ab (s. o. B. II. 2.). Der befehlende Verwaltungsakt verpflichtet zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen, zwingt aber nicht physisch zu dem abgeforderten Verhalten. Nur dann, wenn man den das Verhalten erzwingenden Realakt mit dem Verwaltungsakt gleichsetzt, „bedeutet der Vollzug notwendig die Erledigung". Eine solche Gleichsetzung trifft jedoch in ihrer Allgemeinheit nicht zu. 2 0 3 Anders als der Eintritt einer auflösenden Bedingung [dazu s. o. b) aa)] führt zumindest die reversible Erfüllung der Pflicht aus dem Verwaltungsakt nicht zur Erledigung des befehlenden Verwaltungsaktes. Als Dauerverwaltungsakt zielt der befehlende Verwaltungsakt noch in Zeitpunkten nach Erlass auf eine Rechtsfolge ab (s. o. C. II. 1.-2.). Der Eintritt einer auflösenden Bedingung verkürzt den zeit200

So kennzeichnet Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 118 f., das „Unrecht als eine Bedingung, nicht als eine Negation des Rechts". Allerdings „bedingt" das Unrecht das Recht nicht in dem Sinne, dass die Befolgung den Befehl erledigt, dazu s. u. bb)-cc). 201 So dezidiert Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn 586; Gröpl, JA 1995, 903 (983, 987). 202 Eine entsprechende Bestimmung fehlt allerdings etwa in der bundesrechtlichen Parallelvorschrift des § 9 VwVG. 2 03 Wie hier Renck, JuS 1970,113 (115).

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

liehen Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes, da infolge des Bedingungseintritts in den dem Bedingungseintritt nachfolgenden Zeitpunkten keine Verpflichtung mehr intendiert ist [s. o. C. IV. 2. c)]. Demgegenüber lässt die Erfüllung der Pflicht aus dem Verwaltungsakt dessen zeitlichen Regelungsgehalt unberührt. Denn ungeachtet der Erfüllung der Pflicht zielt der befehlende Verwaltungsakt in Zeitpunkten nach Erfüllung weiterhin auf eine Verpflichtung ab. Nur aus diesem Grund kann der bereits erfüllte befehlende Verwaltungsakt noch einer regulärwirkenden Aufhebung oder Erledigung anheim fallen. Verhält sich der durch einen befehlenden Verwaltungsakt in die Pflicht Genommene in der befohlenen Weise, so bleibt die Verpflichtung zu diesem Verhalten unberührt. Auch eine erfüllte Pflicht ist eine Pflicht. Dass dies kein hohler Verbalismus ist, verdeutlicht der Beispielsfall, in dem die Behörde den Eigentümer zur Überlassung einer Sache verpflichtet. Erfüllt der Betroffene nolens volens die ihm durch sofort vollziehbaren Verwaltungsakt auferlegte Pflicht, stehen ihm dennoch Anfechtungswiderspruch nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO und Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO offen. Die Überlassungsverfügung hat sich durch die reversible Erfüllung weder im materiellen Sinne des § 43 Abs. 2 Alt. 2 VwVfG, noch im prozessualen Sinne des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO erledigt. 204 Der ungeachtet der Erfüllung wirksam bleibende befehlende Verwaltungsakt dient weiterhin als Rechtsgrund der Vermögensverschiebung vom Eigentümer an den Verwaltungsträger der Behörde 2 0 5 Die Überlassungsverfügung ist einer gerichtlichen oder behördlichen Aufhebung, einschließlich einer Aufhebung ex nunc noch zugänglich. Eine regulärwirkende Aufhebung zöge für die Zukunft einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch auf Herausgabe der geleisteten Sache nach sich. Die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage gegen einen vollzogenen befehlenden Verwaltungsaktes bestätigt die Vorschrift des § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO, die eine Verknüpfung der Anfechtungsklage mit einem Leistungsantrag auf Beseitigung der Vollzugsfolgen ermöglicht. 206

204 Göpfert, Fortsetzungsfeststellungsklage, S. 61 f., Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 124.; Renck, JuS 1970, 113 (115); Ehlers, JURA 2001, 415 (417); Ruffert, BayVBl. 2003, 33 (37). 205 Marter steig, Fortsetzungsfeststellungsklage, S. 90. 206 So bereits OVG RP, Urt. v. 20. 11. 1996-8 A. 13546/95 - NVwZ 1997, 1009 (1009); Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rn 88; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 18 Rn 61; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 314; Pietzner/Ronellenfltsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, § 27 Rn 24 f.; Renck, JuS 1970, 113 (115); Ehlers, JURA 2001,415 (416); Erichsen, JURA 2004,49 (50). Die von Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 84 f., vorgebrachten Bedenken, dass § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO die Aufhebbarkeit nicht begründet, sondern voraussetzt, vermögen dieses Argument nicht zu entwerten. Denn da § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO die Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes voraussetzt, liefe diese Vorschrift leer, wenn bereits die Vollziehung zur Unaufhebbarkeit führte.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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cc) Irreversible Erfüllung der Pflicht aus dem Verwaltungsakt Ist die Erfüllung der Pflicht aus dem Verwaltungsakt unumkehrbar, so tritt sie gleichzeitig mit einer Erledigung des Verwaltungsaktes ein, folgt jedoch nicht aus ihr. 2 0 7 Vielmehr beruhen Erfüllung und Erledigung in diesem Fall schlicht auf dem gleichen Ereignis, ohne selbst in innerem Zusammenhang zu stehen. Beispielsweise führt der durch eine bauaufsichtsrechtliche Beseitigungsverfugung befohlene Abriss eines Bauwerks nicht nur zur Erfüllung der durch den Verwaltungsakt begründeten Pflicht, sondern unabhängig davon auch zur Erledigung ex nunc des Verwaltungsaktes, da der in Bezug genommene Gegenstand entfällt [dazu s. o. a) ee)]. Die Erledigung ex nunc tritt mit jedem Untergang des betroffenen Bauwerks ein, beruhe dieser nun auf menschlichem Verhalten, etwa der freiwilligen Befolgung oder der zwangsweisen Durchsetzung des Abrissgebots, oder auf einem Naturereignis, etwa einem Blitzschlag. Einer Erledigung ex tunc fällt die Beseitigungsanordnung demgegenüber nicht anheim. Denn in vergangenen Zeitpunkten ist weiterhin die Verpflichtung intendiert, das damals noch bestehende Bauwerk zu beseitigen. Insbesondere dient die Beseitigungsanordnung als Grundverfügung weiterhin der Rechtfertigung etwaiger bereits getroffener Vollstreckungsmaßnahmen. So lässt sich ein Ersatzanspruch für die Kosten einer Ersatzvornahme auf die Beseitigungsverfügung stützen. 208

207

So aber Mikorey, Probleme der Erledigung, S. 62, 65. Zutreffend demgegenüber Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 85; Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht, S. 175. 208 Von der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage gegen die bereits vollstreckte Grundverfügung, solange diese noch als Grundlage für einen Kostenersatzanspruch denkbar ist, gehen auch aus VGH BW, Beschl. v. 19.5. 1981 - 3 S 2320/80 - VB1BW. 1981, 325 (325); Beschl. v. 20. 10. 1992 - 10 S 2707/91 - NVwZ 1993, 1014 (1014); OVG NRW, Urt. v. 4.11.1996 - 10 A 3363 / 92 - BauR 1997,455 (456 f.); Urt. v. 4.11.1996 - 10 A 3363 / 92 NWVB1.1997,218 (219); Martersteig, Fortsetzungsfeststellungsklage, S. 90; Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 82 ff., 90, 96; Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, § 27 Rn 25; Richter/Schuppert/Bumke, Casebook Verwaltungsrecht, S. 126; Bosch/Schmidt, Praktische Einf., S. 303; Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn 102,104. Tendenziell auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 200; Ehlers, JURA 2001,415 (416). Ablehnend OVG Schleswig, Urt. v. 20. 10. 1992 - 4 L 73/92 - NJW 1993, 2004 (2004); Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 113 Rn 88; Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 128 ff., die sich darauf berufen, dass ein über die vollstreckte Verpflichtung selbst hinausgehender Regelungsgehalt fehlt. Zwar trifft zu, dass intendierte Rechtsfolge allein eine Verpflichtung (beispielsweise zur Beseitigung eines Bauwerks) ist. Doch handelt es sich bei dem Kostenersatzanspruch um eine lediglich akzidentielle Rechtsfolge des Verwaltungsaktes, die im Wege der Tatbestandswirkung an die fortbestehende intendierte Rechtsfolge des Verwaltungsaktes anknüpft, s. o. B. III. 1. b) bb) (2). 13 Stein weg

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes d) Ereignisse bei gestaltenden Verwaltungsakten

Bringt der gestaltende Verwaltungsakt die mit ihm intendierte Gestaltung hervor, so führt dies, unabhängig von einer Dauerwirkung des Verwaltungsaktes, nicht zur Erledigung. Ein gestaltender Punktverwaltungsakt, beispielsweise eine Ernennung zum Beamten, zielt nur in einem Zeitpunkt auf eine Rechtsfolge ab. Ist die intendierte Rechtsfolge erreicht, etwa die Begründung des Beamtenverhältnisses, so bedarf es ihrer nicht mehr. Deshalb ist in späteren Zeitpunkten keine Rechtsfolge mehr intendiert. Dies führt jedoch nicht i. S. d. §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zur Erledigung des Ernennungsverwaltungsaktes. Vielmehr ist das Beamtenverhältnis nur deshalb weiterhin als kraft Ernennung begründet zu beurteilen, weil äußere und innere Wirksamkeit des Ernennungsverwaltungsaktes fortbestehen. Ein gestaltender Dauerverwaltungsakt, beispielsweise eine Gestattung [s. o. C. II. 3. c)], zielt noch in Zeitpunkten nach Erlass auf eine Rechtsfolge ab. Mit Fortschreiten in der Zeit rückt der zeitliche Regelungsgehalt des Dauerverwaltungsaktes in die Vergangenheit, bleibt jedoch unverändert bestehen. Etwa bleiben äußere und innere Wirksamkeit des Genehmigungsverwaltungsaktes auch insoweit erhalten, wie die Gestattung der betroffenen Tätigkeit in vergangenen Zeitpunkten für damals gegenwärtige Zeiträume intendiert ist. Eine in der Vergangenheit aufgrund der Gestattung ausgeübte Tätigkeit ist nur dann rückwirkend als rechtswidrig zu beurteilen, wenn die Gestattung ex tunc entfällt. Die Gestattung ist einer Aufhebung weiterhin fähig und bedürftig, obwohl ihre Gestaltungswirkung auch bereits früher eingetreten ist.

e) Ereignisse bei feststellenden

Verwaltungsakten

Der feststellende Verwaltungsakt erledigt sich nicht schon dann, wenn die Sachund Rechtslage, deren Feststellung er intendiert, eine Änderung erfährt. Zweck des feststellenden Verwaltungsaktes als eines grundsätzlich rechtsfehlerunabhängigen Rechtsaktes ist es, den Blick auf die wahre Sach- und Rechtslage entbehrlich zu machen. Dieser Zweck wäre verfehlt, wenn die Feststellung nur für den Fall intendiert ist, dass sie mit der wahren Sach- und Rechtslage übereinstimmt.

f) Ereignisse bei akzessorischen Verwaltungsakten

Ein akzessorischer Verwaltungsakt steht und fällt mit dem ihn regierenden Hauptverwaltungsakt. 209 Die innere Wirksamkeit des Hauptverwaltungsaktes bil209 Zur Akzessorietät siehe etwa Hanf Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f., in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 152 f., Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 204.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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det ein Tatbestandsmerkmal der intendieren Regelung des akzessorischen Verwaltungsaktes. Eine Rechtsfolge ist mit dem akzessorischen Verwaltungsakt nur in solchen Zeitpunkten intendiert, in denen dem Hauptverwaltungsakt innere Wirksamkeit zukommt. Ein akzessorischer Punkt- oder Dauerverwaltungsakt erledigt sich demgemäß ex tunc, wenn der Hauptverwaltungsakt ex tunc entfällt. Ein akzessorischer Dauerverwaltungsakt erledigt sich ex nunc, wenn der Hauptverwaltungsakt ex nunc entfällt. 210 Dies verdeutlicht der Beispielsfall der mit einer Baugenehmigung verbundenen Auflage, einen Geldbetrag zur Ablösung von der Stellplatzpflicht zu leisten. Hilft die Bauaufsichtsbehörde einem Widerspruch des Nachbarn ab, so hebt sie ausschließlich die Baugenehmigung rückwirkend auf, da nur diese den Nachbarn belastet und deshalb Gegenstand des Widerspruchsverfahrens ist. Doch steht die Zahlungsauflage als Nebenbestimmung zur Baugenehmigung als Hauptregelung im Verhältnis der Akzessorietät. 211 Infolge Fortfalls ex tunc der Baugenehmigung ist in keinem Zeitpunkt mehr die Auferlegung einer Zahlungspflicht intendiert. Die Zahlungsauflage fällt einer rückwirkenden Erledigung anheim. Allgemein erledigt sich der akzessorische Verwaltungsakt ex tunc mit Aufhebung ex tunc des Hauptverwaltungsaktes. 212 Weiteres Beispiel eines akzessorischen Verwaltungsaktes ist der Widerspruchsbescheid im Verhältnis zum Ausgangsverwaltungsakt. Kassiert das Gericht den Ausgangsverwaltungsakt, so entfällt der Bezugsgegenstand von Widerspruch und Widerspruchsbescheid, so dass dieser obsolet wird. 2 1 3 Beispiel eines akzessorischen Verwaltungsaktes ist ferner eine Folgeernennung, die sich auf eine Ernennung zum Beamten stützt. Wird die Beamtenernennung rückwirkend zurückgenommen, so entfällt der Bezugspunkt der Folgeernennung, die infolgedessen gegenstandlos wird. 2 1 4

g) Ereignisse bei vorläufigen

Verwaltungsakten

Die Vorläufigkeit eines Verwaltungsaktes verhält sich spiegelbildlich zur Akzessorietät eines Verwaltungsaktes. Während der akzessorische Verwaltungsakt nur solange eine Rechtsfolge intendiert, wie dem zugehörigen Hauptverwaltungsakt innere Wirksamkeit zukommt [s. o. f)], zielt der Verwaltungsakt nur solange auf 210

Demgegenüber sind Punktverwaltungsakten einer Erledigung ex nunc, insbesondere durch Fortfall ex nunc des Hauptverwaltungsaktes nicht zugänglich, da in Zeitpunkten nach Erlass ohnehin keine Rechtsfolge intendiert wird, es insbesondere nicht auf die weitere Entwicklung des Hauptverwaltungsaktes ankommen kann. 211 Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f., in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn 33 f.; Ehlers, VerwArch 67 (1976), 369 (375). 212 So bereits Ehlers, Liber amicorum Erichsen, S. 1 (7). 2 '3 Bettermann, NJW 1958, 81 (82), ferner Dawin, NVwZ 1987, 872 (873). SächsOVG, Beschl. v. 29. 7. 1997 - 2 S 94/96 - SächsVBl. 1998, 35 (37 f.).

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

196

eine Rechtsfolge ab, wie es an einem innerlich wirksamen endgültigen Verwaltungsakt fehlt. Der vorläufige Verwaltungsakt steht unter ex tunc auflösender Bedingung auf den Erlass des endgültigen Verwaltungsaktes [s. o. C. EI. 2. d), IV. 2. d)]. Der vorläufige Verwaltungsakt erledigt sich mit Erlass des endgültigen rückwirkend. Deshalb wird auch von einer Ersetzung des vorläufigen durch den endgültigen Verwaltungsakt gesprochen. 215 Weil dieser Wirksamkeitsverlust nicht auf einer Aufhebung des vorläufigen Verwaltungsaktes 216, sondern auf dessen Erledigung beruht 217 , ist die Ersetzung insbesondere nicht an den Verboten amtswegiger Aufhebung nach §§ 48 ff. VwVfG oder besonderer Vorschriften zu messen. 218 Dies wird z. T. als der praktisch entscheidende Gesichtspunkt der Vorläufigkeit erachtet. 219 Auf diese Weise bildet der vorläufige Verwaltungsakt keinen dauerhaften Rechtsgrund. 220

h) Ereignisse bei vorsorglichen

Verwaltungsakten

Wahrend der vorläufige Verwaltungsakt unter ex tunc auflösender Bedingung auf den Erlass des endgültigen Verwaltungsaktes steht, ist der vorsorgliche Verwaltungsakt auf den Erlass des bevorsorgten Verwaltungsaktes ex tunc aufschiebend bedingt [s. o. C. III. 1. d), IV. 1. d)]. Der Erlass des bevorsorgten Verwaltungsaktes führt deshalb nicht zur Erledigung des vorsorglichen Verwaltungsaktes. Beispielsweise war in dem Fall, den das Bundesverwaltungsgericht 221 zum Anlass genom215

Schimmelpfennig, Vorläufige Verwaltungsakte, S. 90; Kemper, Der vorläufige Verwaltungsakt, S. 206; F. J. Kopp, Vorläufiges Verwaltungsverfahren und Vorläufiger Verwaltungsakt, S. 136; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 35; Aehringhaus, Netzzugangsregelungen und ihre behördliche Durchsetzung, S. 147; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn 63 b. 2 »6 So aber anscheinend Peine, DÖV 1986, 849 (850), der jedoch im Ergebnis zutreffend die Anwendung der Rücknahmeschranken ausschließt. 217 BVerwG, Beschl. v. 19. 12. 1997 - 8 B 244/97 - BVerwG, NVwZ-RR 1998, 577 (578); BFH, Urt. v. 24. 1. 1995 - V I I R 144/92 - BFHE 177, 8 (13); Beschl. v. 3. 7. 1995 GrS - BFHE 178, 11 (14 f.); OVG NRW, Urt. v. 28. 9. 1990 - 15 A 708/88 - NVwZ 1991, 588 f. Kemper, Der vorläufige Verwaltungsakt, S. 204 f.; ders., DVB1. 1989, 981 (985); Erfmeyer, DÖV 1998, 459 (460); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 37, 48, 199; Kopp /Ramsauer, VwVfG, § 48 Rn 18; Tiedemann, DÖV 1981, 786 (790 f.); Götz, JuS 1983, 924 (927); Erfmeyer, DÖV 1998, 459 (460); z. T. auch F. J. Kopp, DVB1. 1989, 238 (239 ff.); ders., Vorläufiges Verwaltungsverfahren und Vorläufiger Verwaltungsakt, S. 136. Den rückwirkenden Charakter dieser Erledigung zutreffend hervorhebend Losch, NVwZ 1995, 235 (237). 218 Richter/Schuppert/Bumke, Casebook Verwaltungsrecht, S. 150 f., weisen in diesem Zusammenhang zutreffend auf die Umgehungsgefahr hin, eine nicht zulässige Aufhebung durch die Vorläufigkeit entbehrlich zu machen. 2 19 Schrömbges, ZfZ 1997,419 (425). 22

° Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 427 f. i BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1988 - 5 C 67/85 - BVerwGE 81, 84 ff.

22

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

17

men hat, die Figur des vorsorglichen Verwaltungsaktes zu entwickeln, die Verweigerung der Zustimmung zur Kündigung gerade dann rückwirkend intendiert, wenn das Versorgungsamt den Betroffenen als schwerbehindert anerkannt hat, mithin den bevorsorgten Verwaltungsakt erlassen hat.

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis sind einzelne Erledigungsgründe bei verschiedenen Arten des Verwaltungsaktes festzuhalten: Punktverwaltungsakt

Dauerverwaltungsakt

(Konstruktiv ausgeschlossen) (Konstruktiv ausgeschlossen) Erledigung ex tunc

Erledigung ex nunc

(Konstruktiv ausgeschlossen) Erledigung ex tunc

Erledigung ex nunc

Keine Erledigung

Keine Erledigung

Keine Erledigung

Keine Erledigung

Keine Erledigung

Keine Erledigung

Keine Erledigung

Keine Erledigung

(Konstruktiv ausgeschlossen) (Konstruktiv ausgeschlossen) Erledigung ex tunc

Erledigung ex nunc

(Konstruktiv ausgeschlossen) Keine Erledigung

Keine Erledigung

Bei befehlenden Verwaltungsakten - Erfüllung der Pflicht aus dem Verwaltungsakt

(Konstruktiv ausgeschlossen)

Keine Erledigung

Bei gestaltenden Verwaltungsakten - Eintritt der intendierten Gestaltung

Keine Erledigung

Keine Erledigung

Bei Verwaltungsakten jedweder Art - Fortfall ex nunc der betroffenen Person ohne Rechtsnachfolger - Fortfall ex nunc der betroffenen Person mit Rechtsnachfolger - Fortfall ex tunc der betroffenen Personen - Fortfall ex nunc des betroffenen Gegenstandes - Fortfall ex tunc des betroffenen Gegenstandes - Fortfall der gesetzlichen Erlassvoraussetzungen - Eintritt der gesetzlichen Erlassvoraussetzungen - Konsensuales Verhalten der Beteiligten Bei nebenbestimmungsbehafteten Verwaltungsakten - Eintritt eines von vornherein gewissen Endtermins - Eintritt eines zunächst noch ungewissen Endtermins - Eintritt einer ex nunc auflösenden Bedingung - Eintritt einer ex tunc auflösenden Bedingung - Ausübung eines Widerrufsvorbehaltes - Verstoß gegen eine Auflage

Erledigung ex nunc Erledigung ex tunc

Erledigung ex tunc

Erledigung ex nunc Erledigung ex tunc

Keine Erledigung

18

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Bei feststellenden Verwaltungsakten - Änderung der festgestellten Sach- oder Rechtslage Bei akzessorischen Verwaltungsakten - Fortfall ex tunc des Hauptverwaltungsaktes - Fortfall ex nunc des Hauptverwaltungsaktes Bei vorläufigen Verwaltungsakten - Ersetzung durch den endgültigen Verwaltungsakt Bei vorsorglichen Verwaltungsakten - Erlass des bevorsorgten Verwaltungsaktes

Punktverwaltungsakt

Dauerverwaltungsakt

Keine Erledigung

Keine Erledigung

Erledigung ex tunc

Erledigung ex tunc

(Konstruktiv ausgeschlossen)

Erledigung ex nunc

Erledigung ex tunc

Erledigung ex tunc

Keine Erledigung

Keine Erledigung

F. Gewinn der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt Diese Untersuchung beschränkt sich auf Maßnahmen, die nicht nur im formellen Sinne des § 9 VwVfG, sondern auch im materiellen Sinne des § 35 VwVfG Verwaltungsakte sind [s. o. B. I. 2. b)]. Ausgehend von dieser Beschränkung stimmen die Voraussetzungen der äußeren Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt mit den Voraussetzungen des Erlasses selbst überein (s. o. D. I.). Jeder i. S. d. § 9 Halbs. 2 Alt. 1 VwVfG erlassene Verwaltungsakt besitzt daher im Erlasszeitpunkt äußere Wirksamkeit mit einem bestimmten Inhalt. Dennoch kann der Verwaltungsakt in Zeitpunkten nach Erlass an äußerer Wirksamkeit gewinnen. Zwar rufen die Heilung von Bekanntgabemängeln (sofern eine solche möglich ist) oder auch die erstmalige Vornahme der Bekanntgabe einen solchen Gewinn äußerer Wirksamkeit im Vergleich zum Erlasszeitpunkt nicht hervor. Denn in solchen Fällen gewinnt der Verwaltungsakt äußere Wirksamkeit nicht nach Erlass hinzu, sondern erst durch Erlass i. S. d. § 9 Halbs. 2 Alt. 1 VwVfG. Indessen kann der aufgehobene Verwaltungsakt durch Fortfall der Aufhebung (I.) und der erledigte Verwaltungsakt durch Fortfall der Erledigung (II.) seine verlorene äußere Wirksamkeit wieder erlangen. Ferner kann im Wege der Umdeutung die äußere Wirksamkeit des an die Stelle des Ausgangsverwaltungsaktes tretenden Ersatzverwaltungsaktes begründet werden (III.). Schließlich kommt ein Gewinn äußerer Wirksamkeit durch Reformation des Verwaltungsaktes in Betracht (IV.).

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

1

I. Wiederherstellung des aufgehobenen Verwaltungsaktes Der Verwaltungsakt erlangt die zwischenzeitlich im Wege der Aufhebung nach §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO verlorene äußere Wirksamkeit wieder, indem die Aufhebung in einem späteren Zeitpunkt ihrerseits entfällt. Die Aufhebung des Verwaltungsaktes ist die intendierte Rechtsfolge eines fremden, in den Bestand des Verwaltungsaktes eingreifenden Aufhebungsaktes (s. o. E. I. 2.). Näher in Betracht kommen soll hier die Aufhebung des Verwaltungsaktes durch einen anderen Verwaltungsakt [dazu s. o. E. I. 3. a)]. Jedoch lassen sich die nachstehenden Ausführungen mutatis mutandis auf andere Formen des Aufhebungsaktes [dazu s. o. E. I. 3. b)-e)] übertragen. Der Aufhebungs(verwaltungs)akt kann die Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsaktes nur bewirken, insofern ihm selbst innere Wirksamkeit zukommt. Ein Fortfall der Aufhebung erscheint dann möglich, wenn der Aufhebungsakt seine äußere und innere Wirksamkeit im Wege der Aufhebung (1.) oder Erledigung (2.) oder seine innere Wirksamkeit auf sonstige Weise (3.) verliert. 1. Aufhebung des Aufhebungsaktes Unter Vorgriff auf den erst hier zu erbringenden Beweis, wurde oben festgestellt, dass ein Aufhebungs(verwaltungs)akt seinerseits zwar einer Aufhebung ex tunc, aber keiner Aufhebung ex nunc zugänglich ist [s. o. C. II. 3. b)]. Demzufolge kann der Verwaltungsakt die im Wege der Aufhebung verlorene äußere Wirksamkeit lediglich durch Aufhebung ex tunc des Aufhebungsaktes wiedererlangen. Zum Beweis dieser Behauptung muss einerseits danach unterschieden werden, ob der Aufhebungsakt eine rückwirkende oder eine regulärwirkende Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsaktes bewirkt hatte und andererseits danach, ob der Aufhebungsakt seinerseits einer rückwirkenden oder einer regulärwirkenden Aufhebung anheim fällt. Zu untersuchen sind mithin die Aufhebung ex tunc des rückwirkenden Aufhebungsaktes [a)], die Aufhebung ex nunc des regulärwirkenden Aufhebungsaktes [b)], die Aufhebung ex tunc des regulärwirkenden Aufhebungsaktes [c)] sowie die Aufhebung ex nunc des rückwirkenden Aufhebungsaktes [d)].

a) Aufhebung ex tunc des rückwirkenden

Aufliebungsaktes

Die Aufhebung ex tunc des ursprünglichen Verwaltungsaktes führt gemäß §§43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zu einem rückwirkenden Verlust äußerer Wirksamkeit [s. o. E. I. 1. a)]. Der betroffene Verwaltungsakt besitzt deshalb im Zeitpunkt der Aufhebung rückwirkend für den Zeitraum ab Erlass keine äußere Wirksamkeit mehr. Da die Vorschriften der §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO das Ende der äußeren Wirksamkeit anordnen, ohne Vorkehrungen für einen Wiederbeginn

200

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

der äußeren Wirksamkeit zu treffen, scheint der ursprüngliche Verwaltungsakt mit der - zumal ex tunc wirkenden - Aufhebung unwiederbringlich verloren zu sein. So kann nach einer älteren Auffassung der ursprüngliche Verwaltungsakt durch Aufhebung der Aufhebung aus einem „rechtlichen Nichts... nicht wieder ins Leben gerufen werden". 222 Beschränkt hat sich diese Auffassung meist auf den unanfechtbaren Aufhebungsakt. 223 Ist der ursprüngliche Verwaltungsakt unanfechtbar beseitigt, sei der Aufhebungsakt seinerseits „erschöpft" und „gegenstandslos",224 was auf den gestaltenden Charakter des Aufhebungsaktes zurückgeführt wird. 2 2 5 Jedoch treffen diese Einwände nicht die Aufhebung ex tunc des Aufhebungsaktes. Denn diese beseitigt rückwirkend die Fähigkeit, den Ausgangsverwaltungsakt aufzuheben. Im Zeitpunkt nach der Aufhebung ex tunc des Aufhebungsaktes ist der Ausgangsverwaltungsakt deshalb als niemals aufgehoben zu beurteilen. Mangels Aufhebung hat der Verwaltungsakt rückwirkend niemals seine äußere Wirksamkeit nach §§43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO verloren. Es bedarf keines Neubeginns äußerer Wirksamkeit, da die äußere Wirksamkeit niemals beendet worden ist. Einer Aufhebung ex tunc des Aufhebungsaktes steht ferner dessen gestaltender Charakter nicht entgegen. Denn die intendierte Rechtsfolge des Aufhebungsaktes muss wenigstens eine juristische Sekunde zur Entfaltung gelangen, um die Aufhebung des Ausgangsverwaltungsaktes bewirken zu können. So folgen der Eintritt der äußeren Wirksamkeit des Ausgangsverwaltungsaktes, die Bewirkung der Aufhebung ex tunc durch den Aufhebungsakt sowie der Verlust ex tunc der äußeren Wirksamkeit des Ausgangsverwaltungsakt einander im Abstand je einer juristischen Sekunde, innerhalb der selben physischen Sekunde. Im Zeitpunkt, in dem die Aufhebung ausgesprochen wird, fehlt es nicht an einem aufhebbaren Gegenstand. Hat der Aufhebungsakt die Aufhebung des Ausgangsverwaltungsaktes bewirkt, bleibt die Aufhebung des Ausgangsverwaltungsaktes nur deshalb bewirkt, weil der Aufhebungsakt im Zeitpunkt seines Erlasses weiterhin die Aufhebung intendiert. Nur weil der Aufhebungsakt sich nicht erledigt, besteht ein Bedürfnis, ihn seinerseits zu beseitigen. Überdies ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die obige Auffassung auf die Unanfechtbarkeit des Aufhebungsaktes abstellt, obwohl der Eintritt dessen intendierter Rechtsfolge, d. h. das Bewirken der Aufhebung des Ausgangsverwal222 Während das OVG Münster, Urt. v. 20. 8. 1958 - I I I A 94/58 - OVGE 14, 11 (13) explizit lediglich den (nicht-rückwirkenden) Widerruf des Widerrufs ausschließt, misst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I., S. 271, der fehlenden Rückwirkung des Widerrufs des Widerrufs keine entscheidende Bedeutung zu. 223 OVG Münster, Urt. v. 20. 8. 1958 - I I I A 94/58 - OVGE 14, 11 (13); BayVGH, VerwRspr. 5 (1953), 648 (651 f.); VGH BW, Urt. v. 24. 9. 1959 - 1 S 20/59 - VerwRspr. 13 (1961), 616 (617). 224 VGH BW, Urt. v. 24. 9. 1959 - 1 S 20/59 - VerwRspr. 13 (1961), 616 (617). 225 OVG Münster, Urt. v. 20. 8. 1958 - III A 94/58 - OVGE 14,11 (13).

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

1

tungsaktes, keine Unanfechtbarkeit voraussetzt. 226 Die konstruktive Möglichkeit der Aufhebung eines unanfechtbaren Aufhebungsverwaltungsaktes ist somit nicht anders zu beurteilen als die der Aufhebung eines anfechtbaren Aufhebungsverwaltungsaktes. Verwaltungsaktförmige Aufhebungsakte sind beispielsweise der Abhilfebescheid nach § 72 VwGO und der stattgebende Widerspruchsbescheid nach § 73 VwGO [s. o. E. I. 3. a)]. Nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO kann der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid isoliert zum Gegenstand einer Anfechtungsklage gemacht und mithin gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO durch Anfechtungsurteil ex tunc aufgehoben werden. Was die Beseitigung der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes angeht, unterscheidet sich die behördliche Aufhebung nicht von der gerichtlichen Aufhebung. Nicht die rechtstechnische Konstruierbarkeit (Können), sondern allenfalls die rechtliche Zulässigkeit (Dürfen) der gerichtlichen oder behördlichen Aufhebung ex tunc des Aufhebungsverwaltungsaktes kann somit in Frage stehen. Schließlich kann der vereinzelt gebliebenen Auffassung nicht gefolgt werden, eine Aufhebung des Aufhebungsaktes sei zwar möglich, könne aber die Aufhebungswirkung nicht zerstören, sondern nur eine Novation des ursprünglichen Aktes bewirken. 227 Die Aufhebung des Aufhebungsaktes setzt an diesem an, nicht an dem infolge der Aufhebung zwischenzeitlicher keiner Einwirkung zugänglichen Ausgangsverwaltungsakt. 228 Der Ausgangsverwaltungsakt gewinnt durch die Aufhebung ex tunc des Aufhebungsaktes äußere Wirksamkeit nur in dem Umfang zurück, wie er sie zuvor verloren hat. Ansonsten stünde sich der Adressat eines begünstigenden Verwaltungsaktes nach Aufhebung der Aufhebung besser als der Adressat eines nicht aufgehobenen Verwaltungsaktes. Folge der rückwirkenden Aufhebung des Aufhebungsaktes ist nicht weniger, aber auch nicht mehr, als die Aufhebung ungeschehen zu machen. Unberührt bleibt die Fähigkeit der Behörde, statt der Aufhebung des Aufhebungsaktes die Neuvornahme eines dem aufgehobenen Verwaltungsakt inhaltsgleichen Verwaltungsaktes auszusprechen.

b) Aufhebung ex nunc des regulärwirkenden

Aufhebungsaktes

Die Aufhebung ex nunc der Aufhebung ex nunc wird zumeist anhand des Beispiels des Widerrufs des Widerrufs diskutiert. Denn anders als die Rücknahme eines bereits rechtswidrig erlassenen Verwaltungsaktes ist der Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes grundsätzlich auf Wirkung für die Zukunft beschränkt. So enthielt das Verwaltungsverfahrensgesetz ursprünglich keine Ermäch226 s. bereits Ibler, NVwZ 1993,451 (452). 227 Erbguth, Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte, S. 155 f. 228 Die Aufhebung der Aufhebung setzt nicht am Ausgangsverwaltungsakt an. Der Akt wird nicht eigentlich „wiederbelebt", sondern ist als niemals aufgehoben zu beurteilen. Der ablehnenden Haltung Erbguths, Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte, S. 25 ff., gegenüber einem Fortfall der Aufhebung ist dadurch der Boden entzogen.

202

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

tigung zu einem Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit. Auch heute besteht in § 49 Abs. 3 VwVfG eine solche Ermächtigung nur für einen Teilbereich, im Übrigen ist der Widerruf gemäß § 49 Abs. 1, Abs. 2 VwVfG nur mit Wirkung für die Zukunft zulässig. Die überwiegende Auffassung sieht den Widerruf (ex nunc) des Widerrufs (ex nunc) durch die Möglichkeit „verdrängt", den Ausgangsverwaltungsakt neu zu erlassen. 229 Dabei wird nicht immer deutlich, ob die rechtstechnische Konstruierbarkeit (Können) oder erst die rechtliche Zulässigkeit (Dürfen) eines Widerrufs des Widerrufs ausgeschlossen wird. 2 3 0 Nach der Gegenauffassung genießt umgekehrt der Widerruf des Widerrufs Vorrang vor dem Neuerlass des Ausgangsverwaltungsaktes, damit die Widerrufsgrenzen des § 49 Abs. 2 VwVfG nicht umgangen werden. 231 Diese Gegenauffassung bejaht die behördliche Befugnis zum Widerruf des Widerrufs, ohne die behördliche Fähigkeit zum Widerruf des Widerrufs darzulegen. Der ursprüngliche Verwaltungsakt verliert mit der Aufhebung ex nunc seine äußere Wirksamkeit für den nachfolgenden Zeitraum [s. o. E. I. 1. b)]. Die Vorschriften der §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ordnen das Ende der äußeren Wirksamkeit an, ohne Vorkehrungen für einen Neubeginn äußerer Wirksamkeit zu treffen. Insbesondere nennt das Gesetz die Aufhebung des Aufhebungsaktes nicht als Grund für ein Wiedererlangen der verlorenen äußeren Wirksamkeit. Dies ist unschädlich, insofern der Aufhebungsakt ex tunc aufgehoben wird, da in diesem Fall der ursprüngliche Verwaltungsakt rückwirkend als nicht aufgehoben zu beurteilen ist [s. o. a)]. Indessen geht eine Aufhebung ex nunc des Aufhebungsaktes ins Leere. Denn, da nicht mehr aufgehoben werden kann, was bereits aufgehoben ist, intendiert der Aufhebungsakt die Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsaktes allein in einem Zeitpunkt. Der Aufhebungsakt verzehrt sich mit der einmaligen Aufhebung des betroffenen Verwaltungsaktes selbst 232 und ist ebenso Punktverwaltungsakt wie die den Beamtenstatus begründende Ernennung oder die den Beamtenstatus entziehende Entlassung [dazu s. o. C. II. 3. a)]. Der Aufhebungsakt ist auch dann keiner Aufhebung ex nunc zugänglich, wenn er selbst den ursprünglichen Verwaltungsakt lediglich ex nunc aufgehoben hat. So ist beispielsweise der Umstand, dass dem Betroffenen nach dem Widerruf ex nunc einer Erlaubnis die erlaubnispflichtige Tätigkeit auf Dauer verwehrt ist, intendierte Rechtsfolge des Gesetzes, das die Tätigkeit einer Erlaubnispflicht unterstellt, nicht aber des Widerrufs, der sich in der 229

W. Jellinek,

Verwaltungsrecht, S. 281 f.; Maurer,

Allgemeines Verwaltungsrecht, 11

Rn 20. 230 Zwischen Dürfen und Können wird unzureichend getrennt etwa von Ule /Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 61 Rn 12. Ibler, NVwZ 1993, 451 (452 f.). Kothe, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 108 Rn 18, geht von der Möglichkeit einer gerichtlichen Aufhebung ex nunc eines Widerrufs aus. 232 BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1967 - 1 C 1.67 - BVerwGE 28, 292 (294).

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

einmaligen Umgestaltung der Rechtslage erschöpft. 233 Eine Aufhebung ex nunc des Aufhebungsaktes ist mithin konstruktiv ausgeschlossen, ein Wiedererlangen der verlorenen äußeren Wirksamkeit auf diesem Wege nicht möglich.

c) Aufhebung ex tunc des regulärwirkenden

Aufhebungsaktes

Einer Aufhebung ex tunc ist der Aufhebungsakt auch dann zugänglich, wenn er selbst den ursprünglichen Verwaltungsakt lediglich ex nunc aufgehoben hat. Die Überlegungen zur Aufhebung ex tunc der Aufhebung ex tunc [dazu s. o. a)] finden entsprechende Anwendung. Der betroffene Ausgangsverwaltungsakt ist im Zeitpunkt der Aufhebung als ex nunc aufgehoben zu beurteilen, im Zeitpunkt der Aufhebung des Aufhebungsaktes jedoch rückwirkend als nicht aufgehoben und deshalb gemäß §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO als weiterhin äußerlich wirksam. Der ex nunc aufgehobene Verwaltungsakt erlangt die zwischenzeitlich verlorene äußere Wirksamkeit mithin rückwirkend auf den Aufhebungszeitpunkt zurück. d) Aufhebung ex nunc des rückwirkenden

Aufhebungsaktes

Ebenso wie die Aufhebung ex nunc der Aufhebung ex nunc [dazu s. o. b)], geht auch die Aufhebung ex nunc einer Aufhebung ex tunc in Leere. Der Aufhebungsakt erschöpft sich in der einmaligen Aufhebung ex tunc des Ausgangsverwaltungsaktes, ist deshalb einer Aufhebung ex nunc nicht zugänglich. Der ex tunc aufgehobene Verwaltungsakt kann die ex tunc verlorene äußere Wirksamkeit mithin nicht durch Aufhebung ex nunc des Aufhebungsaktes wieder erlangen.

2. Erledigung des Aufhebungsaktes Der Aufhebungsakt kann statt einer Aufhebung auch einer Erledigung anheim fallen. Da eine Erledigung nach §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zu den gleichen Rechtsfolgen wie eine Aufhebung führt, finden die Überlegungen zur Aufhebung des Aufhebungsaktes [s. o. 1. a) - d)] entsprechende Anwendung auf die Erledigung des Aufhebungsaktes. Insoweit der Aufhebungsakt aufgehoben werden kann, ist auch eine Erledigung des Aufhebungsaktes möglich. Demgemäß kommen eine Erledigung ex tunc der Aufhebung ex tunc sowie eine Erledigung ex tunc der Aufhebung ex nunc in Betracht. Indessen gehen die Erledigung ex nunc der Aufhebung nunc und die Erledigung ex nunc der Aufhebung ex tunc ins Leere. Beispielsweise erledigt sich die Entziehung eines wehrrechtlichen Sicherheitsbe233 BVerwG, Beschl. v. 22. 7. 1982 - 3 B 36.82 - Buchholz 418.21 ApBO Nr. 4 S. 3 f.; zust. Bähr, Die maßgebliche Rechts- und Sachlage, S. 54 f.; Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 215; Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f., in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 35 Rn 149.

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

scheides nicht dadurch, dass ein Sicherheitsbescheid erneut erteilt wird. 2 3 4 Allenfalls mag mit der Neuerteilung das Rechtsschutzbedürfnis entfallen, die Entziehung des alten Sicherheitsbescheides weiterhin anzufechten. Im Falle der Erledigung ex tunc des Aufhebungsaktes ist der Ausgangsverwaltungsakt im Aufhebungszeitpunkt als aufgehoben zu beurteilen, im Zeitpunkt der Erledigung des Aufhebungsaktes jedoch rückwirkend als niemals aufgehoben. Da rückwirkend keine Aufhebung stattgefunden hat, dauert die äußere Wirksamkeit des Ausgangsverwaltungsaktes gemäß §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO an. Der Veranschaulichung diene der Beispielsfall eines Abhilfebescheids, der mit Rücksicht auf einen Bebauungsplan eine vom Nachbarn angefochtene Baugenehmigung aufhebt. Stellt die Behörde die Aufhebung unter die ex tunc auflösende Bedingung, das in einem anhängigen Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V. m. § 10 Abs. 1 BauGB die Nichtigkeit des Bebauungsplans festgestellt wird, so erledigt sich die Aufhebung rückwirkend, wenn diese Bedingung eintritt. Der Abhilfebescheid hatte die Baugenehmigung rückwirkend aufgehoben, so dass die Baugenehmigung zwischenzeitlich rückwirkend nach §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ohne äußere und innere Wirksamkeit war. Zwar lässt die gerichtliche Nichtigerklärung einer Rechtsnorm, ungeachtet ihrer Allgemeinverbindlichkeit nach § 47 Abs. 5 S. 2 Halbs. 2 VwGO, die äußere und innere Wirksamkeit der auf ihr beruhenden Verwaltungsakte grundsätzlich unberührt. Grundsätzlich verlieren die Beruhensakte allenfalls ihre Rechtmäßigkeit. Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes steht seiner Rechtswirksamkeit nur ausnahmsweise entgegen (s. u. G. I. 4.). Doch hat im vorliegenden Fall die Behörde an der Aufhebung der Baugenehmigung durch den Abhilfebescheid für den Fall nicht festhalten wollen, dass der die Rechtmäßigkeit der Aufhebung tragende Bebauungsplan für nichtig erklärt wird. Gewollt ist, dass der Abhilfebescheid die Baugenehmigung rückwirkend unangetastet lässt, sofern der Bebauungsplan für nichtig erklärt wird. Die Aufhebung ist rückwirkend in keinem Zeitpunkt für keinen Zeitraum mehr intendiert. Mangels Aufhebung dauert die äußere Wirksamkeit der Baugenehmigung nach §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO fort.

3. Sonstiger Verlust innerer Wirksamkeit des Aufhebungsaktes Der Aufhebungsakt kann die Aufhebung des betroffenen Ausgangsverwaltungsaktes nur bewirken, wenn er selbst nicht nur äußere, sondern auch innere Wirksamkeit besitzt. Verliert der Aufhebungsakt rückwirkend seine innere Wirksamkeit, so ist der Ausgangsverwaltungsakt als niemals aufgehoben zu beurteilen und besitzt 234 So aber BVerwG, Beschl. v. 4. 3. 1976 - 1 . WB 54.74 - BVerwGE 53, 134 (136); Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 100.

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

deshalb gemäß §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO äußere Wirksamkeit. Hingegen geht ein Verlust ex nunc innerer Wirksamkeit des Aufhebungsaktes ebenso ins Leere wie ein Verlust ex nunc äußerer Wirksamkeit durch Aufhebung oder Erledigung (dazu s.o. 1.-2.). Eine Wiederherstellung des ursprünglichen Verwaltungsaktes ist mithin nur durch einen ex tunc wirkenden Verlust innerer Wirksamkeit des Aufhebungsaktes möglich. Die Voraussetzungen, unter denen ein Verwaltungsakt rückwirkend seine innere Wirksamkeit verliert, werden an späterer Stelle ermittelt (s. u. H.). Dennoch soll bereits an dieser Stelle ein Beispielsfall angegeben werden. Widerruft die Aufsichtsbehörde die einem Gastwirt erteilte Gaststättenerlaubnis wegen nachträglicher Unzuverlässigkeit gemäß § 15 Abs. 2, 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG, so ist der Gastwirt weiterhin zum Betrieb der Gaststätte berechtigt, wenn er den Widerruf anficht. Die Aufsichtsbehörde hatte dem Gastwirt die nach § 2 Abs. 1 S. 1 GastG erforderliche Erlaubnis im Wege des Widerrufs genommen. Indessen entfalten AnfechtungsWiderspruch und Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO aufschiebende Wirkung, da der Widerruf weder aufgrund Gesetzes noch aufgrund behördlicher oder gerichtlicher Anordnung sofort vollziehbar ist. Mit Eintritt der aufschiebenden Wirkung verliert der angefochtene Verwaltungsakt rückwirkend seine innere Wirksamkeit (dazu s. u. H. m . 1.). Mangels Aufhebung dauern die äußere und auch die innere Wirksamkeit der Gaststättenerlaubnis nach §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO fort. Der Gastwirt ist deshalb vorerst zum Betrieb der Gaststätte berechtigt. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ergeben sich die Folgen und Voraussetzungen einer Wiederherstellung des aufgehobenen Verwaltungsaktes: Folgen des Wiederherstellung des aufgehobenen Verwaltungsaktes Rückwirkender Fortfall der Aufhebung ex tunc - Wiedergewinn der ex tunc verlorenen äußeren und inneren Wirksamkeit Rückwirkender Fortfall der Aufhebung ex nunc - Wiedergewinn der ex nunc verlorenen äußeren und inneren Wirksamkeit Voraussetzungen der Wiederherstellung des aufgehobenen Verwaltungsaktes Rückwirkender Fortfall der Aufhebung ex tunc oder der Aufhebung ex nunc - Aufhebung ex tunc des Aufhebungsaktes - Erledigung ex tunc des Aufhebungsaktes - Sonstiger Verlust ex tunc der inneren Wirksamkeit des Aufhebungsaktes

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

II. Wiederherstellung des erledigten Verwaltungsaktes Ein erledigter Verwaltungsakt scheint, anders als ein aufgehobener Verwaltungsakt (dazu s. o. I.), seine verlorene Wirksamkeit nicht wieder erlangen zu können. 235 Was einmal erledigt ist, kann sich nicht „ent-erledigen". Folge der Erledigung ist gemäß §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO der Verlust äußerer Wirksamkeit. In Zeitpunkten nach der Erledigung besteht deshalb kein Verwaltungsakt mehr. Doch regelt der Verwaltungsakt den erstmaligen Gewinn, den Verlust und ebenso das Wiedererlangen seiner äußeren Wirksamkeit nicht selbst. Vielmehr ordnet die Einordnungsnorm die äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes mit einer bestimmten intendierten Regelung an (s. o. B. II. 3.). Deshalb liegt es auch an der (nicht selbst von der Erledigung ergriffenen) Einordnungsnorm, den erledigten Verwaltungsakt wiederherzustellen. Allerdings sehen die Vorschriften der §§43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO nicht vor, dass der erledigte oder auch aufgehobene Verwaltungsakt die äußere Wirksamkeit wiedererlangt. Dies hindert jedoch lediglich einen regulärwirkenden Fortfall der Aufhebung, nicht einen rückwirkenden Fortfall der Aufhebung (s. o. I.). Ebenso möglich ist dementsprechend ein Fortfall ex tunc der Erledigung. 236 Entfallt die Erledigung ex tunc, so ist der betroffene Verwaltungsakt rückwirkend als niemals erledigt zu beurteilen, besitzt mithin nach §§43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ungeschmälert äußere Wirksamkeit. Die Erledigung unterscheidet sich von der Aufhebung darin, nicht auf einem von außen in den Bestand des Verwaltungsaktes eingreifenden fremden Rechtsakt zu beruhen (s. o. E. II. 2.). Es fehlt an einem besonderen, die Erledigung bewirkenden Erledigungsakt, der aufgehoben werden oder sich seinerseits erledigen könnte. Indessen kann das die Erledigung auslösende Ereignis rückwirkend beseitigt werden und auf diesem Wege die Erledigung rückwirkend entfallen. Dies verdeutlicht der Beispielsfall einer Sondernutzungserlaubnis auf Widerruf gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 StrWG NRW (vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 FStrG), die einen Ladeninhaber berechtigt, auf dem Bürgersteig vor seinem Geschäft Waren feilzubieten. Die Sondernutzungserlaubnis berechtigt zur Nutzung einer öffentlichen Straße, in einer Weise, die den Jedermann gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 StrWG NRW (vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 FStrG) gestatteten Gemeingebrauch übersteigt. Zumindest eine auf Widerruf gewährte Sondernutzungserlaubnis ist nur so lange intendiert, wie die betreffende Straße ihre Eigenschaft als öffentliche Straße nicht verliert. Dies belegt die Vorschrift des § 7 Abs. 7 S. 1 StrWG NRW (vgl. § 2 Abs. 7. S. 1 FStrG), nach 235 So HessVGH, Beschl. v. 16. 3. 1999 - 10 TZ 325/99 - ESVGH 49, 188 (189 f.); Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 43 Rn 180. 236 Deshalb trifft hinsichtlich des rückwirkenden Fortfalls der Erledigung die Argumentation nicht zu, sie scheide mangels besonderer Regelungen aus. So aber Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 180, der dennoch zugleich die Möglichkeit eines rückwirkenden Fortfalls der Aufhebung bejaht, obwohl auf Grundlage dieser Argumentation auch dieser scheitern müsste.

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der die Einziehung zum Fortfall widerruflicher Sondernutzungserlaubnisse führt. Wird der betreffende Straßenabschnitt gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 StrWG NRW (vgl. § 5 Abs. 3 FStrG) entwidmet, ist mithin keine Sondernutzungserlaubnis mehr intendiert und eine Erledigung ex nunc eingetreten. Hebt das Gericht jedoch die angefochtene Einziehung nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO auf, so ist der Straßenabschnitt rückwirkend als nicht entwidmet und die Sondernutzungserlaubnis rückwirkend als nicht erledigt zu beurteilen. Mangels Erledigung dauern äußere und innere Wirksamkeit der Sondernutzungserlaubnis nach §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO fort und ist der Ladeninhaber wiederum zur Sondernutzung berechtigt. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis können die Folgen und Voraussetzungen einer Wiederherstellung des erledigten Verwaltungsaktes festgehalten werden: Folgen der Wiederherstellung des erledigten Verwaltungsaktes Rückwirkender Fortfall der Erledigung ex tunc - Wiedergewinn der ex tunc verlorenen äußeren und inneren Wirksamkeit Rückwirkender Fortfall der Erledigung ex nunc - Wiedergewinn der ex nunc verlorenen äußeren und inneren Wirksamkeit Voraussetzungen der Wiederherstellung des erledigten Verwaltungsaktes - Rückwirkender Fortfall des erledigenden Ereignisses

I I I . Umdeutung des Verwaltungsaktes Dem Institut der Umdeutung des Verwaltungsaktes kommt im Allgemeinen nur geringe Bedeutung zu. Dennoch darf es an einer korrekten dogmatischen Einordnung nicht fehlen. Gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt (Ausgangsverwaltungsakt) in einen anderen Verwaltungsakt (Ersatzverwaltungsakt) umgedeutet werden. Darzulegen sind zunächst der Verlust äußerer Wirksamkeit durch den Ausgangsverwaltungsakt und der Gewinn äußerer Wirksamkeit durch den Ersatzverwaltungsakt als Folgen der Umdeutung [a)]. Sodann sind die Voraussetzungen der Umdeutung zu ermitteln [b)].

1. Folgen der Umdeutung Erkenntnisleitend ist die Fragestellung, inwieweit § 47 Abs. 1 VwVfG den Ersatzverwaltungsakt, in den umgedeutet wird, zutreffend als „anderen Verwaltungsakt" bezeichnet und inwieweit der Ersatzverwaltungsakt dem der Umdeutung unterworfenen Ausgangsverwaltungsakt gleicht. Die Folgen der Umdeutung könnten verwaltungsverfahrensrechtlicher, materiellrechtlicher oder prozessrechtlicher Art sein.

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Das ursprüngliche Verwaltungsverfahren, dessen Abschluss gemäß § 9 Halbs. 2 Alt. 1 VwVfG der Erlass des Ausgangsverwaltungsaktes bildet, wird im Zuge der Umdeutung nicht wieder eröffnet. Dass die Umdeutung nicht den Erlassvorgang (die Erzeugung des Verwaltungsaktes), sondern lediglich das Erlassergebnis (den mit einer bestimmten intendierten Regelung erzeugten Verwaltungsakt) betrifft, belegen die Vorschriften über die Umdeutungsvoraussetzungen. Denn da die Umdeutung nicht mit dem Neuerlass eines Verwaltungsaktes verbunden ist, muss zum einen gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG bereits der ursprüngliche Erlassvorgang den in formeller Hinsicht (Zuständigkeit, Verfahren und Form) an den Ersatzverwaltungsakt gestellten Rechtmäßigkeitsanforderungen genügen. Zum anderen kann gemäß § 47 Abs. 3 VwVfG eine gebundene Entscheidung deshalb nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden, weil die fehlende Ausübung von Ermessen nur im Wege des Neuerlasses, jedoch nicht im Wege der Umdeutung nachholbar ist. Somit ist in verwaltungsverfahrensrechtlicher Hinsicht der Ersatzverwaltungsakt mit dem Ausgangsverwaltungsakt identisch. Nicht folgenlos ist die Umdeutung hingegen in materieller sowie in prozessualer Hinsicht. In Zeitpunkten vor der Umdeutung kann der Ausgangsverwaltungsakt durch die Behörde oder auch das Gericht aufgehoben werden, ist mithin der Ausgangsverwaltungsakt einerseits durch die Verbote amtswegiger Aufhebung nach §§ 48 ff. VwVfG und besonderen Vorschriften geschützt, andererseits nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO tauglicher Gegenstand einer Anfechtungsklage. In Zeitpunkten nach der Umdeutung ist der Ausgangsverwaltungsakt einer behördlichen oder gerichtlichen Aufhebung weder fähig, noch bedürftig, statthafte Rechtsschutzform gegen den Ausgangsverwaltungsakt mithin die Fortsetzungsfeststellungsklage. Die Umdeutung führt mithin gemäß §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zum rückwirkenden Verlust der äußeren Wirksamkeit des Ausgangsverwaltungsaktes. Dieser Verlust äußerer Wirksamkeit ist nicht in der intendierten Regelung des Ausgangsverwaltungsaktes selbst angelegt, beruht daher nicht auf einer Erledigung (dazu s. o. E. II. 2.), sondern auf einer Aufhebung des Verwaltungsaktes. 237 Als Aufhebungsakt, der in den Bestand des Ausgangsverwaltungsaktes eingreift, kommt zum einen die Erklärung der Umdeutung (beispielsweise durch die Behörde), zum anderen das die Umdeutung in § 47 Abs. 1 VwVfG regelnde Gesetz in Betracht. Ob die Umdeutungserklärung oder das Gesetz selbst die Umdeutung und damit die Aufhebung des Ausgangsverwaltungsaktes bewirkt, wird als Frage nach den Voraussetzungen der Umdeutung an späterer Stelle nachgegangen [s. u. 2. a)]. Der Ersatzverwaltungsakt, als der „andere Verwaltungsakt", in den umgedeutet wird, tritt in materieller und prozessualer Hinsicht an die Stelle des entfallenden Ausgangsverwaltungsaktes. Obwohl die Umdeutung nicht den Vorgang des Erlasses des Verwaltungsaktes betrifft, ergreift sie doch das Ergebnis dieses Erlasses. Zu zeigen ist, dass die Umdeutung mit einem Austausch der intendierten Regelung 237

Insoweit auch Hans Meyer, in: ders. / Borgs, VwVfG, § 47 Rn 9.

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einhergeht, der Ersatzverwaltungsakt mithin einen anderen Inhalt als der Ausgangsverwaltungsakt aufweist. 238 Zwar ist der Ersatzverwaltungsakt in wirtschaftlicher Betrachtung ein minus gegenüber dem Ausgangsverwaltungsakt. In diesem Sinne trifft die - im Übrigen missverständliche - Aussage zu, dass der entstehende Ersatzverwaltungsakt im Ausgangsverwaltungsakt „enthalten" ist. 2 3 9 Doch ist in rechtlicher Betrachtung der Ersatzverwaltungsakt gegenüber dem Ausgangsverwaltungsakt ein aliud. Der Ersatzverwaltungsakt intendiert eine Rechtsfolge nicht in geringerer Quantität als der Ausgangsverwaltungsakt, sondern in anderer Qualität. So setzt § 47 Abs. 1 VwVfG nicht die Teilidentität des Ersatzverwaltungsaktes mit dem Ausgangsverwaltungsakt voraus, sondern lediglich die Zielgleichheit des umzudeutenden Verwaltungsaktes mit dem „anderen" Verwaltungsakt. Auch bestimmt § 47 Abs. 2 S. 1 VwVfG nicht, dass die Rechtsfolgen des Ersatzverwaltungsaktes keine anderen sein dürften als die des Ausgangsverwaltungsaktes. Nur dürfen sie für den Betroffenen nicht ungünstiger sein. Zudem ist die Rücknehmbarkeit des Ausgangsverwaltungsaktes nach § 47 Abs. 2 S. 2 VwVfG eine lediglich notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung der Umdeutung. Wäre die Umdeutung nichts anderes als eine Teilrücknahme des fehlerhaften Ausgangsverwaltungsaktes, die diesen auf den rechtskonformen Ersatzverwaltungsakt beschränkt, wäre nicht einzusehen, warum die Umdeutbarkeit gemäß § 47 VwVfG an weitere Voraussetzungen geknüpft ist. Dies bestätigt die zivilrechtliche Parallel Vorschrift des § 140 BGB. Diese Vorschrift konkretisiert den allgemeinen Rechtsgedanke der Umdeutung (Konversion) für Privatrechtsgeschäfte. Nach § 140 BGB gilt an Stelle eines nichtigen Rechtsgeschäfts, das die Erfordernisse eines anderen Rechtsgeschäftes erfüllt, dieses andere Rechtsgeschäft, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde. Im Gegensatz geht eine inhaltliche Beschränkung des fehlerhaften ursprünglichen Rechtsgeschäfts auf eine rechtskonforme Teilregelung aus einem Umkehrschluss zu § 139 BGB hervor; danach führt die Nichtigkeit eines Teils des Rechtsgeschäfts dann nicht zur Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäftes, wenn anzunehmen ist, dass das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Demgemäß besitzt der entstehende Ersatzverwaltungsakt eine andere intendierte Regelung als der entfallende Ausgangsverwaltungsakt. 240 Dem Verwaltungsakt wird nicht lediglich eine andere Begründung unterlegt. 241 Ausgewechselt wird der 238

Übereinstimmend Gerhardt,

in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 113

Rn 22. 239

So Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 44. *o BVerwGE, Urt. v. 10. 6. 1981 - 8 C 15.81 - BVerwGE 62, 300 (306); Beschl. v. 5. 2. 1993, 7 B 107/92 - NVwZ 1993, 976 (977); BGH, Beschl. v. 28. 9. 1999 - KVR 29/96 NVwZ 2000, 833 (834); Wirth, Umdeutung fehlerhafter Verwaltungsakte, S. 219 ff.; Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 47 Rn 9; Weyreuther, DÖV 1985, 126 (130 f.); Brischke, DVB1. 2002,429 (430). 2 4i So aber J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn 23. 2

Steinweg

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

„Spruch" des Verwaltungsaktes innerhalb des gleichbleibenden „Mantels". 242 Da der Ausgangsverwaltungsakt seine äußere Wirksamkeit ex tunc verliert, muss der Ersatzverwaltungsakt ex tunc äußere Wirksamkeit gewinnen, um dessen Stelle einzunehmen. In Zeitpunkten nach der Umdeutung ist der Ersatzverwaltungsakt mithin einerseits durch die Verbote amtswegiger Aufhebung nach §§ 48 ff. VwVfG und besonderen Vorschriften geschützt, andererseits nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO tauglicher Gegenstand einer Anfechtungsklage. Allerdings ist die Anfechtungsklage wenigstens grundsätzlich gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO mangels Rechtswidrigkeit des Ersatzverwaltungsaktes unbegründet oder sogar - mangels Möglichkeit einer Rechtsverletzung - gemäß § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO unzulässig. Praktische Relevanz mag der Anfechtbarkeit des Ersatzverwaltungsaktes hingegen zukommen, insoweit sie gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens die behördliche Überprüfung des rechtmäßigen Ersatzverwaltungsaktes am Maßstab der Zweckmäßigkeit eröffnet. 243

2. Voraussetzungen der Umdeutung Unter welche Voraussetzungen die Umdeutungsfolgen eintreten ist zunächst eine Frage nach dem rechtstechnischen Mechanismus, in dem sich die Umdeutung von Verwaltungsakten gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG vollzieht [a)]. Da sich die Umdeutung kraft Gesetzes, ausgelöst mit der Erklärung der Umdeutung vollzieht, betreffen die Voraussetzungen zum einen die Umdeutungserklärung [b)], zum anderen die Umdeutungslage [c)].

a) Umdeutungsmechanismus

Zunächst kommt in Betracht, dass die Umdeutung kraft Gesetzes eintritt, sobald die gesetzliche Umdeutungslage gegeben ist, ohne dass es einer Umdeutungserklärung bedarf. 244 Eine etwaige spätere Umdeutungserklärung könnte die ohnehin vollzogene Umdeutung lediglich deklarieren, jedoch weder konstituieren noch aus242 Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rn 22. 243 Die Umdeutung zieht keine Änderung des Prozessgegenstandes nach sich (so aber Badura, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 38 Rn 44), denn der Ersatzverwaltungsakt tritt in prozessualer ebenso wie in materieller Hinsicht rückwirkend an die Stelle des Ausgangsverwaltungsaktes. 244 So Laubinger, VerwArch 78 (1987), 345 (351); wohl auch Janßen, in: Obermayer, VwVfG, § 47 Rn 5. Nicht konsequent Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 47 Rn 15, der eine Umdeutungserklärung einerseits für entbehrlich erachtet, andererseits für erforderlich, damit die Staatsorgane aus dem Ersatzverwaltungsakt rechtliche Folgen ziehen. Ebenfalls nicht schlüssig Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 44, nach dem einerseits die Umdeutung „nur noch festgestellt zu werden braucht", andererseits die Umdeutung von der Behörde „vorgenommen" wird.

F. Gewinn der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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lösen. Da die gesetzliche Umdeutungslage regelmäßig bereits im Erlasszeitpunkt gegeben ist, müsste der Ersatzverwaltungsakt eine juristische Sekunde nach Erlass an die Stelle des Ausgangsverwaltungsaktes treten. Gegen die Folgenlosigkeit der Umdeutungserklärung spricht jedoch zum ersten der Wortlaut des § 47 Abs. 1 VwVfG. Nach dieser Vorschrift „kann" ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, er „ist" es aber zunächst nicht. Nach dem Normtext besteht der Ausgangsverwaltungsakt solange fort, wie die Möglichkeit zur Umdeutung in den Ersatzverwaltungsakt ungenutzt bleibt. Zum zweiten wäre das Anhörungserfordernis nach §§ 28, 47 Abs. 4 VwVfG sinnlos, wenn die Folgen der Umdeutung bereits vor Erklärung der Umdeutung einträten. Zum dritten missachtet ein klandestiner Vollzug der Umdeutung das rechtsstaatliche Anliegen der Rechtssicherheit, dem das Institut des grundsätzlich rechtsfehlerunabhängig wirksamen Verwaltungsaktes durch seine Klarstellung- und Stabilisierungsfunktion dient. Da der Verwaltungsakt gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 VwVfG mit dem Inhalt wirksam wird, mit dem er bekannt gegeben wird, bedarf es einer Umdeutungserklärung, die den Austausch des Ausgangsverwaltungsaktes durch den Ersatzverwaltungsakt offen legt. Der Umdeutungserklärung kommt insoweit eine Publizitätsfunktion zu [s. u. b) aa)]. Zum vierten widerspricht eine Umdeutung ohne Umdeutungserklärung der ratio legis des § 47 VwVfG. Die Konversion von Verwaltungsakten und ebenso die Umdeutung von Privatrechtsgeschäften beruhen auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dem zum Ausdruck gekommenen Willen für den Fall soweit wie möglich zu genügen, dass die Rechtsordnung dem Verwaltungsakt oder Privatrechtsgeschäft in seiner ursprünglichen Gestalt die Anerkennung versagt. So setzt die Umdeutung nach § 140 BGB voraus, dass die Geltung des Ersatzrechtsgeschäftes bei Kenntnis der Nichtigkeit des ursprünglichen Rechtsgeschäftes gewollt sein würde. Entsprechend setzt die Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG die Zielgleichheit des Ersatzverwaltungsaktes mit dem Ausgangsverwaltungsakt voraus und darf nach § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 VwVfG der Ersatzverwaltungsakt nicht der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widersprechen [näher dazu s. u. c) aa) (2), D. I. 1. c)]. Um dem allgemeinen Rechtsgedanken der Umdeutung genüge zu tun, ist bei der Auslegung des § 47 VwVfG eine Eigentümlichkeit zu beachten, die den Verwaltungsakt gegenüber dem Privatrechtsgeschäft auszeichnet. Anders als ein gegen ein gesetzliches Verbot verstoßendes Privatrechtsgeschäft nach § 134 BGB ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt nach §§43 Abs. 3, 44 VwVfG grundsätzlich innerlich wirksam und nur ausnahmsweise nichtig. Dementsprechend ist das umzudeutende fehlerhafte Privatrechtsgeschäft stets nichtig, während der umzudeutende fehlerhafte Verwaltungsakt nur ausnahmsweise nichtig ist [s. u. c) aa) (1)]. Solange die Rechtsordnung dem Ausgangsverwaltungsakt ungeachtet dessen Rechtswidrigkeit innere Wirksamkeit zubilligt, ist dem im Verwaltungsakt zum Ausdruck kommenden Willen am besten gedient, indem am rechtswidrigen Ausgangsverwaltungsakt festgehalten wird und ein Austausch durch den rechtmäßigen Ersatzverwaltungsakt vorerst ausbleibt. Eine Umdeutung kraft Gesetzes ohne Umdeutungs14*

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

erklärung ließe ohne Not an die Stelle des Ausgangsverwaltungsaktes den Ersatzverwaltungsakt treten, der lediglich zielgleich, aber doch inhaltsverschieden ist (s. o. 1.). Sie ist deshalb abzulehnen. Die Umdeutungsfolgen treten mithin nicht ohne Umdeutungserklärung ein. Darüber hinaus könnte die Umdeutungserklärung zur Umdeutungsfolgen nicht nur notwendig, sondern sogar hinreichend sein. Dies wäre der Fall, wenn nicht das Gesetz, sondern die Umdeutungserklärung die Umdeutung bewirkte. Die Umdeutungserklärung müsste dann als Rechtsakt, die behördliche Umdeutungserklärung als Verwaltungsakt verstanden werden, der den Ausgangsverwaltungsakt in den Ersatzverwaltungsakt umdeutet. 245 Für die Rechtsaktsqualität der Umdeutungserklärung scheint zunächst die Formulierung des § 47 Abs. 1 VwVfG zu sprechen, nach der der Ausgangsverwaltungsakt in den Ersatzverwaltungsakt umgedeutet werden „kann". 2 4 6 Diese Formulierung gleicht dem Wortlaut der allgemeinen Ermächtigungen zur amtswegigen Aufhebung gemäß §§ 48 f. VwVfG, nach denen der Ausgangs Verwaltungsakt zurückgenommen oder widerrufen werden „kann". 2 4 7 Damit ist der Behörde Ermessen zu Rücknahme oder Widerruf des Verwaltungsaktes eingeräumt, ausübbar durch Erlass eines AufhebungsVerwaltungsaktes 248. Indessen ist damit kein Ermessen zur Vornahme einer Willenserklärung verliehen, sondern lediglich die Fähigkeit zur Vornahme einer Wissenserklärung über die Umdeutung. Wie gezeigt, belegt diese Vorschrift, dass es im Falle „materieller Umdeutungsfähigkeit" 249 einer Umdeutungserklärung bedarf. Die Frage, ob die Umdeutung kraft verwaltungsaktförmiger Umdeutungserklärung oder kraft Gesetzes aus Anlass der Umdeutungserklärung eintritt, beantwortet sich daraus nicht. Auch zwingt die Verweisung des § 47 Abs. 4 VwVfG auf die entsprechende Anwendung des Anhörungserfordernisses des § 28 VwVfG nicht dazu, die Umdeutungserklärung als Verwaltungsakt zu qualifizieren. 250 Vor Erklärung der Umdeutung die Beteiligten des ursprünglichen Verwaltungsverfahrens anzuhören ist auch dann sinnvoll, wenn die Folgen der Umdeutung nicht kraft verwaltungsaktsförmiger Umdeutungserklärung, sondern, ausgelöst durch die Umdeutungserklärung, kraft Gesetzes eintreten. Dass § 47 VwVfG für die Umdeutung - anders als 245 So Wirth, Umdeutung fehlerhafter Verwaltungsakte, S. 112 ff.; Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 47 Rn 27; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 820 ff.; ders., DVB1. 1987, 641 (647 ff.); tendenziell auch Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 47 Rn 17. 246

So Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 823. Die sprachliche und gesetzessystematische Nähe des § 47 VwVfG zu den §§ 48 ff. VwVfG betonend insbesondere Wirth, Umdeutung fehlerhafter Verwaltungsakte, S. 83 f. 248 An die Stelle des Aufhebungs Verwaltungsaktes kann nach § 54 S. 1 VwVfG grundsätzlich der Abschluss eines verwaltungsrechtlichen Vertrages treten. 249 Es geht um die „materielle Umdeutungsfähigkeit" des Ausgangsverwaltungsaktes, Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 48 Rn 11. 250 In diese Richtung aber Wirth, Umdeutung fehlerhafter Verwaltungsakte, S. 90 ff. 247

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§ 48 VwVfG für die Rücknahme und § 49 VwVfG für den Widerruf - eigens auf das Anhörungserfordernis des § 28 VwVfG verweist, obwohl dieses ohnehin für den Erlass von Verwaltungsakten gilt, spricht eher gegen als für den Verwaltungsaktscharakter der Umdeutungserklärung. 251 Jedoch ist dieser Einwand zugegebenermaßen von geringem Wert, da beispielsweise § 38 Abs. 2 VwVfG für die Zusicherung auf die entsprechende Anwendung zwar nicht des § 28 VwVfG, aber der auf Verwaltungsakte ansonsten unmittelbar anwendbaren §§ 44, 45 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2, 48, 49 VwVfG verweist, obwohl die Zusicherung selbst alle Merkmale des Verwaltungsaktes nach § 35 VwVfG erfüllt. 252 Allenfalls das rechtsstaatliche Anliegen der Rechtssicherheit legt die Qualifizierung der Umdeutungserklärung als Verwaltungsakt nahe. 253 Der nach §§ 43 Abs. 3, 44 VwVfG grundsätzlich rechtsfehlerunabhängig verbindliche Verwaltungsakt gibt dem Rechtsunterworfenen an, „was für ihn rechtens sein soll". Doch geht das Gesetz nicht von der rechtsfehlerunabhängigen Verbindlichkeit der Umdeutungserklärung aus. So schließen die in § 47 Abs. 2, Abs. 3 VwVfG normierten Umdeutungshindernisse nicht erst die Rechtmäßigkeit der Umdeutung (Dürfen), sondern bereits die Möglichkeit der Umdeutung (Können) aus. Deutlich ist der Gegensatz zu den Aufhebungsverboten der §§48 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, Abs. 4, 49 Abs. 1 bis 3 VwVfG die nicht die Fähigkeit zu Rücknahme und Widerruf, sondern die Befugnis dazu beschränken [s. o. E. I. 3. a)]. Einer Einordnung der Umdeutungserklärung als Rechtsakt und insbesondere als Verwaltungsakt steht erstens die Vorschrift des § 47 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG entgegen, die eine Umdeutung ausschließt, wenn diese der erkennbaren Absicht der den Ausgangsverwaltungsakt erlassenden Behörde widerspräche. Wäre die behördliche Umdeutungserklärung nicht nur Wissens- sondern auch Willenserklärung, müsste sie den früher geäußerten Willen überwinden können. Zweitens geht das Gesetz von der Verschiedenartigkeit von Umdeutung und Rücknahme aus. Sonst bedürfte es nicht der Bestimmung des § 47 Abs. 2 S. 2 VwVfG, nach der die Umdeutbarkeit die Rücknehmbarkeit notwendig, aber nicht hinreichend voraussetzt. Entgegen der gesetzgeberischen Konzeption läge in einer verwaltungsaktsförmigen Umdeutungserklärung zugleich eine Rücknahme des Ausgangsverwaltungsaktes. Drittens können Umdeutungserklärungen nicht behördlichen Ursprungs bereits nach §§ 1 Abs. 4, 35 S. 1 VwVfG nicht als Verwaltungsakte qualifiziert werden. Wie noch zu zeigen ist, sind zur Erklärung der Umdeutung nicht nur die Behörde, 251 Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, S. 214. 252 Zum (bestrittenen) Verwaltungsaktscharakter der Zusicherung s. Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, § 38 Rn 5, 8, mit Nachweisen zum Streitstand. 253 Den Aspekt der Rechtssicherheit zieht insbesondere Wirth, Umdeutung fehlerhafter Verwaltungsakte, S. 93 ff., heran. Für die Umdeutung nichtiger Verwaltungsakt verlangt bereits Redeker, DVB1. 1973, 744 (746 f.), aus Gründen der Rechtssicherheit einen Umdeutungsfeststellungsakt.

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. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

sondern auch das Gericht, u. U. sogar der Betroffene selbst befugt [s. u. b) bb)]. Umdeutungserklärungen der Behörde könnten nur um den Preis als Verwaltungsakte qualifiziert werden, dass Umdeutungserklärungen des Gerichts oder Umdeutungserklärungen von Betroffenen als einer anderen Handlungsform zugehörig qualifiziert und damit in Rechtsfolgen und Tatbestandsvoraussetzungen von Grund auf abweichend zu beurteilen wären. Viertens setzt § 47 Abs. 1 VwVfG nicht voraus, dass die zum Zeitpunkt der Umdeutung geltenden formellen Anforderungen hinsichtlich Zuständigkeit, Verfahren und Form erfüllt werden, sondern dass die zum Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsverwaltungsaktes geltenden Anforderungen erfüllt worden wären, wäre damals der Ersatzverwaltungsakt erlassen worden [s. u. c) bb) (1)]. Die Umdeutungsvoraussetzungen nehmen mithin auf das ursprüngliche Verwaltungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG Bezug. Im Zuge der Umdeutung wird weder ein neues Verwaltungsverfahren eröffnet, noch mit dem Erlass eines Verwaltungsaktes abgeschlossen. Fünftens hat der Gesetzgeber in § 47 Abs. 1 VwVfG nicht zu erkennen gegeben, in Abweichung von der Konzeption des § 140 BGB bei Verwaltungsakten die Umdeutungserklärung nicht als Erkenntnis-, sondern als Entscheidungsakt auszugestalten.254 Die Umdeutungserklärung kann mithin nicht als Rechtsakt, die behördliche Umdeutungserklärung nicht als Verwaltungsakt qualifiziert werden. Vielmehr treten die Folgen der Umdeutung kraft Gesetzes ein, sobald die Umdeutung erklärt wird. Die Umdeutungserklärung ist als Realakt 255 , als Wissenserklärung über die gesetzliche Umdeutungslage, zu verstehen. Gesetzliche Tatbestandsvoraussetzungen der Umdeutung sind deshalb einerseits die Umdeutungserklärung [s. u. b)] und andererseits die Umdeutungslage [s. u. c)].

b) Umdeutungserklärung

Die Rechtsfolgen der Umdeutung treten kraft Gesetzes ein, werden jedoch aufgrund der Umdeutungslage erst durch die Umdeutungserklärung ausgelöst [s. o. a)]. Die Umdeutung wird erklärt, indem eine entsprechende Wissenserklärung [aa)] durch die dazu befugte Stelle [bb)] unter Beachtung eines etwaigen Anhörungserfordernisses [cc)] vorgenommen wird. aa) Vornahme der Umdeutungserklärung Die Umdeutungserklärung bewirkt die Umdeutung des Ausgangsverwaltungsaktes in den Ersatzverwaltungsakt nicht selbst. Vielmehr erfüllt sie im Interesse 254 BVerwG, Beschl. v. 1. 7. 1983 - 2 B 176/81 - NVwZ 1984, 645. Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 47 Rn 11. 255 Ebenso Ehlers, Verw 37 (2004), 255 (277).

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der Rechtssicherheit eine Publizitätsfunktion, indem sie den sich kraft Gesetzes vollziehenden Austausch des Ausgangsverwaltungsaktes durch den Ersatzverwaltungsakt kundtut 256 [s. o. a)]. Da die Umdeutungsfolgen zwar kraft Gesetzes, aber erst mit Erklärung der Umdeutung eintreten, gibt die Umdeutungserklärung nicht kund, die Umdeutung habe stattgefunden, sondern nur, die Umdeutungslage sei gegeben. Eine unzutreffende Umdeutungserklärung geht mangels Umdeutungslage ins Leere und vermag die gesetzlichen Folgen der Umdeutung nicht auszulösen. Eine rechtsfehlerunabhängige Verbindlichkeit der Umdeutungserklärung kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil sie als Realakt lediglich auf Realfolgen abzielt.

bb) Befugnis zur Umdeutungserklärung Da die Umdeutungserklärung kein Verwaltungsakt ist [s. o. a)] kann die Befugnis zur Umdeutungserklärung nicht nur einer Behörde, sondern auch einem Gericht oder sogar dem Betroffenen selbst zustehen. Diese Befugnis wird meist ungenau als Umdeutungsbefugnis angesprochen, obwohl die Umdeutung nicht kraft der Umdeutungserklärung sondern kraft Gesetzes eintritt [s. o. a)]. Aufschluss darüber, wer zur Umdeutungserklärung befugt ist, gibt zunächst die Vorschrift des § 47 Abs. 2 S. 2 VwVfG, nach der die Umdeutbarkeit Rücknehmbarkeit voraussetzt. Mit der Umdeutung geht zwar keine verwaltungsaktförmige Rücknahme, aber doch eine gesetzesförmige Aufhebung des Ausgangsverwaltungsaktes einher [s. o. 1., 2. a)]. Nach dem der Umdeutung von Verwaltungsakten zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgedanken tritt der Ersatzverwaltungsakt nur deshalb an die Stelle des Ausgangsverwaltungsaktes, weil und soweit die Rechtsordnung dem Verwaltungsakt in seiner ursprünglichen Gestalt die Anerkennung versagt. Die Fähigkeit, mit einer Umdeutungserklärung die Umdeutung kraft Gesetzes herbeizuführen kommt einer Behörde mithin nur dann zu, wenn sie zur Aufhebung des Ausgangsverwaltungsaktes durch Rücknahme (§ 48 VwVfG), Wiederaufgreifensbescheid (§ 51 VwVfG), Abhilfebescheid (§ 72 VwGO) oder Widerspruchsbescheid (§73 VwGO) befugt ist. Beispielsweise kann ein Rücknahmebescheid, sofern die Ausgangsbehörde nicht zugleich Widerspruchsbehörde ist, in einen Abhilfebescheid umgedeutet werden. 257 Demgegenüber ist die Umdeutung eines Widerspruchsbescheids in einen Ausgangsbescheid nur bei Identität von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde möglich. 258 256

Vgl. die allzu deskriptiv gehaltene Formulierung Maurers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 44, dass die Behörde aus Gründen der Rechtssicherheit und der Verwaltungseffektivität eine angenommene Umdeutung kundtun „wird". 2 57 BayVGH, Uit. v. 22. 6. 1982 - 21 B 81 A1353 - BayVBl. 1983, 212 (214); Sachs, in: Stelkens / Bonk/ Sachs, VwVfG, § 47 Rn 38. 2

58 VGH BW, Urt. v. 20. 2. 1990 - 4 S 287/87 - NVwZ-RR 1991, 493 (495); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 47 Rn 38.

