Regelungsgehalt des Maßregelungsverbots gem. § 612 a BGB [1 ed.] 9783428505357, 9783428105359

Das gesetzliche Maßregelungsverbot des § 612 a BGB, das 1980 ins BGB eingefügt wurde, hat zunächst ein juristisches Scha

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German Pages 345 Year 2001

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Regelungsgehalt des Maßregelungsverbots gem. § 612 a BGB [1 ed.]
 9783428505357, 9783428105359

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FRAUKE WILKEN

Regelungsgehalt des Maßregelungsverbots gern.§ 612a BGB

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht

Band 199

Regelungsgehalt des Maßregelungsverbots gern. § 612a BGB Von

Frauke Wilken

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Wilken, Frauke:

Regelungsgehalt des Maßregelungsverbots gern. § 612 a BGB Frauke Wilken.- Berlin: Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht ; Bd. 199) Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 2000/2001 ISBN 3-428-10535-4

Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany

© 2001 Duncker &

ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-10535-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

Vorwort Die Arbeit hat der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität zu Göttingen im Wintersemester 2000/2001 als Dissertation vorgelegen. Sie ist für die Drucklegung an einigen Stellen geringfügig geändert worden. Rechtsprechung und Literatur wurden bis Februar 2001 berücksichtigt. Die Arbeit an dieser Dissertation läßt sich nicht allein auf eine wissenschaftliche Tätigkeit reduzieren, sondern ist vielmehr ein Teil meines Lebens, den ich mit vielen Menschen verbinde, die hier genannt sein sollen. Mein herzlicher Dank gilt dabei zunächst meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Hansjörg Otto, der mich durch die Beschäftigung als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl forderte und förderte. Von dieser Tätigkeit habe ich nicht nur in fachlicher Hinsicht profitiert, vielmehr hat die harmonische Atmosphäre an seinem Lehrstuhl ganz erheblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Darüber hinaus danke ich Frau Prof. Dr. Barbara Veit für die besonders zügige und aufschlußreiche Erstellung des Zweitgutachtens. Daneben möchte ich mich bei Prof. Dr. Roland Schwarze bedanken, der meinen Blick auf das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB lenkte und mein Interesse dafür weckte. Herrn Privatdozent Dr. Rüdiger Krause sei gedankt für unzählige Anregungen und seine ständige Gesprächsbereitschaft Danken möchte ich darüber hinaus all denen, die in unterschiedlicher Weise zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Dies sind zum einen meine Eltern, die mir stets alles zutrauen und mich dadurch auch während der Doktorarbeit unterstützten. Zu nennen sind desweiteren Heiko Holste, Susanne Fracke, Annusch Barten und Daniela Stiege), die Korrektur gelesen haben und immer ein offenes Ohr für meine Erwägungen zum Maßregelungsverbot hatten. Die Gespräche mit ihnen haben mir nicht nur geholfen, so manchen "juristischen Knoten" zu lösen, sondern mich dann- wenn es nötig war- zum Weitermachen motiviert. Schließlich gilt mein besonderer Dank meinem Mann Marco, der zusammen mit mir die Höhen und vor allem die Tiefen der Bearbeitungszeit durchgestanden hat. Ihm ist diese Arbeit gewidmet. Göttingen, im März 2001

Frauke Wilken

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Erster Teil Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des gesetzlichen Maßregelungsverbots des§ 612a BGB

24

§1

Entstehungsgeschichte des §612a BGB . . . . . . .. .. .. .. . . . . .. .. . . .. . ... . . . . . .. . .. . .. 24 I. Die EG-Richtlinien 75/177/EWG und 76/207/EWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 II. Regelungsgehalt der EG-rechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Umsetzung ins innerdeutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Erweiterungen des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Bedürfnis für die Regelung des§ 612a BGB? . ............ ... . . . . ... . .. . . . . . 29

§2

Zielsetzung des § 612 a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Inhaltliche Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Rechtliche Einordnung des §612a BGB . . ... .... . . . . ... .. . .. .... .. ... . . . . . . ... 33 I . Rechtliche Einordnung in den Zusammenhang von Diskriminierungs- und Benachteiligungsverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Verhältnis des§ 612a BGB zu den Generalklauseln der§§ 138, 242 BGB . 34

Zweiter Teil

§3

Inhaltlicher Regelungsgehalt des §612a BGB

38

Rechte des Arbeitnehmers i.S. des §612a BGB ... ..... ...................... . ... I. Systematische Differenzierung des Rechtsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Subjektive Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Definition des subjektiven Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einteilung der subjektiven Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Struktur der subjektiven Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Normenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Begriff und Struktur des Normenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Normenschutz im Arbeitsrecht? .. .. .. .. . . . . . .. . . ..... ... .. ... . . . . .. . . . . .. c) Vergleichbare Verhaltenspflichten im Arbeitsrecht....... . ......... . . ... . aa) Allgemeiner arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . bb) Verbot der Geschlechtsdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung der Rechtsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis II. Subjektive Rechte des Arbeitnehmers als Rechte i. S. des§ 612a BGB 1. Subjektive Rechte des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. .. .. . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . .. a) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige subjektive Rechte aus dem Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subjektive Rechte des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber unabhängig vorn Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beispielsfalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subjektive Rechte unabhängig vorn Arbeitsverhältnis als Rechte i.S. des §612a BGB ... ... . . ........ ............. .. . .. ............ ....... . ..... . ... 3. Grundrechte als subjektive Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsqualität der Grundrechte als subjektive Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirkung der Grundrechte im Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grundrechte mit unmittelbarer Drittwirkung als Rechte i. S. des § 612a BGB ............................................................. . . . .. .. ... aa) Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . (1) Gehalt und Träger des Grundrechts .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. (2) Bedeutungfür§612aBGB .. .......................... ........... bb) Art. 38 Abs. I S. 1 GG .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. cc) Art. 48 Abs. 2 GG . . . . . . . .. . .. . .. . .. . .. . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . d) Grundrechte ohne unmittelbare Drittwirkung als Rechte i.S. des§ 612a BGB ............... . .... . ................... . . .. ................... .. .... .. aa) Begründungsansätze für eine Einbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einschränkung bezüglich der allgerneinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. I GG . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . .. . . . cc) Folgen der Einbeziehung der speziellen Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beispielsfalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Meinungsäußerungsfreiheit gern. Art.5 Abs.l S.1 GG als Recht i.S. des §612a BGB ........ ... ...... . . . ........ ........ ... ... . .. (2) Glaubens- und Gewissensfreiheit gern. Art. 4 Abs. 1 GG als Recht i.S. des§612aBGB .... .... .... .... .. .... .. .... .. .. .... ...... .. . e) Zwischenergebnis zu den subjektiven Rechten des Arbeitnehmers . . . . . . III. Geltendrnachung von Normenschutz und vergleichbaren Verhaltenspflichten . I. Berufung auf das Verbot der Geschlechtsdiskriminierung als Recht i. S. des §612a BGB . . . . . . . . . .. . . . .. . .. . .. . .. . .. . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Berufung auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als Recht i.S.des§612aBGB .. .... ............ .. ............................ ...... .. . 3. Ergebnis zu normschützenden Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtspositionen als Rechte i.S. des §612a BGB .... .. ...... ........ .... .... . l. Darstellung des Problems arn Beispiel der Nichtarbeit wegen Arbeitsunfahigkeit .. . ..... . .. . .. . .............. ..... . ... .. . ... . ........ . . .. . . . ... . . . . .. ... a) Rechtliche Einordnung der Nichtarbeit aufgrund von Arbeitsunflihigkeit .............. . ...... . ...................... .. ... . ............. . . . . . .... b) Ergebnis zur Einordnung der Nichtarbeit bei Arbeitsunflihigkeit . . .... . . 2. Begründungsansätze für eine Einbeziehung der Rechtspositionen . . . . . . . . . . 3. Ergebnis zur Einbeziehung der Rechtspositionen ... . . . ... . .......... . ...... 4. Ablehnung einer Vertragsänderung als Rechtsausübung i. S. des § 612a BGB . . ..... .. . . ... . . . .. .. ... .. .... ... . .. . ... . . . .... . . .... . .. .. .. ........... ...

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9

Inhaltsverzeichnis §4

"Ausüben" der Arbeitnehmerrechte ....... I. Ausübung subjektiver Rechte ..... 1. Arten der Geltendmachung . 2. Problematik der Ausübung bei automatisch entstehenden Ansprüchen . . . . . II. Ausübung bei normschützenden Verhaltenspflichten . .................. . . . ..... 111. Ausübung bei Rechtspositionen ..................... . ................ . . . .......

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Rechtsausübung in "zulässiger Weise" I. Anforderungen an die Zulässigkeil der Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulässigkeil der Ausübung bei Rechten aus dem Arbeitsverhältnis ... . . .. . 2. Zulässigkeil der Ausübung bei Rechten unabhängig vom Arbeitsverhältnis II. Irrtümliche Annahme eines bestehenden Rechts . . . ... .............. . . . ........ 1. Spannungsverhältnis zwischen der subjektiven Einstellung des Arbeitnehmers und der Maßnahme des Arbeitgebers 2. Annahme eines überhaupt nicht existierenden Rechts ............. . .. . . . ... 3. Irrtümliche Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen eines grundsätzlich existierenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesamtergebnis in bezug auf die irrtümliche Annahme eines bestehenden Rechts 5. Abgrenzung zwischen der Ausübung eines vermeintlichen Rechts und der Nutzung der rechtsstaatliehen Rechtsschutzgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . .