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Zur Aufhebung des Ausgangsverwaltungsaktes befugt sind nicht nur Behörden, sondern gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO auch das über eine Anfechtungsklage gegen den Ausgangsverwaltungsakt entscheidende Gericht. Ist die Anfechtungsklage begründet, so darf das Gericht den angefochtenen Verwaltungsakt nicht in seiner ursprünglichen Gestalt bestehen lassen. Um zumindest einen dem Ausgangsverwaltungsakt zielgleichen Ersatzverwaltungsakt zu erhalten, ist das Gericht zur Erklärung der Umdeutung befugt. 259 Die Erklärung der Umdeutung ist auch demjenigen möglich, der vom Verwaltungsakt betroffen ist. 2 6 0 Der Betroffene kann die Aufhebung zwar grundsätzlich nicht selbst bewirken, aber doch in gewissen Fällen die behördliche oder gerichtliche Aufhebung erwirken. Die Umdeutungsbefugnis muss dem Betroffenen deshalb dann zugesprochen werden, wenn ihm ein Anspruch auf Aufhebung des Ausgangsverwaltungsaktes zusteht, sei dieser Anspruch nun im Wege eines Anfechtungswiderspruchs, einer Anfechtungsklage, eines Wiederaufgreifensantrags oder auf andere Weise durchsetzbar.

cc) Anhörung vor der Umdeutungserklärung Die Umdeutungserklärung bedarf, soweit sie von einer Behörde abgegeben wird, gemäß §§ 47 Abs. 4, 1 VwVfG in entsprechender Anwendung des § 28 VwVfG vorheriger Anhörung. Da auch die behördliche Umdeutungserklärung kein Verwaltungsakt ist [s. o. a)], kommt eine Heilung von Anhörungsmängeln gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG nicht in Betracht. Allerdings ist der Behörde die Befugnis unbenommen, die Umdeutung nunmehr in ordnungsgemäßer Vorgehensweise erneut zu erklären. c) Umdeutungslage

Die Umdeutungslage ist dann gegeben, wenn der Eintritt der Umdeutungsfolgen kraft Gesetzes nur noch von einer Umdeutungserklärung abhängt. Die Umdeutungslage stellt Anforderungen an den Ausgangsverwaltungsakt [aa)], an den Ersatzverwaltungsakt [bb)] und an das Verhältnis beider Verwaltungsakte [cc)]. 259 Die gerichtliche Umdeutungsbefugnis bejahend BVerwG, Beschl. v. 1.7. 1983 - 2 B 176.81 - DÖV 1985, 152 (152); eingehend Weyreuther, DÖV 1985, 126 ff.; s. auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 47 Rn 10; Badura, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 38 Rn 44; Samalee, Umdeutung fehlerhafter Verwaltungsakte, S. 215; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 44; Laubinger, VerwArch 78 (1987), 345 (349); Brischke, DVB1. 2002,429 (430). Verneinend Wirth, Umdeutung fehlerhafter Verwaltungsakte, S. 161; Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 47 Rn 6; Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, S. 214; Schenke, DVB1. 1987, 641 (649 ff.). 260 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 47 Rn 14; zust. Ule/ Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 60 Rn 20 Fn 38.

F. Gewinn der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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aa) Anforderungen an den Ausgangsverwaltungsakt Der Umdeutung nach § 47 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 VwVfG unterliegt ein fehlerhafter Verwaltungsakt 261, der zurückgenommen werden dürfte. Die Umdeutung setzt die Rechtswidrigkeit [(1)] und fehlende Heilbarkeit [(2)], die Erklärung der Umdeutung durch das Gericht oder den Betroffenen darüber hinaus einen Anspruch auf Aufhebung [(3)], eine behördliche Umdeutungserklärung ferner die Befugnis zur Rücknahme voraus [(4)]. (1) Rechtswidrigkeit

des Ausgangsverwaltungsaktes

Die Fehlerhaftigkeit i. S. d. § 47 Abs. 1 VwVfG setzt die Rechtswidrigkeit i. S. d. §§ 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO notwendig voraus. Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, auch wenn er für zweckwidrig erachtet wird, ist der Umdeutung entzogen.262 Unschädlich ist, wenn die Rechtswidrigkeit zur Nichtigkeit qualifiziert ist. Auch ein nichtiger Verwaltungsakt ist umdeutbar [s. o. D. I. 4. b)]. (2) Fehlende Heilbarkeit

des Ausgangsverwaltungsaktes

Zumindest ein bereits geheilter Verwaltungsakt kann nicht umgedeutet werden. Denn dieser Verwaltungsakt ist ungeachtet der im Erlasszeitpunkt noch bestehenden Rechtswidrigkeit in einem späteren Zeitpunkt als rechtmäßig zu beurteilen. Eine andere Frage ist, ob die Umdeutung eines Verwaltungsaktes in Betracht kommt, der an einem Fehler leidet, der aufgrund § 45 VwVfG oder besonderer Vorschrift heilbar, aber bislang noch nicht geheilt ist. Der heilbare Verwaltungsakt ist im Erlasszeitpunkt als rechtswidrig zu beurteilen. Indessen könnte die Heilung Vorrang vor der Umdeutung des Verwaltungsaktes nach § 47 VwVfG genießen. Dafür spricht zunächst die zivilrechtliche Parallel Vorschrift des § 140 BGB. Danach unterliegen lediglich solche Privatrechtsgeschäfte der Umdeutung, die an einem nicht behebbaren Fehler leiden und deshalb gemäß § 134 BGB (endgültig) nichtig sind. Hingegen können schwebend unwirksame (heilbare) Privatrechtsrechtsgeschäfte nicht umgedeutet werden. 263 Die Umdeutung von Privatrechtsgeschäften und ebenso von Verwaltungsakten dient dazu, dem zum Ausdruck gekommenen Willen für den Fall soweit wie möglich zu entsprechen, dass die Rechtsordnung dem Privatrechtsgeschäft oder Verwaltungsakt in seiner ursprünglichen Gestalt die Anerkennung verweigert. So261

Ob außerhalb des § 47 VwVfG die Umdeutung eines Rechtsaktes anderer Form in einen Verwaltungsakt möglich ist, kann hier dahinstehen. Dagegen spricht zumindest, dass der Rechtsakt anderer Form schwerlich die an einen Verwaltungsakt gestellten formellen Rechtmäßigkeitsanforderungen erfüllen kann. 262 Die Umdeutung ist mithin kein Instrument zur „Optimierung" von Verwaltungsakten, zutreffend Wirth, Umdeutung fehlerhafter Verwaltungsakte, S. 162 f. 263 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 140 Rn 3.

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

lange eine Heilung des ursprünglichen Privatrechtsgeschäftes oder Verwaltungsaktes in Betracht kommt, bildet die Umdeutung lediglich die zweitbeste Möglichkeit, dem zum Ausdruck gekommenen Willen zu entsprechen. Aus diesem Grund schließt die Heilbarkeit, solange sie besteht, eine Umdeutung des Verwaltungsaktes aus. (3) Anspruch auf Aufhebung des Ausgangsverwaltungsaktes

Die Anfechtungsklage nach §§ 42 Abs. 1 Alt. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ist das vom Prozessgesetzgeber bereitgestellte Instrument zur Durchsetzung eines materiellen Anspruchs auf Aufhebung des Verwaltungsaktes [dazu s. u. L. II. 2. b) dd)]. In diesem Zusammenhang bestimmt § 46 VwVfG, dass unter gewissen Voraussetzungen der Betroffene die Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht beanspruchen kann. Einerseits trifft § 46 VwVfG bereits aus kompetenziellen Gründen keine prozessuale Regelung zur Begründetheit der Anfechtungsklage, sondern eine rein materielle Regelung. 264 Andererseits kann § 46 VwVfG den Aufhebungsanspruch dann nicht verneinen, wenn die Verletzung subjektiver Rechte durch den Erlass oder die Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes bejaht wird. Aus dem subjektiven Recht folgt zunächst ein Anspruch auf Unterlassung des Verwaltungsaktes und sodann ein Anspruch auf Beseitigung des Verwaltungsaktes. Das Ziel, einen Aufhebungsanspruch auszuschließen, kann die Vorschrift des § 46 VwVfG entgegen ihrer missverständlichen Formulierung nur erreichen, indem bereits die subjektive Berechtigung verneint wird. Soweit § 46 VwVfG eingreift, wird der Betroffene deshalb durch den formell rechtswidrigen Verwaltungsakt bereits nicht in seinen Rechten verletzt. Mangels subjektiver Rechtsverletzung ist die Anfechtungsklage des Betroffenen in einem solchen Fall gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO unbegründet oder gemäß § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO bereits unzulässig. Der Betroffene kann mithin die Aufhebung des Verwaltungsaktes nicht erwirken. Die Umdeutung von Verwaltungsakten dient allein dazu, dem zum Ausdruck gekommenen Behördenwillen soweit wie möglich zu entsprechen, sofern die Rechtsordnung dem Ausgangsverwaltungsakt ihre Anerkennung verweigert. Da diese letzte Voraussetzung nicht erfüllt ist, kann ein § 46 VwVfG unterfallender Verwaltungsakt zumindest nicht durch den Betroffenen umgedeutet werden. Ebenso scheidet eine Umdeutung durch das Gericht aus, das über die Anfechtungsklage entscheidet, die wegen nach § 46 VwVfG fehlender Rechtsverletzung gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO unbegründet ist. Hingegen kann die Behörde auch einen § 46 VwVfG unterfallenden Verwaltungsakt 264 Zwar hätte der Bundesgesetzgeber in § 46 VwVfG eine § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO modifizierende Regelung treffen können. Doch hätte der Bundesgesetzgeber dadurch die mit dem Erlass einheitlicher Verwaltungsverfahrensgesetzen durch Bund und Länder verbundene Zielsetzung unterlaufen, da die Länder wegen der Sperrwirkung der bundesrechtlichen Verwaltungsgerichtsordnung gemäß Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zu einer prozessualen Regelung nicht gesetzgebungskompetent sind.

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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umdeuten, sofern sie zu dessen Aufhebung (durch Rücknahme, Abhilfebescheid, Widerspruchsbescheid, Wiederaufgreifensbescheid) befugt wäre. (4) Befugnis zur Rücknahme des Ausgangsverwaltungsaktes

Nach § 47 Abs. 2 S. 2 VwVfG ist die Umdeutung nur „zulässig", wenn der Ausgangsverwaltungsakt zurückgenommen werden dürfte. Ungeachtet der missverständlichen Formulierung führt ein Verstoß gegen diese Vorschrift nicht zu einer ,»rechtswidrigen Umdeutung", sondern dazu, dass der gesetzliche Umdeutungstatbestand verfehlt wird, die Folgen der Umdeutung also nicht eintreten, ebenso wie dies bei einer Nichterfüllung einer anderen Umdeutungsvoraussetzung der Fall ist.

bb) Anforderungen an den Ersatzverwaltungsakt Der Ersatzverwaltungsakt, in den nach § 47 Abs. 1 VwVfG umgedeutet wird, muss sowohl formelle [(1)] als auch materielle [(2)] Rechtmäßigkeitsanforderungen erfüllen. (1) Formelle Rechtmäßigkeitsanforderungen

an den Ersatzverwaltungsakt

Die an den Ersatzverwaltungsakt gestellten formellen Rechtmäßigkeitsanforderungen betreffen, wie bei jedem anderen Verwaltungsakt nicht das Erlassergebnis, sondern den Erlassvorgang [dazu s. u. K. I. 2. a)]. Mit der Umdeutung ist nicht der Neuerlass eines Verwaltungsaktes verbunden. Vielmehr wird der Ersatzverwaltungsakt kraft Gesetzes erzeugt. Deshalb nehmen die formellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Ersatzverwaltungsaktes auf den ursprünglichen Erlassvorgang, der vormals den Ausgangsverwaltungsakt hervorgebracht hat, Bezug. Der Erlassvorgang des Ausgangsverwaltungsaktes muss gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG im Hinblick auf Zuständigkeit der erlassenden Behörde, auf die geschehene Verfahrensweise und auf die eingeschlagene Form die Voraussetzungen erfüllen, unter den der Ersatzverwaltungsakt „rechtmäßig hätte erlassen werden können". Die Verwendung des Imperfekts belegt, dass nicht auf den Zeitpunkt der Erklärung der Umdeutung, sondern auf den Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsverwaltungsaktes abgestellt wird. (2) Materielle

Rechtmäßigkeitsanforderungen

an den Ersatzverwaltungsakt

Wie bei anderen Verwaltungsakten können die an den Ersatzverwaltungsakt gestellten materiellen Rechtmäßigkeitsanforderungen entweder auf das Erlassergebnis oder auf den Erlassvorgang abstellen [dazu s. u. K. I. 2. b)]. Die intendierte Regelung als das Erlassergebnis wird im Zuge der Umdeutung ausgetauscht, denn an die Stelle des Ausgangsverwaltungsaktes tritt der Ersatzver-

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

waltungsakt (s. o. 1.). Deshalb richten sich insoweit die materiellen Rechtmäßigkeitsanforderungen nach dem Zeitpunkt der Umdeutungserklärung. Dies verdeutlicht die Verwendung des Präsens in § 47 Abs. 1 VwVfG, wonach in den Ersatzverwaltungsakt umgedeutet werden kann, „wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind". Insoweit die materiellen Rechtmäßigkeitsanforderungen den Erlassvorgang betreffen, gilt jedoch nichts anderen als für die formellen Rechtmäßigkeitsanforderungen. Abzustellen ist insoweit auf den Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsverwaltungsaktes. Materielle Rechtmäßigkeitsanforderungen an den Erlass Vorgang eines Verwaltungsaktes sind insbesondere bei der Ausübung von gesetzlich eingeräumten Ermessen zu beachten [s. u. K. I. 2. b) cc)]. Somit kann die mangelnde Ermessensausübung nicht im Wege der Umdeutung nachgeholt werden, weshalb § 47 Abs. 3 VwVfG die Umdeutung einer gebundenen Entscheidung in eine Ermessensentscheidung ausschließt.265

cc) Anforderungen an das Verhältnis von Ausgangsund Ersatzverwaltungsakt Der Ersatzverwaltungsakt intendiert zwar eine andere Rechtsfolge als der Ausgangsverwaltungsakt, muss jedoch gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG auf das gleiche Ziel gerichtet sein. Insbesondere ist nach § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 VwVfG eine Umdeutung im Widerspruch zur erkennbaren Absicht der den Ausgangsverwaltungsakt erlassenden Behörde ausgeschlossen. Auf diese Weise soll dem zum Ausdruck gekommenen Behördenwillen so weit wie möglich entsprochen werden, obwohl die Rechtsordnung dem Verwaltungsakt in seiner ursprünglichen Gestalt die Anerkennung versagt. Im wirtschaftlichen Sinne muss der Ersatzverwaltungsakt im Ausgangsverwaltungsakt „enthalten" sein 266 , wenn auch im rechtlichen Sinne der Ersatzverwaltungsakt gegenüber dem Ausgangsverwaltungsakt kein minus, sondern ein aliud darstellt (s. o. 1.). Beispielsweise kann ein Waffenbesitzverbot in den Widerruf oder die Rücknahme einer Waffenbesitzberechtigung umgedeutet werden. 267 Ferner ist gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 VwVfG die Umdeutung in einen für den Betroffenen ungünstigeren Verwaltungsakt nicht möglich. Der Ersatzverwaltungsakt muss deshalb entweder eine ebenso begünstigende Rechtsfolge wie der Ausgangsverwaltungsakt intendieren oder eine weniger belastende Rechtsfolge. Deshalb kann beispielsweise die gemäß § 7 Abs. 2 S. 2 AufenthG nachträglich einer Aufenthaltserlaubnis angefügte zeitliche Beschränkung nicht in eine (zeitlich-vollumfängliche) Rücknahme dieser Aufenthaltserlaubnis umgedeutet werden. 265 Entsprechendes wird für einen ausnahmsweise gegebenen Beurteilungsspielraum gelten. 266 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 44. 267 BayVGH, Beschl. v. 14. 12. 1983-21.B 82 A 1028 - BayVBl. 1984, 304 (305).

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis können Folgen und Voraussetzungen der Umdeutung des Verwaltungsaktes dargestellt werden: Folgen der Umdeutung Rückwirkende Aufhebung des Ausgangsverwaltungsaktes kraft Gesetzes - Verlust ex tunc äußerer und innerer Wirksamkeit Rückwirkende Erzeugung des Ersatzverwaltungsaktes kraft Gesetzes - Gewinn ex tunc äußerer und innerer Wirksamkeit Voraussetzungen der Umdeutung Umdeutungserklärung - Vornahme der Umdeutungserklärung - Befugnis zur Umdeutungserklärung Behörde, die eine Aufhebung bewirken dürfte Gericht, das eine Aufhebung bewirken dürfte Betroffener, der eine Aufhebung erwirken dürfte - Anhörung vor der Umdeutungserklärung Umdeutungslage hinsichtlich des Ausgangsverwaltungsaktes - Rechtswidrigkeit (schlichte Rechtswidrigkeit oder Nichtigkeit) - Keine Heilbarkeit - Anspruch auf Aufhebung (außer bei behördlicher Umdeutungserklärung) - Befugnis zur Rücknahme (bei behördlicher Umdeutungserklärung) Umdeutungslage hinsichtlich des Ersatzverwaltungsaktes - Formelle Rechtmäßigkeitsanforderungen an den Erlassvorgang, gemäß der Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsverwaltungsaktes - Materielle Rechtmäßigkeitsanforderungen an das Erlassergebnis, gemäß der Rechtslage im Zeitpunkt der Erklärung der Umdeutung - Materielle Rechtmäßigkeitsanforderungen an den Erlassvorgang, gemäß der Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsverwaltungsaktes Umdeutungslage hinsichtlich des Verhältnisses von Ausgangs- und Ersatzverwaltungsakt - Zielgleichheit - Keine Absichtswidrigkeit - Keine ungünstigere Rechtsfolge für Betroffenen

I V . R e f o r m a t i o n des Verwaltungsaktes Die Reformation des Verwaltungsaktes bezeichnet eine Erweiterung der äußerlich wirksamen intendierten Regelung. Sie bildet mithin das positive Gegenstück zu der den Verwaltungsakt negativ gestaltenden Aufhebung (dazu s. o. E. I.). Wie die Aufhebung tritt die Reformation kraft eines fremden, außerhalb des Verwaltungsaktes stehenden Rechtsaktes ein. Als ein den Ausgangsverwaltungsakt reformierender A k t kommt zunächst den Widerspruchsbescheid i n Betracht (1.). Sodann könnte der Ausgangsverwaltungsakt durch gerichtliche (2.) oder durch

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

behördliche Anfügung oder Streichung einer Nebenbestimmung (3.) eine Reformation erfahren. 1. Gestaltung mittels Widerspruchsbescheids Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der „ursprüngliche Verwaltungsakt, in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat". 2 6 8 Zu der „Gestalt" des Ausgangsverwaltungsaktes gehört zumindest dessen intendierte Regelung. Inwieweit der Widerspruchsbescheid nach § 73 Abs. 1 S. 1 VwGO mit einem Eingriff in die intendierte Regelung verbunden ist, hängt davon ab, ob dem Widerspruch unter Kassation des angefochtenen Verwaltungsaktes stattgegeben [a)] oder der Widerspruch unter Beibehaltung [b)] oder Reformation [c)] des angefochtenen Verwaltungsaktes zurückgewiesen wird.

a) Statt gäbe unter Kassation des Verwaltungsaktes

Hält die Widerspruchsbehörde den zulässigerweise angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig oder zweckwidrig, ohne dass eine Änderung der intendierten Regelung in Betracht käme, so gibt sie dem Widerspruch nach §§ 73 Abs. 1 S. 1, 68 Abs. 1 VwGO statt und hebt den Ausgangsverwaltungsakt rückwirkend auf. Soweit die Aufhebung reicht, bewirkt sie eine - kassatorische - Gestaltung des Ausgangsverwaltungsaktes, der daraufhin seine äußere Wirksamkeit verliert (s. o. E. I. 1.). Diese Gestaltung führt jedoch nicht zur Anwendung des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Denn gegen einen aufgehobenen Verwaltungsakt ist die Anfechtungsklage nach § 42 Alt. 1 Alt. 1 VwGO mangels Gegenstandes bereits nicht statthaft. Dies erklärt auch, warum § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO eine Gestaltung des Ausgangsverwaltungsaktes durch den Abhilfebescheid nach § 72 VwGO nicht erwähnt. Denn der Abhilfebescheid beinhaltet, insoweit er ergeht, stets die (vollständige oder teilweise) Aufhebung des Ausgangsverwaltungsaktes. 268

Zwar kann nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO an Stelle des Ausgangverwaltungsaktes der Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid selbst zum Gegenstand der Anfechtungsklage gemacht werden. Doch ist damit strenggenommen keine Ausnahme von § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO normiert. Denn ficht der Kläger nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO an Stelle des Ausgangsverwaltungsaktes den (verwaltungsaktförmigen) Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid an, so muss der Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid selbst als ein (vom Ausgangsverwaltungsakt verschiedener) „ursprünglicher Verwaltungsakt" verstanden werden, der nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO den Gegenstand der Anfechtungsklage bildet (vgl. § 115 VwGO). Allerdings gehört der Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid nach § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO zu denjenigen Verwaltungsakten, die keiner Nachprüfung in einem Vorverfahren und mithin keiner „Gestaltung" i. S. d. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO unterliegen. Die eigentliche Bedeutung des § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO liegt daher nicht in der Bestimmung des Gegenstands der Anfechtungsklage, sondern allenfalls in der Errichtung einer besonderen Sachentscheidungsvoraussetzung („erstmalige Beschwer", „zusätzliche selbständige Beschwer" nach § 79 Abs. 2 VwVfG) für eine gegen den Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid selbst gerichtete Anfechtungsklage.

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

Gibt die Widerspruchsbehörde dem Widerspruch teilweise statt, so beschränkt sich die Kassation auf eine teilweise rückwirkende Aufhebung. Bei Dauerverwaltungsakten ist auch eine Teilkassation durch Aufhebung ex nunc möglich.

b) Zurückweisung

unter Aufrechterhaltung

des Verwaltungsaktes

Die Zurückweisung des Widerspruchs lässt die intendierte Regelung des angefochtenen Verwaltungsaktes regelmäßig unberührt. Dies gilt ausnahmslos dann, wenn die Widerspruchsbehörde keine Entscheidung in der Sache trifft, sondern den Widerspruch als unzulässig zurückweist 269 oder den Widerspruch mangels erforderlicher Rechtsbeeinträchtigung des Widerspruchsführers (vgl. §§ 68 Abs. 1 S. 1,113 Abs. 1 S. 1 VwGO) als unbegründet zurückweist. Aber auch dann, wenn die Widerspruchsbehörde den Widerspruch nach §§68 Abs. 1, 73 Abs. 1 S. 1 VwGO als unbegründet zurückweist, weil sie den angefochtenen Verwaltungsakt in seiner ursprünglichen Fassung für rechtmäßig und zweckmäßig erachtet, behält sie dessen intendierte Regelung aufrecht. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn der Widerspruch mit der dem Ausgangsverwaltung beigefügten Begründung zurückgewiesen wird. Gleiches gilt, wenn die Zurückweisung des Widerspruchs auf nachgeholte Verfahrenshandlungen gestützt wird. Denn die Modalitäten des Verfahrens sind nicht von der „Gestalt" des Ausgangsverwaltungsaktes i. S. d. 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO erfasst. 270 Wird die versäumte Verfahrenshandlung während des Widerspruchsverfahren nachgeholt, kann indessen ein formeller Fehler rückwirkend behoben werden [näher dazu s. u. M. II. 2. b) aa)]. Beispielsweise kann die Widerspruchsbehörde einen formellen Begründungsmangel nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG heilen, indem sie nachträglich gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 VwVfG die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitteilt, aus denen die Ausgangsbehörde entschieden hat. Zu der „Gestalt" des Ausgangs Verwaltungsaktes i. S. d. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gehören neben der intendierten Regelung auch die tragenden Gründe der behördlichen Entscheidung.271 Für die Frage, ob der Ausgangsverwaltungsakt an Ermessensfehlern leidet, sind mithin letztlich die Erwägungen der Widerspruchsbehörde maßgeblich. Inwieweit der Ergänzung fehlender oder fehlerhafter Ermessenserwägungen heilende Wirkung zukommt, ist eine hier nicht zu beantwortende 269 Der Widerspruch ist insbesondere dann als unzulässig zurückzuweisen, wenn vor Entscheidung der Widerspruchsbehörde der Anfechtungsgegenstand entfällt, insbesondere im Wege der Ersetzung durch einen anderen Verwaltungsakt. 2 ™ Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 70 Rn 5; Dawin, NVwZ 1987, 872 (873). 2 ?i Pietzcker, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 79 Rn 4; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 79 Rn 10; Dawin, NVwZ 1987, 872 (873); der Sache nach bereits Bettermann, NJW 1958, 81 (83).

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Frage [dazu s. u. M. II. 2. b) bb)]. Die Ermessenserwägungen der Widerspruchsbehörde verdrängen die Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde auch dann, wenn erst dadurch ein Ermessensfehler des Ausgangsverwaltungsaktes eintritt 272 . In diesem Fall verbleibt kein Raum für die Prüfung der (ermessensfehlerfreien) ursprünglichen Fassung des Verwaltungsaktes 273 [dazu s. u. L. II. 2. b) bb)]. Allerdings lassen die nachgeschobenen Ermessenserwägungen die intendierte Regelung des Verwaltungsaktes unberührt. Wird während des Widerspruchsverfahrens die zunächst fehlende Rechtsgrundlage geschaffen, so geht damit keine „Gestaltung" i. S. d. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO einher. Für einen Eingriff in die intendierte Regelung des Ausgangsverwaltungsaktes besteht zumal deshalb kein Grund, weil sie sich nunmehr auf die geschaffene Rechtsgrundlage stützen lässt. Inwieweit eine solche materiellrechtliche Heilung möglich, bleibt an späterer Stelle zu erörtern [dazu s. u. M. III. 2. b) cc)].

c) Zurückweisung

unter Reformation des Verwaltungsaktes

Bezieht sich die Beurteilung des Verwaltungsaktes als rechtmäßig und zweckmäßig auf die ursprüngliche intendierte Regelung, so wird diese aufrechterhalten [s. o. b)]. Jedoch kann sich die Beurteilung auch auf eine zur Herstellung der Recht- und Zweckmäßigkeit reformierte intendierte Regelung beziehen. In diesem Fall enthält der Widerspruchsbescheid neben der Zurückweisung des Widerspruchs einen entsprechenden Eingriff in die intendierte Regelung des Verwaltungsaktes. Etwa greift die Widerspruchsbehörde dann erweiternd in die intendierte Regelung des angefochtenen Verwaltungsaktes ein, wenn sie die dem Widerspruchsfuhrer auferlegte Belastung aus Gründen der Rechtmäßigkeit oder Zweckmäßigkeit vertieft (reformatio in peius 274 ). Der Widerspruchsbescheid tritt dabei nicht selbst an die Stelle des Ausgangsverwaltungsaktes, vielmehr wird auch die erst durch den Widerspruchsbescheid erfolgte zusätzliche Beschwer dem ursprünglichen Verwaltungsakt i. S. d. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zugeordnet. 275 Ist der angefochtene Verwaltungsakt in seiner ursprünglichen Fassung rechtswidrig oder zweckwidrig, so hat die Widerspruchsbehörde reformatorisch auf der Grundlage der aktuellen Sach- und Rechtslage zu entscheiden.276 Eine Reformation des Verwaltungsaktes ist beispielsweise dann angezeigt, wenn ein Student zur Leistung eines Semesterbeitrages herangezogen und erst während 272 Dawin, NVwZ 1987, 872 (873). 273 BVerwG, Beschl. v. 26. 2. 1987 - 4 B 25.87 - Buchholz 310 § 68 VwGO Nr. 29. 274 Zumindest ist die Verböserung grundsätzlich unabhängig von ihrer Zulässigkeit wirksam. Inwieweit eine solche Verböserung im Widerspruchsverfahren zulässig ist, kann hier deshalb offen bleiben. 275 BVerwG, Beschl. v. 26. 4. 1994 - 7 B 52.94 - Buchholz 310 § 79 VwGO Nr. 30. 276 Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 153.

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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des Widerspruchsverfahrens die erforderliche Rechtsgrundlage (nicht rückwirkend) geschaffen wird. Das Bundesverwaltungsgericht geht in diesem Fall von einer „Gestaltung" i. S. d. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auch dann aus, wenn der Widerspruchsbescheid die Heranziehung zu einer Leistung „nicht inhaltlich geändert, sondern nur bezogen auf den Zeitpunkt seines Erlasses bekräftigt" hat. 2 7 7 Das Gericht führt aus, es könne nicht Sinn der gesetzlichen Regelung in § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO sein, dass die Widerspruchsbehörde den Verwaltungsakt aufhebt und (ihre Zuständigkeit vorausgesetzt) sogleich einen neuen Bescheid desselben Inhalts erlässt, der von der nunmehr geltenden Rechtslage getragen ist. 2 7 8 Mit der Aussage des Gerichts, der Ausgangsverwaltungsakt erfahre keine Inhaltsänderung, steht allerdings die Aussage im Widerspruch, nach der das ursprüngliche Leistungsbegehren „nunmehr unter Geltung dieser Rechtslage mit deren Inkrafttreten Gültigkeit beansprucht" 279. Vielmehr gehört zum Inhalt, mit dem der Verwaltungsakt nach § 43 Abs. 1 S. 2 VwVfG wirksam wird, insbesondere die „Regelung seines zeitlichen Geltungsbereichs" 280, d. h. sein zeitlicher Regelungsgehalt (s. o. C. I. 1.). Stützt sich die Widerspruchsbehörde auf eine erst während des Widerspruchsverfahrens geschaffene Rechtsgrundlage, die nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses zurückwirkt, so muss sie den zeitlichen Regelungsgehalt auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Rechtsgrundlage verschieben. Denn nur insoweit rechtfertigt die Rechtsgrundlage die Heranziehung zur Leistung. Die Verschiebung des zeitlichen Regelungsgehaltes ist dabei entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts 281 mit einem Eingriff in die intendierte Regelung verbunden. Aus diesem Grund darf die Widerspruchsbehörde nicht offen lassen, ob die Herstellung der Recht- und Zweckmäßigkeit eine Verschiebung des zeitlichen Regelungsgehaltes des angefochtenen Verwaltungsaktes erfordert.

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Stattgabe des Widerspruchs mit einer Kassation des angefochtenen Verwaltungsaktes einhergeht, die Zurück277 BVerwG, Beschl. v. 30.4. 1996 - 6 B 77/95 - NVwZ-RR 1997, 132 (133) zust. Vahle, DVP 1997, 217. 278 Ebenso Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (602). 279 BVerwG, Beschl. v. 30. 4. 1996 - 6 B 77/95 - NVwZ-RR 1997, 132 (133). 280 BVerwG, Urt. v. 6. 6. 1991 - 3 C 46.86 - BVerwGE 88, 278 (281). 281 Unklar ist die Darlegung des Gerichts, man müsse zwischen „verfügendem Teil" und „begründendem Teil" des Ausgangsbescheids unterscheiden, eine Gestaltveränderung nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO sei mit jedem Eingriff in einen dieser beiden Teile verbunden. Daraufhin bejaht das Gericht eine Erweiterung des „verfügenden Teils", obwohl es eine Inhaltsänderung des Verwaltungsaktes verneint. Insoweit könnte ein redaktionelles Versehen vorliegen und eine Erweiterung des „begründenden Teils" gemeint sein. Richtigerweise geht es nicht um zwei getrennte Teile des Ausgangsbescheides, sondern um die Auslegung des „verfügenden Teils" im Lichte des „begründenden Teils". 15 Stein weg

226

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Weisung des Widerspruchs grundsätzlich mit einer Aufrechterhaltung und nur ausnahmsweise mit einer Reformation des angefochtenen Verwaltungsaktes. Eine Reformation ist insbesondere in einer Verschiebung des zeitlichen Regelungsgehaltes des angefochtenen Verwaltungsaktes auf den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung zu sehen.

2. Gerichtliche Anfügung oder Streichung einer Nebenbestimmung Ob mit der Anfügung oder Streichung einer Nebenbestimmung eine Reformation des Ausgangsverwaltungsaktes einhergeht, bestimmt die Rechtsschutzform, in der die Anfügung oder Streichung der Nebenbestimmung zu verfolgen ist. Als Rechtsschutzform kommen einerseits die Anfechtungsklage und andererseits die Verpflichtungsklage in Betracht. Das Spektrum der Auffassungen, die in Rechtsprechung 282 und Literatur insbesondere zur isolierten Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen vertretenen werden, ist fast unüberschaubar. 283 Vereinzelt wird in jedem Fall die Verpflichtungsklage 284 oder umgekehrt in jedem Fall die Anfechtungsklage285 für allein statthaft erachtet. Zumeist wird jedoch eine differenzierte Lösung vertreten. Bereits keine Einigkeit besteht darüber, ob sich die Differenzierung bereits bei der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage 286 oder erst bei der Klagebefugnis 287, beim Rechtsschutzbedürfnis 288 oder bei der Begründetheit 289 282 Zur Entwicklung der Rechtsprechung ausführlich Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 70 ff. (mit anschaulichen Ubersichten S. 226 f.); Hanf Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 83 ff., 89 ff.; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 36 Rn 51 ff. 283 Einen knappen und dafür notwendig nicht vollständigen Überblick über die vertretenen Auffassungen bietet insb. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 22. 284 Fehn, DÖV 1988, 202 (208 ff.); Stadie, DVB1. 1991, 613 (614 ff.). Eine solche Einheitslösung böte zumindest den Vorteil, die prozessuale Abgrenzungsfrage überflüssig zu machen, s. Ehlers, Verw 31 (1998), 53 (67). 28

5 Janßen, in: Obermayer, VwVfG, § 36 Rn 47.

286

Dezidiert bereits Karl, Rechtsschutz gegenüber rechtswidrigen Nebenbestimmungen, S. 98 ff.; ebenso Elster, Bedingungen, Einschränkungen und Auflagen, S. 336; Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 142; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn 3, 39 ff.; Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 214 f., 220; Ehlers, VerwArch 67 (1976), 369 (372); Funk, BayVBl. 1986, 105 (105 f.); Papier, NuR 1991, 162 (167); Pietzcker, NVwZ 1995, 15 ff.; Stornier, DVB1. 1996, 81 (82, 86 f.); ders. NWVB1. 1996, 169 (173 f.); Axer, JURA 2001, 748 (752). Wohl auch Schachel, Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten, S. 163 ff.; Hanf, Inhaltsund Nebenbestimmungen, S. 8 f.; R Stelkens /U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 96; Brenner, JuS 1996,281 (286 f.). 287 Remmert, VerwArch 88 (1997), 112 (135 f.). Die Möglichkeit isolierter Rechtsverletzung durch die angegriffene Nebenbestimmung sprechen in diesem Zusammenhang auch Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 36 Rn 96 an. 288

So z. T. Jahndorf, JA 1995, 676 (678 f.).

F. Gewinn der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

2

auswirkt. Neben dem Differenzierungsort steht auch das Differenzierungskriterium in Streit. Differenziert wird entweder nach der Art der Nebenbestimmung290 oder nach der Art der Hauptregelung, wobei der behördliche Entscheidungsspielraum 291 oder der behördliche Willen bei Erlass der Hauptregelung 292 oder die Rechtmäßigkeit 2 9 3 oder Sinnhaftigkeit 294 einer von der Nebenbestimmung entkleideten Haupt289 BVerwG, Urt. v. 8. 2. 1974 - IV C 73.72 - DÖV 1974, 380 (381); Urt. v. 17. 2. 1984 4 C 70/80 - NVwZ 1984, 366 (366); Urt. v. 19. 1. 1989 - 7 C 31.87 - BVerwGE 81, 185 (186); Urt. v. 22. 11. 2000 - 11 C 2.00 - BVerwGE 112, 221 (224); Hufen, Verwaltungsprozessrecht, Rn 56; ders., JuS 2001, 927 (926); Honig, Zulässigkeit von Nebenbestimmungen, S. 221 f.; Schneider, Nebenbestimmungen und Verwaltungsprozeß, S. 108 f.; 172 ff.; Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 36 Rn 42; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn 33; ders., VerwArch 66 (1975), 299 (301 ff.); ders., JURA 1990, 214 (217); Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 296, ders., JuS 1983, 182 (186); ders., FS Roellecke, S. 281 (292); Kopp, GewArch 1970, 97 ff.; wohl auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 25 ff.; Brüning, NVwZ 2002, 1081 (1082); z.T. auch Lange, AöR 102 (1977), 337 (363 f.); Jahndorf, JA 1995, 676 (679). 290 Anfechtungsklage insbesondere bei der Auflage, Verpflichtungsklage insbesondere bei der Bedingung, so die klassische Rechtsprechung, s. nur BVerwG, Urt. v. 21. 10. 1970 - IV C 165.65 - BVerwGE 36,145 (153 f.). Ebenso Karl, Rechtsschutz gegenüber rechtswidrigen Nebenbestimmungen, S. 104 ff., 110 ff.; Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 96 ff.; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn 45 ff.; Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 214 f., 220; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 36 Rn 63 f.; Ehlers, VerwArch 67 (1976), 369 (371 f.); Pietzcker, NVwZ 1995, 15 (17 ff.); Stornier, DVB1. 1996, 81 (86); ders. NWVB1. 1996, 169 (173 f.); Remmert, VerwArch 88 (1997), 112 (134 ff.); Sieckmann, DÖV 1998,525 (530 f.); Axer, JURA 2001, 748 (752). Im Hinblick auf die Auflage auch Funk, BayVBl. 1986, 105 (105); Coester, Kassation, Teilkassation und Reformation, S. 43; Hoenig, Rechtsschutz gegen Auflagen, S. 94. Im Hinblick auf die Bedingung auch Papier, NuR 1991,162 (167). 291

Anfechtungsklage bei gebundenen Entscheidungen, Verpflichtungsklage bei Entscheidungen aufgrund (nicht reduzierten) Ermessens: BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1977 - 8 C 28.77 BVerwGE 55, 135 (137 f.); Schachel, Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten, S. 166 f.; Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 36 Rn 46 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 25 ff.; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 299; ders., JuS 1983, 182 (185); Jahndorf, JA 1995, 676 (678 f., 679 f.); Brenner, JuS 1996, 281 (287); z. T. auch Lange, AöR 102 (1977) 337 (367). In dieselbe Richtung, aber letztlich unentschlossen, Henneke, in: Knack, VwVfG, § 36 Rn 57. 292 Anfechtungsklage, falls Behörde die Hauptregelung bei Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Nebenbestimmung nebenbestimmungsfrei erlassen hätte, so z. T. Schachel, Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten, S. 166 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 25 ff.; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn 33; ders., JURA 1990, 214 (217); Lange, AöR 102 (1977), 337 (354, 363 f.). Gegen den Behördenwillen als Differenzierungskriterium dezidiert Hans Meyer, in: ders. / Borgs, VwVfG, § 36 Rn 45. 293 So Hönig, Zulässigkeit von Nebenbestimmungen, S. 221 ff.; Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 142; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 296; ders., JuS 1983, 182 (185); ders., FS Roellecke, S. 281 (294 f.); W. Martens, DVB1. 1965, 428 (431); Erichsen, VerwArch 66 (1975), 299 (310 f.); ders., JURA 1990, 214 (217); Laubinger VerwArch 73 (1982), 345 (362); Mößle, BayVBl. 1982, 231 (233); z. T. auch Karl, Rechtsschutz 15*

8

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

regelung 295 oder auch verschiedene dieser Kriterien neben- oder nacheinander in Betracht gezogen werden. Eine Stellungnahme zur Frage nach der Rechtsschutzform zur Streichung oder auch Anfügung einer Nebenbestimmung muss am Normtext ansetzen. Bereits die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage setzt nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO voraus, dass der Kläger die gerichtliche Aufhebung eines vorhandenen Verwaltungsaktes begehrt. Nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ist der angefochtene Verwaltungsakt vom Gericht aufzuheben, „soweit" die Begründetheitsvoraussetzungen vorliegen. Angesprochen ist damit die gerichtliche Teilaufhebung des Verwaltungsaktes. Da der Streitgegenstand gemäß § 88 VwGO zur Disposition des Klägers steht, kann der Kläger von vornherein die Anfechtung auf einen Teil des Verwaltungsaktes beschränken. Der Möglichkeit der Teilaufhebung entspricht mithin die Möglichkeit der Teilanfechtung dieses Verwaltungsaktes. 296 Wann eine Teilaufhebung des Verwaltungsaktes möglich ist, ergibt sich allein aus dem materiellen Recht. Deshalb folgt zumindest nicht aus der Prozessrechtsnorm des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, ob der einem Verwaltungsakt anhaftende Zusatz isoliert aufgehoben werden kann. 297 Lautet beispielsweise der Regelungsausspruch eines Verwaltungsaktes „Die beantragte Leistung wird nicht gewährt." so ist der im Worte „nicht" bestehende Zusatz keiner isolierten Aufhebung zugänglich. Ein vom Antragsteller zur Streichung des Zusatzes erstrittenes (Teil-)Anfechtungsurteil ginge ins Leere, da der angestrebte Regelungsausspruch „Die beantragte Leistung wird gewährt." gegenüber dem vorhandenen Regelungsanspruch nicht minus, sondern aliud ist. Nicht jede Streichung eines Zusatzes erschöpft sich mithin in einer (Teil-)Aufhebung des vorhandenen Verwaltungsaktes. Insoweit ist gegenüber rechtswidrigen Nebenbestimmungen, S. 116; Schachel, Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten, S. 167. 294 BVerwG, Urt. v. 8. 2. 1974 - IV C 73.72 - DÖV 1974, 380 (381); Urt. v. 22.11. 2000-11 C 2.00 - BVerwGE 112,221 (224). Auf derselben Linie liegt die Entscheidung des BVerwG, Urt. v. 19. 3. 1996 - 1 C 34.93 BVerwGE 100, 335 (337 f.), wonach eine auf § 12 Abs. 1 S. 2 AuslG (vgl. nunmehr § 7 Abs. 2 S. 1 AufenthG) gestützte Beschränkung des räumlichen Regelungsgehaltes einer Aufenthaltsgenehmigung dann selbständig anfechtbar sein soll, wenn eine unbeschränkte Aufenthaltsgenehmigung sinnvoll und rechtmäßig erteilt werden kann. Ehlers, Verw 37 (2004), 255 (276) wendet zutreffend ein, dass die Gerichte nicht die Aufgabe haben zu beurteilen, was sinnvoll ist, 295 Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn 33; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 25 ff. 296 BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1977 - 8 C 28/77 - BVerwGE 55, 135 (136); Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn 33; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 25; Bettermann, FS Wacke, S. 233 (237); Störmer, DVB1. 1996, 81 (85); Remmert VerwArch 88 (1997), 112 (135); Schenke, FS Roellecke, S. 281 (285). 297 So aber für dem Verwaltungsakt anhaftende Nebenbestimmungen Erichsen, in: ders. / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn 33; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 25; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 295; ders., FS Roellecke, S. 281 (285); Hufen, Verwaltungsprozessrecht, Rn 61.

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

eine Streichung des Zusatzes im Wege der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zu verfolgen. Für die Anfügung oder Streichung einer Nebenbestimmung i. S. d. § 36 Abs. 2 VwVfG ist die Anfechtungsklage mithin nur dann statthaft, wenn ein Teilanfechtungsurteil nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO dem Kläger zu seinem Rechtsschutzziel zu verhelfen vermag. Somit kommt es entscheidend auf die logische Abtrennbarkeit der Nebenbestimmung von der Hauptregelung an. 2 9 8 Zu untersuchen sind die Anfügung einer Befristung [a)], einer Bedingung [b)], eines Widerrufsvorbehaltes [c)], einer Auflage [d)] und eines Auflagenvorbehaltes [e)] sowie die Streichung einer Befristung [f)], einer Bedingung [g)], eines Widerrufsvorbehaltes [h)], einer Auflage [])] und eines Auflagenvorbehaltes [k)].

a) Anfügung einer Befristung

Inhalt der Befristung (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) ist es, den zeitlichen Regelungsgehalt der Hauptregelung zu bestimmen. Die Befristung lässt sich nicht ohne Inbezugnahme der Hauptregelung formulieren. Denn die Befristung vermindert als „zeitliche Inhaltsbestimmung"299 allein den zeitlichen Regelungsgehalt der Hauptregelung. In diesem Sinne handelt es sich um eine gegenüber der Hauptregelung unselbständige Nebenbestimmung.300 Zwar kann die Anfügung einer Befristung regelmäßig nur vorgenommen werden, indem der Ausgangsverwaltungsakt um einen Zusatz ergänzt wird. Der befristete Verwaltungsakt bedarf somit mehr Worte als der unbefristete. Doch liegt in der Befristetheit nur in sprachlicher und regelungstechnischer Hinsicht ein plus. In inhaltlicher Hinsicht ist eine befristete Hauptregelung gegenüber einer unbefristeten Hauptregelung ein minus. 301 Die Anfügung einer Befristung erschöpft sich dabei in einer Teilaufhebung des Verwaltungsaktes durch Verkürzung des zeitlichen Regelungsgehaltes. Eine Reformation der Hauptregelung, die vom Gericht durch kassatorisches Anfechtungsurteil nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht zu leisten wäre, ist damit nicht verbunden. 302 Somit ist die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthafte Rechtsschutzform, wenn der Kläger die Anfügung einer Befristung zu einem bestehenden Verwaltungsakt begehrt.

298

Insoweit auch Karl, Rechtsschutz gegenüber rechtswidrigen Nebenbestimmungen, S. 100 f.; Hoenig, Rechtsschutz gegen Auflagen, S. 60 f., 94; Sieckmann, DÖV 1998, 525 ff.; ähnlich Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8. 299

Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 6; Pietzcker, NVwZ 1995, 15 (17); Remmert, VerwArch 88 (1997), 112 (127). 300 Insoweit auch Richter/Schuppert/Bumke, Casebook Verwaltungsrecht, S. 159. 301 Happ, in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn 49. 302

So aber Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 6 (vgl. auch Brenner, JuS 1996,

281,286).

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes b) Anfügung einer Bedingung

Inhalt der Bedingung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) ist es, den zeitlichen Regelungsgehalt der Hauptregelung zu bestimmen. Insoweit besteht kein Unterschied zur Befristung [dazu s. o. a)]. Auch die Bedingung zielt nicht auf eine zusätzliche, von der Hauptregelung verschiedene Rechtsfolge ab. Es handelt sich ebenso wie bei der Befristung um eine unselbständige Nebenbestimmung.303 Die Anfügung einer Bedingung erschöpft sich in einer Beschränkung des zeitlichen Regelungsgehaltes, mithin einer Teilaufhebung des Ausgangs Verwaltungsaktes. Deshalb kann sie durch Teilanfechtungsurteil gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO bewirkt werden, so dass die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthafte Rechtsschutzform ist.

c) Anfügung eines Widerrufsvorbehaltes

Inhalt des Widerrufsvorbehalts (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG) ist es, einem späteren Widerruf den Boden zu bereiten, indem vorab der Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG oder einer anderen Befugnisnorm erzeugt wird. 3 0 4 Dabei kommt eine Erledigung des Ausgangsverwaltungsaktes durch Ausübung des Widerrufsvorbehaltes nicht in Betracht, da ein auf den Widerrufsvorbehalt gestützter Widerruf bereits im Wege der Aufhebung nach §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO den Verlust äußerer Wirksamkeit bewirkt [dazu s. o. E. II. 3. b) ee)]. Bedeutsam ist der Widerrufsvorbehalt lediglich für die Rechtmäßigkeit, nicht aber für die Rechts Wirksamkeit des Widerrufs. Insoweit ist mithin nicht erforderlich, den Vorbehalt des Widerrufs als Unterfall der auflösenden Bedingung zu verstehen.305 Auch wird man angesichts der zwischen beiden Nebenbestimmungsarten unterscheidenden Gesetzessystematik die Legaldefinition des Widerrufsvorbehaltes in § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG zumindest als lex specialis zu der Legaldefinition der Bedingung in § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG lesen müssen, so dass einer Ermächtigung zum Erlass einer bedingten Hauptregelung (beispielsweise einer bedingten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 AufenthG) nicht die Befugnis zur Beifügung eines Widerrufsvorbehalts entnommen werden kann. Dies alles schließt jedoch nicht aus, in Bestimmung der statthaften Rechtsschutzform den Widerrufsvorbehalt wie eine Bedingung zu behandeln.306 Ein 303

Insoweit auch Richter/Schuppert/Bumke, Casebook Verwaltungsrecht, S. 159. Die behördliche Befugnis ergibt sich dabei nicht aus dem verwaltungsaktförmigen Widerrufsvorbehalt selbst (so aber Hönig, Zulässigkeit von Nebenbestimmungen, S. 98 ff.), sondern aus dem Gesetz, das angesichts des Widerrufsvorbehalts den Widerruf zulässt. Die Widerrufsbefugnis ist demnach nicht intendierte, sondern eine lediglich akzidentielle Rechtsfolge (Tatbestandswirkung) des Widerrufs Vorbehalts. 304

305 Gegen eine solche Einordnung Elster, Bedingungen, Einschränkungen und Auflagen, S. 63 f.; wohl auch Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 22.

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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Widerrufsvorbehalt lässt sich - ebenso wie eine Bedingung - nur in Bezug auf die Hauptregelung formulieren und weist - im Gegensatz zur Auflage - keinen von der Hauptregelung unterscheidbaren Gehalt auf. Der Widerrufsvorbehalt gehört mithin zu den unselbständigen Nebenbestimmungen, wie auch die Zweiteilung des Katalogs des § 36 Abs. 2 VwVfG bestätigt. Danach kann eine Hauptregelung „erlassen werden mit" einer Befristung, einer Bedingung oder einem Widerrufsvorbehalt, hingegen „verbunden werden mit" einer Auflage oder einem Auflagenvorbehalt. Die Hauptregelung ist in Zeitpunkten nach Ausübung des Widerrufsvorbehaltes ebenso wenig intendiert wie in Zeitpunkten nach Eintritt einer auflösenden Bedingung. Der Widerrufsvorbehalt kann mithin wie die Bedingung als Einschränkung des zeitlichen Regelungsgehalts der Hauptregelung verstanden werden. Da sich die Anfügung eines Widerrufsvorbehaltes in einer Teilaufhebung der Hauptregelung erschöpft, ist sie im Wege der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zu verfolgen.

d) Anfügung einer Auflage

Inhalt der Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG) ist es, dem durch die Hauptregelung Begünstigten eine Verpflichtung zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen aufzuerlegen. Die (belastende) Auflage besteht neben der (begünstigenden) Hauptregelung. Ergeht ein begünstigender Verwaltungsakt zu Unrecht ohne Auflage, so wird ein dadurch belasteter Dritter zumeist nicht die Anfügung einer Auflage zu seinen Gunsten, sondern die Aufhebung der auflagenfreien Hauptregelung erstreben. Statthaft ist insoweit die Anfechtungsklage. 307 Der Dritte ist jedoch insoweit auf die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO verwiesen, wie er nicht die Aufhebung der auflagenfreien Hauptregelung, sondern lediglich die Anfügung einer Auflage beanspruchen kann. 308 Anders als die Befristung, Bedingung oder der Widerrufsvorbehalt weist die Auf306

Eine Gleichsetzung oder zumindest Gleichbehandlung des Widerrufsvorbehalts mit der (auflösenden potestativen) Bedingung vornehmend: Karl, Rechtsschutz gegenüber rechtswidrigen Nebenbestimmungen, S. 23; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, § 49 I. c) (S. 410); Erichsen, in: ders. /Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn 5; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 7; Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 20; Brenner, JuS 1996, 281 (283); Axer, JURA 2001, 748 (749). Abweichend Schachel, JURA 1981, 449 (450); Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 22; unentschieden Remmert, VerwArch 88 (1997), 112 (134). 307 Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rn 140; Gerhardt, in: Schoch /Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 113 Rn 26; Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG,

§36Rn 101.

so» Insoweit auch BVerwG, Urt. v. 22. 9. 1976 - I C 9.71 - BayVBl. 1977, 153 (154); Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 36 Rn 101.

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

läge einen zusätzlichen, von der Hauptregelung unterscheidbaren Gehalt auf. In diesem Sinne ist die Auflage eine gegenüber der Hauptregelung selbständige Nebenbestimmung. Die Anfügung der begehrten Auflage setzt eine Reformation des bestehenden Verwaltungsaktes voraus, die durch Teilanfechtungsurteil nicht zu leisten ist. e) Anfügung eines Auflagenvorbehaltes

Inhalt des Auflagenvorbehaltes (§ 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG) ist es, die nachträgliche Anfügung einer Auflage zu legitimieren. Nicht anders als die Auflage [dazu s. o. d)] weist der Auflagenvorbehalt einen zusätzlichen, von der Hauptregelung unterscheidbaren Regelungsgehalt auf und ist demnach eine gegenüber der der Hauptregelung selbständige Nebenbestimmung. Infolge dieser Selbständigkeit ist die Anfügung eines Auflagenvorbehaltes ebenso wie die Anfügung einer Auflage nicht im Wege der Anfechtungsklage nach §§ 42 Abs. 1 Alt. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, sondern im Wege der Verpflichtungsklage nach §§42 Abs. 1 Alt. 2, 113 Abs. 5 VwGO zu verfolgen.

f) Streichung einer Befristung

Inhalt der Befristung (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) ist es, den zeitlichen Regelungsgehalt der Hauptregelung zu bestimmen. Verfolgt der Kläger die Anfügung einer fehlenden Nebenbestimmung, so bestimmt sich die statthafte Rechtsschutzform nach der Selbständigkeit oder Unselbständigkeit der anzufügenden Nebenbestimmung gegenüber der vorhandenen Hauptregelung [s.o. a)-e)]. Indessen richtet sich die statthafte Rechtsschutzform für die Streichung einer Nebenbestimmung danach, ob die Hauptregelung unabhängig vom Fortbestand oder Fortfall der Nebenbestimmung intendiert ist. Die Streichung einer Nebenbestimmung dient dem Kläger nur dann, wenn die Hauptregelung bestehen bleibt. 3 0 9 Von der Nebenbestimmung abhängig ist die Hauptregelung insbesondere dann, wenn erst die Nebenbestimmung den zeitlichen Regelungsgehalt der Hauptregelung determiniert, wie dies insbesondere auf die Befristung zutrifft. Eine unbefristete Hauptregelung intendiert für einen längeren Zeitraum Rechtsfolgen als eine befristete Hauptregelung. 310 Die Anfügung einer Befristung beschränkt den zeitlichen Regelungsgehalt der Hauptregelung, ist mithin eine Teilkassation des Ausgangsverwaltungsaktes [s. o. a)]. Umgekehrt erweitert die Streichung einer Befristung den zeitlichen Regelungsgehalt der Hauptregelung, ist mithin eine Reformation des Ausgangsverwaltungsaktes.3 1 1 309 Es kommt mithin auf die „Existenzfähigkeit" der Hauptregelung ohne die Nebenbestimmung an, so Heilemann, SGb 2000, 250 (252). 310 Der Sache nach bereits Elster, Bedingungen, Einschränkungen und Auflagen, S. 292 f., 353, der die Befristung als „tatsächliche oder potentielle Einschränkung der Geltungsdauer" kennzeichnet.

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

Eine Erweiterung der intendierten Regelung eines Verwaltungsaktes vermag ein Anfechtungsurteil nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht herbeizuführen. 312 Vielmehr ist der Kläger darauf verwiesen, dass die Behörde in Erfüllung eines entsprechenden Verpflichtungsurteils nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO den Ausgangsverwaltungsakt in Verwaltungsaktsform ergänzt. Entgegen der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist deshalb die Verpflichtungsklage statthafte Rechtsschutzform. 313 Der dagegen erhobene Einwand, auch das Gericht müsse die Befristung „aufheben" können, wenn die Behörde berechtigt oder sogar verpflichtet sei, eine Befristung „zurückzunehmen" 3 1 4 , geht fehl. Die Streichung einer Nebenbestimmung darf nicht voreilig mit einer Teilaufhebung des gegebenen Verwaltungsaktes gleichgesetzt werden. 315 Eine Befristung ist als zeitliche Inhaltsbestimmung der Hauptregelung nicht nur einer isolierten Aufhebung, sondern schlicht jedweder Aufhebung unzugänglich. Selbst wenn ein befristeter Verwaltungsakt in toto aufgehoben wird, ergreift die Aufhebung nicht zum einen die Hauptregelung und zum anderen die Befristung, sondern ausschließlich die Hauptregelung in ihrem vorhandenen Umfang, der in zeitlicher Hinsicht durch die Befristung bestimmt ist. Auch die behördliche „Zurücknahme" einer Befristung ist nicht als deren Aufhebung i. S. d. § 43 Abs. 2 Alt. 1 VwVfG, sondern als Erweiterung des zeitlichen Regelungsgehaltes der Hauptregelung zu verstehen - falsa demonstratio non nocet. 311 Ungenau erscheint allerdings, insoweit von einem „anderen" Verwaltungsakt, als ihn die Behörde erlassen hat, zu sprechen, so aber Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 96. Ein unbefristeter Verwaltungsakt ist gegenüber einem befristeten Verwaltungsakt kein aliud, sondern ein plus. 312 Abweichend geht Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 297 a, davon aus, dass, wenn ein Verwaltungsakt für bestimmte Fälle a und b eine bestimmte Rechtsfolge anordnet, aber die Fälle c ausnimmt, der Rechtsschutz des Betroffenen „unbestreitbar durch eine (Teil-) Anfechtungsklage zu bewerkstelligen". Das Gegenteil trifft nach ansonsten wohl allgemeiner Ansicht zu. 313

Im Ergebnis ebenso Karl, Rechtsschutz gegenüber rechtswidrigen Nebenbestimmungen, S. 108; Elster, Bedingungen, Einschränkungen und Auflagen, S. 292 f., 353; Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 220; Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 96 ff.; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn 49; Ehlers, VerwArch 67 (1976), 369 (371 f.); Pietzcker, NVwZ 1995, 15 (17 ff.); Stornier, DVB1. 1996, 81 (86); ders. NWVB1. 1996, 169 (173 f.); Remmert, VerwArch 88 (1997), 112 (129); Sieckmann, DÖV 1998, 525 (530 f.); Axer, JURA 2001, 748 (752). 314 Laubinger, VerwArch 73 (1982), 345 (357). 315

So aber Schneider, Nebenbestimmungen und Verwaltungsprozeß, S. 151, nach dem die „Aufhebung" (gemeint: Streichung) einer Nebenbestimmung in jedem Fall „trotz des kassatorischen Tenors der Entscheidung des Gerichts reformatorisch wirkt". Indessen ist das Gericht gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nur dann zu einer solchen Streichung einer Nebenbestimmung befugt, die sich in einer negativen Gestaltung (Aufhebung, Kassation) erschöpft und keine positive Gestaltung (Ergänzung, Reformation) des vorhandenen Verwaltungsaktes voraussetzt.

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Zwar zielt nicht nur die Verpflichtungsklage, sondern ebenso die Anfechtungsklage auf eine Erweiterung der Rechtsposition des Klägers ab. 3 1 6 Denn nach gerichtlicher Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes ist der Kläger durch diesen nicht länger beschwert. Doch bestimmt sich die statthafte Rechtsschutzform nicht danach, ob der Kläger ein Mehr an Rechtsposition, sondern danach, ob er ein Mehr an Verwaltungsakt erstrebt. Einem Gericht wäre die Streichung einer Befristung nur dann möglich, wenn es im Anfechtungsprozess nicht nur zur Kassation, sondern darüber hinaus zur Reformation der Hauptregelung befugt wäre. Indessen gewährt das Prozessrecht dem Gericht grundsätzlich keine Reformationsbefugnis. Vielmehr etabliert § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO der Grundsatz des lediglich kassatorischen gerichtlichen Rechtsschutzes gegen Verwaltungsakte 317, als dessen einzige Durchbrechung die gerichtliche Reformationsbefugnis nach § 113 Abs. 2 VwGO konzipiert ist. 3 1 8 Eine auf § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO gestützte Reformationsbefugnis wäre systemfremd 319 und führte zur unzulässigen Umgehung des in § 113 Abs. 5 VwGO kondemnatorisch ausgestalteten Rechtsschutzes auf Erlass eines Verwaltungsaktes. 320 Nichts anderes lässt sich daraus herleiten, dass der Betroffene gegen die behördliche Anfügung einer Nebenbestimmung jedweder Art Anfechtungsklage erheben kann. 321 Denn in 316 Heilemann, SGb 2000, 250 (252). Zutreffend deshalb die Kritik Schenkes, FS Roellecke, S. 281 (288 f.), an der Auffassung Stadies, DVB1. 1991, 613 (614 f.), der ein „Mehr an Rechtsposition" kurzerhand mit einem „Mehr an Genehmigung" gleichsetzt. 317

Abweichend wohl nur Schneider, Nebenbestimmungen und Verwaltungsprozeß, S. 100,

161. 318

Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 166. - Teilweise wird sogar bestritten, dass § 113 Abs. 2 VwGO eine Reformationsbefugnis gewährt. So handelt es sich nach J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn 10, bei der gerichtlichen Festsetzung eines Geldbetrages oder der darauf bezogenen gerichtlichen Feststellung „der Sache nach" stets um eine Teilkassation. Träfe dies zu, besäße die von dems., Rn 11, an der durch § 113 Abs. 2 VwGO n. F. bewirkten Einschränkung der gerichtlichen Änderungsbefugnis geübte Kritik keine Grundlage. Die begehrte Feststellung könnte „der Sache nach" stets durch eine gerichtliche Teilaufhebung der angefochtenen behördlichen Feststellung nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO erlangt werden. Dies ist nicht der Fall, s. BVerwG, Urt. v. 29. 6. 1992-6 C 11.92 - BVerwGE 90, 265 (268). 319

Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; P Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 96. 320 Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 176. 32 1 Hinsichtlich der Anfügung einer Auflage BVerwG, Urt. v. 11. 7. 1962 - V C 5.62 BVerwGE 14, 307 (308 f.), bezüglich der Anfügung einer Befristung BVerwG, Urt. v. 28. 5. 1991 - 1 C 20/89 - NVwZ 1992,177 (177). Allgemein Karl, Rechtsschutz gegenüber rechtswidrigen Nebenbestimmungen, S. 108; Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 36 Rn 9 c); Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 215; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 292; ders., FS Roellecke, S. 281 (289); Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 36 Rn 63; Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rn 120. Ausgenommen werden muss allerdings das nachträgliche Anbringen einer Nebenbestimmung im Wege verwaltungsrechtlichen Vertrages.

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

diesen Fällen wird nicht die angefügte Nebenbestimmung selbst, sondern der behördliche Anfügungsakt angefochten. Begehrt beispielsweise der Inhaber einer Konzession zum Betrieb von Rettungswagen die Erweiterung der Betriebszeit, so ist die Verpflichtungsklage statthaft. 322 Zur Begründung führt das Bundesverwaltungsgericht aus, die Nebenbestimmung lege „letztlich" den Inhalt der Genehmigung fest, so dass es sich, wenn um eine Auflage, so um eine „modifizierende Auflage" handele. Dieser Einordnung ist allerdings zu entgegnen, dass § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG jede Bestimmung, nach der eine Vergünstigung für einen bestimmten Zeitraum gilt, als Befristung definiert. Unschädlich ist danach, dass der Vergünstigungszeitraum, etwa die Betriebszeit der Rettungswagen, kein zusammenhängender ist. Die Befristung, der ein Verwaltungsakt unterliegt, kann auch periodischer Art sein [s. o. C. IV. 2. a)].

g) Streichung einer Bedingung

Inhalt der Bedingung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) ist es, den zeitlichen Regelungsgehalt der Hauptregelung zu bestimmen. Insoweit besteht kein Unterschied zur Befristung [dazu s. o. f)]. Da die Anfügung einer Bedingung den zeitlichen Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes verkürzt [s. o. b)], erweitert umgekehrt die Streichung einer Bedingung den zeitlichen Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes. Wie Weyreuther hervorhebt, kann das Gericht nicht das nachleisten, was die Behörde, wenn auch in rechtswidriger Weise, vorenthalten hat. 3 2 3 Eine Streichung der Bedingung ist mithin im Wege der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zu verfolgen. 324 Dies gilt auch dann, wenn der Kläger nicht die Streichung einer aufschiebenden Bedingung, sondern die Streichung einer auflösenden Bedingung erstrebt. Steht beispielsweise die Aufnahme eines Krankenhauses in den (verwaltungsaktförmigen) Krankenhausbedarfsplan des Landes unter der auflösenden Bedingung, dass die Versorgung der nahe gelegenen Großstadt anderweitig sichergestellt wird, so ist der Krankenhausträger entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts 325 auf die Verpflichtungsklage verwiesen, um eine unbedingte Auf322 im Ergebnis auch BVerwG, Urt. v. 17. 6. 1999 - 3 C 20.98 - NVwZ-RR 2000, 213 (213), allerdings ohne Qualifikation als Befristung. 323 Weyreuther, DVB1. 1969, 232 (235). 324 im Ergebnis ebenso Karl, Rechtsschutz gegenüber rechtswidrigen Nebenbestimmungen, S. 108; Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 96 ff.; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn 49; Hanf Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 220; Ehlers, VerwArch 67 (1976), 369 (371 f.); Pietzcker, NVwZ 1995, 15 (17 ff.); Stornier, DVB1. 1996, 81 (86); ders. NWVB1. 1996, 169 (173 f.); Sieckmann, DÖV 1998, 525 (530 f.); Axer, JURA 2001, 748 (752).

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

nähme zu erreichen. Das Land hat bislang lediglich eine auflösend bedingte Aufnahme in den Krankenhausbedarfsplan ausgesprochen. Es bedarf einer Reformation dieses Verwaltungsaktes, damit die Aufnahme auch für den Fall intendiert ist, dass die Versorgung der nahe gelegenen Großstadt anderweitig sichergestellt wird. Eine Teilkassation wäre dazu nur dann hinreichend, wenn der auflösend bedingte Verwaltungsakt als eine unbedingte Hauptregelung, verbunden mit einer aufschiebenden Bedingung, verstanden werden könnte. Indessen ist diese Hilfskonstruktion der auflösenden Bedingung, von der das ius civilis ausging 326 , mittlerweile auch im Privatrecht überwunden, wie § 158 Abs. 2 BGB belegt. Mithin scheidet die Anfechtung einer auflösenden Bedingung ebenso aus wie die Anfechtung einer aufschiebenden Bedingung.

h) Streichung eines Widerrufsvorbehaltes

Inhalt des Widerrufsvorbehalts (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG) ist es, einem späteren Widerruf den Boden zu bereiten, indem vorab der Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG oder einer anderen Befugnisnorm erzeugt wird. Da die Anfügung eines Widerrufsvorbehaltes den zeitlichen Regelungsgehalt der Hauptregelung schmälert [s. o. c)] und die Streichung eines Widerrufsvorbehaltes den zeitlichen Regelungsgehalt der Hauptregelung erweitert, kann der Kläger eine solche Streichung nicht im Wege der Anfechtung erreichen, sondern ist insoweit auf die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO 327

verwiesen. j) Streichung einer Auflage

Inhalt der Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG) ist es, dem durch die Hauptregelung Begünstigten eine Verpflichtung zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen aufzuerlegen. Die im vorliegenden Zusammenhang umstrittenste Frage ist, ob der Kläger die Streichung einer Auflage im Wege der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO verfolgen kann, eine Auflage mithin isolierter Anfechtung

325 BVerwG, Urt. v. 10. 7. 1980 - 3 C 136.79 - BVerwGE 60, 269 (271). Die Anfechtbarkeit einer auflösenden Bedingung bejahend auch OVG NRW, Urt. v. 23. 9. 1991 - 1 A 2744/88 - NVwZ 1993, 488 ff.; Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 36 Rn 44; Erichsen, in: ders. / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn 33; Janßen, in: Obermayer, VwVfG, § 36 Rn 48; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 14 Rn 61; 7. Schmidt, NVwZ 1996, 1188(1189). 326 Bork, in: Staudinger, BGB, 2003, Vorbem. zu §§ 158-163, Rn 1. Aus diesem Grund stellte Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 3., S. 231, in Abgrenzung von der Auflage allein auf die aufschiebende Bedingung, die „suspendirt", ab. 327 im Ergebnis ebenso Karl, Rechtsschutz gegenüber rechtswidrigen Nebenbestimmungen, S. 108; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn 49; Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 220.

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

7

unterliegt. Da die Auflage einen selbständigen (und dabei belastenden) Regelungsgehalt aufweist, löst eine rechtswidrige Auflage einfachgesetzliche oder auch grundrechtliche Beseitigungsansprüche aus. 328 Indessen zielt der Anspruch auf Beseitigung einer rechtswidrigen Auflage nicht notwendig auf die isolierte Aufhebung der Auflage ab. Vielmehr wird dem Beseitigungsanspruch auch dann Genüge getan, wenn der aus begünstigender Hauptregelung und belastender Auflage zusammengesetzte Verwaltungsakt insgesamt aufgehoben wird. Ein Anspruch auf isolierte Aufhebung der Auflage setzt voraus, dass die Auflage isolierter Aufhebung zugänglich ist. Die isolierte Aufhebbarkeit der Auflage lässt sich deshalb nicht umgekehrt auf etwaige Beseitigungsansprüche stützen. 329 Wie bereits dargelegt [s.o. a)-c)] ist die Streichung einer Befristung, einer Bedingung oder eines Widerrufsvorbehaltes als einer selbständigen Nebenbestimmung im Wege der Verpflichtungsklage zu verfolgen, die Anfügung einer solchen Nebenbestimmung jedoch im Wege der Anfechtungsklage. Dies könnte zu dem Schluss verleiten, zur Streichung einer Auflage als einer selbständigen Nebenbestimmung sei die Anfechtungsklage eröffnet, da für die Anfügung die Verpflichtungsklage statthaft ist. Jedoch erweist sich dieser Schluss als voreilig. Zwar bemisst sich die Rechtsschutzform bei der Anfügung einer Nebenbestimmung danach, ob die anzufügende Nebenbestimmung einen zusätzlichen, von der Hauptregelung unterscheidbaren Regelungsgehalt aufweist und in diesem Sinne selbständig ist. Doch kommt es für die Rechtsschutzform bei der Streichung einer Nebenbestimmung nicht auf deren Selbständigkeit gegenüber der Hauptregelung, sondern umgekehrt auf die Unabhängigkeit der Hauptreglung von der Nebenbestimmung an. 3 3 0 Denn da ein Fortfall der Hauptregelung den Rechtsschutzzielen des Klägers zuwider liefe, muss die Hauptregelung unabhängig vom Fortbestand oder Fortfall der Nebenbestimmung intendiert sein, damit dem Kläger eine Streichung der Nebenbestimmung von Nutzen ist [s. o. f)]. Es kommt darauf an, dass „der Verwaltungsakt ohne Änderung seines übrigen Inhalts bestehen bleibt". 3 3 1 Entscheidend ist mithin nicht, ob die Auflage als „selbständiger materieller Verwaltungsakt" 332 oder als „Nichtverwaltungsakt" 333 qualifiziert werden kann, sondern ob der Weg328 Remmert, VerwArch 88 (1997), 112 (114 ff.). 329 So aber Remmert, VerwArch 88 (1997), 112 (114 ff.). 330 Die Selbständigkeit der Nebenbestimmung (gegenüber der Hauptregelung) mit der Unabhängigkeit der Hauptregelung (von der Nebenbestimmung) verwechseln etwa Hoenig, Rechtsschutz gegen Auflagen, S. 60 f.; Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; P Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 98, 100; Hanf, Inhaltsund Nebenbestimmungen, S. 8 f.; Funk, BayVBl. 1986, 105 (105); Remmert, VerwArch 88 (1997), 112(116). 331 Insoweit auch BVerwG, Urt. v. 8. 2. 1974 - IV C 73.72 - DÖV 1974, 380 (381). 332 So Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; P Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 98. 333 So Fehn, DÖV 1988, 202 ff.

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

fall dieses Zusatzes bestandsfähige „Restregelungen" zurücklässt 334. Die Abhängigkeit der Hauptregelung bestimmt sich insbesondere danach, ob die Auflage zur Herstellung der Rechtmäßigkeit einer in gebundener Verwaltung ergangenen Hauptregelung gemäß § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG entbehrlich [aa)] oder gemäß § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG notwendig [bb)J ist oder die Auflage gemäß § 36 Abs. 2 VwVfG einer nach Ermessen erlassenen Hauptregelung beigefügt wird [cc)].

aa) Streichung einer entbehrlichen Auflage zu einem gebundenen Verwaltungsakt Zwar steht die Auflage immer in einer gewissen inhaltlichen Verbindung zur Hauptregelung. 335 Doch ist zur Streichung einer Auflage die Anfechtungsklage dann statthaft, wenn die Hauptregelung auch über den Fortfall der Auflage hinaus intendiert ist, sich mithin die begehrte Streichung in einer Teilaufhebung des Ausgangsverwaltungsaktes erschöpft. Zunächst könnte der Standpunkt eingenommen werden, die Behörde brächte im Erlass der mit einer Auflage behafteten Hauptregelung stets ihren Willen zum Ausdruck, die Hauptregelung nicht ohne die Auflage bestehen lassen zu wollen. 3 3 6 Die isolierte Aufhebung einer Auflage scheint der Behörde einen Verwaltungsakt aufzudrängen, den sie so nicht erlassen hätte. 337 Scheinbar zwingend für diese Auffassung spricht, dass sich die Behörde durch den Erlass der Hauptregelung mit Auflage erkennbar gegen eine Hauptregelung ohne Auflage entschieden hat. Doch stehen der Behörde beim Erlass nicht zwei, sondern drei Verhaltensweisen zur Wahl. Die Behörde kann die Hauptregelung mit Auflage erlassen (erste Handlungsalternative) oder die Hauptregelung ohne Auflage erlassen (zweite Handlungsalternative) oder vom Erlass der Hauptregelung absehen (Untätigkeit). Hat die Behörde den Erlass einer auflagenbehafteten Hauptregelung gewählt, so hat sie zwar die erste Handlungsalternative der zweiten vorgezogen. 338 Nicht ausgeschlossen ist dadurch jedoch, dass sie die zweite Handlungsalternative der Untätigkeit vorzieht. Vielmehr ist nach den Umständen des Falles zu ermitteln, ob die Behörde die Hauptregelung über den Fortfall der Auflage hinaus intendiert, mithin eine von der Auflage entkleidete Hauptregelung fortbestehen soll, falls dies notwendig wird. Entscheidend ist daher der von der Behörde absichtlich hergestellte „Verknüpfungszusammenhang" zwischen Hauptregelung und Auflage. 339 Zur Ermittlung 334 Erichsen, VerwArch 66 (1975), 299 (302). 335 Dazu Ehlers, VerwArch 67 (1976), 369 ff.; Fehn, DÖV 1988, 202 (210). 336 Fehn, DÖV 1988, 202 (207), in dieselbe Richtung Ehlers, Verw 31 (1998), 53 (67). 337 BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1977 - 8 C 28.77 - BVerwGE 55,135 (137 f.). So Brenner JuS 1996, 281 (287); z.T. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn 28; Lange, AöR 102(1977), 337 (352 f.). 338 Dies betonend Stadie, DVB1. 1991, 613 (614).

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

des Behördenwillens kommt es zunächst auf explizite Aussagen der Behörde an. In Ermangelung solcher Aussagen dienen die Erwägungen der Behörde über die Zweckmäßigkeit oder Rechtmäßigkeit einer auflagenfreien Hauptregelung als Hilfskriterium zur Ermittlung des Behördenwillens. Denn es ist nicht anzunehmen, dass die Behörde eine von der Auflage entkleidete Hauptregelung fortbestehen lassen will, wenn die Behörde dies für zweckwidrig oder rechtswidrig erachtet. Fehlt es an Erwägungen über die Rechtmäßigkeit einer auflagenfreien Hauptregelung so ist diesbezüglich auf die wahre Rechtslage abzustellen. Denn im Zweifel ermöglicht die Verwaltung keine rechtswidrigen Zustände. In dem von § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG erfassten Teilbereich gebundener Verwaltung besteht eine behördliche Pflicht, die begünstigende340 Hauptregelung zu erlassen. Neben diese Pflicht tritt aufgrund besonderer gesetzlicher Ermächtigung die behördliche Befugnis, der begünstigenden Hauptregelung eine belastende Nebenbestimmung beizugeben. Als Nebenbestimmung kommt insbesondere eine Auflage nach § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG in Betracht. 341 Eine auf § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG gestützte Auflage stellt im Gegensatz zu einer auf § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG gestützten Auflage [dazu s. u. bb)] nicht erst die Rechtmäßigkeit der Hauptregelung her. Vielmehr ist die Behörde im Rahmen des § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG zum Erlass der Hauptregelung verpflichtet, sei es nun mit oder ohne Auflage. Um dieser Rechtspflicht zu genügen, muss die Behörde die Hauptregelung über einen etwaigen Fortfall der Auflage hinaus intendieren. Ist die Behörde rechtstreu, so zieht sie den Erlass einer auflagenfreien Hauptregelung (zweite Handlungsalternative) dem Nichterlass der Hauptregelung (Untätigkeit) vor. Da der Fortbestand der Hauptregelung nicht von der Auflage abhängt, kann die Auflage isoliert aufgehoben und deshalb nach §§42 Abs. 1 Alt. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO isoliert angefochten werden. Dies sei anhand einer Gaststättenerlaubnis erläutert, die gemäß § 5 Abs. 1 GastG mit einer Auflage behaftet ist, obwohl die Erlaubnisvoraussetzungen nach § § 2 Abs. 1 S. 1,4 Abs. 1 GastG erfüllt sind. Der Gastwirt kann durch isolierte Anfechtung der Auflage eine auflagenfreie Erlaubnis erlangen. Die Auflage dient nicht dazu, die Zweckmäßigkeit oder Rechtmäßigkeit der Gaststättenerlaubnis sicherzustellen. Zur Erteilung der Gaststättenerlaubnis, sei es mit oder ohne Auflage, war die Behörde verpflichtet, die Auflage mithin lediglich auf § 36 Abs. 1 Alt. 1 Insoweit auch Lange, AöR 102 (1977), 337 (354, 363 f.), der allerdings den fehlenden „Verknüpfungszusammenhang" für eine Voraussetzung nicht der Statthaftigkeit, sondern der Begründetheit der Anfechtungsklage erachtet. 340 Diese Vorschrift in allein auf begünstigende Hauptregelungen anwendbar, da nur auf sie „ein Anspruch besteht", wie § 36 Abs. 1 VwVfG voraussetzt. 341 Zu Recht wird der Aufbau des § 36 VwVfG „als systematisch wenig gelungen" gerügt, da Absatz 2 nicht nur die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen bei Ermessens-Verwaltungsakten regelt, sondern überdies auch die im Bereich gebundener Verwaltung anwendbaren Legaldefinitionen enthält, Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; P Stelkens/ U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 2.

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

VwVfG i. V. m. § 5 Abs. 1 GastG gestützt. Die Gaststättenerlaubnis ist auch über einen etwaigen Fortfall der Auflage hinaus intendiert. Da nach Streichung der Auflage eine auflagenfreie Gaststättenerlaubnis fortbesteht, erreicht der Gastwirt sein Rechtsschutzziel im Wege der Anfechtungsklage.

bb) Streichung einer notwendigen Auflage zu einem gebundenen Verwaltungsakt Ist die Behörde unter gewissen gesetzlichen Voraussetzungen zum Erlass eines Verwaltungsaktes verpflichtet, so darf sie gemäß § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG den Verwaltungsakt mit einer Nebenbestimmung versehen, um sicherzustellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zum Erlass des Verwaltungsaktes erfüllt werden. 342 Obwohl § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG nur solche Verwaltungsakte erfasst, zu deren Erlass die Behörde verpflichtet wäre, lägen die gesetzlichen Erlassvoraussetzungen vor, eröffnet diese Norm doch innerhalb des allein betroffenen Bereichs gebundener Verwaltung behördliches Ermessen. Denn ein Anspruch auf Erlass des nebenbestimmungsbehafteten Verwaltungsaktes besteht grundsätzlich nicht 3 4 3 , sondern nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über diesen Erlass. 344 In Fällen des § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG stellt erst die angefügte Nebenbestimmung die Rechtmäßigkeit der Hauptregelung her. 345 Deshalb darf die Behörde keine nebenbestimmungsfreie Hauptregelung (erste Handlungsalternative) erlassen. Vielmehr muss die Behörde die Hauptregelung entweder mit einer Nebenbestimmung verknüpfen (zweite Handlungsalternative) oder vom Erlass absehen (Untätigkeit). Wählt die Behörde eine nebenbestimmungsbehaftete Hauptregelung, so zieht sie nur die erste Handlungsalternative, nicht aber die zweite Handlungsalternative der Untätigkeit vor. Denn die Behörde erachtet den Verzicht auf die Hauptregelung zwar für weniger zweckmäßig als den Erlass einer nebenbestimmungsbehafteten Hauptregelung. Weil erst die Auflage einen Versagungsgrunds für die Begünstigung ausräumt, muss ausgeschlossen werden, dass die Begünstigung ohne Auflage fortbesteht. 346 Da die Behörde den Nichterlass der Hauptregelung dem Erlass einer auf342 Zu Nebenbestimmungen, die angefügt werden, um anspruchshindernde Versagungsgründe auszuräumen, s. insb. Mößle, BayVBl. 1982,193 (196); Papier, NuR 1991,162 (166). 343 BVerwG, Urt. v. 18. 12. 1986 - 3 C 67/85 - NJW 1987, 2318 (2321); Hanf, Inhaltsund Nebenbestimmungen, S. 8 f.; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 36 Rn 70; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn 163. 344 Die Frage offenlassend OVG NRW, Urt. v. 15. 7. 1993 - 4 A 3853/92 - GewArch 1994, 20 (22). Einen Anspruch der Gemeinde auf Erteilung der mit einem Zusatz (Inhaltsbestimmung) behafteten Genehmigung eines Bauleitplans bejahend hingegen BVerwG, Urt. v. 18. 2. 1994 - 4 C 4.92 - BVerwGE 95, 123 (128 f.). 345 BVerwG, Urt. v. 17. 09. 1987 -IC 15.85 - BVerwGE 78, 114 (117 f.); Hanf, Inhaltsund Nebenbestimmungen, S. 8 f.; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 67 a); Papier, NuR 1991,162 (166). 346 Insoweit bereits Elster, Bedingungen, Einschränkungen und Auflagen, S. 295, 335.

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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lagenfreien Hauptregelung vorzieht, ist die Hauptregelung nicht über den Fortfall der Auflage hinaus intendiert und in diesem Sinne von der Auflage abhängig. Aus diesem Grund scheidet eine isolierte Anfechtung der Auflage aus. Dies belegt der Beispielsfall 347 , in dem eine Baugenehmigung unter die Auflage gestellt wird, zur Ablösung von der gesetzlichen Stellplatzpflicht einen Ausgleichsbetrag zu leisten. Der vom Betroffenen auf Streichung der Zahlungsauflage erhobenen Klage kommt keine aufschiebende Wirkung zu. 3 4 8 Ob der Ausgleichsbetrag, zu dessen Zahlung die Auflage verpflichtet, eine öffentliche Abgabe ist und deshalb § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage ausschließt349, kann offen bleiben. Denn eine Anfechtungsklage ist bereits nicht statthaft. Eine aufschiebende Wirkung ginge mangels Anfechtungsgegenstand ins Leere, unabhängig davon, ob die aufschiebende Wirkung im Übrigen die Zulässigkeit des Anfechtungsrechtsbehelfs voraussetzt. Da die Zahlungsauflage zur Herstellung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung notwendig war, ist die Baugenehmigung nicht über einen etwaigen Fortfall der Auflage hinaus intendiert, mithin von der Auflage abhängig. Die begehrte Streichung der Auflage erschöpft sich nicht in einer Teilaufhebung der ursprünglichen Baugenehmigung. Da ein Anfechtungsurteil gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO dem Kläger nicht zu seinem Rechtsschutzziel verhilft, ist nicht die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, sondern die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthafte Klageart.

cc) Streichung einer Auflage zu einem Ermessensverwaltungsakt Im Bereich der Ermessensverwaltung ermächtigt § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG die Behörde, eine begünstigende Hauptregelung nach pflichtgemäßem Ermessen mit einer belastenden Auflage zu verbinden. Eine solche Auflage ist grundsätzlich dazu bestimmt, die Rechtmäßigkeit oder Zweckmäßigkeit der Hauptregelung herbeizuführen. Nur ausnahmsweise geht die Behörde davon aus, dass auch eine auflagenfreie Hauptregelung rechtmäßig und zweckmäßig wäre. Dies illustriere der Beispielsfall einer nach Ermessen erteilten Genehmigung zur Zweckentfremdung von Wohnraum, der die Behörde die Auflage beifügt, zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus eine Abstandssumme zu zahlen. 350 Das 347 Sachverhalt in Anlehnung an HbgOVG, Beschl. v. 19.5. 1999 - 2 Bs 229/98 NVwZ-RR 2000, 106 f.; vgl auch Urt. v. 24. 6. 1990 - Bf. II. 51/89-DVB1. 1991, 220 f. 348 Abweichend HbgOVG, Beschl. v. 19. 05. 1999-2 Bs 229/98 - NVwZ-RR 2000, 106 (106 f.). 349 Verneinend HbgOVG, Beschl. v. 19. 05. 1999 - 2 Bs 229/98 - NVwZ-RR 2000, 106 (106 f.). 350 So der zugrunde liegende Sachverhalt in den Entscheidungen BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1977 - 8 C 28.77 - BVerwGE 55, 135 ff., Urt. v. 12. 03. 1982 - 8 C 23.80 - BVerwGE 65, 139 ff. Steinweg

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Bundesverwaltungsgericht hatte in zwei Entscheidungen Gelegenheit, der Frage der isolierten Anfechtbarkeit einer solchen Zahlungsauflage nachzugehen. In der ersten Entscheidung351 hat das Gericht die isolierte Anfechtbarkeit der Zahlungsauflage verneint. Die Trennung von Genehmigung und Auflage sei zwar gegenständlich möglich 352 . Doch bestünde ein enger Zusammenhang der Zahlungsauflage mit der dem Kläger erteilten Genehmigung, die aus der Sicht der tätig gewordenen Behörde auf einer einheitlichen Ermessensentscheidung beruhe. Deshalb könnte nur geltend gemacht werden, es habe entweder überhaupt an einer Rechtsgrundlage für die Zahlungsauflage gefehlt, weil das Vorhaben nicht genehmigungsbedürftig gewesen sei, oder der Kläger habe ein Recht auf Erteilung einer auflagenfreien Genehmigung gehabt. Ermessensfehler bei der Festsetzung der Abstandssumme könnten hingegen nur im Wege der auf Neubescheidung des Genehmigungsantrags gerichteten Verpflichtungsklage (nunmehr gemäß § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO) geltend gemacht werden. Bezeichnenderweise subsumiert das Gericht an dieser Stelle der Entscheidung nicht unter seinen eigenen Obersatz. Vielmehr setzt es unausgesprochen bereits in der Zulässigkeitsprüfung die Ergebnisse der späteren Begründetheitsprüfung voraus, dass der Kläger einer Zweckentfremdungsgenehmigung bedurfte 353 und keine auflagenfreie Zweckentfremdungsgenehmigung beanspruchen konnte 354 . Die Verneinung der isolierten Anfechtbarkeit durch das Bundesverwaltungsgericht beruht mithin auf dem Fehlen eines materiellen Anspruchs auf eine auflagenfreie Zweckentfremdungsgenehmigung. Denn um eine einheitliche behördliche Ermessensentscheidung - wie vom Gericht behauptet - handelt es sich nur dann, wenn die Behörde zur Ablehnung der Genehmigung befugt war. Somit stützt das Bundesverwaltungsgericht die UnStatthaftigkeit der Anfechtungsklage stillschweigend auf die mangelnde Begründetheit der (hilfsweisen 355 ) Verpflichtungsklage. Die Ausführungen des Gerichts in der ersten Entscheidung vermögen deshalb nicht zu überzeugen. In der zweiten Entscheidung356 hat der selbe Senat seine in der ersten Entscheidung vertretene Ansicht ausdrücklich aufgegeben und die isolierte Anfechtbarkeit der Zahlungsauflage bejaht. Zur Begründung führt das Gericht aus, der Grundsatz der selbständigen Anfechtbarkeit von Auflagen sei zwar durch Ausnahmen - das Gericht nennt hier die sog. modifizierenden Auflagen - eingeschränkt. Doch sieht das Bundesverwaltungsgericht diesen Grundsatz nicht nur durch eine (weitere) Ausnahme eingeschränkt, sondern im Wesentlichen aufgegeben, wenn bereits 351 BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1977 - 8 C 28.77 - BVerwGE 55, 135 (140). 352 BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1977 - 8 C 28.77 - BVerwGE 55, 135 (136). 353 BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1977 - 8 C 28.77 - BVerwGE 55, 135 (139). 354 BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1977 - 8 C 28.77 - BVerwGE 55, 135 (140). 355 Das Gericht deutete das klägerische Begehren im Fall als hilfsweises Verpflichtungsbegehren BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1977 - 8 C 28/77 - BVerwGE 55, 135 (138). 356 BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1977 - 8 C 28/77 - BVerwGE 65, 139 (140).

F. Gewinn der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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die Einheitlichkeit der die begünstigende Hauptregelung und die belastende Auflage umfassenden Ermessensentscheidung die gesonderte Anfechtbarkeit ausschlösse.357 Ferner steht nach Auffassung des Gerichts der isolierten Anfechtbarkeit nicht entgegen, dass die isolierte Aufhebung eine Begünstigung zurücklässt, welche die Behörde so nicht gewähren wollte. Das Bundesverwaltungsgericht verweist die Behörde darauf, die Begünstigung wegen Nichterfüllung der Auflage zu widerrufen (nunmehr geregelt in § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwVfG) und setzt dabei kurzerhand die Aufhebung der Auflage mit der Nichterfüllung der Auflage gleich. 358 Auch gegen die vom Bundesverwaltungsgericht in der zweiten Entscheidung zur Begründung der isolierten Anfechtbarkeit der Zahlungsauflage vorgebrachten Argumente bestehen durchgreifende Bedenken. Das erste Argument, die isolierte Anfechtbarkeit von Auflagen als Grundsatz erhalten zu müssen, setzt voraus, was gerade zu beweisen ist, nämlich die grundsätzlich isolierte Anfechtbarkeit von Auflagen. Die Existenz dieses Grundsatzes belegt das Gericht ohne Herleitung aus dem Gesetz schlicht mit eigener Rechtsprechung. 359 Dem zweiten Argument des Bundesverwaltungsgerichts ist insoweit beizupflichten, dass der Wille der Behörde, eine Hauptregelung nur mit Auflage zu erlassen, die isolierte Anfechtbarkeit der Auflage nicht ausschließt. Denn dass die Behörde eine Hauptregelung mit Auflage einer Hauptregelung ohne Auflage vorzieht, bedeutet noch nicht, dass die Behörde auch den Fortfall der Hauptregelung einer Hauptregelung ohne Auflage vorzieht [s. o. aa)]. Insoweit jedoch die Behörde bei Erlass der auflagenbehafteten Hauptregelung für den Fall des Fortfalls der Auflage nicht mehr an der Hauptregelung festhalten will, verhindert der fehlende Behördenwille den Fortbestand einer von der Auflage entkleideten Hauptregelung. Ebenso wie die erste Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auf der Ablehnung eines Anspruchs des Klägers auf eine auflagenfreie Zweckentfremdungsgenehmigung beruht, gründet die zweite Entscheidung des Gerichts auf der Zuerkennung eines solchen Anspruchs. Dass die Behörde eine verwaltungsaktförmige Begünstigung hätte gewähren müssen, bedeutet nicht, dass sie eine solche Begünstigung gewährt hat. Das behördliche Können geht über das behördliche Dürfen hinaus. 360 Die Verwaltungsgerichtsordnung 357 BVerwG, Urt. v. 12. 03. 1982 - 8 C 23.80 - BVerwGE 65, 139 (140). 358 Das Gericht führt aus, dass „die Behörde für den Fall der Nichterfüllung einer Auflage (und daher auch für den Fall ihrer Aufhebung) grundsätzlich zum Widerruf der gewährten Begünstigung berechtigt ist", BVerwG, Urt. v. 12. 03. 1982 - 8 C 23.80 - BVerwGE 65, 139 (141). 359 Das Gericht weist hier auf BVerwG, Urt. v. 21. 10. 1970 - IV C 165.65 - BVerwGE 36,145 (153 f.); Urt. v. 3. 5. 1974 - IV C 42.72 - Buchholz 407.4 § 9 FStrG Nr. 13 S. 11 (13) sowie auf die Entscheidung hin, der ansonsten widersprochen wird, Urt. v. 14. 12. 1977 - 8 C 28/77 - BVerwGE 55, 135 (140). 360 Dies in diesem Zusammenhang unterstreichend insbesondere Weyreuther, DVB1. 1969, 232 (235). 16*

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

ermächtigt in § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO lediglich zu der kassatorischen Entscheidung, einen von der Behörde erzeugten Verwaltungsakt ganz oder teilweise aufzuheben, jedoch nicht zu der reformatorischen Entscheidung, einen anderen Verwaltungsakt an die Stelle des bestehenden zu setzen.361 Auch kann die (vermeintliche) Widerruflichkeit der auflagenentkleideten Hauptregelung nicht den fehlenden Behördenwillen ersetzen. Eine etwaige Widerrufsbefugnis der Behörde verhindert in diesem Fall nicht, dass zumindest vorerst ein nicht von der Behörde, sondern vom Gericht geschaffener Verwaltungsakt existiert. Zudem ist die Behörde entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zum Widerruf der Hauptregelung befugt, wenn die Auflage aufgehoben wird. Denn der Widerruf wegen Nichterfüllung einer Auflage setzt nach § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwVfG voraus, dass eine weiterhin mit der Hauptregelung verbundene Auflage nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt wird. Entfällt die Auflage, so kann auch nicht mehr gegen die Auflage verstoßen werden. Wäre die Aufhebung einer Auflage mit der Nichterfüllung der Auflage gleichzusetzen, könnte auch die Behörde selbst die belastende Auflage aufheben, sich dadurch zu einem Widerrufsgrund zu verhelfen und sodann die begünstigende Hauptregelung nach § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwVfG widerrufen. Somit kann den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht gefolgt werden. Vielmehr beantwortet sich die Frage, ob die der Zweckentfremdungsgenehmigung anhaftende Zahlungsauflage isoliert anfechtbar ist, anhand des im Erlass des Ausgangsverwaltungsaktes zum Ausdruck kommenden Behördenwillens. Isoliert anfechtbar ist die einer Hauptregelung beigefügte Auflage nur dann, wenn die Behörde die Hauptregelung über einen etwaigen Fortfall der Auflage hinaus intendiert. Hilfskriterien zur Ermittlung des Behördenwillens sind allfällige behördliche Erwägungen zu Zweckmäßigkeit oder Rechtmäßigkeit einer auflagenfreien Hauptregelung. Geht die Behörde bei Erlass des Ausgangsverwaltungsaktes von einem Ablehnungsspielraum aus, der ihr die Versagung der Hauptregelung erlaubt, so kann vermutetet werden, die Behörde halte eine auflagenfreie Hauptregelung für zweckwidrig. Die Behörde geht von einem Ablehnungsspielraum hinsichtlich der Gewährung der Hauptregelung insbesondere 362 dann aus, wenn sie (nicht im Einzelfall reduziertes) Ermessen in Anspruch nimmt. Ob das Gesetz der Behörde in Wahrheit einen Ablehnungsspielraum zuerkennt, dient dabei nur als Hilfskriterium zur Ermittlung der Vorstellung der Behörde. Im Beispielfall ist die Zweckentfremdungsgenehmigung als Ermessensentscheidung ergangen. Es ist nicht anzunehmen, die Behörde habe eine Zweckentfrem-

361 BVerwG, Urt. v. 8. 2. 1974 - 4 C 73.22 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 72 S. 40 (43); Urt. v. 12. 3. 1982 - 8 C 23.80 - BVerwGE 65,139 (142). 362 Zum Beurteilungsspielraum als der neben Ermessen zweiten Form eines exekutiven Gestaltungsspielraums s. u. K. I. 2 b) dd).

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

dungsgenehmigung über den etwaigen Fortfall der Zahlungsauflage hinaus gewähren wollen. Die Hauptregelung ist mithin von der Auflage abhängig, infolgedessen ließe eine isolierte Aufhebung der Auflage keine auflagenfreie Hauptregelung zurück. Die auf gerichtliche Teilaufhebung durch Anfechtungsurteil gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO abzielende Anfechtungsklage ist deshalb untauglich, dem Kläger zum Rechtsschutzziel einer von der Zahlungsauflage entkleideten Zweckentfremdungsgenehmigung zu verhelfen. Zur Streichung der Auflage bedarf es vielmehr der verwaltungsaktförmigen Ergänzung des Ausgangsverwaltungsaktes durch die Behörde. Statthaft ist deshalb die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, gerichtet auf Verurteilung der Behörde gemäß § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO, einen solchen Ergänzungsverwaltungsakt zu erlassen.

k) Streichung eines Auflagenvorbehaltes

Inhalt des Auflagenvorbehaltes (§ 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG) ist es, die nachträgliche Anfügung einer Auflage zu legitimieren. Die Erwägungen zur Auflage finden auf den Auflagenvorbehalt auch insoweit entsprechende Anwendung, wie nicht die Anfügung, sondern die Streichung begehrt ist. Zur Streichung eines Auflagenvorbehaltes ist die Anfechtungsklage dann statthaft, wenn die Hauptregelung auch über den Fortfall des Auflagenvorbehaltes hinaus intendiert und in diesem Sinne unabhängig ist. Unabhängig ist die Hauptregelung dann, wenn sie nach Vorstellung der Behörde auch ohne den Auflagenvorbehalt rechtmäßig und zweckmäßig ist, d. h. in den Fällen des § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG und ausnahmsweise auch in Fällen des § 36 Abs. 2 VwVfG. Abhängig ist die Hauptregelung dann, wenn sie nach Vorstellung der Behörde nur mit dem Auflagenvorbehalt rechtmäßig und zweckmäßig ist, d. h. in den Fällen des § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG und grundsätzlich auch in den Fällen des § 36 Abs. 2 VwVfG. 3 6 3 Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, welche Rechtsschutzform für die Anfügung oder Streichung einer Nebenbestimmung statthaft ist:

363

Gegen eine isolierte Anfechtbarkeit des Auflagenvorbehaltes jedoch Karl, Rechtsschutz gegenüber rechtswidrigen Nebenbestimmungen, S. 109.

2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes Art der Nebenbestimmung

Rechtsschutzform zur Anfügung der Nebenbestimmung

Rechtsschutzform zur Streichung der Nebenbestimmung

Unselbständigkeit der Nebenbestimmung bei Abhängigkeit der Hauptregelung - Befristung (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) - Bedingung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) - Widerrufsvorbehalt (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG)

Anfechtungsklage da sich die Anfügung der Nebenbestimmung in einer Teilkassation des vorhandenen Verwaltungsaktes erschöpft

Verpflichtungsklage da die Streichung der Nebenbestimmung mit einer Reformation des vorhandenen Verwaltungsaktes einhergeht

Selbständigkeit der Nebenbestimmung bei Abhängigkeit der Hauptregelung - Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG) - Auflagenvorbehalt (§ 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG) sofern nach behördlicher Vorstellung die Hauptregelung nur mit Auflage oder Auflagenvorbehalt rechtmäßig und zweckmäßig ist

Verpflichtungsklage da die Anfügung der Nebenbestimmung mit einer Reformation des vorhandenen Verwaltungsaktes einhergeht

Selbständigkeit der Nebenbestimmung bei Unabhängigkeit der Hauptregelung - Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG) - Auflagenvorbehalt (§ 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG) sofern nach der behördlichen Vorstellung die Hauptregelung auch ohne Auflage oder Auflagenvorbehalt rechtmäßig und zweckmäßig ist

Anfechtungsklage da sich die Streichung der Nebenbestimmung in einer Teilkassation des vorhandenen Verwaltungsaktes erschöpft

3. Behördliche Anfügung oder Streichung einer Nebenbestimmung Die behördliche Anfügung oder Streichung einer Nebenbestimmung ist nur dann nicht an den Verboten amtswegiger Aufhebung zu messen, wenn sie nicht mit einer Teilkassation verbunden ist, sondern sich i n einer Reformation des vorhandenen Verwaltungsaktes erschöpft. Entgegen einer Literaturansicht 3 6 4 geht die behördliche Anfügung einer Nebenbestimmung nicht i n jedem Fall mit einer Teilaufhebung der bislang nebenbestim364 Schneider, Nebenbestimmungen und Verwaltungsprozeß, S. 153 ; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 36 Rn 12.

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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mungsfreien Hauptregelung einher. Nur wenn die Hauptregelung gegenüber der anzufügenden Nebenbestimmung abhängig ist, verkürzt die Anfügung der Nebenbestimmung den zeitlichen Regelungsgehalt der Hauptregelung, bewirkt mithin eine Teilaufhebung. Die Hauptregelung ist von denjenigen Auflagen und Auflagenvorbehalten unabhängig, denen es nach Vorstellung der Ausgangsbehörde nicht zur Herstellung der Zweckmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Hauptregelung bedarf [s. o. 2. j ) - k ) ] . Von den übrigen Auflagen und Auflagenvorbehalten sowie allen Befristungen, Bedingungen und Widerrufsvorbehalten ist die Hauptregelung abhängig [s. o 2. f ) - k ) ] . Betrifft die mit der Anfügung einer solchen Nebenbestimmung einhergehende Teilaufhebung eine begünstigende Hauptregelung i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG, so ist sie an den Verboten amtswegiger Aufhebung zu messen. 365 So ist beispielsweise die nachträgliche rückwirkende Befristung einer Aufenthaltsgenehmigung als Teilrücknahme zu verstehen. 366 Nicht um die Anfügung einer Befristung zu einem vorhandenen Verwaltungsakt handelt es sich wohlgemerkt dann, wenn die Behörde davon absieht, eine aus hintereinander gestaffelten, auflösend befristeten Einzelverwaltungsakten zusammengesetzten Kettenverwaltungsakt um ein weiteres Kettenglied zu ergänzen. Eine solche Unterlassung ist weder Rücknahme noch Widerruf. 367 Ein Anspruch auf Verlängerung des Kettenverwaltungsaktes lässt sich allenfalls aus dem allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes, nicht jedoch aus dessen besonderer Ausprägung in den Verboten amtswegiger Aufhebung herleiten 368 . Falls die Hauptregelung den Adressaten belastet, so kommt als zu streichende Nebenbestimmung gemäß der Legaldefinitionen des § 36 Abs. 2 VwVfG nur eine Befristung oder Bedingung in Betracht, nicht jedoch ein Widerrufsvorbehalt, eine Auflage oder ein Auflagenvorbehalt. Die Streichung einer Befristung oder Bedingung, die einer belastenden Hauptregelung anhaftet, vergrößert deren zeitlichen Regelungsgehalt. Eine Teilaufhebung des Ausgangsverwaltungsaktes ist mit einer solchen Intensivierung der Belastung grundsätzlich nicht verbunden. Nur ausnahmsweise verbindet die Behörde mit der Auferlegung einer bestimmten Belastung eine Zusicherung gemäß § 38 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG, keine Belastung größeren Umfangs aufzuerlegen. Da mithin der „nicht-so-belastende Verwaltungsakt" regelmäßig keine Begünstigung enthält, ist die Streichung der Nebenbestimmung grundsätzlich nicht an den Verboten amtswegiger Aufhebung „„

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zu messen. 365 Im Ergebnis auch Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; P. Stelkens/ i/. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 9 d); Schachel, Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten, S. 147. 566 VG München, Urt. v. 2. 2. 2000 - M 7 K 99.2059 - NVwZ-RR 2000, 722 (723). 367 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 48 Rn 128; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 48 Rn 18. Ohne Begründung abweichend Tschentscher/Koenig, NVwZ 1991, 219 (221 Fn 33), dagegen zutreffend Baumann, Private Luftfahrtverwaltung, S. 389 Fn 159. 368

Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; R Stelkens/U. Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 17.

Stelkens, in: Stelkens/

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2. Kap.: Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Falls die Hauptregelung den Adressaten i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG begünstigt 3 7 0 , enthält die zu streichende Nebenbestimmung zumindest gegenüber dem Adressaten keine Begünstigung. Denn entweder handelt es sich um eine selbständige Nebenbestimmung [Auflage, Auflagen vorbehält, s. o. 2. d)-e)], die eine zusätzliche, von der begünstigenden Hauptregelung unterscheidbaren belastenden Gehalt aufweist. Oder es handelt sich um eine unselbständige Nebenbestimmung [Befristung, Bedingung, Widerrufsvorbehalt, s.o. 2. a)-c)], die den zeitlichen Regelungsgehalt der Hauptregelung begrenzt. Der Streichung der Nebenbestimmung stehen dann zumindest nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 48 ff. VwVfG die Verbote amtswegiger Aufhebung nicht entgegen. Ist die Hauptregelung von der zu streichenden Nebenbestimmung unabhängig, wie dies bei gewissen Auflagen und Auflagenvorbehalten der Fall ist [s. o. 2. d)-e)], berührt die Anfügung einer solchen Nebenbestimmung den zeitlichen Regelungsgehalt der Hauptregelung nicht und führt nicht zu einer Teilaufhebung des ursprünglichen Verwaltungsaktes. 371 Deshalb bleiben insoweit die Verbote amtswegiger Aufhebung außer Betracht. 372 Allerdings bedarf die Anfügung der Auflage oder des Auflagenvorbehaltes nach dem rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes einer gesetzlichen Ermächtigung.

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist darzustellen, inwieweit die behördliche Anfügung oder Streichung einer Nebenbestimmung an den Verboten amtswegiger Aufhebung zu messen ist.

369 Abweichend wohl Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn 15, der entgegen dem Gesetzeswortlaut des § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG nicht auf den begünstigenden Charakter des zu ändernden Verwaltungsaktes, sondern auf den belastenden Charakter der Änderung abstellt. 370 Nur ein den Adressaten begünstigender Verwaltungsakt ist in § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG gemeint. 371 Zwar ist nach Honig, Zulässigkeit von Nebenbestimmungen, S. 104 f., jegliche Anfügung einer Auflage einem teilweisen Widerruf des ursprünglichen Verwaltungsaktes „gleichzusetzen". Doch schließt Hönig aus dieser (zweifelhaften) „Gleichsetzung" nur auf die Zulässigkeit der Auflagenanfügung, sofern ein Widerruf zulässig ist. Den Schluss auf die Unzulässigkeit der Auflagenanfügung, sofern ein Widerruf nicht zulässig ist, zieht Hönig nicht. 372 Zu weit gehen Hanf, Inhalts- und Nebenbestimmungen, S. 8 f.; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 9 e), die nicht nach der Abhängigkeit der Hauptregelung von der Auflage differenzieren. Abweichend sehen Kopp /Ramsauer, VwVfG, § 36 Rn 12; Schachel, JURA 1981, 449 (452); Brenner, JuS 1996, 281 (286) in jeder nachträglichen Anfügung einer Nebenbestimmung eine (Teil-)Aufhebung des Ausgangs Verwaltungsaktes. So wohl auch BVerwG, Beschl. v. 9. 3. 1988 - 7 B 34/88 - NJW 1988, 2552 (2552), zumindest einschränkend demgegenüber OVG NRW, Urt. v. 11. 7. 1979 - X A 2029/78 - NJW 1980, 854 (854).

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der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

Art der Nebenbestimmung

Behördliche Anfügung Behördliche Streichung der Nebenbestimmung bei der Nebenbestimmung bei begünstigender Hauptregelung belastender Hauptregelung

Unselbständigkeit der Nebenbestimmung bei Abhängigkeit der Hauptregelung - Befristung (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) - Bedingung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) - Widerrufsvorbehalt (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG)

Verbote amtswegiger Aufhebung einschlägig, da die anzufügende Nebenbestimmung den zeidichen Regelungsgehalt der Hauptregelung verkürzt

Keine Verbote amtswegiger Aufhebung einschlägig, da die zu streichende Nebenbestimmung den Adressaten belastet

Selbständigkeit der Nebenbestimmung bei Abhängigkeit der Hauptregelung - Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG) - Auflagenvorbehalt (§ 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG) sofern nach behördlicher Vorstellung die Hauptregelung nur mit Auflage oder Auflagenvorbehalt rechtmäßig und zweckmäßig ist Selbständigkeit der Nebenbestimmung bei Unabhängigkeit der Hauptregelung - Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG) - Auflagenvorbehalt (§ 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG) sofern nach der behördlichen Vorstellung die Hauptregelung auch ohne Auflage oder Auflagenvorbehalt rechtmäßig und zweckmäßig ist

Verbote amtswegiger Aufhebung nur ausnahmsweise einschlägig, wenn eine Zusicherung (§ 38 VwVfG) vorliegt, den zeitlichen Regelungsgehalt der Hauptregelung nicht zu erweitern

Verbote amtswegiger Aufhebung nicht einschlägig, da die Anfügung der Nebenbestimmung den zeitlichen Regelungsgehalt der Hauptregelung nicht berührt

Drittes Kapitel

Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes Im Dritten Kapitel werden die Voraussetzungen ermittelt, unter denen ein Verwaltungsakt mit einem bestimmten zeitlichen Regelungsgehalt innere Wirksamkeit besitzt. Zunächst ist die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes im Zeitpunkt des Erlasses (G.), sodann die innere Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt zu untersuchen. Denn der Verwaltungsakt kann in einem späteren Zeitpunkt innere Wirksamkeit verlieren (H.) oder innere Wirksamkeit gewinnen (J.).

G. Innere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt Untersucht werden die qualitative Frage, ob der Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt innere Wirksamkeit erlangt (I.), und die quantitative Frage, mit wie viel zeitlichem Regelungsgehalt dies der Fall ist (II.).

I. Innerlich wirksamer Verwaltungsakt Folge der inneren Wirksamkeit ist der Eintritt der mit dem Verwaltungsakt intendierten und der daran anknüpfenden akzidentellen Rechtsfolgen (s. o. B. III. 1.). Innere Wirksamkeit wird dem Verwaltungsakt durch die Einsetzungsnorm verliehen (s. o. B. III. 3.). Damit die Einsetzungsnorm dem Verwaltungsakt innere Wirksamkeit verleiht, kommen Anforderungen an die Form (1.), an den Inhalt (2.), an die Bekanntgabe (3.), an die Rechtmäßigkeit (4.) sowie an die Unanfechtbarkeit der betreffenden Maßnahme (5.) in Betracht.

1. Form der Maßnahme Um äußere Wirksamkeit zu erlangen muss eine Maßnahme zunächst die formellen Merkmale des Verwaltungsaktes gemäß § 35 VwVfG (Behördenakt, öffentlichrechtlicher Akt, Rechtsakt, Hoheitsakt) erfüllen (s. o. D. I. 1.). Da die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes notwendig, wenn auch nicht hinreichend dessen äußere Wirksamkeit voraussetzt [s. o. B. III. 1. vor a)], sind die gleichen formellen Anforderungen an die innere Wirksamkeit gestellt.

G. Innere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

251

2. Inhalt der Maßnahme Da sich diese Untersuchung auf Maßnahmen beschränkt, die nicht nur die formellen, sondern auch die materiellen Merkmale des Verwaltungsaktes gemäß § 35 V w V f G erfüllen [s. o. D. I. 2, B. I. 2 b)], sind zudem die Außenwirkungsfinalität und - außer bei Allgemeinverfügungen nach § 35 S. 2 V w V f G - der Einzelfallcharakter der Regelung vorausgesetzt. Nach überkommener Auffassung 1 erlangt der aufschiebend befristete Verwaltungsakt nicht schon mit seinem Erlass, sondern erst mit dem Anfangstermin innere Wirksamkeit (Verzögerungstheorie). Diese Auffassung kann sich auf eine ältere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts stützen, wonach ein Verwaltungsakt mit der Bekanntgabe äußere Wirksamkeit erlangt, jedoch die innere Wirksamkeit zu einem von der Behörde bestimmten späteren oder auch früheren Zeitpunkt beginnen kann. 2 Ein rückwirkender Verwaltungsakt müsste demzufolge mit Bekanntgabe rückwirkend innere Wirksamkeit ohne äußere Wirksamkeit gewinnen. 3 Dies ist jedoch deshalb nicht möglich, weil die innere Wirksamkeit als Entfaltung der intendierten Regelung notwendig die äußere Wirksamkeit als Existenz der intendierten Regelung voraussetzt. 4 Der Verwaltungsakt kann allenfalls in dem 1 BVerwG, Urt. v. 21.6.1961 - VIII C 398.59 - BVerwGE 13, 1 (6 f.); Urt. v. 1.2.1978 6 C 9.77 - BVerwGE 55,212 (214 ff.); Urt. v. 15.14.1978-8C35.76-BVerwGE57,69 (70). Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 36 Rn 11, § 43 Rn 13,15; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 61 Rn 11; Seibert, BindungsWirkung von Verwaltungsakten, S. 206 (vgl. aber S. 218 f.); Knoke, Rücknahme von Verwaltungsakten, S. 77; Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, S. 208 f.; Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 4; Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 143; Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, S. 164; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn 3 f.; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn 13; Hanf, Inhaltsund Nebenbestimmungen, S. 6; Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 34, 60; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn 24, § 12 Rn 6, 15; Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 43 Rn 11; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 43 Rn 6; Krebs, VerwArch 68 (1977), 285 (288); Gröpl, JA 1995,903 (906); Axer, JURA 2001,748 (748); Heitsch, DÖV 2003, 367 (367); wohl auch Janßen, in: Obermayer, VwVfG, § 36 Rn 10; undeutlich R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens /Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn 15,19 a. Für die Zivilrechtslehre zu §§ 158 ff. BGB hinsichtlich der Wirksamkeit von Zivilrechtsgeschäften stellvertretend Bork, in: Staudinger, BGB, 2003, Vorbem. zu §§ 158-163, Rn 3. 2 BVerwG, Urt. v. 21. 6. 1961 - VIII C 398.59 - BVerwGE 13, 1 (7). Das Gericht sucht auf diese Weise zu begründen, dass die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen weder die äußere, noch die innere Wirksamkeit berühre, sondern lediglich die „Vollziehbarkeit" des angefochtenen Verwaltungsaktes hemme. Zur Ablehnung dieser Ansicht s. u. H. III. 1,J. III. 3 So aber Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 43 Rn 11. 4 Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 43 Rn 2; Martersteig, Fortsetzungsfeststellungsklage?, S. 81; Knoke, Rücknahme von Verwaltungsakten, S. 77; Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 46; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 164; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 43 Rn 6; Krebs, VerwArch 68 (1977), 285 (288). Abweichend Erichsen, in: ders. / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13 Rn 1 Fn 2; Lascho, Erledigung des Verwaltungsaktes, S. 81 Fn 250 im Widerspruch zu S. 59, 71.

252

3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Umfang innere Wirksamkeit besitzen, in dem er äußerlich wirksam ist. Insbesondere kann die innere Wirksamkeit der äußeren Wirksamkeit nicht zeitlich vorausgehen. Dieser Einwand stützt die zunehmend vertretene Gegenauffassung 5, nach der die aufschiebende Befristung nicht den Eintritt innerer Wirksamkeit verzögert, sondern lediglich den Inhalt, mit dem der Verwaltungsakt bereits durch Erlass innere Wirksamkeit erlangt, beschränkt (Inhaltstheorie). Von einem solchen Verständnis der aufschiebenden Befristung scheint auch das Bundesverwaltungsgericht auszugehen, wenn es in einer jüngeren Entscheidung ausführt, zum Inhalt, mit dem der Verwaltungsakt nach § 43 Abs. 1 S. 2 VwVfG wirksam wird, gehöre auch die „Regelung seines zeitlichen Geltungsbereichs", der vor oder nach seiner Bekanntgabe liegen könne.6 Infolgedessen vermag die „Regelung des zeitlichen Geltungsbereichs" als Inhaltsbestandteils des Verwaltungsaktes dessen innere Wirksamkeit nicht zu begründen, sondern setzt umgekehrt die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes voraus, um zur Entfaltung zu gelangen. Den gebotenen Schluss zieht das Gericht allerdings nicht. Vielmehr fasst das Gericht ein Auseinanderfallen von äußerer und innerer Wirksamkeit als Folge einer entsprechenden „Regelung des zeitlichen Geltungsbereichs" auf. 7 Der Entscheidung für eine der widerstreitenden Auffassungen bedarf es nur dann, wenn sie zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Zunächst erscheint es ohne Belang, ob die aufschiebende Befristung den Eintritt innerer Wirksamkeit verzögert (so die Verzögerungstheorie) oder den sofortigen Eintritt innerer Wirksamkeit auf einen aufschiebend befristeten Inhalt beschränkt (so die Inhaltstheorie). Da lediglich um den Eintritt der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes gestritten wird, stimmen beide Auffassungen überein, insoweit die äußere Wirksamkeit (Verbote amtswegiger Aufhebung, Statthaftigkeit der Anfechtungsklage) oder die Unanfechtbarkeit mit ordentlichen Rechtsbehelfen (formelle Bestandskraft des Verwaltungsaktes) in Rede stehen. Unbestritten ist der aufschiebend befristete Verwaltungsakt bereits ab Bekanntgabe und damit noch vor Eintritt des Anfangstermins einerseits durch die Verbote amtswegiger Aufhebung nach §§ 48 ff. VwVfG und besonderer Vorschriften geschützt8, andererseits mit Anfechtungswiderspruch nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO und Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO angreifbar. Auch kann der aufschiebend befristete Verwaltungsakt bereits vor Eintritt des Anfangstermins unanfechtbar werden, weil der Lauf der Anfechtungsfristen nach §§ 70, 74, 58 VwGO nicht vom zeitlichen Regelungs5 Erbguth, Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte, S. 155; Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 159; Ehlers, Liber amicorum Erichsen, S. 1 (11 f.); Remmert, VerwArch 88 (1997), 112 (128); Schmidt-De Caluwe, VerwArch 90 (1999), 49 (63). 6 BVerwG, Urt. v. 6. 6. 1991 - 3 C 46.86 - BVerwGE 88, 278 (281 und 1. Leitsatz). 7 BVerwG, Urt. v. 6. 6. 1991 - 3 C 46.86 - BVerwGE 88, 278 (281) unter Berufung auf das Urt. v. 21. 6. 1961 - V I I I C 398.59 - BVerwGE 13, 1 (7). s BVerwG, Urt. v. 1. 2. 1978 - 6 C 9.77 - BVerwGE 55,216.

G. Innere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

gehalt des Verwaltungsaktes, sondern vom Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes oder der Zustellung des Widerspruchsbescheids sowie der Ordnungsmäßigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung abhängt. Ferner ist nach beiden Auffassungen die Frage zu verneinen, ob der Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt für den gegenwärtigen Zeitraum eine intendierte Rechtsfolge entfaltet. Nach der Verzögerungstheorie kann der Verwaltungsakt mangels im Erlasszeitpunkt bestehender innerer Wirksamkeit keine intendierte Rechtsfolge entfalten. Nach der Inhaltstheorie entfaltet der Verwaltungsakt kraft innerer Wirksamkeit zwar bereits im Erlasszeitpunkt die mit ihm intendierte Rechtsfolge, doch ist die Rechtsfolge nur für einen späteren Zeitraum intendiert. Indessen widersprechen die beiden Auffassungen einander in der Frage, ob dem aufschiebend befristeten Verwaltungsakt bereits im Erlasszeitpunkt innere Wirksamkeit zukommt. Die Inhaltstheorie erkennt den Verwaltungsakt ungeachtet der aufschiebenden Befristung als bereits im Erlasszeitpunkt innerlich wirksam an, wenn auch mit einer lediglich für zukünftige Zeiträume intendierten Rechtsfolge. Demgegenüber spricht die Verzögerungstheorie dem aufschiebend befristeten Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt jegliche innere Wirksamkeit ab. Davon ausgehend könnte der Verwaltungsakt, da er keine intendierte Rechtsfolge hervorbringt, weder Präjudizwirkungen noch Tatbestandswirkungen als daran anknüpfende akzidentielle Rechtsfolgen [dazu s. o. B. II. 1. b)] auslösen.9 Dies trifft jedoch nicht zu, wie anhand eines Beispiels erläutert sei. Beispiel eines aufschiebend befristeten Verwaltungsaktes ist ein auf § 15 Abs. 1 Alt. 1 VersG gestütztes Versammlungsverbot, das am 30. April im Hinblick auf eine zum 1. Mai angesetzte Demonstration ausgesprochen wird. Zwar ist das Versammlungsverbot nicht für den Zeitraum 30. April intendiert, so dass etwa eine Verwaltungsvollstreckung der Verfügung im Erlasszeitpunkt noch nicht zulässig ist. Doch präjudiziert die Verbotsverfügung in Übereinstimmung mit der Inhaltstheorie bereits im Zeitpunkt 30. April das Verhalten der Gefahrenabwehrbehörden. So bildet das für den Zeitraum 1. Mai verhängte Versammlungsverbot bereits im Zeitpunkt 30. April einen Bestandteil der Rechtsordnung, deren Unverbrüchlichkeit zur öffentlichen Sicherheit 10 als polizei- und ordnungsrechtliches Schutzgut gehört. Falls demonstrationswillige Personen am 30. April Vorbereitungen treffen, die Versammlung entgegen der Verbotsverfügung abzuhalten, besteht eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und sind Polizei oder Ordnungsbehörde bereits im Zeitpunkt 30. April aufgrund der einschlägigen Generalklausel 9

Deshalb vermag Seiberts, BindungsWirkung von Verwaltungsakten, S. 218 f., Lösungsansatz nicht zu überzeugen, dem aufschiebend bedingten Verwaltungsakt fehle zwar die innere Wirksamkeit, dennoch sei sein Inhalt als „bedingte Regelung" bereits vor Bedingungseintritt maßgeblich. 10 Vgl. die der überkommenen Lehre entsprechende Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 1 SOG LSA, wonach die öffentliche Sicherheit „die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie des Bestandes, der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt" umfasst.

3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

(vgl. § 8 Abs. 1 ME PolG; §§ 8 Abs. 1 PolG NRW, 14 Abs. 1 OBG NRW) befugt, gegen diese Gefahr einzuschreiten. Dabei begründet der drohende Verstoß gegen das Versammlungsverbot unabhängig davon eine Gefahr, ob das Versammlungsverbot seinerseits den gesetzlichen Anforderungen des § 15 Abs. 1 Alt. 1 VersG entspricht, also nach den erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet erschien. Neben der Präjudizwirkung kommt der Verbotsverfügung am 30. April auch bereits Tatbestandswirkung zu. So ist die zuständige Behörde wegen der Tatbestandswirkung der Verbotsverfügung bereits im Zeitpunkt 30. April durch das materiellrechtliche Verwaltungsaktwiederholungsverbot [dazu s.o. B. m . 1. b) bb) (1)] gehindert, die Frage des Verbots der für den 1. Mai angesetzten Demonstration neuerlicher (abweichender oder inhaltsgleicher) Regelung zu unterwerfen. Vielmehr muss die Behörde (zuvor oder wenigstens gleichzeitig) die Verbotsverfügung vom 30. April aufheben. Gegen die Verzögerungstheorie spricht zudem ihre mangelnde Vereinbarkeit mit dem Gesetzeswortlaut. Nach der Verzögerungstheorie erlangt der aufschiebend befristete Verwaltungsakt - entgegen § 43 Abs. 1 VwVfG - nicht bereits mit Bekanntgabe, sondern erst mit Eintritt des Anfangstermins innere Wirksamkeit. Die Verzögerungstheorie kann sich nicht darauf zurückziehen, dass der Verwaltungsakt innere Wirksamkeit nicht kraft Gesetzes, sondern kraft der in ihm enthaltenen aufschiebenden Befristung erlange. Denn da die aufschiebende Befristung oder aufschiebende Bedingung einen Bestandteil des - für innerlich unwirksam erachteten - Verwaltungsaktes bildet, vermag sie ihre intendierte Rechtsfolge nicht zu entfalten. Die Verzögerungstheorie ist mithin gezwungen, in § 36 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 VwVfG leges speciales zu § 43 Abs. 1 VwVfG hineinzulesen, obwohl der Normtext dies nicht nahe legt. Ebenfalls gegen die Verzögerungstheorie und für die Inhaltstheorie streitet das systematische Argument aus der Symmetrie zwischen aufschiebender Befristung einerseits und auflösender Befristung andererseits. Der Eintritt des von Anfang an gewissen Endtermins führt nicht zur Erledigung des auflösend befristeten Verwaltungsaktes gemäß §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO [s. o. E. II. 2. a), 3. b) dd)]. Ebenso wenig wie der Verwaltungsakt seine Wirksamkeit verliert, wenn mit Eintritt des gewissen Endtermins das Ende seines zeitlichen Regelungsgehaltes erreicht wird, gewinnt der Verwaltungsakt erst dann Wirksamkeit, wenn mit Eintritt des gewissen Anfangstermins der Beginn seines zeitlichen Regelungsgehaltes erreicht wird. Der aufschiebend befristete Verwaltungsakt erlangt deshalb bereits mit Bekanntgabe innere Wirksamkeit, selbst wenn der Anfangstermin gewiss und deshalb für den gegenwärtigen Zeitraum keine Rechtsfolge intendiert ist. Daher verdient die Inhaltstheorie den Vorzug. Der Beginn innerer Wirksamkeit setzt nicht den Eintritt des Anfangstermins voraus. Auch der aufschiebend befristete Verwaltungsakt erlangt bereits mit seinem Erlass innere Wirksamkeit.

G. Innere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

255

3. Bekanntgabe der Maßnahme Da die innere Wirksamkeit die äußere Wirksamkeit voraussetzt [s. o. B. HI. 1. vor a)] und die äußere Wirksamkeit die Bekanntgabe voraussetzt (s. o. D. I. 3.), erlangt der Verwaltungsakt nicht ohne Bekanntgabe innere Wirksamkeit. Während zur äußeren Wirksamkeit gegenüber Jedermann die Bekanntgabe an einen Betroffenen genügt, setzt die innere Wirksamkeit gegenüber einer Person die Bekanntgabe an diese Person voraus. Denn nach § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG wird der Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Das Erfordernis personenbezogener Bekanntgabe kann dabei zu einer Aufspaltung der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes führen, so dass der Verwaltungsakt gegenüber einer Person innerlich wirksam, gegenüber einer anderen Person innerlich unwirksam ist. 11 Die personenbezogene Bekanntgabe muss nicht notwendig die Form einer Individualbekanntgabe gegenüber der Person annehmen, vielmehr lässt das Gesetz in bestimmten Fällen eine öffentliche Bekanntgabe nach § 41 Abs. 3 VwVfG zu. 4. Rechtmäßigkeit der Maßnahme Anders als die mit einem Privatrechtsgeschäft intendierte Rechtsfolge gemäß §134 BGB gelangt die mit dem Verwaltungsakt intendierte Rechtsfolge gemäß § 43 Abs. 3 VwVfG grundsätzlich auch dann zur Entfaltung, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Mithin bleiben die Tatbestandsvoraussetzungen der Einsetzungsnorm, die dem Verwaltungsakt innere Wirksamkeit verleiht, hinter den Tatbestandsvoraussetzungen der Beurteilungsnorm zurück, die dem Verwaltungsakt Rechtmäßigkeit verleiht. Während die schlichte Rechtswidrigkeit die innere Wirksamkeit nicht berührt [a)], schließt die zur Nichtigkeit qualifizierte Rechtswidrigkeit die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes aus [b)].

a) Schlichte Rechtswidrigkeit

Auch der schlicht rechtswidrige und dennoch innerlich wirksame Verwaltungsakt erzeugt Recht, so dass der Grundsatz „ex iniuria ius non oritur" eine Einschränkung erfährt. 12 Da die innere Wirksamkeit nicht von der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes abhängt, bestimmt vorrangig der Verwaltungsakt dem Rechtsunterworfenen gegenüber, „was für ihn Rechtens sein soll" 1 3 . Auf diese Weise erfüllt der Verwaltungsakt eine Klarstellungs- und Stabilisierungsfunktion. 14 11

Knoke, Rücknahme von Verwaltungsakten, S. 78 f. Zur Einschränkbarkeit dieses Grundsatzes s. nur Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 278 f. 13 So die klassische, weiterhin treffende Formulierung Otto Mayers, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 228. 12

3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes erfordert insbesondere nicht, dass ein Gericht die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes überprüft hat. Der vorherigen gerichtlichen Überprüfung kommt lediglich im zivilgerichtlichen 15 Amtshaftungsprozess (§ 839 BGB, Art. 34 GG) eine gewisse Bedeutung zu. Insofern der Beamte (§ 839 BGB) oder allgemein der Amtsträger (Art. 34 GG) auf der Grundlage eines innerlich wirksamen Verwaltungsaktes handelt, ist mangels Außenrechtsverstoßes eine Amtspflichtverletzung ausgeschlossen, soweit die als Innenrechtspflicht aufgefasste Amtspflicht zu außenrechtskonformen Verhalten in Rede steht oder Amtspflichten ohnehin als Außenrechtspflichten verstanden werden. Insofern jedoch die Handlung des Amtsträgers darin besteht, den betreffenden Verwaltungsakt erst zu erlassen, kann sich der Amtsträger nicht auf den Verwaltungsakt selbst stützen. Denn aufgrund seiner inneren Wirksamkeit entfaltet der Verwaltungsakt nur die mit ihm intendierte Regelung, zu der nicht die Feststellung gehört, rechtmäßig erlassen worden zu sein [dazu s. o. B. III. 1. b) aa) (1) (d)].

b) Qualifizierte

Rechtswidrigkeit

Folge der Nichtigkeit ist gemäß § 43 Abs. 3 VwVfG der Ausschluss der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes. Voraussetzung der Nichtigkeit ist die aufgrund der Generalklausel des § 44 Abs. 1 VwVfG [aa)], aufgrund des Positivkataloges des § 44 Abs. 2 VwVfG [bb>] oder aufgrund besonderer Vorschrift qualifizierte Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. aa) Nichtigkeit nach der Generalklausel Nach der Generalklausel des § 44 Abs. 1 VwVfG begründet jeder besonders schwerwiegende und dabei - auch in seiner Schwere - offensichtliche Fehler die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes, sofern der Negativkatalog des § 44 Abs. 3 VwVfG dies nicht ausschließt.16 Ein schwerer und offensichtlicher Fehler dürfte beispielsweise dann vorliegen, wenn die Behörde die Ernennung eines Beamten entgegen der von einem Konkurrenten nach § 123 Abs. 1 VwGO erwirkten einstweiligen Anordnung vornimmt. 17 14

Dazu Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn 2. Der Zivilrechtsweg für Amtshaftungsansprüche ist entweder unmittelbar nach Art. 34 S. 3 GG eröffnet oder gemäß § 40 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 Var. 3 VwGO (so die vorzugswürdige Auffassung, Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 40 Rn 517,541). 16 Nach der hier favorisierten Auffassung bildet § 44 Abs. 3 VwVfG eine echte Ausnahmevorschrift zu § 44 Abs. 1 VwVfG. Vertretbar erscheint indessen auch, den Negativkatalog des § 44 Abs. 3 VwVfG als Auslegungshilfe der Generalklausel des § 44 Abs. 1 VwVfG heranzuziehen, so dass bereits die Schwere oder Evidenz eines im Negativkatalog aufgeführten Fehlers verneint wird. 17 Abweichend BVerwG, Urt. v. 21. 8. 2003-2 C 14.02 - BVerwGE 118, 370 ff.; wie hier Ehlers, JK 9/04, GG Art. 19IV/25. 15

G. Innere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

257

bb) Nichtigkeit nach dem Positivkatalog Die im Positivkatalog des § 44 Abs. 2 VwVfG enumerierten Rechtsfehler bilden evidenzunabhängige und in diesem Sinne absolute Nichtigkeitsgründe. Zur Nichtigkeit führen gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 VwVfG ausgewählte formelle Mängel an Bestimmtheit, Form und Zuständigkeit sowie gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 5 bis Nr. 6 VwVfG ausgewählte materielle Mängel des äußerlich wirksamen Verwaltungsaktes. Hingegen läuft der in § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG normierte absolute Nichtigkeitsgrund leer. Diese Vorschrift ordnet die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes an, den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann. Indessen schließt die tatsächliche objektive Unausführbarkeit bereits die äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes aus. Schulbeispiel eines Verwaltungsaktes, den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann, ist eine für ein bereits abgebrochenes Haus erlassene Abbruchanordnung. 18 Spricht die Behörde dennoch eine solche Abbruchanordnung aus, so schließt sie zwar gemäß § 9 Halbs. 1 Alt. 2 VwVfG ein Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsaktes ab. Doch ist der erzeugte Verwaltungsakt mangels Regelungsgegenstandes inhaltsleer. Denn in keinem Zeitpunkt undfiir keinen Zeitraum ist die Verpflichtung zum Abbruch eines tatsächlich existenten Hauses intendiert. Aus demselben Grund erliegt eine Abbruchanordnung für ein zunächst noch bestehendes Haus der Erledigung ex nunc, sobald das Haus abgebrochen wird [s. o. E. n. 3. a) ee)]. Folge der Erledigung ist nach §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO nicht der Verlust bloß der inneren Wirksamkeit, sondern bereits der äußeren Wirksamkeit (s. o. E. II. 1.). Die Erledigung des Verwaltungsaktes kann deshalb nicht als nachträglich eintretende Nichtigkeit verstanden werden kann. Dementsprechend fehlt der im Hinblick auf ein ohnehin bereits abgebrochenes Haus ausgesprochenen Abbruchanordnung bereits im Zeitpunkt des Erlasses die äußere Wirksamkeit. Die Frage der inneren Wirksamkeit, die §§43 Abs. 3,44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG vorsorglich verneinen, stellt sich mangels äußerer Wirksamkeit nicht. Es gibt keine intendierte Regelung des Verwaltungsaktes, die zur Entfaltung kommen oder der die Entfaltung versagt werden kann.

cc) Nichtigkeit nach besonderer Vorschrift Sofern die innere Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes aufgrund besonderer Vorschriften die Einhaltung bestimmter Rechtmäßigkeitsanforderungen voraussetzt, kann dies als Errichtung besonderer Nichtigkeitsgründe verstanden werden. Ein besonderer Nichtigkeitsgrund ist etwa für die Zusicherung in § 38 Abs. 1 VwVfG normiert. Zum einen enthält diese Vorschrift die Legaldefinition der ZuSo das Beispiel von Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn 138; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 33; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 44 Rn 56. 17 Stein weg

3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Sicherung als der behördlichen Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Dabei ist bereits die Zusicherung als Verwaltungsakt zu verstehen, nämlich mit dem (gestaltenden) Regelungsgehalt der Bindung der Behörde an die gegebene Zusage. Denn aus dem Umkehrschluss zu § 38 Abs. 3 VwVfG geht hervor, dass die Behörde solange an die Zusicherung gebunden ist, bis aufgrund Änderung der Sach- oder Rechtslage die Behörde bei Kenntnis der Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder nicht hätte geben dürfen. Zum anderen normiert § 38 Abs. 1 S. 1 VwVfG die Verletzung des Schriftformerfordernisses als besonderen Unwirksamkeitsgrund, der gemäß § 38 Abs. 2 VwVfG zu den allgemeinen Nichtigkeitsgründen des § 44 VwVfG hinzutritt. Einen weiteren besonderen Nichtigkeitsgrund normiert § 10 Abs. 2 S. 2 BBG (§ 5 Abs. 4 BRRG) für die beamtenrechtliche Ernennung. Danach ist die Ernennung auf einen zurückliegenden Zeitpunkt unzulässig und „insoweit unwirksam". Die Nichtigkeitsfolge ist auf den vergangenheitsbezogenen Regelungsgehalt der rückwirkenden Ernennung beschränkt, die mithin teilnichtig i. S. d. § 44 Abs. 4 VwVfG ist. Nicht als eigene Kategorie, sondern ebenfalls als Unterfall der Nichtigkeit im Erlasszeitpunkt kann die sog. schwebende Unwirksamkeit verstanden werden, die bei bestimmten mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakten begegnet. Der mitwirkungsbedürftige Verwaltungsakt ist ohne eine Verfahrenshandlung des Betroffenen (z. B. Antrag 19 , Einverständnis, Entgegennahme der Urkunde) zumindest nicht rechtmäßig. Zwar kann die äußere Wirksamkeit des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes (als eines behördlichen Hoheitsaktes) nicht von der Mitwirkung des (dem hoheitlichen Regelungsausspruch unterworfenen) Betroffenen abhängen. Doch kann die Mitwirkung des Betroffenen nicht nur Voraussetzung der Rechtmäßigkeit, sondern zugleich der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes sein. 20 Mangelt es bei einem solchen Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt (noch) an der Mitwirkung des Betroffenen, so liegt darin ein Rechtsfehler, der im Erlasszeitpunkt die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nach sich zieht. Ob die Nachholung der Mitwirkung die Nichtigkeit in einem späteren Zeitpunkt zu beheben vermag, ist eine andere Frage (dazu s. u. J. II. 1.).

5. Unanfechtbarkeit der Maßnahme Der Verwaltungsakt erlangt bereits innere Wirksamkeit, bevor er nicht mehr mit ordentlichen Rechtsbehelfen angefochten werden kann. Dies ist dem Worte nach fast unbestritten. Der Sache nach besteht jedoch keine Einigkeit darüber, dass alle 19 Die Abweichung vom gestellten Antrag erlangt insbesondere Bedeutung bei einer sog. modifizierten Gewährung im Wege sog. modifizierenden Auflage Bedeutung, s. Weyreuther, DVB1. 1969, 295 (295). 20 So die differenzierende Lösung von Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 173 f., R Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 166 ff.

G. Innere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

259

Folgen der inneren Wirksamkeit, sowohl die intendierten als auch die daran anknüpfenden akzidentiellen Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes (Präjudiz-, Tatbestands- und Feststellungswirkung, s. o. B. III. 1.) bereits vor Unanfechtbarkeit eintreten. Otto Mayer hat die Figur des Verwaltungsaktes in enger Anlehnung an die gerichtliche Handlungsform des Urteils entwickelt. 21 Das Urteil entfaltet die mit ihm intendierte Rechtsfolge (Befehl, Gestaltung oder Feststellung) regelmäßig erst dann, wenn es mit ordentlichen Rechtsmitteln22 nicht mehr angefochten werden kann. Die Entfaltung der intendierten Regelung wird dabei als materielle Rechtskraft (§ 322 ZPO), die Unanfechtbarkeit des Urteils als formelle Rechtskraft (§ 705 ZPO) bezeichnet.23 Obwohl der Begriff der Bestandskraft des Verwaltungsaktes demjenigen der Rechtskraft des Urteils nachgebildet ist 2 4 , darf die Rechtskraftlehre nicht unbesehen auf die Bestandskraftlehre übertragen werden. Vielmehr müssen die Eigentümlichkeiten des Verwaltungsaktes als behördlicher Handlungsform gegenüber dem Urteil als gerichtlicher Handlungsform beachtet werden. Zwar verwendet der Gesetzgeber den Begriff der „Bestandskraft des Verwaltungsaktes" als Abschnittsüberschrift der §§ 4 3 - 5 2 VwVfG, doch ohne in den Einzelvorschriften daran anzuknüpfen und die Folgen und Voraussetzungen der Bestandskraft anzugeben.25 Der Abschnitt enthält Bestimmungen über die (äußere und innere) Wirksamkeit (§§ 43, 44 VwVfG), die Heilung und Folgen(losigkeit) formeller Rechtsfehler (§§ 45, 46 VwVfG), die Umdeutung (§ 47 VwVfG), die amtswegige Aufhebung durch Rücknahme und Widerruf (§§ 48, 49, 50 VwVfG), das Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens (§51 VwVfG) und darüber hinaus begleitende Regelungen über Nebenfolgen wie die Erstattung und Verzinsung sowie die Rückgabe von Urkunden und Sachen insbesondere nach Fortfall des Verwaltungsaktes (§§ 49 a, 52 VwVfG). Welche Aspekte der Gesetzgeber als Bestandskraft zusammengefasst wissen wollte, geht mithin aus dem Normtext nicht eindeutig hervor. Mehr Aufschluss können allenfalls die einschlägigen allgemeinen Verwaltungsrechtsgrundsätze gewähren, an die der Gesetzgeber mit Verwen21 Näher zur „Legalisierung des Polizeistaates", insbesondere durch justizförmiges Verwaltungshandeln als Zielsetzung Otto Mayers, s. Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 49 ff., 210 ff., 262 ff. 22 Nach Unanfechtbarkeit stehen nur noch außerordentliche Rechtsbehelfe wie die Wiederaufnahme des Verfahrens nach §§ 578 ff. ZPO (i. V. m. § 153 VwGO), die Urteils-Verfassungsbeschwerde nach § 90 Abs. 1, Abs. 2 BVerfGG (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG) sowie die Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK offen. 23 Diesem Sprachgebrauch folgt auch die nunmehr amtliche Paragrafenüberschrift des § 705 ZPO, neugefasst durch Art. 1 Nr. 87 Gesetz zur Reform des Zivilprozesses v. 27. 7. 2001 (BGBl. 1.1887). 24 So hat Wolff, Verwaltungsrecht I, 1. Aufl., § 52 (S. 226 ff.) für die (anfangs noch so genannte) „Rechtskraft" des Verwaltungsaktes die Bezeichnung Bestandskraft eingeführt. 25 Vgl. den Hinweis von Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 1.

17*

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3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

dung des überkommenen Bestandskraftbegriffs angeknüpft hat. 26 Darüber, was Bestandskraft im Einzelnen bedeutet, hat sich jedoch bereits vor Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes in Rechtsprechung und Schrifttum ein „Labyrinth der Meinungen" 27 gebildet, dass bis heute nicht aufgelöst ist 2 8 . Übereinstimmung herrscht danach kaum mehr als darüber, dass der Bestandskraft von Verwaltungsakten ebenso wie der Rechtskraft von Urteilen, das rechtsstaatliche Anliegen der Rechtssicherheit zugrunde liegt 29 , diesen Staatsakten eine gewisse Rechtsbeständigkeit zu verleihen. 30 Insbesondere diese Parallelität der Zwecke legt zunächst nahe, ebenso wie zwischen formeller und materieller Rechtskraft des Urteils, zwischen formeller und materieller Bestandskraft des Verwaltungsaktes zu unterscheiden. „Formelle Bestandskraft" bedeutete danach nichts anderes als die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes mit ordentlichen Rechtsbehelfen. 31 Mit der bloßen Umbenennung der Unanfechtbarkeit zur formellen Bestandskraft ist kein Erkenntnisgewinn verbunden, lediglich eine unnötige Abweichung vom gesetzlichen Sprachgebrauch etwa in §§ 48 Abs. 1 S. 1, Abs. 5, 49 Abs. 1 S. 1, Abs. 5, 51 Abs. 1 S. 1, 52 S. 1, 53 Abs. 1 S. 2 VwVfG 3 2 . Zudem kommt der Wortsinn im gesetzlichen Sprachgebrauch deutlicher zum Ausdruck, da keine weitere Wirkungen entfaltende „Kraft" des Verwaltungsaktes, sondern die Möglichkeit seiner Anfechtung in Rede steht.33

26 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 1. 27 Forsthoff, Verwaltungsrecht, 1. Bd., S. 253. Dagegen bevorzugt J. Ipsen, Verw 17 (1984), 169 (170), von einem „Gestrüpp der Begriffe" zu sprechen, und konstatiert eine „geradezu babylonisch zu nennende Sprachverwirrung". 28 Vgl. aus neuerer Zeit Knöpfle, BayVBl. 1982, 225 (225) und ihm folgend J. Ipsen, Verw 17 (1984), 169 (170), der nicht weniger als einundzwanzig verwendete Termini aufzählt (Bindung, Geltungskraft, Bestandskraft, Rechtsbeständigkeit, Bindungswirkung, Tatbestands- und Feststellungswirkung, Verbindlichkeit, materielle Bestandskraft, Unanfechtbarkeit, Unangreifbarkeit, Maßgeblichkeit, inhaltliche Geltung, Unabänderbarkeit, inhaltlicher Unabänderlichkeit, materielle Bindungswirkung, Geltungsanspruch, materielle Rechtskraft, präjudizielle Wirkung, Präjudizialität, Selbstbindung, Bindungskraft). 29 BVerfG, Beschl. v. 20.4. 1982 - 2 BvL 26/81 - BVerfGE 60, 253 (269 ff.). 30

Zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Bestandskraft s. Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 9 ff. 31 So Seibert, Bindungswirkung von Verwaltungsakten, S. 141 f.; Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, S. 207; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 18; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 16 Rn 1 Fn 1; ders. / Knoke, NVwZ 1983, 185 (186); Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 43 Rn 4; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn 4; Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, Vor § 43 Rn 31; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 43 Rn 29; Ehlers, Liber amicorum Erichsen, S. 1 (13); D. Merten, NJW 1983,1993 (1995); Kopp, DVB1. 1983, 392 (395); Schenke, DÖV 1983, 320 (321). 32 Von „Bestandskraft" spricht das Gesetz hingegen nur an versteckter Stelle, s. etwa § 48 Abs. 3 S. 1 SGB X für die Beschränkung der Neufestsetzung der Sozialleistung auf den Betrag, „wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt". 33 Sachs, in: Stelkens /Bonk /Sachs, VwVfG, § 43 Rn 20.

G. Innere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

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Die Bildung des Begriffs der formellen Bestandskraft erweist sich damit als „überflüssig und verwirrend" 34 , aber doch als zumindest möglich. Noch weit schwieriger ist, dem Begriff der materiellen Bestandskraft eine sinnvolle Bedeutung beizulegen.35 Die materielle Bestandskraft kann zumindest nicht mit den Verboten amtswegiger Aufhebung identifiziert werden 36 , denn diese greifen nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 48 ff. VwVfG unabhängig von der Unanfechtbarkeit als formeller Bestandskraft des Verwaltungsaktes ein 3 7 (s. o. D. I. 5.). Die materielle Bestandskraft des Verwaltungsaktes könnte entsprechend der „materiellen Rechtskraft" des Urteils als Eintritt der intendierten Rechtsfolge (Befehl, Gestaltung, Feststellung) sowie der daran anknüpfenden akzidentiellen Rechtsfolgen (Präjudiz-, Tatbestands- und Feststellungswirkung) verstanden werden. Die materielle Bestandskraft bedeutete dann nichts anderes als die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes. Um die Parallelität mit der materiellen Rechtskraft von Urteilen, die die formelle Rechtskraft voraussetzt zu wahren, dürfte der Verwaltungsakt innere Wirksamkeit (als gleichbedeutend verstanden mit materieller Bestandkraft) erst mit Unanfechtbarkeit (als gleichbedeutend verstanden mit formeller Bestandskraft) erlangen. Jedoch verträgt sich ein auf die Unanfechtbarkeit hinausgezögerter Eintritt der intendierten Rechtsfolge des Verwaltungsaktes nicht mit der Zukunftsgerichtetheit, die in Abgrenzung zur rechtsprechenden Tätigkeit die Verwaltungstätigkeit kennzeichnet38. Damit hängen die unterschiedlichen Zielsetzungen zusammen, denen das Urteil als gerichtliche Handlungsform einerseits und der Verwaltungsakt als behördliche Handlungsform andererseits dienen. Zwar fordern sowohl das Gericht als auch die Behörde zum einen das formell-rechtsstaatliche Anliegen der Rechtssicherheit, indem sie eine verbindliche Entscheidung über den zugrunde liegenden Fall treffen, und zum anderen das materiell-rechtsstaatliche Anliegen der Richtig-

34 J. Ipsen, Verw 17 (1984), 169 (183), krit. zu dieser Begriffsersetzung auch Seibert, Bindungswirkung von Verwaltungsakten, S. 141 f. 35 So wird etwa aus den Ausführungen von Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 43 ff. einerseits und Rn 126 ff. andererseits nicht hinreichend deutlich, was die „materielle Bestandskraft" den „bestandskraftunahhängigen Abweichungsverboten" voraushaben soll. 36 Abweichend Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 43 Rn 4. Auch hält Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn 5 ff. ein solches Begriffsverständnis für möglich, bietet jedoch die alternative Lesart an, die „materielle Bestandskraft" als Bindungswirkung entsprechend der „materiellen Rechtskraft" zu verstehen.

37 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 28, 29 ff. Einprägsam insbesondere das dort wiedergegebene Schaubild zur Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes in Abhängigkeit von der Unanfechtbarkeit. 38 Auf die Zukunftsgerichtetheit als einem typischen Merkmal der Verwaltungstätigkeit weist in diesem Zusammenhang insbesondere Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 3 hin. Zu den - mehr oder weniger erfolgreichen - Versuchen einer positiven, negativen oder kombinierten Begriffsbestimmung der staatlichen Verwaltung im materiellen Sinne s. eingehend Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rn 5-12.

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3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

keit, indem sie nach Möglichkeit eine sachlich zutreffende Entscheidung treffen. Doch während die Richtigkeit gerichtlicher Entscheidungen grundsätzlich allein anhand deren Rechtmäßigkeit zu beurteilen ist, entscheidet die Verwaltung darüber hinaus nach Zweckmäßigkeit39, sofern das Gesetz einen Entscheidungsspielraum einräumt, sei es in Form des Ermessens (§ 40 VwVfG, vgl. § 114 VwGO) oder des - strukturell zumindest ähnlichen - Beurteilungsspielraumes. 40 Zudem gebührt nach dem Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG auch in Verwaltungssachen, bei denen subjektive Rechte in Rede stehen, die letztverbindliche Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht den Gerichten. 41 Indessen zielt das Urteil darauf ab, durch den letztverbindlichen Abschluss des zugrunde liegenden Falles endgültig Rechtsfrieden zu stiften. Somit steht beim Verwaltungsakt der materielle Aspekt der Durchsetzung öffentlicher Interessen, beim Urteil der formelle Aspekt der Rechtssicherheit im Vordergrund. Deshalb verträgt es sich zwar mit den Funktionen des Urteils, aber nicht mit den Funktionen des Verwaltungsaktes, die Entfaltung der intendierten Regelung bis zur Unanfechtbarkeit hinauszuzögern. Ebenso wenig hängen Präjudiz-, Tatbestands- und Feststellungswirkung von der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes ab. 42 Denn diese akzidentiellen Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes treten zwingend bereits dann ein, wenn die intendierte Rechtsfolge eintritt, an die sie anknüpfen. Beispielsweise entfaltet die Anerkennung des Ehemannes als Asylberechtigten gemäß § 26 Abs. 1 AsylVfG Tatbestandswirkung für das Familienasylrecht der Ehefrau. Das Familienasylrecht der Ehefrau setzt dabei die Anerkennung ihres Ehemannes lediglich notwendig, nicht jedoch hinreichend voraus. Etwa muss gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG die Ehe bereits in dem Staat bestanden haben, in dem der Ehemann politisch verfolgt wird. Auch die Unanfechtbarkeit der Asylanerkennung bildet gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG eine weitere Voraussetzung des gesetzlichen Tatbestandes. Dies darf

39 Die Zweckmäßigkeit kann nur insoweit als Richtschnur des Verwaltungshandelns dienen, wie es nicht auf die Rechtmäßigkeit ankommt. Dass Gerichte nach Rechtmäßigkeit, die Verwaltungsbehörden nach Zweckmäßigkeit entscheiden, bedarf mithin einer Einschränkung, Lüders, Das Gewohnheitsrecht auf dem Gebiete der Verwaltung, S. 1 ff., 33 f. 40 Zur Parallelität von Beurteilungsspielraum (auf Tatbestandseite der Ermächtigung) und Ermessen (auf Rechtsfolgenseite der Ermächtigung) s. u. K. I. 2. b) cc)-dd). 41 Umstritten ist dabei, ob die gerichtliche Letztentscheidungsbefugnis auch insoweit in dem „formellen Hauptgrundrecht" des Art. 19 Abs. 4 GG gründet, wie einfachgesetzliche subjektive Rechte materiell nicht grundrechtsfähiger Rechtsubjekte betroffen sind, dazu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn 42 (Lfg. 2003). 42 In der Sache übereinstimmend Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 95; Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, S. 208; Kopp /Ramsauer, VwVfG, § 43 Rn 3 f., 14 ff.; Knöpfte, BayVBl. 1982, 225 (228, 230); Ortloff, NJW 1987, 1665 (1666); für befehlende und gestaltende Verwaltungsakte auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 126 ff. Abweichend wohl Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn 8 f., der Tatbestandsund Feststellungswirkung als Ausfluss der „Bestandskraft" versteht.

G. Innere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

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jedoch nicht zu dem Schluss verleiten, nur die unanfechtbare Asylanerkennung entfalte Tatbestandswirkung.43 Vielmehr kommt jeder Asylanerkennung Tatbestandswirkung zu, die sich allerdings darauf beschränkt, einen von mehreren notwendigen Tatbestandsmerkmalen des Familienasylrechts zu setzen. Auch dann, wenn beispielsweise ein befehlender Verwaltungsakt unter aufschiebender Bedingung des Eintritts der Unanfechtbarkeit steht 44 , ist nicht die Entfaltung der intendierten Regelung aufgeschoben, sondern entfaltet sich ohne Verzögerung eine Verpflichtung aufgeschobenen Inhalts. Zudem betrifft die Entfaltung der intendierten Regelung die materiell-verwaltungsrechtliche Funktion des Verwaltungsaktes. Der Bund als Prozessrechtsgesetzgeber durfte gestützt auf Art. 72 Abs. 2, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zwar die Entfaltung der intendierten Regelung des Urteils allgemein bis zu dessen Unanfechtbarkeit hinauszögern und auch die Entfaltung der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes von der Einlegung eines Rechtsbehelfes mit aufschiebender Wirkung nach §§ 80, 80 a VwGO abhängig machen45 (dazu s. u H. III., J. IIL). Hingegen obliegt es im Übrigen nicht dem Prozessrechtsgesetzgeber, sondern dem Sachrechtsgesetzgeber, d. h. nach dem Grundsatz des Art. 70 Abs. 1 GG dem Land, die Entfaltung der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes zu normieren. Der Bund durfte deshalb die Entfaltung der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes nicht allgemein auf dessen Unanfechtbarkeit hinauszögern. Die intendierte Rechtsfolge des Verwaltungsaktes sowie die daran anknüpfenden akzidentiellen Rechtsfolgen (Präjudiz-, Tatbestands- und Feststellungswirkung) treten somit bereits vor Unanfechtbarkeit ein. Ohne Belang ist dabei, ob der Verwaltungsakt einen befehlenden, gestaltenden oder feststellenden Inhalt aufweist. 46 Von diesem Vorverständnis der aufgrund Sachrechts eintretenden inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes geht insbesondere das Prozessrecht in § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO aus. Denn diese Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung, die in einer vorläufigen Hemmung der inneren Wirksamkeit besteht (s. u. H. DI. 1, J. III.) auch bei gestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten an, was nicht erforderlich wäre, wenn diese Verwaltungsakte ohnehin erst mit Unanfechtbarkeit ihre intendierte Regelung entfalteten. 43 Ebenso wenig könnte der Asylanerkennung die Tatbestandswirkung für den Fall abgesprochen werden, dass die Ehe noch nicht im Verfolgerstaat bestanden hat. 44 So in einem vom Nds. OVG, Urt. v. 28. 10. 1996 - 3 L 5433/94 - NdsVBl. 1997, 113 f., entschiedenen Fall. 45

Die abweichende Auffassung Rencks, BayVBl. 1991, 743 (744), der Bundesgesetzgeber habe nur die Hemmung der Unanfechtbarkeit (Suspensiveffekt im strengen Sinne), nicht jedoch die Hemmung der „Vollziehbarkeit" (aufschiebende Wirkung) regeln dürfen, vermag nicht zu überzeugen. Träfe Rencks Auffassung zu, so wäre dem Bund auch die in §§ 123, 47 VwGO in Anspruch genommene Kompetenz zur Regelung des vorläufigen Rechtsschutzes insoweit abzusprechen, wie das materielle Recht in die alleinige Kompetenz der Landesgesetzgeber fällt. 46 Abweichend Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 131.

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3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Offen bleiben kann hier, inwiefern es überhaupt sinnvoll ist, der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes als „formeller Bestandskraft" den Begriff der „materiellen Bestandskraft" gegenüberzustellen.47 Denn einerseits müsste man in Anlehnung an das Begriffspaar „formelle Rechtskraft" und „materielle Rechtskraft" von Urteilen die „formelle Bestandskraft" von Verwaltungsakten als Voraussetzung der „materiellen Bestandskraft" auffassen müssen. Andererseits entfaltet sich die intendierte Regelung des Verwaltungsaktes nicht erst mit Eintritt der „formellen Bestandskraft", so dass insoweit nicht von der „materiellen Bestandskraft" gesprochen werden kann.

II. Zeitlicher Regelungsgehalt des innerlich wirksamen Verwaltungsaktes Hat der Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt innere Wirksamkeit erlangt, so ist weiter nach dem Umfang zu fragen, mit dem dies geschehen ist. Der Verwaltungsakt erlangt gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 VwVfG (äußere und auch innere) Wirksamkeit stets mit einem bestimmten Inhalt. Dieser Inhalt ist die intendierte Regelung des Verwaltungsaktes, die aus Tatbestand und Rechtsfolge besteht (s. o. B. II. 2., III. 3.). Der zeitliche Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes gibt an, in welchen Zeitpunkten und für welche Zeiträume der Verwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert und beschreibt mithin den Umfang, in dem der Verwaltungsakt äußere Wirksamkeit besitzt (s. o. D. II.). Da die innere Wirksamkeit äußere Wirksamkeit notwendig, aber nicht hinreichend voraussetzt [s. o. B. ID. 1. vor a)], kann der Verwaltungsakt allenfalls in gleichem Umfang innere Wirksamkeit wie äußere Wirksamkeit besitzen. Aus diesem Grund erlangt auch der rückwirkende Verwaltungsakt nicht rückwirkend innere Wirksamkeit für einen Zeitraum vor Erlass, für den er ohne äußere Wirksamkeit ist (s. o. I. 2.). Vielmehr kommt dem rückwirkenden Verwaltungsakt äußere Wirksamkeit und gegebenenfalls auch innere Wirksamkeit mit einem vergangenheitsbezogenen zeitlichen Regelungsgehalt zu. Der Verwaltungsakt intendiert eine Rechtsfolge für einen Zeitraum vor Erlass. Diese rückwirkende Rechtsfolge tritt wie intendiert ein, sofern dem Verwaltungsakt innere Wirksamkeit beigelegt ist. Möglich ist jedoch auch, dass dem Verwaltungsakt insoweit innere Wirksamkeit fehlt, wie er eine rückwirkende Rechtsfolge intendiert. Eine solche Teilnichtigkeit ordnet § 5 Abs. 4 BRRG (§ 10 Abs. 2 S. 2 BBG) für die Beamtenernennung an. Die Beamtenernennung ist „insoweit unwirksam", wie sie für einen zurückliegenden Zeitraum ausgesprochen wird. 47 Dementsprechend verzichten auf den Begriff der materiellen Bestandskraft Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht I, § 52 HI. b) (S. 447 f.); Seibert, Bindungswirkung von Verwaltungsakten, S. 172 ff. (188); Krebs, VerwArch 67 (1976), 411 (414 f.); J. Ipsen, Verw 17 (1984), 169 (178 ff.).