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§6

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Erhebliches Verhalten des Arbeitgebers I. Maßnahmei.S.des§612aBGB II. Vereinbarungi. S. des§612aBGB 1. Begriffsbestimmung 2. Regelungsgehalt bzgl. der Rechtsausübung vorangegangener Vereinbarungen ...... a) Differenzierung hinsichtlich der Art der Vereinbarung .......... . .. . .... b) Aspekt des Normenvollzugs bei einer aufgrundeiner vorangegangenen Vereinbarung erfolgenden Maßnahme ..... 3. Praktische Bedeutung des §612a BGB hinsichtlich Vereinbarungen .. . . .. . 00

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Benachteiligung i.S. des §612a BGB I. Formen der Benachteiligung . . 1. Benachteiligung durch Verschlechterung einer bestehenden Rechtsposition . 2. Benachteiligung durch Vorenthaltung von Vorteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung der Benachteiligung ohne Rückgriff auf die Frage der sachlichen Rechtfertigung . II. Ausklainmerung geringfügiger Benachteiligungen? . . ..... .. . . ....... . . . .... . . 1. Meinungsstand ... 2. Stellungnahme 00

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§8

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Notwendiger Zusammenhang zwischen Benachteiligung und Rechtsausübung .. . 140 I. Grundvoraussetzung: Kausalität 140 II. Über die Kausalität hinausgehende Anforderung an den Zusammenhang zwi141 schen Benachteiligung und Rechtsausübung . oo.ooooooooooo . . . . oo.oooooooooo •••••••

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Inhaltsverzeichnis I. Erfordernis einer subjektiven Komponente- Rechtsausübung des Arbeitnehmers als tragender Beweggrund ........ . .. . . . . . ..................... . .... 2. Ausreichen einer objektiven Kausalität .... . .... . ................... . ........ 3. Unterschiedliche Anforderungen an den notwendigen Zusammenhang bei den verschiedenen Formen der Benachteiligung .................... . . . . .... 4. Stellungnahme ......... . . . .................. .. .. . . ..... . ............. . ... . . . . a) Erfordernis einer subjektiven Komponente . .. . . . . . .... . ......... . . . . ... . . b) Anforderungen an die subjektive Komponente . ........................ . . c) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111. Inhalt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im Verhältnis zu §612a BGB . .. ...... .. . ... ... . . .. .. . . .. . .. ... . . .. .. . ... .. . ....... .. . . . . . . . . . . ... I. Tatbestandliehe Betroffenheit beider Rechtsinstitute bei der Vorenthaltung von Vorteilen ............ . . . .................. . .................. . ... . . . . . . .. . 2. Verknüpfung beider Rechtsinstitute in Rechtsprechung und Lehre . ... . . . .. a) § 612a BGB konkretisiert durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ... . . . . . ..................... . . . . . .... . ........... . ......... b) Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz konkretisiert durch §612a BGB ... .. .... . . . . . ... .. .. ...... ... . . .. . . ....... ... . . ...... . . . . . .. . . c) Strikte Trennung der Rechtsinstitute ....... . . . ....... . ........... . . . . . . . . 3. Struktur des Gleichbehandlungsgrundsatzes .... .. . ... . ............. . ....... a) Zulässiges Differenzierungsziel .......... . . . .. . . ................ . ........ aa) Nichtausübung eines Rechts der Arbeitnehmer als alleiniger Differenzierungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anknüpfung an einen Umstand im Zusammenhang mit der Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gruppenabgrenzung entsprechend dem zulässigen Differenzierungsziel c) Abweichende normative Betrachtung bei zwingender objektiver Kongruenz zwischen Differenzierungsziel und zulässiger Rechtsausübung . . .. . 4. Ergebnis zur Frage der Verknüpfung von arbeitsrechtlichem Gleichbehandlungsgrundsatz und zulässiger Rechtsausübung . . ................... . . . . . . ..

§9

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Geltungsbereich des §612a BGB . ... . ... . . . . . .. ....... . . . .... . . .. .... .... . .. .. . . . . I. Adressat des §612a BGB . . . . .... . ... . ... . ... . .. . . . . . .. .. . ...... . . . ..... .. . ... . . II. Geschützter Personenkreis . . . ........ . ..... . . . .. . . . . . ................... ...... . . I. Persönliche Abgrenzung . . .. . ............... .. ... .. ................... . ...... 2. Zeitliche Abgrenzung . . . . . . .. ................ . . . . . . . .......... . .......... . ...

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§ 10 Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen §612a BGB ... .. ................. . .......... I. §612aBGBalsVerbotsgesetzi. S. des§I34BGB .. . ..... ...... ..... .... .... . 1. Nichtigkeit von Rechtsgeschäften und Willenserklärungen .... . . . . . . . ... .. . 2. Folgefragen bei der Nichtigkeit von Kündigungen . .. . ........ . .. . . . . . . . . . .. a) Auflösungsantrag nach §9 Abs.1 KSchG ................................ b) Berücksichtigung des §612a BGB bei der Abfindungshöhe .......... . .. II. Unwirksamkeit einseitiger Leistungsbestimmungen und tatsächlicher Handlungen ...... .. .... . ....... . . . . . .... . .. .. . . .. ...... . . . . . ... .. .... ... . ... . ......... III. Rechtsfolgen des § 612a BGB bei verbotswidriger Vorenthaltung von Vorteilen .. ........ . ..... ... . ...... . .. .. ........ ..... .. . ............. .. ...............

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Inhaltsverzeichnis § 11 Darlegungs-und Beweislast innerhalb des §612a BGB ............... . ... . . .. .. I. Grundsätzliche Verteilung der Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . .. . .. .. .. Il. Beweiserleichterung durch Anscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises bei psychischen Vorgängen . . . . . . . 2. Erfahrungssatz von hinreichender Tragfahigkeit als Voraussetzung der Anwendbarkeit .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmung der Erfahrungssätze im Bereich des§ 612a BGB .... .. .... .. . a) Erfahrungssatz bei der Verschlechterung einer bestehenden Rechtsposition ................... . ..................... . . . ......... . ........... . . .... . b) Erfahrungssatz bei der Vorenthaltung von Vorteilen . . .. . . . . ... . . . . . . . . . . aa) Vorprozessuale Darlegungspflicht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . bb)Bestimmung des Erfahrungssatzes .... ... ......................... . ... 4. Gegenbeweis des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vergleich mit der Darlegungs- und Beweislast beim arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz .............. . . . . . . . .. ............... . ... . . . . . . § 12 Verhältnis des §612a BGB zu anderen Benachteiligungsverboten .. . . . . . . .. . . . I. Verfassungsrechtliches Benachteiligungsverbot aus Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG .. .. I. Schutzbereich des Benachteiligungsverbots .... .... ................. .. ...... 2. Weitere Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG . . .. . . ....... 3. Verhältnis des verfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbots zu § 612 a BGB .................. . .... . ................. . . . . . ................ . .......... . II. Benachteiligungsverbote in bezug auf die Ausübung von Mitwirkungsrechten I. § 78 S. 2 BetrVG, § 8 BPersVG, § 26 S. 2 MitbestG ................... .. .. .. 2. Art. 48 Abs. 2 S. 2 GG als eigenständiges Benachteiligungsverbot ... . . . ... 3. Besondere Benachteiligungsverbote von Betriebsbeauftragten im Umweltbereich . . . .. . .. . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . .. .. . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . 4. Weitere Benachteiligungsverbote im Hinblick auf besondere Mitwirkungsrechte ............... .. ....... . ................ . . . ... . ................ . ........ 111. Benachteiligungsverbote in bezug auf die Ausübung spezieller anderer Rechte ..... . ..... . ...... . ........ . . . . . ... .. . . .... . . . .............. . ... . . . . .. . . ... 1. § 84 Abs. 3 BetrVG . . . . .. .............. ... .. . . . . . .. ............ . ..... . .. . . . ... 2. § 4 Abs. 3 BeschäftigtenschutzG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 17 Abs. 2 ArbSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. § 21 Abs. 6 S. 3 GefahrstoffVO .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .

11 171 171 173 173 174 175 175 176 176 177 178 181 182 182 182 184 185 186 186 191 193 195 195 196 198 199 201

Dritter Teil

Hauptanwendungsbereiche und deren spezifische Probleme § 13 Maßregelungskündigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Maßregelungskündigungen im Zusammenspiel von § 612a BGB und § 1 KSchG .. . . .... . .......... . ..... . ............ .. ... . .... . ... .. . .... .... . .. . ..... .. . 1. Sanktionierungsvorsatz als einziges Motiv und einziger objektiver Anknüpfungspunkt . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . .. . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . .. . .. . .. . . . a) §612a BGB im Anwendungsbereich des KSchG ...... . ... ... ..... . .....

203 203 203 204 205

12

Inhaltsverzeichnis b) § 612a BGB außerhalb des Anwendungsbereiches des KSchG . . . . ... . . . aa) Kündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes - Regelungsgehalt des § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhältnis des §612 a BGB zum KSchG . . . . ...... . . . . ... . .. . . . . . . ... cc) Auswirkungen der Anwendbarkeit des § 61 2a BGB außerhalb des KSchG auf den nach § 242 BGB erforderlichen Bestandsschutz . . . . 2. Sanktionierungsvorsatz als Motiv neben anderen objektiven Anknüpfungspunkten .............. .. . . . . .................. . . . . . . . .. ............... . . . . .. .. . a) Anwendbarkeit des§ 612a BGB in Fällen des Motivbündels? . . . . ..... . aa) Das Tatbestandsmerkmal des Sanktionierungsvorsatzes als Grundvoraussetzung ... . . . .. . ........ . ... . . . .. . . . ....... . . . . . ....... . . . . . . .. . bb) Sanktionierungsvorsatz als tragender Beweggrund bzw. wesentliches Motiv ...... . . . .................. . ... . ................... . . . . . . .. . cc) Unerheblichkeit weiterer Motive bei bestehendem Sanktionierungsvorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Stellungnahme .. . . . . ................... .. . . .. ................ . ... . . .. . ( 1) Vergleich mit dem Problem einer auf mehrere Kündigungsgründe gestützten Kündigung im Anwendungsbereich des KSchG . . . .. . (2) Vergleich mit dem Problem der Bewertung der Rechtmäßigkeit eines Arbeitskampfes beim Zusammentreffen zulässiger und unzulässiger Ziele ................. . .. . . . . . ...... . ............ . . . . . . . (3) Lösung unter Berücksichtigung der Rechtsausübungsfreiheit des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fälle des Motivbündels im Anwendungsbereich des KSchG . .. .. . ...... c) Fälle des Motivbündels außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG . ... . .. . .... . .. . . ..... . .. .. . . . . . . . . . ... . .... . ... .. ......... . . . . . . .. . d) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Klagefrist bei der Geltendmachung der Nichtigkeit gern. § 612a BGB ..... II. Beispiele für Maßregelungskündigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kasuistik der Maßregelungskündigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kündigung wegen hoher Entgeltfortzahlungskosten als Verstoß gegen §612a BGB? . . .. . .... . . . . . ...... . . .. . . ..... . .. . . . ............ . ............ ... a) Berücksichtigung der Entgeltfortzahlungskosten im Rahmen einer krankheitsbedingten ordentlichen Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingreifen der Zulässigkeilsschranke des § 612 a BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Befürwortende Ansicht in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ablehnende Ansicht der Rechtsprechung und der h. M. . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme .... . . . ................. . ........ . . ............. . . . .... . c) Grundvoraussetzung der Rechtsausübung durch den Arbeitnehmer . .... aa) Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus § 3 Abs. 1 EFZG . . . . . .. . . ..... bb) Die bloße Krankheit als Rechtsausübung? . ...... . . .... ... ... . ....... cc) Nichtarbeit aufgrund von Arbeitsunfahigkeit als Rechtsausübung i.S. des §612a BGB ................. . .... . .................. . . . . . .. . d) Unmittelbarkeitserfordemis zwischen Rechtsausübung und Benachteiligung ... . . .. ....... . .. . . . . . ..... . ......... . . . .... . ... . . . ............ . . . . . .. . e) Ergebnis . .. . . ..... . . .. . . .. .. . ..... . .. .. .. .. . .... . . .. . .. .. . .. . . . ... . . . .... . .

206 207 210 212 215 215 216 218 218 219 219 221 221 223 223 224 224 225 225 227 227 228 228 229 230 231 231 231 232 232 233

§ 14 Streikbedingte Sonderzuwendungen . ..... . ... .. . . . . .......... . . . . .. . .... . . . ... . ... 233 I. Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

Inhaltsverzeichnis II. Außerarbeitskampfrechtliche Bewertung streikbedingter Sonderzuwendungen . . ..................... ... .................... . . . . ... .................. . .. . . . . . 1. Zulässigkeilsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) §612aBGB . . . . . .. . .. . .. ..... ... . . . ... . . . . ... . . . ... ....... . ........ . .. . .. . b) Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz .................... . . . . . 2. Nichtausübung des Streikrechts als alleiniges Differenzierungsziel . . . ..... 3. Sonderzuwendung zur Vergütung der normalen, mit jedem Streik für die Nichtstreikenden verbundenen Erschwernisse . . . .. ................ . . .. . .... a) Ausschließliche Anknüpfung an normale Erschwernisse . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anknüpfung an normale Erschwernisse neben der Belohnung der Nichtausübung des Streikrechts ...... . .............. . ... . ....... . . . . . . . . . .. .... 4. Vergütung besonderer Erschwernisse ............. . ................. . . . ...... a) Ausschließliche Anknüpfung an besondere Erschwernisse ..... . . . ...... b) Anknüpfung an besondere Erschwernisse neben der Belohnung der Nichtausübung des Streikrechts ......... . ... . . . .. ............... . . .. ..... 5. Ergebnis zur außerarbeitskampfrechtlichen Zulässigkeil streikbedingter Sonderzuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Arbeitskampfrechtliche Bewertung streikbedingter Sonderzuwendungen . . . . . 1. Ausscheiden arbeitskampfrechtlicher Überlagerung bei nachträglichen Zuwendungen- Beschränkung der Untersuchung auf die Streikbruchprämie 2. Streikbruchprämien als Arbeitskampfmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff des Arbeitskampfes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subsumtion im Hinblick auf die Streikbruchprämie- Auswirkungen auf den Arbeitskampfbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Streikbruchprämien als zulässiges Arbeitskampfmittel - Überlagerung der außerarbeitskampfrechtlichen Unzulässigkeit? .............. . . . . . ... . . . ... . . a) Vorgehensweise in der Rechtsprechung und der Literatur ....... . . . ... . . aa) Keine Beeinträchtigung der Parität durch den Einsatz von Streikbruchprämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsatz der Parität ... . ........... . . ...... . ...... ....... . . . . .... (2) Auswirkung der Streikbruchprämien auf die Parität . . . . . . . . . . . . . bb) Vergleich mit der Einstellung von Ersatzarbeitskräften im Arbeitskampf - Taktik der "offenen Tür" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Streikbruchprämie als Pendant zu dem Einsatz von Streikposten .. . dd) Streikbruchprämien als Gegenstück zu gewerkschaftlichen Unterstützungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Einsatz von Streikbruchprämien in Anwendung des Verhältnismäßigkeilsgrundsatzes im Arbeitskampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik an der Vorgehensweise in Rechtsprechung und Literatur .. . ...... aa) Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . ... . ..... .. ....... . . . ..... . . . bb) Verhältnis der Arbeitskampfrechtsordnung zur normalen Rechtsordnung - mangelnde Berücksichtigung der außerarbeitskampfrechtlichen Unzulässigkeil .......... . ....... . . . . . . . .............. . ... . . . . .. . 4. Überlagerung der einfachrechtlichen Unzulässigkeil nur bei "Notwendigkeit" des Arbeitskampfmittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ablehnung dieser Vorgehensweise durch die Aufgabe der "Kernbereichsrechtsprechung"? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsunmittelbare Garantie der Streikbruchprämie? ... . ....... .. .

13 235 235 235 236 237 238 238 240 241 241 244 245 246 246 249 249 250 251 251 253 253 253 255 256 257 258 260 260

261 262 262 263

14

Inhaltsverzeichnis aa) Untersuchung der Parität ausgehend von den historisch gewachsenen Arbeitskampfmitteln ............... . .. . .. . . . . .......... . ... . . . ... . . . . . (I) Paritätslage beim Kampf um einen Verbandstarifvertrag . . . . . . . . (2) Abweichendes Ergebnis beim Kampf um einen Firmentarifvertrag in einem Außenseiterunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Folge für die Bewertung der Streikbruchprämie ...... . . . ... .. .. . bb) Zulässigkeil der Paritätsbestimmung unabhängig von der historischen Entwicklung? - Argument der Kampfmittelfreiheit . . . . . . . . . . (1) Bedeutungsgehalt des Grundsatzes der freien Wahl der Arbeitskampfmitlei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Auswirkungen des Grundsatzes der freien Wahl der Arbeitskampfmittel auf die Bewertungsgrundlage der Parität? . . . . . . . . . . c) Ergebnis zur arbeitskampfrechtlichen Zulässigkeil von Streikbruchprämien .................... . ................ . .. . . . . . ................ . ... . .. ... 5. Möglichkeit der Zulassung von Streikbruchprämien durch Gesetz ......... a) Keine Beeinträchtigung der Parität ...... . . . . . . . .... . ... . . . ..... . . . . . . . ... b) Kein Verstoß gegen die kollektive Koalitionsfreiheit ........... . . . . . . . . . . c) Resümee .... ... .. .. . . ..... ... .. . .. . .. .. . .. . . ... . . ... . . . .. . . . . .. .. .... . .... . IV. Regelungsgehalt tariflicher Maßregelungsverbote . .......... . ... .. ..... ... . . . . . 1. Historischer Hintergrund tariflicher Maßregelungsverbote ... . ... . . . ..... . . 2. Gegenstand der Untersuchung ................... . ................... . . . ... . . a) Beschränkung auf allgemeine tarifliche Maßregelungsverbote . . . . . . . . . . b) Auswirkungen auf die Bewertung streikbedingter Sonderzuwendungen 3. Rechtliche Einordnung tariflicher Maßregelungsverbote ....... ... . ... ... . . 4. Regelungsgehalt allgemeiner tariflicher Maßregelungsverbote im Vergleich zu§612aBGB .. . . .. . . . . . . .. . . .... . .... ..... . . . . . . .. . .. ..... . ... .. . .. . . .. ... a) Auslegung allgemeiner tariflicher Maßregelungsverbote durch die Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Differenzierung nach dem Auszahlungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Weitergehender Regelungsgehalt im Vergleich zu § 612 a BGB . . . . . cc) Identischer Regelungsgehalt allgemeiner tariflicher Maßregelungsverboteund§612aBGB .. . ... . .. . . .. . .. . . . . ..... . .......... .. ..... . . b) Stellungnahme . . . . . . . . .. . .. . ... . ... . . ... . . . . .. . . . .... ... ... . ... . . . ... . . . .. c) Erfassung rechtswidriger Kampfmaßnahmen durch allgemeine tarifliche Maßregelungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schutzwirkung tariflicher Maßregelungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Resümee . ............ . .... . .............. . .. .. . . . ........ ... ....... . . . .. . . . . . .