G. Innere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt

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Aus demselben Grund erlangt ein Verwaltungsakt, der nur für einen späteren Zeitraum als den des Erlasses eine Rechtsfolge intendiert, bereits mit Erlass äußere und gegebenenfalls innere Wirksamkeit, wenn auch mit einem lediglich zukunftsbezogenen Regelungsgehalt (s. o. I. 2.). Eine aufschiebende Befristung des Verwaltungsaktes hindert nicht, die qualitative Frage nach der äußeren oder inneren Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt zu bejahen. Lediglich beschränkt die aufschiebende Bedingung die äußere und innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes im Erlasszeitpunkt in quantitativer Hinsicht. Umgekehrt erlangt der Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt nur in einem beschränkten Umfang äußere und auch innere Wirksamkeit, wenn ihm die auflösende Befristung auf einen gewissen Endtermin anhaftet. So ruft der Eintritt des gewissen Endtermins keinen Wirksamkeitsverlust des auflösend befristeten Verwaltungsaktes und mithin keine Erledigung i. S. d. §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO hervor [s. o. E. II. 2. a), 3. b) dd)].

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lassen sich Folgen und Voraussetzungen der inneren Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt zusammenfassen: Folgen der inneren Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt ... in dem durch den zeitlichen Regelungsgehalt bestimmten Umfang - Eintritt der intendierten Rechtsfolge - Eintritt der daran anknüpfenden akzidentiellen Rechtsfolgen: Präjudizwirkung, Tatbestandswirkung und Feststellungswirkung Voraussetzungen der inneren Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt Anforderungen an die Form Behördenakt („Maßnahme einer Behörde") - Rechtsakt („zur Regelung") - Öffentlich-rechtlicher Akt („auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts") - Hoheitsakt („Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme") Anforderungen an den Inhalt (gemäß Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes) - Außenwirkungsfinalität („auf unmittelbarer Rechtswirkung nach außen gerichtet") - Einzelfallregelung (Ausnahmen für Allgemeinverfügungen) Keine Anforderungen an den zeitlichen Regelungsgehalt Personenbezogene Bekanntgabe an die Betroffenen Keine zur Nichtigkeit qualifizierte Rechtswidrigkeit Keine Anforderungen an die Unanfechtbarkeit

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3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

H . Verlust der inneren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt Der Verwaltungsakt verliert in einem Zeitpunkt nach Erlass seine innere Wirksamkeit im Zuge des Verlusts äußerer Wirksamkeit (I.) oder durch den Eintritt der Nichtigkeit (II.) oder infolge einer Anfechtung mit aufschiebender Wirkung (EI.).

I. Verlust innerer Wirksamkeit durch Verlust äußerer Wirksamkeit Die innere Wirksamkeit als die Entfaltung der intendierten Regelung setzt notwendig die äußere Wirksamkeit als die rechtliche Existenz des Verwaltungsaktes voraus [s. o. B. III. 1. vor a)]. Daher schließt der Verlust äußerer Wirksamkeit im Wege der Aufhebung oder Erledigung gemäß §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO (dazu s. o. E. I. 1., II. 1.), den Verlust innerer Wirksamkeit ein. Die Aufhebung oder Erledigung ex tunc führen dabei zu einem auf den Erlasszeitpunkt zurückwirkenden Wirksamkeitsverlust, die Aufhebung oder Erledigung ex nunc zu einem regulärwirkenden Wirksamkeitsverlust.

IL Eintritt der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes Da die äußere Wirksamkeit zur inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes notwendig, aber nicht hinreichend ist [s. o. B. III. 1. vor a)], kann der Verwaltungsakt seine innere Wirksamkeit auch auf anderem Wege als durch Aufhebung oder Erledigung nach §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO verlieren. Insbesondere schließt die Nichtigkeit gemäß § 43 Abs. 3 VwVfG obwohl nicht die äußere, doch die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes aus (s. o. D. I. 4., G. I. 4.). Ein Verwaltungsakt fällt in einem Zeitpunkt nach Erlass der Nichtigkeit anheim, sofern ein gesetzlicher Nichtigkeitsgrund entsteht (1.), unzutreffenderweise die Nichtigkeit festgestellt wird (2.) oder die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes festgestellt wird (3.).

1. Entstehen eines gesetzlichen Nichtigkeitsgrundes Ein die Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1, Abs. 2 VwVfG oder besonderer Vorschrift begründender qualifizierter Rechtsfehler entsteht in einem Zeitpunkt nach Erlass, sofern der an den Verwaltungsakt anzulegende Prüfungsmaßstab eine entsprechende Schärfung erfährt. Indessen begegnet der nachträgliche Eintritt eines gesetzlichen Nichtigkeitsgrundes praktisch selten. Insoweit 48 kann die Nichtigkeit

H. Verlust der inneren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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von Verwaltungsakten mit der Nichtigkeit von Privatrechtsgeschäften verglichen werden. Ein Privatrechtsgeschäft ist nach § 134 BGB grundsätzlich nur dann nichtig, wenn es im Zeitpunkt seiner Vornahme gegen ein Verbotsgesetz verstößt. 49 Der Eintritt der Nichtigkeit in einem späteren Zeitpunkt wird allenfalls aufgrund eines auf den Vornahmezeitpunkt zurückwirkenden Gesetzes für möglich gehalten. 50 Demgegenüber sind Rechtsnormen, deren Wirksamkeit von ihrer Rechtmäßigkeit abhängt, einem Eintritt der Nichtigkeit ex nunc durchaus zugänglich.51 Nur mit der praktischen Seltenheit des späteren Eintritts der Nichtigkeit lässt sich erklären, warum Rechtsprechung und Lehre den zur Beurteilung des Verwaltungsaktes maßgeblichen Zeitpunkt allein in Hinblick auf die behördliche Aufhebung nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG (dazu s. u. L. I.) und insbesondere in Hinblick auf die gerichtliche Aufhebung nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO (dazu s. u. L. II.) erörtern. 52 2. Unzutreffende Nichtigkeitsfeststellung Der im Erlasszeitpunkt rechtmäßige oder zumindest nicht an einem qualifizierten Rechtsfehler leidende Verwaltungsakt fällt in einem späteren Zeitpunkt der Nichtigkeit anheim, wenn die Behörde nach § 44 Abs. 5 VwVfG oder das Gericht nach § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO die Nichtigkeit feststellt, obwohl kein gesetzlicher Nichtigkeitsgrund gegeben ist. In diesem Fall versperrt die zwar unzutreffende, aber doch infolge Einkleidung in die Verwaltungsakts- oder Urteilsform grundsätzlich rechtsfehlerunabhängig verbindliche Nichtigkeitsfeststellung den Blick auf die wahre Rechtslage. Infolge der unzutreffenden Nichtigkeitsfeststellung ist der Verwaltungsakt daher als nichtig zu beurteilen. 53 Die festgestellte Nichtigkeit präjudiziell die innere Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes nach § 43 Abs. 3 VwVfG.

48 Die grundsätzlich rechtsfehlerunabhängige Wirksamkeit des Verwaltungsaktes steht dem Vergleich des (aufgrund qualifizierten Rechtsfehlers) nichtigen Verwaltungsaktes mit dem (aufgrund schlichten Rechtsfehlers) nichtigen Privatrechtsgeschäft nicht entgegen. 4 9 Sack, in: Staudinger (1995), BGB, § 134 Rn 54 m. w. N. so Sack, in: Staudinger (1995), BGB, § 134 Rn 55 m. w. N.

51 Baumeister, Rechtswidrigwerden von Normen, S. 269 ff. Beispielsweise kann eine gesetzliche Wahlkreiseinteilung aufgrund der demografischen Entwicklung am Maßstab der Gleichheit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 S. 1, 28 Abs. 3 S. 1 GG) verfassungswidrig werden, BVerfG, Beschl. v. 22. 5. 1963 - 2 BvC 3/62-BVerfGE 16, 130 (138 ff.). 52 Ohne auf das Problem des nach § 44 VwVfG maßgeblichen Zeitpunktes einzugehen halten Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 523, den Eintritt ex nunc der Nichtigkeit mit Inkrafttreten eines entsprechenden Gesetzes für möglich. 53 Eine unzutreffende Nichtigkeitsfeststellung konstituiert mithin die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes. Dabei handelt es sich allerdings um keine intendierte, sondern um eine akzidentielle Rechtsfolge, so dass auch die unzutreffende Nichtigkeitsfeststellung als lediglich deklaratorisch verstanden werden kann.

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3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

3. Unstatthafte Rechtswidrigkeitsfeststellung Der Verwaltungsakt könnte seine innere Wirksamkeit auch dann verlieren, wenn nicht eine zur Nichtigkeit qualifizierte Rechtswidrigkeit, sondern die bloße Rechtswidrigkeit verbindlich festgestellt wird. Eine Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes enthält zum einen das verwaltungsgerichtliche Anfechtungsurteil gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Denn neben dem gestaltenden Regelungsgehalt, den angefochtenen Verwaltungsakt aufzuheben, weist das Anfechtungsurteil einen feststellenden Regelungsgehalt auf [s.o. B. II. 1. b) cc)]. Festgestellt wird die (objektive) Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes und die darauf beruhende Verletzung des Klägers in (subjektiven) Rechten. Allerdings bleibt diese Rechtswidrigkeitsfeststellung für die innere Wirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bedeutungslos, da der angefochtene Verwaltungsakt im Wege der gerichtlichen Aufhebung seine äußere und dadurch auch seine innere Wirksamkeit verliert. Zum anderen trifft das verwaltungsgerichtliche Fortsetzungsfeststellungsurteil gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die Feststellung, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. Sofern sich der betreffende Verwaltungsakt, wie §113 Abs. 1 S. 4 VwGO voraussetzt, „vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt" hat, ist er bereits äußerlich und daher auch innerlich unwirksam (s. o. E. II. 1, H. I.). Indessen ist zwar nicht statthaft, aber doch möglich, dass über einen Verwaltungsakt ein Fortsetzungsfeststellungsurteil ergeht, obwohl der Verwaltungsakt noch äußere und innere Wirksamkeit besitzt. Die Frage ist, ob ein solches unstatthaftes Fortsetzungsfeststellungsurteil zumindest die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes beseitigt.54 Da das Gericht (irrtümlich) davon ausgeht, es fehle an einem der Aufhebung fähigen und bedürftigen Gegenstand, ist auch das unstatthafte Fortsetzungsfeststellungsurteil nicht mit einer Aufhebung des betroffenen Verwaltungsaktes verbunden. Hingegen könnte das Urteil nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die Feststellung enthalten, der in Rede stehende Verwaltungsakt habe sich vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt. 55 Eine solche unzutreffende und dessen ungeachtet nach § 121 VwGO mit Rechtskraft verbindliche Feststellung des vorherigen Wirksamkeitsverlusts versperrte den Blick auf die wahre Rechtslage, ebenso, wie dies bei einer Nichtigkeitsfeststellung nach § 44 Abs. 5 VwVfG oder § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO der Fall ist (dazu s. o. 2.). Infolge einer solchen Feststellung wäre der Ver54 So im Ergebnis BVerwG, Urt. v. 31. 1. 2002 - 2 C 7/01 - BVerwGE 116, 1 (2 f.); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 189 a, 191; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 43 Rn 40. 55 So BVerwG, Urt. v. 20. 11. 1997 - 5 C 1/96 - BVerwGE 105, 370 (370, 373); J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn 65 a. Diese Auffassung bezweifelnd, aber letztlich die Entscheidung offenlassend BVerwG, Urt. v. 31. 1. 2002 - 2 C 7/01 - BVerwGE 116, 1 (2 f.); unentschieden auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 189 a, 191.

H. Verlust der inneren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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waltungsakt als gemäß §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO äußerlich und innerlich unwirksam zu beurteilen. Doch enthält das Fortsetzungsfeststellungsurteil keine Feststellung dieser Art. Vielmehr dient die Erledigung des Verwaltungsaktes nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO lediglich als Zulässigkeitsvoraussetzung der Fortsetzungsfeststellungsklage, nimmt jedoch als bloßes Element der Begründung nicht am Inhalt der gerichtlichen Entscheidung teil. 5 6 Als eine um den gestaltenden Regelungsgehalt verkürzte Schwundform des Anfechtungsurteils geht der feststellende Regelungsgehalt des Fortsetzungsfeststellungsklage nicht über denjenigen der Anfechtungsklage hinaus. Festgestellt werden nach § 113 Abs. 1 S. 1, S. 4 VwGO allein die (objektive) Rechtswidrigkeit und die (subjektive) Rechtsverletzung. Daher steht die Rechtswidrigkeitsfeststellung allenfalls der inneren Wirksamkeit des betroffenen Verwaltungsaktes entgegen. Da das Fortsetzungsfeststellungsurteil die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes verbindlich feststellt, kommt dem Urteil insoweit Präjudizwirkung zu, wie es auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ankommt. Unbeachtlich ist die schlichte Rechtswidrigkeit indessen gemäß §§ 43 Abs. 3,44 VwVfG für die Frage der inneren Wirksamkeit [s. o. G. 1.4. a)]. Auch begründet die festgestellte Rechtswidrigkeit nicht bereits nach der Generalklausel des § 44 Abs. 1 VwVfG die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes. Zwar ist die Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsaktes, dessen Rechtswidrigkeit verbindlich festgestellt worden ist, offensichtlich. 57 Doch leidet der festgestellt-rechtswidrige Verwaltungsakt nicht notwendig an einem schweren und auch in seiner Schwere evidenten Fehler gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG. Indessen könnte die Tatbestandswirkung des Fortsetzungsfeststellungsurteils der inneren Wirksamkeit des zugrunde liegenden Verwaltungsaktes entgegenstehen. Die urteilsförmige Feststellung der Rechtswidrigkeit könnte einen neben den vom Gesetz benannten Nichtigkeitsgründen benannten Fall bilden, in dem die Rechtsordnung dem Verwaltungsakt aufgrund qualifizierter Rechtswidrigkeit die innere Wirksamkeit versagt. Die Rechtsordnung verleiht grundsätzlich auch dem rechtswidrigen Verwaltungsakt innere Wirksamkeit [s. o. G. I. 4. a)]. Auch und gerade bei Abweichungen vom Gesetz bestimmt der Verwaltungsakt gegenüber dem Rechtsunterworfenen, „was für ihn rechtens sein soll". Diese Durchbrechung des Vorrangs des Gesetzes hat jedoch Grenzen. So begründen alle evidenten schweren Fehler, sowie bestimmte, enumerierte Fehler nach § 44 Abs. 1, Abs. 2 VwVfG die Nichtigkeit und mithin nach § 43 Abs. 3 VwVfG die innere Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes [dazu s. o. G. I. 4. b)]. Die grundsätzlich rechtsfehlerunabhängige innere Wirksamkeit dient der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden, indem sie dem Verwaltungsakt eine Klar56 Dies erwägend aber Schenke, JZ 2003, 31 (33 f.). 57 Die Fehlerhaftigkeit des festgestellt-rechtswidrigen Verwaltungsaktes ist indessen dann nicht offensichtlich, falls die Verbindlichkeit der Rechtswidrigkeitsfeststellung selbst nicht evident ist.

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3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

stellungs- und Stabilisierungsfunktion verleiht. Dieses Anliegen würde verfehlt, könnte ein Verwaltungsakt, dessen Rechtswidrigkeit gerichtlich festgestellt ist, weiterhin seine intendierte Regelung entfalten. 58 Die Entscheidung des Gerichts muss - grundsätzlich unabhängig davon, ob sie ihrerseits zutreffend ist - vorrangig vor der Entscheidung der Behörde dem Rechtsunterworfenen gegenüber bestimmen, „was für ihn rechtens sein soll". Deshalb kommt dem festgestellt-rechtswidrigen Verwaltungsakt im Gegensatz zum schlicht-rechtswidrigen Verwaltungsakt keine innere Wirksamkeit zu. 5 9 Dies verdeutliche der Beispielsfall, in dem der Erste Beigeordnete einer Stadt in den einstweiligen Ruhestand abberufen wird, woraufhin der Betroffene ein rechtskräftiges Urteil erstreitet, dass die Rechtswidrigkeit des Abberufungsbescheides feststellt. 60 In Frage steht, ob der Betroffene für die Zeit nach der Abberufung Dienstbezüge als Erster Beigeordneter beanspruchen kann. Gesetzliche Grundlage des Besoldungsanspruchs eines Beamten, Richters oder Soldaten ist § 3 Abs. 1 S. 1 BBesG. Die Abberufung in den einstweiligen Ruhestand (vgl. § 21 Abs. 2 BRRG) könnte das Zeitbeamtenverhältnis des Ersten Beigeordneten beendet haben. Dies setzt die innere Wirksamkeit des Abberufungsbescheides voraus. Bereits keine äußere Wirksamkeit und infolgedessen auch keine innere Wirksamkeit käme dem Abberufungsbescheid dann zu, wenn er sich i. S. d. §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO erledigt hätte. Von einer Erledigung des Abberufungsbescheides ist das zur Entscheidung berufene Gericht ersichtlich ausgegangen, als es den für rechtswidrig erachteten Abberufungsbescheid nicht nach §113 Abs. 1 S. 1 VwGO aufhob, sondern lediglich nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO feststellte, der Abberufungsbescheid sei rechtswidrig gewesen. Jedoch ist entgegen der Auffassung des Gerichts keine Erledigung eingetreten. 61 Dies wird am eindruckvollsten dadurch belegt, dass die Abberufung weiterhin die Ansprüche des Betroffenen auf Besoldung als Erster Beigeordneter (negativ) präjudiziert. Das vom Gericht gefällte Fortsetzungsfeststellungsurteil war mithin nicht statthaft. Es fehlt an einer aufgrund Rechtskraft nach § 121 VwGO verbindlichen Feststellung der Erledigung des Abberufungsbescheids 62. Die Feststellung einer lediglich regulärwirkenden Erledigung ginge ins Leere, zumal der Abberufungsbescheid als statusentziehender Verwaltungsakt Punktverwaltungsakt [dazu s. o. C. II. 2. a)] und daher weder einer regulärwirkenden Aufhebung noch einer regulärwirkenden Erledigung zugänglich ist [s. o. E. II. 1. b)] 58 BVerwG, Urt. v. 31. 1. 2002 - 2 C 7/01 - BVerwGE 116, 1 (4). 59 Die Frage einer qualifizierten Rechtswidrigkeit des festgestellt-rechtswidrigen Verwaltungsaktes vernachlässigend Schenke, JZ 2003, 31 (34). 60 BVerwG, Urt. v. 31. 1. 2002 - 2 C 7/01 - BVerwGE 116, 1 ff., anknüpfend an Urt. v. 20. 11. 1997 - 5 C 1 /96 - BVerwGE 105, 370 ff. Besprechungen bei Ehlers, JK 12/02, VwGO § 113 14/17, Schenke, JZ 2003, 31 ff. 61 Insoweit auch Schenke, JZ 2003, 31 (32). 62 BVerwG, Urt. v. 31. 1. 2002 - 2 C 7/01 - BVerwGE 116, 1 (2).

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Dennoch ist aufgrund der rechtskräftigen Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht mehr der Regelungsgehalt des festgestellt-rechtswidrigen Verwaltungsaktes maßgebend, sondern die Rechtslage, die ohne ihn besteht.63 Der betroffene Verwaltungsakt entfaltet mithin - in der Sprache des Bundesverwaltungsgerichts - keine „Regelungswirkung". 64 Damit verneint das Gericht die an die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes anknüpfenden Rechtsfolgen, jedoch ohne die gebotene dogmatische Einordnung vorzunehmen. In der hier verwendeten Terminologie (s. o. B. III. 1.) spricht das Bundesverwaltungsgericht dem Abberufungsbescheid aufgrund der Rechtswidrigkeitsfeststellung rückwirkend die innere Wirksamkeit ab.

LQ. Anfechtung mit aufschiebender Wirkung Solange der Verwaltungsakt mit aufschiebender Wirkung nach §§ 80, 80 a VwGO angefochten ist, könnte seine innere Wirksamkeit ausgeschlossen sein. 65 Zu untersuchen sind die Folgen (1.) sowie die Voraussetzungen (2.) des Eintritts aufschiebender Wirkung.

1. Folgen des Eintritts aufschiebender Wirkung Dass der Eintritt aufschiebender Wirkung vorläufig zum Verlust innerer Wirksamkeit führt, ist weniger in der Sache, als in der Terminologie umstritten. Zwar konkurrieren in der Beschreibung der aufschiebenden Wirkung die Vollziehbarkeitstheorie 66 und die Wirksamkeitstheorie 67 miteinander. Doch scheint ausgehend 63 BVerwG, Urt. v. 20. 11. 1997 - 5 C 1 / 96 - BVerwGE 105, 370 (370, 373); Urt. v. 31. 1. 2002 - 2 C 7/01 - BVerwGE 116,1 (2.); Ehlers, JK 12/02, VwGO § 113 14/17. Abweichend OVG NRW, Urt. v. 16. 6. 2000-12 A 2624/98 - NWVB1. 2001, 189; Schenke, JZ 2003, 31 ff., implizit bereits ders., DÖV 1986, 305 (317); Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 64; Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht, S. 170. 64 BVerwG, Urt. v. 31. 1. 2002 - 2 C 7/01 - BVerwGE 116, 1 ff. 65 Keiner aufschiebenden Wirkung fähig oder bedürftig ist ein gegen einen Nichtverwaltungsakt (d. h. unstatthafterweise) erhobener Anfechtungsrechtsbehelf. Der Nichtverwaltungsakt bringt ohnehin keine Rechtsfolgen hervor, die aufschiebender Wirkung zugänglich sind. Unzutreffend deshalb Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, Rn 647, die bei einem (von ihnen als solchen bezeichneten) „Scheinverwaltungsakt" die aufschiebende Wirkung bejahen. 66 BVerwG, Urt. v. 21. 6. 1961 - VIII C 398.59 - BVerwGE 13, 1 (5 ff.); Urt. v. 27. 10. 1982-3 C 6.82 - BVerwGE 66, 218 (221); Urt. v. 13. 6. 1985 - 2 C 43.82 - DVB1. 1986, 146; Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, S. 231 ff.; Finkelnburg/ Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, Rn 640; Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, Rn 304; Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 250; Pietzner/Ronellenfitsch, Assessorexamen im öffentlichen Recht, § 53 Rn 3; Kuhla, in: ders./ Hüttenbrink/Endler, Der Verwaltungsprozess, J. Rn 9; M. Redeker, in: Redeker/v. Oertzen,

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3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

von einem divergierenden Vorverständnis des Begriffes der inneren Wirksamkeit oftmals nur um Worte gestritten zu werden. Nur ausnahmsweise gelangen die beiden Theorien zu unterschiedlichen Ergebnissen. 68, wie zunächst allgemeiner Darstellung bedarf [a)], sodann der Erläuterung anhand befehlender [b)], gestaltender [c>] und feststellender Verwaltungsakte [d)].

a) Allgemeines

Nach der Vollziehbarkeitstheorie ist der mit aufschiebender Wirkung angefochtene Verwaltungsakt zwar „wirksam", aber nicht „vollziehbar". Der Begriff der „Vollziehbarkeit" wird dabei denkbar weit verstanden und reicht insbesondere über den Begriff der formellen Vollstreckbarkeit hinaus. Denn zum einen stellt sich die Frage der formellen Vollstreckbarkeit nur bei materiell vollstreckbaren (d. h. befehlenden) Verwaltungsakten, während die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO auch gestaltende und feststellende Verwaltungsakte erfasst. 69 Zum anderen ist auch nicht jeder befehlende Verwaltungsakt, der im Sinne der Vollziehbarkeitstheorie „vollziehbar" ist, auch formell vollstreckbar. So setzt die Vollstreckung aus einem Verwaltungsakt, der auf Herausgabe einer Sache oder auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, nach § 6 Abs. 1 VwVG wahlweise die Unanfechtbarkeit oder sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes (kraft behördlicher oder gerichtlicher Anordnung oder kraft Gesetzes) voraus. Nicht erfasst ist der Fall, in dem ein Rechtsbehelf noch nicht eingelegt ist, aber noch mit aufschiebender Wirkung eingelegt werden kann. In diesem Fall fehlt es an der sofortigen Vollziehbarkeit und deshalb gemäß § 6 Abs. 1 VwVG an der formellen Vollstreckbarkeit des Verwaltungsaktes, obwohl mangels Anfechtung gemäß §§ 80, 80 a VwGO noch keine aufschiebende Wirkung eingetreten ist. Die sofortige Vollziehbarkeit setzt mithin zwar notwendig, aber nicht VwGO, § 80 Rn 4; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 43 Rn 5; Hufen, Verwaltungsprozessrecht § 32 Rn 4; wohl auch Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 43 Rn 12. 67 Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 56 Rn 8; Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, S. 1185; ders., in: ders. / Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn 85 ff.; Seibert, Bindungswirkung von Verwaltungsakten, S. 206 f.; J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 80 Rn 6; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 2, § 48 Rn 6; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 951; Kopp /Schenke, VwGO, § 80 Rn 22; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 43 Rn 6; Siegmund-Schultze, DVB1. 1963, 745 (751); Bachof, JZ 1966, 473 (475); G. Scholz, FS Menger, S. 641 (644); Ehlers, Liber amicorum Erichsen, S. 1 (11); tendenziell auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 23, 30 b. Dem Worte nach ebenso BayVGH, Beschl. v. 12. 2. 1988 - Nr. 2 CE 88.00071 - BayVBl. 1988, 276 (276). Der Sache nach auch FG BW, Beschl. v. 4. 10. 1993 - 9 V 23/93 - EFG 1994, 256 (256); Knöpfte, BayVBl. 1982,225 (229). 68 Zu Fällen, die von den beiden Theorien abweichend beurteilt werden Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, S. 1169ff.; ders., in: ders./ Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 80 Rn 79 ff. 69 Ehlers, JuS 1990, III (779 f.).

H. Verlust der inneren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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hinreichend das Fehlen aufschiebender Wirkung voraus. Der Normtext der §§ 80, 80 a VwGO lässt somit nicht zu, die aufschiebende Wirkung mit dem Fehlen sofortiger Vollziehbarkeit gleichzusetzen.70 Daher streitet das Wortlautargument nicht für die Vollziehbarkeitstheorie 71, sondern gegen sie. Folge mangelnder aufschiebender Wirkung ist schlicht, dass der Verwaltungsakt die mit ihm intendierte Regelung entfaltet. Die Entfaltung der intendierten Regelung ist als innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes definiert (s.o. B. DI. 1.). Mithin ist zunächst unklar, was die Vollziehbarkeitstheorie unter „Vollziehbarkeit" des Verwaltungsaktes anderes verstehen könnte als die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes.72 Rechtsprechungsgeschichtlich mag die Unterscheidung von „Vollziehbarkeit" und „Wirksamkeit" auf einer Vermengung der aufschiebenden Wirkung mit dem die Unanfechtbarkeit hemmenden Suspensiveffekt beruhen. 73 So führt das Bundesverwaltungsgericht 74 in einer frühen Entscheidung aus, die aufschiebende Wirkung beziehe sich nicht auf den Eintritt der Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes oder das Inkrafttreten der durch ihn getroffenen Regelung, sondern nur auf seine „Vollziehbarkeit". Die Bedeutung der aufschiebenden Wirkung sieht das Gericht in der ,»rechtskrafthemmenden Wirkung". Die Unterscheidung zwischen der aufschiebenden Wirkung, die dem fristgemäßen Anfechtungsrechtsbehelf nur grundsätzlich beigelegt ist, und der Hemmung der Unanfechtbarkeit, die dem fristgemäßen Anfechtungsrechtsbehelf ausnahmslos zukommt, ist der Sache nach notwendig, obwohl oftmals ungenau auch die aufschiebende Wirkung ungenau als „Suspensiveffekt" angesprochen wird. 75 Der Erklärungsversuch von Vertretern der Vollziehbarkeitstheorie, der suspendierte Verwaltungsakt sei zwar wirksam, doch könnten aus ihm keine Folgen ge70 So aber BVerwG, Urt. v. 21. 06. 1961 - V I I I C 398.59 - BVerwGE 13,1 (6). 71 So aber BVerwG, Urt. v. 21. 06. 1961 - VIII C 398.59 - BVerwGE 13, 1 (6); Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, Rn 640; Pietzner/ Ronellenfitsch, Assessorexamen im öffentlichen Recht, § 53 Rn 3; Tettinger/Wahrendorf, Verwaltungsprozeßrecht, § 23 Rn 7; M. Redeker, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 80 Rn 4. 72 Infolge dieser Unklarheit gelangen etwa Bosch/Schmidt, Praktische Einf. in das verwaltungsgerichtliche Verfahren, § 48 (S. 319), zu dem voreiligen Schluss, nach dem über die „tatsächlichen Auswirkungen der Rechtmitteleinlegung" (gemeint: die einzelnen rechtlichen Konsequenzen der aufschiebenden Wirkung) keinerlei Streit besteht. 73 So bereits Bachof, JZ 1966,473 (475). 74 BVerwG, Urt. v. 21. 6. 1961 - V I I I C 398.59 - BVerwGE 13, 1 (5 f.). 75 Um einer Verwechslung zu vermeiden, wird in dieser Untersuchung die Bezeichnung „aufschiebende Wirkung" durchweg der Bezeichnung „Suspensiveffekt" vorgezogen. Ebenso der Sprachgebrauch bei Schoch, in: ders. / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 80 Rn 72; Kuhla, in: ders./Hüttenbrink/Endler, Der Verwaltungsprozess, J. Rn 8; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, Rn 480 Fn 4; Renck, BayVBl. 1991, 743 (744); ders., BayVBl. 1994, 161 (162). Beide Begriffe synonym verwenden etwa BVerwG, Urt. v. 30. 1. 1968 - V I C 35.65 DÖV 1968, 417 (418); Bosch/Schmidt § 48 (S. 318 f.); J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 80 Rn 5 f.; Tettinger /Wahrendorf, Verwaltungsprozeßrecht, § 23 Rn 5 ff.; Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, Rn 301; Knöpfle, BayVBl. 1982, 225 (229). 18 Steinweg

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3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

zogen werden 76 , ist in sich widersprüchlich. 77 Denn entweder tritt die mit dem Verwaltungsakt intendierte Rechtsfolge ein, woraufhin notwendig auch die daran anknüpfende Präjudiz-, Tatbestands- und Feststellungswirkung eintreten. Oder die mit dem Verwaltungsakt intendierte Rechtsfolge tritt nicht ein, weshalb es an einem Anknüpfungspunkt fehlt, der solche akzidentielle Rechtsfolgen auslösen könnte. Entweder sind die rechtlichen Konsequenzen aus der bestehenden oder die rechtlichen Konsequenzen aus der fehlenden inneren Wirksamkeit zu ziehen - tertium non datur. Für eine „folgenlose innere Wirksamkeit" bleibt kein Raum. Allerdings scheint der Wirksamkeitstheorie, nach der dem mit aufschiebender Wirkung angefochtenen Verwaltungsakt (vorläufig) die innere Wirksamkeit fehlt, zunächst der Wortlaut der Verwaltungsverfahrensgesetze zu widersprechen. 78 So knüpft § 43 VwVfG die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes an nur fünf Voraussetzungen (Bekanntgabe, Personenbezogenheit der Bekanntgabe, Fehlen von Aufhebung, Erledigung und Nichtigkeit), ohne das Fehlen aufschiebender Wirkung als weitere Wirksamkeitsvoraussetzung zu nennen. Jedoch bedurfte es einer Erwähnung dieser Wirksamkeitsvoraussetzung in den Verwaltungsverfahrensgesetzen nicht, da die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen als Instrument vorläufigen Rechtsschutzes zutreffend in der Verwaltungsgerichtsordnung geregelt ist. Den Ländern hätte zur (konstitutiven) Regelung der aufschiebenden Wirkung in ihren Verwaltungsverfahrensgesetzen bereits die Gesetzgebungskompetenz gefehlt, da die Verwaltungsgerichtsordnung nach § 195 Abs. 2 VwGO grundsätzlich alle entgegenstehenden (landesrechtlichen) Vorschriften derogiert und mithin nach Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG den Erlass neuen Landesrechts sperrt. Die Länder hätten in ihren Verwaltungsverfahrensgesetzen die (bundesrechtlich abschließend geregelte) aufschiebende Wirkung der Anfechtungsrechtsbehelfe allenfalls deklaratorisch als Unwirksamkeitsgrund anführen können. Die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder beruht auf den gleichen Vorarbeiten 79 (Musterentwurf 68, Regierungsentwurf 70, Regierungsentwurf 73). Dem Bundesgesetz sollten nach Möglichkeit 76 So die Versuche von BVerwG, Urt. v. 21. 06. 1961 - VIII C 398.59 - BVerwGE 13, 1 (5, 8); Urt. v. 28. 1. 1992 -IC 22.91 - BVerwGE 89, 357 (361 f.); Finkelburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, Rn 641; Tettinger/Wahrendorf, Verwaltungsprozeßrecht, § 23 Rn 7. 77 Ebenso steht in Frage, warum es nach Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, Rn 640 f., einerseits für einen effektiven vorläufigen Rechtsschutz genügt, wenn die Vollziehung „umfassend" gehemmt wird, doch andererseits in einer Hemmung der Wirksamkeit ein Übermaß an Rechtsschutz zu sehen wäre. Inwieweit eine „umfassende Vollziehungshemmung" hinter einer Wirksamkeitshemmung zurückbleibt, bleibt offen. 78 So dezidiert Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, Rn 304; abgemildert auch Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 43 Rn 212; Hufen, Verwaltungsprozessrecht § 32 Rn 3. 7 9 s. zur Entstehungsgeschichte P. Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Einl. Rn 36 ff.

H. Verlust der inneren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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inhaltsgleiche Landesgesetze folgen 80 , was inzwischen grundsätzlich durch wörtliche Übernahme des Textes oder statische oder dynamische Verweisung auf das Bundesgesetz geschehen ist. 81 Dies wäre den Ländern mangels Gesetzgebungskompetenz dann nicht möglich gewesen, wenn das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes in seinem § 43 die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen konstitutiv geregelt hätte. Folglich trifft auch die bundesrechtliche Vorschrift des § 43 VwVfG keine gegenüber §§ 80, 80 a VwGO abschließende Regelung. 82 Auch trifft das Argument, es träte eine Übersicherung des Rechtsbehelfsführers ein, wenn beispielsweise ein seine Entlassung anfechtender Beamter den Entlassungszeitpunkt hinausschieben könnte 83 , nicht zu. Denn die aufschiebende Wirkung entfällt rückwirkend, wenn der Rechtsbehelf ohne Erfolg bleibt 84 (dazu s. u. J. III. 2.). Zudem entspricht das Verständnis der aufschiebenden Wirkung als Hemmung der inneren Wirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes der dem vorläufigen Rechtsschutz insgesamt zukommenden Sicherungsfunktion. 85 Diese Sicherungsfunktion besteht darin, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren offen zu halten, damit dort ein effektiver Rechtsschutz i. S. d. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG gewährt werden kann. 86 Bliebe die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfes hinter einer Wirksamkeitshemmung zurück, litte der Rechtsbehelfsführer an einer „Untersicherung". Aus diesen Gründen ist die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen mit der Wirksamkeitstheorie als Hemmung der inneren Wirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu verstehen. 87 Die aufschiebende Wirkung tritt rückwirkend ein. 88 Dies belegt die Vorschrift des § 80 Abs. 5 S. 3 80 Mit diesem Ziel stimmte der im Beschluss vom 20. 2. 1976 der Ständigen Konferenz der Innenminister der Länder zum Ausdruck kommende „Vereinheitlichungswille" überein, dazu R Stelkens /Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Einl. Rn 59 ff. 81 Dazu Ehlers, JURA 2003, 30 ff. Das (ältere) schleswig-holsteinische Landesverwaltungsgesetz ist dem (jüngeren) Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes nachträglich angepasst worden. 82 Aus dem selben Grund kann de lege lata die Vorschrift des § 43 Abs. 2 Alt. 1 der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder insoweit als lediglich deklaratorisch verstanden werden, wie dort die Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes infolge Aufhebung in bundesrechtlichen geregelten Rechtsbehelfsverfahren (insbesondere nach §§ 72,73 Abs. 1 S. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) normiert ist. S3 So die Argumentation des BVerwG, Urt. v. 21. 06. 1961 - VIII C 398.59 - BVerwGE 13, 1 (8). 84

J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 80 Rn 6,16. 85 Schoch, in: ders./Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 80 Rn 87. 86

Schoch, in: ders. / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Vorbem. § 80 Rn 34. 87 Schoch, in: ders./Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn 85 ff.; J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 80 Rn 6; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 951. 88 Die Rückwirkung bejahend BVerwG, Urt. v. 6. 7. 1973 - IV C 79.69 - DÖV 1973, 785 (787); VGH BW, Beschl. v. 30. 6. 1971 - V I 303/71 - DÖV 1971, 713; OVG NRW, Urt. v. 16. 6. 1983 - 4 A 2719/81 - DÖV 1983, 1024 (1025); Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, S. 1187; ders., in: ders./Schmidt-Aßmann/Pietzner,

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3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

VwGO, nach der das Gericht mit der Anordnung oder Wiederherstellung aufschiebender Wirkung die Aufhebung der Vollziehung verbinden kann, was voraussetzt, dass auch den bereits vorgenommenen Vollziehungshandlungen der Behörde der Boden mit Eintritt der aufschiebenden Wirkung entzogen wird. 8 9 Zudem ist bei Punktverwaltungsakten eine Hemmung der inneren Wirksamkeit ohnehin nur rückwirkend auf den Erlasszeitpunkt möglich, da ein Punktverwaltungsakt ausschließlich im Erlasszeitpunkt eine Rechtsfolge intendiert (dazu s. o. C. II. 1.). Somit entfällt die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes ex tunc. Der Entscheidung für die Wirksamkeitstheorie und gegen die Vollziehbarkeitstheorie kommt nur insoweit Bedeutung zu, wie die Vertreter der Vollziehbarkeitstheorie aus dem von ihnen als „folgenlos wirksam" erachteten Verwaltungsakt - entgegen eigenem Bekunden - Folgen ziehen.90 So soll der mit aufschiebender Wirkung angefochtene Verwaltungsakt weiterhin kraft innerer Wirksamkeit die mit ihm intendierte Rechtsfolge hervorbringen. Hingegen sollen die an die intendierte Rechtsfolge anknüpfenden akzidentiellen Rechtsfolgen (Präjudiz-, Tatbestandsund Feststellungswirkung) zumindest nicht vollständig eintreten 91.

b) Befehlender Verwaltungsakt

Wird beispielsweise der die Leistung eines Geldbetrages befehlende Verwaltungsakt mit aufschiebender Wirkung angefochten, so ist der Betroffene zunächst nicht zur Zahlung verpflichtet. Zu zeigen ist, dass die Behörde ebenso wenig befugt ist, die Aufrechnung mit der durch den befehlenden Verwaltungsakt konkretisierten Zahlungspflicht zu erklären. Ebenso wie die zivilrechtliche Aufrechnung nach §§ 387 ff. BGB setzt die Aufrechnung im öffentlichen Recht 92 neben der (rechtsgeschäftlichen 93) Aufrechnungserklärung die (gesetzliche) AufrechnungsVwGO, § 80 Rn 100; Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, Rn 305; Tettinger/Wahrendorf, Verwaltungsprozeßrecht, § 23 Rn 8; Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozessrecht, Rn 254 f.; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 962. Unklar Richter/Schuppert/Bumke, Casebook Verwaltungsrecht, S. 126, nach denen mit Eintritt der aufschiebenden Wirkung vorherige Vollstreckungsmaßnahmen „nachträglich nicht aber rückwirkend - rechtswidrig" werden. 89 Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, S. 1187; ders., in: ders. / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 80 Rn 100. 90 Zu den dogmatischen Inkonsequenzen der Vollziehbarkeitstheorie s. im Einzelnen auch Schoch, in: ders./Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn 89-92. 91 So soll nach BVerwG, Urt. v. 21. 6. 1961 - V I I I C 398.59 - BVerwGE 13, 1 (6) die aufschiebende Wirkung der „Verwirklichung", der im Verwaltungsakt ausgesprochenen Rechtsfolge und der sich aus ihr ergebenden „weiteren Rechtsfolgen (Nebenfolgen)" durch besondere Maßnahmen entgegenstehen. 92 Zur Aufrechnung im öffentlichen Recht und die Heranziehung der §§ 387 ff. BGB als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens s. ausführlich Ehlers, JuS 1990, III ff. 93 In Fällen nicht eindeutiger Formenwahl ergeht auch die Aufrechnungserklärung der Behörde nicht in (hoheitlicher) Verwaltungsaktsform, sondern als (andersartige, nicht auf

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läge voraus 9 4 . Der erfüllbaren Hauptforderung (gegen die aufgerechnet wird) muss eine wechselseitige, gleichartige, durchsetzbare, fällige Gegenforderung (mit der aufgerechnet wird) entgegentreten. Ausgehend von der Vollziehbarkeitstheorie nimmt das Bundesverwaltungsgericht 9 5 an, die aufschiebende Wirkung hindere die Aufrechnung mit der durch den angefochtenen Verwaltungsakt begründeten Zahlungspflicht nicht. Das Gericht gelangt zu diesem Ergebnis aufgrund der Beurteilung, die Aufrechnung mit der Pflicht aus dem Verwaltungsakt sei keine Vollziehung des befehlenden Verwaltungsaktes 96 . Diese Beurteilung ist keineswegs unbedenklich, da nach dem von der Rechtsprechung zugrunde gelegten Begriffsverständis die Vollziehung des Verwaltungsaktes weit über seine zwangsweise Durchsetzung hinausgeht, etwa auch das private Gebrauchmachen umfassen soll. 9 7 Dies belegt das Problem der Vollziehbarkeitstheorie, die Abgrenzung zwischen den Folgen, die aus dem Verwaltungsakt gezogen und den Folgen, die nicht gezogen werden können, anhand eines Vollziehungsbegriff 9 8 vorzunehmen, der allein durch das gewünschte Ergebnis bestimmt wird. Einerseits müsste aufgrund der Vollziehbarkeitstheorie der mit aufschiebender Wirkung angefochtene, aber dennoch für innerlich wirksam erachtete Verwaltungsrechtsfehlerunabhängige Verbindlichkeit abzielende) verwaltungsrechtliche Willenserklärung: BVerwG, Urt. v. 27.10.1982 - 3 C 6.82 - BVerwGE 66, 218 (220); Urt. v. 13.6.1985 - 2 C 43.82 - DVB1. 1986, 146; BFH, Urt. v. 2.4.1987 - V I I R 148/83 - NVwZ 1987, 1118 (1119 f.); Ehlers, NVwZ 1983,446 (451); ders., JuS 1990, III (III ff.), mit Nachweisen zum Streitstand. Das schließt allerdings nicht aus, dass die Behörde im Einzelfall die Aufrechnung in Verwaltungsaktsform erklärt. Auch eine solche inkorrekte Formenwahl ist beachtlich, da Rechtsnatur und Rechtmäßigkeit einer Maßnahme auseinandergehalten werden müssen, Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 434 ff. 94 Die Aufrechnungslage ist neben der Aufrechnungserklärung nur deshalb auch im öffentlichen Recht erforderlich, weil letztere nicht in (grundsätzlich rechtsfehlerunabhängig verbindlicher) Verwaltungsaktsform ergeht, Ehlers, JuS 1990, III (779). 95 BVerwG, Urt. v. 27. 10. 1982 - 3 C 6.82 - BVerwGE 66, 218 (221). Ebenso soll die aufschiebende Wirkung der Aufrechnung mit einer durch Verwaltungsakt festgestellten Forderung nicht ausschließen, Urt. v. 13. 6.1985-2 C 43.82 - DVB1. 1986,146. 96 BVerwG, Urt. v. 27. 10. 1982 - 3 C 6.82 - BVerwGE 66, 218 (221 ff.). 97 Den Vollziehungscharakter der Aufrechnung entgegen dem Bundesverwaltungsgericht bejahend etwa Ehlers, JuS 1990, III (780). 98 Bei der „Vollziehung" i. S. d. Vollziehbarkeitstheorie handelt es sich um einen sog. „voraussetzungsleeren Begriff 4 . Wahrend ein regulärer Rechtsbegriff (nicht anders als eine Rechtsnorm) an gewisse begriffliche Voraussetzungen bestimmte begriffliche Folgen knüpft, weist ein voraussetzungsleerer Begriff keine von der Folgenseite zu unterscheidenden Voraussetzungen auf. Der voraussetzungsleere Begriff ist lediglich ein Name für ein rechtliches Phänomen, beschreibt aber keine normativen Zusammenhänge. Beispielsweise ist es ein Zirkelschluss, von der (angeblichen) Höchstpersönlichkeit öffentlich-rechtlicher Rechte und Pflichten auf ihre mangelnde Übergangsfähigkeit zu schließen. Denn als höchstpersönlich darf eine Position nur dann bezeichnet werden, wenn ihre Übergangsfähigkeit bereits verneint ist, eingehend Lübbe-Woljf, Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 95 ff., S. 108 ff.

3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

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akt die intendierte Rechtsfolge entfalten, im Beispielsfall also dem Betroffenen eine Zahlungspflicht auferlegen. Daher müsste ungeachtet der aufschiebenden Wirkung kraft des befehlenden Verwaltungsaktes der Verwaltungsträger der Behörde eine Gegenforderung innehaben. Auch könnte der Verwaltungsträger die ihm gebührende Leistung i. S. d. § 387 BGB bereits fordern, da mangels im Verwaltungsakt ausgesprochener Betagung" die Gegenforderung entsprechend § 271 Abs. 1 BGB sofort fällig wäre. Andererseits dürften gemäß der Vollziehbarkeitstheorie aus der durch den Verwaltungsakt begründeten Pflicht keine Folgen gezogen werden. So gesehen müsste nicht erst die Fälligkeit 100 , sondern bereits der Bestand 101 der Gegenforderung verneint werden. 102 In diesem Dilemma entscheidet sich das Bundesverwaltungsgericht für die Aufrechnungsfähigkeit der Forderung aus dem mit aufschiebender Wirkung angefochtenen Verwaltungsakt. Da die Vollziehbarkeitstheorie lediglich die (letztlich beliebige) Wahl zwischen zwei Alternativen eröffnet, die gleichermaßen den eigenen Vorgaben widersprechen, ist nicht erst die vom Gericht getroffene Entscheidung für eine der Alternativen, sondern bereits der eingeschlagene Weg der in sich widersprüchlichen Vollziehbarkeitstheorie selbst abzulehnen. Dieser Entscheidungsspielraum, den die Vollziehbarkeitstheorie unzulässigerweise dem Gericht gewährt, mag erklären, warum gerade die Rechtsprechung entgegen der mittlerweile überwiegenden Literaturansicht 103 an dieser Theorie festhält. Konsistent kann die aufschiebende Wirkung nur als Hemmung der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes - unter Einschluss aller gebotenen rechtlichen Folgerungen - verstanden werden. Solange die aufschiebende Wirksamkeit andauert, fehlt mithin dem angefochtenen Verwaltungsakt die innere Wirksamkeit. Mangels innerer Wirksamkeit vermag der befehlende Verwaltungsakt nicht den Betroffenen durch Auferlegung einer Zahlungspflicht in Anspruch zu nehmen. Mangels einer wirksam begründeten Gegenforderung fehlt es an der entsprechend § 387 BGB vorausgesetzten Aufrechnungslage. 104

99

Zur Unterscheidung der betagten Forderung i. S. d. §§ 271 Abs. 1, 813 Abs. 2 BGB von der aufschiebend befristeten Forderung i. S. d. §§ 163, 158 Abs. 1 BGB s. Bork, in: Staudinger, BGB, 2003, § 163 Rn 2. 100 So aber W. Schmidt, JuS 1984, 28 (31). 101 Konsequent Ehlers, JuS 1990, III

(780).

102

Im Ergebnis auch Finkelnburg /Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, Rn 641. 103 Während noch Ehlers, JuS 1990, III (779), die Wirksamkeitstheorie lediglich als im Vordringen befindlich einschätzt, sieht sich Schoch, in: ders./Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 80 Rn 76, bereits im Einklang mit der herrschenden Lehre. Unverständlich die Einschätzung von Kuhla, in: ders./Hüttenbrink/Endler, Verwaltungsprozess, J Rn 9, nach dem der „Meinungsstreit seit langem im Sinne der Vollzugstheorie entschieden" ist. 104 Ehlers JuS 1990, III

(779 f.); zust. insoweit Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 955.

H. Verlust der inneren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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c) Gestaltender Verwaltungsakt

Ficht beispielsweise der Betroffene die durch gestaltenden Verwaltungsakt vorgenommene Entlassung aus dem Beamtenverhältnis mit aufschiebender Wirkung an 1 0 5 , so ist er weiterhin als Beamter zu beurteilen. 106 Beim gestaltenden Verwaltungsakt gerät die Vollziehbarkeitstheorie in gesteigerte Erklärungsnot, welche über die innere Wirksamkeit hinausgehende Bedeutung der Vollziehung zukommen soll. Denn der gestaltende Verwaltungsakt trägt - wie das Bundesverwaltungsgericht konzediert - seine Vollziehung „gleichsam in sich". 1 0 7 Nach den Vorgaben der Vollziehbarkeitstheorie müsste der Betroffene kraft des angefochtenen Verwaltungsaktes, der ungeachtet der aufschiebenden Wirkung als innerlich wirksam erachtet wird, entlassen sein. Der Eintritt der intendierten Rechtsfolge der Entlassung zwänge dazu, auch die daran kraft Gesetzes anknüpfenden akzidentiellen Rechtsfolgen zu bejahen. Der Eintritt dieser „Nebenfolgen" der Entlassung wird - im Ergebnis zutreffend - auch von den Vertretern der Vollziehbarkeitstheorie verneint.

d) Feststellender

Verwaltungsakt

Die Herstellung einer Erschließungsanlage setzte gemäß § 125 Abs. 2 S. 1 BBauG a. F. die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde voraus. Die Zustimmung erging in Form eines Verwaltungsaktes mit dem feststellenden Inhalt, dass die Herstellung der Anlage den erschließungsrechtlichen Anforderungen (des damaligen § 1 Abs. 3 bis 5 BBauG) entspricht. 108 Eine Anfechtung mit aufschiebender Wirkung zog nach sich, dass der Betroffene vorerst nicht mehr zur Leistung eines Erschließungsbeitrages in Anspruch genommen werden konnte. Ausgehend von der Vollziehbarkeitstheorie hat das Bundesverwaltungsgericht109 die Auffassung vertreten, es komme darauf an, ob der Anfechtungsrechtsbehelf vor oder erst nach der technischen Herstellung der betreffenden Erschließungsanlage eingelegt worden ist. Werde die Anlage erst hergestellt, während die 105 im vom BVerwG, Urt. v. 30. 01. 1968 - V I C 35.65 - DÖV 1968, 417 ff., entschiedenen Sachverhalt kam abweichend dem Rechtsbehelf des Entlassenen keine aufschiebende Wirkung zu. 106 Die aufschiebende Wirkung eines Anfechtungsrechtsbehelfs schützt mithin nicht nur vor Nebenfolgen der angefochtenen Beamtenentlassung, vielmehr ist der Betroffene einstweilen als Beamter zu behandeln Schock, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, S. 1180; ders. y in: ders. / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 80 Rn 90; Bachof, JZ 1966,473 (475); Papier, JA 1979, 561 (562 f.). Der Sache nach ebenso VGH BW, Urt. v. 2. 5. 1994 - 4 S 1333/92 - NVwZ-RR 1995,

211 (212).

107 BVerwG, Urt. v. 21. 6. 1961 - V I I I C 398.59 - BVerwGE 13,1 (8). los BVerwG, Urt. v. 10. 6. 1981 - 8 C 15.81 - BVerwGE 62, 300 (307); Urt. v. 16. 8. 1985 - C 120-122.83 - NJW 1986, 1122 (1123); Urt. v. 9. 12. 1988 - 8 C 72/87 - NVwZ-RR 1989,497 (498). 109 BVerwG, Urt. v. 9. 12. 1988 - 8 C 72/ 87 - NVwZ-RR 1989,497 (498).

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3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Zustimmung mit aufschiebender Wirkung angefochten ist, sei die Zustimmung nicht in der Lage, der nachfolgenden Herstellung „das Prädikat »erschließungsrechtlich rechtmäßig 4" zu verleihen. Werde hingegen die Anlage hergestellt, bevor die bestehende Zustimmung angefochten oder bevor die Zustimmung überhaupt erteilt worden ist, so werde die Herstellung mit Bekanntgabe der Zustimmung rechtmäßig. Der spätere Eintritt der aufschiebenden Wirkung könne der Herstellung der Erschließungsanlage die Legitimationsgrundlage nicht mehr entziehen. Die abweichende Beurteilung der beiden Fälle durch das Bundesverwaltungsgericht ist umso mehr Bedenken ausgesetzt, wie es auch nach Auffassung des Gerichts „der vom Gesetzgeber offensichtlich vorgesehenen Reihenfolge" 110 entspricht, zunächst die Zustimmung zu erteilen und sodann die von der Zustimmung gedeckte Herstellung vorzunehmen. Bei der vom Bundesverwaltungsgericht angebotenen Lösung zieht demnach die Verwaltung aus ihrem Versäumnis, keine vorgängige Zustimmung eingeholt zu haben, den Vorteil, dass eine Anfechtung der Zustimmung die Rechtmäßigkeit des Erschließungsbeitragsbescheides nicht berührt. Die vorgenommene Differenzierung ist deshalb im Ergebnis nicht tragbar. Die vom Gericht gegebene Begründung leidet darunter, die dem Recht eigentümliche Fähigkeit zur Rückwirkung (dazu s. o. A. I. vor 1.) nicht konsequent zu beachten. Zwar ist die Herstellung der Anlage mit Wirksamwerden der Zustimmung erschließungsrechtlich rechtmäßig geworden. Doch stellt das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht auf den Zeitpunkt ab, in dem die aufschiebende Wirkung eintritt. Indessen ist auf den Zeitraum abzustellen, für den die aufschiebende Wirkung eintritt. Da die aufschiebende Wirkung - unabhängig davon, in welchem Zeitpunkt sie eintritt - für den Zeitraum ab Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes eintritt, bleibt kein Restbestand des zeitlichen Regelungsgehaltes von der aufschiebenden Wirkung verschont. Mithin ist die Herstellung der Anlage zwar im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Zustimmung erschließungsrechtlich rechtmäßig. Doch erkennt auch das Bundesverwaltungsgericht einen rückwirkenden Fortfall der Legitimationsgrundlage an, wenn die gegebene Zustimmung ex tunc aufgehoben wird. 111 Dementsprechend, aber entgegen der Auffassung des Gerichts, muss die Anlage auch dann ex tunc als erschließungsrechtlich rechtswidrig beurteilt werden, wenn die Zustimmung mit aufschiebender Wirkung angefochten wird.

2. Voraussetzungen des Eintritts aufschiebender Wirkung Die aufschiebende Wirkung des Anfechtungsrechtsbehelfs beruht auf Gesetz 112 oder auf behördlicher oder gerichtlicher Anordnung. Kraft Gesetzes besitzt der ho BVerwG, Urt. v. 09. 12. 1988 - 8 C 72/87 - NVwZ-RR 1989,497 (498). in BVerwG, Urt. v. 09. 12. 1988 - 8 C 72/ 87 - NVwZ-RR 1989,497 (498). 112 Die von Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, Rn 648 f., angebotene Bezeichnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO als „selbstbewirkt" (im Gegensatz zur „gerichtsbewirkten" aufschiebenden Wirkung nach

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Rechtsbehelf nach dem Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung, sofern nicht aufgrund Gesetzes nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3, S. 2 VwGO, aufgrund behördlicher Anordnung nach §§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, 80 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 VwGO oder aufgrund gerichtlicher Anordnung nach § 80 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VwGO Ausnahmen greifen. Kraft behördlicher Anordnung hat der Rechtsbehelf gemäß §§ 80 Abs. 4, 80 a Abs. 1 Nr. 2 VwGO aufschiebende Wirkung, wenn nicht das Gericht nach §§ 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2, 80 a Abs. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung wieder herstellt. Kraft gerichtlicher Anordnung kommt dem Rechtsbehelf nach Maßgabe der §§ 80 Abs. 5 Alt. 1, 80 a Abs. 1 -Nr. 2, Abs. 3 VwGO aufschiebende Wirkung zu. Die aufschiebende Wirkung ist eine Eigenschaft, die das Gesetz oder die Entscheidung der Behörde oder des Gerichts dem Anfechtungsrechtsbehelf beilegen. Vor Erhebung von Widerspruch oder Klage kann es deshalb keine aufschiebende Wirkung geben. 113 Die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes tritt deshalb erst im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsbehelfes ein. Der Eintritt der aufschiebenden Wirkung verzögert sich auch bei der Drittanfechtung nicht auf den Zeitpunkt, in dem der Begünstigte von der Rechtsbehelfseinlegung unterrichtet wird 1 1 4 , denn § 80 Abs. 1 VwGO bietet für eine solche Verzögerung keinen Anhalt. 115 Die aufschiebende Wirkung kraft behördlicher oder gerichtlicher Anordnung tritt erst im Zeitpunkt dieser Anordnung ein. Auch die gerichtliche Anordnung aufschiebender Wirkung setzt zwar nach § 80 Abs. 5 S. 2 VwGO nicht die Erhebung der Anfechtungsklage, doch zumindest des Anfechtungswiderspruchs voraus.

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis können die Verlustgründe innerer Wirksamkeit festgehalten werden: Verlust innerer Wirksamkeit durch Verlust äußerer Wirksamkeit - Aufhebung des Verwaltungsaktes - Erledigung des Verwaltungsaktes Verlust innerer Wirksamkeit auf andere Weise - Eintritt der Nichtigkeit - Entstehen eines gesetzlichen Nichtigkeitsgrundes - Unzutreffende behördliche oder gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit - Unstatthafte gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit § 80 Abs. 5 VwGO) verdeckt den Umstand, dass nicht der Rechtsbehelfsführer durch Einlegung von Widerspruch oder Klage, sondern der Gesetzgeber aus Anlass der Einlegung von Widerspruch oder Klage die aufschiebende Wirkung anordnet. i « Schoch, in: ders./Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn 100 m. w. N. So aber Schenke, DÖV 1982,709 (724); ders., DVB1. 1986, 9 (10). Ii 5 Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, S. 1187; ders., in: ders./Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn 100.

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3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

- Anfechtung mit aufschiebender Wirkung Eintritt aufschiebender Wirkung kraft Gesetzes Eintritt aufschiebender Wirkung kraft behördlicher Entscheidung Eintritt aufschiebender Wirkung kraft gerichtlicher Entscheidung

J. Gewinn der inneren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt Der Verwaltungsakt kann in einem Zeitpunkt nach Erlass innere Wirksamkeit im Zuge des Gewinns äußerer Wirksamkeit gewinnen (I.), durch Fortfall der Nichtigkeit (II.) oder der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen (III.) sowie durch Nachholung personenbezogener Bekanntgabe (IV.).

I. Gewinn innerer Wirksamkeit durch Gewinn äußerer Wirksamkeit Die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes setzt dessen äußere Wirksamkeit notwendig, aber nicht hinreichend voraus. Während mithin jeder Verlust äußerer Wirksamkeit mit einem Verlust innerer Wirksamkeit einhergeht (s. o. H. I.), eröffnet ein Gewinn äußerer Wirksamkeit nicht mehr als die Chance eines Gewinns innerer Wirksamkeit. Die zwischenzeitlich im Wege der Aufhebung oder Erledigung verlorene äußere Wirksamkeit kann der Verwaltungsakt durch rückwirkenden Fortfall der Aufhebung oder Erledigung wieder erlangen (s. o. F. I.-II.). In diesem Fall ist der Verwaltungsakt gemäß §§ 43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ex tunc als niemals aufgehoben oder erledigt zu beurteilen. Liegen die Voraussetzungen der inneren Wirksamkeit im Übrigen vor, erlangt der Verwaltungsakt auch diese zurück. Durch eine Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG verliert der Ausgangsverwaltungsakt ex tunc äußere Wirksamkeit, während der Ersatzverwaltungsakt ex tunc äußere Wirksamkeit gewinnt (s.o. F. III. 1.). Sind die übrigen Voraussetzungen erfüllt, gewinnt der Ersatzverwaltungsakt zugleich ex tunc innere Wirksamkeit. Da die Folgen der Umdeutung nicht kraft der Umdeutungserklärung, sondern kraft Gesetzes aus Anlass der Umdeutungserklärung eintreten [s. o. F. III. 2. a)], findet keine den Rechtmäßigkeitsanforderungen des § 47 VwVfG widersprechende Umdeutung statt. Umgedeutet wird deshalb stets ein fehlerhafter Ausgangsverwaltungsakt in einen rechtmäßigen Ersatzverwaltungsakt. Mithin steht der inneren Wirksamkeit des Ersatzverwaltungsaktes im Zeitpunkt der Umdeutung zumindest keine Nichtigkeit entgegen.

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der inneren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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Insoweit der Verwaltungsakt mittels Widerspruchsbescheids oder durch Anfügung oder Streichung einer Nebenbestimmung eine Reformation erfährt, gewinnt er äußere Wirksamkeit (s. o. F. IV.) und ggf. auch innere Wirksamkeit.

IL Fortfall der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes Ein im Erlasszeitpunkt nichtiger Verwaltungsakt ist in einem späteren Zeitpunkt nicht länger als nichtig zu beurteilen, wenn der die Nichtigkeit begründende qualifizierte Rechtsfehler behoben wird (1.), wenn eine unzutreffende Feststellung der Nichtigkeit (2.) oder eine unstatthafte Feststellung der Rechtswidrigkeit entfällt (3.) oder wenn eine unzutreffende Feststellung fehlender Nichtigkeit getroffen wird (4.). 1. Behebung eines qualifizierten Rechtsfehlers Leidet der Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt an einem qualifizierten Rechtsfehler, der gemäß § 44 VwVfG oder besonderen Vorschriften die Nichtigkeit begründet, so ist der Verwaltungsakt in einem späteren Zeitpunkt gleichwohl nicht als nichtig zu beurteilen, wenn der Rechtsfehler behoben wird. Beispiel ist zunächst die Bestätigung eines nichtigen Verwaltungsaktes. Ein den gesetzlichen Erfordernissen nicht genügendes und deshalb nach § 134 BGB nichtiges Privatrechtsgeschäft kann nach § 141 Abs. 1 BGB durch Bestätigung nicht nachträglich Geltung erlangen. Vielmehr wird die Bestätigung als Vornahme eines neuen Privatrechtsgeschäfts bewertet. Entsprechendes ist im Grundsatz für den nach §§ 43 Abs. 3, 44 VwVfG infolge Nichtigkeit innerlich unwirksamen Verwaltungsakt anzunehmen. Ausnahmsweise sieht das Gesetz jedoch vor, dass ein im Erlasszeitpunkt noch nichtiger Verwaltungsakt im Wege der Bestätigung die ihm anhaftende Nichtigkeit verliert und damit innere Wirksamkeit gewinnt. So ist beispielsweise die Vorschrift des § 11 Abs. 1 S. 2 BBG (§ 8 Abs. 1 S. 2 BRRG) zu verstehen, nach der die mangels sachlicher Zuständigkeit der Behörde nichtige Beamtenernennung rückwirkender Bestätigung zugänglich ist. Weiteres Beispiel ist die Nachholung der Mitwirkung an einem nichtigen Verwaltungsakt. Sofern nicht nur die Rechtmäßigkeit, sondern auch die innere Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes die Mitwirkung des Betroffenen voraussetzt, ist der ohne diese Mitwirkung ergangene Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt nichtig (dazu s. o. G. I. 4.). Da auch der nichtige Verwaltungsakt äußere Wirksamkeit besitzt, ist eine Nachholung der erforderlichen Mitwirkung denkbar. Sofern gesetzlich vorgesehen, führt die Nachholung der Mitwirkung zur Behebung des Nichtigkeitsgrundes. Für eine solche Heilung bietet allerdings § 45 Abs. 1 VwVfG keine Grundlage. Denn diese Vorschrift ordnet nur die Unbeachtlichkeit solcher Verfahrens- oder

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3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Formfehler an, die nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führen. Im Falle der Nichtigkeit ist eine Heilung gemäß § 45 Abs. 1 VwVfG, aber nicht notwendig jede Heilung ausgeschlossen116. Denn das Fachrecht kann von der allgemeinen Regel abweichen, zumal das Verwaltungsverfahrensgesetz nach § 1 Abs. 1 a. E. VwVfG lediglich subsidiär Anwendung findet. Sofern der Mitwirkungsmangel nicht nur einen formellen, sondern überdies einen materiellen Rechtsfehler begründet 117, genügt zur Heilung ohnehin nicht die Anordnung der Unbeachtlichkeit formeller Fehler durch § 45 Abs. 1 VwVfG. Insbesondere kann das Fachrecht eine Heilung mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakte, die mangels Mitwirkung des Betroffenen im Erlasszeitpunkt (noch) nichtig sind, vorsehen. Denn das Gesetz kann gute Gründe haben, bei Fehlen der vorgeschriebenen Zustimmung dem Verwaltungsakt zunächst die innere Wirksamkeit zu verwehren, doch dabei die Möglichkeit einer Heilung durch Nachholung der versäumten Mitwirkung offen zu halten. 118 Beispielsweise ist eine Beamtenernennung, die ohne die vorgeschriebene Mitwirkung des Landespersonalausschusses vorgenommen wird, gemäß § 18 Abs. 2 S. 1 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (NBG) nichtig. Indessen kann die nachträgliche Zustimmung des Landespersonalausschusses nach § 18 Abs. 2 S. 2 NBG diesen Nichtigkeitsgrund rückwirkend beheben.119

2. Fortfall einer unzutreffenden Nichtigkeitsfeststellung Trifft die Behörde nach § 44 Abs. 5 VwVfG oder das Gericht nach § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO eine unzutreffende, aber dessen ungeachtet verbindliche Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes, so ist der Verwaltungsakt nunmehr als nichtig zu beurteilen und verliert mithin seine innere Wirksamkeit (s. o. H. II. 2.). Dieser Verlust innerer Wirksamkeit wird ex tunc rückgängig gemacht, wenn die Nichtigkeitsfeststellung von Amts wegen oder in einem Rechtsbehelfsverfahren riickSo aber Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 174, der die sog. schwebende Unwirksamkeit deshalb nicht als Unterfall der Nichtigkeit im Erlasszeitpunkt verstehen vermag, weil nach seiner Ansicht Nichtigkeit jede Heilung ausschließt. Eine Begründung für diese Ansicht, die ohne Not die Wirksamkeitsdogmatik des Verwaltungsaktes um eine Kategorie (heilbare schwebende Unwirksamkeit gegenüber angeblich nicht-heilbarer Nichtigkeit) erweitert, wird nicht gegeben. 117 Zur Unterscheidung zwischen dem Antrag als Verfahrenshandlung und dem Antrag als materiellrechtlicher Willenserklärung s. BVerwG, Urt. v. 15. 5. 1997 - 2 C 3.96 - BVerwGE 104, 375 (380); R Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 22 Rn. 19; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn 153 ff.; Ehlers, Verw 37 (2004), 255 (261). Ii« Insoweit in der Sache auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 174, der jedoch terminologisch abweicht, da er die schwebende Unwirksamkeit nicht als Unterfall der Nichtigkeit versteht. ii9 BVerwG, Urt. v. 22. 5. 1980 - 2 C 31.78 - RiA 1981, 39 (40).

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wirkend aufgehoben wird. 1 2 0 Der Verwaltungsakt ist dann mangels Nichtigkeit als von Anfang an innerlich wirksam zu beurteilen. Davon unberührt bleibt unterdessen die Frage schlichter Rechtswidrigkeit.

3. Fortfall einer unstatthaften Rechtswidrigkeitsfeststellung Die im Wege einer unstatthaften Rechtswidrigkeitsfeststellung verlorene innere Wirksamkeit (dazu s. o. H. II. 3.) erlangt der Verwaltungsakt zurück, indem die Feststellung ihrerseits ex tunc entfällt. Ein Fortfall der im Fortsetzungsfeststellungsurteil enthaltenen Rechtswidrigkeitsfeststellung kommt insbesondere im Zuge einer Wiederaufnahme nach §§ 578 ff. ZPO i.V. m. § 153 VwGO oder im Zuge der Urteilsverfassungsbeschwerde nach § 95 Abs. 2 BVerfGG in Betracht.

4. Unzutreffende Feststellung fehlender Nichtigkeit Ein im Erlasszeitpunkt nichtiger Verwaltungsakt ist in einem späteren Zeitpunkt auch dann nicht mehr als nichtig zu beurteilen, wenn eine Behörde oder ein Gericht die unzutreffende Feststellung trifft, der Verwaltungsakt sei rechtmäßig oder zumindest nicht nichtig. In diesem Fall versperrt die zwar unzutreffende, doch infolge Einkleidung in die Verwaltungsakts- oder Urteilsform grundsätzlich rechtsfehlerunabhängig verbindliche Feststellung den Blick auf die wahre Rechtslage. Kraft der Feststellung der Rechtmäßigkeit oder kraft der Feststellung fehlender Nichtigkeit ist der Verwaltungsakt nicht länger als nichtig i. S. d. § 44 VwVfG zu beurteilen. Jedoch bietet insbesondere § 44 Abs. 5 S. 1 VwVfG keine Grundlage für eine behördliche Feststellung fehlender Nichtigkeit. Anderenfalls könnte die Behörde über den Umweg der Nichtnichtigkeitsfeststellung dem Verwaltungsakt innere Wirksamkeit verschaffen, obwohl der Verwaltungsakt einen nach § 44 Abs. 1, Abs. 2 VwVfG zur Nichtigkeit führenden Rechtsfehler aufweist. Zwar kann vom positivistischen Ausgangspunkt aus , jeder beliebige Inhalt... Recht sein" 121 . Doch sind innerhalb einer positiven Rechtsordnung deren Regeln zü beachten. Damit die Behörde keinen Verwaltungsakt erzeugen kann, der trotz Überschreitung der Grenzen der § 44 Abs. 1, Abs. 2 VwVfG innerlich wirksam ist, muss der unbefugten Nichtnichtigkeitsfeststellung ihrerseits die innere Wirksamkeit abgesprochen wird. Die mangelnde Befugnis zur Feststellung fehlender Nichtigkeit kann zu diesem Zweck als evidenter schwerer Rechtsfehler verstanden werden, der nach § 44 Abs. 1 VwVfG die Nichtigkeit begründet. 120 Eine Aufhebung im Rechtsbehelfs verfahren kommt dabei nicht nur bei der verwaltungsaktsförmigen Nichtigkeitsfeststellung (z. B. nach §§ 72, 73, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO), sondern auch bei der - immerhin bereits rechtskräftigen - gerichtlichen Nichtigkeitsfeststellung (z. B. nach §§ 578 ff. ZPO i.V. m. § 153 VwGO) in Betracht. 121 Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 201.

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3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

Demgegenüber kommt dem Gericht die Befugnis zur Feststellung fehlender Nichtigkeit zu, wenn es eine Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO durch Sachurteil abweist. Zudem stellt das Sachurteil, das eine Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO aufgrund objektiver Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zurückweist, die fehlende Rechtswidrigkeit fest. Da die Nichtigkeit als maius die Rechtswidrigkeit als minus einschließt, ist in der Feststellung fehlender Rechtswidrigkeit die Feststellung fehlender Nichtigkeit notwendig enthalten. 122

I I I . Ende der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen Ihrer Sicherungsfunktion gemäß ist die aufschiebende Wirkung von Anfechtungswiderspruch oder Anfechtungsklage immer nur eine vorläufige. Da der Beginn aufschiebender Wirkung mit dem Verlust innerer Wirksamkeit des Verwaltungsaktes einhergeht, ist das Ende der aufschiebenden Wirkung mit dem Gewinn innerer Wirksamkeit verbunden. Der Fortfall aufschiebender Wirkung tritt dabei ex tunc ein. 1 2 3 Die aufschiebende Wirkung entfällt mit dem erfolgreichen (1.) oder erfolglosen (2.) Abschluss des Anfechtungsverfahrens oder noch während des Anfechtungsverfahrens mit Zeitablauf nach der gesetzlichen Begründungsfrist für ein Rechtsmittel (3.) sowie mit Anordnung sofortiger Vollziehung (4.) oder mit Aufhebung der Aussetzung (4.).

1. Stattgabe des Rechtsbehelfs in der Hauptsache Hat der Rechtsbehelf Erfolg, so hebt die Ausgangsbehörde nach § 72 VwGO, die Widerspruchsbehörde nach § 73 Abs. 1 S. 1 VwGO oder das Gericht nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO den angefochtenen Verwaltungsakt auf. Ist die Aufhebung ihrerseits innerlich wirksam, so verliert der Verwaltungsakt bereits seine äußere Wirksamkeit, so dass er einer Hemmung innerer Wirksamkeit im Wege der 122 Es ist daher eine Untertreibung, wenn das BVerwG, Beschl. v. 11.1.1993 - 6 B 21.92 Buchholz 310 § 54 Nr. 49, von einer „inzidenten" Feststellung spricht, dass der Verwaltungsakt nicht an zur Nichtigkeit führenden Mängeln leidet. 123 BVerwG, Urt. v. 30. 1. 1968 - V I C 35.65 - DÖV 1968, 417 ff.; VGH BW, Urt. v. 2. 5. 1994-4 S 1333/92-NVwZ-RR 1995,211 (212). So bereits Siegmund-Schultze, DVB1. 1963, 745 (754 f.); Rupp, Der maßgebende Zeitpunkt, S. 192; J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 80 Rn 16; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 30 b; Schenke, Verwaltungsprozessrecht Rn 952; Schoch, in: ders./ Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 80 Rn 88, widersprüchlich noch die von dems., Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, S. 1192 ff., geäußerte Auffassung, nach der die aufschiebende Wirkung ex tunc entfallen und dennoch ein Verhalten rechtmäßig bleiben soll, das während der aufschiebenden Wirkung gegen den angefochtenen Verwaltungsakt verstoßen hat.

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der inneren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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aufschiebenden Wirkung nicht länger fähig oder bedürftig ist. Ist die Aufhebung nicht innerlich wirksam, so fehlt es zwar nicht an einem Verwaltungsakt, doch an einem Anfechtungsrechtsbehelf, dem aufschiebende Wirkung beigelegt sein könnte. Denn mit der stattgebenden Entscheidung der Behörde oder des Gerichts über den Rechtsbehelf ist das alte Rechtsbehelfsverfahren beendet und ein neues Rechtsbehelfsverfahren über denselben Gegenstand nach dem Grundsatz ne bis in idem unzulässig. So endet beim drittbelastenden Verwaltungsakt die aufschiebende Wirkung mit der stattgebenden Entscheidung über den Drittrechtsbehelf. 124 Mithin lebt die aufschiebende Wirkung des Drittrechtsbehelfs gegen den Ausgangsverwaltungsakt nicht auf, wenn der vom Ausgangsverwaltungsakt Begünstigte seinerseits dessen Aufhebung mit aufschiebender Wirkung anficht. 125

2. Ablehnung des Rechtsbehelfs in der Hauptsache Bleibt der Rechtsbehelf ohne Erfolg, so endet die aufschiebende Wirkung nach dem Grundsatz des § 80 b Abs. 1 S. 1 Alt. 1 VwGO kraft Gesetzes mit Unanfechtbarkeit des zugrunde liegenden Verwaltungsaktes. Dies gilt nach § 80 b Abs. 1 S. 2 VwGO unabhängig davon, ob die aufschiebende Wirkung auf gesetzlicher, behördlicher oder gerichtlicher Anordnung beruht. Indessen dauert die aufschiebende Wirkung eines von der Widerspruchsbehörde zurückgewiesenen Widerspruchs fort, bis der Rechtsbehelfsführer Anfechtungsklage erhebt oder die Unanfechtbarkeit des Ausgangsverwaltungsaktes (etwa wegen Fristablaufs nach §§ 74, 58 VwGO) eintritt. 126 Die Gesetzesvorschrift des § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO, nach der die aufschiebende Wirkung nicht nur eine Eigenschaft des Anfechtungswiderspruchs sondern auch der Anfechtungsklage ist, zwingt nicht zu dem Schluss, dass die aufschiebende Wirkung zunächst mit Zurückweisung des Widerspruchs entfällt, um sodann mit Einlegung der Klage neu zu entstehen. Vielmehr berücksichtigt diese Gesetzesvorschrift zum einen die Ausnahmen vom Erfordernis eines vorherigen Widerspruchsverfahrens nach § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO 1 2 7 , zum anderen die Möglichkeit, dass erst während des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens die aufschiebende Wirkung eintritt. Anderenfalls entstünde ein mit dem Schutzzweck der aufschiebenden Wirkung nicht vereinbares Rechtsschutzvakuum.128 124 OVG NRW, Beschl. v. 20.2. 1987 - 13 B 194/87 - NVwZ-RR 1988, 126 (127); Schoch, in: ders./Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn 102. 125 So aber Schubert, NVwZ 1990, 638 (639). 126 Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, Rn 647; Tettinger/Wahrendorf, Verwaltungsprozeßrecht, § 23 Rn 8 a. E. 127 BVerwG, Urt. v. 27. 10. 1987 - 1 C 19.85 - BVerwGE 78, 192 (209 f.); Schoch, in: ders./Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn 101. 128 BVerwG, Urt. v. 27. 10. 1987 - 1 C 19.85 - BVerwGE 78, 192 (209 f.); Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, S. 232 f.; Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz

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3. Kap.: Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

3. Zeitablauf nach gesetzlicher Begründungsfrist Ausnahmsweise endet die aufschiebende Wirkung nach § 80 b Abs. 1 S. 1 Alt. 2 VwGO bereits 129 drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des Rechtsmittels, das gegen die erstinstanzliche abweisende Entscheidung über die Anfechtungsklage gegeben ist, wenn nicht nach § 80 b Abs. 1 S. 2 a. E. VwGO die Behörde die Vollziehung bis zur Unanfechtbarkeit aussetzt oder nach § 80 b Abs. 2 VwGO das Oberverwaltungsgericht die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung anordnet. 4. Anordnung sofortiger Vollziehung Ist die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes eingetreten, so endet sie bereits vor dem sich aus § 80 b VwGO ergebenden Zeitpunkt, falls die sofortiger Vollziehung angeordnet wird (durch die Behörde nach §§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, 80 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 VwGO oder durch das Gericht nach § 80 a Abs. 3 S. 1 VwGO).

5. Aufhebung der Aussetzung Ist die aufschiebende Wirkung kraft behördlicher Aussetzungsentscheidung eingetreten, so entfallt sie auch mit der Aufhebung der Aussetzung (durch die Behörde 130 oder durch das Gericht nach § 80 a Abs. 3 S. 2 VwGO). Ist die aufschiebende Wirkung kraft gerichtlicher Anordnungs- oder Wiederherstellungsentscheidung eingetreten, so entfällt sie außer in den Fällen des § 80 b Abs. 1 VwGO mit der Aufhebung der Anordnung oder der Aufhebung der Wiederherstellung aufschiebender Wirkung (durch das Gericht nach §§80 Abs. 7, 80 a Abs. 3 S. 2 VwGO i.V. m. § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 und Alt. 2 VwGO).

und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, S. 1189 ff.; ders., in: ders./ Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 80 Rn 101 mit Nachweisen zur hier vertretenen Auffassung (dort Fn 323) und der Gegenauffassung (dort Fn 322). 129 Die neueingefügte zweite Alternative des Endes der aufschiebenden Wirkung bei Klageabweisung bewirkt stets nur eine Vorverlegung des Endes der aufschiebenden Wirkung des noch nicht unanfechtbar abgewiesenen Rechtsbehelfes, keine Verlängerung über die Unanfechtbarkeit hinaus. So kennzeichnet Schock, in: ders./Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 b Rn 14, das Ende der aufschiebenden Wirkung mit Unanfechtbarkeit als eine Selbstverständlichkeit. 130 Eine ausdrückliche Bestimmung, nach der die Behörde ihre nach § 80 Abs. 4 VwGO getroffene Aussetzungsentscheidung revidieren kann, findet sich nicht. Doch kommt der Behörde diese Befugnis zu, zumal sogar das Gericht gemäß Absatz 7 seine nach Absatz 5 getroffenen Entscheidungen (auch von Amts wegen) ändern oder aufheben kann.

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der inneren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt

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IV. Nachholung personenbezogener Bekanntgabe Der Verwaltungsakt erlangt mit der Bekanntgabe an einen Betroffenen auch gegenüber jedem anderen Betroffenen äußere Wirksamkeit (s. o. D. I. 3.), nicht aber innere Wirksamkeit (s. o. G. I. 3.). Erst mit der Bekanntgabe an den anderen Betroffenen wird der Verwaltungsakt diesem gegenüber nach § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG innerlich wirksam. Dies gilt nur dann, wenn dem anderen Betroffenen kein anderer Inhalt als dem ersten Betroffenen bekannt geben wird. Gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 VwVfG wird der Verwaltungsakt mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird. Weichen die bekanntgegebenen Inhalte von einander ab, entstehen mithin zwei verschiedene Verwaltungsakte. Beide dieser Verwaltungsakte besitzen gegenüber Jedermann äußere Wirksamkeit, doch nur gegenüber dem jeweiligen Bekanntgabeadressaten innere Wirksamkeit.