§ 15 Kürzung von Jahressonderzahlungen aufgrundberechtigter Fehlzeiten .. . .... I. Problemdarstellung und Themenbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erscheinungsformen der Jahressonderzahlungen ... . . .. .... ... . . .. .. ... . . . .. .. . 1. Differenzierung nach dem verfolgten Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitsleistungsbezogene Jahressonderzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Jahressonderzahlung als Entgelt für Betriebstreue .... . ... . ..... . . . . . . .. . c) Jahressonderzahlung mit Mischcharakter . . . .. . . .. .. .. . . . ... . . . . . . . . . . . . . 2. Zweckbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111. Zulässigkeil der Kürzung von Jahressonderzahlungen aufgrund der Streikteilnahme der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

264 264 266 266 267 267 268 270 271 271 272 273 273 274 274 275 276 276 276 277 277 278 281 281 283 284 284 284 284 286 286 287 287 288 288 290

Inhaltsverzeichnis 1. Überblick über die Rechtsprechung ......... . . . ... . .............. . . . ... .... . 2. Grundsätzliche Anwendbarkeil der Zulässigkeilsschranke des § 612 a BGB 3. Kürzung wegen streikbedingter Fehlzeiten ohne bestehende Kürzungsregelung . . ... ...... . .... . . . . .. . . ... .... . ... . . . ... . ...... .. .. . .......... ... . .. . . .. . . a) Proportionale Kürzung der Jahressonderzahlung ... . ...... . .... . . . . . . . .. . aa) Arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Entlohnung für Betriebstreue ............ . ................. ... . ... . ... cc) Sonderzahlung mit Mischcharakter .. ................................ b) Überproportionale Kürzung . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Kürzung aufgrund bestehender Kürzungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschluß des § 612 a BGB aufgrund des Vollzugs einer vorgegebenen Ordnung? .. . .. . .. . . . . . . .. . .. . . . .. .. .. . .. . . . . . . .. .. .. .. . . . . .. . .. . .. . .. . . . . . . b) Rechtmäßigkeilsprüfung der Kürzungsvereinbarung ............ . . . .. . . . . aa) Ausnahme bei einer Kürzungsregelung im Verbandstarifvertrag . . . . bb) Zulässigkeilsschranke des § 612 a BGB für die übrigen Kürzungsvereinbarungen .. . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . .. . . . . .. . .. . . . . . . c) Ergebnis .. ........ . . . .......... . ............. . ........ . . .. ........ . . ... . ... 5. Auswirkungen tariflicher Maßregelungsverbote .. . . ......... . . .. .. . . ....... . a) Allgemeine tarifliche Maßregelungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kampfzeitanrechnungsklauseln ......... .. .................... .. . . .. . .. ... 6. Auswirkungen von § 4 a EFZG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zulässigkeil der Kürzung von Jahressonderzahlungen aufgrund krankheitsbedingter Fehlzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick über die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtslage durch die Einführung des §4a EFZG . ........ ... ....... . . . .. . .. a) Einführung . .. . . . . .. . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . .. . .. . .. . .. b) Anwendungsbereich und Regelungsgehalt des §4a EFZG .............. 3. Krankheitsbedingte Kürzung arbeitsleistungsbezogener Jahressonderzahlungen ................... . . . ................ .. . . . .. ................... .. ... . . . a) Grundsätzliche Anwendbarkeit der Zulässigkeilsschranke des § 612a BGB .. .. . .. . . .. .. ..... . .. . .. . .. . ... .. . ... .. . . . .... ..... ... ........... . . .. .. b) Kürzung bei krankheitsbedingten Fehlzeiten ohne Entgeltfortzahlung . . c) Kürzung bei krankheitsbedingten Fehlzeiten mit Entgeltfortzahlung .... 4. Krankheitsbedingte Kürzung von Jahressonderzahlungen mit Mischcharakter .............. . . . . . ................. . .... . . . ................ . . . . . . . .. V. Resümee .............. .... ...................... . .... . ................... .... ....

15 290 291 292 292 293 294 295 297 298 298 299 299 300 301 301 302 302 303 304 304 305 305 306 307 308 309 311 312 314

Vierter Teil Zusammenfassung und Schlußbetrachtung

315

§ 16 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . .... . ... . ... . .... . ....... . . . . . .. 315 I. Inhaltlicher Regelungsgehalt des§ 612 a BGB ... .... .. .. ............. .. .. .. .. . 315 II. Hauptanwendungsbereiche und deren spezifische Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

16 § 17 Schlußbetrachtung

Inhaltsverzeichnis 322

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Sachwortverzeichnis ................ . .... . ............... . . . .. . .. ...... . ....... . . . . . . . .... 341

Abkürzungsverzeichnis a.A. a. a. O. AbgG. Abi. ab!. Abs. AcP a.E. a. F. AiB

AK

Anh. Anm. AP AR-Blattei ARSt ArbG ArbGG ArbPlSchG ArbR d. Gegenw. ArbSchG ArbStättVO ArbuR Art. AT AuA BAG BAGE BAT-Wert BB BBiG BDSG Beil. Bem. BeschFG BetrVG BGB BGBI. BGH 2 Wilken

anderer Ansicht am angegebenen Ort Abgeordnetengesetz Ablage ablehnend Absatz Archiv für civilistische Praxis am Ende alte Fassung Arbeitsrecht im Betrieb Alternativkommentar Anhang Anmerkung Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsrechtsblattei Arbeitsrecht in Stichworten Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsplatzschutzgesetz Arbeitsrecht der Gegenwart Arbeitsschutzgesetz Arbeitsstättenverordnung Arbeit und Recht Artikel Allgemeiner Teil Arbeit und Arbeitsrecht Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Biologischer Arbeitsplatztoleranzwert Betriebsberater Bundesbildungsgesetz Bundesdatenschutzgesetz Beilage Bemerkung Beschäftigungsförderungsgesetz Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof

18 BGHZ BlmSchG BK BI. BIStSozArbR BPersVG BT-Drs. BUrlG Buchst. BVerfG BVerfGE BVerwGE bzgl. bzw. ca. DB d. h. D/K/K DM DZWir DÖV EAS EFZG EFZR EG EGV Ein!. Entsch. ErfK

ES etc. EuGH EWiR EzA f. ff. Fn. F/K/H/E FS GefahrstoffVO gern. GG ggf. GK grds. GS

h.L.

Abkürzungsverzeichnis Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesimmissionsschutzgesetz Bonner Kommentar Blatt Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht Bundespersonalvertretungsgesetz Bundestagsdrucksache Bundesurlaubsgesetz Buchstabe Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bezüglich beziehungsweise circa Der Betrieb das heißt Däubler/Kittner/Klebe, Betriebsverfassungsgesetz Deutsche Mark Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Die öffentliche Verwaltung Europäisches Arbeits- und Sozialrecht Entgeltfortzahlungsgesetz Entgeltfortzahlungsrecht Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Entscheidung Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Entscheidungssammlung et cetera Europäischer Gerichtshof Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht folgende fortfolgende Fußnote Fitting/Kaiser/Heither/Engels, Betriebsverfassungsgesetz Festschrift Gefahrstoffverordnung gemäß Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar grundsätzlich Großer Senat herrschende Lehre

Abkürzungsverzeichnis h.M. Hrsg. hrsg. HzA i.E. InsO i.S. i.V.m. JAR Jura JuS JZ Kap. KR krit. KrW/AbfG KSchG KSchR LAG LAGE LS MAK m.a.W. m.E. MitbestG m.M. MünchArbR MüKo MuSchG MTV m.w. Nachw. NJW n. F. Nr. NZA o.g. OLG OR Pkw pVv RdA RG RGZ RGRK Rn. Rspr.

s.

herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben Handbuch zum Arbeitsrecht im Ergebnis Insolvenzordnung im Sinne in Verbindung mit Jahrbuch des Schweizerischen Arbeitsrechts Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz kritischer/kritische Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Kündigungsschutzgesetz KündigungsschutzR Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Leitsatz Maximale Arbeitsplatzkonzentration mit anderen Worten meines Erachtens Mitbestimmungsgesetz Mindermeinung Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Mutterschutzgesetz Manteltarifvertrag mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift neue Fassung Nummer Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht oben genannt Oberlandesgericht Obligationenrecht (Schweiz) Personenkraftwagen positive Vertragsverletzung Recht der Arbeit Reichsgericht Entscheidungen des Rechtsgerichts in Zivilsachen Reichsgerichtsrätekommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Randnummer Rechtsprechung Seite

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20 SAE SehR SD SGB SGG s.o. sog. SprAuG st. StGB

s. u.

TierSchG TV TVG TVParteien TRK TzBfG u.ä. u.a. Urt. u.U. V.

Verf. veröff. vgl. Vorbem. WHG z.B. ZfA ZPO ZRP ZTR z.T. ZivSchG zust. ZZP

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Einleitung Das gesetzliche Maßregelungsverbot des § 612 a BGB, das 1980 ins BGB eingefügt worden ist, bestimmt, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen darf, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. §612aBGB hat in den ersten Jahren nach seiner Normierung ein juristisches .,Schattendasein" geführt. In den Urteilen der Arbeitsgerichtsbarkeit tritt§ 612 a BGB erst ab Ende der 80er Jahre in Erscheinung, die allgemeine Kommentierung in der Literatur speziell zu § 612 a BGB war und ist als spärlich zu bezeichnen. 1 Erklären läßt sich das anfängliche Desinteresse nicht zuletzt damit, daß § 612 a BGB zusammen mit §§ 611 a, 611 b, 612 Abs. 32 in das BGB eingefügt wurde. In der regen Diskussion über diese Normen, die der Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes von Männem und Frauen dienen, wurde der Festlegung des Maßregelungsverbots kaum Bedeutung zugemessen, 3 vielleicht wurde sie zum Teil auch schlicht übersehen. Seit Ende der 80er Jahre ist §612a BGB allerdings aus dem Schattendasein herausgetreten und in unterschiedlichen arbeitsrechtlichen Bereichen in das Blickfeld des Interesses gerückt: In der Diskussion steht dabei, ob streikbedingte Sonderzuwendungen des Arbeitgebers eine Maßregelung des Arbeitnehmers darstellen und deshalb gegen das gesetzliche und/oder tarifliche Maßregelungsverbote verstoßen. 4 Zudem ist die Frage aufgetaucht, ob und unter welchen Umständen die Kürzung von Jahressonderzahlungen gegen § 612 a BGB verstößt.5 In neuerer Zeit ist darüber hinaus - ausgelöst durch die kurzfristige Erhöhung des Schwellenwerts des KSchG - problematisiert worden, inwieweit ein Kündigungsschutz außerhalb des 1 Eine etwas ausführlichere Kommentierung zu§ 612a BGB findet sich allein bei Soergel/ Raabund ErfK/Preis. 2 Abgesehen von den Normen, die der Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dienen, wurden desweiteren § 613 a Abs. I S. 2-4 und§ 613 a Abs. 4 zusammen mit§ 612 a in das BGB eingefügt. 3 Dies zeigt sich auch an der geringen Menge von Gesetzesmaterialien, die zur Einführung des §612a BGB vorhanden sind, vgl. BT-Drs. 8/3317, S. JO, S.l4, S.l6; vgl. dazu 1. Teil§ 1 III. 4 Ausführlich dazu im 3. Teil§ 14; vgl. BAG v.4.8.1987 -1 AZR486/85, AP Nr.88 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAG v.17.9.1991-l AZR/26/91, AP Nr.120 zu Art. 9 GG Arbeitskarnpf; BAG v.28.7.1992-1 AZR 87/92, APNr. 123 zu Art. 9GG Arbeitskarnpf; BAGv.11.8.1992-1 AZR 103/92, AP Nr. 124 zu Art. 9 GG Arbeitskarnpf; BAG v. 13.7.1993 -1 AZR 676/92, AP Nr. 127 zu Art. 9 GG Arbeitskarnpf. 5 Ausführlich dazu im 3. Teil§ 15; vgl. nurBAG v.26.10.1994- 10 AZR 482/93, AP Nr.18 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie.

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Einleitung

KSchG bestehen kann. In diesem Zusammenhang wird auch§ 612a BGB als Kündigungsschranke thematisiert. 6 § 612 a BGB wird jeweils im Hinblick auf diese konkreten Fallgruppen behandelt, der dadurch hervorgerufene eingeschränkte Blickwinkel birgt jedoch die Gefahr einer gebietsbezogenen Interpretation des gesetzlichen Maßregelungsverbots in sich. Es fehlt bislang an einer umfassenden allgemeinen Beleuchtung des Maßregelungsverbots,? die gerade aufgrundder weitgestreuten Anwendung der Norm erforderlich ist. Sinn dieser Arbeit ist es daher, den gesamten Regelungsgehalt des gesetzlichen Maßregelungsverbots darzulegen. Nach der Erläuterung der Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des § 612a BGB im 1. Teil dieser Arbeit, wird im 2. Teil in den §§ 3-11 der umfassende inhaltliche Regelungsgehalt des § 612a BGB und in § 12 dessen Verhältnis zu anderen Benachteiligungsverboten verdeutlicht. Betrachtet man die Norm des § 612a BGB zum ersten Mal, erscheint ihr Inhalt Ausdruck einer Selbstverständlichkeit zu sein. 8 Orientiert am Gerechtigkeitsgedanken drängt sich die Erkenntnis auf, daß eine Benachteiligung unzulässig sein muß, wenn der Arbeitgeber sie allein aufgrund einer zulässigen Rechtsausübung durch den Arbeitnehmer erläßt. Bei näherer Betrachtung des § 612 a BGB zeigt sich jedoch die Unhandlichkeit des gesetzlichen Maßregelungsverbots. Die Tatbestandsmerkmale des § 612 a BGB sind weit gefaßt und bergen daher zwangsläufig die Gefahr mangelnder Konkretisierung in sich. Die Rechtsfolgen und Anwendungsbereiche des gesetzlichen Maßregelungsverbots hängen aber entscheidend davon ab, wie man die einzelnen Tatbestandsmerkmale auslegt. Von zentraler Bedeutung sind dabei die Fragen, was unter Rechtsausübung i. S. des§ 612a BGB zu verstehen ist- vgl. dazu §§ 3 und 4- und welcher Zusammenhang zwischen der Rechtsausübung und der Benachteiligung vorliegen muß, um von einer Maßregelung i. S. des§ 612a BGB sprechen zu können- vgl. dazu§ 8. Erst wenn man sich klar gemacht hat, was Rechte i. S. des§ 612a BGB sind und wann eine Maßregelung vorliegt, kann sich der Bedeutungsgehalt des gesetzlichen Maßregelungsverbots erschließen. Aber auch die übrigen Tatbestandsmerkmale wie die "zulässige Weise" der Rechtsausübung (§ 5), das erhebliche Verhalten des Arbeitgebers(§ 6) und das Vorliegen einer Benachteiligung (§ 7) bedürfen der Klärung, ebenso wie die Frage des Geltungsbereichs des § 612a BGB (§ 9), der Rechtsfolgen eines Verstoßes(§ 10) und der Verteilung der Darlegungs-und Beweislast (§ 11). 6 Vgl. dazu 3. Teil§ 13; Löwisch, BB 1997,782 (784); Oetker, ArbuR 1997, 41 (46f); Otto, in: FS für Wiese, 353 (364); Preis, NZA 1997, 1256 (1265 ff). 7 Lediglich Thüsing. NZA 1994, 728ff, hat sich bislang allgemein und nicht nur beschränkt auf eine Fallgruppe mit § 612 a BGB auseinandergesetzt Allerdings sind auch diese Ausführungen bedingt durch die Kürze des Aufsatzes lückenhaft und behandeln beispielsweise den problematischen Bereich der Darlegungs- und Beweislast nicht. 8 Auch in der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 8/3317, S. 10, wird das Maßregelungsverbot als selbstverständlich bezeichnet.

Einleitung

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Bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale muß vor allem die Zielsetzung des § 612a BGB berücksichtigt werden. Das gesetzliche Maßregelungsverbot ist geprägt vom Gedanken der Freiheitsgewährung für den Arbeitnehmer. Wie im 1. Teil unter § 21. zu zeigen sein wird, dient § 612 a BGB dazu, die Willensfreiheit des Arbeitnehmers in bezug auf die Ausübung von Rechten zu schützen, wodurch als Folge auch die Rechtsordnung geschützt wird. Stellt man diesen Schutzgedanken in den Vordergrund, indiziert dies eine weitreichende Auslegung aller Tatbestandsmerkmale. Geht man dagegen davon aus, daߧ 612a BGB lediglich das Ziel verfolgt, den Arbeitnehmer vor dem "bösen" Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer wegen einer zulässigen Rechtsausübung bestrafen will, zu beschützen, spricht dies in einem Bereich für eine engere Auslegung des§ 612a BGB: Bei letzterer Sichtweise müßte man§ 612a BGB zumindest in bezugauf das vom Arbeitgeber ausgehende Tatbestandsmerkmal, also den erforderlichen Zusammenhang zwischen Rechtsausübung und Benachteiligung, der die Maßregelung ausmacht, einschränkender auslegen. 9 Nach der Bestimmung des Regelungsgehalts im 2. Teil dieser Arbeit werden im folgenden 3. Teil die Hauptanwendungsbereiche des § 612a BGB umfassend behandelt. Ein Augenmerk soll dabei insbesondere auf die spezifischen Probleme dieser Fallgruppen gerichtet werden, die im 2. Teil dieser Arbeit noch unberücksichtigt geblieben sind. So stellt sich im Zusammenhang mit den Maßregelungskündigungen (§ 13) die Frage nach dem Verhältnis des§ 612a BGB zum KSchG. Zudem müssen die Auswirkungen mehrerer Kündigungsmotive untersucht werden. Bei der Behandlung der streikbedingten Sonderzuwendungen (§ 14) ist auf die arbeitskampfrechtliche Zulässigkeit solcher Zuwendungen und die Bedeutung tariflicher Maßregelungsverbote einzugehen. Im Zusammenhang mit der Kürzung von Jahressonderzahlungen (§ 15) ist eine Differenzierung nach Art dem Inhalt und Ziel der Zahlungen erforderlich. Zudem bedarf der Regelungsgehalt des § 4a EFZG der Klärung. Im 4. Teil dieser Arbeit werden die wesentlichen Ergebnisse zusammengefaßt, um dann in einer Schlußbetrachtung die Erforderlichkeit der gesetzlichen Regelung des§ 612a BGB hervorzuheben.