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lassen sich die einzelnen Ereignisse angeben, die zu einem Gewinn innerer Wirksamkeit führen oder führen können. Gewinn innerer Wirksamkeit durch Gewinn äußerer Wirksamkeit - Wiederherstellung des aufgehobenen Verwaltungsaktes - Wiederherstellung des erledigten Verwaltungsaktes - Umdeutung des Verwaltungsaktes - Reformation des Verwaltungsaktes Gewinn innerer Wirksamkeit auf andere Weise - Fortfall der Nichtigkeit Fortfall eines gesetzlichen Nichtigkeitsgrundes Fortfall einer unzutreffenden Nichtigkeitsfeststellung Fortfall einer unstatthaften Rechtswidrigkeitsfeststellung - Ende der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen Stattgabe des Rechtsbehelfes Ablehnung des Rechtsbehelfes Zeitablauf nach gesetzlicher Begründungsfrist Anordnung sofortiger Vollziehung Aufhebung der Aussetzung - Nachholung personenbezogener Bekanntgabe

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Viertes Kapitel

Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes Im Vierten Kapitel werden die Voraussetzungen erörtert, unter denen ein Verwaltungsakt mit einem bestimmten zeitlichen Regelungsgehalt Rechtmäßigkeit besitzt. Der Beurteilung bedarf zunächst die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes im Erlasszeitpunkt (K.), sodann kommt ein Verlust (L.) oder Gewinn (M.) der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt in Betracht.

K . Rechtmäßigkeit im Erlasszeitpunkt Der Beantwortung bedürfen die qualitative Frage, ob der Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt rechtmäßig ist (I.), und die quantitative Frage, in welchem Umfang, d. h. mit welchem zeitlichen Regelungsgehalt dies der Fall ist (II.).

I. Rechtmäßiger Verwaltungsakt Das Gesetz knüpft an die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes vielfaltige Folgen prozessualer und materieller Art (s. o. B. IV. 1.). Die zulässige Anfechtungsklage gegen einen rechtmäßigen Verwaltungsakt ist nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO unbegründet, ein rechtmäßiger Verwaltungsakt leidet nicht an einem Mangel, der nach § 44 Abs. 1, Abs. 2 VwVfG oder besonderen Vorschriften zur Nichtigkeit führt und nach § 43 Abs. 3 VwVfG die innere Wirksamkeit ausschließt und ein rechtmäßiger Verwaltungsakt unterliegt nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG oder besonderen Vorschriften nicht der Rücknahme, sondern allenfalls dem Widerruf. Die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes ist die Rechtsfolge der Beurteilungsnorm (s. o. B. IV. 3.). Allgemein setzt die Rechtmäßigkeit die Übereinstimmung des zu beurteilenden Prüfungsgegenstandes (1.) mit dem anzulegenden Prüfungsmaßstab (2.) voraus.1

1 Zwischen Prüfungsgegenstand und Prüfungsmaßstab wird etwa auch bei der abstrakten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG unterschieden, dazu Ehlers, in: Schoch/SchmidtAßmann/Pietzner, VwGO, Anh. § 40 Art. 100 Abs. 1 GG, Rn 15 ff., Rn 45.

K. Rechtmäßigkeit im Erlasszeitpunkt

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1. Gegenstand der Rechtmäßigkeitsprüfung Da unter einem Verwaltungsakt zum einen der tatsächliche Vorgang des Erlasses, zum anderen das rechtliche Ergebnis dieses Erlasses verstanden wird (s. o. B. II. 2.), könnte die Beurteilung eines Verwaltungsaktes als rechtmäßig entweder auf das verwaltungsaktsförmige Handeln der Behörde oder auf die durch das Behördenhandeln hervorgebrachte, äußerlich wirksame intendierte Regelung Bezug nehmen.2 Das Recht steuert durch Verbote und Gebote (allein) menschliches Verhalten.3 In einem ursprünglichen Sinne kann deshalb nur das Handeln oder Unterlassen eines Menschen rechtswidrig sein.4 Allerdings gibt es Rechtsnormen, die nicht auf die Rechtswidrigkeit einer Verhaltensweise, sondern auf die Rechtswidrigkeit eines Zustandes abstellen.5 So greift der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch unabhängig von der Rechtswidrigkeit des den Zustand herbeiführenden Staatshandelns ein, wenn der geschaffene Zustand rechtswidrig ist und rechtswidrig bleibt.6 Auch setzt der zivilrechtliche Anspruch des Eigentümers auf Beseitigung einer Beeinträchtigung nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB einen gegenwärtigen eigentumswidrigen Zustand voraus.7 Nicht jede Rechtswidrigkeit beruht mithin auf der Verletzung einer Pflicht. 8 Vielmehr setzt umgekehrt die Pflicht aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB die Rechtswidrigkeit eines Zustandes voraus. 9 Deshalb ist die vormals auch vom Bundesverwaltungsgericht 10 geäußerte Ansicht, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes beruhe auf einer unrichtigen Anwendung bestehender Rechtssätze, in Frage zu ziehen. Der rechtswidrige Verwaltungsakt ist Tatbestandsmerkmal insbesondere der prozessualen Norm des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO sowie der materiellrechtlichen Norm des § 48 Abs. 1 S. 1 2 Verkürzend deshalb Schweiger, DVB1. 1964, 205 (210), der die behördliche Handlung als „Natur des Verwaltungsakts" bezeichnet. 3

Um das Verhalten eines Menschen, das der Steuerung durch das Recht unterliegt, handelt es sich unabhängig davon, ob das Verhalten einer natürlichen Person oder einer juristische Person zugerechnet wird. Die natürliche Person ist nicht weniger als die juristische Person ein rechtswissenschaftliches Konstrukt, s. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 176 ff., 180 ff., 193 f. 4 So wenn man die Rechtsordnung als System von Pflichten zu menschlichem Verhalten versteht (Imperativentheorie), s. nur Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 120 ff. 5 Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten in einer einheitlichen Rechtsordnung, S. 5. 6 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 313, 317. In die selbe Richtung bereits Bender, Staatshaftungsrecht, Rn. 248. Demgegenüber sollte nach Schäfer/Bonk, StHG, § 3 Rn 17 die im (nichtigen) Staatshaftungsgesetz vorgesehene Kodifikation des Folgenbeseitigungsanspruches nicht auf ein Erfolgs-, sondern auf ein Handlungsunrecht abstellen. 7 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 1004 Rn 17 a. E. 8

So aber insbesondere Rupp, Der maßgebende Zeitpunkt, S. 182. Baumeister, Rechtswidrigwerden von Normen, S. 94 ff., weist zutreffend daraufhin, dass die Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung eines Staatsaktes nicht „Ursache" (gemeint: Tatbestandsvoraussetzung) sondern „Wirkung" (Gemeint: Rechtsfolge) seiner Rechtswidrigkeit ist. 10 BVerwG, Urt. v. 30. 8. 1961 - IV C 86.58 - BVerwGE 13, 28 (31); Urt. v. 30.1. 1969 i n C 153.67 - BVerwGE 31, 222 (223). 9

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. Kap.:

e i k e i t des Verwaltungsaktes

V w V f G . Die eine Norm bestimmt die Voraussetzungen einer gerichtlichen Aufhebung des Verwaltungsaktes durch Anfechtungsurteil, die andere Norm die Voraussetzungen einer behördlichen Aufhebung durch Rücknahme. Als Faktum lässt sich der tatsächliche Vorgang des Erlasses i m Wege der rechtsaktförmigen Aufhebung nicht beseitigen. 11 Die Aufhebung des Verwaltungsaktes kann deshalb nur die Beseitigung der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes meinen. 1 2 Auch die Nichtigkeit als qualifizierte Form der Rechtswidrigkeit, die gemäß § § 4 3 Abs. 3, 44 V w V f G die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes ausschließt, kann sich nur auf die intendierte Regelung des Verwaltungsaktes beziehen. Ebenso betrifft die Fehlerhaftigkeit des nach § 47 Abs. 1 V w V f G der Umdeutung unterliegenden Verwaltungsaktes die intendierte Regelung, zumal die Umdeutung nicht mit einem Neuerlass, sondern lediglich mit einem Austausch der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes verbunden ist (s. o. F. III. 1.). Somit bildet nicht der Erlassvorgang 13 , sondern die intendierte Regelung des äußerlich wirksamen Verwaltungsaktes den Gegenstand der Rechtmäßigkeitsprüfung. 14 Deshalb setzt etwa die Sittenwidrigkeit eines Verwaltungsaktes nach § 44 Abs. 2 Nr. 6 V w V f G kein verwerfliches Handeln des Behörden Vertreters voraus. 1 5 11 So schon Lerche, DVB1. 1955, 776 (777). - Überdies ist eine rückwirkende Beseitigung auch durch Realakt nicht möglich, da es im Tatsächlichen keine Rückwirkung gibt, dazu s. o. A. I. vor 1. «2 Lerche, DVB1. 1955, 776 (777); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn 7. 13 So aber Schweiger, DVB1. 1964, 206 (210) der die behördliche Handlung als „Natur des Verwaltungsaktes" bezeichnet, wohl auch Kleinlein, VerwArch 81 (1990), 149 (157 ff., 166 ff.), der den behördlichen „Subsumtionsschluss" kurzerhand mit dem Verwaltungsakt gleichsetzt, diese Aussage aber bezeichnenderweise dadurch entwertet, dass er auch einen „Subsumtionsschluss" über eine zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung noch nicht bestehende Sach- und Rechtslage für möglich hält. Nur vermeintlich auf den Erlassvorgang stellen Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 526, ab, die den Konsequenzen ihrer eigenen Auffassung ausweichen, indem sie im Rahmen des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO auf die „Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung" des angefochtenen Verwaltungsaktes abstellen.

In der Sache ebenso BVerwG, Urt. v. 15. 11. 1967 - I C 43.67 - BVerwGE 28, 202 (206); BGH, Urt. v. 18. 12. 1986 - III ZR 242/85 - BGHZ 99, 249 (253 f.); grundlegend Lerche, DVB1. 1955, 776 (777); Bull, Verwaltung durch Maschinen, S. 83 f.; Bahr, Die maßgebliche Rechts- und Sachlage, S. 49; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 405 f.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn 61, § 44 Rn 13 f., § 48 Rn 61; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 783, ders., NVwZ 1986, 522 (524); ders., DVB1. 1989, 433 (435); Ossenbühl, JZ 1970, 348 (349). Der Sache nach wohl auch Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 71, Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 57, nach denen neben dem Befehlsvorgang (Erlassvorgang) „auch" der Befehlsinhalt (Regelungsinhalt) des Verwaltungsakts „Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteils" sein muss. Unklar Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 96, der einerseits den „Befehlsvorgang als Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteils" bezeichnet, jedoch andererseits hervorhebt, dass der Befehlvorgang die im Verwaltungsakt getroffene Regelung „widerspiegele" und zudem an späterer Stelle (S. 111) neben dem Befehlsvorgang auch den Befehlsinhalt als Prüfungsgegenstand nennt. 15 Dazu BVerwG, Beschl. v. 11.2. 1987-1 B 1 2 9 / 8 6 - N V w Z 1987,411.

K. Rechtmäßigkeit im Erlasszeitpunkt

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Unter Beachtung der terminologischen Differenzen steht diese Aussage auch nicht im Widerspruch zur Lehre Kelsens 16, nach der es ,»rechtswidriges Recht" nicht geben kann. Denn unter „Existenz" des Verwaltungsaktes als einer „individuellen Rechtsnorm" versteht Kelsen deren „Geltung", unter Nichtexistenz des Verwaltungsaktes die fehlende innere Wirksamkeit, insbesondere infolge Nichtigkeit. 1 7 „Rechtswidriges Recht" existiert demgemäß nur in dem Sinne nicht, dass die Rechtsordnung nicht die Erzeugung von Recht vornehmen und zugleich eben diese Rechtserzeugung ausschließen kann. Hingegen erkennt Kelsen 18 die Möglichkeit an, dass die Rechtsordnung ein Faktum zugleich als rechtserzeugend und doch als rechtswidrig beurteilt, was zur „Vernichtbarkeit" des erzeugten Rechts führt. Nicht zum Prüfungsgegenstand gehören dabei die akzidentiellen Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes 19, selbst wenn sie an die intendierten Rechtsfolgen anknüpfen, nicht kraft Verwaltungsaktes, sondern kraft Gesetzes oder anderen Rechtsaktes eintreten [dazu s. o. B. III. 1. b)].

2. Maßstab der Rechtmäßigkeitsprüfung Prüfungsmaßstab sind alle von der Rechtsordnung an die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes gestellten Anforderungen. 20 Die einzelnen Rechtmäßigkeitsanforderungen sind dem unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrecht 21 sowie den Verfassungen, Gesetzen, Verordnungen, Satzungen und dem Gewohnheitsrecht des Bundes und der Länder zu entnehmen. Nicht jede der Rechtmäßigkeitsanforderungen erhebenden Normen gewährt subjektive Rechte, doch bildet jede dieser Normen einen Bestandteil der objektiven Rechtsordnung. Denn objektives Recht ist zwar ohne subjektive Rechte, nicht aber 16 Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 271 ff. 17 Ganz ähnlich für Gemeinschaftsrechtsakte EuGH, Urt. v. 15. 6. 1994 - Rs. C-137/92 Slg. 1994,1-2555 Rn 49 f. - BASF u. a. 18 Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 280 ff. 19 So aber wohl Rupp, DVB1. 1959, 210 (211 f.); zust. Bahr, Die maßgebliche Rechts- und Sachlage, S. 50 f., nach denen die Rechtmäßigkeitsprüfung den „Impulsgehalt der Verlautbarung" zum Gegenstand hat. Damit sind ,jene in die „Außenwelt gerichteten Energien gemeint, die gleichgültig auf welche Weise nur immer, entsprechend ihrer Bestimmung außerhalb ihres Entstehungspunktes gewisse Folgen auslösen sollen". 20

Vgl. Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten in einer einheitlichen Rechtsordnung, S. 5, nach dem Rechtswidrigkeit allgemein den Widerspruch zu Normen des Rechts bedeutet. 21 Insoweit auch Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rn 20. - Hingegen ist das übrige Volkerrecht als solches nach dualistischem Verständnis (dazu Streinz, in: Sachs, GG, Art. 25 Rn 10 ff.) niemals innerstaatlich anwendbar. Anwendbar ist vielmehr nur das durch Transformation (z. B. nach Art. 25 GG) erzeugte inhaltsgleiche innerstaatliche Recht.

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. Kap.:

e i k e i t des Verwaltungsaktes

subjektives Recht anders als aufgrund objektiven Rechts denkbar. 2 2 Jede Verletzung eines subjektiven Rechts durch den Verwaltungsakt setzt notwendig, aber nicht hinreichend die Verletzung objektiven Rechts voraus. 2 3 Dieses Verständnis liegt insbesondere der Vorschrift des § 113 Abs. 1 S. 1 V w G O zugrunde, nach der eine Anfechtungsklage begründet ist, soweit der Verwaltungsakt (objektiv) rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen (subjektiven) Rechten verletzt ist. Die Verletzung subjektiver Rechte ist lediglich als Unterfall der Verletzung objektiven Rechts zu verstehen, nämlich als Missachtung solcher objektiver Normen, die subjektive Rechte gewähren. 2 4 Entgegen einer vereinzelt gebliebenen Auffassung 2 5 erübrigt sich deshalb die Prüfung subjektiver Rechte als eines eigenständigen, neben das objektive Recht tretenden Prüfungsmaßstabes. Die an den Verwaltungsakt gestellten Rechtmäßigkeitsanforderungen sind teils formeller [a)], teils materieller [b)] Art.

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Zur lediglich teilweisen Subjektivierung des objektiven Rechts, Scherzberg, DVB1. 1988, 129 (130). Rein-objektive Normen begründen Pflichten, ohne zugleich korrespondierende Rechte zu schaffen. Die etwaig entstehenden Begünstigungen sind bloße Rechtsreflexe, dazu Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 121. 2 3 s. nur Ehlers, VerwArch 84 (1993), 139 (174 f.); ders., JURA 2004,176 (177). 24 Der subjektive Rechtsschutz schließt deshalb die objektive Rechtskontrolle anhand der subjektive Rechte gewährenden Normen ein, Krebs, FS Menger, S. 191 (204, 210). Insbesondere die Grundrechtsnormen gehören in vollem Umfang dem objektiven Recht an. Für die einzelnen Grundrechtsgehalte (negative Eingriffsabwehr, positive Leistung und Teilhabe oder Schutz vor Übergriffen Dritter) ist ausgehend davon zu klären, inwieweit den objektiven Verhaltensanforderungen subjektive Verbürgungen entsprechen. Daher ist es missverständlich, von der Schutzfunktion als der „objektiven Seite der Grundrechte" zu sprechen, dazu zutreffend Ehlers, FS Lukes, S. 337 (338 f.). 25 Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 73 ff., wendet sich gegen ein Verständnis der Rechtswidrigkeit ausschließlich als Pflichtwidrigkeit und konstruiert stattdessen einen sog. „zweigliedrigen Rechtswidrigkeitsbegriff 4. Danach muss „auch" ein Verstoß gegen subjektive Rechte zur Rechtswidrigkeit führen. Da ein Verstoß gegen subjektive Rechte stets mit einem Verstoß gegen objektives Recht einhergeht, ist Magers Konstruktion der „Zweigliedrigkeit" der Rechtswidrigkeit an sich zwar überflüssig, aber doch zumindest unschädlich. Die Pointe jedoch, dass Mager das gesamte objektive Recht zum Maßstab der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes nur im Erlasszeitpunkt nimmt, im weiteren Zeitlauf jedoch die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes allein „an den subjektiven Rechten" (d. h. an dem subjektive Rechte gewährenden Teil des objektiven Rechts) misst. Aus ihrer Prämisse leitet Mager, S. 104, 187, ab, dass nur ein belastender (also in subjektive Rechte eingreifender), nicht aber ein begünstigender, Verwaltungsakt rechtswidrig werden kann. Das Ableitungsergebnis steht und fällt mit der - unbewiesenen - Prämisse selbst. Mager versäumt zu zeigen, warum allein der subjektive Rechte gewährende Teil des objektiven Rechts über den Erlasszeitpunkt hinaus Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes erhebt. Gegen Mager zutreffend auch Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 120 ff. Zur Frage, inwieweit ein rechtmäßiger Verwaltungsakt „rechtswidrig werden" oder ein rechtswidriger Verwaltungsakt „rechtmäßig werden" kann s. u. L., M.

K. Rechtmäßigkeit im Erlasszeitpunkt

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a) Formelle Anforderungen

Zwar ergreift die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit stets die intendierte Regelung des Verwaltungsaktes oder einen Teil derselben. Denn Gegenstand der Rechtmäßigkeitsprüfung ist nicht das den Verwaltungsakt hervorbringende behördliche Verhalten als Vorgang des Erlasses, sondern allein die intendierte Regelung des Verwaltungsaktes als Ergebnis des Erlasses (s. o. 1.). Doch beruht die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes nicht notwendig auf einem schlechthin, ohne Rücksicht auf den Erlassvorgang, unzulässigen Erlassergebnis. Vielmehr begründet ein unzulässiger Erlassvorgang die Rechtswidrigkeit des Erlassergebnisses, obwohl dieses in einem anderen Erlassvorgang rechtmäßig hätte hervorgebracht werden können. Insbesondere führt ein Verstoß gegen formelle Anforderungen nicht zu einem Ergebnisfehler, sondern einem Vorgangsfehler, da er nicht unmittelbar auf den Inhalt der Entscheidung bezogen ist, sondern „auf ihr Zustandekommen, ihre Gewinnung oder Begründung" 26. Im Einzelnen betreffen die formellen Anforderungen die Zulässigkeit der Handlungsform Verwaltungsakt 27 sowie die Zuständigkeit, das Verfahren und die Form einschließlich der formellen Begründung. 28 Ein formeller Fehler begründet ebenso wie ein materieller Fehler die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. Die Rechtswidrigkeit des allein formell fehlerhaften Verwaltungsaktes wird durch § 59 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwVfG belegt. 29 Allerdings kann der Betroffene unter den Voraussetzungen des § 46 VwVfG keine Aufhebung des Verwaltungsaktes verlangen. Der Ausschluss des Aufhebungsanspruchs kann nur dadurch bewerkstelligt werden, dass zwar nicht die (objektive) Rechtswidrigkeit 30, aber die Verletzung des Betroffenen in seinen (subjektiven) Rechten verneint wird 3 1 26

So die Abgrenzung bei Alexy, JZ 1986, 701 (707), zwischen Ergebnisfehlern- und Vorgangsfehlern, der allerdings formelle Fehler („Verfahrensfehler") entgegen der hier verwendeten Terminologie nicht in den Begriff des Vorgangsfehlers einschließt. Der Unterscheidung zwischen Vorgangsfehlem und Ergebnisfehlem folgend etwa Birk/ Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 5 Rn 153 (Lfg. 2000). 27 Zur Streitfrage, inwieweit nach dem Vorbehalt des Gesetzes eine gesetzliche Ermächtigung der Verwaltung erforderlich ist, Maßnahmen in dieser Handlungsform zu treffen (sog. Verwaltungsaktsbefugnis) s. Druschel, Die Verwaltungsaktsbefugnis; Fischer, Der Verwaltungsakt als staatsrechtlich determinierte Handlungsform; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn 4; Ehlers, Verw 31 (1998), 53 (58 f.). Um eine formelle Anforderung handelt es sich bei der Verwaltungsakts-Befugnis deshalb, weil nicht auf den Inhalt der Maßnahme abgestellt wird. 28 Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15Rn5-12. 29 So bereits Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 398; Th. Horn, Drittanfechtung, S. 19; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 25 Rn 10. 30 So aber Kleinlein, VerwArch 81 (1990), 149 (161), der den Verwaltungsakt als trotz rechtswidrigen Zustandekommens rechtmäßig bezeichnet. 31 BVerwG, Urt. v. 17.2.1981 - I C 55.79 - BayVBl. 1981, 342 (344); Urt. v. 3.5.1982 6 C 60.79 - BVerwGE 65, 287 (289 f.). Eingehend Krebs, DVB1. 1984, 109 (111); Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 406; Ehlers, JURA 2004, 176 (177 f.). Nicht gefolgt werden kann Auffassung, die nicht die Verletzung in subjektiven Rechten, sondern lediglich den Aufhebungsanspruch verneint. So aber Schenke, DÖV 1986, 305 (311),

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. Kap.:

e i k e i t des Verwaltungsaktes

[s. o. F. III. 2. c) aa) (3)]. Die Rücknahme ist dadurch nicht pauschal ausgeschlossen 32 , allenfalls ist die Wertung des § 46 VwVfG bei der Ausübung des Rücknahmeermessens zu beachten.33 b) Materielle

Anforderungen

Die intendierte Regelung des Verwaltungsaktes als das Ergebnis des Erlasses leidet nicht bereits dann an einem Fehler, wenn das Schriftstück, die wörtliche Rede oder die sonstige physische Emanation des Verwaltungsaktes eine offenbare Unrichtigkeit aufweist. Etwa sind offenbare Schreibfehler und Rechenfehler bereits bei der Auslegung des Verwaltungsaktes zu berücksichtigen, so dass im Ergebnis der objektive Erklärungsinhalt nicht vom subjektiven Behördenwillen abweicht - falsa demonstratio non nocet 34 . Anders als die Umdeutung gemäß § 47 VwVfG (s. o. F. m . 1.) ist deshalb die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten gemäß § 42 VwVfG nicht mit einem Eingriff in die intendierte Regelung verbunden. Der zu berichtigende Verwaltungsakt ist ohnehin nicht rechtswidrig. Der Verwaltungsakt leidet einerseits dann an einem materiellen Mangel, wenn eine einschlägige Ermächtigung fehlt [aa)] oder die einschlägige Ermächtigung verfehlt wird [bb>], andererseits dann, wenn das eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt [cc)] oder der gewährte Beurteilungsspielraum fehlerhaft konkretisiert wird [dd)]. aa) Fehlen einer einschlägigen Ermächtigung Es begründet einen materiellen Fehler, wenn keine Ermächtigung das Erlassergebnis trägt, d. h. die bestehenden Ermächtigungen bereits ihrer gesetzlichen Rechtsfolge nach in keinem Fall den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes zulassen.35 der dem Betroffenen Primärrechtsschutz (zumindest im Wege der Anfechtungsklage) versagt, doch Sekundärrechtsschutz (etwa im Wege der Amtshaftungsklage) gewährt. Unerfindlich ist zudem, warum auch bei offensichtlichem Fehlen eines Aufhebungsanspruch die Klagebefugnis gegeben sein soll, so aber Schenke, FS Maurer, S. 723 (752 f.). Ferner kann auch die Fortsetzungsfeststellungsklage keinen Erfolg haben, so aber Schenke, DÖV 1986, 305 (317); ders., FS Menger, S. 461 (479); ders., FS Maurer, S. 723 (755); Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn 631 (Fn 254). Zum einen ist die Fortsetzungsfeststellungsklage mangels Erledigung des Verwaltungsaktes nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO unstatthaft. Zum anderen zöge die vom Betroffenen erwirkte gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO den Verlust innerer Wirksamkeit nach sich (s. o. H. II. 3.), was der ratio des § 46 VwVfG widerspräche. 32 So aber Ule /Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 61 Rn 19. 33 Ist der § 46 VwVfG unterfallende Ausgangsverwaltungsakt in gebundener Verwaltung ergangen, so ist allerdings die Rücknahme stets als ermessensfehlerhaft anzusehen, Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn 632. 34 Zur Geltung dieses Satzes im öffentlichen Recht bereits Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, S. 175.

K. Rechtmäßigkeit im Erlasszeitpunkt

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bb) Verfehlen der einschlägigen Ermächtigung Ein Verwaltungsakt bestimmten Inhalts ist auch dann materiell fehlerhaft, wenn zwar eine Ermächtigung besteht, die ihrer Rechtsfolge nach in bestimmten Fällen den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes zulässt, doch im gegebenen Fall der gesetzliche Tatbestand der Ermächtigung verfehlt wird. cc) Ermessensfehler Legt die Ermächtigung die Behörde generell-abstrakt auf den Erlass oder den Nichterlass eines bestimmten Verwaltungsaktes fest, so knüpfen alle materiellen Anforderungen unmittelbar an die intendierte Regelung als das Ergebnis des Erlasses an 3 6 [dazu s. o. aa)-bb)]. Falls jedoch die Ermächtigung der Behörde generellabstrakt die Wahl lässt, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen oder nicht zu erlassen, sind materielle Anforderungen über das Erlassergebnis hinaus an den Erlassvorgang gestellt.37 Als materielle Fehler von Ermessensverwaltungsakten begegnen zunächst diejenigen Fehler, die ihrer Art nach auch gebundenen Entscheidungen anhaften können, weil sie auf einer Verletzung der Anforderungen an das Erlassergebnis beruhen. Insoweit sollte nicht von Ermessensfehlern gesprochen werden. 38 Vielmehr sind unter Ermessensfehlern diejenigen materiellen Fehler 39 zu verstehen, die ungeachtet eines als solchen nicht zu beanstandenden Erlassergebnisses auftreten, weil die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen im Einzelfall nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat. Diese ermessensspezifischen Fehler beruhen stets auf einer Verletzung der Anforderungen an das den Verwaltungsakt hervorbringende behördliche Verhalten (ErlassVorgang).40 Die aus dem Planungsrecht41 stammende Unter35 Im Prüfungsaufbau ist die einschlägige Ermächtigung, da sie nicht nur die übrigen materiellen Anforderungen, sondern auch die formellen Anforderungen an den Verwaltungsakt bestimmt, zweckmäßigerweise an die Spitze zu stellen, Ehlers, JURA 2004, 176 (177). 36 Auch der Erfolg oder Misserfolg der gegen einen gebundenen Verwaltungsakt erhobenen Anfechtungsklage hängt deshalb allein vom Erlassergebnis ab, Schoch, DÖV 1984, 401 (403). 37 Da auch materielle Anforderungen an den Erlassvorgang gestellt sind, fragen mithin nicht alle materiellen Anforderungen „danach, ob die Regelung selbst dem Recht entspricht", so aber Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 55. 38 So aber Alexy, JZ 1986, 701 (705, 713 ff.), der zwischen „ermessensspezifischen" Ermessensfehlem und „ermessensunspezifischen" Ermessensfehlern unterscheidet. 39 Ermessensfehler sind keine formellen Fehler. Insoweit zumindest missverständlich Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 402, der Ermessens- und Beurteilungsfehler als absolute Verfahrensfehler bezeichnet. 40

Insoweit auch Alexy, JZ 1986, 701 (714), abweichend Sieger, Die maßgebende Sachund Rechtslage, S. 77 f. 41 Für (satzungsförmige oder innenrechtsaktförmige) Bauleitpläne bestimmt § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB: „Mängel im Abwägungsvorgang sind nur erheblich, wenn sie offensichtlich und

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e i k e i t des Verwaltungsaktes

Scheidung zwischen materiellen Anforderungen an das Abwägungsergebnis (Plan als Produkt) und materiellen Anforderungen an den Abwägungsvorgang (Planen als Produktionsprozess) kann mithin auf die allgemeine Ermessenslehre übertragen werden. 42 Ermessensfehler sind als materielle Vorgangsfehler auf Rechtsfolgenseite der Ermächtigung zu charakterisieren. Eine verallgemeinerungsfähige Legaldefinition des (pflichtgemäßen 43) Ermessens findet sich in § 73 Abs. 1 LVwG SH. Danach entscheidet die Behörde über die zu treffenden Maßnahmen „im Rahmen der ihr erteilten Ermächtigung nach sachlichen Gesichtspunkten unter Abwägung der öffentlichen Belange und der Interessen der einzelnen Personen". Ermessen kommt der Behörde zu, „soweit Rechtsvorschriften nicht bestimmen, dass oder in welcher Weise sie tätig zu werden hat." Das Ermessen betrifft dementsprechend entweder die Entschließung über das Tätigwerden (Entschließungsermessen) oder allein 44 die Auswahl zwischen verschiedenen Handlungsweisen (Auswahlermessen). In beiden Fällen verbleibt der Behörde (zumindest generell-abstrakt) die Wahl, ob sie den Verwaltungsakt in der in Rede stehenden Gestalt erlässt. Dessen ungeachtet ist im Falle bloßen Auswahlermessens die Behörde generell-abstrakt darauf festgelegt, überhaupt tätig zu werden, sei es durch Erlass des in Rede stehenden oder eines anderen Verwaltungsaktes oder durch Vornahme eines sonstigen Rechtsaktes oder auch eines Realaktes. Die Abgrenzung der einzelnen Ermessensfehler ist nach wie vor umstritten, wenn auch mehr in der Terminologie als in der Sache.45 Der klassischen Dreiteilung folgend, werden hier Ermessensunterschreitung, Ermessensüberschreitung auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind". Für (verwaltungsaktsförmige) Planfeststellungen s. § 75 Abs. 1 a) VwVfG und fachrechtliche Sondervorschriften. Für Raumordnungspläne s. § 10 Abs. 2 Nr. 2 ROG. 42 Insoweit auch Alexy, JZ 1986, 701 (707). 43 Mit der Bezeichnung des in § 73 Abs. 1 LVwG SH definierten Ermessens als „pflichtgemäß" ist keine begriffliche Einschränkung verbunden. Denn in einem Rechtsstaat gibt es nur rechtlich gebundenes Ermessen, „Freiheit" genießt nur der Einzelne, s. im Besonderen Schock, JURA 2004, 462 (464 mit Fn 39), im Allgemeinen, Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 87 f. 44 Vorzugswürdig erscheint, unter Auswahlermessen die Befugnis zur Wahl zwischen verschiedenen Verhaltensalternativen zu verstehen, unter Entschließungsermessen den Unterfall, dass schlichtes Unterlassen eine wählbare Verhaltensalternative bildet. So verstanden räumt § 45 AuslG der Behörde Auswahlermessen (und sogar Entschließungsermessen ein), den betroffenen Ausländer auszuweisen oder nicht auszuweisen. Anders etwa die Begriffsbildung bei Schock, JURA 2004, 462 (463), nach dem der Ausländerbehörde nach § 45 AuslG Entschließungsermessen, aber kein Auswahlermessen zukommt. Dadurch wird der einheitliche behördliche Abwägungsvorgang sprachlich zergliedert, so als ob die Behörde zunächst kraft Entschließungsermessens eine Ermessensentscheidung zum Tätigwerden treffe und daraufhin mangels Auswahlermessens zur Ausweisung des Ausländers gezwungen sei. 45 s. etwa die Klassifikationen bei Birk/Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitäler, AO, § 5 Rn 150 ff. (Nov. 2000); Alexy, JZ 1998, 701 ff.; Ehlers, JURA 2004, 176 (178 f.); Schock, JURA 2004,462 ff.

K. Rechtmäßigkeit im Erlasszeitpunkt

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und Ermessensfehlgebrauch unterschieden. Nach § 40 VwVfG hat die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen auszuüben. Übt die Behörde das Ermessen nicht oder nicht vollständig aus, so leidet der Verwaltungsakt an einer Ermessensunterschreitung (Ermessensmangel, Ermessensnichtgebrauch, äußerstenfalls Ermessensausfall). Zudem muss die Behörde nach § 40 VwVfG die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhalten, darf mithin keinen weiteren als den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum in Anspruch nehmen. Ein unter Verstoß gegen diese Anforderung erlassener Verwaltungsakt leidet an einer Ermessensüberschreitung. 46 Schließlich verpflichtet § 40 VwVfG die Behörde darauf, das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben. Anderenfalls liegt ein Ermessensfehlgebrauch (Ermessensmissbrauch, Ermessenswillkür) vor. In bestimmten Fällen leidet der Verwaltungsakt sowohl an einem materiellen Vorgangsfehler, als auch einem materiellen Ergebnisfehler. Da materielle Ergebnisfehler auch bei gebundenen Entscheidungen auftreten, handelt es sich selbst dann nicht um Ermessensfehler, wenn sie einem Ermessensverwaltungsakt anhaften. Der Ausübung von Ermessen spezifisch sind allein die materiellen Vorgangsfehler. Verhängt beispielsweise die Behörde zur Ahndung einer Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld in Höhe von 2.000 €, obwohl ihr lediglich Ermessen zur Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von bis zu 1.000 € zusteht, so begründet dies zunächst einen materiellen Ergebnisfehler. Denn entweder fehlt bereits eine Ermächtigung, die ihrer gesetzlichen Rechtsfolge nach zur Verhängung eines Bußgeldes von 2.000 € ermächtigt oder der gesetzliche Tatbestand der einschlägigen Ermächtigung ist nicht erfüllt. Zusätzlich47 haftet dem Verwaltungsakt ein Ermessensfehler an. Entweder ging die Behörde irrtümlich davon aus, zur Verhängung eines Bußgeldes von 2.000 € verpflichtet gewesen zu sein, hat mithin das ihr eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt (Ermessensunterschreitung). Oder die Behörde ging irrtümlich davon aus, nach Ermessen ein Bußgeld auch in Höhe von 2.000 € verhängen zu dürfen, hat mithin Ermessen in Anspruch genommen, das ihr in diesem Umfang nicht zustand (Ermessensüberschreitung). Die „Komorbidität" eines Verwaltungsaktes, der sowohl an einem (ermessensunspezifischen) materiellen Ergebnisfehler als auch an 46 Abweichend die Begriffsbildung etwa von Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, § 31 II. d) 1 f. (S. 199 ff.), die zwischen nur zwei Ermessensfehlem unterscheiden. Ermessensmissbrauch sei der „konkrete" Fehler, dass eine Maßnahme getroffen wird, die nur unter anderen als den gegebenen Umständen und Motiven hätte ergehen dürfen. Ermessensüberschreitung sei der „abstrakte" Fehler, dass eine Maßnahme getroffen wird, die „in keinem Falle" durch die Ermächtigung gedeckt ist. Die Bezeichnung eines solchen „abstrakten" Fehlers als Ermessensfehler erscheint indessen unangemessen. Denn der Ausübung von Ermessen spezifisch sind nur die „konkreten" Fehler, die unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles eintreten und deshalb bei gebundenen Entscheidungen nicht begegnen. 47 Nicht gefolgt werden kann beispielsweise Birk/Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/ Spitäler, AO, § 5 Rn 153 (Lfg. 2000), die in Fällen, in denen die „Verwaltung eine Rechtsfolge wählt, die nicht mehr innerhalb des zulässigen Spektrums von Rechtsfolgen liegt" einen einzigen Fehler annehmen, der sowohl Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung), als auch Ergebnisfehler sein soll.

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e i k e i t des Verwaltungsaktes

einem (ermessensspezifischen) materiellen Vorgangsfehler leidet, schließt insbesondere die Umdeutung in einen rechtmäßigen Ersatzverwaltungsakt nach § 47 Abs. 1 VwVfG aus. Denn wie aus § 47 Abs. 3 VwVfG hervorgeht, kann im Wege der Umdeutung die fehlende Ermessensausübung nicht nachgeholt, die fehlerhafte Ermessensausübung nicht nachgebessert werden [s. o. F. III. 2. c) bb) (2)]. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde eine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (konkretisiert etwa in §§ 15 OBG NRW, 2 PolG NRW, 58 VwVG NRW) oder dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) widersprechende Maßnahme trifft. 48 Denn die Ermächtigungsnorm muss, um ihrerseits am Maßstab der Verfassung gerechtfertigt zu sein, das Verhältnismäßigkeitsprinzip und den allgemeinen Gleichheitssatz in sich aufnehmen. Aus diesem Grund widerspricht eine unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Ermessensausübung dem durch Auslegung im Lichte der Verfassung ermittelten Ermächtigungszweck. dd) Beurteilungsfehler Nach überkommener Lehre 49 muss im innerstaatlichen deutschen Recht - anders als im europäischen Gemeinschaftsrecht 50 - streng zwischen Ermessen und Beurteilungsspielraum unterschieden werden. Der Beurteilungsspielraum wird im Gegensatz zum Ermessen auf der Tatbestandsseite der Ermächtigung verortet. Ebenso wie aufgrund gesetzlich eingeräumten Ermessens hat die Behörde aufgrund eines gesetzlich gewährten Beurteilungsspielraums die Wahl, ob sie einen Verwaltungsakt bestimmten Inhalts erlässt. 48 Nach anderer Auffassung begründet die Wahl einer unverhältnismäßigen oder gleichheitswidrigen Maßnahme eine Ermessensüberschreitung, so etwa Schock, JURA 2004, 462, 466 f.; wie hier etwa Ossenhühl, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 18). Die Einordnung als Ermessensüberschreitung setzt voraus, dass die Ausübung von Ermessen, obwohl sie von einer verfassungsmäßigen Ermächtigung gedeckt ist, unmittelbar am verfassungskräftigen Verhältnismäßigkeitsprinzip und am verfassungskräftigen allgemeinen Gleichheitssatz zu messen ist. Dagegen spricht der Anwendungsvorrang des einfachen Rechts vor dem Verfassungsrecht einschließlich der Grundrechte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der unmittelbaren Bindung der Exekutive an die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG. Denn auch gegenüber dieser Vorschrift genießt die verfassungsmäßige Ermächtigung Anwendungsvorrang. Aus diesem Grund entfalten die Grundrechte vornehmlich eine lediglich „norminterne" Wirkung, Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn 123 ff. Die Ermächtigung dient der erschöpfenden Rechtfertigung des Aktes, so dass kein Raum für eine unmittelbare Anwendung der Verfassung bleibt. Deshalb ist entgegen Alexy, JZ 1986, 701 (710), die unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Ermessensausübung nicht nur als verfassungsrechtlicher, sondern - auch und vorrangig - als einfachrechtlicher Fehler einzuordnen. 4 9 Dazu s. nur Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 10, 31 ff.; Schock, JURA 2004, 612 (615 ff.). so EuGH, Urt. v. 21. 1. 1999, C-120/97, Slg. 1999, I.-223 (240, 251) - Upjohn; Packe, DVB1. 1998, 380 (384 ff.); Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 10 (Fn 12).

K. Rechtmäßigkeit im Erlasszeitpunkt

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Ein Verwaltungsakt, bei dessen Erlass der Behörde ein Beurteilungsspielraum zukommt, leidet auch dann an einem materiellen Rechtsfehler, wenn die Behörde im Einzelfall den Beurteilungsspielraum nicht ordnungsgemäß konkretisiert hat. Die Rechtswidrigkeit der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes (Erlassergebnis) beruht in diesem Fall auf einem Fehler des behördlichen Verhaltens, das den Verwaltungsakt hervorgebracht hat (ErlassVorgang). Beurteilungsfehler können mithin als materielle Vorgangsfehler auf Tatbestandsseite der Ermächtigung charakterisiert werden. Das zu den Ermessensfehlern Gesagte [s. o. cc)] findet entsprechende Anwendung auf die Beurteilungsfehler. Als Beurteilungsfehler können die mangelnde Ausnutzung des gewährten Beurteilungsspielraums (Beurteilungsunterschreitung), die Inanspruchnahme eines so nicht gewährten Beurteilungsspielraums (Beurteilungsüberschreitung) sowie die zweckwidrige Konkretisierung des Beurteilungsspielraumes (Beurteilungsfehlgebrauch) unterschieden werden.

II. Zeitlicher Regelungsgehalt des rechtmäßigen Verwaltungsaktes Da Gegenstand der Rechtmäßigkeitsprüfung die intendierte Regelung des Verwaltungsaktes ist, bemisst sich der Umfang der Rechtmäßigkeit im Erlasszeitpunkt ebenfalls anhand der intendierten Regelung, insbesondere anhand des zeitlichen Regelungsgehaltes. Der Verwaltungsakt intendiert eine Rechtsfolge für einen vergangenen, gegenwärtigen oder zukünftigen Zeitraum. Der rückwirkende Verwaltungsakt intendiert in einem Zeitpunkt eine Rechtsfolge für einen vergangenen Zeitraum [s. o. C. III. 1. d)]. Die Rechtsordnung setzt der Rückwirkung von Verwaltungsakten gewisse Grenzen. Zu beachten sind insbesondere die allgemeinen Rückwirkungsverbote, die auf den rechtsstaatlichen Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gründen und nur in Teilbereichen ausdrücklich fachgesetzlich geregelt sind, etwa im Verbot eines rückwirkenden Widerrufs nach § 49 Abs. 2 S. 1 VwVfG 5 1 . Die Rückwirkung eines belastenden Verwaltungsaktes bedeutet ein Mehr an Belastung und bedarf mithin nach dem Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes (konkretisiert etwa in § 72 S. 2 LVwG SH) einer gesetzlichen Ermächtigung. 52 Daneben kommen besondere Rückwirkungsverbote in Betracht. Dabei muss bereits im Erlasszeitpunkt zwischen der Rechtmäßigkeit des vergangenheitsbezogenen Regelungsgehaltes und der Rechtmäßigkeit des gegenwartsoder zukunftsbezogenen Regelungsgehalts differenziert werden. Dies verdeutlicht 51 Unbeschadet der Befugnis zu einem rückwirkenden Widerruf etwa gemäß § 49 Abs. 3 VwVfG. 52 BVerwG, Urt. v. 21. 6. 1961 - V m C 398.59 - BVerwGE 13, 1 (7); Ehlers, JuS 1990, I I I (778).

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e i k e i t des Verwaltungsaktes

das Beispiel einer unter Verstoß gegen § 10 Abs. 2 S. 2 BBG (§ 5 Abs. 4 BRRG) rückwirkend vorgenommenen Ernennung zum Beamten. Bereits im Erlasszeitpunkt ist die Ernennung „unzulässig und insoweit unwirksam", wie sie für einen vergangenen Zeitraum intendiert wird. Die durch § 10 Abs. 2 S. 2 BBG (§ 5 Abs. 4 BRRG) verbotene Rückwirkung kann dabei als ein die allgemeinen Nichtigkeitsgründe des § 44 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 6, Abs. 1 VwVfG ergänzender, besonderer Nichtigkeitsgrund verstanden werden, der gemäß der allgemeinen Vorschrift des § 43 Abs. 3 VwVfG zur inneren Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes führt. 53 Indessen ist die Beamtenernennung nur insoweit rechtswidrig und nichtig, wie sie zurückwirkt. Der gegenwartsbezogene Regelungsgehalt der Beamtenernennung ist rechtmäßig und wirksam. Die Notwendigkeit, bereits im Erlasszeitpunkt zwischen der Rechtmäßigkeit verschiedener Teile der intendierten Regelung des Dauerverwaltungsaktes zu unterscheiden, verdeutlicht ferner das Beispiel einer entgegen früherem § 28 Abs. 2 S. 2 AuslG nicht auf höchstens zwei, sondern auf drei Jahre befristeten ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung. Bereits im Erlasszeitpunkt war eine solche überlange Aufenthaltsbewilligung insoweit rechtswidrig, wie sie unter Verstoß gegen § 28 Abs. 2 S. 2 AuslG für einen zwei Jahre überschreitenden Zeitraum intendiert war. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis können die Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes als Übereinstimmung von Prüfungsgegenstand und Prüfungsmaßstab und die entsprechenden Fehlerarten dargestellt werden: Prüfungsgegenstand Intendierte Regelung des äußerlich wirksamen Verwaltungsaktes Prüfungsmaßstab Formelle Anforderungen ... an den Erlassvorgang - Fehlende Verwaltungsaktsbefugnis - Zuständigkeitsmangel - Verfahrensfehler - Formmangel - Begründungsmangel

53 Zweifelhaft ist, ob die Rückwirkung der Beamtenernennung in jedem Einzelfall ein besonders schwerwiegender Fehler ist, dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offensichtlich ist und deshalb (auch) nach der allgemeinen Vorschrift des § 44 Abs. 1 VwVfG die Nichtigkeit auslöst. Jedenfalls sind die beamtenrechtlichen Vorschriften gemäß § 1 Abs. 1 a. E. VwVfG vorrangig anzuwenden. Nicht erforderlich und deshalb untunlich erscheint hingegen, die allgemeine Dogmatik der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes mit einem über § 43 Abs. 3 VwVfG hinausgehenden besonderen Unwirksamkeitsgrund nach § 10 Abs. 2 S. 2 BBG (§ 5 Abs. 4 BRRG) zu verkomplizieren.

L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

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Materielle Anforderungen ... der Tatbestandsseite der Ermächtigung an das Erlassergebnis - Verfehlen der einschlägigen Ermächtigung ... der Tatbestandsseite der Ermächtigung an den Erlassvorgang - Beurteilungsfehler ... der Rechtsfolgenseite der Ermächtigung an das Erlassergebnis - Fehlen einer einschlägigen Ermächtigung ... der Rechtsfolgenseite der Ermächtigung an den Erlassvorgang - Ermessensfehler

L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt Die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes kann in einem späteren Zeitpunkt anders zu beurteilen sein als noch im Zeitpunkt seines Erlasses. Auszuklammern sind jedoch solche abweichenden Beurteilungen der Rechtmäßigkeit, die schlicht auf einem Wechsel der Perspektive vom Zeitpunkt des Erlasses zu einem späteren Beurteilungszeitpunkt beruhen. Infolge des Fortschreitens in der Zeit ist ein größerer Ausschnitt der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes als vergangenheitsbezogen zu beurteilen und ein kleinerer Ausschnitt als zukunftsbezogen. Die mit dem Perspektivenwechsel vom früheren Erlasszeitpunkt zum späteren Beurteilungszeitpunkt einhergehende „optische Tauschung" ist ebenso wenig mit einem Verlust an Rechtmäßigkeit verbunden, wie mit einem Verlust an äußerer oder innerer Wirksamkeit. Dies belegt der Beispielsfall einer auf drei Jahre befristeten ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung nach dem vormaligen Ausländergesetz. Eine solche überlange Aufenthaltsbewilligung verlor ihre Rechtmäßigkeit nicht erst mit Ablauf von zwei Jahren, sondern war bereits im Erlasszeitpunkt als insoweit rechtswidrig zu beurteilen, wie ihr zeitlicher Regelungsgehalt unter Verstoß gegen § 28 Abs. 2 S. 2 AuslG a. F. einen Zeitraum von zwei Jahren überschritt (s. o. K. II.). Der Verwaltungsakt ist rechtmäßig, wenn der zu beurteilende Prüfungsgegenstand mit dem anzulegenden Prüfungsmaßstab übereinstimmt. Eine Änderung in der Beurteilung des Verwaltungsaktes beruht deshalb entweder auf einer Änderung des Prüfungsgegenstandes oder auf einer Änderung des Prüfungsmaßstabes. Ohne Schärfung des anzulegenden Prüfungsmaßstabes kann in einem Zeitpunkt nach Erlass ein rechtmäßiger Verwaltungsakt nur entfallen, wenn der zu beurteilende Prüfungsgegenstand eine entsprechende nachteilige Veränderung erfährt. Gegenstand der Rechtmäßigkeitsprüfung ist die intendierte Regelung des äußerlich wirksamen Verwaltungsaktes (s. o. K. I. 1.). Die intendierte Regelung entfällt, wenn der Verwaltungsakt im Wege der Aufhebung oder im Wege der Erledigung nach §§43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die äußere Wirksamkeit verliert (dazu s. o.

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. Kap.: e i k e i t des Verwaltungsaktes

E. I. 1., II. 1.). Insbesondere kommt es im behördlichen Vorverfahren dann zur Aufhebung des Verwaltungsaktes, wenn die Ausgangsbehörde dem Anfechtungswiderspruch nach § 72 VwGO abhilft oder die Widerspruchsbehörde dem Anfechtungswiderspruch nach § 73 Abs. 1 S. 1 VwGO stattgibt [s. o. E. I. 3. a)]. Die intendierte Regelung erfährt eine Reformation, wenn die Widerspruchsbehörde den Widerspruch unter Verschiebung des zeitlichen Regelungsgehaltes des angefochtenen Verwaltungsaktes zurückweist [s. o. F. IV. 1. c)]. An welchen Rechtmäßigkeitsanforderungen der Verwaltungsakt in einem Zeitpunkt nach Erlass zu messen ist, bestimmt sich danach, unter welchem Aspekt die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes betrachtet wird. Im Einzeln hängt von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ab, ob die Behörde nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG die Rücknahme verfügen darf und ob Anfechtungsklage und Anfechtungswiderspruch nach §§ 113 Abs. 1 S. 1, 68 Abs. 1 S. 1 VwGO begründet sind. Dem entsprechend sind die Voraussetzungen einer Schärfung des Prüfungsmaßstabes im Hinblick auf die behördliche Befugnis zur Rücknahme (I.) sowie auf die Begründetheit von Anfechtungsklage (II.) und Anfechtungswiderspruch (III.) zu ermitteln.

I. Entstehen der Rücknahmebefugnis Die behördliche Befugnis zur Rücknahme eines Verwaltungsaktes setzt nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG (oder besonderen Vorschriften) notwendig dessen Rechtswidrigkeit voraus. In Betracht kommen zum einen eine rückwirkende, zum anderen eine ex nunc wirkende Schärfung des an den Verwaltungsakt nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG anzulegenden Prüfungsmaßstabes und demgemäß eine ab dem Zeitpunkt des Erlasses (1.) oder ab dem Zeitpunkt der Änderung des Prüfungsmaßstabes (2.) entstehende Rücknahmebefugnis.

1. Befugnis zur Rücknahme ab Erlasszeitpunkt Zumindest kann ein im Erlasszeitpunkt rechtmäßiger Verwaltungsakt in einem späteren Zeitpunkt infolge ex nunc wirkender Schärfung des anzulegenden Prüfungsmaßstabes seine Rechtmäßigkeit verlieren und infolgedessen nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG der Rücknahme unterfallen. Denn ein solcher Verwaltungsakt ist als bereits „rechtswidrig erlassen" zu beurteilen. Die rückwirkende Schärfung des Prüfungsmaßstabes beruht auf einer entsprechenden Entwicklung der Sachund Rechtslage.54 54 Die Rücknahme im Falle rückwirkenden Eintritts der Rechtswidrigkeit bejahend etwa BVerwG, Urt. v. 16. 11. 1989 - 2 C 43.87 - BVerwGE 84, 111 (114); Urt. v. 13. 9. 1972 VIII C 85.70 - BVerwGE 40, 336 (339); Erichsen, in: ders. /Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rn 11; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn 11; Kleinlein, VerwArch 81 (1990), 149 (165 f.; 192); Ehlers, Verw 31 (1998), 53 (70).

L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

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2. Befugnis zur Rücknahme ab Änderungszeitpunkt Infolge einer lediglich regulärwirkenden Schärfung des nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG anzulegenden Prüfungsmaßstabes könnte der Verwaltungsakt allenfalls ab dem Änderungszeitpunkt der Rücknahme unterfallen. Punktverwaltungsakte intendieren ausschließlich in einem Zeitpunkt eine Rechtsfolge. Deshalb sind sie einer auf Wirkung für die Zukunft beschränkten Aufhebung nicht zugänglich (s. o. C. II. 1.) und können nicht durch eine auf Wirkung für die Zukunft beschränkte Schärfung des Prüfungsmaßstabes „rechtswidrig werden". Hingegen intendieren Dauerverwaltungsakte noch in den ihrem Erlass nachfolgenden Zeitpunkten eine Rechtsfolge und können daher auch ex nunc zurückgenommen oder anderweitig aufgehoben werden. Eine auf Wirkung für die Zukunft beschränkte Schärfung des Prüfungsmaßstabes erscheint deshalb möglich. Ein im Erlasszeitpunkt rechtmäßiger Dauerverwaltungsakt könnte in einem späteren Zeitpunkt seine Rechtmäßigkeit i. S. d. § 48 VwVfG ex nunc verlieren. Einen solchen „rechtswidrig gewordenen", wenn auch weiterhin „rechtmäßig erlassenen" Verwaltungsakt, dürfte die Behörde zwar nicht rückwirkend auf den Erlasszeitpunkt zurücknehmen. Jedoch wäre die Befugnis zu einer regulärwirkenden oder lediglich auf den Zeitpunkt des „Rechtswidrigwerdens" zurückwirkenden Rücknahme eröffnet 55, insoweit keine Rücknahme verböte, etwa gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG, eingreifen. Dass die Rechtsordnung keine auf Wirkung für die Zukunft beschränkte Schärfung des an den Dauerverwaltungsakt nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG anzulegenden Prüfungsmaßstabes vorsieht, ist zu beweisen. Ein Verwaltungsakt wird weder dann rechtswidrig, wenn die gesetzlichen Erlassvoraussetzungen entfallen [a)], noch dann, wenn er nicht länger aufrechterhalten werden darf [b)].

a) Fortfall

der gesetzlichen Erlassvoraussetzungen

Der Fortfall der gesetzlichen Erlassvoraussetzungen erlaubt nicht, den Verwaltungsakt als i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG „rechtswidrig geworden" zu beurteilen. Wie aus § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und Nr. 4 VwVfG hervorgeht, unterfällt der betroffene Verwaltungsakt nicht der Rücknahme, sondern dem Widerruf. 56 Diese Vorschrift ermächtigt die Behörde unter bestimmten weiteren Voraussetzungen zum Widerruf eines Verwaltungsaktes, wenn sie auf Grund nachträglich ein55 Insoweit auch Schenke, DVB1. 1989,433 (435). 56 Zum Argument aus § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und Nr. 4 VwVfG bereits Erichsen, in: ders. / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rn 11; Pieroth, NVwZ 1984, 681 (683); Kopp, BayVBl. 1990, 524 (525); Ehlers, Verw 37 (2004), 255 (279). Dies wird auch von Befürwortern eines „Rechtswidrigwerdens" nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG zugestanden: Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 792; ders., DVB1. 1989, 433 (436).

20 Steinweg

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e i k e i t des Verwaltungsaktes

getretener Tatsachen oder auf Grund geänderter Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Zum Teil wird geltend gemacht, die Widerrufsgründe des § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und Nr. 4 VwVfG beträfen nicht den Fall eines nunmehr rechtswidrigen, sondern nur den Fall eines weiterhin rechtmäßigen Neuerlasses, den die Behörde kraft des ihr eingeräumten Ermessens oder des ihr zukommenden Beurteilungsspielraums nach Wahl vornehmen oder ablehnen darf. 57 Der Gesetzeswortlaut des § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und Nr. 4 VwVfG legt diese Auslegung jedoch nicht nahe. Denn aus der Berechtigung zum Nichterlass eines Verwaltungsaktes kann nicht auf die Berechtigung zum Erlass dieses Verwaltungsaktes geschlossen werden. Vielmehr ist eine Behörde insbesondere dann berechtigt, einen Verwaltungsakt nicht zu erlassen, wenn sie dazu infolge Rechtswidrigkeit des Erlasses verpflichtet ist. 58 Ferner setzt sowohl der Widerruf wegen nachträglich eingetretener Tatsachen nach § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG, als auch der Widerruf wegen geänderter Rechtsvorschrift nach § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwVfG voraus, dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Der Widerruf muss danach nicht nur - wie jedes Staatshandeln59 - im öffentlichen Interesse liegen, sondern darüber hinaus zur Abwehr eines wichtigen Gemeinschaftsgütern drohenden Schadens geboten sein. 60 Durch den Fortbestand eines rechtmäßig erlassenen Verwaltungsaktes droht ein solcher Schaden schwerlich dann, wenn die Behörde ungeachtet der geänderten Sach- und Rechtslage weiterhin berechtigt ist, einen Verwaltungsakt gleichen Inhalts zu erlassen. Grundsätzlich kann die Rechtsordnung nicht einerseits der Behörde den Widerruf eines Verwaltungsaktes wegen Gefährdung des öffentlichen Interesses gestatten und andererseits die Behörde zum Neuerlass eines inhaltsgleichen Verwaltungsaktes ermächtigen. Ohne Wertungswiderspruch ist dies allenfalls dann denkbar, wenn der Gesetzgeber die Offenhaltung des behördlichen Gestaltungsspielraumes selbst als wichtiges Gemeinschaftsgut etabliert hat. Um die Widerrufsgründe des § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und Nr. 4 VwVfG nicht praktisch leer laufen zu lassen, müssen die Fälle eines rechtswidrigen Neuerlasses im Anwendungsbereich dieser Vorschriften verbleiben. 61 57 Lange, WiVerw 1979, 15 (16 f.); ders., JURA 1980, 456 (459); daran anknüpfend Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 58. 58 Neben Befugnissen, zu deren Ausübung der Inhaber verpflichtet ist, kennt die Rechtsordnung sogar subjektive Rechte, die den Inhaber zugleich verpflichten. Beispielsweise sind die Eltern zur Pflege und Erziehung der Kinder nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet (§ 1626 Abs. 1 S. 1 BGB; vgl. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG). 59

Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 87 f. 60 BVerwG, Urt. v. 24. 1. 1992 - NVwZ 1992, 565 f.; VGH BW, Beschl. v. 26. 7. 1993 14 S 1311/93 - NVwZ-RR 1994, 20 (21); HessVGH, Beschl. v. 25. 6. 1998 - 7 UE 4200/96 - NVwZ-RR 1999, 798 (800); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 49 Rn 69; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 49 Rn 42. 61 Der Hinweis Schenkes, BayVBl. 1990, 107 (108), die Vorschriften erfassten „auch" Fälle, in denen die Behörde ungeachtet der neuen Sach- oder Rechtslage weiterhin zum Erlass des Verwaltungsaktes berechtigt wäre, geht deshalb ins Leere.

L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

307

Darüber hinaus lässt § 36 Abs. 1 Alt. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 VwVfG den Vorbehalt des Widerrufes bei einem Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, nur zu, um die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes sicherzustellen. Da der Widerrufsvorbehalt nach § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwVfG lediglich einen Widerruf ex nunc zulässt, ist er ungeeignet, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ab Erlass des Verwaltungsaktes sicherzustellen. Der Widerrufsvorbehalt kann nur absichern, dass nach einem späteren Fortfall der gesetzlichen Voraussetzungen der Verwaltungsakt aufgehoben wird. Diese Aufhebung ist nach Vorstellung des Gesetzgebers keine Rücknahme, sondern ein Widerruf. Der Verwaltungsakt ist also nicht rechtswidrig geworden, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen entfallen sind. Dies verdeutliche der in anderem Zusammenhang [s. o. E. II. 3. a) ff)] bereits erörterte Beispielsfall eines Lehrers, dem nach Verlust seiner Fachleiterfunktion die erteilte Fachleiterzulage zunächst erhalten bleibt. 62 Mit der Fachleiterfunktion entfallen die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung der Zulage. Dieser Fortfall der Erlassvoraussetzungen vermag jedoch nur die Rechtswidrigkeit der Neugewährung einer Fachleiterzulage, nicht jedoch i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG die Rechtswidrigkeit der bereits gewährten Fachleiterzulage zu begründen [näher dazu s. u. b) dd)]. b) Rechtswidrigkeit

der Aufrechterhaltung

Der Verwaltungsakt könnte dann i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG „rechtswidrig werden", wenn seine Aufrechterhaltung rechtswidrig wird. 63 Die Aufrechterhaltung eines Verwaltungsaktes ist nur insofern rechtswidrig, wie die Behörde eine Aufhebungspflicht trifft. Zunächst kann die Behörde zur Aufhebung durch Rücknahme nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG [aa)], durch Widerruf nach § 49 VwVfG [bb>] oder im Zuge des Wiederaufgreifens nach § 51 Abs. 1 VwVfG [cc)] verpflichtet sein. Darüber hinaus kommt die unbenannte Aufhebungspflicht in Betracht, deren Durchsetzung gemäß §§ 42 Abs. 1 Alt. 1, 113 Abs. 1 S. 1, 68 Abs. 1 S. 1, 72, 73 VwGO Anfechtungsklage und Anfechtungswiderspruch dienen [dd)]. aa) Rücknahmepflicht Zur Rücknahme ist die Behörde allenfalls dann verpflichtet, wenn sie aufgrund der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG oder besonderen Vorschriften zur Rücknahme befugt ist. Eine Herleitung der Rücknehmbarkeit des Verwaltungsaktes aus einer Pflicht zur Rücknahme, wie sie im Fachleiterfall versuchte wurde 64 , beruht mithin auf einer petitio principii. 65 62 OVG Münster, Urt. v. 26. 8. 1987 - 6 A 1910/84 - NVwZ-RR 1988, 1 f. 63 So insbesondere Schenke, DVB1. 1989, 433 (434); ders. / Baumeister, JuS 1991, 547 (548); anders nunmehr Baumeister, Rechtswidrigwerden von Normen, S. 98. 20*

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. Kap.:

e i k e i t des Verwaltungsaktes

bb) Widerrufspflicht In bestimmten Fällen ist die Behörde aufgrund einer gegenüber dem Erlass des Verwaltungsaktes veränderten Sach- oder Rechtslage nach § 49 VwVfG oder besonderen Vorschriften zum Widerruf eines Verwaltungsaktes nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet. Insoweit die Behörde im gegenwärtigen Zeitpunkt zu einem auf den Änderungszeitpunkt zurückwirkenden Widerruf verpflichtet ist, kann der Verwaltungsakt dadurch nicht i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG „rechtswidrig werden". Anderenfalls entzöge sich die Widerrufspflicht ihre eigene Grundlage, da gemäß § 49 VwVfG allein rechtmäßige Verwaltungsakte widerrufbar sind. Nicht gefolgt werden kann der verbreiteten Auffassung 66, nach der neben rechtmäßigen Verwaltungsakten „erst recht" rechtswidrige Verwaltungsakte dem Widerruf unterliegen. 67 Die Anwendung der Widerrufsvorschriften auch auf rechtswidrige Verwaltungsakte liegt nicht „auf der Hand" 68 , sondern widerspricht dem Gesetzeswortlaut. Für eine analoge Anwendung besteht insbesondere kein Bedürfnis. Etwa ist die amtswegige Aufhebung eines unter Vorbehalt des Widerrufs stehenden rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht als Widerruf gemäß § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwVfG, sondern als Rücknahme nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG zu verstehen. Weder steht schutzwürdiges Vertrauen nach § 48 Abs. 2 VwVfG einer Rücknahme entgegen, noch führt es nach § 48 Abs. 3 VwVfG zu einem Ausgleichsanspruch. Denn der Betroffene hätte selbst im Falle der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes eine Aufhebung gewärtigen müssen.69 64 So leitet Schenke, DVB1. 1989, 433 (435 f.), die Rücknehmbarkeit des Verwaltungsaktes aus der - behaupteten - Aufhebungspflicht her, die er mit einer Pflicht zur Rücknahme identifiziert. 65 In dieselbe Richtung weist die Erkenntnis Baumeisters, Rechtswidrigwerden von Normen, S. 93 ff., wonach die Herleitung der Rechtswidrigkeit eines Staatsaktes (Norm oder Verwaltungsakt) aus der Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung dieses Staatsaktes an einer „Umkehrung von Ursache und Wirkung" leidet. 66 s. nur Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 49 Rn 6; Kopp /Ramsauer, VwVfG, § 48 Rn 5. 67 Zutreffend Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 18 Rn 7; Ehlers, Verw 31 (1998), 53 (71); ders., Verw 37 (2004), 255 (279). 68 So aber Schenke, DVB1. 1989, 433 (434). Die Anwendung des § 49 VwVfG auch auf rechtswidrige Verwaltungsakte erachtet Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 124, sogar für „unumstritten". Eine eingehende Auseinandersetzung mit dieser Frage und Nachweise zum Streitstand findet sich nunmehr bei Bronnenmeyer, Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte, S. 32 ff., wenn auch dem von diesem Autor gefundenen Ergebnis nicht zugestimmt werden kann. Denn ders., S. 43, versteht den Widerruf als »Aufhebung eines rechtmäßigen oder rechtswidrigen Verwaltungsakts durch eine Verwaltungsbehörde außerhalb einer Entscheidung über einen Widerspruch nach den §§ 68 ff. VwGO". Träfe dies zu, wäre die Rücknahme ein Unterfall des Widerrufs. 69 Zur Einbeziehung des Widerrufsvorbehalts in die Ermessenserwägungen zur Rücknahme OVG Berlin, Beschl. v. 8. 7. 2000 - 2 SN 15/00 - LKV 2000, 458 (459); Ehlers, Verw 31 (1998), 53 (71).

L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

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Insoweit die Behörde bereits im Änderungszeitpunkt zu einem auf Wirkung für die Zukunft beschränkten Widerruf verpflichtet war, begründet auch dies nicht ein „Rechtswidrigwerden" des Verwaltungsaktes nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG. Beispielsweise darf im erwähnten Fachleiterfall 70 einem Lehrer die Zulage nur so lange erhalten bleiben, wie er die Funktion eines Fachleiters bekleidet. Versäumt es die Behörde, auf die veränderten Verhältnisse sogleich mit einem Widerruf ex nunc des Verwaltungsaktes zu reagieren, so lässt sich dieses Versäumnis zu einem späteren Zeitpunkt auch dann nicht korrigieren, wenn die Behörde kein Verschulden traf. Zwar ist die Behörde noch in späteren Zeitpunkten zum Widerruf befugt, doch nach den allgemeinen Vorschriften des § 49 Abs. 1, Abs. 2 VwVfG nicht zu einem auf den Änderungszeitpunkt zurückwirkenden Widerruf. 71 Lediglich für den zweckgebundenen Leistungsverwaltungsakt hat der Gesetzgeber in § 49 Abs. 3 VwVfG die erforderliche Ermächtigung zum rückwirkenden Widerruf geschaffen. Da die Fachleiterzulage keiner Zweckbindung im Sinne dieser Vorschrift unterliegt, ist ein auf den Fortfall der Fachleiterfunktion zurückwirkender Widerruf nicht eröffnet. 72 Vielmehr ist ein Widerruf der den Lehrer begünstigenden Zulagenerteilung gemäß § 49 Abs. 2 VwVfG nur mit Wirkung für die Zukunft zulässig. Sofern angenommen wird, dass die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit das Widerrufsermessen auf Null reduzieren, trifft die Behörde in jedem Zeitpunkt ab Fortfall der Fachleiterfunktion die Pflicht, den Verwaltungsakt mit Wirkung für die jeweilige Zukunft zu widerrufen. Aus einer in vergangenen Zeitpunkten versäumten Pflicht zum Widerruf ex nunc folgt nicht in gegenwärtigen Zeitpunkten die Befugnis zur Rücknahme ex tunc. Mangels Befugnis zu einer rückwirkenden Aufhebung trifft die Behörde keine Pflicht zu seiner solchen Aufhebung. cc) Wiederaufgreifenspflicht Sofern ein Wiederaufgreifensgrund nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 VwVfG vorliegt, ist die Behörde auf Antrag zunächst zum Wiederaufgreifen des Verfahrens und sodann zur Aufhebung des Verwaltungsaktes durch Neubescheidung verpflichtet. Zum Teil beruhen die Wiederaufgreifensgründe auf einer bereits im Erlasszeitpunkt bestehenden oder doch in einem späteren Zeitpunkt rückwirkend auf den Erlasszeitpunkt entstandenen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. So ist nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG die Wiederaufnahme geboten, wenn neue Beweismittel vorliegen, um die bereits im Erlasszeitpunkt gegebene, für den Betroffenen günstige, Sachlage zu beweisen. Auch ist nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG die Wiederaufnahme geboten, wenn ein Restitutionsgrund entsprechend § 580 ZPO vorliegt. Auch dann, wenn der Restitutionsgrund erst in einem Zeitpunkt nach Erlass ent70 OVG Münster, Urt. v. 26. 8. 1987 - 6 A 1910/84 - NVwZ-RR 1988, 1 f. 71 Diese Beschränkung der Befugnis auf einen regulärwirkenden Widerruf ist rechtspolitisch verfehlt, Kopp, BayVBl. 1989, 652 (653); Ehlers, Verw 37 (2004), 255 (279). 72 Insoweit auch Baumeister, NVwZ 1997, 19 (21).

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. Kap.: e i k e i t des Verwaltungsaktes

steht, ergreift er rückwirkend den gesamten Verwaltungsakt. Beispielsweise ist entsprechend § 580 Nr. 6 ZPO ein Restitutionsgrund gegeben, sofern ein den Erlass des Verwaltungsaktes präjudizierendes Urteil ex tunc 73 aufgehoben wird, weshalb der Verwaltungsakt nunmehr als rechtswidrig erlassen zu beurteilen ist. Insofern nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG eine dem Betroffenen günstige Änderung der dem Erlass zugrunde liegenden Sach- oder Rechtslage zum Wiederaufgreifen führt, muss differenziert werden. Unterliegt die Rechtslage einer rückwirkenden Änderung, so ist der Verwaltungsakt als bereits rechtswidrig erlassen zu beurteilen. Denn stand der Behörde kein Entscheidungsspielraum zu, so tritt rückwirkend ein Ergebnisfehler ein. Stand der Behörde ein Entscheidungsspielraum zu, so tritt rückwirkend ein Vorgangsfehler (Ermessensüberschreitung, Beurteilungsüberschreitung) ein, da die Behörde bei Erlass von einem ihr rückwirkend so nicht zustehenden Ermessensrahmen oder Beurteilungsspielraum ausgegangen ist. Unterliegt die Sachlage einer Änderung 74 oder die Rechtslage einer nicht auf den Erlasszeitpunkt zurückwirkenden Änderung, so ist der Verwaltungsakt weiterhin als „rechtmäßig erlassen" zu beurteilen, sofern er im Erlasszeitpunkt rechtmäßig gewesen ist. Aber auch in diesem Fall wird der Verwaltungsakt nicht dadurch rechtswidrig i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG, dass § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG die Behörde zur Aufhebung verpflichtet. Es besteht bereits kein praktisches Bedürfnis der behördlichen Aufhebungspflicht nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG eine behördliche Aufhebungsbefugnis nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG zur Seite zu stellen. dd) Unbenannte Aufhebungspflicht Die Anfechtungsklage dient als prozessuales Instrument zur Durchsetzung einer materiellen Pflicht der Behörde, den in Rede stehenden Verwaltungsakt aufzuheben.75 Das Gericht hebt den angefochtenen Verwaltungsakt nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nur dann auf, wenn der beklagte Verwaltungsträger selbst zur Aufhebung verpflichtet ist. Der Durchsetzung dieser unbenannten Aufhebungspflicht dient auch das Widerspruchsverfahren nach §§ 68 Abs. 1 S. 1, 72, 73 VwGO. Die unbenannte Aufhebungspflicht 76 wird beispielsweise in § 46 VwVfG vorausgesetzt77. Aufgrund 73 Da das Urteil wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit aufgehoben wird, wirkt die Aufhebung zurück. 74 Eine Änderung der Sachlage ist niemals rückwirkend möglich, s. o. A. I. vor 1. 7 5 s. bereits Bachof, JZ 1966,140 (140). 76 Die „Namenlosigkeit" der mit der Anfechtungsklage durchsetzbaren Aufhebungspflicht mag eine Verwechslung mit einer Pflicht zur amtswegigen Aufhebung (insbesondere Rücknahmepflicht) begünstigen. Beispielsweise stellt Rupp, Der maßgebende Zeitpunkt, S. 189, die Lehre von der beschränkten Rücknehmbarkeit rechtswidrig-begünstigender Verwaltungsakte der Lehre von der gesteigerten „Rücknahmepflicht" hinsichtlich rechtswidrig-begünstigender Verwaltungsakte gegenüber. 77 Insoweit auch Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (615). Allerdings fehlt eine explizite Anspruchsgrundlage, wie etwa bereits Ossenbühl, JZ 1970, 348 (348), bemerkt.

L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

dieser Bestimmung kann der Betroffene in bestimmten Fällen die Aufhebung eines aus formellen Gründen rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht verlangen. Der materiellen Aufhebungspflicht der Behörde korrespondiert regelmäßig, aber nicht notwendig, ein materieller Aufhebungsanspruch des durch den Verwaltungsakt Belasteten.78 Dieser Anspruch besteht entsprechend § 194 Abs. 1 BGB in dem subjektiven Recht, vom Verwaltungsträger der Ausgangsbehörde die Aufhebung des Verwaltungsaktes zu verlangen. Daher ist, sofern gesetzlich nicht anders bestimmt, die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 2 Halbs. 2 Alt. 1 VwGO nur zulässig, wenn der Kläger eine Verletzung subjektiver Rechte durch den Verwaltungsakt geltend macht und nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nur begründet, wenn der Verwaltungsakt (objektiv) rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen (subjektiven) Rechten verletzt ist. Sofern besondere gesetzliche Bestimmungen nach § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO neben der Anfechtungsklage zur Durchsetzung subjektiver Rechte eine Anfechtungsklage zur Durchsetzung des lediglich objektiven Rechts zulassen, ist diese entgegen dem insoweit unvollständigen Wortlaut des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ausnahmsweise auch dann begründet, wenn die verletzte objektivrechtliche Norm keine subjektiven Rechte verleiht. 79 Zwar setzt eine prozessual durchsetzbare materielle Aufhebungspflicht notwendig die Befugnis des beklagten Verwaltungsträgers voraus, den angefochtenen Verwaltungsakt aufzuheben. 80 Doch besteht diese Aufhebungsbefugnis nicht in einer Befugnis zur Rücknahme und die der Anfechtungsklage zugrunde liegende Aufhebungspflicht nicht in einer Pflicht zur Rücknahme.81 Vielmehr muss die Rück78

Zur Durchsetzung dieses materiellen Aufhebungsanspruchs mit der Anfechtungsklage s. nur BVerwG, Urt. v. 21. 5. 1976 - IV C 80.74 - BVerwGE 51, 15 (24); Bahr, Die maßgebliche Rechts- und Sachlage, S. 68 ff.; Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorbem. § 103 Rn 4; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn 89; Rupp, Beiträge zum ersten Jahrzehnt der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, S. 177 f., 193 f.; Wey reuther, FS Menger, S. 681 (686); Scherzberg, BayVBl. 1992, 426 (429 f.); Ehlers, JURA 2004, 176 (178); Remmert, VerwArch 88 (1997), 112 (135); Wehr, DVB1. 2001, 785 (787 f.); Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (615 f.). Widersprüchlich Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 809 einerseits (Begründetheit abhängig von Aufhebungsanspruch), Rn 502 andererseits (Zulässigkeit unabhängig von Möglichkeit eines Aufhebungsanspruchs). 7 9 VG Darmstadt, Urt. v. 15. 1. 1987 - n / 1 E 1180/84 - NVwZ 1987, 921 (922); Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 174; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 25 Rn 69; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn 118; Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn 182; Ehlers, JURA 2004,176 (178). so Dies zutreffend hervorhebend Schenke, DVB1. 1996, 388 (389); ders., DVB1. 1989,433 (435 f.). Deshalb kann Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (616 f.), darin nicht gefolgt werden, der Aufhebungsanspruch bestünde nur während des Verwaltungsprozesses und könne nur ,4m" Verwaltungsprozess geltend gemacht werden. 81

Davon aber (bezeichnenderweise unausgesprochen) ausgehend Schenke, NVwZ 1993, 718 (723); ders., DVB1. 1989, 433 (435 f.); unklar Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (617 Fn 113). Hingegen vermag die Unterscheidung zwischen Rücknahme und unbenannter Aufhebung auch die von Th. Horn, Drittanfechtung, S. 20 ff., 139 f., aufgezeigten, aber nicht konsistent

. Kap.: e i k e i t des Verwaltungsaktes nähme sowohl in ihren gesetzlichen Voraussetzungen als auch in ihren gesetzlichen Folgen von einer unbenannten Aufhebung unterschieden werden. 8 2 Die Rücknahme wird von der Behörde in Bescheidung eines vom Betroffenen eingelegten Rechtsbehelfs, sondern motu proprio ausgesprochen. Sie dient i m Gegensatz zur Anfechtungsmöglichkeit nicht dem Rechtsschutz des Betroffenen, sondern (zumindest überwiegend) dem öffentlichen Interesse. 83 Die besonderen Rücknahmeschranken nach § 48 Abs. 1 S. 2 V w V f G können auf die unbenannte Aufhebung keine Anwendung finden. So ist die Behörde in bestimmten Fällen zur Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht einmal befugt. 8 4 Ebenso wenig lässt sich die Einräumung von Ermessen bei der Rücknahme nach § 48 Abs. 1 S. 1 V w V f G auf die unbenannte Aufhebung übertragen. Zur unbenannten Aufhebung ist die Behörde auf Verlangen verpflichtet. 8 5 Ferner geht aus § 50 V w V f G hervor, dass auch die während eines Rechtsbehelfsverfahrens ausgesprochene Rücknahme außerhalb des Rechtsbehelfsverfahrens ergeht. 8 6 Zudem belegt § 46 V w V f G die Unabhängigkeit gelösten Probleme bei der Drittanfechtung von Verwaltungsakten zu bewältigten. Nach dems. unterliegt ein rechtmäßig erlassener Verwaltungsakt zwar nach der Systematik des Verwaltungsverfahrensgesetzes allein dem Widerruf, doch sollen die zugunsten eines Dritten veränderten Verhältnisse dennoch eine „Rücknahme" (richtig: unbenannte Aufhebung) ab dem Änderungszeitpunkt ermöglichen. 82 Die Diskrepanz zwischen den Voraussetzungen einer gerichtlichen Aufhebung nach §113 Abs. 1 S. 1 VwGO und den Voraussetzungen einer behördlichen Aufhebung nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG zutreffend hervorhebend Wernsmann, Verw 37 (2003), 67 (74 f.). Beispielsweise muss das Gericht aufgrund der Anfechtungsklage eines Konkurrenten die dem Adressaten gewählte Begünstigung bereits dann entziehen, wenn die Begünstigung objektiv rechtswidrig und der Dritte dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt ist; die Begünstigung kann dann aufgrund einer Verpflichtungsklage des Konkurrenten diesem zugesprochen werden. Erhebt der Konkurrent jedoch ausschließlich Verpflichtungsklage, so kann diese nur dann Erfolg haben, wenn die Behörde nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG zur Rücknahme der dem Adressaten gewährten Begünstigung befugt ist; da die Begünstigung keiner Anfechtung unterliegt ist der Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 VwVfG auch nicht gemäß § 50 VwVfG ausgeschlossen. Allerdings kommt es entgegen dem von Wernsmann zugrundegelegten Verständnis nicht entscheidend darauf an, welche Instanz - das Gericht oder die Behörde - die Aufhebung ausspricht. Da das Prozessrecht lediglich der Durchsetzung des materiellen Rechts dient, erreicht der Konkurrent das Rechtsschutzziel einer Aufhebung der dem Adressaten gewährten Begünstigung nicht deshalb, weil nach dem Prozessrecht die Anfechtungsklage statthafte Rechtsschutzform ist. Vielmehr könnte der Konkurrent seinen materiellen Aufhebungsanspruch auch dann durchsetzen, wenn das Prozessrecht de lege ferenda Rechtsschutz nicht in Form der Gestaltungsklage (Anfechtungsklage), sondern lediglich in Form der Leistungsklage (Verpflichtungsklage) eröffnete. 83 BT-Drs. 7/910, Begründung zu § 44 Abs. 1 des Entwurfs 73; Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 48 Rn 71. 84 Dies zugestehend auch Schenke, DVB1. 1989,433 (435). 85 So ist die Ausgangsbehörde auch noch nach Eintritt des Devolutiveffekts zur Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO befugt, dazu eingehend Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 166 ff. 86 Zur Unterscheidung zwischen der Aufhebung im Widerspruchsverfahren (Abhilfebescheid, Widerspruchsbescheid) einerseits und der amtswegigen Aufhebung während des

L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

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des Anspruchs auf unbenannte Aufhebung, der nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO mit der Anfechtungsklage durchzusetzen ist, von der Rechtswidrigkeit, die nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG die Befugnis zur Rücknahme eröffnet. Der mit der Anfechtungsklage durchsetzbare Aufhebungsanspruch kann nicht mit einem Anspruch auf Rücknahme identifiziert werden. 87 Eine Identifikation gelänge selbst dann nicht, wenn vor Ablauf der Anfechtungsfristen das Ermessen zur Rücknahme eines belastenden Verwaltungsaktes auf Null reduziert wäre. Diesem von einem Teil der Lehre 88 unternommene Versuch liegt die Vorstellung zugrunde, der mit der Anfechtungsklage durchsetzbare Aufhebungsanspruch entfalle mit Eintritt der Unanfechtbarkeit. Träfe diese Vorstellung zu, müsste die Anfechtungsklage gegen einen unanfechtbaren Verwaltungsakt bereits an der fehlenden Klagebefugnis und nicht erst an der Verfristung der Klage scheitern. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen prozessualen Stand nach § 60 VwGO wäre ausgeschlossen, da sie einen untergegangenen materiellen Anspruch nicht wieder herzustellen vermag. Zudem bliebe die Verfassungsbeschwerde gegen einen Verwaltungsakt regelmäßig bereits deshalb ohne Erfolg, weil sie gemäß § 90 Abs. 2, Abs. 1 BVerfGG, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a, 94 Abs. 2 S. 2 GG grundsätzlich erst nach Erschöpfung des Rechtsweges und damit nach Eintritt der Unanfechtbarkeit erhoben werden darf. Der Ablauf der Anfechtungsfristen führt mithin nicht zum Untergang des materiellen Aufhebungsanspruchs, sondern hindert lediglich dessen prozessuale Durchsetzung mit der Anfechtungsklage. Um zulässigen und begründeten außerordentlichen Rechtsbehelfen abzuhelfen, ist die Behörde auch noch nach Unanfechtbarkeit zur unbenannten Aufhebung verpflichtet. Als petitio principii erweist sich die Behauptung, es könne deshalb über einen Rücknahmeanspruch hinaus keinen Aufhebungsanspruch geben, weil der öffentlich-rechtliche Beseitigungsanspruch bezüglich rechtswidriger belastender Verwaltungsakte in § 48 VwVfG seine erschöpfende einfachrechtliche Konkretisierung erfahren habe.89 Denn inwieweit § 48 VwVfG der Konkretisierung des Beseitigungsanspruchs dient, hängt von der Existenz anderweitiger Aufhebungsansprüche ab. In Frage steht zudem, inwieweit der öffentlich-rechtliche Beseitigungsanspruch Widerspruchsverfahrens (Rücknahme, Widerruf) andererseits, s. eingehend Huxholl, Erledigung im Widerspruchsverfahren, S. 106 ff., 152 ff.; ferner Bronnenmeyer, Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte, S. 42 f.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 50 Rn5. 87 Zu recht differenzierend Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 48 Rn 87, 100; Erichsen, in: ders. / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rn 53; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 48 Rn 27; Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 48 Rn 58; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 48 Rn 51; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn 48; Wernsmann, Verw 37 (2003), 67 (74 f.). 88 Eingehend Schenke, FS Maurer, S. 723 (728 ff., 735 ff.); Th. Horn, DÖV 1990, 864 (866 ff.); auch Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 62 Rn 2; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 1, § 51 Rn 88. 89 So aber Schenke, FS Maurer, S. 723 (733).