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Vgl. dazu 2. Teil § 8II.

Erster Teil

Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des gesetzlichen Maßregelungsverbots des§ 612a BGB Die Entstehungsgeschichte und die Zielsetzung einer Norm haben entscheidenden Einfluß auf die Auslegung unklarer Tatbestandsmerkmale. Bevor der Regelungsgehalt des § 612 a BGB im 2. Teil dargelegt wird, sollen daher im 1. Teil der Arbeit diese beiden Auslegungsaspekte verdeutlicht werden.

§ 1 Entstehungsgeschichte des§ 612a BGB § 612a BGB wurde durch das arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz vom 13.8.1980 1 in das BGB eingefügt. Die Vorschrift beruht auf einer Umsetzung des Art. 5 der EG-Richtlinie 75/177/EWG 2 vom 10.2.1975 und Art. 7 der EG-Richtlinie 76/207/EWG 3 vom 9.2.1976\ auf die zunächst kurz einzugehen ist.

I. Die EG-Richtlinien 75/177/EWG und 76/207/EWG Die Richtlinie 75/177/EWG dient der Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männerund Frauen, während die Richtlinie 76/207/EWG die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männem und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen zum Ziel hat. Das Tätigwerden der Gemeinschaft sollte bzgl. der Richtlinie 75/177/EWG den in Art. 141 EG [ex Art. 119 EGV] genannten Grundsatz des gleichen Entgelts für 1 Gesetz über die Gleichbehandlung von Männemund Frauen arn Arbeitsplatz und über die Erhaltung von Ansprüchen bei Betriebsübergang (sog. Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz), BGBl. I, S. 1308, in Kraft getreten arn 21.8.1980; zuletzt geändert durch das Zweite GleichberechtigungsG vom 24.6.1994, BGBI.I, S.1406. 2 Abi. EG Nr. L 45, abgedruckt bei Renger, Gleiche Chancen für Frauen, Anhang Nr. 3, s. 147ff. 3 Abi. EG Nr.L39/40. 4 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 8/3317, S. 10.

§ I Entstehungsgeschichte des§ 612a BGB

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Männer und Frauen verwirklichen. Beide Richtlinien fußen zudem auf einer Entschließung des Rates vom 2 I. I. I 974 über ein sozialpolitisches Aktionsprogramm 5 , in dem als eine der vorrangigen Zielsetzungen festgelegt ist, Regelungen zu bestimmen, die die Schaffung der gleichen Bedingungen fürMännerund Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur beruflichen Bildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlohnung zum Ziel haben. Nach Art. 5 der EG-Richtlinie 75/I 77/EWG treffen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen, um Arbeitnehmer vor jeder Entlassung zu schützen, die eine Reaktion des Arbeitgebers auf eine Beschwerde im Betrieb oder gerichtliche Klage auf Einhaltung des Grundsatzes des gleichen Entgelts darstellt. 6 Art. 7 der EGRichtlinie 76/207/EWG entspricht weitgehend dem Wortlaut des Art. 5 der EGRichtlinie 7 5/177/EWG: Demnach treffen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen, um Arbeitnehmer vor jeder Entlassung zu schützen, die eine Reaktion des Arbeitgebers auf eine Beschwerde im Betrieb oder gerichtliche Klage auf Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung darstellt. 7

II. Regelungsgehalt der EG-rechtlichen Vorgaben Art. 5 und Art. 7 der genannten Richtlinien dienen der Absicherung des Verbots der Benachteiligung wegen des Geschlechts. Mit ihrer Hilfe soll die Durchsetzbarkeil des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männem und Frauen gewährleistet werden. Aus Art. 5 und Art. 7 der genannten Richtlinien ergibt sich jedoch nicht, wie der Schutz der Arbeitnehmer vor Entlassungen aufgrund der Beschwerde auf Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auszusehen hat, bzw. welche Maßnahmen diesen Schutz verwirklichen sollen. Die Formulierung "notwendige Maßnahmen" läßt den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung einen Spielraum. Festzustellen ist, daß die Art. 5 und Art. 7 der Richtlinien den Arbeitnehmer nur vor Entlassungen schützen sollen, nicht jedoch vor anderen belastenden MaßnahAbl.C 13 v.l2.2.1974, S.l. Die Kommission (Abi. Nr. C 55/46 vom 13.5.1974) hatte als Text des Art. 5 vorgeschlagen: "Die Mitgliedstaaten ergreifen die notwendigen Maßnahmen, um die Entlassung von Arbeitnehmern zu verhindern,( ...)". Dieser Wortlaut deutet auf einen rein präventiven Charakter der zu treffenden Maßnahmen hin. Demgegenüber wollte das Parlament (Abi. Nr. C 55/46 vom 13.5.1974) den Wortlaut derart ändern, daß die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen treffen, "um eine wirksame Sanktion gegen die Entlassung von Arbeitnehmern vorzusehen". Es sollte also lediglich an eine nachträgliche Bestrafung angeknüpft werden. Der Rat ist jedoch diesbezüglich (,.vor jeder Entlassung zu schützen") dem Vorschlag des Wirtschafts- und Sozialausschusses (Abl.Nr.C88/9 vom 26.7.1974) gefolgt. Allerdings sollten nach dem Vorschlag des Wirtschafts- und Sozialausschusses neben den Kündigungen auch weitere Benachteiligungen erfaßt werden, was nach dem Wortlaut der Richtlinie des Rates nicht der Fall ist. 7 Der Vorschlag der Kommission (Abl.Nr.C 124/3,4 vom 4.6.1975), den Schutz nicht nur auf Entlassungen, sondern auf "jeglichen anderen schweren Schaden" zu erweitern, hat sich nicht durchgesetzt. 5

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I. Teil: Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des gesetzl. Maßregelungsverbots

men des Arbeitgebers, wie beispielsweise einer Ahmahnung oder einer unliebsamen Versetzung. Der Begriff der Entlassung in den Richtlinien entspricht dem der Kündigung. 8 Für eine weitergehende Auslegung- etwa im Hinblick auf Aufhebungsverträge, die auf eine Initiative des Arbeitgebers zurückgehen- gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Zudem beziehen sich beide Regelungen nur auf eine Beschwerde bzw. gerichtliche Geltendmachung durch den Arbeitnehmer in bezug auf das Gleichbehandlungsgebot, nicht erfaßt werden Entlassungen, mit denen der Arbeitgeber auf die Geltendmachung sonstiger Rechte des Arbeitnehmers reagiert.

111. Umsetzung ins innerdeutsche Recht Die Regelung des § 612a BGB wurde durch das arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz v. 13.8.19809 zusammen mit§§ 611 a, 611 b, 612 Abs. 3, 613a Abs.1 S.2-4, 613a Abs.4 in das BGB eingefügt. §612a BGB bestimmt, daß der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen darf, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Es herrscht Einigkeit darüber, daß § 612a BGB über Art. 5 der EG-Richtlinie 75/177/EWG und Art. 7 der EG-Richtlinie 76/207/EWG hinausgeht. 10 1. Erweiterungen des Schutzbereichs Eine Erweiterung des Schutzbereichs besteht hinsichtlich der Art der verbotenen Benachteiligungen, die der Arbeitgeber aufgrund der Rechtsausübung des Arbeitnehmers durchführt. § 612 a BGB schützt nicht nur vor Kündigungen des Arbeitgebers, wie es Art. 5 der EG-Richtlinie 76/297/EWG und Art. 7 der EG-Richtlinie 76/207/EWG vorsehen. Vielmehr werden auch "andere ebenso ungerechtfertigte Maßnahmen" 11 des Arbeitgebers erfaßt, indem die Norm allgemein bestimmt, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei "Maßnahmen und Vereinbarungen" nicht benachteiligen darf. Die inhaltliche Reichweite des Begriffs der "Vereinbarungen und 8 Von der synonymen Verwendung von Entlassung und Kündigung in den Richtlinien gehen auch aus: Erman/Hanau, § 612a BGB Rn. I; Kittner(frittin, KSchR, 2. Auf!., § 612a BGB Rn. I; MüKo!Schaub, § 612a BGB Rn. I; Staudinger/Richardi, § 612a BGB Rn. I ; Preis, Grundlagen der Vertragsgestaltung, S.170; Vgl. auch BT-Drs. 8/3317, S. 10. 9 BGBI.I, S. 1308. 10 So einstimmig die Literatur: ErfK/Preis, §6!2a BGB Rn. I; Erman/Hanau, §612a BGB Rn.!; Kittner/Däub/er, KSchR, 2. Aufl., §6!2a BGB Rn.2; Müko/Schaub, §612a BGB Rn. I ; SoergeVRaab, § 612 a BGB Rn. I; Staudinger/Richardi, § 612 a BGB Rn. I; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung, S.!70; Pröbsting, Anm. zu BAG v.2.4.1987 -2 AZR 227/86, AP Nr.l zu §612a BGB, Bl.1023; Thüsing, NZA 1994,728 (728). 11 Zum Wortlaut vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrs. 8/33117, S.IO; vgl. auch: Erman/Hanau, §612a BGB Rn. I; Kittner/Trittin, KSchR, §6!2a BGB Rn. I; MüKo/Schaub, §612a BGB Rn. I; SoergeVRaab, §612a BGB Rn. I; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung, S. 170.

§ 1 Entstehungsgeschichte des § 612 a BGB

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Maßnahmen" ist an späterer Stelle noch zu klären. 12 Aber auch ohne diese Konkretisierung läßt sich zweifellos erkennen, daß der Umfang der dem Arbeitgeber verbotenen Handlungen über die bloße Kündigung des Arbeitsverhältnisses hinausgeht, so daß § 612a BGB insoweit den von den Art. 5 und Art. 7 der genannten Richtlinien geforderten Schutz erweitert. 13 Desweiteren ist in der Literatur unbestritten, daß § 612 a BGB im Hinblick auf die Rechtsausübung durch den Arbeitnehmer über die Vorgaben der Richtlinien hinausgeht. Obwohl Art. 5 und Art. 7 der EG-Richtlinien sich nur auf die Fälle der Geschlechtsdiskriminierung beziehen und auch die sonstigen durch das arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz in das BGB eingefügten Normen- mit Ausnahme der Erweiterung des § 613 a BGB - der Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zwischen Männemund Frauen dienen 14, wurde§ 612a BGB aus dem Gleichbehandlungszusammenhang herausgelöst. § 612a BGB enthält ein generelles Verbot einer Benachteiligung wegen der zulässigen Ausübung von Rechten des Arbeitnehmers.15 Der Gesetzgeber hat das Maßregelungsverbot des§ 612a BGB auf alle denkbaren Fälle erweitert, in denen ein Arbeitnehmer zulässigerweise seine Rechte ausübt. 16 Diese Erweiterung des von Art. 5 der EG-Richtlinie 75/177/EWG und Art. 7 der EG-Richtlinie 76/207/EWG geforderten Schutzes erscheint erstaunlich. Denn der Anwendungsbereich des § 612a BGB, der jegliche zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers erfaßt, ist nicht nur geringfügig größer, als er es wäre, wenn die Norm sich nur- wie gefordert - auf die Ausübung von Rechten aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz beschränken würde, sondern bewirkt durch die Fülle der Arbeitnehmerrechte eine ganz erhebliche Erweiterung des Anwendungsbereichs. Daher ist fraglich, ob eine derartige Erweiterung tatsächlich beabsichtigt war. Die Gesetzgebungsmaterialien sind in bezugauf die Reichweite des § 612 a BGB teilweise etwas ungenau formuliert und fördern dadurch diesen Zweifel. Sowohl im Vorwort zum Gesetzentwurf der Bundesregierung 17 als auch in der Beschlußemp12 Vg1.2. Teil §4. 13 Da Art. 7 der Richtlinie 76/207/EWG keine eindeutige gegenteilige Bestimmung enthält,

kann durch die Umsetzung ins innerstaatliche Recht der Schutzbereich auf andere Abschrekkungs- und Vergeltungsmaßnahmen erweitert werden. Vgl dazu: EuGH v. 22.9.1998Rs.C-185/97, NZA 1998, 1223 (1224), in bezugauf Sektion 4 des - die Richtlinie in britisches Recht umsetzenden- Sex Discrimination Act. Andere "Vergeltungsmaßnahme" war in dem zugrundeliegenden Fall die Verweigerung eines Arbeitszeugnisses. 14 Vgl. §§ 611 a, 611 b, 612 Abs. 3 BGB. 15 Staudinger/Richardi, § 612a BGB Rn. 1; Thüsing, NZA 1994, 728 (728); Knigge, BB 1980, 1727 (1727); Pröbsting, Anm. zu BAG v.2.4.1987- 2 AZR 227/86, AP Nr. l zu §612a BGB, Bl. 1023; SoergeVRaab, § 612a BGB Rn. I; LAG Nümberg v. 7.10.1988-6 Sa 44/87, LAGE Nr. 2 zu§ 612a BGB, S. 2. 16 Lorenz, DB 1980, 1745 (1747); Laux, AiB 1993,389 (389); Pfarr/Bertelsnumn, Gleichbehandlungsgesetz Rn. 186. 17 BT-Drs. 8/3317, S.2.

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1. Teil: Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des gesetzl. Maßregelungsverbots

fehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung 18 wird festgestellt, daß das Maßregelungsverbot des§ 612a BGB dazu diene, "diese Ansprüche" zu sichern, wobei damit die sich aus der Festschreibung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ergebenden Ansprüche gemeint sind. Es liegt daher die Vermutung nahe, daߧ 612a BGB gerade nicht aus dem Kontext des Gleichbehandlungsgrundsatzes gelöst werden, sondern lediglich dessen Durchsetzung sichern sollte. Dafür würde auch der Name des den § 612a BGB einführenden Gesetzes vom 13.8.1980 sprechen. 19 Dagegen spricht jedoch zum einen der allgemein gefaßte Wortlaut des § 612aBGB: Die Rede ist von "seinen Rechten", nicht von Rechten des Arbeitnehmers, die sich aus einem Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung von Männern und Frauen ergeben. Dieses Argument könnte man mit dem Hinweis zu entkräften versuchen, daß eine genauere Spezifizierung der Rechte hier gerade nicht nötig war, weil§ 612a BGB zusammen mit den Gleichbehandlungsvorschriften ins BGB eingeführt und auch unmittelbar hinter den Gleichbehandlungsnormen angeordnet wurde. Würde§ 612a BGB jedoch tatsächlich nur die Benachteiligung wegen der Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz von Mann und Frau sanktionieren, hätte die Norm systematisch nach Satz 1 des § 611 a Abs. 1 BGB angeordnet werden müssen und nicht als eigenständige Regelung im Anschluß an§ 612 BGB. Zum anderen wird in der Begründung des Gesetzentwurfs das Maßregelungsverbot als "selbstverständlich" bezeichnet und erläutert, daß sich ein solches Maßregelungsverbot für die von diesen Gesetzen erfaßten Arbeitnehmer zum Teil bereits aus dem KSchG und § 84 Abs. 3 BetrVG ergebe. 20 § 84 Abs. 3 BetrVG bestimmt, daß dem Arbeitnehmer wegen der Erhebung einer Beschwerde keine Nachteile entstehen dürfen. Das Recht zur Beschwerde besteht nicht nur, wenn der Arbeitnehmer sich wegen seines Geschlechts benachteiligt fühlt, sondern gern. § 84 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich, wenn der Arbeitnehmer sich vom Arbeitgeber oder auch von anderen Arbeitnehmern benachteiligt, ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt. Das KSchG schützt die von diesem Gesetz erfaßten Arbeitnehmer vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen, indemes-auch bei der Kündigung aufgrund einer Rechtsausübung -die Wirksamkeit der Kündigung von der Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 KSchG abhängig macht. § 84 Abs. 3 BetrVG und das KSchG schützen den Arbeitnehmer zumindest auch vor der Benachteiligung wegen der Ausübung von Rechten. Diese Rechte sind aber- wie dargelegt - nicht nur auf solche aus dem Gleichbehandlungszusammenhang beschränkt. Da § 612aBGB nach der amtlichen Begründung auch diese bereits geregelten Maßregelungsverbote umfassen soll, wird deutlich, daß die Norm nicht auf die Maßrege1s BT-Drs. 8/4259, S. 2. 19 20

Vgl. Fn. 1; LAG Nümberg v. 7.10.1988-6 Sa 44/87, LAGE Nr. 2 zu§ 612a BGB, S. 2. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 8/3317, S.10.

§ I Entstehungsgeschichte des§ 612a BGB

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Jung wegen der Geltendmachung von Rechten, die sich aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung ergeben, beschränkt ist. Im Ergebnis läßt sich feststellen, daß § 612 a BOB bzgl. der Rechtsausübung aus dem Gleichbehandlungszusammenhang gelöst wurde und jegliche zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers erfaßt. Mangels Angaben in den Gesetzgebungsmaterialien bleibt jedoch unklar, warum der Gesetzgeber die Verpflichtung zur Umsetzung des in Art. 5 der EG-Richtlinie 75/177/EWG und Art. 7 der EGRichtlinie 76/207/EWG festgelegten Maßregelungsverbots dazu genutzt hat, ein derart erweitertes Maßregelungsverbot zu erlassen. Einen Hinweis auf den grundsätzlichen Beweggrund für die Normierung des § 612 a BOB ergibt sich aus der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates: Die Bundesregierung ging davon aus, daß dem Maßregelungsverbot für den Arbeitsalltag große Bedeutung zukäme. 21 Daher sei eine ausdrückliche Normierung zur Verdeutlichung der Rechtslage und zur Gewinnung von Rechtsklarheit geboten. Intention der Bundesregierung war es somit nicht in erster Linie, eine neue inhaltliche Regelung zu erlassen, vielmehr sollte mit Hilfe der ausdrücklichen Regelung die bereits bestehende Rechtslage in diesem Bereich zur Vermeidung rechtlicher Zweifel eindeutig festgeschrieben werden. 2. Bedürfnis für die Regelung des § 612 a BGB? Gerade diese beabsichtigte Verdeutlichungsfunktion des § 612a BOB hat Kritik hervorgerufen. Vor dem Hintergrund des sich teilweise schon aus dem KSchG bzw. aus.§ 84 Abs. 3 BetrVG ergebenden Maßregelungsverbots 22 wurde vom Bundesrat und einigen Stimmen in der Literatur die Ansicht vertreten, das allgemeine Maßregelungsverbot des § 612a BOB sei überflüssig 23 und ohne eigenen Regelungsgehalt24. Die Bundesregierung ist dieser Ansicht mit der Begründung entgegengetreten, daß sich neben der Funktion, die bestehende Rechtslage zu verdeutlichen und Rechtsklarheit zu schaffen, ein weitergehender Regelungsgehalt des § 612a BOB 21 Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BTDrs.8/3317, S.16. 22 Auch§ 21 Abs. 6 S. 3 GefahrstoffVO stellt in bezugauf die Geltendmachung der zulässigen Gefahrstoffkonzentration durch den Arbeitnehmer ein Maßregelungsverbot dar. Ebenso wie § 4 Abs. 3 BeschäftigtenschutzG für Arbeitnehmer, die sich gegen eine sexuelle Belästigung gewehrt und in zulässiger Weise Rechte ausgeübt haben. Vgl. auch § 17 Abs. 2 S. 2 ArbSchG. Diese Benachteiligungsverbote sind allerdings zeitlich erst nach §612a BGB erlassen worden. Zum Regelungsgehalt und dem Verhältnis dieser Normen zu § 612 a BG B sowie zu weiteren besonderen Benachteiligungsverboten s. u. 2. Teil § 12. 23 So die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 8/3317, S.l4. 24 Thüsing, NZA 1994, 728 (732); KR!Pfeiffer, § 612a BGB Rn. 2; Preis, Anm. zu BAG v. 16.2.1989- 2 AZR 299/88, AP Nr. 20 zu §I KSchG 1969 Krankheit, BI. 145 h; Blinkert, JZ 1979,747 (750); wohl auch Kittner/Däubler, KSchR, §612a BGB Rn.5; a.A. Errnan!Hanau, § 612a BGB Rn.4; Kittner/Trittin, KSchR, 2.Aufl., § 612a BGB Rn.6.