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

wegen Verletzung von Grundrechtsnormen einer Konkretisierung bedarf. Beispielsweise verbietet Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG, die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen. Aus einer Verletzung dieser Unterlassungspflicht folgt von Verfassungs wegen die Pflicht zur Aufhebung des Verwaltungsaktes. Eine Pflicht zur unbenannten Aufhebung eines rechtmäßig erlassenen Verwaltungsaktes begründet beispielsweise § 22 S. 1 OBG NRW 9 0 . Danach ist eine Ordnungsverfügung 91 auf Verlangen des Betroffenen aufzuheben, wenn die „Voraussetzungen" der Ordnungsverfügung entfallen und sie „fortdauernde Wirkung ausübt". Diese Vorschrift begründet eine außerhalb des Verwaltungsverfahrensgesetzes (des Landes) stehende Aufhebungspflicht, kann deshalb nicht als Beleg für ein „Rechtswidrigwerden" i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG herangezogen werden. 92 Erlässt eine unzuständige Behörde einen Verwaltungsakt, der einen Betroffenen in seinen subjektiven Rechten verletzt, so ist die gegen den Verwaltungsträger der Behörde erhobene Anfechtungsklage weder mangels passiver Prozessführungsbefugnis unzulässig93, noch mangels Passivlegitimation unbegründet 94. Die Anfechtungsklage hat nur deshalb Erfolg, weil die Ausgangsbehörde eine materielle Aufhebungspflicht trifft. Die Ausgangsbehörde ist zu einer unbenannten Aufhebung befugt und verpflichtet, zu einer Rücknahme jedoch weder verpflichtet noch befugt. 95 Denn zur Rücknahme des von einer unzuständigen Behörde erlassenen Verwaltungsaktes ist nach allgemeinen Regeln des Verwaltungsrechts nicht die Ausgangsbehörde zuständig, sondern die zum Erlass des Ausgangsverwaltungsaktes zuständige Behörde. 96 Wenn die Rechtsordnung die Wahrnehmung bestimm90 Vgl. die Vorgängervorschrift in § 43 des preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes sowie § 2 Abs. 3 des Musterentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes. Anwendbar ist § 22 S. 1 OBG NRW gemäß § 3 OBG NRW auf Ordnungsverfügungen der allgemeinen Ordnungsbehörden, gemäß § 12 Abs. 2, Abs. 1 OBG NRW auch auf Ordnungsverfügungen der Sonderordnungsbehörden (darunter nach § 60 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BauO NRW der Bauaufsichtsbehörden). 92 So aber Die /Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 61 Rn 21. 93 Zur Unterscheidung der passiven Prozessführungsbefugnis als Zulässigkeitsvoraussetzung und der Passivlegitimation als Begründetheitsvoraussetzung s. eingehend Ehlers, FS Menger, S. 379 (381 ff.). Passivlegitimiert ist deijenige, gegenüber dem der Anspruch besteht (Schuldner des Anspruchs). Passiv prozessführungsbefugt ist deijenige, dem gegenüber der Anspruch prozessual geltend zu machen ist (richtiger Beklagter für den Anspruch). 94 Anderes gilt in den Fällen, in denen die zuständige Behörde den Verwaltungsakt erlässt, doch sodann ein vollständiger Zuständigkeitswechsel eintritt, s. Ehlers, FS Menger, S. 379 (395 f.) m. w. N. Tritt der Zuständigkeitswechsel vor Klageerhebung ein, so hat nur eine gegen die nunmehr zuständige und damit passivlegitimierte Behörde gerichtete Klage Erfolg. Tritt der Zuständigkeitswechsel nach Klageerhebung ein, so findet kraft Gesetzes nach § 173 VwGO i. V. m. §§ 239 ff. ZPO ein Austausch der Beklagten statt. 95 Zum dadurch bewirkten Auseinanderfallen von passiver Prozessführungsbefugnis im Anfechtungsprozess und der Zuständigkeit zur Rücknahme s. bereits Ehlers, Verw 37 (2004), 255 (279).

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ter öffentlicher Aufgaben einer Behörde zugewiesen hat, muss dieser Behörde, zumal ihre Zuständigkeit durch Erlass der Ausgangsentscheidung verletzt ist, die Ermessensentscheidung über eine Rücknahme verbleiben. Die Lehre, nach der zur Entscheidung über einen behördlichen Rechtsbehelf die der Ausgangsbehörde „instanziell zugeordnete" Widerspruchsbehörde auch dann zuständig ist, wenn die Ausgangsbehörde unzuständig war, lässt sich auf die Rücknahme nicht übertragen. 97 Da die Rücknahme nicht als Rechtsbehelfsentscheidung, sondern von Amts wegen ergeht, kann es insoweit keinen dem „magistratus a quo instanziell zugeordneten magistratus ad quem" geben.98 Nur vermeintlich liegt es nahe, den Rechtswidrigkeitsbegriff des § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG in Übereinstimmung mit dem Rechtswidrigkeitsbegriff des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO auszulegen.99 Denn während § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO als Prozessrechtsnorm die materielle Befugnis und Pflicht des Beklagten zur Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes voraussetzt, begründet § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG als materiellrechtliche Norm eine Befugnis oder auch Pflicht zur Aufhebung des Verwaltungsaktes. 100 Die Gleichsetzung der mit der Anfechtungsklage durchsetzbaren materiellen Aufhebungspflicht mit einer Pflicht zur Rücknahme beruht auf einem Zirkelschluss. Denn bestünde die unbenannte Aufhebungspflicht in einer Pflicht zur Rücknahme so setzte sie die Befugnis zur Rücknahme voraus, die es erst zu beweisen gilt [dazu s. o. aa)]. Insoweit die Behörde ohnehin zu einer unbenannten Aufhebung verpflichtet ist, bedarf es einer Konstruktion der Rücknehmbarkeit nicht. Beispielsweise kommt es im Fachleiterfall 101 nur deshalb auf die Rücknehmbarkeit der Zulagenerteilung an, weil es an einer unbenannten Aufhebungspflicht fehlt. Bestünde eine unbenannte Aufhebungspflicht, so müsste der betroffene Lehrer die ihn lediglich begünstigende Zulagenerteilung nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO mit Erfolg anfechten können, was ersichtlich nicht der Fall ist. 96

So für den von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassenen Verwaltungsakt: BVerwG, Urt. v. 20. 12. 1999 - 7 C 42.98 - BVerwGE 110, 226 (231); Knoke, Rücknahme von Verwaltungsakten, S. 106; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 16 Rn 7; Ehlers, Verw 37 (2004), 255 (279). 97 So aber Bettermann, FG 25 Jahre BVerwG, S. 61 (62). 98 Dies voraussetzend aber Bettermann, FG 25 Jahre BVerwG, S. 61 (62). 99 Für eine parallele Auslegung beider Normen Schenke, DVB1. 1989, 433 (435); ders., BayVBl. 1990, 107 (109); ders./Baumeister, JuS 1991, 547 (549 f.); Bronnenmeyer, Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte, S. 67 f.; unter Vorbehalten auch Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 131 f. 100 Die von Schenke, DVB1. 1989, 433 (435) konstatierte „systematisch-teleologische Verwandtschaft zwischen den sich gleichermaßen mit der Aufhebung von Verwaltungsakten beschäftigenden Vorschriften" führt deshalb in die Irre. Dass sich zwei Normen mit dem gleichen Thema „beschäftigen" genügt nicht. 101 Für ein Rechtswidrigwerden der Zulagenerteilung OVG Münster, Urt. v. 26. 8. 1987 6 A 1910/84 - NVwZ-RR 1988, 1 f., zust. Schenke, DVB1. 1989, 433 ff.; ders./Baumeister, JuS 1991,547 ff.; Baumeister, NVwZ 1997,19 (21).

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Insoweit die Behörde zu keiner unbenannten Aufhebung verpflichtet ist, können die Befürworter eines „Rechtswidrigwerdens" nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG die von ihnen behauptete Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes 102 nicht begründen. So wird die Rücknehmbarkeit eines Verwaltungsaktes auf die Behauptung gestützt, die Rechtsordnung könne ihre Missbilligung nicht deutlicher zum Ausdruck bringen, als durch die Anordnung der Aufhebung. 103 Zum einen trifft diese Behauptung nicht zu, da die Behörde auch zur Aufhebung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes verpflicht sein kann, beispielsweise zum Widerruf einer Gaststättenerlaubnis nach § 15 Abs. 2 GastG. Zum anderen führt die Behauptung im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter. Denn, ob die Rechtsordnung zur Aufhebung (Rücknahme) verpflichtet oder zumindest eine Befugnis dazu verleiht, gilt es erst zu beweisen. Dass ein Verwaltungsakt i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG „rechtswidrig werden" kann, geht auch nicht aus dem Wortlaut dieser Vorschrift hervor. Die Aussage, auch ein „rechtswidrig gewordener" Verwaltungsakt sei rechtswidrig, 104 beweist nicht, sondern setzt voraus, dass ein Verwaltungsakt i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG ,»rechtswidrig werden" kann. Gegen ein „Rechtswidrigwerden" des Verwaltungsaktes nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG spricht die den §§ 48 ff. VwVfG zugrunde liegende Unterscheidung zwischen Rücknahme und Widerruf. Die Rücknahme dient der Verwaltung zur Selbstkorrektur, der Widerruf hingegen der Anpassung an neue tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse. Von dieser Funktionsverschiedenheit gehen auch zahlreiche spezialgesetzliche Regelungen der Rücknahme und des Widerrufs aus 105 , etwa in §§ 15 GastG 106 , 45 WaffG, 73 AsylVfG, 21 Z D G 1 0 7 , 34 SprengG, 21 BImSchG, 12 BBG, 16 a PflSchG, 52 AufenthG, 9 PostG, 25 PBefG, 10 BtMG. Die Funktion des Widerrufs als Anpassungsinstrument kommt insbesondere in seiner grundsätzlichen Beschränkung auf Wirkung für die Zukunft zum Ausdruck, wenn auch de lege ferenda die Zulassung eines auf den Änderungszeitpunkt zurückwirkenden Widerrufs wünschenswert erscheint. 108 Zudem spricht die besondere Regelung der amtswegigen Aufhebung während eines Rechtsbehelfsverfahrens in § 50 VwVfG dagegen, dass ein Verwaltungsakt •02 So insb. Schenke, DVB1. 1989,433 (434); ders. / Baumeister, JuS 1991, 547 (548). 103 Schenke, DVB1. 1989,433 (435). 104 So Schenke, DVB1. 1989,433 (434). los Darauf abstellend bereits Piendl, Studie zur maßgebenden Sach- und Rechtslage, S. 110 ff.; Kleinlein, VerwArch 1990,149 (163 ff.); Scherzberg, BayVBl. 1992,426 (429). 106 s. dazu nur Ehlers, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht I, § 2 Rn 245 f. i° 7 Hier hat die „Feststellung der NichtVerfügbarkeit" Tatbestandswirkung, vgl. § 19 Abs. 4 ZDG. Deshalb handelt es sich nicht um einen Fall, in dem erst später die von Anfang an bestehende Rechtswidrigkeit bekannt wird, so aber Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 48 Rn 22, der Sache nach zutreffend hingegen BVerwG, Urt. v. 29. 9. 1989 - 8 C 12/89 - NVwZ-RR 1990, 582. los Kopp, BayVBl. 1989, 652 (653); Ehlers, Verw 37 (2004), 255 (279).

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i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG rechtswidrig werden kann. Denn § 50 VwVfG betrifft eine „Abhilfe" des Widerspruchs oder der Klage entweder durch Rücknahme oder durch Widerruf. Im engstmöglichen Verständnis setzt die „Abhilfe" i. S. d. § 50 VwVfG die Begründetheit des Rechtsbehelfes voraus. Die Anfechtungsklage gegen einen i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO rechtmäßigen Verwaltungsakt ist niemals begründet, der Anfechtungswiderspruch gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO allerdings dann, wenn der Verwaltungsakt zweckwidrig ist und dadurch Rechte des Widerspruchführers beeinträchtigt. 109 Ein über enge Grenzen hinausgehender Anwendungsbereich verbleibt dem Widerruf nach § 50 VwVfG nur dann, wenn i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO rechtswidrig gewordene Verwaltungsakte im Rahmen des § 49 VwVfG weiterhin als rechtmäßig beurteilt werden. Ferner unterliegen auch nur rechtswidrig erlassene Verwaltungsakte der Umdeutung, denn nur bei ihnen ist die durch § 47 Abs. 1 VwVfG gestellte Frage sinnvoll, ob der Austauschverwaltungsakt „rechtmäßig hätte erlassen werden können". Die Ablehnung eines „Rechtswidrigwerdens" des Verwaltungsaktes nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG kann sich schließlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm stützen.110 In den Materialen wird allein der „rechtswidrig ergangene" Verwaltungsakt angesprochen.111 Dies belegt die gesetzgeberische Vorstellung, dass einem „Rechtswidrigwerden" im Rahmen des § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG keine Bedeutung zukommt. 112 Auch ist nicht möglich, rechtmäßig erlassene Verwaltungsakte nur „grundsätzlich" (lediglich) dem Widerruf zu unterwerfen, jedoch rechtmäßig erlassene Dauerverwaltungsakte „ausnahmsweise" (auch) der Rücknahme. Denn § 49 Abs. 1, Abs. 2 VwVfG ermächtigen lediglich zu einem auf Wirkung für die Zukunft beschränkten Widerruf, dem allein Dauerverwaltungsakte zugänglich sind (dazu s. o. C. II. 1.). 109

Daher kann dem von Ehlers, Verw 31 (1998), 53 (73), vorgebrachten Argument nicht gefolgt werden, § 50 VwVfG könne die Begründetheit des Rechtsbehelfs nicht voraussetzen, da Rechtsbehelfe gegen rechtmäßige (d. h. § 50 i. V. m. § 49 VwVfG unterfallende) Verwaltungsakte niemals begründet seien. uo Scherzberg, BayVBl. 1992,426 (429). in In der Begründung zu § 44 des Entwurfes BT-Drs. 7/910, S. 68, heißt es: „Ein Verwaltungsakt ist rechtswidrig ergangen, wenn das im Zeitpunkt geltende Recht unrichtig angewendet oder bei der Entscheidung von einem Sachverhalt ausgegangen wird, der sich als unrichtig erweist." Daran anknüpfend Scherzberg, BayVBL 1992,426 (428 f.). U2 Das Schweigen der Materialien über den ,»rechtswidrig gewordenen" Verwaltungsakt belegt, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers allein der „rechtswidrig ergangene" Verwaltungsakt (einschließlich des infolge Eintritts neuer Umstände rückwirkend als „rechtswidrig ergangen" anzusehenden Verwaltungsakts) der Rücknahme unterfällt. Daher setzt Scherzberg, BayVBl. 1992, 426 (429), die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG zutreffend mit dem rechtswidrigen Erlass des Verwaltungsaktes i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG gleich. Die Kritik Baumeisters, Rechtswidrigwerden von Normen, S. 99, nach der Scherzberg das Zitat aus den Gesetzgebungsmaterialien für seine Zwecke „verkürzt und verfälscht" ist deshalb ihrerseits eine Verkürzung und Verfälschung der Ausführungen Scherzbergs.

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

Der Zuspruch, den die Auffassung erfahren hat, der Verwaltungsakt könne auch i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG rechtswidrig werden 113 , beruht mithin nicht so sehr auf rechtlichen Erwägungen, als auf dem als dringlich empfundenen rechtspolitischen Bedürfnis, im Falle einer Änderung der Sach- oder Rechtslage einen rechtmäßig erlassenen Verwaltungsakt nicht lediglich ex nunc aufzuheben - wie es § 49 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Nr. 4 VwVfG allein zulässt - , sondern rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Änderung. Dieses rechtspolitische Bedürfnis zu erfüllen und zum Widerruf ex tunc zu ermächtigen, obliegt allein dem Gesetzgebers. Bisher hat der Gesetzgeber lediglich im neuen § 49 Abs. 3 VwVfG eine einzelne Fälle betreffende und daher unvollkommene Ermächtigung zum rückwirkenden Widerruf geschaffen. 114 De lege lata ist nach den allgemeinen Vorschriften die amtswegige Aufhebung eines rechtmäßig erlassenen Verwaltungsaktes jedoch nur mit Wirkung für die Zukunft zulässig. Demgegenüber ermöglicht im Sozialrecht § 48 SGB X die aufgrund einer Änderung der Sach- oder Rechtslage notwendige, auch rückwirkende Korrektur von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung, und zwar ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit 115 . Es geht dabei weniger darum, der Behörde einen Vorteil aus ihrem Versäumnis einzuräumen 116, sondern vielmehr darum, den entstehenden Nachteil auszugleichen, dass mit Fortschreiten in der Zeit ein Widerruf ex nunc einen immer kleiner werdenden Aufhebungsgegenstand betrifft. Aus diesen Gründen vermag die Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung eines Verwaltungsaktes nicht die Befugnis zur Rücknahme zu begründen. Zur Beurteilung des Verwaltungsaktes nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG ist mithin stets der Zeitpunkt des Erlasses maßgeblich. 117 Ein rechtmäßig erlassener Verwaltungsakt wird 113 BVerwG, Urt. v. 28. 6. 1982 - 6 C 92.78 - BVerwGE 66, 65 (68); OVG Münster, Urt. v. 26. 8. 1987 - 6 A 1910/84 - NVwZ-RR 1988,1 f.; VGH BW, Urt. v. 24. 9. 2001 - 8 S 641/01 - NVwZ-RR 2002, 621 ff.; VG München, Urt. v. 2. 2. 2000 - M 7 K 99.2059 NVwZ-RR 2000, 722 (723). Insbesondere Lange, WiVerw 1979, 15 (16 f.); ders., JURA 1980, 456 (459 f.); Schenke, DVB1. 1989, 433 ff.; ders., BayVBl. 1990, 107 ff.; ders. /Baumeister, JuS 1991, 547 ff.; Baumeister, Rechtswidrigwerden von Normen, S. 98 ff.; Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 133 ff.; ferner Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 61 Rn 20 ff.; Bronnenmeyer, Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte, S. 55 ff. (72); J. Martens, NVwZ 1989, 828 (832); Heilemann, SGb 1994,15 ff. Unentschlossen Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 48 Rn 62 ff.; Kremmer, BayVBl. 1990, 525; Frohn, JURA 1993, 393 (397). 114 Ehlers, Verw 37 (2004), 255 (279). Iis s. dazu die amtliche Entwurfsbegründung BT-Drs. 8/2034, S. 35. n 6 Dies tadelnd Erichsens, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rn 11. ii7 Insbesondere Kopp, FS Menger, S. 693 (700), ders., BayVBl. 1989, 652 (654); ders., BayVBl, 1990, 524 (525); ders./Ramsauer, VwVfG, § 48 Rn 33; femer Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn 74 (S. 604 f.); Knoke, Rücknahme von Verwaltungsakten, S. 27 f.; Piendl, Studie zur maßgebenden Sach- und Rechtslage, S. 112; Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rn 11; ders./Brügge, JURA 1999, 155 (157); Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 48 Rn 24 f.; Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, Vor

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auch nicht durch Änderung der Verhältnisse rechtswidrig i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG. 118 Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass ein Verwaltungsakt nur dann der Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 V w V f G oder besonderer Vorschrift unterliegt, wenn er bereits im Erlasszeitpunkt rechtswidrig oder aber in einem späteren Zeitpunkt rückwirkend als rechtswidrig erlassen zu beurteilen ist. Der Rücknahme unterliegt weder ein Verwaltungsakt, dessen gesetzliche Erlassvoraussetzungen entfallen sind, noch ein Verwaltungsakt, der nicht länger aufrechterhalten werden darf.

§ 43 Rn 47 ff.; J. Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn 738; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn 11; Pieroth, NVwZ 1984, 681 (683 f.); Richter, JuS 1991, 40 (41); Scherzberg, BayVBl. 1992,426 (428 f.). Wohl ebenso Hans Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 48 Rn 12; z. T. auch Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 137 f. Unklar Kleinlein, VerwArch 81 (1990), 149 (163 ff. einerseits, 165 ff. andererseits) der zwar nicht den Eintritt einer „neuen" Sach- und Rechtslage als ausreichend für ein „Rechtswidrigwerden" erachtet, wohl aber die „nachträgliche Änderung der dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden Sach- oder Rechtslage". Das von dems. angebotene Abgrenzungskriterium der „Abgeschlossenheit" der dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden Sach- und Rechtslage ist nur dann anwendbar, wenn man bereits voraussetzt, was erst zu beweisen ist. Es handelt sich um einen voraussetzungsleeren Begriff (dazu s. Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 108 ff.). »Abgeschlossenheit" ist dann gegeben, wenn nach Kleinlein kein Rechtswidrigwerden möglich ist. Gewagt Lehner, Verw 26 (1993), 183 (204 ff.), nach dem Änderungen der Sach- und Rechtslage der Behörde zwar nicht die Befugnis zur Rücknahme des Verwaltungsaktes, aber doch in teleologischer Extension des § 49 VwVfG a. E eine Befugnis zu einem auf den Zeitpunkt der Änderung zurückwirkenden Widerruf eröffnen. Einem solchen Kunstgriff ist spätestens seit der Neufassung des § 49 VwVfG der Boden entzogen. 118 Dass die Aufhebung einer behördlichen Entscheidung mit Rücksicht auf eine veränderte Sach- und Rechtslage nicht notwendig mit einem Eingeständnis eines Fehlers einhergeht, illustriere zum Abschluss ein kirchenrechtsgeschichtliches Beispiel. Im Jahre 1757 wurde ein Widerruf ex nunc der durch Dekret aus dem Jahre 1616 ausgesprochenen Indizierung der kopernikanischen Schriften erwogen. In einem internen Gutachten weicht der Konsultor Pietro Lazzari (1710-1789) dem Eingeständnis eines Irrtums durch die Indexkongregation aus, indem er den Fortschritt der Wissenschaft kurzerhand als Änderung der Sachlage (nicht: als verbesserte Erkenntnismöglichkeit der unveränderten Sachlage) versteht. Über den entsprechenden Artikel des index librobrum prohibitorum heißt es: ,»Drei Überlegungen sind es, die ich zu dem Artikel anstellen will. 1. Daß er einst mit guten Gründen und in umsichtiger Weise aufgenommen wurde. 2. Daß es diese Gründe, ihn darin zu belassen, jetzt nicht mehr gibt. 3. Daß es hilfreich erscheint, ihn bei dieser Gelegenheit herauszunehmen." (Archive der Kongregation für die Glaubenlehre, Indice, Protocolli 1755 -1757, Fol. 486 r 497 v , übersetzt von und zitiert nach Godman/Brandt, Weltliteratur auf dem Index, S. 187 ff.).

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

II. Entstehen der Begründetheit der Anfechtungsklage Die Begründetheit der Anfechtungsklage setzt nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO notwendig die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes voraus. Der Untersuchung bedarf zunächst, welche Folgen eine Schärfung des an den angefochtenen Verwaltungsakt anzulegenden Prüfungsmaßstabes hervorbringt (1.) und welche Voraussetzungen an eine solche Schärfung gestellt sind (2.). Sodann werden einzelne Fälle eines Rechtswidrigwerdens i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO untersucht (3.).

1. Folgen einer Schärfung des Prüfungsmaßstabes Der nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO anzulegende Prüfungsmaßstab kann rückwirkend [a)] oder regulärwirkend [b)] geschärft werden.

a) Folgen einer Schärfung ex tunc des Prüfungsmaßstabes

Erfährt der Prüfungsmaßstab eine auf den Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsaktes zurückwirkende Schärfung und genügt der im Erlasszeitpunkt noch rechtmäßige Verwaltungsakt den geschärften Anforderungen nicht, so ist er rückwirkend als „rechtswidrig erlassen" zu beurteilen. Einem solchen Verlust ex tunc an Rechtmäßigkeit sind sowohl Dauerverwaltungsakte, als auch Punktverwaltungsakte zugänglich. Sofern die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, hat die Anfechtungsklage gegen den betroffenen Verwaltungsakt in vollem Umfang Erfolg und führt nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO zur gerichtlichen Aufhebung ex tunc. b) Folgen einer Schärfung ex nunc des Prüfungsmaßstabes

Zumeist begehrt der Anfechtungskläger gemäß §§42 Abs. 1 Alt. 1, 88 VwGO eine auf den Zeitpunkt des Erlasses zurückwirkende Aufhebung des Verwaltungsaktes nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Eine auf Wirkung für die Zukunft beschränkte Schärfung des Prüfungsmaßstabes kann dem Anfechtungskläger grundsätzlich nicht zu einem vollständigen Erfolg verhelfen. Insoweit trifft mithin die ehemals von der Rechtsprechung angewandte Regel zu, dass es zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes allein auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankommt. 119 Indessen könnte es auf eine Schärfung ex nunc des Prüfungsmaßstabes ankommen, sofern der Teil119 BVerwG, Beschl. v. 19. 11. 1953 - 1 . B. 95.53 - BVerwGE 1, 35 (38); Beschl. v. 11. 1. 1991-7 B 102/90 - NVwZ-RR 1991, 236 (236); Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 57 II. 2 (S. 304); Kopp, FS Menger, S. 693 (700); Bosch/Schmidt, Praktische Einf., S. 286 f.

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erfolg einer auf Aufhebung ex tunc abzielenden Klage in Rede steht. Entsprechendes gilt für die Erfolgsaussichten einer Klage, mit der lediglich die Aufhebung ab dem Änderungszeitpunkt begehrt wird. Genügt ein im Erlasszeitpunkt noch rechtmäßiger Dauerverwaltungsakt den ex nunc geschärften Anforderungen nicht, so ist er weiterhin als „rechtmäßig erlassen", wenn auch nunmehr als „rechtswidrig geworden" zu beurteilen [zu den Konsequenzen s. u. L. II. 3. a) bb)]. Hingegen sind eine auf Wirkung für die Zukunft beschränkte Schärfung des Prüfungsmaßstabes und ein „Rechtswidrigwerden" beim Punktverwaltungsakt konstruktiv ausgeschlossen [s. o. I. 2. vor a)]. Da ein Punktverwaltungsakt eine Rechtsfolge allein in einem Zeitpunkt intendiert (s. o. C. II. 1.), kann er seine Rechtmäßigkeit ebenso wenig ex nunc verlieren wie seine äußere Wirksamkeit [dazu s. o. E. I. 1. b), II. 1. b)].

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis sind die Folgen einer Schärfung ex tunc des an den Punktverwaltungsakt oder Dauerverwaltungsakt anzulegenden Prüfungsmaßstabes, sowie die Folgen einer Schärfung ex nunc des an den Dauerverwaltungsakt anzulegenden Prüfungsmaßstabes nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO festzuhalten: Punktverwaltungsakt

Dauerverwaltungsakt

Schärfung ex tunc des Prüfungsmaßstabes

Verwaltungsakt ist rückwirkend als,»rechtswidrig erlassen" zu beurteilen, falls er den gesteigerten Anforderungen nicht genügt

Verwaltungsakt ist rückwirkend als »»rechtswidrig erlassen" zu beurteilen, falls er den gesteigerten Anforderungen nicht genügt

Schärfung ex nunc des Prüfungsmaßstabes

(konstruktiv ausgeschlossen) Verwaltungsakt ist weiterhin als „rechtmäßig erlassen", wenn auch „rechtswidrig geworden" zu beurteilen, falls er den gesteigerten Anforderungen nicht genügt

2. Voraussetzungen einer Schärfung des Prüfungsmaßstabes Das Gericht trifft nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO die prozessuale Pflicht, den angefochtenen Verwaltungsakt aufzuheben, sofern die Anfechtungsklage zulässig und begründet ist. Die Anfechtungsklage dient dabei als prozessuales Instrument zur Durchsetzung einer materiellen Pflicht der Behörde, den in Rede stehenden Verwaltungsakt aufzuheben. Die in § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO vorausgesetzte Rechtswidrigkeit ist mithin die Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes.120 21 Steinweg

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

Einerseits muss den beklagten Verwaltungsträger 121 eine materielle Aufhebungspflicht treffen. Andererseits muss diese materielle Aufhebungspflicht im Rahmen des Anfechtungsprozesses Berücksichtigung finden. Denn anstatt der Anfechtungsklage könnte der Durchsetzung der materiellen Aufhebungspflicht auch eine Verpflichtungsklage dienen, mit der nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO die gerichtliche Verpflichtung des Verwaltungsträgers zum Erlass eines den Ausgangsverwaltungsaktes aufhebenden Verwaltungsaktes begehrt wird. Der Beantwortung bedarf daher zum einen die materielle Frage, ob eine Aufhebungspflicht entstanden ist, zum anderen die prozessuale Frage, ob eine etwaig entstandene Aufhebungspflicht im Anfechtungsprozess berücksichtigt werden kann. 122 Die Reihenfolge, in der diese beiden Fragen beantwort werden, ist nicht logisch, sondern allenfalls prozessökonomisch vorgegeben. Da sich für das Gericht die materielle Frage nach einer behördlichen Aufhebungspflicht nur stellt, wenn die prozessuale Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit etwaiger Aufhebungspflichten bejaht wird, kann das Gericht zunächst der prozessualen Frage nachgehen und verneinendenfalls die materielle Frage offen lassen. 123 Berücksichtigungsfahig sind nur die bis zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage prozessrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt entstehenden Aufhebungspflichten [a)]. Aufhebungspflichten entstehen nur bis zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage materiellrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt [b)].

a) Prozessrechtlich maßgeblicher

Zeitpunkt

Die Zulässigkeits- und Begründetheitsvoraussetzungen der Anfechtungsklage und damit die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO hat das Gericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu beurteilen. 124 Denn das Vorgehen in einem Zeitpunkt muss der in diesem Zeitpunkt geltenden Rechtsordnung genügen. In diesem - banalen - Sinne ist der Zeitpunkt der gerichtlichen 120 Die Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung wird bereits im Bauklassen-Urteil, BVerwG, Urt. v. 14. 11. 1957 - 1 C 168.56 - BVerwGE 5, 351 (353), hervorgehoben. Untunlich, da zur Begriffsjurisprudenz verleitend, erscheint dabei die Differenzierung zwischen der Rechtmäßigkeit „des Verwaltungsaktes" und der Rechtmäßigkeit „der Aufrechterhaltung", so aber Schweiger, DVB1. 1964, 205 (209 f.); Bachof, JZ 1966, 140 (140 f.); auch Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn 2. 121 Sofern das Rechtsträgerprinzip nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO durch das Behördenprinzip durchbrochen ist, tritt an die Stelle des Verwaltungsträgers die Behörde als richtige Beklagte. Mangels Rechtsfähigkeit der Behörde muss jedoch auch in diesem Fall die materielle Aufhebungspflicht dem Verwaltungsträger obliegen, für den die Behörde in passiver Prozessstandschaft agiert, dazu Ehlers, FS Menger, S. 379 (390). 122 Die Notwendigkeit, zwischen der materiellrechtlichen und der prozessrechtlichen Fragestellung zu unterscheiden, stellt bereits Bachof, JZ 1954,416 (418) dar. 123 Vgl. Baumeister, JURA 2005, 655 (656 f.). 124 Ehlers, JURA 2004,176 (180).

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Entscheidung zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO maßgeblich. Diese Banalität ist jedoch nicht gemeint, wenn vom „prozessrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt" gesprochen wird. Vielmehr gibt der prozessrechtlich maßgebliche Zeitpunkt an, ob das im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltende Prozessrecht das Gericht dazu verpflichtet, die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung oder nach dem in einem anderen Zeitpunkt geltenden materiellen Recht vorzunehmen. Prozessrechtlich maßgeblich ist zumindest kein dem Erlass des Verwaltungsaktes vorausliegender Zeitpunkt. Denn für den Zeitraum vor Erlass des Verwaltungsaktes fehlt es mangels äußerer Wirksamkeit an einem Prüfungsgegenstand, dessen Rechtmäßigkeit nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO beurteilt werden kann. Ebenso wenig ist ein der gerichtlichen Entscheidung nachfolgender Zeitpunkt prozessrechtlich maßgeblich. Denn das Gericht kann seine Entscheidung nicht aufgrund einer Sach- und Rechtslage fallen, die erst in einem späteren Zeitpunkt eintreten wird und daher objektiv noch nicht feststeht. Berücksichtigung finden kann deshalb allenfalls die rechtliche und tatsächliche Entwicklung zwischen dem Erlass des Verwaltungsaktes und der Entscheidung des Gerichts. Zu differenzieren ist dabei zwischen der Entwicklung der Sach- und Rechtslage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes [aa)] und der diesem Zeitpunkt vorausliegenden Entwicklung [bb>].

aa) Entwicklung nach Eintritt der Unanfechtbarkeit Eine materielle Aufhebungspflicht, die erst aufgrund der rechtlichen oder tatsächlichen Entwicklung nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes entsteht, ist im Anfechtungsprozess nicht berücksichtigungsfähig. Denn die gegen einen unanfechtbaren Verwaltungsakt erhobene Anfechtungsklage kann mangels Zulässigkeit nicht zur Durchsetzung einer Aufhebungspflicht dienen. Erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit gewährt beispielsweise § 51 Abs. 1 VwVfG Ansprüche auf Wiederaufgreifen des Verfahrens sowie auf Neubescheidung. Kann der Betroffene im Zuge der Neubescheidung die Aufhebung des Ausgangsverwaltungsaktes verlangen, ist dieser materielle Aufhebungsanspruch nicht mit der Anfechtungsklage, sondern mit der Verpflichtungsklage zu verfolgen. Unanfechtbar ist ein Verwaltungsakt, gegen den Anfechtungswiderspruch (§ 68 Abs. 1 VwGO) und Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) als ordentliche Rechtsbehelfe weder zulässig erhoben sind, noch zulässig erhoben werden können. Ein Anfechtungswiderspruch ist insbesondere nach Versäumung der Widerspruchsfrist der §§ 70, 58 VwGO nicht mehr zulässig. Die Widerspruchsfrist gilt auch dann als versäumt, wenn der Rechtsbehelfsführer einen fristgemäß eingelegten Widerspruch nach Ablauf der Widerspruchsfrist zurücknimmt. In bestimmten Fällen scheitert die Zulässigkeit eines Anfechtungswiderspruchs bereits an der nach 2

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

§ 68 Abs. 1 S. 2 VwGO fehlenden Statthaftigkeit dieses Rechtsbehelfs. In anderen Fällen fehlt die analog § 42 Abs. 2 Halbs. 2 Alt. 1 VwGO erforderliche Widerspruchsbefugnis, wenn niemand eine Beschwer durch den Verwaltungsakt geltend machen kann. Eine Anfechtungsklage ist insbesondere nach Versäumung der Klagefrist der §§ 74, 58 VwGO nicht mehr zulässig. Die Klagefrist gilt auch dann als versäumt, wenn der Rechtsbehelfsführer eine fristgemäß eingelegte Klage nach Ablauf der Klagefrist gemäß § 92 VwGO zurücknimmt. Darüber hinaus führt eine Verfristung des Widerspruchs nach §§ 70, 58 VwGO zur Unzulässigkeit auch der Anfechtungsklage, da dem Vorverfahrenserfordernis des § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht mehr genügt werden kann. 125 Zudem ist die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 2 Halbs. 1, Halbs. 2 Alt. 1 VwGO dann mangels Klagebefugnis unzulässig, wenn niemand eine Verletzung in subjektiven Rechten geltend machen kann oder ohne Beschwer klagebefugt ist. Ferner entfällt der Anfechtungsprozess und mit ihm die Zulässigkeit der Anfechtungsklage, sobald die Entscheidung, mit der das erstinstanzliche Gericht die Anfechtungsklage abgewiesen hat, in formelle Rechtskraft erwächst, also ihrerseits nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln angegriffen werden kann. Die Unzulässigkeit eines ordentlichen Rechtsmittels beruht entweder auf dessen mangelnder Statthaftigkeit oder auf der Versäumung der Rechtsmittelfrist oder auf der Zurücknahme des Rechtsmittels oder auf dem Verzicht auf das Rechtsmittel. Ordentliche Rechtsmittel sind der Berufungszulassungsantrag und die Berufung sowie der Revisionszulassungsantrag, die Revisionszulassungsbeschwerde und die Revision. Kein ordentliches Rechtsmittel ist statthaft gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, sofern weder Berufung noch Revision gegeben sind 1 2 6 (§ 78 Abs. 1 AsylVfG), gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, die den Berufungszulassungsantrag ablehnt (§ 124 a Abs. 2 S. 3 VwGO) oder die Berufung abweist, sofern keine Revision stattfindet (§ 78 Abs. 2 AsylVfG), gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, mit der die Revisionszulassungsbeschwerde abgelehnt (§ 133 Abs. 4 S. 3 VwGO) oder die Revision wegen Unzulässigkeit verworfen oder wegen Unbegründetheit zurückgewiesen wird (§ 144 Abs. 1, Abs. 2 VwGO). Im Falle der Statthaftigkeit eines ordentlichen Rechtsmittels hemmt dessen fristgemäße Einlegung den Eintritt der Rechtskraft der erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung, wie § 124 a Abs. 1 S. 4 VwGO für den Berufungszulassungsantrag 12 5 Der Rechtsprechung, nach der die Widerspruchsbehörde zur Einlassung in der Sache auf einen verfristeten Widerspruch befugt ist, kann nicht gefolgt werden. Denn das Fristerfordernis steht als Zulässigkeitsvoraussetzung der Entscheidung der Widerspruchsbehörde nicht zu deren Disposition. 126

Rechtsmittelfähig ist die erstinstanzliche gerichtliche Entscheidung hingegen dann, wenn aufgrund Bundesgesetzes (z. B. § 34 WehrPflG) zwar die Berufung ausgeschlossen ist, jedoch gemäß § 135 S. 1 VwGO die Revision an ihre Stelle tritt.

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sowie § 133 Abs. 4 VwGO für die Revisionszulassungsbeschwerde ausdrücklich hervorhebt. Die Versäumung dieser Rechtsmittelfrist führt mithin zur Rechtskraft der erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung. Mit Zurücknahme der Berufung (§ 126 Abs. 3 S. 1 VwGO) verliert der Rechtsmittelführer dieses Rechtsmittel. Sofern keine weitere selbständige Berufung eingelegt ist, wird daraufhin die erstinstanzliche Entscheidung rechtskräftig. 127 Die Zurücknahme der Revision (§ 140 Abs. 2 S. 1 VwGO) bewirkt ebenfalls den Verlust dieses Rechtsmittels, woraufhin die Rechtskraft eintritt. Desgleichen führt der Verzicht auf die Berufung dann zur Rechtskraft, wenn keine selbständige Berufung mehr möglich ist. Auch der beidseitige Verzicht auf die Revision löst die Rechtskraft aus. 128

bb) Entwicklung vor Eintritt der Unanfechtbarkeit Entsteht eine materielle Aufhebungspflicht, solange der Verwaltungsakt noch anfechtbar ist, scheitert die Durchsetzung der Aufhebungspflicht nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO zumindest nicht an der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes. 129 Das Prozessrecht dient der Durchsetzung des materiellen Rechts und zwar - soweit möglich - des im jeweils gegenwärtigen Zeitpunkt geltenden materiellen Rechts. Stehen keine zwingenden prozessualen Erfordernisse entgegen, hat deshalb das Gericht seine Entscheidung anhand des im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden materiellen Rechts zu treffen. Der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist mithin grundsätzlich für die gerichtliche Entscheidung prozessrechtlich maßgeblich. 130 Ob zwingende prozessuale Erfordernisse die Beurteilung anhand des in einem früheren Zeitpunkt geltenden materiellen Rechts gebieten, ist für die gerichtliche Entscheidung in der Eingangsinstanz [(1)], in der Berufungsinstanz [(2)] sowie in der Revisionsinstanz [(3)] zu untersuchen. (1) Entscheidung in der Eingangsinstanz

Die zulässige Anfechtungsklage ist nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO dann begründet, wenn der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch 127 BVerwG, Beschl. v. 21. 3. 1967 - V I I I C 73.66 - BVerwGE 26, 297 ff. M. Redeken in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 126 Rn 7. 128 Meyer-Ladewig, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Vorbem. § 124 Rn 56. Zum beidseitigen Verzicht auf die Berufung RG, Urt. v. 23. 2. 1925 - IV 496/24 RGZ 110, 228 (230). 129 Tritt die Unanfechtbarkeit später ein, ist an eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO zu denken, insbesondere dann, wenn die materielle Aufhebungspflicht erst kurz vor Ablauf der Klagefrist entstanden ist. 130 BVerwG, Urt. v. 3. 11. 1994 - 3 C 17.92 - BVerwGE 97, 79 (81 f.); die daran von Gerhardt, in: Schoch /Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 113 Rn 21 Fn 109, geübte Kritik scheint auf der mangelnden Differenzierung zwischen prozessrechtlich maßgeblichem und materiellrechtlich maßgeblichem Zeitpunkt zu beruhen.

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

in seinen Rechten verletzt „ist". 1 3 1 Mithin setzt der Erfolg der Anfechtungsklage die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes im Erlasszeitpunkt weder notwendig, noch hinreichend voraus. Vielmehr trifft das erstinstanzliche Gericht gemäß dem Prozessrecht seine Entscheidung aufgrund des im Entscheidungszeitpunkt geltenden materiellen Rechts. Sowohl die rechtliche, als auch die tatsächliche Entwicklung zwischen Erlass des Verwaltungsaktes und Entscheidung des Gerichts finden in prozessualer Hinsicht Berücksichtigung. 132 Die Gegenansicht133, die für die Entscheidung des Gerichts über die Anfechtungsklage (zumindest grundsätzlich) den Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung für maßgeblich erachtet, beruht auf einer Vermengung prozessrechtlicher und materiellrechtlicher Fragen. Die rein prozessrechtliche Frage, inwieweit die tatsächliche oder rechtliche Entwicklung seit Erlass des Verwaltungsaktes bei der Entscheidung des Gerichts zu berücksichtigen ist, muss von der rein materiellrechtlichen Frage unterschieden werden, inwieweit die tatsächliche oder rechtliche Entwicklung seit Erlass des Verwaltungsaktes für die Rechtmäßigkeit seiner Aufrechterhaltung beachtlich ist. 1 3 4 Allerdings können gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG Änderungen der Sach- und Rechtslage, die erst nach Abschluss der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten sind, keine Berücksichtigung finden. Nach verbreiteter Auffassung gilt diese Beschränkung allgemein. 135 Insbesondere scheint die nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotene Gewährung rechtlichen Gehörs die Berücksichtigung solcher Tatsachen oder Rechtsvorschriften 136 auszuschließen, die erst zwischen Abschluss der mündlichen Verhandlung und Entscheidung des Gericht entstanden sind. Zwar geht der gerichtlichen Entscheidung über die Anfechtungsklage nach § 101 Abs. 1 VwGO grundsätzlich eine mündliche Verhandlung voraus, in der die Streitsache nach 131 Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 789, weist hierbei zutreffend auf den abweichenden Wortlaut des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ( „ r e c h t s w i d r i g gewesen ist") hin. 132 Ob der prozessual berücksichtigungsfähigen rechtlichen oder tatsächlichen Entwicklung auch in materiellrechtlicher Hinsicht Bedeutung zukommt, also insbesondere eine materielle Aufhebungspflicht entstehen oder entfällen lässt, ist demgegenüber eine durch das Prozessrecht nicht beantwortete und nicht beantwortbare Frage.

»3 BVerwG, Urt. v. 25. 10. 1963 - VII C 101.62 - BVerwGE 17, 70 (73); Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 57 II. 2 (S. 304); Würtenberger, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 613; Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn 21 (Fn 109); Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, Rn 567; Sachs, in: Stelkens /Bonk/ Sachs, VwVfG, § 44 Rn 19; Rothe, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 108 Rn 17. 134 Diese Differenzierung zutreffend hervorhebend Schenke, NVwZ 1986, 522 ff. 135 Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 521; Schenke, NVwZ 1986, 522 (524); ebenso noch Baumeister, Rechtswidrigwerden von Normen, S. 66. 136 Die Gewährung rechtlichen Gehörs bezieht sich nicht nur auf Tat- sondern auch auf Rechtsfragen (vgl. § 104 Abs. 1 VwGO): BVerwG, Urt. v. 19. 11. 1982 - 8 C 158 / 8 - NVwZ 1983, 607 (607); Urt. v. 19. 7. 1985 - 4 C 62/82 - NJW 1986, 445.(445); Kothe, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 108 Rn 7; J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 108 Rn 12; einschränkend Kopp/Schenke, VwGO, § 108 Rn 21.

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§ 104 Abs. 1 VwGO mit den Prozessbeteiligten tatsächlich und rechtlich erörtert wird. Auch darf nach § 108 Abs. 2 VwGO die gerichtliche Entscheidung137 nicht auf Tatsachen und Beweisanträge gestützt werden, zu denen die Prozessbeteiligten sich nicht äußern konnten. Indessen ist zum einen die Berücksichtigungsfähigkeit einer neuen Tatsache oder Rechtsvorschrift nicht von der Gewährung rechtlichen Gehörs abhängig. Beispielsweise verletzt das Gericht zwar das Gebot rechtlichen Gehörs, wenn es seine Entscheidung auf eine Tatsache stützt, die erst nach Abschluss der mündlichen Verhandlung eingetreten und einem Prozessbeteiligten verborgen geblieben ist, so dass dieser sich nicht dazu äußeren konnte. Doch schließt nicht die Gehörsverletzung die Berücksichtigung der neuen Tatsache aus, sondern beruht umgekehrt die Gehörsverletzung auf der Berücksichtigungsfähigkeit der neuen Tatsache. Denn dürfte das Gericht die neue Tatsache bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen, müsste es die Prozessbeteiligten dazu nicht hören. Das Gericht darf und muss bei seiner Entscheidung die neue Tatsache berücksichtigen und eben aus diesem Grunde zuvor den Prozessbeteiligten die Äußerung ermöglichen. Falls zur Gewährung rechtlichen Gehörs erforderlich, ist die zuvor abgeschlossene mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. 138 Zum anderen entscheidet das Gericht in bestimmten Fällen über die Anfechtungsklage ohne vorherige mündliche Verhandlung, so bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO, mit Einverständnis der Prozessbeteiligten auch bei einer Entscheidung durch Urteil nach §§ 107, 101 Abs. 2 VwGO. In diesen Fällen kann das Prozessrecht ohnehin auf keinen anderen Zeitpunkt als den der gerichtlichen Entscheidung abstellen. 139 Prozessrechtlich maßgeblich zur Beurteilung des angefochtenen Verwaltungsaktes ist für das Eingangsgericht mithin sowohl hinsichtlich der Sachlage, als auch hinsichtlich der Rechtslage der Zeitpunkt seiner eigenen Entscheidung. Die behördliche Kompetenz zur Erstentscheidung steht dem nicht entgegen.140 Denn die Behörde hat Gelegenheit, der gerichtlichen Entscheidung zuvorzukommen, indem sie aufgrund der veränderten Sach- und Rechtslage die Aufhebung des Verwaltungsaktes selbst ausspricht, nachdem das Gericht ihr rechtliches Gehör ge137 Grundsätzlich entscheidet das Gericht über die Klage nach § 107 VwGO durch Urteil, so dass § 108 Abs. 2 VwGO unmittelbare Anwendung findet. Entsprechende Anwendung findet die Vorschrift gemäß § 84 Abs. 1 S. 3 VwGO dann, wenn das Gericht nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO ausnahmsweise durch Gerichtsbescheid entscheidet. 138 Baumeister, JURA 2005, 655 (659). Zur Gehörsverletzung durch Ablehnung eines Antrags auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung s. BVerwG, Urt. v. 11.4. 1989 - 9 C 55/88 - NVwZ 1989, 857 (858 f.); Urt. v. 3. 7. 1992 - 8 C 58/90 - NJW 1992, 3185.

»39 So bereits Baumeister, JURA 2005, 655 (656 f.). 140 Diesbezügliche Bedenken (BVerwG, Beschl. v. 19. 11.1953 -1. B. 95.53 - BVerwGE 1, 35, 37 f.; Urt. v. 6. 4. 1955 - V C 76.54 - BVerwGE 2, 55, 58 f.) hat die Rechtsprechung inzwischen überwunden (BVerwG, Urt. v. 15. 11. 1967 - I C 43.67 - BVerwGE 28, 202, 205 ff.).

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

währt hat. 1 4 1 Insbesondere die Berücksichtigung von erst nach Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes eingetretenen Tatsachen widerspricht nicht der Gewaltenteilung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Wäre das zur Entscheidung über die Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO berufene Gericht auf eine reine Rechtskontrolle beschränkt, wie etwa grundsätzlich im österreichischen Kassationsverfahren gegen Verwaltungsakte (Bescheide), müsste die tatsächliche Entwicklung seit Erlass der zu kassierenden Entscheidung außer Betracht bleiben. Dies ist jedoch bereits aufgrund deutschen Verfassungsrechts nicht der Fall. Die Verwaltungstätigkeit unterliegt nach dem Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG sowohl in rechtlicher, als auch in tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich vollständiger verwaltungsgerichtlicher Überprüfung. 142 (2) Entscheidung in der Berufungsinstanz

Zwar ist die berufungsgerichtliche Entscheidungskompetenz nach § 129 VwGO gegenständlich durch den Berufungsantrag beschränkt. 143 Doch innerhalb des Berufungsantrags prüft das Berufungsgericht nach § 128 S. 1 VwGO den Streitfall grundsätzlich „im gleichen Umfang" wie das erstinstanzliche Gericht. Es ist nicht auf die Prüfung anhand der Gründe nach § 124 Abs. 2 VwGO beschränkt, aus denen es selbst oder das erstinstanzliche Gericht die Berufung nach § 124 Abs. 1 VwGO zugelassen hat. 1 4 4 Mithin bildet die Berufungsinstanz auch nach Einführung der Berufungszulassung gemäß §§ 124,124 a VwGO eine vollständige zweite Tatsacheninstanz, die den Streitfall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht neu entscheidet145. Insbesondere ist die Prüfung durch das Berufungsgericht nach §§ 86 Abs. 1 S. 2, 125 Abs. 1 VwGO nicht an die Rügen der Beteiligten, etwa in der Berufungsbegriindung nach § 124 a Abs. 3 VwGO gebunden.146 Auch kann der Ausschluss verspäteten Vorbringens in der Berufungsinstanz gemäß § 128 a VwGO nicht solche Tatsachen betreffen, die erst nach Entscheidung des erstinstanzlichen Gericht entstanden sind. Der zur Entscheidung in der Berufungsinstanz prozessrechtlich maßgebliche Zeitpunkt ist deshalb entsprechend dem zur Entscheidung in der Eingangsinstanz prozessrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt [dazu s. o. (1)] zu bestimmen. Prozessrechtlich maßgeblich zur Entscheidung in der Berufungsinstanz ist der Zeitpunkt der berufungsgerichtlichen Entscheidung. 141 So bereits Bachof JZ 1954,416 (422) 142 Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 53 ff. 143 Ausgeschlossen ist deshalb eine reformatio in peius, ebenso wie eine reformatio in melius, Happ, in: Eyermann, VwGO, § 129 Rn. 1. 144 Happ, in: Eyermann, VwGO, § 128 Rn 2. 145 Deshalb ist beispielsweise eine Heilung von Gehörsverletzungen nach wie vor im Berufungsverfahren möglich, J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 108 Rn 25. 146 Happ, in: Eyermann, VwGO, § 128 Rn 2.

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(3) Entscheidung in der Revisionsinstanz Noch innerhalb des Revisionsantrags gemäß §§ 129, 141 S. 1 V w G O ist der revisionsgerichtliche Prüfungsumfang in dreifacher Hinsicht beschränkt. 1 4 7 Überprüft wird nur die Vereinbarkeit mit dem revisiblen Teil der Rechtsordnung 1 4 8 (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind grundsätzlich bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Zudem wird in bestimmten Fällen ausschließlich über den geltend gemachten Revisionsgrund entschieden (§ 137 Abs. 3 V w G O ) . Während des Revisionsverfahrens eintretende Rechtsänderungen sind vom Revisionsgericht grundsätzlich in gleichem Umfange zu beachten, wie sie die Vorinstanz bei einer Entscheidung zum gleichen Zeitpunkt hätte berücksichtigen müss e n . 1 4 9 Dieser Grundsatz gilt jedoch nur für das nach § 137 Abs. 1 V w G O revisible Recht. Hinsichtlich des irrevisiblen Rechts muss das Revisionsgericht die durch die Vorinstanz vorgenommene Anwendung hinnehmen. 1 5 0 Da die Vorinstanz nur 147 Dazu Kuhla, in: ders./Hüttenbrink/Endler, Verwaltungsprozess, F. Rn 206 ff. 148 Revisibel sind: - das gesamte Gemeinschaftsrecht (analog § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, BVerfG, Beschl. v. 31. 5. 1990 - 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87 - BVerfGE 82, 159, 196; überdies dürfte das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 10 EGV gebieten, das Gemeinschaftsrecht ebenso als Revisionsmaßstab heranzuziehen wie das Bundesrecht als gesamtmitgliedstaatliches Recht nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO); - das gesamte Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), einschließlich der durch Art. 25 GG ins Bundesrecht transformierten allgemeinen Regeln des Völkerrechts; - das Landesrecht, soweit dies bundesrechtlich bestimmt ist, darunter die mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes im Wortlaut übereinstimmenden Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) sowie das gesamte Landesrecht bei Klagen aus dem Beamtenverhältnis (§ 127 Abs. 2 BRRG, vgl. § 71 Abs. 3 DRiG); - das Landesrecht, soweit dies aufgrund von Art. 99 GG landesrechtlich bestimmt ist, darunter in toto das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz (Art. 97 BayVwVfG) und das Allgemeine Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (§ 304 LVwG SH); - das Kirchenrecht, soweit dies kirchenrechtlich bestimmt ist, bei Klagen aus dem kirchenrechtlichen Dienstverhältnis §§ 127, 135 BRGG i.V. m. Kirchenrecht (dazu Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140, Art. 137 WRV Rn 14). 149 So, in einer prozessualen Verpflichtungssituation, auch BVerwG, Urt. v. 17.12.1954 V C 97.54 - BVerwGE 1, 291 (298 f.); Urt. v. 1.12.1972 - IV C 6.71 - BVerwGE 41, 227 (230f.); Urt. v. 21.1.1992-1 C 21.87-BVerwGE 89,296 (298); allgemein Schmitt Glaeser/ Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 484. Ebenso für das zivilgerichtliche Revisionsverfahren BGH, Urt. v. 26. 2. 1953 - IE ZR 214/50-BGHZ 9,101 (102), in Abkehr von RG, Urt. v. 18. 1. 1900-Rep. V I 3 5 3 / 9 9 - R G Z 45,418(421 f.) 150 Nur scheinbar ist davon eine Ausnahme zu machen, wenn die Vorinstanz in Anwendung des irrevisiblen Rechts gegen Denkgesetze oder allgemeine Auslegungsgrundsätze verstoßen hat. Denn in diesem Fall verstößt die Vorinstanz gegen Art. 20 Abs. 3 GG als bundesrechtliche und deshalb nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO revisible Vorschrift, die die Rechtsprechung an das Recht bindet, BVerwG, Urt. v. 14. 9. 1994 - 6 C 42.92 - BVerwGE 96, 350 (355).

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

das bereits im Zeitpunkt ihrer Entscheidung bestehende Recht anwenden kann, wird in prozessualer Hinsicht das irrevisible Recht in diesem Zustand angehalten. Die Entwicklung des irrevisiblen Rechts seit Entscheidung der Vorinstanz bleibt im revisionsgerichtlichen Verfahren unberücksichtigt. Die von der Vorinstanz getroffenen tatsächlichen Feststellungen binden nach §137 Abs. 2 VwGO das Revisionsgericht, sofern ihretwegen keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht sind. Die von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen können nur solche Tatsachen betreffen, die bereits im Zeitpunkt der vorinstanzlichen Entscheidung bestanden haben. Daraus folgt aber nicht, dass etwaige später entstandene Tatsachen vom Revisionsgericht festzustellen sind. Vielmehr dient das Revisionsverfahren gemäß § 141 S. 1 a. E. VwGO im Unterschied zum Berufungsverfahren gemäß § 128 S. 1 VwGO nicht als weitere Tatsacheninstanz. Dies geht zwar nicht ausdrücklich aus den Bestimmungen über die Revision im 13. Abschnitt der Verwaltungsgerichtsordnung hervor. 151 Doch trägt etwa die Neufassung des § 45 Abs. 2 VwVfG dem Verständnis des Revisionsverfahrens als bloßer Rechtskontrolle dadurch Rechnung, dass sie der Nachholung von Verfahrenshandlung nach Abschluss der letzten Tatsacheninstanz die heilende Wirkung abspricht. Somit schließt § 137 Abs. 2 VwGO die revisionsgerichtliche Berücksichtigung solcher Tatsachen aus, deretwegen deshalb keine Revisionsgründe geltend gemacht werden können, weil sie im Zeitpunkt der Entscheidung der Vorinstanz noch nicht vorlagen. Somit wird die Sachlage in dem Zustand betrachtet, in dem sie sich bei Entscheidung der Vorinstanz befand. Die tatsächliche Entwicklung seit Entscheidung der Vorinstanz kann vor dem Revisionsgericht keine Berücksichtigung finden. 152 Unter den Voraussetzungen des § 137 Abs. 3 S. 1 VwGO entscheidet das Gericht nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel, so dass es auf das materielle Recht nicht ankommt und sich die Frage nach dem prozessrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt nicht stellt. Zwar muss das Revisionsgericht, um die Voraussetzungen des § 137 Abs. 3 S. 1 VwGO zu bejahen, das Fehlen einer grundsätzlichen Bedeutung nach § 132 Abs. 3 Nr. 1 VwGO sowie das Fehlen einer Divergenz nach § 132 Abs. 3 Nr. 2 VwGO prüfen und insoweit eine Beurteilung der Rechtssache anhand des materiellen Rechts vornehmen. Doch ist dazu kein anderer Zeitpunkt prozessrechtlich maßgeblich als in den regulären Fällen nach § 137 Abs. 3 S. 2 VwGO, in denen die Revisionsgründe die revisionsgerichtliche Prüfung nicht beschränken. Folglich entscheidet das Revisionsgericht aufgrund der Sachlage und des irrevisiblen Rechts im Zeitpunkt der vorinstanzlichen Entscheidung und des revisiblen 151 Zutreffend hebt R Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 137 Rn 27, hervor, dass § 137 Abs. 2 VwGO seinem Wortlaut nach nur die von der Vorinstanz getroffenen tatsächlichen Feststellungen erfasst und keine Aussage zu den von der Vorinstanz nicht festgestellten Tatsachen enthält. 152 s. nur BVerwG, Urt. v. 19. 10. 1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192 (198), Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 55; Scherzberg, BayVBl. 1992, 426 (427).

L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

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Rechts im Zeitpunkt seiner eigenen Entscheidung. Prozessrechtlich maßgeblich ist hinsichtlich der tatsächlichen Entwicklung und hinsichtlich der Entwicklung des irrevisiblen Rechts der Zeitpunkt der Entscheidung der Vorinstanz, hinsichtlich der Entwicklung des revisiblen Rechts der eigene Entscheidungszeitpunkt.

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ergibt sich der für die Entscheidung in der Eingangs-, Berufungs- oder Berufungsinstanz hinsichtlich des revisiblen Rechts, des irrevisiblen Rechts und der Sachlage prozessual maßgebliche Zeitpunkt: Revisibles Recht

Irrevisibles Recht

Sachlage

Eingangsinstanz

Zeitpunkt der eingangsinstanzlichen Entscheidung

Berufungsinstanz

Zeitpunkt der berufungsgerichtlichen Entscheidung

Revisionsinstanz

Zeitpunkt der revisionsgerichtlichen Entscheidung

b) Materiellrechtlich

Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Entscheidung

maßgeblicher

Zeitpunkt

In Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes zieht sich das Bundesverwaltungsgericht in letzter Zeit meist auf die Besonderheiten des jeweils einschlägigen materiellen Rechts zurück. 153 Insoweit wurde bereits ein „Verlust der Systemat i k " 1 5 4 befürchtet, zumal die von der älteren Rechtsprechung bemühten Kriterien allenfalls noch als Anhaltspunkte Anwendung finden. So stützt das Gericht die Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der letzten mündlichen Verhandlung gelegentlich auf die „Dauerwirkung" des angefochtenen Verwaltungsaktes 155, wohingegen der 153 s. nur BVerwG, Urt. v. 3.11.1986 - 9 C 254.86 - BVerwGE 78, 243 (244 f.); Beschl. v. 21.12. 1989 - 7 B 21.89 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 214; Beschl. v. 23.11.1990 - 1 B 155/90-NVwZ 1991,372 f. In Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes verfolgen einen ausgeprägt „materiellrechtlichen Ansatz" bereits BVerwG, Urt. v. 28. 11. 1975 - IV C 45.74 - BVerwGE 50, 2 (9 f.); Urt. v. 18. 5. 1982 - I C 42.80 - BVerwGE 65, 313 (315); Urt. v. 29. 9. 1982 - 8 C 138.81 BVerwGE 66,178 (182). 154 So Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 28 f., die diese Beurteilung allerdings mit einem Fragezeichen versieht. 155 So die Rechtsprechung zu Verkehrsregelungen, dazu s. u. 3. a) dd). Dabei bleibt der schillernde Begriff der „Dauerwirkung" meist allzu unbestimmt, s. nur die insoweit berechtigte Kritik von Felix, NVwZ, 2003, 385 (386 f.). Jedenfalls darf der „Verwaltungsakt mit Dauerwirkung" nicht unbesehen mit dem für die Zwecke dieser Arbeit definierten Begriff des „ D a u e r v e r w a l t u n g s a k t e s " (s. o. C. II. 1.) identifiziert werden.

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

gestaltende Regelungsgehalt des angefochtenen Verwaltungsaktes 156 oder die gesetzliche Ausformung eines besonderen Verfahrens, um die durch den angefochtenen Verwaltungsakt verbotene Tätigkeit wieder zu gestatten157 oder die durch den angefochtenen Verwaltungsakt gewährte Erlaubnis wieder zu entziehen 158 , für die Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der letzten Behördenentscheidung sprechen sollen. Dieser Zeitpunkt wird tendenziell auch in den Fällen einer Drittanfechtung für maßgeblich erachtet. 159 Falls ein Zeitpunkt durch den Klageantrag fixiert ist, soll hingegen dieser Zeitpunkt maßgeblich sein. 160 Dementsprechend wird teilweise auch in der Lehre die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt als Abwägungsproblem gesehen.161 Der maßgebliche Zeitpunkt eröffne eine „richterliche Gestaltungsmöglichkeit", indem er Raum biete, etwaige Änderungen der Sach- und Rechtslage im Einzelfall zu berücksichtigen. Das Gericht habe in die Abwägung einzustellen erstens die Entscheidungskompetenz der Verwaltung, zweitens die Belastung der Verwaltung, falls sie die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes noch während des anhängigen Prozesses im Blick behalten muss, drittens die Deckungsgleichheit der Kontrollkompetenzen von Gericht und Widerspruchsbehörde, viertens die Vorwirkungen des Gebots effektiven Rechtsschutzes auf die Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens, fünftens das etwaige besondere öffentliche Interesse an der Durchführung eines erneuten Verwaltungsverfahrens, sechstens die erkennbare Bereitschaft der Behörde, den Verwaltungsakt aufzuheben, siebtens allgemein die Prozessökonomie sowie die Effektivität des Rechtsschutzes und achtens die Interessen Dritter. Indessen führt eine solchermaßen komplexe und auf den Einzelfall bezogene Abwägung schwerlich zu einer „dogmatisch konsistenten" Lösung des Problems. 162 Aus dogmatischer Sicht gibt es keine „richterliche Gestaltungsmöglichkeit" in Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes. 163 Insbesondere ist vom Gesetz vorgegeben, ob und welche Gestaltung das über die Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO entscheidende Gericht vornimmt. 164 Die Ermittlung des materiellrechtlich maßgeblichen Zeit-

156 So BVerwG Urt. v. 12. 12. 1967 - I C 1.67 - BVerwGE 28, 292 (293 f.). Vgl. auch BVerwG, Urt. v. 12. 3. 1965 - V I I C 175.63 - BVerwGE 20, 316 (319) 157 So die (neuere) Rechtsprechung zur Gewerbeuntersagung, dazu s. u. 3. a) aa). 158 So die Rechtsprechung zur Entziehung der Fahrerlaubnis, dazu s. u. 3. b) bb). 159 So insbesondere die Rechtsprechung zur Nachbaranfechtung der Baugenehmigung, dazu s. u. 3. b) dd). 160 So stellt die frühere Rechtsprechung zur Anfechtung einer Gewerbeuntersagung, BVerwG, Urt. v. 15. 11. 1967 - 1 C 43.67 - BVerwGE 28,202 ff. 161 So insbesondere Buhren, DVB1. 1976, 68 (70), Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (620 ff.), teilweise auch Hufen, Verwaltungsprozessrecht § 24 Rn 10. Im Hinblick auf die Drittanfechtung hält auch Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 98, eine Abwägung (zwischen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem Vertrauensschutz der Beteiligten) für die Lösung des Problems. 162 So aber Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (620 ff.). 163 So aber Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (612 ff.).

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punktes ist zunächst eine Auslegungsfrage und nur insoweit eine Abwägungsfrage, wie zu diesem Zweck die vom Gesetzgeber zur Festlegung des materiellrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt vorgenommene Abwägung nachvollzogen werden muss. Die Auslegungsfrage, welchen Zeitpunkt das materielle Recht als materiellrechtlich maßgeblich festgelegt hat, muss von der bereits beantworteten Auslegungsfrage unterschieden werden, welchen Zeitpunkt das prozessuale Recht als prozessrechtlich maßgeblich bestimmt hat [dazu s. o. a)]. Erst nachdem die prozessrechtliche Frage bejaht ist, ob das Gericht bei seiner Entscheidung eine veränderte Sach- und Rechtslage berücksichtigen muss, stellt sich die materiellrechtliche Frage, ob die veränderte Sach- und Rechtslage für das Bestehen einer materiellen Aufhebungspflicht beachtlich ist. Mithin ist der materiellrechtlich maßgebliche Zeitpunkt nicht durch den prozessrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt vorbestimmt. Die Trennung zwischen prozessualer und materieller Fragestellung ist nicht neu 1 6 5 , wird aber bezüglich des maßgeblichen Zeitpunktes in der Lehre bisher nur teilweise mit hinreichender Schärfe vollzogen. 166 Der prozessrechtlich maßgebliche Zeitpunkt gibt lediglich an, auf welches materielle Recht das Prozessrecht abstellt, auf das im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung oder auf das in einem anderen Zeitpunkt geltende. Auf welchen Zeitpunkt das im prozessrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt geltende materielle Recht Bezug nimmt, wird erst durch Angabe des materiellrechtlich maßgeblichen Zeitpunktes beantwortetet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist nur dann rechtswidrig i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, wenn nach dem im prozessrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt geltenden materiellen Recht für den materiellrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt eine Aufhebungspflicht besteht. Der prozessrechtlich maßgebliche Zeitpunkt stimmt mit dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung überein, sofern nicht die Beurteilung der Sachlage oder des irrevisiblen Rechts durch das Revisionsgericht in Rede steht; abzustellen ist richtigerweise nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung [s. o. a) bb) (1)]. Mit diesen Einschränkungen kann dem Bundesverwaltungsgericht 167 beigepflichtet werden, dass die Erfolgsaussichten einer Klage nach dem materiellen 164 Vom gestaltenden Charakter des Anfechtungsurteils auf eine „Gestaltungsfreiheit" des über die Anfechtungsklage entscheidenden Gerichts schließend hingegen Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (612). 165 s. nur bereits Bachof JZ 1954,416 (418). 166 Zutreffend die Unterscheidung bei Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 783 ff.; ders., NVwZ 1986, 522 (523 ff.); Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 50 ff., 107 ff.; Baumeister, Rechtswidrigwerden von Normen, S. 66; in Ansätzen auch Piendl, Studie zur maßgebenden Sach- und Rechtslage, S. 179. Bei Fragen vermengen hingegen weiterhin namentlich Hufen, Verwaltungsprozessrecht § 24 Rn 7; Spannowsky, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 113 Rn 64 ff. 167 Hinsichtlich Anfechtungsklagen BVerwG, Urt. v. 25.11.1981 - 8 C 14.81 - BVerwGE 64,218 (221 f.); Urt. v. 18.5.1982 - I C 42.80 - BVerwGE 65,313 (315); Urt. v. 29.9. 1982 -

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Recht zu beurteilen sind, das sich zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung Geltung beimisst. 168 Dem materiellen Recht sind nicht nur die Voraussetzungen zu entnehmen, unter denen ein materieller Aufhebungsanspruchs besteht, sondern auch die Antwort auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen. 169 Im Ergebnis kommt es deshalb entscheidend auf das materielle Recht an. 1 7 0 Eine Schärfung des anzulegenden Prüfungsmaßstabes betrifft die an den Erlassvorgang gestellten formellen [aa)] oder materiellen Anforderungen [bb)] oder die an das Erlassergebnis gestellten materiellen Anforderungen [cc)]. aa) Formelle Anforderungen an den Erlassvorgang Die formellen Anforderungen knüpfen an das den Verwaltungsakt hervorbringende behördliche Verhalten als den Vorgang des Erlasses an [s. o. K. I. 1., 2. a)]. Die Rechtmäßigkeit dieses in einem Zeitpunkt nach Erlass bereits vergangenen Verhaltens kann ausschließlich rückwirkend einer veränderten Beurteilung unterzogen werden kann. Ein formeller Fehler des Erlassvorganges wird im Falle der Heilung rückwirkend behoben [dazu s. u. M. II. 2. b) aa)]. Ein formeller Fehler des Erlassvorganges tritt beispielsweise dann rückwirkend ein, wenn der zur Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag des Betroffenen nachträglich (wirksam) zurückgezogen wird. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens kann zwar ein bisheriger formeller Fehler des Ausgangsverwaltungsaktes behoben werden [dazu s. u. M. II. 2. b) aa)], jedoch kein neuer formeller Fehler des Ausgangsverwaltungsaktes eintreten. Denn die Modalitäten des Verfahrens sind von der „Gestalt" nicht erfasst, die der Ausgangsverwaltungsakt nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO durch den Widerspruchsbescheid findet. 171 Eine auf Wirkung für die Zukunft beschränkte Schärfung der formellen Anforderungen ist nicht möglich. 172 Vielmehr ist hinsichtlich der formellen Anforderun8 C 138.81 - BVerwGE 66, 178 (182); Urt. v. 27. 4. 1990 - 8 C 87/88 - NVwZ 1991, 360 (360); Beschl. v. 21. 12. 1989 - 7 B 21 /89 - NVwZ 1990,652 (652 f.). Hinsichtlich Verpflichtungsklagen zuvor bereits BVerwG, Urt. v. 6. 1. 1969 - V I C 38.66 BVerwGE 31,170(171 f.). 168 Scherzberg, BayVBl. 1992, 426 (427) hebt in diesem Zusammenhang zutreffend die dienende Funktion des Prozessrechts für das materielle Recht hervor. Ebenso Bachof, JZ 1954,416 (418); Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 139. 169 BVerwG, Urt. v. 3. 11. 1986-9 C 254.86 - BVerwGE 78, 243 (244). 170 BVerwG, Urt. v. 28. 11. 1975 - IV C 45.74 - BVerwGE 50, 2 (9 f.); Urt. v. 27. 1. 1982 - 8 C 12.81 - BVerwGE 64, 356 (358); Urt. v. 18. 5. 1982 - I C 42.80 - BVerwGE 65, 313 (315); Urt. v. 29. 9. 1982 - 8 C 138.81 - BVerwGE 66, 178 (182); Urt. v. 3. 11. 1986 - 9 C 254.86 - BVerwGE 78, 243. Das materielle Recht wird dabei - unter Einschluss des formellen Rechts - als Gegenbegriff zum Prozessrecht verstanden. 171 Pietzcker, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 70 Rn 5; Dawin, NVwZ 1987, 872 (873).

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gen der Zeitpunkt des Erlasses materiellrechtlich maßgeblich. Dies gilt auch dann, wenn ein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden ist. Der teilweise vertretenden Ansicht 173 , für die Beurteilung eines solchen Verwaltungsaktes komme es „in jedem Fall" frühestens auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids an, kann deshalb nicht gefolgt werden. bb) Materielle Anforderungen an den Erlassvorgang Das für die formellen Anforderungen an den Erlassvorgang Gesagte [s. o. aa)], kann auf die an den Erlassvorgang gestellten materiellen Anforderungen übertragen werden. Die materiellen Anforderungen an den Erlassvorgang betreffen die Konkretisierung eines Ermessensrahmens oder Beurteilungsspielraumes [s. o. K. I. 2. b) bb)]. Ob die Behörde die ihr zukommenden Gestaltungsspielräume fehlerfrei genutzt hat, kann allenfalls rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlasses einer veränderten Beurteilung unterzogen werden. Die nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO letztlich durch den Widerspruchsbescheid festgelegte „Gestalt" des Ausgangsverwaltungsaktes erfasst auch die tragenden Gründe der behördlichen Entscheidung174 [s.o. F. IV. 1. b)]. Die Ermessenserwägungen der Widerspruchsbehörde verdrängen die Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde auch dann, wenn erst durch sie der Ausgangsverwaltungsakt an einem Ermessensfehler leidet 175 . In diesem Fall verbleibt für die Prüfung der - eventuell ermessensfehlerfreien - ursprünglichen Fassung des Verwaltungsaktes kein Raum. 176 Demgegenüber ist eine auf Wirkung für die Zukunft beschränkte Schärfung der materiellen Anforderungen an den Erlassvorgang nicht möglich, ebenso wenig der Eintritt ex nunc eines Ermessensfehlers oder Beurteilungsfehlers. Beispielsweise kann für einzelne Betriebe des Gaststättengewerbes gemäß § 18 S. 2 Var. 1 GastG i. V. m. Landesrecht 177 die Sperrzeit nach Ermessen verlängert werden, wenn ein öffentliches Bedürfnis oder besondere örtliche Verhältnisse vorliegen. Eine Sperrzeitverlängerung ist in materieller Hinsicht rechtmäßig, sofern der gesetzliche Tat172

Insoweit führt Baumeister, Rechtswidrig werden von Normen, S. 211, zutreffend aus, dass „Kriterien, die den Erlaß(Vorgang) einer Norm betreffen, ... für die Frage nach dem Fortdauern der Rechtmäßigkeit keine Rolle mehr spielen können". Unzutreffend ist allerdings die von Baumeister vorgenommene Identifikation der Anforderungen an den Erlassvorgang mit den formellen Anforderungen. 173 So Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (602). 174 Happ, in: Eyermann, VwGO, § 79 Rn 10; Dawin, NVwZ 1987, 872 (873); Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 79 Rn 4. 175 Dawin, N V w Z 1987, 872 (873). 176 BVerwG, Beschl. v. 26. 2. 1987 - 4 B 25.87 - Buchholz 310 § 68 VwGO Nr. 29, unter Hinweis auf die „prozessuale Einheit" von Ausgangsverwaltungsakt und Widerspruchsbescheid. 177 Beispielsweise § 4 Abs. 3 S. 1 Var. 1 GastV NRW.

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bestand erfüllt und das durch die gesetzliche Rechtsfolge eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt worden ist. Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer angefochtenen Sperrzeitverlängerung nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ist hinsichtlich der gesetzlichen Tatbestands Voraussetzungen der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung materiellrechtlich maßgeblich, nicht jedoch hinsichtlich der fehlerfreien Ausübung des Ermessens. 178 Der Verwaltungsgerichthof Baden-Württemberg erachtet insoweit den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung für maßgeblich. 179 Dem kann so nicht zugestimmt werden. Zwar finden die dem Ausgangsverwaltungsakt zugeordneten Ermessenserwägungen ihre letztlich maßgebliche „Gestalt" nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO erst durch den Widerspruchsbescheid. Doch kommt den im Widerspruchsbescheid nachgeschobenen Ermessenserwägungen zumindest dann keine heilende Wirkung zu, wenn sie sich auf neue, erst nach Erlass des Ausgangsverwaltungsaktes eingetretene Umstände beziehen [s. u. M. II. 2. b) bb)]. Hinsichtlich der fehlerfreien Ausübung des Ermessens ist mithin der Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsverwaltungsakts maßgeblich. Dies bestätigt eine Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zu einem Fall, in dem der Ausgangsbehörde aufgrund einer Rechtsänderung erst während des Widerspruchsverfahrens Ermessen eingeräumt wird. Obwohl die Ausgangsbehörde angesichts der früheren Rechtslage kein Ermessen ausgeübt hat, fällt der Ausgangsverwaltungsakt mit der Rechtsänderung nicht nachträglich einer Ermessensunterschreitung anheim. 180 Die Notwendigkeit, hinsichtlich etwaiger Abwägungsmängel (Ermessensfehler, Beurteilungsfehler) spätestens auf den Zeitpunkt der ersten Verwaltungsentscheidung abzustellen, bestätigt § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB. Nach dieser Vorschrift ist für die Abwägung über einen Flächennutzungsplan oder eine Satzung nach dem Baugesetzbuch die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung maßgebend. Da das Gesetz für Verwaltungsakte eine solche Vorverlagerung auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht trifft, ist hinsichtlich der Konkretisierung eines Ermessensrahmens oder Beurteilungsspielraumes der Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsverwaltungsaktes materiellrechtlich maßgeblich.

178 Der Sache nach (für die entsprechende baden-württembergische Rechtslage) auch VGH BW, Beschl. v. 30. 9. 1993 - 14 S 1946/93 - VB1BW. 1994, 58 (59). 179 VGH BW, Beschl. v. 30. 9. 1993 - 14 S 1946/93 - VB1BW. 1994, 58 (59). Nach Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (600 Fn 9) soll sich hinsichtlich Ermessensentscheidung die Maßgeblichkeit der Zeitpunktes der letzten Behördenentscheidung aus der „Natur der Sache" ergeben. Dieser Aussage kann insofern zugestimmt werden, dass Änderungen nach der letzten Behördenentscheidung unbeachtlich sind. Indessen zwingt die „Natur der Sache", nämlich der Charakter der Ermessensanforderungen als Vorgangsanforderungen, entgegen Sauthoff bereits den Zeitpunkt der ersten Behördenentscheidung für maßgeblich zu erachten. 180 Hess VGH, Urt. v. 23. 2. 1988 - 9 UE 1965/85 - NVwZ 1988,743 ff.

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cc) Materielle Anforderungen an das Erlassergebnis Unmittelbar auf das Erlassergebnis nehmen diejenigen materiellen Anforderungen Bezug, die weder die Ausübung von Ermessen noch die Konkretisierung eines Beurteilungsspielraumes betreffen [s. o. K. I. 2. b) aa)]. Die intendierte Regelung bildet das Ergebnis des Erlasses (s. o. K. I. 1.) und wird insbesondere durch den zeitlichen Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes festgelegt (s. o. C. I. 1.). Anhand des zeitlichen Regelungsgehaltes lassen sich Punktverwaltungsakte [(1)] und Dauerverwaltungsakte [(2)] unterscheiden. (1) Beurteilung

des Punktverwaltungsaktes

Die materiellen Anforderungen an das Erlassergebnis eines Punktverwaltungsaktes sind keiner auf Wirkung für die Zukunft beschränkten Schärfung zugänglich. Denn Erlassergebnis ist die intendierte Regelung des Verwaltungsaktes (s. o. K. I. 1.), wobei Punktverwaltungsakte ausschließlich in einem Zeitpunkt eine Rechtsfolge intendieren (s. o. C. II. 1.). Dies ist zugleich der hinsichtlich der Anforderungen an das Erlassergebnis materiellrechtlich maßgebliche Zeitpunkt. Denn da eine Schärfung ex nunc den Verwaltungsakt nur insoweit ergreift, wie in den der Schärfung nachfolgenden Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendiert ist, geht sie beim Punktverwaltungsakt ins Leere. Dementsprechend können Punktverwaltungsakte nicht „rechtswidrig werden" [dazu s. o. 1. b)]. Der einzige Zeitpunkt, in dem der Punktverwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert, ist grundsätzlich der Zeitpunkt seines Erlasses. Dieser Grundsatz ist anzuwenden, wenn es an einer Widerspruchsentscheidung (noch) fehlt, sowie dann, wenn der Widerspruch unter Aufrechterhaltung des Punktverwaltungsaktes zurückgewiesen worden ist [dazu s. o. F. IV. 1. b)]. Insofern dem Widerspruch unter Kassation des Punktverwaltungsaktes stattgegeben worden ist [dazu s. o. F. IV. 1. a)], stellt sich mangels äußerer Wirksamkeit nicht die Frage, in welchem Zeitpunkt der Punktverwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert. Der Punktverwaltungsakt intendiert eine Rechtsfolge nur dann in einem späteren Zeitpunkt als dem seines Erlasses, wenn der Widerspruch unter Reformation des Punktverwaltungsaktes zurückgewiesen und dadurch der zeitliche Regelungsgehalt verschoben worden ist [dazu s. o. F. IV. 1. c)]. Dann ist dieser Zeitpunkt für die Beurteilung des Punktverwaltungsaktes anhand der materiellen Anforderungen an das Erlassergebnis maßgeblich. (2) Beurteilung

des Dauerverwaltungsaktes

Inwieweit die materiellen Anforderungen an das Erlassergebnis eines Dauerverwaltungsaktes ex nunc geschärft werden können, hängt davon ab, ob es sich um punktuelle [(a)] oder um dauernde Anforderungen [(b)] handelt.

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Steinweg

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

(a) Punktuelle Anforderungen Punktuelle Rechtmäßigkeitsanforderungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie allein auf die Sach- und Rechtslage zu einem bestimmten Zeitpunkt abstellen. Punktueller Art sind demnach zunächst die formellen oder materiellen Anforderungen an den Erlassvorgang des Verwaltungsaktes [s. o. aa)-bb)]. Ferner sind beim Punktverwaltungsakt auch die an das Erlassergebnis gestellten materiellen Anforderungen notwendig punktueller Art [s. o. (1)]. Schließlich finden sich auch unter den materiellen Anforderungen an das Erlassergebnis eines Dauerverwaltungsaktes solche, die lediglich auf die Sach- und Rechtslage zu einem bestimmten Zeitpunkt Bezug nehmen. Dies ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Erlasses, ausnahmsweise der Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung, sofern der Widerspruchsbescheid den zeitlichen Regelungsgehalt des Dauerverwaltungsaktes auf diesen Zeitpunkt verschoben hat [dazu s. o. F. IV. 1. c)]. Der besagte Zeitpunkt ist zur Beurteilung des Dauerverwaltungsaktes anhand der punktuellen Anforderungen materiellrechtlich maßgeblich. Die punktuellen Anforderungen können allenfalls mit Wirkung für die Vergangenheit, nicht jedoch beschränkt auf Wirkung für die Zukunft geschärft werden. Dauerverwaltungsakt ist beispielsweise der eine Geldforderung konkretisierende befehlende Verwaltungsakt (s. o. C. II. 2.). Dieser Verwaltungsakt ist nur dann rechtmäßig, wenn zum Zeitpunkt des Erlasses die zu konkretisierende abstrakte Geldforderung besteht. Diese Geldforderung erlischt dann rückwirkend, wenn der Schuldner gegen sie mit einer ihm zustehenden Gegenforderung aufrechnet. Nach dem allgemeinen Rechtsgedanken, der in § 389 BGB seinen Ausdruck gefunden hat, bewirkt die öffentlich-rechtliche Aufrechnung 181 , dass die Hauptforderung des Verwaltungsträgers und die Gegenforderung des Betroffenen, soweit sie sich decken, rückwirkend auf den Zeitpunkt erlöschen, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Falls dieser Zeitpunkt vor dem Zeitpunkt des Erlasses liegt, ist der die Hauptforderung konkretisierende Verwaltungsakt rückwirkend als rechtswidrig erlassen zu beurteilen. Falls dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt des Erlasses liegt, führt eine Aufrechnung zur rückwirkenden Erfüllung der konkretisierten Hauptforderung. Doch bleibt der die Hauptforderung konkretisierende Verwaltungsakt in diesem Fall rechtmäßig. (b) Dauernde Anforderungen Dauernde Rechtmäßigkeitsanforderungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie für verschiedene Teile der intendierten Regelung des Dauerverwaltungsaktes auf die Sach- und Rechtslage zu verschiedenen Zeitpunkt abzustellen. Ein Dauerverwaltungsakt intendiert noch in Zeitpunkten nach Erlass eine Rechtsfolge für den 181

Zur Anwendung des Instituts der Aufrechnung auch im öffentlichen Recht s. BVerwG, Urt. v. 12. 2. 1987 - 3 C 22.86 - BVerwGE 77, 19 (21 f.); Urt. v. 19. 5. 1994 - 5 C 33.91 BVerwGE 96,71 (73); Ehlers, JuS 1990, III ff.

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jeweils gegenwärtigen Zeitraum (s. o. C. II. 1., IV.). Daher lässt sich die intendierte Regelung des Dauerverwaltungsaktes anhand der Zeitpunkte, in denen eine Rechtsfolge intendiert wird, in Segmente zerlegen. Jedes Segment intendiert eine Rechtsfolge in einem Zeitpunkt für den jeweils gegenwärtigen Zeitraum. Eine Schärfung ex nunc des Prüfungsmaßstabes ergreift nur diejenigen Segmente, die in den nachfolgenden Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendieren. Die dauernden Anforderungen stellen je nach betroffenem Segment auf den Zeitpunkt ab, in dem das Segment eine Rechtsfolge intendiert. 182 Insoweit gleicht jedes Segment des Dauerverwaltungsaktes einem Punktverwaltungsakt, zu dessen Beurteilung ebenfalls der einzige Zeitpunkt materiellrechtlich maßgeblich ist, in dem er eine Rechtsfolge intendiert [dazu s. o. (1)]. Zwar beruhen die einzelnen Segmente eines Dauerverwaltungsaktes auf einem einheitlichen Erlassvorgang und werden nicht sukzessiv durch jeweils gesonderte Erlassvorgänge hervorgebracht, wie es bei aneinander anschließenden Punktverwaltungsakten der Fall ist. 1 8 3 Doch stimmt der zeitliche Regelungsgehalt des Dauerverwaltungsaktes mit dem zeitlichen Regelungsgehalt einer Kette von Punktverwaltungsakten überein, die teilweise bereits erlassen sind, teilweise noch erlassen werden. Bereits erlassene Punktverwaltungsakte werden durch eine Schärfung ex nunc des Prüfungsmaßstabes nicht berührt [s. o. (1)]. Hingegen müssen sich Punktverwaltungsakte, die noch erlassen werden, auch an etwaigen neuen, lediglich ex nunc erhobenen, Rechtmäßigkeitsanforderungen messen lassen. Demgemäß ergreift die in einem Zeitpunkt vorgenommene regulärwirkende Schärfung des Prüfungsmaßstabes nur solche Segmente des Dauerverwaltungsaktes, die in späteren Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendieren. Genügen diese Segmente den ex nunc geschärften Anforderungen nicht, so ist der Verwaltungsakt i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO als „rechtswidrig geworden" zu beurteilen. Einem „Rechtswidrigwerden" nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO steht nicht entgegen, dass ein „Rechtswidrigwerden" nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG nicht möglich ist. 1 8 4 Denn die Befugnis und Pflicht zur unbenannten Aufhebung, die mit der Anfechtungsklage durchsetzbar ist, muss von einer Befugnis und Pflicht zur amtswegigen Aufhebung unterschieden werden [dazu s. o. II. 2. b) dd)]. Ferner kann ein „Rechtswidrigwerden" nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass ein Verwaltungsakt der Konkretisierung (allein) der 182 Hinsichtlich der dauernden Anforderungen an Dauerverwaltungsakte trifft mithin zu, dass die „unmittelbare Geltungsdauer" (gemeint: der zeitliche Regelungsgehalt) das die maßgebende Sach- und Rechtslage bestimmende Kriterium bildet, Sieger, Die maßgebende Sachund Rechtslage, S. 65. 183 Missverständlich insoweit Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 798, der Verwaltungsakt mit Dauerwirkung als „Summierung einzelner Verwaltungsakte..., die in einem einzigen Verwaltungsakt zusammengefasst sind", bezeichnet. 184 Eine allzu voreilige Gleichsetzung des Rechtswidrigkeitsbegriffs des § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG mit demjenigen des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO vornehmend Scherzberg, BayVBl. 1992, 426 (428 f.).

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

im Erlasszeitpunkt geltenden Rechtslage diene. 185 Denn anders als ein Punktverwaltungsakt intendiert ein Dauerverwaltungsakt noch in Zeitpunkten nach Erlass eine Rechtsfolge (s. o. C. II. 1.), konkretisiert mithin noch in diesen Zeitpunkten die Rechtslage. Anforderungen dauernder Art sind beispielsweise die tatbestandlichen Anforderungen an eine Sperrzeitverlängerung gemäß § 18 S. 2 Var. 1 GastG i.V. m. Landesrecht. Änderungen der Sach- und Rechtslage zwischen dem Erlass des Verwaltungsaktes und der Entscheidung des Gerichtes sind materiellrechtlich beachtlich. 1 8 6 Unerheblich ist, dass Rechtsfolge des § 18 S. 2 GastG die Einräumung von Ermessen und hinsichtlich der Ausübung von Ermessen der Zeitpunkt des Erlasses maßgeblich ist [dazu s. o. bb)]. Der Befund des Bundesverwaltungsgerichts 187, die Rechtmäßigkeit einer Ermessensentscheidung könne nicht von der späteren Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse abhängen, darf lediglich auf die der Ausübung von Ermessen eigentümlichen Vorgangsfehler, nicht auf das Fehlen einer einschlägigen Ermächtigung oder das Verfehlen der einschlägigen Ermächtigung bezogen werden. Denn diese Ergebnisfehler treten bei Ermessensentscheidungen in gleicher Weise wie bei gebundenen Entscheidung auf [dazu s. o. K. I. 2. b) aa)bb)]. Die Einbeziehung nachträglicher Änderungen der Sach- und Rechtslage in die gerichtliche Beurteilung scheitert mithin nicht schlechthin dann, wenn ein Ermessensverwaltungsakt angefochten ist, sondern nur im Hinblick auf die der Ermessensausübung spezifischen Anforderungen. 188

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist der in Beurteilung des angefochtenen Verwaltungsaktes hinsichtlich der verschiedenen Rechtmäßigkeitsanforderungen materiellrechtlich maßgebliche Zeitpunkt festzuhalten:

iss So aber Kleinlein, VerwArch 81 (1990), 149 (158), der den behördlichen Subsumtionsschluss mit dem Gegenstand der Rechtmäßigkeitsprüfung identifiziert. 186 VGH BW, Beschl. v. 30. 9. 1993 - 14 S 1946/93 - VB1BW. 1994, 58 (59). Nach Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (600 Fn 9), soll sich hinsichtlich Ermessensentscheidung die Maßgeblichkeit der Zeitpunktes der letzten Behördenentscheidung aus der „Natur der Sache" ergeben. Dieser Aussage kann insofern zugestimmt werden, dass Änderungen nach der letzten Behördenentscheidung unbeachtlich sind. Indessen zwingt die „Natur der Sache", nämlich der Charakter der Ermessensanforderungen als Vorgangsanforderungen, entgegen Sauthoff dazu, bereits den Zeitpunkt der ersten Behördenentscheidung für maßgeblich zu erachten. 187 BVerwG, Urt. v. 19. 6. 1969 - 1 C 33.67 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 12 S. 44 f.; Urt. v. 20. 5. 1980 - 1 C 82.76 - BVerwGE 60,133 (136). 188 Deshalb zumindest missverständlich Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 43, nach der die Einbeziehung nachträglicher Änderungen „dort" scheitert, wo der Verwaltung eine Letztentscheidungsbefugnis eingeräumt ist.

L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

Formelle Anforderungen an den Erlassvorgang - Verwaltungsaktbefugnis - Zuständigkeit - Verfahren - Form - Begründung

341

Punktverwaltungsakt

Dauerverwaltungsakt

nichtreformiert

nichtreformiert

reformiert

reformiert

Zeitpunkt des Erlasses

Materielle Anforderungen an den Erlassvorgang - Ermessen - Beurteilungsspielraum Punktuelle materielle Anforderungen an das Erlassergebnis

Zeitpunkt des Zeitpunkt der Zeitpunkt des Zeitpunkt der WiderspruchsErlasses Widerspruchs- Erlasses entscheidung entscheidung

Dauernde materielle Anforderungen an das Erlassergebnis

(konstruktiv ausgeschlossen)

Zeitpunkt, in dem das jeweils zu beurteilende Segment des Dauerverwaltungsaktes eine Rechtsfolge intendiert

3. Kasuistik des Rechtswidrigwerdens des Verwaltungsaktes Ein Verwaltungsakt kann nur dann „rechtswidrig werden" i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, wenn es sich um einen Dauerverwaltungsakt handelt, an den dauernde Anforderungen gestellt sind [s. o. 2. b) cc) (2) (b)]. Dies hängt von den Eigenarten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts und zunächst davon ab, ob der angefochtene Verwaltungsakt auf einen Befehl [aa)], eine Gestaltung [bb>] oder eine Feststellung [cc)] abzielt.

a) Befehlende Verwaltungsakte

Alle befehlenden Verwaltungsakte sind Dauerverwaltungsakte (s. o. C. II. 2.). Doch sind nicht notwendig alle materiellen Anforderungen an das Erlassergebnis eines Dauerverwaltungsaktes solche dauernder Art [s. o. b) cc) (2) (b)]. Dies sei beispielhaft anhand der Gewerbeuntersagung [aa)], der baurechtlichen Beseitigungsanordnung [bb)], des Zahlungsbescheids [cc)], der Straßenverkehrsregelung [dd)] und der ausländerrechtlichen Ausweisung [ee)] erörtert.

342

4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

aa) Gewerbeuntersagung Eine punktuelle Rechtmäßigkeitsanforderung an eine Gewerbeuntersagung findet sich etwa in § 35 Abs. 1 S. 1 GewO. Diese Vorschrift ermächtigt (und verpflichtet) die zuständige Behörde zur Untersagung der Ausübung eines Gewerbes, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden bildet eine unmittelbar an das Erlassergebnis erhobene materielle Rechtmäßigkeitsanforderung [dazu s. o. K. I. 2. b) aa)]. Dennoch setzt die Aufrechterhaltung der Untersagungsverfügung nicht die fortwährende Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden voraus, wie das Bundesverwaltungsgericht 189 unter Abkehr von seiner älteren Rechtsprechung 190 festhält. Anderenfalls liefe das Verfahren zur Wiedergestattung der Gewerbeausübung nach § 35 Abs. 6 S. 1 GewO leer. Da der Anspruch auf Wiedergestattung gegenüber dem Anspruch auf Aufhebung der Gewerbeuntersagung ein aliud darstellt, kann die Anfechtungsklage gegen die Gewerbeuntersagung auch in dem Fall keinen Erfolg haben, dass der Betroffene die Wiedergestattung bereits beantragt hat. 1 9 1 Zwar gebietet das verfassungskräftige Prinzip der Verhältnismäßigkeit, die Dauer der Gewerbeuntersagung auf das zur Gefahrenabwehr erforderliche Maß zu beschränken. Deshalb muss der Betroffene das Recht auf Ausübung des Gewerbes dann wieder erlangen können, wenn keine Unzuverlässigkeit mehr besteht. Hätte der Gesetzgeber auf ein besonderes behördliches Wiedergestattungsverfahren verzichtet, so müsste die vom Betroffenen etwaig wiedergewonnene Zuverlässigkeit bereits dann berücksichtigt werden, wenn der Betroffene die Aufhebung der Gewerbeuntersagung beansprucht. Ein vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Gewerbeuntersagung entstehender Aufhebungsanspruch wäre mit der Anfechtungsklage, ein später entstehender Aufhebungsanspruch mit der Verpflichtungsklage durchsetzbar. 192 Indessen gibt die Verfassung dem Gesetzgeber nicht vor, auf welchem rechtstechnischen Wege der Betroffene das Recht auf Ausübung des Gewerbes wieder erlangen kann. Wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Unzuverlässigkeit nicht mehr vorliegt, hat die Behörde gemäß § 35 Abs. 6 S. 1 GewO dem Betroffenen auf schriftlichen Antrag die Ausübung des Gewerbes wieder zu gestatten. Die Wiedergestattung beinhaltet den Widerruf der Untersagungsverfügung. 189 BVerwG, Urt. v. 2. 2. 1982 - 1 C 146.80 - BVerwGE 65,1 (2 f.); zust. Ehlers, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht I, § 2 Rn 67 m. w. N. 190 Urt. v. 5. 8. 1965 - 1 C 69.62 - BVerwGE 22,19 (19 ff., 22). 191 So aber Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 801; dersWiVerw 1988, 145 (168 f.); Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 85. 192 Das fehlende Vermögen, rechtswidrig zu werden, lässt indessen nicht auf einen gestaltenden Charakter der Gewerbeuntersagung schließen, dazu s. o. C. II. 2.

L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

343

Das Verhältnismäßigkeitsprinzip erfordert somit nicht, dass sich eine etwaig wiedererlangte Zuverlässigkeit in einem (mit der Anfechtungsklage durchsetzbaren) Anspruch auf unbenannte Aufhebung der Gewerbeuntersagung niederschlägt. Vielmehr ist der Betroffene auf das antragsbedürftige Wiedergestattungsverfahren verwiesen. 193 Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat das Bundesverfassungsgericht in einer Kammerentscheidung bestätigt. 194 Die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung hängt daher nicht von der fortdauernden Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ab. Mangels materieller Aufhebungspflicht kann die Anfechtungsklage gegen eine Gewerbeuntersagung nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht allein deshalb Erfolg haben, weil der Betroffene während des Anfechtungsprozesses zuverlässig geworden ist. Die Gewerbeuntersagung unterscheidet sich mithin von anderen Verboten in Verwaltungsaktform, etwa der Untersagung der Abgabe von Arzneimitteln über einen Autoschalter. Mangels abweichender Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes durch das materielle Recht muss sich eine solche Untersagung als Dauerverwaltungsakt an späteren Änderungen der Sach- und Rechtslage messen lassen.195

bb) Baurechtliche Beseitigungsanordnung Eine dauernde Rechtmäßigkeitsanforderung an eine Ordnungsverfügung wird etwa in § 22 S. 1 OBG NRW erhoben. Aufgrund dieser Vorschrift, die auf § 43 S. 1 des preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes (PVG) zurückgeht, kann der Betroffene die Aufhebung einer Ordnungsverfügung, die „fortdauernde Wirkung ausübt", verlangen, wenn ihre „Voraussetzungen" entfallen. In Übereinstimmung damit hatte bereits das preußische Oberverwaltungsgericht 196 die Rechtmäßigkeit einer Polizeiverfügung danach beurteilt, wann das ausgesprochene Gebot oder Verbot zu erfüllen ist. Wer beispielsweise ein nicht genehmigungsbedürftiges, aber bauplanungsrechtlich unzulässiges Bauwerk errichtet und deshalb gemäß §§ 61 Abs. 1 S. 2, 60 Abs. 2 S. 1 BauO NRW auf Beseitigung in Anspruch genommen wird, kann gemäß § 22 S. 1, 12 Abs. 2, Abs. 1 OBG NRW die Aufhebung ex nunc der Beseitigungsverfügung verlangen, wenn nach Erlass die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit 193 BVerwG, Urt. v. 2. 2. 1982 - 1 C 146.80 - BVerwGE 65, 1 (2 f.); Ehlers, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht I, § 2 Rn 67. 194 BVerfG (Kammer), Beschl. v. 14. 3. 1995-1 BvR 1639/91 - NVwZ 1995, 1096. (1096). 195 BVerwGE 22. 1. 1998 - 3 C 6.97 - BVerwGE 106, 141 (143 f.) Für die Untersagung von Rettungsdiensteinsätzen ebenso Urt. v. 3. 11. 1994 - 3 C 17.92 - BVerwGE 97, 79 (90 f.), für die Dienstantrittsaufforderung Urt. v. 26. 6. 1969 - VIII C 36.69 - BVerwGE 32, 243 (248 f.); für die lebensmittelpolizeiliche Anordnung über die Kennzeichnung Urt. v. 28. 1. 1988 - 3 C 48/85 - N J W 1988, 2056 (2046). 196 Preußisches OVG, Urt. v. 30. 11. 1908 - I I I C 158/07 - OVGE 54, 352 (355).

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

hergestellt wird. 1 9 7 Geschieht dies während eines gegen die BeseitigungsVerfügung angestrengten Anfechtungsprozesses, so hat die Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nunmehr insoweit Erfolg, wie die Aufhebung ab Eintritt der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit begehrt ist. Das Bundesverwaltungsgericht 198 argumentiert, es sei unter Berücksichtigung der verfassungsmäßigen Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt, einen Bau als materiell illegal anzusehen, der zwar dem zur Zeit seiner Errichtung gültig gewesenen, nicht aber dem geltenden Recht widerspreche. Anderenfalls müsste der Bauherr bauliche Anlagen abreißen, deren Wiedererrichtung ihm sogleich nach dem Abriss gestattet werden müsste. 199

cc) Zahlungsbescheid Eine punktuelle Rechtmäßigkeitsanforderung an einen Zahlungsbescheid bildet etwa das Bestehen einer abstrakten, durch den Verwaltungsakt zu konkretisierenden, Geldforderung. Ein Erlöschen dieser Geldforderung berührt die Rechtmäßigkeit des Zahlungsbescheides nur dann, wenn das Erlöschen auf einen Zeitpunkt vor Erlass zurück wirkt, etwa aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Aufrechnung entsprechend §§ 389, 387 BGB [dazu s. o. 2. b) cc) (2) (a)].

dd) Straßenverkehrsregelung Eine dauernde Rechtmäßigkeitsanforderung an eine ge- oder verbietende Straßenverkehrsregelung ist etwa der Fortbestand der die Regelung tragenden Verkehrssituation. Die Verkehrsregelung wird deshalb mit Fortfall der Verkehrssituation rechtswidrig und ist gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO durch das Gericht vom Zeitpunkt der Änderung an aufzuheben. Das Bundesverwaltungsgericht begründet dieses Ergebnis mit dem Charakter der Straßenverkehrsregelung als Dauerverwaltungsakt. 200 ee) Ausweisung Eine punktuelle Rechtmäßigkeitsanforderung an eine Ausweisung nach §§ 53 f. AufenthG (vormals §§ 45 ff. AuslG) ist das Vorliegen der Ausweisungsvoraussetzungen. Änderungen der Sach- und Rechtslage (zumindest) seit Entscheidung 197 So das Bauklassenurteil, BVerwG, Urt. v. 14.11.1957-1C 168.56-BVerwGE 5,351 ff. 198 BVerwG, Urt. v. 14. 11. 1957 - I C 168.56 - BVerwGE 5, 351 (352 f.); Urt. v. 5. 10. 1965 - IV C 3.65 - BVerwGE 22, 129 (133) m. w. N. 199 BVerwG, Urt. v. 6. 12. 1985 - 4 C 23 u. 24.83 - BWVerwPrax 1986, 130 (130). 200 BVerwG, Urt. v. 27. 1. 1993 - 11 C 35.92 - BVerwGE 92, 32 (35 f.); ebenso auf die Dauerwirkung stellt etwa bereits BVerwG, Urt. v. 27. 6. 1961 - 1 C 34/60 - GewArch 1961, 166 (167), ab.

L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

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über den Widerspruch sind daher nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO unbeachtlich.201 Das Bundesverwaltungsgericht 202 begründet dieses Ergebnis mit der dem Ausländergesetz zugrunde liegenden deutlichen Trennung zwischen dem Ausweisungsverfahren und dem auf eine erneute Gestattung des Aufenthalts gerichteten Verfahren. b) Gestaltende Verwaltungsakte Gestaltende Verwaltungsakte sind teils Dauerverwaltungsakte, teils Punktverwaltungsakte (s. o. C. II. 3.). Als Beispiele gestaltender Verwaltungsakte dienen die Sperrzeitverlängerung für eine Gastwirtschaft [aa)], die Zurruhesetzung eines Beamten wegen Dienstunfähigkeit [bb)], die Entziehung einer Kassenarztzulassung [cc)] und die Baugenehmigung [dd)].

aa) Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit Punktverwaltungsakte sind insbesondere diejenigen gestaltenden Verwaltungsakte, die einen Status begründen oder entziehen [s. o. C. II. 3. a)]. Deshalb ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes 203 die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung eines Beamten wegen Dienstunfähigkeit nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses der letzten Behördenentscheidung zu beurteilen. Dem ist insoweit zuzustimmen, wie die dem Erlass des Widerspruchsbescheids 204 nachfolgende tatsächliche und rechtliche Entwicklung aus der Beurteilung ausgeschlossen wird. Jedoch sind auch die bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids eingetretenen Änderungen der Sach- und Rechtslage nur in dem Ausnahmefalle beachtlich, dass die Widerspruchsbehörde die Zurückweisung des Widerspruchs auf die geänderte Sach- und Rechtslage gestützt hat. Tritt die Dienstunfähigkeit erst während des Widerspruchsverfahrens ein, so ist der Widerspruch unter entsprechender Verschiebung des zeitlichen Regelungsgehaltes zurückzuweisen. Wird die zunächst gegebene Dienstunfähigkeit während des Widerspruchsverfahrens behoben, so muss die Widerspruchsbehörde den Widerspruch unter Aufrechterhaltung des Ausgangsverwaltungsaktes zurückweisen. Eine Stattgabe des Widerspruchs ist insbesondere nicht aus verwaltungsökonomischen Gründen geboten. Vielmehr ist eine Zurückweisung des Widerspruchs unerlässlich, um der zeitweisen Dienstunfähigkeit des Beamten Rechnung zu tragen. Zudem muss der zuständigen Behörde die Entscheidungsbefugnis verbleiben, ob sie den wieder dienstfähig gewordenen Beamten nach § 45 Abs. 1 BBG erneut in 201 BVerwG, Urt. v. 24. 9. 1996 - 1 C 9.94 - BVerwGE 102, 63 (65); Urt. v. 31. 3. 1998 1 C 28.97 - BVerwGE 106, 302 (306); Urt. v. 7. 12. 1999 - BVerwGE 110, 140 (143). 202 BVerwG, Urt. v. 20. 5. 1980 - 1 C 82.76 - BVerwGE 60, 133 (138 f.). 203 BVerwG, Urt. v.16. 10. 1997 - 2 C 7.97 - BVerwGE 105, 267 (269 ff.). 204 Dieser hat nach § 126 Abs. 3 BRRG in jedem Fall zu ergehen.

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

das Beamtenverhältnis beruft. In Fällen dieser Art kann der Betroffene einer Entscheidung der Widerspruchsbehörde zuvorkommen, indem er den Widerspruch zurücknimmt, und sodann bei der zuständigen Behörde nach § 45 Abs. 2 BBG die Wiederberufung in das Beamtenverhältnis beantragt. bb) Entziehung der Fahrerlaubnis Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen, so hat ihm die zuständige Behörde gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) die Fahrerlaubnis zu entziehen. Erlangt die Betroffene zu einem späteren Zeitpunkt Eignung und Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen zurück, so wird dadurch die Entziehung nicht rechtswidrig. 2 0 5 Das Bundesverwaltungsgericht begründet dies mit der Trennung zwischen Entziehungsverfahren und Wiedererteilungsverfahren. 206 Indessen beruht die fortdauernde Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung bereits darauf, dass ein statusentziehender Verwaltungsakt als Punktverwaltungsakt [s. o. C. II. 3. a)] bereits aus konstruktiven Gründen weder ex nunc aufgehoben werden, noch ex nunc rechtswidrig werden kann [dazu s. o. 1. b)]. Entgegen der Auffassung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts 207 kann die Untätigkeitsklage gegen eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach §§ 75 S. 1 Alt. 1, 68 Abs. 1 nicht nach anderen Maßstäben zu beurteilen sein, als eine erst nach Entscheidung der Widerspruchsbehörde erhobene Anfechtungsklage. Eine Verschiebung des materiellrechtlich maßgeblichen Zeitpunktes auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung wegen der Untätigkeit der Widerspruchsbehörde kommt nicht in Betracht. 208 Der materiellrechtlich maßgebliche Zeitpunkt kann nicht von der prozessualen Situation abhängen, in der sich diese Frage stellt. Zu beachten ist, dass der Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung auch dann nicht per se materiellrechtlich maßgeblich ist, wenn die Behörde den Anfechtungswiderspruch rechtzeitig beschieden hat. Zur Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Widerspruchsentscheidung kommt es nicht durch eine bloße Verschiebung des anzulegenden Prüfungsmaßstabes, sondern nur, sofern der Widerspruchsbescheid den zeitlichen Regelungsgehalt des zu beurteilenden Prüfungsgegenstandes verschiebt. Lediglich zur Beurteilung des reformierten Verwaltungsaktes anhand der punktuellen Anforderungen an das Erlassergebnis ist der Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung materiellrechtlich maßgeblich [s. o. 2. b) cc) (1), (2) (a)]. Da im Falle der Untätigkeitsklage mangels 205 BVerwG, Beschl. v. 11. 3. 1988 - 7 B 38/88 - NVwZ 1990, 654. 206 BVerwG, Urt. v. 17. 12. 1976 - V I I C 28.74 - BVerwGE 51, 359 (361 f.) m. w. N. Ähnliches gilt für den Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb einer Fahrschule, Beschl. v. 30. 10. 1996 - 1 B 197/96 - NVwZ-RR 1997, 284 (284). 207 HbgOVG, Beschl. v. 6. 12. 1996 - Bs V I 104/96 - NJW 1997, 3111. 208 So aber HessVGH, NVwZ-RR 1993,432 (435).

L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

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Entscheidung der Widerspruchsbehörde keine Reformation des angefochtenen Verwaltungsaktes vorliegt, bleibt zur Beurteilung anhand der punktuellen Anforderungen an das Erlassergebnis der Erlasszeitpunkt materiellrechtlich maßgeblich.

cc) Entziehung der Kassenarztzulassung Punktverwaltungsakt ist auch der den Status als Kassenarzt entziehende Verwaltungsakt. Die Entziehung der Kassenarztzulassung kann deshalb entgegen der Auffassung des Bundessozialgerichts 209 bereits aus konstruktiven Gründen nicht rechtswidrig werden. In dem vom Gericht zu entscheiden Fall hatte die Behörde die Zulassungsentziehung auf die Betäubungsmittelabhängigkeit des Betroffenen gestützt, an der er zum Zeitpunkt des Erlasses gelitten hatte, von der er jedoch während des Anfechtungsprozesses geheilt wurde. Das Bundessozialgericht hat die Gesundung des Klägers aus dem Grunde für beachtlich gehalten, dass infolge der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage die „Vollziehung" des angefochtenen Verwaltungsaktes noch ausstünde. Dem kann nicht gefolgt werden. Ob eine Änderung der Sach- oder Rechtslage für die Rechtmäßigkeit der Aufrechterhaltung eines Verwaltungsaktes beachtlich ist, kann sich nur aus dem materiellen Recht ergeben. Das Prozessrecht kann diese rein materiellrechtliche Frage nicht beantworten. Als Instrument des vorläufigen Rechtsschutzes dient die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO der Offenhaltung der Entscheidung in der Hauptsache, nicht ihrer Präjudizierung. Insbesondere bewirkt die aufschiebende Wirkung lediglich eine Hemmung der inneren Wirksamkeit (s. o. H. m . 1.). Die innere Wirksamkeit wird mit Fortfall der aufschiebenden Wirkung ex tunc wieder hergestellt (s. o. J. III.). Der Inhalt und insbesondere der zeitliche Regelungsgehalt des angefochtenen Verwaltungsaktes bleiben dabei unberührt. Somit können Punktverwaltungsakte auch dann nicht rechtswidrig werden, wenn sie infolge der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen noch nicht „vollzogen" sind. 210

209 BSG, Urt. v. 28. 3. 1958 - 6 RKa 1/57 - BSGE 7, 129 (135); zust. Bähr, Die maßgebliche Rechts- und Sachlage, S. 143; zu Recht ablehnend Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 84 ff. 210 pür eine Gleichstellung „nicht vollzogener Verwaltungsakte" mit Dauerverwaltungsakten aber BSG, Urt. v. 28. 3. 1958 - 6 RKa 1/57 - BSGE 7, 129 (136 f.); Urt. v. 24. 11. 1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 (236); Rupp, Der maßgebende Zeitpunkt, S. 192 f.; Bähr, Die maßgebliche Rechts- und Sachlage, S. 58 ff.; Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, Rn 568; Bachof, JZ 1954, 416 (419); ders., JZ 1966, 140 (140); Ossenbühl, JZ 1970, 348 (349 Fn 18); Schenke, NVwZ 1986, 522 (527); einschränkend auch Kot he, in: Redeker/ v. Oertzen, VwGO, § 108 Rn 20. Dagegen zutreffend Kleinlein, VerwArch 81 (1990), 149 (179 f.); Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 83 ff.

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

dd) Baugenehmigung Insbesondere Gestattungen sind gestaltende Dauerverwaltungsakte [s. o. C. II. 3. c)]. Beispielsweise zielt eine bauaufsichtsrechtliche Zulassung (Baugenehmigung), auf die Gestattung der Ausführung des betroffenen Vorhabens (Baufreigabe) ab. Nach § 75 Abs. 1 S. 1 BauO NRW ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Falls aufgrund der dem Erlass der Baugenehmigung nachfolgenden rechtlichen oder tatsächlichen Entwicklung die Genehmigungsvoraussetzungen entfallen, so bleibt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der gegen die Baugenehmigung eingelegte Anfechtungsrechtsbehelf eines Dritten dennoch ohne Erfolg. Das Gericht hält im Anfechtungsprozess gegen die Baugenehmigung nur dem Bauherrn günstige Änderungen der Sach- und Rechtslage für beachtlich 2 1 1 , nicht jedoch Änderungen zulasten des Bauherrn 2 1 2 Da an dem Anfechtungsprozess gegen die Baugenehmigung neben dem (notwendig beigeladenen) Bauherrn und der (beklagten) Behörde noch der (klagende) Dritte beteiligt ist, kann das Bundesverwaltungsgericht allerdings nicht bruchlos an seine Argumentation anknüpfen, nach der im Anfechtungsprozess gegen eine Beseitigungsanordnung Änderungen (allein) zugunsten des (klagenden) Bauherrn beachtlich sind [dazu s. o. a) bb)]. Vielmehr stehen sich regelmäßig auf Seiten des Dritten, ebenso wie auf Seiten des Bauherrn, Träger des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG gegenüber. 213 Aus dem Eigentumsgrundrecht ergibt sich mithin, dass nicht nur die (einfachrechtlich geprägte) Baufreiheit des Bauherrn („Freiheit zum Bauen"), sondern auch die Abwehrposition des Dritten („Schutz vor dem Bauen") nicht über Gebühr beschränkt werden dürfen. Entscheidend gegen die Beachtlichkeit der den Genehmigungsinhaber belastenden Änderungen spricht vielmehr das Argument der Investitionssicherheit, wie das Bundesverwaltungsgericht 214 für den Anfechtungsprozess eines Dritten gegen eine Genehmigung nach § 25 PBefG ausführt. Wären Änderungen zugunsten des die Genehmigung anfechtenden Dritten beachtlich, so böte sich ein starker Anreiz, durch den Einsatz von Rechtsbehelfen die endgültige Entscheidung möglichst lange offen zu halten, was dem Sinn des Genehmigungsverfahrens und des vom Gesetz eingeräumten Drittschutzes widerspricht. 215 Diese Argumentation kann auf andere raumbezogene Genehmigungen, insbesondere die Baugenehmigung übertragen werden. 211 BVerwG, Urt. v. 5. 10. 1965 - IV C 3.65 - BVerwGE 22, 129 (133). 212 BVerwG, Urt. v. 5.10.1965 - IV C 3.65 - BVerwGE 22,129 (133); Urt. v. 19.9.1969 I V C 1 8 / 6 7 - D Ö V 1970,135(137); Urt. v. 14.4.1978-4C96und97.76-NJW 1979,995 (995); OVG Münster, Urt. v. 22. 8.1977 - X A. 1316/75 - DÖV 1978, 147 (147); VGH BW, Urt. v. 22.3.1989-5 S 3439/88-VB1BW. 1989,343 (343). 213 Insoweit zutreffend Grziwotz, AöR 113 (1988), 213 (232). 214 BVerwG, Urt. v. 6.4. 2000 - 3 C 6.99 - DVB1. 2000, 1614 (1616). 21BVerwG, Urt. v. . .

-

C

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64 ( 6 ) .

L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

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Hingegen kann dem Bundesverwaltungsgericht 216 nicht darin gefolgt werden, die Änderungen seien deshalb unbeachtlich, weil es sich bei der Gestattung (hier: immissionsschutzrechtlichen Genehmigung) nicht um einen „Dauerverwaltungsakt" handele. Entweder wird unter einem „Dauerverwaltungsakt" ein Verwaltungsakt verstanden, der noch in Zeitpunkten nach Erlass eine Rechtsfolge intendiert und deshalb einer Aufhebung ex nunc zugänglich ist (so die obige Definition, s. o. C. II. 1.). Dann muss die immissionsschutzrechtliche Genehmigung entgegen der Auffassung des Gerichts als „Dauerverwaltungsakt" eingeordnet werden. Oder unter einem „Dauerverwaltungsakt" wird ein Verwaltungsakt verstanden, der rechtswidrig werden kann. Dann läuft die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts auf den Zirkelschluss hinaus, eine Genehmigung könne aus dem Grunde nicht rechtswidrig werden, dass sie nicht rechtswidrig werden kann.

ee) Sperrzeitverlängerung Die Sperrzeitverlängerung nach § 18 S. 2 Var. 1 GastG i.V. m. Landesrecht legt die Sperrzeit im Einzelfall abweichend von der nach § 18 S. 1 GastG durch Rechtsverordnung bestimmten Sperrzeit fest. Es handelt sich um einen gestaltenden Dauerverwaltungsakt, das Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 S. 2 GastG bildet eine dauernde Rechtmäßigkeitsanforderung [s. o. 2. b) cc) (2) (b)]. Mit Fortfall dieser Voraussetzungen wird die Sperrzeitverlängerung rechtswidrig i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

c) Feststellende Verwaltungsakte

Feststellende Verwaltungsakte sind, je nach dem Gegenstand der Feststellung, entweder Punktverwaltungsakte oder Dauerverwaltungsakte (s. o. C. II. 4.). Sofern es sich um Dauerverwaltungsakte handelt, ist ein Rechtswidrigwerden zumindest konstruktiv möglich. Ob ein feststellender Dauerverwaltungsakt rechtswidrig wird, hängt davon ab, ob sich die Sach- und Rechtslage entgegen der Feststellung entwickelt. Beispiel eines feststellenden Dauerverwaltungsaktes ist die Anerkennung als Asylberechtigter gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 AsylVfG. Die Asylanerkennung darf gemäß § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge nur solange aufrechterhalten werden, wie die gesetzlichen Voraussetzungen des Asylrechts bestehen. Gesetzliche Voraussetzung ist die gegenwärtige Verfolgungsbetroffenheit. 217 Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten ist nach §§ 42 Abs. 1 Halbs. 1 VwGO, 6 Abs. 2 S. 3 AsylVfG zu einer Anfechtungsklage gegen die Asylanerkennung des Bundesamtes befugt. Dem Bundesverwal216 BVerwG, Besohl, v. 11. 1. 1991 - 7 B 102/90 - NVwZ-RR 1991, 236 (236). 217 BVerwG, Urt. v. 17. 10. 1989-9 C 5 8 / 8 8 - N V w Z 1990, 654 (655).

350

4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

tungsgericht 2 1 8 ist darin zu folgen, dass die zulässige Anfechtungsklage des Bundesbeauftragten auch dann zur gerichtlichen Aufhebung der Asylanerkennung führen muss, wenn erst bei der letzten tatrichterlichen Entscheidung die gesetzlichen Asylvoraussetzungen nicht mehr vorliegen. Indessen muss der Aufhebungsausspruch des Gerichts in zeitlicher Hinsicht beschränkt werden, da die angefochtene Asylanerkennung nur für den Zeitraum ab dem Fortfall der gesetzlichen Asylvoraussetzungen rechtswidrig i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 1 V w G O ist.

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis sind einzelne Fälle festzuhalten, i n denen ein Verwaltungsakt aufgrund bestimmter Ereignisse rechtswidrig wird oder ungeachtet bestimmter Ereignisse rechtmäßig bleibt: Verwaltungsakt

Ereignis

Folge

- Gewerbeuntersagung

Fortfall der Unzuverlässigkeit

Kein Rechtswidrigwerden

- Baurechtliche Beseitigungsanordnung

Gewinn der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit

Rechtswidrigwerden

- Zahlungsbescheid

Fortfall der abstrakten Zahlungspflicht

Kein Rechtswidrigwerden

- Straßenverkehrsregelung

Fortfall der regelungsbedürftigen Verkehrssituation

Rechtswidrigwerden

- Ausweisung

Fortfall der Ausweisungs- Kein Rechtswidrigwerden voraussetzungen

- Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit

Wiedererlangen der Dienstfähigkeit

Kein Rechtswidrigwerden

- Entziehung der Fahrerlaubnis

Eintritt Befähigung und Eignung

Kein Rechtswidrigwerden

- Entziehung der Kassenarztzulassung

Fortfall der Entziehungsvoraussetzungen

Kein Rechtswidrigwerden

- Baugenehmigung

Verlust der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit

Kein Rechtswidrigwerden

- Sperrzeitverlängerung

Fortfall der Verlängerungsvoraussetzungen

Rechtswidrigwerden

- Anerkennung als Asylberechtigter

Fortfall der Verfolgungsbetroffenheit

Rechtswidrigwerden

218 BVerwG, Urt. v. 17. 10. 1989 - 9 C 58/88 - NVwZ 1990, 654 (655).

L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

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m . Entstehen der Begründetheit des Anfechtungswiderspruchs Das behördliche Widerspruchsverfahren nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO dient, anders als der gerichtliche Anfechtungsprozess gemäß § 114 S. 1 VwGO, nicht allein der Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, sondern darüber hinaus der Nachprüfung seiner Zweckmäßigkeit. Da die vom Rechtsstaat zu verfolgenden Zwecke zunächst durch die Rechtsordnung festgelegt werden, schließt die Kontrolle der Zweckmäßigkeit die Kontrolle der Rechtmäßigkeit ein. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann nicht zweckmäßig sein. Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt kann nur dann unzweckmäßig sein, wenn die Behörde aufgrund Ermessens oder Beurteilungsspielraums zu entscheiden ermächtigt war und die Behörde das Ermessen rechtmäßig, aber zweckwidrig ausgeübt oder den Beurteilungsspielraum rechtmäßig, aber zweckwidrig konkretisiert hat. 2 1 9 Insofern die Widerspruchsbehörde auf eine reine Rechtskontrolle beschränkt ist, setzt die Begründetheit des Anfechtungswiderspruchs nach §§68 Abs. 1 S. 1, 72, 73 Abs. 1 S. 1 VwGO notwendig die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes voraus. Der Untersuchung bedarf, welche Folgen eine Schärfung des an den angefochtenen Verwaltungsakt anzulegenden Prüfungsmaßstabes hervorbringt (1.) und welche Voraussetzungen an eine solche Schärfung gestellt sind (2.).

1. Folgen einer Schärfung des Prüfungsmaßstabes Erfährt der anzulegende Prüfungsmaßstab eine rückwirkende oder eine regulärwirkende Schärfung, so tritt in entsprechendem Umfang die Begründetheit des Anfechtungswiderspruches ein, falls der Verwaltungsakt den gesteigerten Anforderungen nicht genügt. In diesem Umfang hat die Ausgangsbehörde, sofern sie nicht mit der Widerspruchsbehörde identisch ist, dem Widerspruch nach § 72 VwGO abzuhelfen. Ist die Ausgangsbehörde mit der Widerspruchsbehörde identisch oder kommt die Ausgangsbehörde ihrer Abhilfepflicht nicht nach, so hat die Widerspruchsbehörde dem Widerspruch nach § 73 Abs. 1 S. 1 VwGO stattzugeben.

2. Voraussetzungen einer Schärfung des Prüfungsmaßstabes Sofern keine über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes hinausgehenden Zweckmäßigkeitserwägungen Platz greifen, dient der Anfechtungswiderspruch nach §§ 68 Abs. 1 S. 1, 72, 73 Abs. 1 S. 1 VwGO ebenso der Durchsetzung einer materiellen Aufhebungspflicht wie die Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Der Beantwortung bedarf daher zum einen die materielle 219 Dazu, dass es sich bei Ermessens- und Beurteilungsfehlern um Rechtsfehler handelt, s. o. K. I. 2 b) cc)-dd).

352

4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

Frage, ob eine Aufhebungspflicht entstanden ist, zum anderen die vorverfahrensrechtliche Frage, ob eine etwaig entstandene Aufhebungspflicht im Widerspruchsverfahren Berücksichtigung findet. Berücksichtigungsfähig sind nur solche Aufhebungspflichten, die bis zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage vorverfahrensrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt entstanden sind [a)]. Aufhebungspflichten entstehen nur bis zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage materiellrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt [b)].

a) Vorverfahrensrechtlich

maßgeblicher

Zeitpunkt

Der vorverfahrensrechtlich maßgebliche Zeitpunkt gibt an, ob das im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung geltende Vorverfahrensrecht (§§ 68 ff. VwGO, 79 VwVfG) die Behörde dazu verpflichtet, die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes nach dem im Zeitpunkt ihrer Abhilfe- oder Widerspruchsentscheidung oder nach dem in einem anderen Zeitpunkt geltenden materiellen Recht vorzunehmen. Eine materielle Aufhebungspflicht, die erst aufgrund der rechtlichen oder tatsächlichen Entwicklung nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes entsteht, findet im Widerspruchsverfahren keine Berücksichtigung. Denn der gegen einen unanfechtbaren Verwaltungsakt erhobene Anfechtungswiderspruch kann mangels Zulässigkeit nicht zur Durchsetzung einer erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit entstandenen Aufhebungspflicht dienen. Demgegenüber ist jede vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes entstehende Aufhebungspflicht im Widerspruchsverfahren zu berücksichtigen. Die Ausgangsbehörde nach § 72 VwGO und die Widerspruchsbehörde nach § 73 Abs. 1 S. 1 VwGO dürfen und müssen ihre Entscheidung über den Widerspruch auf die gegenwärtige Sach- und Rechtslage stützen. Vorverfahrensrechtlich maßgeblich ist mithin der Zeitpunkt der Abhilfe- oder Widerspruchsentscheidung. 220

b) Materiellrechtlich

maßgeblicher

Zeitpunkt

Der materiellrechtlich maßgebliche Zeitpunkt gibt an, auf welchen Zeitpunkt das im vorverfahrensrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt geltende materielle Recht Bezug nimmt. Der angefochtene Verwaltungsakt ist nur dann rechtswidrig i. S. d. 220 Der Sache nach ebenso BVerwG, Urt. v. 6.4.1955 - V C 76.54 - BVerwGE 2, 55 (62); Urt. v. 16.12.1966 - V I I C 167.65 - BVerwGE 25, 369 (370); Beschl. v. 30.4.1996 - 6 B 77/95 - NVwZ-RR 1997,132 f.; v. Mutius, Widerspruchsverfahren, S. 213 f.; Bahr, Die maßgebliche Rechts- und Sachlage, S. 26 ff.; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 57 II 2 (S. 304); Würtenberger, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 613; Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, S. 285; Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 113 Rn 21 (Fn 109); Kot he, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 108 Rn 17; Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, Rn 567; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn 19; Pietzner/Ronellenfit sch, Assessorexamen im Öffentlichen Recht, § 38 Rn 31; Kopp/Schenke, VwGO § 68 Rn 15; Bosch/Schmidt, Praktische Einf., S. 169; Grziwotz, AöR 113 (1988), 213 (222 ff.).

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der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

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§§ 68 Abs. 1 S. 1, 72, 73 Abs. 1 S. 1 VwGO, wenn nach dem im vorverfahrensrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt geltenden materiellen Recht für den materiellrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt eine Aufhebungspflicht besteht. Die Frage nach dem materiellrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt ist im Rahmen des Vorverfahrens nicht anders zu beantworten als im Rahmen des Anfechtungsprozesses [dazu s. o. II. 2. b)]. Denn die in § 68 Abs. 1 S. 1, 72, 73 Abs. 1 S. 1 VwGO vorausgesetzte Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes meint ebenso wie in § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO (und anders als in § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG) das Bestehen einer materiellen Aufhebungspflicht. Materiellrechtlich maßgeblich ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsverwaltungsaktes [s. o. II. 2. b)]. Ausnahmsweise ist hinsichtlich der an einen Dauerverwaltungsakt gestellten dauernden Anforderungen jeweils der Zeitpunkt maßgeblich, in dem das zu beurteilende Segment des Dauerverwaltungsaktes eine Rechtsfolge intendiert. Eine weitere Ausnahme ergibt sich aus der Befugnis der Widerspruchsbehörde, aufgrund der aktuellen Sach- und Rechtslage eine reformatorische Entscheidung zu treffen, um die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes herzustellen. 221 Sofern die Widerspruchsbehörde eine Reformation des Verwaltungsaktes vornimmt, ist hinsichtlich der punktuellen Anforderungen an das Erlassergebnis des Verwaltungsaktes der Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung maßgeblich.

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass der Anfechtungswiderspruch begründet ist, wenn nach dem im vorverfahrensrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt geltenden materiellen Recht für den materiellrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt eine Aufhebungspflicht besteht. Vorverfahrensrechtlich maßgeblich ist der Zeitpunkt der Entscheidung der Widerspruchsbehörde. Materiellrechtlich maßgeblich ist der gleiche Zeitpunkt wie bei der Anfechtungsklage.

M . Gewinn der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt Der Verwaltungsakt ist dann rechtmäßig, wenn der zu beurteilende Prüfungsgegenstand mit dem anzulegenden Prüfungsmaßstab übereinstimmt. Ohne Milderung des anzulegenden Prüfungsmaßstabes kann in einem Zeitpunkt nach Erlass ein rechtmäßiger Verwaltungsakt nur entstehen, indem der zu beurteilende Prüfungsgegenstand eine entsprechende vorteilhafte Veränderung erfährt. Gegenstand der Rechtmäßigkeitsprüfung ist die intendierte Regelung des äußerlich wirksamen Verwaltungsaktes (s. o. K. I. 1.). Ein bereits erlassener Verwaltungsakt gewinnt die 221

2

Insoweit bereits Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 153.

Steinweg

354

4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

zwischenzeitlich im Wege der Aufhebung oder Erledigung nach §§43 Abs. 2 VwVfG, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO verlorene äußere Wirksamkeit zurück, wenn die Aufhebung oder die Erledigung ihrerseits entfällt (dazu s. o. F. I., IL). Äußere Wirksamkeit gewinnt auf Kosten des ursprünglichen Verwaltungsaktes auch der Ersatzverwaltungsakt, in den umgedeutet wird (s. o. F. EI. 1.). Der erzeugte Ersatzverwaltungsakt ist zudem stets rechtmäßig. Denn die Umdeutung vollzieht sich nach § 47 Abs. 1 VwVfG nicht kraft einer eventuell rechtswidrigen Umdeutungserklärung, sondern kraft Gesetzes [s. o. F. III. 2. a)]. Die Widerspruchsbehörde greift dann in die intendierte Regelung ein, wenn sie den Widerspruch unter Reformation des Verwaltungsaktes zurückweist [s o. F. IV. 1. c)]. An einem Eingriff in die intendierte Regelung fehlt es hingegen dann, wenn die Widerspruchsbehörde den Widerspruch zurückweist und dabei lediglich Ermessenserwägungen ändert oder Verfahrenshandlungen nachholt [s. o. F. IV. 2. b)]. Der Untersuchung bedarf, inwieweit eine Milderung des anzulegenden Prüfungsmaßstabes im Hinblick auf die behördliche Befugnis zur Rücknahme (I.) sowie auf die Begründetheit der Anfechtungsklage (II.) und des Anfechtungswiderspruchs (III.) möglich ist.

I. Fortfall der Rücknahmebefugnis Die behördliche Befugnis zur Rücknahme eines Verwaltungsaktes setzt nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG (oder besonderen Vorschriften) notwendig dessen Rechtswidrigkeit voraus. Die Beurteilung des Verwaltungsaktes als rechtmäßig oder rechtswidrig i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG kann in Zeitpunkten nach Erlass rückwirkend Änderungen erfahren. Ein im Erlasszeitpunkt rechtswidriger Verwaltungsakt kann in einem späteren Zeitpunkt rückwirkend Rechtmäßigkeit erlangen und sich dadurch der Rücknahme nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG entziehen Denn ein solcher Verwaltungsakt ist rückwirkend als bereits „rechtmäßig erlassen" zu beurteilen. Liegen bei Erlass eines Verwaltungsaktes die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor, treten sie jedoch später ein, bleibt der Verwaltungsakt rechtswidrig im Sinne der Rücknahmevorschriften. Beispielsweise führt an der Rücknahme einer entgegen § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG erteilten Gaststättenerlaubnis gemäß § 15 Abs. 1 GastG auch dann kein Weg vorbei, wenn der Erlaubnisinhaber inzwischen zuverlässig geworden ist. 2 2 2 Der Betroffene ist auf die Beantragung einer neuen Gaststättenerlaubnis verwiesen. Der Entzug der alten, rechtswidrigen Erlaubnis, verbunden mit der Erteilung einer neuen, rechtmäßigen Erlaubnis ist kein überflüssiger Formalismus, sondern in der Sache geboten, um zu einem rechtskonformen zeitlichen Regelungsgehalt zu gelangen. 222

Abweichend Ehlers, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht, § 2 Rn 245; Michel/Kienzle/Pauly, GastG, § 15 Rn 1 a. E.; wie hier Metzner, GastG, § 15Rn5.

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der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

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Zwischenergebnis Ein im Erlasszeitpunkt rechtswidriger Verwaltungsakt ist in einem späteren Zeitpunkt als rechtmäßig i. S. d. § 49 VwVfG zu beurteilen, wenn die Rechtmäßigkeit rückwirkend auf den Erlasszeitpunkt entsteht.

II. Fortfall der Begründetheit der Anfechtungsklage Die Begründetheit der Anfechtungsklage setzt nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO notwendig die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes voraus. Der Untersuchung bedürfen die Folgen einer Milderung des an den angefochtenen Verwaltungsakt anzulegenden Prüfungsmaßstabes (1.), die Voraussetzungen einer solchen Milderung (2.) und sodann einzelne Fälle eines vermeintlichen Rechtmäßigwerdens i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO (3.).

1. Folgen einer Milderung des Prüfungsmaßstabes Der an den angefochtenen Verwaltungsakt anzulegende Prüfungsmaßstab kann rückwirkend [a)] oder lediglich regulärwirkend [b)] gemildert werden.

a) Folgen einer Milderung

ex tunc des Prüfungsmaßstabes

Erfährt der Prüfungsmaßstab eine auf den Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsaktes zurückwirkende Milderung und genügt der im Erlasszeitpunkt noch rechtswidrige Verwaltungsakt nunmehr den gemilderten Anforderungen, so ist er nunmehr als „rechtmäßig erlassen" zu beurteilen. Einem solchem Gewinn ex tunc an Rechtmäßigkeit sind sowohl Dauerverwaltungsakte, als auch Punktverwaltungsakte zugänglich. Die Anfechtungsklage gegen den betroffenen Verwaltungsakt hat nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO mangels Rechtswidrigkeit keinen Erfolg mehr. b) Vermeintliche Folgen einer Milderung des Prüfungsmaßstabes

ex nunc

Nur scheinbar bildet das Rechtmäßigwerden eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes die „spiegelbildliche Konstellation" 223 zum Rechtswidrigwerden eines recht223 So die Formulierung Scherzbergs, BayVBl. 1992,426 (428), der allerdings ein „Rechtswidrigwerden" und - darauf gestützt - ein „Rechtmäßigwerden" des Verwaltungsaktes ablehnt. Von der Möglichkeit eines dem „Rechtswidrigwerdens" spiegelbildlichen „Rechtmäßigwerdens" gehen aus Kothe, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 108 Rn 21 a; Bettermann, FS Hans 2

356

4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

mäßigen Verwaltungsaktes. Indessen ist ein auf Wirkung für die Zukunft beschränkter Gewinn der Rechtmäßigkeit auch bei Dauerverwaltungsakten bereits aus konstruktiven Gründen ausgeschlossen. Bevor nach den gesetzlichen Voraussetzungen gefragt werden kann, unter denen ein rechtswidriger Verwaltungsakt ex nunc Rechtmäßigkeit erlangt, ist nach den gesetzlichen Folgen zu fragen, die an einen Gewinn ex nunc der Rechtmäßigkeit anknüpfen müssten. Im selben Umfang wie ein Gewinn ex nunc der Rechtmäßigkeit hinter einem Gewinn ex tunc der Rechtmäßigkeit zurückbleibt, müssten die an einen Gewinn ex nunc anknüpfenden gesetzlichen Folgen gegenständlich beschränkt sein. Der Verwaltungsakt wäre infolge eines auf Wirkung für die Zukunft beschränkten Gewinns der Rechtmäßigkeit als weiterhin „rechtswidrig erlassen", aber nunmehr „rechtmäßig geworden" zu beurteilen. Einerseits käme wegen der anfänglichen Rechtswidrigkeit eine rückwirkende Aufhebung durch das Gericht nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO in Betracht. Andererseits schlösse die nachträgliche Rechtmäßigkeit eine regulärwirkende Aufhebung durch das Gericht aus. Dies begründete einen logischen Widerspruch. Denn Aufhebung ex tunc und Aufhebung ex nunc stehen zueinander nicht im Verhältnis von aliud zu aliud, sondern im Verhältnis von maius zu minus 224 , weshalb eine Aufhebung ex tunc ohne Aufhebung ex nunc nicht vorstellbar ist [s. o. E. I. 1. b)]. Eine auf Wirkung für die Zukunft beschränkte Milderung des an den Verwaltungsakt anzulegenden Prüfungsmaßstabes kann es deshalb nicht geben. 225 Nicht gefolgt werden kann den Auffassungen, die ein „Rechtmäßigwerden" des Verwaltungsaktes nicht bereits aufgrund der daran anknüpfenden paradoxen Rechtsfolgen, sondern erst aufgrund der sie bedingenden Voraussetzungen ausschließen.226 Die gilt etwa für die Auffassung, für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes reiche wahlweise die Rechtswidrigkeit des Erlasses oder die Rechtswidrigkeit des Regelungsgehaltes hin, so dass die Rechtswidrigkeit des Erlasses ausgeräumt werden muss, um zur Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu gelangen.227 Nicht zu verwechseln ist die (konstruktiv ausgeschlossene) Aufhebung ex tunc ohne Aufhebung ex nunc allerdings mit dem (konstruktiv möglichen) Anfügen einer aufschiebenden Befristung. Da ein aufschiebend befristeter Verwaltungsakt einen geringeren zeitlichen Regelungsgehalt aufweist als ein unbefristeter Verwaltungsakt, erschöpft sich das Anfügen einer aufschiebenden Befristung in einer Huber II, S. 15 (41); Bachof, JZ 1954, 416 (418 Fn 44); Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 128 ff.; Schenke, DVB1. 1989,433 (441 Fn 48). 224 Insoweit bereits Bachof, JZ 1954,416 (420). 225 in die gleiche Richtung gehen die von Bähr, Die maßgebliche Rechts- und Sachlage, S. 21, geäußerten Bedenken, das Gericht könne die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakt nicht auf einen bestimmten Zeitraum zwischen Erlass und Änderung beschränken, da dies dem Erlass eines neuen Verwaltungsakt gleichkäme. 226 So etwa Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 76 f.; dies., NVwZ 1996, 134 (135). 227 So aber Baumeister, Rechtswidrigwerden von Normen, S. 175 ff.

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der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

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Teilaufhebung des betreffenden Verwaltungsaktes [s. o. F. IV. 2. a)]. Diese Teilaufhebung wirkt auf den Zeitpunkt des Erlasses zurück, so dass der betroffene Verwaltungsakt rückwirkend als bereits unter aufschiebender Befristung erlassen beurteilt werden muss. Infolge der Rückwirkung kann auch eine solche aufschiebende Befristung angefügt werden, deren Anfangstermin bereits eingetreten ist. Denn aus Perspektive des Erlasszeitpunktes liegt der Anfangstermin, wie in § 36 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG vorausgesetzt, noch in der Zukunft. Der nach der Teilaufhebung verbleibende Restverwaltungsakt genügt den an den Erlassvorgang gestellten formellen oder materiellen Anforderungen allerdings nur dann, wenn dies auch auf den Ausgangsverwaltungsakt zutraf.

2. Voraussetzungen einer Milderung des Prüfungsmaßstabes Eine Anfechtungsklage verliert ihre Begründetheit nur dann, wenn die materielle Aufhebungspflicht entfällt und dieser Fortfall prozessual Berücksichtigung findet. Berücksichtigungsfähig ist ein Fortfall der Aufhebungspflicht nur bis zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage prozessrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt [a)]. Entfallen kann eine Aufhebungspflicht nur bis zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage materiellrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt [b)].

a) Prozessrechtlich maßgeblicher

Zeitpunkt

Der prozessrechtlich maßgebliche Zeitpunkt gibt an, ob das im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltende Prozessrecht das Gericht dazu verpflichtet, die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung oder nach dem in einem anderen Zeitpunkt geltenden materiellen Recht vorzunehmen. Die Beantwortung dieser prozessualen Frage hängt nicht davon ab, ob das Entstehen oder der Fortfall einer materiellen Aufhebungspflicht in Rede steht. Prozessrechtlich maßgeblich zur Beurteilung der Sachlage und des irrevisiblen Rechts ist der Zeitpunkt der letzten tatsacheninstanzlichen Entscheidung, prozessrechtlich maßgeblich zur Beurteilung des revisiblen Rechts der Zeitpunkt der jeweiligen gerichtlichen Entscheidung [s. o. L. II. 2. a)]. Insbesondere lässt sich aus der Normierung der Fortsetzungsfeststellungsklage in § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO nicht herleiten, ein Fortfall der materiellen Aufhebungspflicht sei bei Prüfung der Begründetheit der Anfechtungsklage in jedem Fall zu berücksichtigen. 228 Denn die Anwendungsbereiche von Anfechtungsklage und Fortsetzungsfeststellungsklage sind bereits auf der Stufe der Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs voneinander abzugrenzen. Hinsichtlich der Sachentscheidungsvoraussetzungen hindert § 137 Abs. 2 VwGO nicht, noch in der Revisionsinstanz 228 So aber Baumeister, JURA 2005, 655 (656).

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

neue Tatsachen zu berücksichtigen. 229 Das Revisionsgericht hat insbesondere den Inhalt des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes selbst festzustellen 230, mithin die Frage der Erledigung eigenständig zu beurteilen. Ebenso zwingt die Rechtsbindung der Staatstätigkeit gemäß Art. 20 Abs. 3 GG nicht zur Berücksichtigung des Fortfalls der Aufhebungspflicht. 231 Bezüglich der Rechtsbindung der Judikative läuft das Argument aus Art. 20 Abs. 3 GG auf die petitio principii hinaus, das Gericht müsse nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO den Fortfall der materiellen Aufhebungspflicht berücksichtigen, da § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO dazu verpflichte. Bezüglich der Rechtsbindung der Exekutive greift das Argument bereits deshalb nicht, weil § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO keine Handlungsanweisung an die Behörde, sondern an das Gericht enthält. Führt beispielsweise erst die der Entscheidung des Berufungsgerichts nachfolgende Entwicklung des irrevisiblen Rechts zum Fortfall der materiellen Aufhebungspflicht, so muss das Revisionsgericht vom Fortbestand der vom Berufungsgericht festgestellten materiellen Aufhebungspflicht ausgehen. Ein etwaiges vorinstanzliches Anfechtungsurteil kann deshalb trotz zwischenzeitlich entfallener materieller Aufhebungspflicht revisionsfest sein und mit Zurückweisung der Revision in Rechtskraft erwachsen. Dies ist deshalb nicht zu beanstanden, weil der Rechtsstreit hinsichtlich der Sachlage und des irrevisiblen Rechts bereits mit Abschluss des tatsachengerichtlichen Verfahrens abschließend entschieden ist, das Revisionsverfahrens daher insoweit weder zu einer Änderung führen kann, noch darf. Auch § 114 S. 2 VwGO enthält keine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die tatsächliche Entwicklung seit der letzten tatsachengerichtlichen Entscheidung im Anfechtungsprozess ohne Berücksichtigung bleibt 2 3 2 Eine Ergänzung fehlender oder fehlerhafter Ermessenserwägungen während des Revisionsverfahrens könnte deshalb, selbst wenn sie materiellrechtlich zur Heilung des angefochtenen Verwaltungsaktes führte [dazu s. u. b) bb)], im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden. 233 229 BVerwG, Urt. v. 15. 1. 1999 - 2 C 5/98 - NVwZ-RR 1999, 472 (472); P. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 137 Rn 25. 230 BVerwG, Urt. v. 27. 9. 1990 - 4 C 44.87 - BVerwGE 85, 348 (366); Urt. v. 3. 11. 1998-9 C 51.97 - DVB1. 1999,983 (983 f.); Urt. v. 2. 9. 1999 - 2 C 22/98 - BVerwGE 109, 283 (286); einschränkend Kopp/Schenke, VwGO, § 137 Rn 25 a. 231 Vorgebracht wird dieses Argument von Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 791, der es allerdings sogleich durch den Einschub entwertet, dass ein Fortfall nicht „generell" unberücksichtigt bleiben dürfe. 232 Gerhard, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 114 Rn 12 e); Hufen, Verwaltungsprozessrecht § 24 Rn 21. 233 Das von Bonk, NVwZ 1997, 320 (325 f., Fn 37) geäußerten Bedenken, die Neufassung des § 45 Abs. 2 VwGO durch das Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz, könne „möglicherweise jedenfalls prozeßrechtlich insgesamt irrelevant" sein, traf somit bezüglich der - vom damaligen Wortlaut der Vorschrift gedeckten - Heilung im Revisionsverfahren zu.

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der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

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Entfällt die materielle Aufhebungspflicht ohnehin erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes, so kommt eine gerichtliche Berücksichtigung dieses Umstandes mangels Zulässigkeit der Anfechtungsklage von vornherein nicht in Betracht, ebenso wie dies beim Entstehen einer materiellen Aufhebungspflicht nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Fall ist [dazu s. o. L. IL 3. a) aa)].

b) Materiellrechtlich

maßgeblicher

Zeitpunkt

Die Anfechtungsklage hat nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nur dann Erfolg, wenn im prozessrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt eine gegenwärtige materielle Aufhebungspflicht besteht. Der Fortfall einer zuvor bestehenden Aufhebungspflicht kann sich inhaltlich nicht auf die Pflicht zur regulärwirkenden Aufhebung beschränken und die Pflicht zur rückwirkenden Aufhebung unberührt lassen. Ein Rechtmäßigwerden des Verwaltungsaktes ist konstruktiv ausgeschlossen [s. o. 1. b)]. Entweder gewinnt der im Erlasszeitpunkt rechtswidrige Verwaltungsakt in einem späteren Zeitpunkt Rechtmäßigkeit rückwirkend auf den Zeitpunkt seines Erlasses oder er bleibt rechtswidrig. Da eine auf Wirkung für die Zukunft beschränkte Milderung des Prüfungsmaßstabes ausgeschlossen ist, kommt es insoweit auf den materiellrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt nicht an. Obwohl hinsichtlich des Inhalts der fortfallenden Aufhebungspflicht mithin nicht zwischen Wirkung ex tunc und Wirkung ex nunc unterschieden werden kann, ist eine Unterscheidung danach möglich, ob der Fortfall der Aufhebungspflicht ex tunc oder ex nunc wirkt. Auch ein lediglich regulärwirkender Fortfall der Aufhebungspflicht zieht einen rückwirkenden Gewinn der Rechtmäßigkeit i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nach sich. Denn die Anfechtungsklage hat bezüglich des gesamten zeitlichen Regelungsgehaltes des angefochtenen Verwaltungsaktes bereits dann keinen Erfolg, wenn im prozessual maßgeblichen Zeitpunkt keine Aufhebungspflicht mehr besteht. Die Begründetheit der Anfechtungsklage hängt mithin nicht davon ab, ob die Aufhebungspflicht rückwirkend oder regulärwirkend entfällt. Dies bestätigt die Überlegung, dass die Anfechtungsklage lediglich als prozessuales Instrument zur Durchsetzung einer materiellen Aufhebungspflicht dient. Hätte der Prozessrechtsgesetzgeber auf die Normierung einer Anfechtungsklage in § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO verzichtet, wäre die materielle Pflicht zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes (stets 234 ) mit einer Klage auf gerichtliche Verpflichtung zur behördlichen Aufhebung nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO durchzusetzen. Auch dieser Verpflichtungsklage dürfte das Gericht nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO nur insofern stattgeben, wie der Betroffene noch im prozessrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt 235 einen materiellen Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsaktes innehat. 234

Bereits de lege lata sind etwa die Aufhebungspflichten aus § 51 Abs. 1 VwVfG im Wege der Verpflichtungsklage durchzusetzen, s. o. L. II. 2. a) aa). 235 Zur Unabhängigkeit des prozessrechtlichen maßgeblichen Zeitpunktes von der Klageart, s. bereits Baumeister, JURA 2005, 655 (656 ff., 659).

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

Diese Erkenntnis liegt auch einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde, in der das Gericht eine Stellungnahme zu der Frage verweigert, ob § 45 VwVfG eine „Heilung ex tunc" oder lediglich eine „Heilung ex nunc" des zunächst rechtswidrigen Verwaltungsaktes bewirkt. Der Sache nach zutreffend lässt das Gericht ausreichen, dass es jedenfalls nunmehr an einem Aufhebungsanspruch fehlt. 236 Allerdings steht entgegen dem Sprachgebrauch des Gerichts nicht in Frage, ob der Verwaltungsakt ex nunc oder ex tunc geheilt wird. Denn eine „Heilung ex nunc" müsste den Fortfall einer Pflicht zur regulärwirkenden Aufhebung unter Fortbestand einer Pflicht zur rückwirkenden Aufhebung bedeuten, was konstruktiv ausgeschlossen ist. Vielmehr steht in Frage, ob der Fortfall der Aufhebungspflicht lediglich ex nunc wirkt. Allein außerhalb der Begründetheitsprüfung kommt es darauf an, ob die Aufhebungspflicht ex tunc oder lediglich ex nunc entfallen ist. 2 3 7 Etwa entfällt ein auf die vormalige Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gestützter Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 S. 1 GG nicht deshalb, weil aktuell kein Aufhebungsanspruch mehr besteht. Entsprechendes gilt für etwaige verschuldensunabhängige Ersatzansprüche, beispielsweise infolge Inanspruchnahme durch eine rechtswidrige ordnungsbehördliche Maßnahme nach § 39 Abs. 1 Alt. 1 lit. b OBG NRW. Rückwirkend als bereits „rechtmäßig erlassen" zu beurteilen ist der im Erlasszeitpunkt rechtswidrige Verwaltungsakt in einem späteren Zeitpunkt, falls er den ex tunc gemilderten Anforderungen genügt. Einer Milderung ex tunc zugänglich sind die formellen oder materiellen Anforderungen an den Erlassvorgang ebenso wie die materiellen Anforderungen an das Erlassergebnis. Dementsprechend kann ein formeller Vorgangsfehler [aa)], ein materieller Vorgangsfehler [bb)] oder ein materieller Ergebnisfehler [cc)] rückwirkend behoben werden.

aa) Formelle Anforderungen an den Erlassvorgang Die Behebung formeller Fehler des Verwaltungsaktes ermöglicht insbesondere die Vorschrift des § 45 VwVfG. 2 3 8 Heilbar sind die in dieser Bestimmung enumerierten formellen Fehler, sofern sie nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führen. Das Fehlen der Mitwirkung eines Ausschusses oder einer anderen Behörde ist nach § 45 Abs. 3 Nr. 4 und Nr. 5 VwVfG aus dem Grunde heilbar, dass es gemäß § 44 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 VwVfG nicht zur Nichtigkeit führt. 239 Das Fehlen 236 BVerwG, Beschl. v. 9. 4. 2002 - 4 B 20/02 - Buchholz 316 § 45 VwVfG Nr. 25 S. 3 f.; OVG NRW, Urt. v. 16. 3. 2001 - 7 A 1072/96 - NWVB1. 2002, 306 (307). 237 BVerwG, Beschl. v. 9.4. 2002 - 4 B 20/02 - Buchholz 316 § 45 VwVfG Nr. 25 S. 3 f. 238 Wohlwollend gegenüber dieser Vorschrift aus rechtsvergleichender und rechtspolitischer Sicht Pietzcker, FS Maurer, S. 695 ff. 239 Unbeachtlich ist insoweit die unterschiedliche Formulierung in § 45 VwVfG einerseits und § 44 VwVfG andererseits, Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn 16 m. w. N.

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eines Antrages, einer Begründung oder einer Anhörung kann nach § 45 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 VwVfG geheilt werden, sofern es nicht ausnahmsweise gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes begründet. Die Nachholung der Verfahrenshandlung ist nach der abermaligen Neufassung 240 des § 45 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2 VwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich. Um die verfahrensrechtliche Position der Betroffenen nicht zu entwerten, wird dabei zutreffend eine restriktive Handhabe der Heilungsvorschriften angemahnt.241 Der Ausschluss der Sanktionierung eines Verfahrensfehlers ist nur dann hinnehmbar, wenn der Betroffene so gestellt wird, wie er bei korrekter Verfahrensgestaltung gestanden hätte. 242 Nicht gefolgt werden kann der verbreiteten Auffassung 243 , nach der die Heilung gemäß § 45 VwVfG lediglich ex nunc wirkt. Abgesehen davon, dass ein Rechtmäßigwerden des angefochtenen Verwaltungsaktes bereits von den Rechtsfolgen her nicht vorstellbar ist [s. o. 1. b)], sind die formellen Anforderungen ihrer Eigenart nach nicht geeignet, eine ex nunc veränderte Beurteilung des Verwaltungsaktes hervorzurufen. Insoweit gilt nichts anderes als für formelle Mängel anderer Staatsakte. So ist beispielsweise das mangels Gesetzgebungskompetenz aus formellen Gründen verfassungswidrige Staatshaftungsgesetz des Bundes von 1981 244 nicht 240 Zeitliche Grenze der Heilung war ursprünglich der Abschluss des etwaigen Widerspruchsverfahrens. Durch dass Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren v. 12. 9. 1996 (BGBl. I, S. 1354) wurde die zeitliche Grenze - zumindest dem Normtext nach auf den Abschluss des letztinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens hinausgeschoben. Durch Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess v. 20. 12. 2001 (BGBl. I, S. 3987) wurde die zeitliche Grenze auf den Abschluss der letzten Tatsacheninstanz vorverlegt. Zu verfassungsrechtliche Bedenken gegen die diversen Neufassungen des § 45 Abs. 2 VwVfG siehe nur Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn 113 ff.; Ehlers, JURA 1996, 617 (622); Schnapp / Cordewener, JuS 1999, 147 (148 f.); Bonk, NVwZ 1997, 320 (324 f.). 241

Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn 595 ff.; Hans Meyer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 551 (567 f.). 242 Roßnagel, JuS 1994, 927 (930 f.); Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 8 Rn 36. Restriktiv hinsichtlich der Nachholung der Personalratsanhörung nach Entlassung eines schwerbehinderten Beamten BVerwG, Urt. v. 23. 10. 1 9 6 9 - H C 128.67 -BVerwGE 34, 133 (138 f.). 243 Ein „Rechtmäßigwerden" nach § 45 Abs. 1 VwVfG bejahen allgemein Bronnenmeyer, Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte, S. 72; Hans Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 45 Rn 12; Hill, Das fehlerhafte Verfahren S. 98; Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 77; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 804 a, 810 a; ders., FS Maurer, S. 723 (750 ff.); Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 45 Rn 14; R. P. Schenke, JuS 2000, 230 (234). Tendenziell auch Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rn 16. Nach Fehlerarten differenzierend Messerschmidt, NVwZ 1985, 877 (877 f.), nunmehr auch Hubert Meyer, in: Knack, VwVfG, § 45 Rn 16. Widersprüchlich Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 25 Rn 12 einerseits („Wirkung ex nunc"), § 8 Rn 47 andererseits („ex tunc rechtmäßig"). 244 BGBl. I, 553. Für nichtig erklärt durch BVerfG, Urt. v. 19. 10. 1982 - 2 BvF 1/81 BVerfGE 61, 149 (173 ff.).

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

dadurch geheilt worden, dass nachträglich in Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG ein Kompetenztitel geschaffen wurde. Die formellen Anforderungen betreffen den Erlassvorgang [s. o. K. I. 2. a)] als das den Verwaltungsakt hervorbringende behördliche Verhalten (s. o. K. 1.1.). Die Rechtmäßigkeit dieses in einem Zeitpunkt nach Erlass bereits vergangenen Verhaltens kann allenfalls rückwirkend einer veränderten Beurteilung unterzogen werden kann. Die formellen Anforderungen stellen mithin notwendig auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses ab. Die Behebung eines formellen Fehlers ist deshalb, ebenso wie der Eintritt eines formellen Fehlers [dazu s. o. L. II. 2. a) aa)], nicht anders als rückwirkend möglich. Deshalb führt die Nachholung einer Verfahrenshandlung unter den Voraussetzungen des § 45 VwVfG zu einer auf den Erlasszeitpunkt zurückwirkenden Heilung des Verwaltungsaktes.245 bb) Materielle Anforderungen an den Erlassvorgang Die materiellen Anforderungen an den Vorgang des Erlasses betreffen die Ausübung von Ermessen oder die Konkretisierung eines Beurteilungsspielraumes [s. o. K. I. 2. b) cc)-dd)]. Die Heilung materieller Mängel, wie etwa von Ermessensoder Beurteilungsfehlern, ist in § 45 VwVfG nicht geregelt. 246 Das Nachholen einer Begründung behebt unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG einen (formellen) Begründungsmangel, wohingegen die Heilung eines (materiellen) Ermessensfehlers des Nachschiebens von Gründen bedarf. 247 Auch die Prozessrechtsnorm des § 114 S. 2 VwGO kann die etwaige heilende Wirkung nachgeschobener Ermessenserwägungen nicht regeln 248 , sondern muss sie voraussetzen. 249 Denn für eine umfassende materiellrechtliche Regelung fehlt dem Bund die Gesetzgebungskompetenz. 250 245

Th. Horn, Drittanfechtung, S. 22; Baumeister, Rechtswidrigwerden von Normen, S. 177; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn 18; H.-D. Horn, Verw (25) 1992, 203 (206 Fn 19); der Sache nach auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 39. 246 So aber Hinterseh, JA 2004, 83 (87), wohl auch Stern, Rn 548 m. w. N. Demgegenüber zutreffend SaarlOVG, Urt. v. 10. 6. 1981 - 3 R 29/80 - NVwZ 1982, 127 (127); Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 325; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn 1; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn 40; Schoch, DÖV 1984, 401 (408); R. P. Schenke, JuS 2000, 230 (230). 241 Terminologie nach Schoch, DÖV 1984, 401 (402 ff.); H.-D. Horn, Verw 25 (1999), 203 (204 ff.); Ehlers, JURA 2004, 176 (180). Unzureichend differenzierend etwa Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, Rn 538; Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (599 f.). 24% So aber BVerwG, Urt. v. 16. 6. 1997 - 3 C 22.96 - BVerwGE 105, 55 (59), wohl auch Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rn 530 (533, 535), M. Redeker, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 114 Rn 10, die nicht hinreichend zwischen prozessualer Berücksichtigungsfähigkeit und materieller Beachtlichkeit unterscheiden. 249 BT-Drs. 13/5098 zu Art. 1 Nr. 14 des 6. VwGOÄndG; BVerwG, Urt. v. 5. 5. 1998 - 1 C 17.97 - BVerwGE 106, 351 (364); Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 114 Rn 12 c); Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, Rn 548; Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn 85; R. R Schenke, JuS 2000,230 (233); Brischke, DVB1.2002,429 (431).

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Nach der Rechtsprechung 251 ermöglicht das materielle Recht die Ergänzung von Ermessenserwägungen mit heilender Wirkung, sofern die zugrunde gelegten Umstände bereits bei Erlass des Verwaltungsaktes vorlagen, der Verwaltungsakt „in seinem Wesen" nicht geändert und der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung nicht beeinträchtigt wird. Die drei genannten Voraussetzungen bedürfen näherer Erläuterung: Die ergänzenden Ermessenserwägungen selbst bilden die Gründe, um deren Nachschieben es geht. Deshalb können lediglich die Umstände, auf die sich diese Gründe beziehen, nicht jedoch die Gründe selbst, bereits bei Erlass des Ausgangsverwaltungsaktes vorgelegen haben. 252 Bei Erlass haben auch solche Umstände vorgelegen, die der Ausgangsbehörde noch nicht bekannt waren und erst jetzt in die Erwägungen eingestellt werden. 253 Demgegenüber können die ergänzenden Ermessenserwägungen nicht auf zwischenzeitliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage gestützt werden. 254 Auf veränderte Umstände kann die Behörde nur reagieren, indem sie den vorhandenen Verwaltungsaktes (etwa nach §§ 49, 51 VwVfG oder nach § 48 SGB X) aufhebt 255 und einen entsprechenden inhaltsgleichen oder inhaltsähnlichen neuen Verwaltungsakt erlässt. Eine „Wesensänderung" 256 geht zumindest mit jedem Eingriff in den Regelungsausspruch einher. 257 In diesen Fällen wird die intendierte Regelung als der zu be250 SächsOVG,Urt. v. 6. 5.1998-2S531/95-SächsVBl. 1998, 218 (219). Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 114 Rn 12 c; Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn 85; Pietzner/Ronellenfitsch, Assessorexamen im Öffentlichen Recht, § 38 Rn 15 f.; Bosch/Schmidt, Praktische Einführung, § 30 I I 3 (S. 289); Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 816; Ehlers, JURA 2004, 176 (181); undeutlich M. Redeker, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 114 Rn 10 a a. E. 251 BVerwG,Urt.v.28.11.1980-2C24.78-BVerwGE61,200(210);Urt.v. 16.6.19973 C 22.96-BVerwGE 105,55 (59); Urt. v. 5.5.1998-1 C 17.97 - BVerwGE 106,351 (363). Zust. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 24 Rn 22 ff.; Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn 87 ff.; H.-D. Horn, Verw 25 (1992), 203 ff.; krit. Schoch, DÖV 1984,401 (410). 252 So aber der missverständliche Sprachgebrauch bei Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (599 f.). 253 Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn 88; J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn 25. 254 So aber R. P. Schenke, VerwArch 90 (1999), 232 (248 f.). Wie hier SächsOVG, Urt. v. 6. 5. 1998 - 2 S 531 /95 - SächsVBl. 1998, 218 ff.; Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (599 f.). 255 Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn 88. 256 Ehlers, JURA 2004, 176 (181), schlägt vor, insoweit von der der „Identität des Verwaltungsaktes" zu sprechen. Krit. zum Wesensargument allgemein Scheuerle, AcP 163 (1964), 429 ff. 257 Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn 89; wohl auch BVerwG, Urt. v. 27. 1. 1982 8 C 12.81 - BVerwGE 64, 356 (358); Beschl. v. 5. 2. 1993 - 7 B 107.92 - BVerwG, NVwZ 1993, 976 (977). Deshalb bedenklich etwa das Changieren zwischen Beamtenentlassung wegen Dienstvergehens einerseits und mangels Bewährung andererseits, so aber BVerwG, Urt. v. 28.4.1983 2C 89.81 -DVB1.1983,1105 (1107).

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

urteilende Prüfungsgegenstand nicht aufrechterhalten, kann mithin keine Heilung erfahren. Nach einer Auffassung sollen darüber hinaus auch die behördlichen Motive zum „Wesen" des Verwaltungsaktes gehören. 258 Davon ausgehend wäre es konsequent, jede neue Ermessenserwägung als Wesensänderung zu verstehen und mithin jede Heilung von Ermessensfehlern auszuschließen. Doch wird diese Konsequenz nicht gezogen, sondern eine Wesensänderung nur dann angenommen, wenn die bisherigen Gründe „im Kern" ausgewechselt werden. 259 oder erstmalig Ermessen ausgeübt wird, da die Behörde den Verwaltungsakt fälschlich als gebundene Entscheidung erlassen hat 2 6 0 . Beispielsweise kann eine bislang allein spezialpräventiv motivierte Ausweisung eines Ausländers nicht nunmehr auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützt werden. 261 Keine Wesensänderung erfährt der Verwaltungsakt dann, wenn die vorhandenen, aber defizitären Ermessenserwägungen ergänzt werden, ohne dass eine (vollständig) neue Ermessensentschließung stattfindet. 262 Der Betroffene wird in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt, wenn die Ergänzung der Ermessenserwägungen seine verfahrensrechtliche oder prozessuale Stellung (insbesondere als Widerspruchsführer, Kläger oder Beigeladener) verschlechtert. So muss dem Betroffenen ausreichend Gelegenheit zur prozessualen Reaktion gegeben werden, etwa indem er die Hauptsache unter Verwahrung gegen die Kostenlast für erledigt erklärt. 263 Sofern den ergänzenden Ermessenserwägungen demnach heilende Wirkung zukommt, wird der Ermessensfehler rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlasses be258 Rennen, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn 89. 259 BVerwG, Urt. v. 18. 5. 1990 - 8 C 48.88 - BVerwGE 85, 163 (166); Beschl. v. 14. 1. 1999-6 B 133/98 - NJW 1999, 2912 (2912); Rennen, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn 89; Brischke, DVB1. 2002, 429 (431) Auch BT-Drs. 13/3993, S. 13, Begründung zu Art. 1 Nr. 14, geht von der Unzulässigkeit eines (vollständigen) Auswechseins der Gründe aus. Zur heilenden Wirkung einer erneuten Bewertung in Fällen des Beurteilungsspielraums BVerwG, Urt. v. 9. 12. 1992 - 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262 (272); SächsOVG, Urt. v. 6. 5. 1998-2S531/95-SächsVBl. 1998, 218 ff. 260 Zum Ausschluss der Heilung in diesen Fällen: BVerwG, Urt. v. 28. 2. 1975 - IV C 30.73 - BVerwGE 48, 81 (84); VGH BW, Urt. v. 29. 11. 1978 - in. 1988/78 - ESVGH 29, 125 (128 f.). J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn 25; Rennen, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn 89 (der sich dort findendende Hinweis auf § 47 Abs. 3 VwVfG ist allerdings nicht zwingend, da die Umdeutung im Gegensatz zum Nachschieben von Gründen mit einem Eingriff in die intendierte Regelung verbunden ist). Abweichend BVerwG, Urt. v. 6. 5. 1977 - V I I C 49.75 - Buchholz 437.4 Pensionsklassen Nr. 1 S. 11. 261 BayVGH, Urt. v. 23. 3. 1999 - 10 B 98.2378 - BayVBl. 1999, 627 (627 f.); Rennen, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn 89. 262 Rennen, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn 89. 263 Rennen, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn 92 mit dem zutreffenden Hinweis, dass eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO mangels Erledigung des Verwaltungsaktes nicht in Betracht kommt, s. o. E. I. 3. a) gg).

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hoben. 264 Die Rückwirkung der Heilung ergibt sich zum einen daraus, dass die Anforderungen an die Ausübung von Ermessen an den Vorgang des Erlasses anknüpfen [dazu s. o. K. I. 2. b) cc)], zum anderen daraus, dass die ergänzenden Ermessenserwägungen auf bereits bei Erlass vorliegende Umstände gestützt werden müssen. Dementsprechend können Beurteilungsmängel, da ebenfalls als materielle Fehler auf den Erlassvorgang Bezug nehmend [dazu s. o. K. I. 2. b) dd)], allenfalls rückwirkend behoben werden.

cc) Materielle Anforderungen an das Erlassergebnis Hinsichtlich der (formellen oder materiellen) Anforderungen an den Erlassvorgang ist eine auf Wirkung für die Zukunft beschränkte Milderung des Prüfungsmaßstabes durch die Eigenart dieser Anforderungen ausgeschlossen [s. o. aa) bb)]. Im Ergebnis gilt nichts anderes für die (materiellen) Anforderungen an das Erlassergebnis, obwohl insoweit, wenn auch nur bei Dauerverwaltungsakten, eine auf Wirkung für die Zukunft beschränkte Schärfung des Prüfungsmaßstabes möglich ist [s. o. L. II. 2. b) cc) (2) (b)]. Denn ein Rechtmäßigwerden i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ist von den Rechtsfolgen her auch dann ausgeschlossen, wenn ein Dauerverwaltungsakt in Rede steht [s. o. 1. b)]. Eine Anforderung an das Erlassergebnis des Verwaltungsaktes enthält beispielsweise § 2 Abs. 1 S. 1 KAG NRW. Danach darf eine Kommunalabgabe nur aufgrund einer gültigen Beitragsatzung erhoben werden. Stützt die Gemeinde einen Kommunalbeitragsbescheid auf eine nichtige Beitragsatzung, so ist der Bescheid im Erlasszeitpunkt rechtswidrig. Schiebt die Gemeinde in einem späteren Zeitpunkt eine gültige, ex tunc wirkende Beitragsatzung nach, so ist der Beitragsbescheid rückwirkend als rechtmäßig zu beurteilen. 265 Insbesondere hat eine zulässigerweise gegen den Beitragsbescheid erhobene Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht länger Aussicht auf Erfolg. Da der angefochtene Verwaltungsakt rückwirkend Rechtmäßigkeit erlangt, kommt es in dieser Fallgestaltung auf den materiellrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt nicht an. Materielle Anforderungen beispielsweise an eine Baugenehmigung nach § 75 Abs. 1 S. 1 BauO NRW ergeben sich insbesondere aus den Vorschriften der §§ 30 ff. BauGB über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben. Stützt sich die Behörde bei Erteilung der Baugenehmigung auf einen Bebauungsplan, der infolge eines nach § 215 a Abs. 1 S. 2 BauGB beachtlichen Mangels zunächst keine Rechtswirkungen entfaltet, so ist die Baugenehmigung im Erlasszeitpunkt rechtswidrig. Wird der Mangel des Bebauungsplanes in einem ergänzenden Verfahren geheilt und der Bebauungsplan nach § 215 a Abs. 2 BauGB rückwirkend in Kraft gesetzt, so 264 Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn 85. 265 Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozessrecht, Rn 521, 525 f.; auch Scherzberg, BayVBl. 1992,426 (430).

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

vermag er nunmehr das genehmigte Bauvorhaben zu rechtfertigen. Die Baugenehmigung gewinnt ex tunc Rechtmäßigkeit, so dass die etwaige Anfechtungsklage eines Nachbarn nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO keinen Erfolg mehr haben kann.

3. Kasuistik des vermeintlichen Rechtmäßigwerdens Bereits von den Rechtsfolgen her ist ein Rechtmäßigwerden des Verwaltungsaktes nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ausgeschlossen [s. o. 1. b)]. Denn da eine Aufhebung ex tunc notwendig eine Aufhebung ex nunc einschließt, kann die Pflicht zur regulärwirkenden Aufhebung dann nicht entfallen, wenn die Pflicht zur rückwirkenden Aufhebung fortbesteht. Jeder vermeintlich auf die Pflicht zur regulärwirkenden Aufhebung beschränkte Fortfall der Aufhebungspflicht muss entweder als regulärwirkender Fortfall oder als Fortbestand der Aufhebungspflicht gedeutet werden. Dies bedarf der Darstellung anhand befehlender [a)], gestaltender [b)] sowie feststellender Verwaltungsakte [c)].

a) Befehlender Verwaltungsakt

Beispiele befehlender Verwaltungsakte sind die Gewerbeuntersagung [aa)], der Beitragsbescheid [bb)] und die ausländerrechtliche Ausweisung [cc)]. aa) Gewerbeuntersagung Untersagt die Behörde nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO die Ausübung eines Gewerbes, beispielsweise das Reisevermittlungsgewerbe, so steht der Erfolg der Anfechtungsklage in Frage, wenn der Betroffene im Zeitpunkt des Erlasses noch zuverlässig war, jedoch in einem späteren Zeitpunkt unverlässig geworden ist. 2 6 6 Da die gesetzlichen Erlassvoraussetzungen nicht vorlagen, hat der Betroffene zunächst einen mit der Anfechtungsklage durchsetzbaren materiellen Aufhebungsanspruch erworben. Um etwaigen Vollstreckungsmaßnahmen zwischen Erlass des Verwaltungsaktes und Eintritt der Unzuverlässigkeit die Grundlage zu entziehen, muss dem Betroffenen dieser Aufhebungsanspruch erhalten bleiben. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann die Position des Betroffenen nur insoweit schmälern, wie die nachträglich eingetretene Unzuverlässigkeit eine Gewerbeuntersagung trägt. Da eine rückwirkende Aufhebung notwendig eine regulärwirkende Aufhebung einschließt [s. o. 1. b)], lässt sich der Anspruch des Betroffenen nicht darauf beschränken, dass eine auf den Erlasszeitpunkt zurückwirkende Aufhebung, nicht jedoch eine Aufhebung ab Eintritt der Unzuverlässigkeit verlangt werden kann. 266 Für die Beachtlichkeit des Unzuverlässigwerdens Nds. OVG, Urt. v. 15. 9. 1993 - 7 L 5832/92 - GewArch 1994, 110 f.; Schenke, WiVerw 1988, 145 (165); Laubinger, VerwArch 89(1998), 145 (169 f.)

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Konstruktiv möglich ist hingegen, den Aufhebungsanspruch auf einen Anspruch auf Anfügung einer aufschiebenden Bedingung zu beschränken. Da ein aufschiebend bedingter Verwaltungsakt einen geringeren zeitlichen Regelungsgehalt aufweist als ein unbedingter Verwaltungsakt, erschöpft sich die Anfügung einer aufschiebenden Bedingung in einer rückwirkenden Teilaufhebung des vorhandenen Verwaltungsaktes [s. o. F. IV. 2. b)]. Da die Anfügung auf den Erlasszeitpunkt zurückwirkt, kommt als anzufügende aufschiebende Bedingung der Eintritt der Unzuverlässigkeit in Betracht, obwohl dieser mittlerweile in der Vergangenheit liegt. Die Fähigkeit, eine solche aufschiebende Bedingung anzufügen, besitzt insbesondere das über die Anfechtungsklage durch kassatorisches Gestaltungsurteil nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO entscheidende Gericht. Die Befugnis des Gerichts zu einem solchen Vorgehen steht indessen in Frage. Denn der Aufhebungsanspruch des Betroffenen beschränkt sich nur dann auf einen Anspruch auf Anfügung einer aufschiebenden Bedingung, wenn die Behörde im Erlasszeitpunkt berechtigt gewesen wäre, eine Gewerbeuntersagung unter aufschiebender Bedingung des Eintritts der Unzuverlässigkeit auszusprechen. Dies ist nicht der Fall. Die Behörde ist nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO nicht ermächtigt, einem noch zuverlässigen Gewerbetreibenden für den Fall eines späteren Verlusts der Zuverlässigkeit die Ausübung des Gewerbes zu untersagen und ihn dadurch vorzeitig mit einer Anfechtungslast zu beschweren. Deshalb belässt das materielle Recht dem Betroffenen den ungeschmälerten Anspruch auf Aufhebung einer Untersagungsverfügung auch dann, wenn die zunächst bestehende Zuverlässigkeit zu einem späteren Zeitpunkt entfallen ist. 2 6 7

bb) Beitragsbescheid Erhebt die Gemeinde einen Erschließungsbeitrag entgegen §§ 132, 127 Abs. 1 BauGB aufgrund einer nichtigen Beitragsatzung, schiebt jedoch in einem späteren Zeitpunkt eine gültige Satzung nach, die nicht auf den Zeitpunkt den Erlasses des Beitragsbescheides zurückwirkt, so steht in Frage, ob die Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO noch begründet ist. Die Anfechtungsklage hat nur dann Erfolg, wenn der Betroffene ungeachtet der nachgeschobenen Beitragsatzung weiterhin die Aufhebung des Beitragsbescheides verlangen kann. Nach der ständigen Rechtsprechung zum Erschließungsbeitragsrecht steht einem solchen Anspruch (oder zumindest seiner Geltendmachung) der aus Treu und Glauben 268 herzuleitende Einwand entgegen, dass dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est. 267

Ehlers, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, § 2 Rn 67; Mareks, in: Landmann/ Rohmer, GewO, § 35 Rn 22; Heß, in Friauf, GewO, § 35 Rn 164 (Lfg. 2002); Mager, NVwZ 1996, 134 (135). 268 Zu Treu und Glauben als allgemeinem - auch im öffentlichen Recht anzuwendenden Rechtsgrundsatz Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, § 25 I a (S. 121 f.); Jürgen Schmidt, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn 162; Scherzberg, BayVBl. 1992,426 (429).

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

Indessen liegen die Voraussetzungen dieses Einwandes nur dann vor, wenn das Begehrte, sobald es erbracht ist, zurückerstattet werden muss. Dies trifft bei formaler (rechtlicher) Betrachtung bereits deshalb nicht zu, weil der Betroffene nicht fähig ist, die begehrte Aufhebung des Beitragsbescheides, sobald er sie erlangt hat, zurückzuerstatten. Allenfalls kann der Betroffene den Erlass eines neuen Beitragsbescheides erdulden. Auch bei materieller (wirtschaftlicher) Betrachtung entspricht das Erdulden der Aufrechterhaltung des alten Beitragsbescheides nicht dem Erdulden des Erlasses eines neuen Beitragsbescheides. Da die Rechtsordnung den Erlass rückwirkender befehlender Verwaltungsakte nicht kennt [s. o. C. IV. 1. e)], bliebe der neue Beitragsbescheid in seinem zeitlichen Regelungsgehalt notwendig hinter dem alten Beitragsbescheid zurück. Eine Zahlungspflicht für den Zeitraum zwischen Erlass des alten und Erlass des neuen Beitragsbescheides wird allein durch den alten Beitragsbescheid begründet. 269 Der Betroffene muss zwar auch aufgrund des neuen Beitragsbescheides den geforderten Betrag leisten, sofern er weiterhin Eigentümer ist und damit die subjektiven Voraussetzungen des Abgabentatbestandes erfüllt. 270 Doch ist die Auferlegung einer rückwirkenden Beitragspflicht ausgeschlossen. Um etwaige zwischenzeitlich erwirtschaftete Zinsgewinne aus öffentlich-rechtlichem Erstattungsanspruch heraus zu verlangen, bedarf der Betroffene der Aufhebung des alten Beitragsbescheides. Der vom Bundesverwaltungsgericht 271 unternommene Versuch, die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der nachgeschobenen Beitragsatzung hinauszuzögern, gelingt nicht. Denn die Fälligkeit des Beitragsanspruchs knüpft gemäß § 135 Abs. 1 BauGB an die Bekanntgabe des rechtswirksamen, wenn auch möglicherweise rechtswidrigen, Beitragsbescheids an. 2 7 2 Ebenso wenig lässt sich der Aufhebungsanspruch des Betroffenen auf den Zeitraum zwischen Erlass des Beitragsbescheids und Inkrafttreten der neuen Satzung beschränken 273 Denn ein Anspruch auf rückwirkende Aufhebung schließt notwendig einen Anspruch auf regulärwirkende Aufhebung ein [s. o. 1. b)]. Der Betroffene hat im Erlasszeitpunkt den Anspruch auf rückwirkende Aufhebung des Beitragsbescheides erlangt. Der Aufhebungsanspruch ist durch Nachschieben einer gültigen regulärwirkenden Beitragsatzung weder entfallen, noch 269 Scherzberg, BayVBl. 1992, 426 (430), weist insoweit auf die spätere Fälligkeit der durch den neuen Beitragsbescheid begründeten Forderung hin. In Wahrheit geht es aber bereits um das spätere Entstehen der Beitragsforderung. Kleinlein, VerwArch 81 (1990), 149 (188), hebt zutreffend die unterschiedlichen Nebenfolgen (z. B. Säumniszuschläge) des alten Beitragsbescheids im Vergleich zum neuen Beitragsbescheid hervor. 270 Scherzberg, BayVBl. 1992, 425 (430), weist dabei zutreffend auf die Möglichkeit des Eigentümerwechsels hin. 271 BVerwG, Urt. v. 25. 11. 1981 - 8 C 14.81 - BVerwGE 64, 218 (222). 272 Insoweit auch Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 803; ders., Schenke, FS Maurer, S. 723 (748) 273 So aber Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn 803, ders., FS Maurer, S. 723 (748).

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beschränkt worden. Entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts 274 muss dem Aufhebungsbegehren nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO deshalb entsprochen werden. 275 cc) Ausweisung Aufgrund der Ermächtigung des vormaligen § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG, die gemäß § 47 Abs. 3 S. 4 AuslG auf Minderjährige keine Anwendung fand, sollte ein Ausländer ausgewiesen werden, der zu einer mehr als dreijährigen Freiheitsstrafe (nach Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht) verurteilt worden war. In Frage stand, ob eine Anfechtungsklage gegen eine auf § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG gestützte Ausweisung Erfolg hatte, wenn der Betroffene zum Zeitpunkt der Ausgangsentscheidung 16 Jahre, zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung 18 Jahre alt war. Das Bundesverwaltungsgericht 276 hat in einem vergleichbaren Fall 2 7 7 der Anfechtungsklage stattgegeben und dies mit der Minderjährigkeit zum Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsverwaltungsaktes begründet 2 7 8 Der Entscheidung des Gerichts kann im Ergebnis, wenn auch nicht in der Begründung zugestimmt werden. Die mehr als einjährige und damit, gemessen insbesondere an der Untätigkeitsfrist des § 75 S. 1 VwGO, überlange Dauer des Widerspruchsverfahrens könnte auf dem Bemühen der Widerspruchsbehörde beruhen, wider Treu und Glauben den Eintritt der Volljährigkeit des Betroffenen abzuwarten, um sodann, gestützt auf die Volljährigkeit, den Widerspruch zurückzuweisen. Den Widerspruch zurückweisen durfte die Widerspruchsbehörde jedoch allenfalls dann, wenn im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung die Ermächtigung des § 47 Abs. 1 AuslG eine Ausweisung des nunmehr volljährigen Betroffenen getragen hätte. Nach einer Lesart, von der das Bundesverwaltungsgericht unausgesprochen ausging, hinderte § 47 Abs. 3 S. 4 AuslG nicht die Anwendung des § 47 Abs. 2 Nr. 1 274 BVerwG, Urt. v. 25. 11. 1981 - 8 C 14.81 - , BVerwGE 64, 218 (219 ff.); Urt. v. 27.4. 1990 - 8 C 87.88 - NVwZ 1991, 360 (361); VGH BW, Urt. v. 7. 2. 1985 - 2 S 812/84 VGH BW, VB1BW. 1985,428 (429); Driehaus, in: ders., KAG, § 8 Rn 162 ff. (Lfg. 2002). 275 Ebenso OVG NRW, Urt. v. 12. 12. 1985 - 2 A 445/82 - DVB1. 1986, 779 (779); OVG Lüneburg, Urt. v. 16. 12. 1976 - in A 90/76 - Gemeinde SH 1977, 188 (189 f.); Kleinlein, VerwArch 81 (1990), 149 (186 ff.); Scherzberg, BayVBl. 1992, 425 (430 f.). Krit. gegenüber der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch Seilner, NJW 1986, 1073 (1074 Fn 12). Ein „Rechtmäßigwerden" des Beitragsbescheids durch nachträglichen Eintritt der tatsächlichen Voraussetzungen der Beitragspflicht verneinend auch Bay VGH, Urt. v. 29. 8. 1986 23 B 85 A2268 - BayVBl. 1987,495 (499). 276 BVerwG, Urt. v. 3. 6. 1997 - 1 C 23 / 96 - NVwZ 1997, 1126 (1127). 277 Zur damaligen Fassung des § 47 Abs. 1 AuslG. 278 Diese ratio decidendi geht insbesondere aus dem zweiten Leitsatz der Entscheidung hervor. Hilfsweise führt das Gericht jedoch aus, dass der vorliegende Fall nicht anders zu entscheiden wäre, wenn § 47 Abs. 3 S. 4 AuslG auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung der Widerspruchsbehörde abstellen würde. 24 Steinweg

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

AuslG auf einen nunmehr volljährigen Ausländer, der noch als Minderjähriger rechtskräftig verurteilt worden war. Das Bundesverwaltungsgericht meinte allerdings, der Regelfolge der Sollvorschrift des § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG ausweichen zu können. Bereits der Ausgangsbehörde sei verwehrt gewesen, durch eine unangemessene Verfahrensdauer die günstige Rechtsposition, die der Ausländer durch seine Mindeijährigkeit innehat, zu beseitigen.279 Dazu konnte es aber nicht kommen. Denn zumindest während der Minderjährigkeit war die Behörde durch § 47 Abs. 3 S. 4 AuslG gehindert, den Betroffenen nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG auszuweisen. Deshalb war die Behörde nicht gehalten, das Ausweisungsverfahren vor Eintritt der Volljährigkeit zu betreiben. Nach anderer Lesart entfaltete gemäß § 47 Abs. 3 S. 4 AuslG eine während der Minderjährigkeit erfolgte rechtskräftige Verurteilung keine Tatbestandswirkung nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG. Diese Auslegung verdient den Vorzug, da Anlass der Ausweisung gemäß § 47 AuslG die „besondere Gefährlichkeit" des Betroffenen, nicht der Eintritt seiner Volljährigkeit ist. Auch den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts liegt die Verneinung der Befugnis zu Grunde, zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung die Ausweisung vorzunehmen. Zwar betont das Gericht die Maßgeblichkeit der Sachlage zum Zeitpunkt der ausgangsbehördlichen Entscheidung und die Unmaßgeblichkeit der Sachlage zum Zeitpunkt der widerspruchsbehördlichen Entscheidung.280 Doch führt dies allein nicht weiter. 281 Aus verwaltungsökonomischen Gründen wäre wegen des Devolutiveffekts nicht einzusehen, warum die Widerspruchsbehörde einem Widerspruch stattgeben müsste und sodann die Ausgangsbehörde die Ausweisung neu verfügen dürfte. Träfe die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichtes zu, müsste vielmehr die Widerspruchsbehörde die vorhandene Ausweisungsverfügung durch Verschiebung des zeitlichen Regelungsgehaltes auf den Eintritt der Volljährigkeit rechtskonform reformieren [vgl. o. F. IV. 1. c)] und den Widerspruch zurückweisen.

b) Gestaltender Verwaltungsakt

Beispiele gestaltender Verwaltungsakte sind der Widerruf einer Erlaubnis [aa)] sowie die Baugenehmigung [bb)].

279 BVerwG, Urt. v. 3. 6. 1997 - 1 C 23/96 - NVwZ 1997, 1126 (1127 a. E.). 280 BVerwG, Urt. v. 3. 6. 1997 - 1 C 23/96 - NVwZ 1997, 1126 (1127). Die entsprechende Auslegungsfrage zu § 48 Abs. 2 AuslG noch offenlassend hingegen BVerwG, Urt. v. 19. 11. 1996-1 C 25.94-DVB1. 1997, 899 (900). 281 Überdies wird die Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage der letzten Verwaltungsentscheidung über die Ausweisung etwa in BVerwG, Urt. v. 5. 5. 1998 - I C 17.97 BVerwGE 106, 351 ff., als ständige Rechtsprechung bezeichnet.

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aa) Widerruf einer Erlaubnis In Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht ist der Widerruf einer Apothekenbetriebserlaubnis , einer ärztlichen Approbation oder einer Gaststättenerlaubnis 284 spätestens an der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung zu messen. Dies folgt bereits daraus, dass es sich beim Widerruf um einen Punktverwaltungsakt handelt. Da ein Punktverwaltungsakt lediglich in einem Zeitpunkt eine Rechtsfolge intendiert (s. o. C. II. 1.), kann er allenfalls aufgrund rückwirkender Änderungen einer veränderten Beurteilung unterzogen werden. Einem regulärwirkenden Eintritt der Widerrufsvoraussetzungen kommt indessen keine Bedeutung zu.

bb) Baugenehmigung Ficht der durch die Baugenehmigung in seinen Rechten verletzte Nachbar eine Baugenehmigung an, so steht in Frage, ob die Anfechtungsklage auch dann noch Erfolg hat, wenn während des Anfechtungsprozesses eine nicht-rückwirkende Veränderung (z. B. Inkrafttreten eines Bebauungsplans) eintritt, aufgrund der die Baugenehmigung nunmehr rechtmäßig erteilt werden könnte. Entscheidend ist, ob der Nachbar ungeachtet der für den Bauherrn günstigen Veränderung weiterhin die Aufhebung der Baugenehmigung beanspruchen kann. Der Aufhebungsanspruch des Nachbarn entfällt zumindest dann, wenn die Veränderung auf den Zeitpunkt des Erlasses der Baugenehmigung zurückwirkt [dazu s. o. L. II. 3. b) dd)]. Der Untersuchung bedarf, ob der Aufhebungsanspruch auch dann entfällt, wenn der Veränderung keine Rückwirkung zukommt. Bestünde der materielle Aufhebungsanspruch des Nachbarn ungeachtet der dem Bauherrn günstigen Veränderung fort, so hätte die Anfechtungsklage Erfolg und der Bauherr kraft kassatorischen Anfechtungsurteils nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO wenigstens vorläufig keine Baugenehmigung inne. Zumindest bis zur Erteilung einer neuen Baugenehmigung müsste der Bauherr die Ausführung eines bereits begonnenen Vorhabens unterbrechen und dürfte ein bereits fertig gestelltes Vorhaben vorerst nicht mehr nutzen. Eine neue Baugenehmigung erlangte der Bauherr u. U. erst nach beträchtlichem Zeitverlust. Überdies könnte die Erteilung einer neuen Baugenehmigung an solchen Vorschriften scheitern, die dem Nachbarn keine subjektiven Rechte gewähren. 285 Denn das einstmals genehmigte Vorhaben wäre in 282 BVerwG, Beschl. v. 22. 7. 1982 - 3 B 36.82 - Buchholz 418.21 ApBO Nr. 4 S. 3 f.; Beschl. v. 4. 8. 1993 - 3 B 5.93 - NVwZ-RR 1994, 388 (389). 283 BVerwG, Urt. v. 16. 9. 1997 - 3 C 12.95 - BVerwGE 105, 214 (220). 284 BVerwG, Beschl. v. 25. 1. 1994 - 1 B 212.93 - GewArch 1995,121 (121). 285 Diese missliche Folge des Erfolgs der Anfechtungsklage könnte allenfalls durch eine gegenständliche Beschränkung des Anfechtungsurteils ausgeschlossen werden. Die Baugenehmigung weist sowohl einen gestaltenden, als auch einen feststellenden Regelungsgehalt 24

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

einem neuen bauaufsichtsrechtlichen Verwaltungsverfahren nochmals vollständig der Nachprüfung zu unterziehen. Ferner müsste die Behörde auch alle erst nach der gerichtlichen Entscheidung eingetretenen, für den Bauherrn ungünstigen Veränderungen berücksichtigen. Die Bejahung eines materiellen Aufhebungsanspruchs führte mithin zu für den Bauherrn nicht tragbaren Konsequenzen. Somit kann der Nachbar infolge einer für den Bauherrn günstigen Veränderung keine Aufhebung der Baugenehmigung mehr verlangen. Aus konstruktiven Gründen kann sich der Fortfall des Aufhebungsanspruch nicht auf den Fortfall des Anspruchs auf regulärwirkende Aufhebung beschränken und den Anspruch auf rückwirkende Aufhebung unberührt lassen [s. o. 1. b)]. Obwohl der Fortfall des Aufhebungsanspruchs lediglich ex nunc wirkt, betrifft er doch den Verwaltungsakt in toto. Aufgrund dessen ist die Anfechtungsklage nach §113 Abs. 1 S. 1 VwGO in vollem Umfang ohne Erfolg. Dies ist auch das vom Bundesverwaltungsgericht 286 gefundene Ergebnis. Dass der Fortfall des Aufhebungsanspruchs lediglich ex nunc wirkt, besitzt nur in anderer Hinsicht Bedeutung. Der Herleitung gewisser Rechte im Hinblick auf den Zeitraum zwischen der rechtswidrigen Erteilung der Baugenehmigung und dem Eintritt der dem Bauherrn günstigen Änderung steht weder die Präjudizwirkung des Verwaltungsaktes, noch die Präjudizwirkung des die Anfechtungsklage rechtskräftig zurückweisenden Urteils entgegen. Da die Zurückweisung der Anfechtungsklage lediglich das Fehlen eines gegenwärtigen Aufhebungsanspruchs voraussetzt, präjudiziert sie die Frage nach einem vergangenen Aufhebungsanspruch nicht. Die Präjudizwirkung eines Verwaltungsaktes hängt zwar nicht von dessen Rechtmäßigkeit oder vom Bestehen eines Aufhebungsanspruchs ab. Doch tritt die Präjudizwirkung nicht kraft Verwaltungsaktes als intendierte Rechtsfolge, sondern kraft Gesetzes oder anderen Rechtsaktes als akzidentielle Rechtsfolge ein [s. o. B. m . 1. b) aa)]. Es ist deshalb eine Frage der Auslegung des Gesetzes oder anderen Rechtsaktes, in welchem Umfang dem innerlich wirksamen Verwaltungsakt Präjudizwirkung zukommt. auf, da sie zum einen die Ausführung des Bauvorhabens freigibt, zum anderen die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit den zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften feststellt. Höbe das Gericht zwar die Baufreigabe vollständig auf, jedoch die Feststellung der Rechtskonformität nur hinsichtlich der Schutznormen des klagenden Nachbarn, so könnte die teilweise fortbestehende Feststellung der Rechtskonformität hinsichtlich der übrigen Normen die Erteilung einer neuen Baugenehmigung präjudizieren. 286 BVerwG, Urt. v. 5.10.1965 - IV C 3.65 - BVerwGE 22, 129 (133); Urt. v. 19.9.1969 IV C 18/67 - DÖV 1970,135 (137); Urt. v. 14.4.1978 - 4 C 96 und 97.76 - NJW 1979, 995 (995); ebenso OVG NRW, Urt. v. 22. 8.1977 - X A 1316/75 - DÖV 1978,147 (147); Urt. v. 16.3.2001 - 7 A 1072/96 - NWVB1. 2002, 306 (307); VGH BW, Urt. v. 22.3.1989 - 5 S 3439 / 88 - VB1BW. 1989,343 (343). Desgleichen hält die Rechtsprechung auch im Immissionsschutzrecht (BVerwG, Beschl. v. 11.1. 1991 - 7 B 102/90 - NVwZ-RR 1991,236, 236) sowie im Atomrecht (BVerwG, Urt. v. 19. 12. 1985 - 7 C 65.82 - BVerwGE 72, 300, 312) eine dem Genehmigungsinhaber günstige Änderung für beachtlich.

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der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt

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Beispielsweise schließt die innerlich wirksame Baugenehmigung im Wege der Präjudizwirkung zivilrechtliche Schadensersatz- und Abwehransprüche des Nachbarn wegen Verletzung eines öffentlich-rechtlichen Schutzgesetzes nach §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB grundsätzlich aus. 287 Denn die Baugenehmigung enthält die rechtsfehlerunabhängig verbindliche Feststellung der Baurechtskonformität des Vorhabens. Im Zeitpunkt ihres Erlasses kam der (rechtswidrigen) Baugenehmigung Präjudizwirkung im Hinblick auf den gesamten nachfolgenden Zeitraum zu. Um die Präjudizwirkung auszuräumen, war der Nachbar auf die Durchsetzung des ihm zustehenden Aufhebungsanspruchs angewiesen. Mit Änderung der Verhältnisse zugunsten des Bauherrn verliert der Nachbar den Aufhebungsanspruch. Notwendiges Korrelat ist, dass der Nachbar nur noch hinsichtlich des Zeitraumes ab der dem Bauherrn günstigen Änderung der Präjudizwirkung ausgesetzt ist.

c) Feststellender

Verwaltungsakt

Beispiel eines feststellenden Dauerverwaltungsaktes ist wiederum die Anerkennung als Asylberechtigter gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 AsylVfG. Tritt die Verfolgungsbetroffenheit erst nach Erlass der Asylanerkennung ein, so bleibt diese rechtswidrig und ist - etwa aufgrund einer Anfechtungsklage des Bundesbeauftragten aufzuheben. Jedoch hat das Bundesamt eine neue, nunmehr rechtmäßige Anerkennung auszusprechen. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass der angefochtene Verwaltungsakt i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht rechtmäßig werden kann. Jeder vermeintlich auf die Pflicht zur regulärwirkenden Aufhebung beschränkte Fortfall der Aufhebungspflicht muss entweder als regulärwirkender Fortfall oder aber als Fortbestand der Aufhebungspflicht gedeutet werden: Verwaltungsakt

Ereignis

Folge

- Gewerbeuntersagung

Verlust der Zuverlässigkeit

Keine Änderung

- Beitragsbescheid

Nachschieben des regulärwirkenden Beitragsbescheids

Keine Änderung

287 In diesem Zusammenhang ist unerheblich, dass die Baugenehmigung (etwa gemäß § 75 Abs. 3 S. 1 BauO NRW) unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt wird. Denn die Privatrechtsnormen der §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB knüpfen insoweit an den Ausschluss öffentlicher Rechte des Dritten an. Zur abweichenden Regelung dieser privatrechtlichen Ansprüche sind die Landesgesetzgeber der Bauordnungen nach Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG i. V. m. Art. 55 EGBGB nicht kompetent.

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4. Kap.: Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes

Verwaltungsakt

Ereignis

Folge

- Ausweisung

Eintritt der Volljährigkeit

Keine Änderung

- Widerruf einer Erlaubnis

Fortfall der Voraussetzungen

Keine Änderung

- Baugenehmigung

Gewinn der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit

Fortfall der Aufhebungspflicht

- Anerkennung als Asylberechtigter

Eintritt der Verfolgungsbetroffenheit

Keine Änderung

III. Fortfall der Begründetheit des Anfechtungswiderspruchs Ein Gewinn ex nunc der Rechtmäßigkeit ist nach §§ 68 Abs. 1 S. 1, 72, 73 Abs. 1 S. 1 VwGO ebenso wenig möglich wie nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO [dazu s.o. II. 1. b)]. Denn eine rückwirkende Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes ist auch im Wege des Abhilfe- oder Widerspruchsbescheids nicht ohne regulärwirkende Aufhebung möglich. Indessen kann der angefochtene Verwaltungsakt ex tunc Rechtmäßigkeit gewinnen, so dass nicht nur die Begründetheit einer Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, sondern auch die Begründetheit eines Anfechtungswiderspruchs nach §§ 68 Abs. 1 S. 1, 72, 73 Abs. 1 S. 1 VwGO entfällt, sofern keine über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes hinausgehenden Zweckmäßigkeitserwägungen Platz greifen. Vörverfahrensrechtlich maßgeblich zur Beurteilung des angefochtenen Verwaltungsaktes ist der Zeitpunkt der Abhilfeoder Widerspruchsentscheidung. Ein zwischenzeitlicher Fortfall der materiellen Aufhebungspflicht findet daher im behördlichen Vorverfahren nach §§ 68 ff. VwGO ebenso Berücksichtigung wie das zwischenzeitliche Entstehen einer materiellen Aufhebungspflicht [dazu s. o. L. m . 2. a)]. Da ein Fortfall der Begründetheit des Anfechtungswiderspruchs nur ex tunc möglich ist, kommt es insoweit auf den materiellrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt ebenso wenig an wie beim Fortfall der Begründetheit der Anfechtungsklage [dazu s. o. II. 2. b)].

Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass ein Rechtmäßigwerden des angefochtenen Verwaltungsaktes nach §§ 68 Abs. 1 S. 1, 72, 73 Abs. 1 S. 1 VwGO ausgeschlossen und nur ein rückwirkender Gewinn der Rechtmäßigkeit möglich ist.

Zusammenfassung der Ergebnisse Erstes Kapitel

Begriffsbestimmungen A. Zeit und Recht I. Die dem Recht eigentümliche Fähigkeit zur Rückwirkung macht die Unterscheidung zwischen zwei Zeiten erforderlich. Unterschieden werden muss zwischen dem Zeitpunkt, in dem eine Rechtsänderung eintritt und dem Zeitraum, für den eine Rechtsänderung eintritt. Eine rückwirkende Rechtsänderung tritt im gegenwärtigen Zeitpunkt für einen vergangenen Zeitraum ein, eine vorauswirkende Rechtsänderung im gegenwärtigen Zeitpunkt für einen zukünftigen Zeitraum und eine regulärwirkende Rechtsänderung im gegenwärtigen Zeitpunkt für den gegenwärtigen Zeitraum. Indessen ist die Wirklichkeit zur Rückwirkung unfähig, weshalb die Zeit, in der eine Tatsache eintritt, stets mit der Zeit zusammenfällt, yi/r die diese Tatsache eintritt. II. Die dem Recht eigentümliche konditionale Struktur macht die Unterscheidung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge einer Regelung erforderlich. Demgegenüber weist die Wirklichkeit eine vergleichbare konditionale Struktur nicht auf. Während Ursache und Wirkung als die beiden Seiten einer kausalen Beziehung austauschbar sind, liegen Tatbestand und Rechtsfolge als die beiden Seiten einer normativen Beziehung fest. Jedes Element einer Regelung kann eindeutig entweder dem Tatbestand oder der Rechtsfolge zugeordnet werden. III. Die Fähigkeit des Rechts zur Rückwirkung beruht auf seiner konditionalen Struktur. Die Zeit als Tatbestandsmerkmal einer Regelung gibt an, in welchen Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendiert ist. Die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal einer Regelung gibt an, für welchen Zeitraum eine Rechtsfolge intendiert ist.

B. Rechtsfigur des Verwaltungsaktes I. Der als Erlass des Verwaltungsaktes bezeichnete Abschluss des Verwaltungsverfahrens setzt über die Abgabe des Verwaltungsaktes als öffentlich-rechtlicher Willenserklärung hinaus den Erfolg der Bekanntgabe gegenüber zumindest einer Person voraus. Nicht erforderlich ist die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes, nicht hinderlich sind die schlichte Rechtswidrigkeit oder auch Nichtigkeit des Verwaltungsaktes.

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Zusammenfassung der Ergebnisse

II. Die äußere Wirksamkeit bedeutet die Existenz des Verwaltungsaktes als Rechtsakt. Die äußere Wirksamkeit umfasst sowohl materielle, als auch prozessuale Rechtsfolgen. Materielle Rechtsfolgen der äußeren Wirksamkeit sind der Schutz des Verwaltungsaktes durch die Verbote amtswegiger Aufhebung und die Statthaftigkeit der Umdeutung als Verwaltungsakt. Prozessuale Rechtsfolge der äußeren Wirksamkeit ist die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage. Inhalt des Verwaltungsaktes ist die mit ihm intendierte Regelung. Ebenso wie eine Rechtsnorm weist die intendierte Regelung des Verwaltungsaktes Tatbestand und Rechtsfolge auf. Der Tatbestand der intendierten Regelung ist grundsätzlich auf einen Einzelfall zugeschnitten. Die Rechtsfolge der intendierten Regelung ist ein Befehl, eine Gestaltung oder eine Feststellung. Äußere Wirksamkeit mit einer bestimmten intendierten Regelung wird dem Verwaltungsakt durch die Einordnungsnorm verliehen. III. Die innere Wirksamkeit bedeutet die Entfaltung der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes. Mit der inneren Wirksamkeit gehen zum einen intendierte Rechtsfolgen, zum anderen akzidentielle Rechtsfolgen einher. Die intendierten Rechtsfolgen treten kraft Verwaltungsaktes ein, die akzidentiellen Rechtsfolgen nur bei Gelegenheit des Verwaltungsaktes kraft Gesetzes oder sonstigen Rechtsaktes. Zu den akzidentiellen Rechtsfolgen gehören die Präjudiz-, die Tatbestandsund die Feststellungswirkung des Verwaltungsaktes. Die Präjudizwirkung knüpft unmittelbar an die intendierte Rechtsfolge an. Die Tatbestandswirkung knüpft an das Bestehen eines innerlich wirksamen Verwaltungsaktes an. Die Feststellungswirkung knüpft demgegenüber nicht an das Ergebnis der behördlichen Subsumtion, sondern an vorgelagerte Elemente des behördlichen Subsumtionsvorganges an. Innere Wirksamkeit kommt dem Verwaltungsakt allenfalls insoweit zu, wie er äußere Wirksamkeit besitzt. Die innerlich wirksame intendierte Regelung kann nicht über die äußerlich wirksame intendierte Regelung hinausgehen, jedoch hinter ihr zurückbleiben. Innere Wirksamkeit mit einer bestimmten intendierten Regelung wird dem Verwaltungsakt durch die Einsetzungsnorm verliehen. IV. Die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes schließt die Nichtigkeit aus, steht der Rücknahme oder Umdeutung entgegen und zieht die Unbegründetheit einer Anfechtungsklage und u. U. auch eines Anfechtungswiderspruchs nach sich. Rechtmäßigkeit kommt dem Verwaltungsakt höchstens in dem Maße zu, wie er äußere Wirksamkeit besitzt. Die rechtmäßige intendierte Regelung kann nicht über die äußerlich wirksame intendierte Regelung hinausgehen, kann jedoch hinter ihr zurückbleiben. Rechtmäßigkeit im materiellen Sinne oder im prozessualen Sinne kann der Verwaltungsakt sich nicht selbst beilegen, sondern wird ihm durch die materielle oder prozessuale Beurteilungsnorm beigelegt.

Zusammenfassung der Ergebnisse

C. Verwaltungsakt und Zeit I. Zeitliche Aspekte des Verwaltungsaktes sind zunächst die Zeit als Tatbestandsmerkmal und die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der intendierten Regelung, die unter dem Begriff des zeitlichen Regelungsgehaltes zusammengefasst werden. Die Zeit als Tatbestandsmerkmal der intendierten Regelung bezeichnet die Zeitpunkte, in denen eine Rechtsfolge intendiert ist. Die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der intendierten Regelung benennt den Zeitraum, für den der Verwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert. Vom zeitlichen Regelungsgehalt unterschieden sind die zeitlichen Aspekte der Einordnungsnorm, der Einsetzungsnorm sowie der Beurteilungsnorm, die dem Verwaltungsakt äußere Wirksamkeit, innere Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit verleihen. Die Zeit als Tatbestandsmerkmal der Einordnungsnorm, der Einsetzungsnorm oder der Beurteilungsnorm gibt die Zeitpunkte an, in denen dem Verwaltungsakt äußere Wirksamkeit, innere Wirksamkeit oder Rechtmäßigkeit zukommt. Die Zeit als Rechtsfolgenmerkmal der Einordnungsnorm, der Einsetzungsnorm oder der Beurteilungsnorm bestimmt die Zeiträume, für die dem Verwaltungsakt äußere Wirksamkeit, innere Wirksamkeit oder Rechtmäßigkeit beigelegt ist. II. Ein Punktverwaltungsakt intendiert nur in einem Zeitpunkt, ein Dauerverwaltungsakt demgegenüber in verschiedenen Zeitpunkten eine Rechtsfolge. Einer Aufhebung ex nunc sind konstruktiv nur Dauerverwaltungsakte zugänglich, Punktverwaltungsakte hingegen verschlossen. Dauerverwaltungsakte sind alle befehlenden Verwaltungsakte, ferner gestattende und konstitutiv-bewilligende Verwaltungsakte sowie bestimmte feststellende Verwaltungsakte. Punktverwaltungsakte sind statusbegründende und statusentziehende Verwaltungsakte, aufhebende Verwaltungsakte sowie die übrigen feststellenden Verwaltungsakte. IE. Ein Punktverwaltungsakt intendiert in nur einem Zeitpunkt eine Rechtsfolge, aber für einen gegenwärtigen, zukünftigen oder vergangenen Zeitraum. Dem Punktverwaltungsakt kann eine aufschiebende oder auflösende Befristung auf einen gewissen Anfangstermin oder gewissen Endtermin oder eine ex tunc aufschiebende oder ex tunc auflösende Bedingung anhaften. Ferner kann ihm Rückwirkung beigelegt sein. Nicht möglich ist jedoch die aufschiebende oder auflösende Befristung auf einen zunächst noch ungewissen Anfangstermin oder Endtermin sowie die ex nunc aufschiebende oder ex nunc auflösende Bedingung. IV. Ein Dauerverwaltungsakt intendiert in verschiedenen Zeitpunkten eine Rechtsfolge immer nur für den jeweils gegenwärtigen Zeitraum. Der Dauerverwaltungsakt kann unter ex tunc oder ex nunc aufschiebender oder auflösender Bedingung oder unter aufschiebender oder auflösender Befristung auf einen gewissen oder auch ungewissen Anfangstermin oder Endtermin stehen. Bereits aus konstruktiven Gründen ausgeschlossen ist hingegen, dem Dauerverwaltungsakt Rückwirkung beizulegen.

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Zusammenfassung der Ergebnisse Zweites Kapitel

Äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes D. Äußere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt I. Formelle Anforderungen der äußeren Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt sind die Eigenschaften der Maßnahme als Behördenakt, Hoheitsakt, öffentlich-rechtlicher Akt und Rechtsakt. Inhaltliche Anforderungen sind die Außenwirkungsfinalität und grundsätzlich der Einzelfallcharakter der Regelung. Darüber hinaus ist der Bekanntgabeerfolg gegenüber zumindest einer Person erforderlich. An die Rechtmäßigkeit, die Anfechtung oder die Anfechtbarkeit der Maßnahme sind keine Anforderungen gestellt. Insbesondere unterliegt auch ein nichtiger Verwaltungsakt der gerichtlichen oder behördlichen Aufhebung sowie der Umdeutung. II. Der Umfang, mit dem der Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt äußere Wirksamkeit erlangt, wird insbesondere durch seinen zeitlichen Regelungsgehalt bestimmt.

E. Verlust der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt I. Die Aufhebung des Verwaltungsaktes zieht den Verlust bereits der äußeren Wirksamkeit nach sich. Die Aufhebung ex tunc führt zu einem rückwirkenden Verlust, die Aufhebung ex nunc zu einem lediglich regulärwirkenden Verlust der äußeren Wirksamkeit. Für den Rechtsschutz gegen den der Aufhebung ex nunc anheim gefallenen Teil des Verwaltungsaktes ist die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft, für den Rechtsschutz gegen den unberührt gebliebenen Teil des Verwaltungsaktes jedoch die Anfechtungsklage. Begrifflich setzt die Aufhebung des Verwaltungsaktes die Beseitigung der intendierten Regelung durch einen fremden, in den Bestand des Verwaltungsaktes eingreifenden, Rechtsakt voraus. Eine Aufhebung ex nunc bezeichnet die zeitlichteilumfängliche Beseitigung der intendierten Regelung, insoweit in gegenwärtigen oder zukünftigen Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendiert ist. Mithin verkürzt die Aufhebung ex nunc den zeitlichen Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes. Die Aufhebung ex tunc bezeichnet die zeitlich-vollumfängliche Beseitigung der intendierten Regelung, insoweit in gegenwärtigen, zukünftigen oder auch vergangenen Zeitpunkten eine Rechtsfolge intendiert ist. Mithin zerstört die Aufhebung ex tunc den zeitlichen Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes. Jede Aufhebung ex tunc schließt eine Aufhebung ex nunc notwendig ein. Als Aufhebungsakte in Betracht kommen ein Verwaltungsakt, eine gerichtliche Entscheidung, eine Rechtsnorm, ein verwaltungsrechtlicher Vertrag sowie ein einseitiges Verwaltungsrechtsgeschäft.

Zusammenfassung der Ergebnisse

II. Die Folgen der Erledigung des Verwaltungsaktes stimmen in materieller und auch in prozessualer Hinsicht mit denen der Aufhebung des Verwaltungsaktes überein. Zu unterscheiden ist zwischen der Erledigung ex nunc und der Erledigung ex tunc des Verwaltungsaktes. Die Erledigung ex tunc führt zu einem rückwirkenden Verlust, die Erledigung ex nunc zu einem lediglich regulärwirkenden Verlust der äußeren Wirksamkeit. Für den Rechtsschutz gegen den der Erledigung ex nunc anheim gefallenen Teil des Verwaltungsaktes ist die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft, für den Rechtsschutz gegen den unberührt gebliebenen Teil des Verwaltungsaktes jedoch die Anfechtungsklage. Die Erledigung ist im Tatbestand der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes selbst angelegt und daher im Unterschied zur Aufhebung ein selbstbestimmter Verlustgrund äußerer Wirksamkeit. Die Erledigung ex tunc des Verwaltungsaktes setzt die Zerstörung des zeitlichen Regelungsgehaltes voraus. Aufgrund rückwirkenden Fortfalls des unter den Tatbestand der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes subsumierbaren Sachverhalts intendiert der ex tunc erledigte Verwaltungsakt in vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Zeitpunkten keine Rechtsfolge mehr. Die Erledigung ex nunc des Verwaltungsaktes setzt die Verkürzung des zeitlichen Regelungsgehaltes voraus. Aufgrund regulärwirkenden Fortfalls des unter den Tatbestand der intendierten Regelung des Verwaltungsaktes subsumierbaren Sachverhalts intendiert der ex nunc erledigte Verwaltungsakt in gegenwärtigen und zukünftigen Zeitpunkten keine Rechtsfolge mehr. Der bloße Ablauf des unverändert fortbestehenden zeitlichen Regelungsgehaltes führt nicht zur Erledigung des Verwaltungsaktes. Insbesondere erledigt sich der auflösend befristete Verwaltungsakt nicht mit Eintritt eines von Anfang an gewissen Endtermins. F. Gewinn der äußeren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt I. Der aufgehobene Verwaltungsakt erlangt die verlorene äußere Wirksamkeit wieder, indem die Aufhebung in einem späteren Zeitpunkt ihrerseits entfällt. Dies ist möglich durch rückwirkende Aufhebung des Aufhebungsaktes, durch rückwirkende Erledigung des Aufhebungsaktes oder durch rückwirkenden sonstigen Fortfall der inneren Wirksamkeit des Aufhebungsaktes. Konstruktiv ausgeschlossen ist ein lediglich regulärwirkender Fortfall des Aufhebungsaktes, unabhängig davon, ob der Aufhebungsakt den Ausgangsverwaltungsakt ex tunc oder ex nunc aufgehoben hat. II. Der erledigte Verwaltungsakt erlangt die verlorene äußere Wirksamkeit wieder, indem die Erledigung in einem späteren Zeitpunkt ihrerseits entfällt. Dies ist möglich durch rückwirkenden Fortfall des Ereignisses, das die Erledigung ausgelöst hat. Konstruktiv ausgeschlossen ist ein lediglich regulärwirkender Fortfall dieses Ereignisses, unabhängig davon, ob der Ausgangsverwaltungsakt einer Erledigung ex tunc oder ex nunc anheim gefallen ist.

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Zusammenfassung der Ergebnisse

III. Die Umdeutung des Verwaltungsaktes zieht den Austausch der intendierten Regelung des rechtswidrigen Ausgangsverwaltungsaktes durch die intendierte Regelung des rechtmäßigen Ersatzverwaltungsaktes nach sich. Der Ausgangsverwaltungsakt verliert rückwirkend äußere Wirksamkeit, der Ersatzverwaltungsakt gewinnt rückwirkend äußere Wirksamkeit. Die Umdeutung des Verwaltungsaktes tritt kraft Gesetzes ein, sobald die Umdeutung erklärt wird. Die Umdeutungserklärung ist eine Wissenserklärung über das Vorliegen der gesetzlichen Umdeutungslage, keine auf Eintritt der Umdeutung gerichtete Willenserklärung. Zur Erklärung der Umdeutung befugt sind die Behörde oder das Gericht, soweit sie den Verwaltungsakt aufheben dürften, der Betroffene ist zur Erklärung der Umdeutung befugt, soweit er die behördliche oder gerichtliche Aufhebung verlangen könnte. IV. Die Reformation des Verwaltungsaktes führt zum Gewinn äußerer Wirksamkeit, bildet mithin das Gegenstück zur Kassation, die dem Verwaltungsakt äußere Wirksamkeit nimmt. Der Widerspruchsbescheid kann eine Reformation bewirken, um auf diese Weise die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes herzustellen. Eine Reformation ist insbesondere in einer Verschiebung des zeitlichen Regelungsgehaltes des angefochtenen Verwaltungsaktes auf den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung zu sehen. Sofern eine vom Kläger begehrte Anfügung oder Streichung einer Nebenbestimmung die Reformation des vorhandenen Verwaltungsaktes voraussetzt, ist der Kläger auf die Verpflichtungsklage verwiesen. Da sich die Anfügung einer unselbständigen Nebenbestimmung oder die Streichung einer Nebenbestimmung, von der die Hauptregelung unabhängig ist, in einer Teilaufhebung des vorhandenen Verwaltungsaktes erschöpft, ist sie im Wege der Anfechtungsklage zu verfolgen. Die Verpflichtungsklage ist demgegenüber statthaft zur Anfügung einer selbständigen Nebenbestimmung und zur Streichung einer Nebenbestimmung, von der die Hauptregelung abhängig ist. Eine Nebenbestimmung ist selbständig, falls sich ihr Regelungsgehalt ohne Inbezugnahme der Hauptregelung formulieren lässt. Selbständige Nebenbestimmung sind danach die Auflage und der Auflagenvorbehalt, unselbständige Nebenbestimmungen die Befristung, die Bedingung und der Widerrufsvorbehalt. Die Hauptregelung ist von einer Nebenbestimmung unabhängig, falls sie über deren Fortfall hinaus intendiert ist. Unabhängig ist die Hauptregelung danach von einem Teil der Auflagen und Auflagenvorbehalte, abhängig von den übrigen Auflagen und Auflagenvorbehalten, sowie von Befristungen, Bedingungen und Widerrufsvorbehalten. Die behördliche Befugnis zur Anfügung oder Streichung von Nebenbestimmungen ist nur insoweit durch die Verbote amtswegiger Aufhebung beschränkt, wie die Änderung eine Teilkassation des vorhandenen Verwaltungsaktes einschließt und sich nicht in einer Reformation erschöpft. Die Anfügung einer belastenden Nebenbestimmung an eine begünstigende Hauptregelung ist nur dann an den Verboten amtswegiger Aufhebung zu messen, wenn die Hauptregelung von der anzu-

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fügenden Nebenbestimmung abhängig ist. Die Streichung der einer belastenden Hauptregelung anhaftenden Nebenbestimmung ist nur dann an den Verboten amtswegiger Aufhebung zu messen, wenn es sich um eine gegenüber der Hauptregelung unselbständige Nebenbestimmung handelt oder ausnahmsweise eine behördliche Zusicherung vorliegt, den zeitlichen Regelungsgehalt der Hauptregelung nicht zu erweitern. Drittes Kapitel

Innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes G. Innere Wirksamkeit im Erlasszeitpunkt I. Die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes im Erlasszeitpunkt setzt dessen äußere Wirksamkeit und darüber hinaus die auf den Betroffenen bezogene Bekanntgabe und das Fehlen von Nichtigkeitsgründen voraus. Nicht vorausgesetzt ist, dass der Verwaltungsakt eine Rechtsfolge bereits für den Zeitraum ab Erlass intendiert. II. Der äußerlich wirksame Verwaltungsakt kann vollständig oder teilweise innerlich wirksam sein. Insbesondere kann sich die innere Wirksamkeit auf einen Teil des zeitlichen Regelungsgehaltes des Verwaltungsaktes beschränken.

H. Verlust der inneren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt I. Ein Verlust äußerer Wirksamkeit durch Aufhebung oder Erledigung des Verwaltungsaktes geht notwendig mit dem Verlust innerer Wirksamkeit einher. II. Darüber hinaus verliert der Verwaltungsakt seine innere Wirksamkeit mit dem späteren Eintritt der Nichtigkeit. Die Nichtigkeit eines im Erlasszeitpunkt nicht nichtigen Verwaltungsaktes tritt in einem späteren Zeitpunkt ein, wenn ein qualifizierter Rechtsfehler nachträglich entsteht, wenn eine unzutreffende behördliche oder gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit vorgenommen wird und wenn eine unstatthafte gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit vorgenommen wird. m . Ferner schließt die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen vorerst die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes aus.

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J. Gewinn der inneren Wirksamkeit in einem späteren Zeitpunkt I. Ein Gewinn äußerer Wirksamkeit durch Wiederherstellung des aufgehobenen oder erledigten Verwaltungsaktes oder durch Umdeutung oder Reformation des Verwaltungsaktes kann mit einem Gewinn innerer Wirksamkeit einhergehen. II. Ein nichtiger Verwaltungsakt gewinnt innere Wirksamkeit ferner mit dem Fortfall der Nichtigkeit. Die Nichtigkeit entfällt in einem Zeitpunkt nach Erlass, wenn ein qualifizierter Rechtsfehler behoben wird, insbesondere im Wege der Bestätigung oder durch Nachholung der erforderlichen Mitwirkung des Betroffenen, wenn eine unzutreffende behördliche oder gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit oder eine unstatthafte gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit ihrerseits entfällt oder eine unzutreffende Feststellung fehlender Nichtigkeit vorgenommen wird. III. Der Fortfall aufschiebender Wirkung führt zum Wiedergewinn der einstweilig verlorenen inneren Wirksamkeit. IV. Mit Nachholung einer personenbezogenen Bekanntgabe gewinnt der Verwaltungsakt gegenüber dem Betroffenen innere Wirksamkeit.

Viertes Kapitel

Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes K. Rechtmäßigkeit im Erlasszeitpunkt I. Der Verwaltungsakt ist rechtmäßig, wenn der zu beurteilende Prüfungsgegenstand dem anzulegenden Prüfungsmaßstab genügt. Den Prüfungsgegenstand bildet die intendierte Regelung des äußerlich wirksamen Verwaltungsaktes. Der Prüfungsmaßstab setzt sich aus den einzelnen formellen oder materiellen Rechtmäßigkeitsanforderungen zusammen. Die formellen Anforderungen sowie die materiellen Anforderungen bezüglich der Ausübung von Ermessen und der Konkretisierung eines Beurteilungsspielraumes sind an das den Verwaltungsakt hervorbringende behördliche Verhalten als den Erlassvorgang gestellt. Die materiellen Anforderungen im Übrigen nehmen unmittelbar auf die intendierte Regelung des Verwaltungsaktes als das Erlassergebnis Bezug. II. Die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit kann sich auf einen Teil der intendierten Regelung, insbesondere auf einen Teil des zeitlichen Regelungsgehaltes, beschränken.

Zusammenfassung der Ergebnisse

L. Verlust der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt I. Ein Verlust der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes beruht entweder auf einer nachteiligen Veränderung des zu beurteilenden Prüfungsgegenstandes oder auf einer Schärfung des Prüfungsmaßstabes. Die Befugnis zur Rücknahme eines Verwaltungsaktes kann in einem Zeitpunkt nach Erlass entstehen, indem der anzulegende Prüfungsmaßstab eine entsprechende Schärfung erfährt. Ein Verwaltungsakt unterliegt nur dann der Rücknahme, wenn er entweder bereits im Erlasszeitpunkt oder rückwirkend in einem späteren Zeitpunkt als rechtswidrig erlassen zu beurteilen ist. Eine Schärfung ex nunc des Prüfungsmaßstabes bleibt deshalb außer Betracht. Weder unterliegt ein Verwaltungsakt, dessen gesetzliche Erlassvoraussetzungen entfallen sind, noch ein Verwaltungsakt, der nicht länger aufrechterhalten werden darf, der Rücknahme. Der materielle Aufhebungsanspruch, deren Durchsetzung die Anfechtungsklage dient, geht nicht notwendig mit einer Befugnis zur Rücknahme einher. II. Die Begründetheit einer Anfechtungsklage tritt erst in einem Zeitpunkt nach Erlass ein, wenn nach materiellem Recht eine Aufhebungspflicht entsteht, die nach prozessualem Recht Berücksichtigung findet. Prozessrechtlich maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem dasjenige materielle Recht gilt, auf dessen Grundlage das Gericht zu entscheiden hat. Grundsätzlich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der jeweiligen gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Jedoch sind für die Entscheidung in der Revisionsinstanz die Sachlage und der Zustand des irrevisiblen Rechts zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Die Entwicklung der Sach- und Rechtslage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes bleibt bei der gerichtlichen Entscheidung über die Anfechtungsklage in jedem Fall außer Betracht. Materiellrechtlich maßgeblich ist der Zeitpunkt, auf den das materielle Recht hinsichtlich einer Pflicht zur Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes abstellt. Ob der angefochtene Verwaltungsakt den an den Erlassvorgang gestellten formellen oder auch materiellen Anforderungen genügt, ist anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses zu beurteilen. Ob der angefochtene Punktverwaltungsakt den an das Erlassergebnis gestellten materiellen Anforderungen genügt, ist anhand der Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt zu beurteilen, in dem der Punktverwaltungsakt eine Rechtsfolge intendiert. Dies ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Erlasses, ausnahmsweise der Zeitpunkt auf den der zeitliche Regelungsgehalt durch reformatorischen Widerspruchsbescheid verschoben worden ist. Hingegen sind die materiellen Anforderungen an das Erlassergebnis eines Dauerverwaltungsaktes teils punktueller, teils dauernder Art. Ob der Dauerverwaltungsakt den punktuellen Anforderungen genügt, ist anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses oder desjenigen Zeitpunktes zu beurteilen, auf den der zeitliche Regelungsgehalt durch reformatorischen Widerspruchsbescheid

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verschoben worden ist. Ob der Dauerverwaltungsakt den dauernden Anforderungen genügt, bedarf differenzierter Prüfung für die einzelnen Segmente des Dauerverwaltungsaktes. Maßgeblich für die Beurteilung jedes Segmentes des Dauerverwaltungsaktes ist insoweit der Zeitpunkt, in dem das Segment eine Rechtsfolge intendiert. III. Die Begründetheit des Anfechtungswiderspruchs tritt erst in einem Zeitpunkt nach Erlass ein, wenn nach materiellem Recht eine Aufhebungspflicht entsteht, die nach Vorverfahrensrecht Berücksichtigung findet. Vorverfahrensrechtlich maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem dasjenige materielle Recht gilt, auf dessen Grundlage die Widerspruchsbehörde zu entscheiden hat. Maßgeblich ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung, doch bleibt die Entwicklung nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes außer Betracht. Materiellrechtlich maßgeblich ist der gleiche Zeitpunkt wie bei der Anfechtungsklage. M. Gewinn der Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt I. Ein Gewinn der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes beruht entweder auf einer entsprechenden vorteilhaften Veränderung des zu beurteilenden Prüfungsgegenstandes oder auf einer Milderung des Prüfungsmaßstabes. Ein Fortfall der behördlichen Rücknahmebefugnis ist nur möglich, indem ein Rechtsfehler des Verwaltungsaktes rückwirkend behoben wird. II. Die Begründetheit einer Anfechtungsklage entfällt in einem Zeitpunkt nach Erlass, wenn nach materiellem Recht eine Aufhebungspflicht erlischt und dies nach prozessualem Recht Berücksichtigung findet. Ein Rechtmäßigwerden des Verwaltungsaktes im Sinne eines Gewinns ex nunc an Rechtmäßigkeit ist dabei bereits konstruktiv ausgeschlossen. Vorstellbar ist allein ein Gewinn ex tunc an Rechtmäßigkeit. In den Fällen des vermeintlichen Rechtmäßigwerdens muss deshalb die Anfechtungsklage entweder in vollem Umfang begründet bleiben oder in vollem Umfang unbegründet werden. III. Ebenso führt nur ein rückwirkender Gewinn der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu einem Fortfall der Begründetheit des Anfechtungswiderspruchs.

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trtverzeichnis Abhängigkeit der Hauptregelung von der Nebenbestimmung 232 Abhilfebescheid 153, 200, 222, 310 Ablauf des zeitlichen Regelungsgehaltes 168 akzidentielle Rechtsfolgen 102 Allgemeinverfügung 46, 125, 251 Amtshaftungsanspruch 57, 73, 256, 360 Anfangsterminsbestimmung 112,118 Anfechtungsklage 54, 130, 140, 143, 154, 160, 161,226,310, 320, 355 Anfechtungslast 56 Aufhebung, amtswegige 53, 91, 153, 304, 308, 354 Aufhebung, unbenannte 310 Aufhebung des Verwaltungsaktes 138, 199 Aufhebungsakt 107,152 Auflage 190, 231, 236,246 Auflagenvorbehalt 232, 245, 246 Aufrechnung 276, 338 aufschiebende Wirkung 58,271, 286, 347 Außenwirkungsfinalität 46,125, 251 äußere Wirksamkeit 51,124 Bedingung - behördliche Änderungsbefugnis 246 - ex nunc auflösende 117,122,172 - ex nunc aufschiebende 113,119 - ex tune auflösende 117, 122,173,195 - ex tune aufschiebende 114,119,196 - Rechtsschutz 230, 235 Befristung - auf gewissen Anfangstermin 112, 118 - auf gewissen Endtermin 116, 121,168 - auf ungewissen Anfangstermin 113, 119 - auf ungewissen Endtermin 116,121,172 - behördliche Änderungsbefugnis 246 - Rechtsschutz 229, 232 Steinweg

Behördenakt, Verwaltungsakt als 45, 250, 125 Bekanntgabe 46, 126,198, 255, 289 Berichtigung offenbarer Unrichtigkeit 151, 296 Bestandskraft des Verwaltungsaktes 77,258 Bestätigung nichtiger Verwaltungsaktes 283, 382 Beteiligte, formelle und materielle 70 Beurteilungsfehler und Beurteilungsspielraum 300, 335 Beurteilungsnorm 93, 97 Devolutiveffekt 44 Einordnungsnorm 63,96 Einsetzungsnorm 88,97 Einzelfallregelung 38,46, 61, 125,251 Endterminsbestimmung 116,120 Erfüllung 190 Erlass des Verwaltungsaktes 43 Erlassvorgang, Erlassergebnis 60, 208, 291, 297, 300, 335 Erledigung des Verwaltungsaktes 158,206 Ermächtigung, Fehlen und Verfehlen 296 Ermessen und Ermessensfehler 297, 335 Erstattungsanspruch, öffentlich-rechtlicher 72 Existenz des Verwaltungsaktes 65 Feststellungswirkung des Verwaltungsaktes 87 Folgenbeseitigungsanspruch, öffentlichrechtlicher 72 Form des Verwaltungsaktes 45, 83, 250, 125 formelle Fehler und formelle Anforderungen 295, 334, 360 Fortsetzungsfeststellungsklage 50, 140, 161, 143, 160

402

trtverzeichnis

Funktionen des Verwaltungsaktes 43, 54, 82,255 Gegenwart, Rechtsänderung für die 37 Geltung des Verwaltungsaktes 65 Gestaltung mittels Widerspruchsbescheids 221,337, 353 Heilung rechtswidriger Verwaltungsakte 360 Hoheitsakt, Verwaltungsakt als 45,125,149, 250 innere Wirksamkeit 64, 250 Instanzbeendigung 44 intendierte Rechtsfolge 66 intendierte Regelung des Verwaltungsaktes

60 Kassation des Verwaltungsaktes 138 Kausalität, Ursache und Wirkung 38 Klarstellungs- und Stabilisierungsfunktion des Verwaltungsaktes 255 konditionale Struktur des Rechts 38 konsensuales Verhalten der Beteiligten 184 maßgeblicher Zeitpunkt - materiellrechtlich 331, 352, 359 - prozessrechtlich 322, 357, - vorverfahrensrechtlich 352 materielle Fehler und materielle Rechtmäßigkeitsanforderungen 296, 337 Nebenbestimmung - behördliche Änderungsbefugnis 246 - Rechtsschutz 226 - und zeitbezogene Inhaltsbestimmung 121, 136 Nebenbestimmungsfeindlichkeit 114 Nichtakt 126 Nichtigkeit des Verwaltungsaktes 129, 256, 266, 283 Nichtigkeitsfeststellung 60, 267, 284, 285 Normativität, Tatbestand und Rechtsfolge 38 öffentlich-rechtlicher Akt, Verwaltungsakt als 45, 83,250,125

Präjudizwirkung des Verwaltungsaktes 70 Prüfungsgegenstand und Prüfungsmaßstab 290 Realfolgen des Verwaltungsaktes 66 Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes 49, 90,129,181,182, 255, 290 Rechtmäßigwerden 353 Rechtsakt, Verwaltungsakt als 45, 60, 125, 250 Rechtsgrundfunktion 72, 78 Rechtsnachfolge in den Verwaltungsakt 177 Rechtswidrigkeit, schlichte und qualifizierte 255 Rechtswidrigkeitsfeststellung 57,268, 285 Rechtswidrigwerden 303 Reformation des Verwaltungsaktes 224, 337, 353 Regulärwirkung 37 Rücknahme des Verwaltungsaktes 53, 91, 153, 304, 354 Rückwirkung 32,115,120,139, 159 Selbstständigkeit der Nebenbestimmung gegenüber der Hauptregelung 230 sofortige Vollziehung 58, 271, 286, 347 subjektive Rechtsverletzung 57, 293, 295, 310 Subsumtionsvorgang, behördlicher 87 Suspensiveffekt 273 Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes 79 Titelfunktion des Verwaltungsaktes 82 Umdeutung des Verwaltungsaktes 54, 134, 207 Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes 77, 258 Unausführbarkeit des Verwaltungsaktes 257 Unwirksamkeit, schwebende 258 Vergangenheit, Rechtsänderung für die 32 Verkürzung des zeitlichen Regelungsgehaltes 172 Verpflichtungsklage und Verpflichtungswiderspruch 60 Verschiebung des zeitlichen Regelungsgehaltes 224

Stichwortverzeichnis Vertrag, verwaltungsrechtlicher 155 Verwaltungsakt - akzessorischer 87,194 - aufhebender 107 - bedingter 113 - befehlender 103 - befristeter 112 - Dauer-99,118,142,160, 337 - Ersatz- 207 - feststellender 110 - gestaltender 104 - gestattender 108 - höchstpersönlicher 177 - Ketten- 247 - konstitutiv-bewilligender 109 - materieller 46 - mitwirkungsbedürftiger 258, 284 - nicht-so-belastender 247 - nur-formeller 46 - periodischer 121 - privatrechtsgestaltender 84 - Punkt- 99,112,142,160, 337 - reformierter 224, 337, 353 - saisonaler 121 - statusbegründender und statusentziehender 105 - teilbarer 226, 246 - vollstreckbarer 103 - vorläufiger 117,122,195 - vorsorglicher 114,119, 196 Verwaltungsaktakzessorietät, strafrechtliche 84 Verwaltungsaktsbefugnis 295 Verwaltungs verfahren 43,46 Verzicht 156

26*

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Vollstreckbarkeit - formelle 272 - materielle 103 Vorauswirkung 35 Widerruf des Verwaltungsaktes 48, 53, 91, 153, 304 Widerrufsvorbehalt 189, 230, 236, 246 Widerspruch 50, 60, 92, 351, 374 Widerspruchsbescheid 153, 200,222, 310 Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens 154, 309, 323 Wiederherstellung aufgehobener und erledigter Verwaltungsakte 199, 206 Wiederholungsverbot, materiellrechtliches 81 Willenserklärung, Verwaltungsakt als verwaltungsrechtliche 46 Zeit als Rechtsfolgenmerkmal und Zeit als Tatbestandsmerkmal 40, 112,118 zeitbezogene Inhaltsbestimmung 121,136 zeitlicher Regelungsgehalt des Dauerverwaltungsaktes 118 zeitlicher Regelungsgehalt des Punktverwaltungsaktes 112 Zeitpunkt, in dem eine Rechtsfolge intendiert und Zeitraum, ßr den eine Rechtsfolge intendiert ist 31, 99, 112, 118 Zerstörung des zeitlichen Regelungsgehaltes 173 Zukunft, Rechtsänderung ßr die 35 Zusicherung eines Verwaltungsaktes 247, 257 Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes 224, 238, 262,317, 351