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1. Teil: Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des gesetzl. Maßregelungsverbots

daraus ergebe, daß das KSchG und § 84 Abs. 3 BetrVG nicht auf alle Arbeitnehmer anwendbar seien. 25 Fraglich erscheint, ob sich der eigenständige, über die bereits geregelten Maßregelungsverbote hinausgehende Gehalt des § 612 a BGB wirklich nur darin erschöpft, daߧ 612a BGB im Unterschied zu§ 84 Abs. 3 BetrVG und den Regelungen des KSchG alle Arbeitnehmer schützt. Geht man von der Prämisse aus, daß § 612a BGB im übrigen nur Verdeutlichungsfunktion hat, erscheint die Frage der Erforderlichkeil dieser Norm berechtigt. Eine zwingende Notwendigkeit bestünde nur dann, wenn in dem von § 612 a BGB betroffenen Bereich bislang eine derartige Unsicherheit und mangelnde Rechtsklarheit bestand, daß die ausdrückliche Normierung dringend geboten wäre. Die Vorschrift des§ 612a BGB ist zwar im Zusammenhang mit streikbedingten Sonderzuwendungen zu einiger Popularität gelangt26, dennoch wurden Anwendungsbereich und Regelungsgehalt des § 612 a BGB noch nicht umfassend untersucht, sondern nur im Hinblick auf bestimmte mögliche Anwendungsfälle. 27 Die Frage der berechtigten Existenz des Maßregelungsverbots läßt sich jedoch erst abschließend beantworten, wenn der Regelungsgehalt des § 612 a BGB vollständig geklärt worden ist. 28 Auf die Beantwortung dieser Frage ist daher am Schluß der Arbeit zurückzukommen.

§ 2 Zielsetzung des § 612a BGB Gerade unter Berücksichtigung der Tatsache, daߧ 612a BGB aus dem Gleichbehandlungskontextherausgenommen und der Schutzbereich gegenüber den Vorgaben der EG-Richtlinien erweitert wurde, stellt sich die Frage, welche Zielsetzung mit der Regelung des § 612 a BGB verfolgt wird.

I. Inhaltliche Zielsetzung Über die inhaltliche Zielsetzung des § 612 a BGB herrscht weitgehend Einigkeit: Das Maßregelungsverbot des§ 612a BGB soll verhindern, daß Rechte des Arbeitnehmers nicht ausgeübt werden, weil der Arbeitnehmer bei ihrer Inanspruchnahme mit Benachteiligungen rechnen muß. Dem Arbeitnehmer soll eine Rechtsausübung ohne Furcht vor Sanktionen ermöglicht werden. 29 § 612a BGB, der zweifellos als BT-Drs. 8/3317, S.16. Vgl. die ÄußerungenKrauses in Anm. zu BAG v.26.10.1994-10 AZR482/94, AR-Biattei ES Anwesenheitsprämie 90 Nr. 5, S. 6. 27 Die weitreichendste Untersuchung findet sich bei Schweinberger, Prämien und Arbeitskampf, S. 30ff., allerdings nur bezogen auf streikbedingte Sonderzuwendungen und Kürzung von Anwesenheitsprämien. 28 Dazu vgl. Zusammenfassung und Schlußbetrachtung. 29 Schlachter, Wege zur Gleichberechtigung, S. 217; Helling, DZWir 1994, 133 (135). Wenig aussagekräftig sind die Gesetzgebungsmaterialien zur inhaltlichen Zielsetzung des 2s

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§ 2 Zielsetzung des§ 612a BGB

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Schutznorm zugunsten des Arbeitnehmers anzusehen ist, 30 schützt somit konkret die Willensfreiheit des Arbeitnehmers bei der Entscheidung darüber, ob er ein Recht ausüben will oder nicht. 31 Hintergrund der Vorschrift ist, daß der Arbeitgeber gegenüber dem persönlich abhängigen Arbeitnehmer in der Regel eine Machtstellung innehat, die durch seine wirtschaftlich stärkere Position und die Weisungsgebundenheil des Arbeitnehmers gekennzeichnet ist. 32 Die in den meisten Fällen nicht ausgewogene Beziehung spiegelt sich auch bei Vereinbarungen wider, bei denen typischerweise ein Verhandlungsübergewicht des Arbeitgebers besteht, durch das die grundsätzlich bestehende Privatautonomie des Arbeitnehmers faktisch eingeschränkt ist. 33 Diese Machtstellung darf der Arbeitgeber nicht mißbrauchen, um den Arbeitnehmer an der zulässigen Rechtsausübung zu hindern. Die Position des persönlich abhängigen Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber soll somit durch die ausdrückliche Festlegung eines Benachteiligungsverbots bei einer zulässigen Rechtsausübung gestärkt werden. 34 Diese Prägung des § 612 a BOB durch den Gedanken der Freiheitsgewährung indiziert eine weitreichende Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 612 a BOB, die vom Arbeitnehmer ausgehen. Im Interesse des Schutzes der Willensfreiheit in bezug auf die Rechtsausübung müssen die Tatbestandsmerkmale der zulässigen Rechtsausübung weit ausgelegt werden. Auch die Begriffe "Vereinbarungen" und "Maßnahmen" dürfen nicht eng verstanden werden, wenn ein umfassender Schutz der Rechtsausübungsfreiheit gewährleistet werden soll. Ein einschränkenderes Verständnis könnte sich dagegen bei der Frage des notwendigen Zusammenhangs zwischen Rechtsausübung und Benachteiligung ergeben, wenn man bei diesem vom Arbeitgeber ausgehenden Erfordernis nicht allgemein den Schutz der Willensfreiheit in bezug auf die Rechtsausübung in den Vordergrund stellt, sondern den Sinn des § 612aBGB vorrangig in der Bestrafung des böswilligen Arbeitgebers sähe, durch den die Willensausübungsfreiheit des Arbeitnehmers in bezug auf die Rechtsausübung gefährdet würde. 35 Aber auch nach letzterem Verständnis schützt § 612 a BOB im Ergebnis die Willensfreiheit des Arbeitnehmers in bezugauf die Rechtsausübung. § 612 aBGB. Festgestellt wird lediglich, daß das Maßregelungsverbot dazu dienen solle, "diese Anspruche" des Arbeitnehmers zu sichern. Vgl. dazu schon§ I III. I. 30 Pröbsting, Anm. zu BAG v.2.4.1987 -2 AZR 227/86, AP Nr.l zu §612a BGB, Bl.l024; Soergel/Raab, §612aBGB Rn.2. 31 BAG v. 16.2.1989 - 2 AZR 299/88, AP Nr. 20 zu § 1 KSchG Krankheit unter B. III. 3. b ), BI. 142h; BAG v. 16.2.1989-2 AZR 347/88, NJW 1990, 141 (143); Ascheid, Kündigungsschutzrecht Rn. 421; Laux, AiB 1993, 389 (389); MünchArbR/Hanau, § 69 Rn. 22; Kittner{Jrittin, KSchR, 2.Aufl., §612aBGB Rn.3; Soergel/Raab, §612a BGB Rn.2; Thüsing, NZA 1994, 728 (731). 32 Vgl. Pröbsting, Anm. zu BAG v. 2.4.1987-2 AZR 227/86, AP Nr. I zu§ 612a BGB, 81.1024. 33 Soergel/Raab, § 612a BGB Rn. 2; Preis, Grundfragen der Vertragsgesta1tung, S. 170. 34 Vgl. Pröbsting, Anm. zu BAG v. 2.4.1987-2 AZR 227/86, AP Nr. 1 zu § 612a BGB, 81.1024. 35 Vgl. dazu 2. Teil §8 II.4. b).

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I. Teil: Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des gesetzt. Maßregelungsverbots

Nach einer weitreichenderen Auslegung von Preis bezweckt § 612a BGB über den Schutz der Willensfreiheit hinaus "im Kern die Sicherung der Rechtsordnung"36. § 612a BGB sei Ausdruck des allgemeinen Rechtsprinzips, daß sich die Rechtsordnung nicht zu ihren eigenen Grundsätzen in Widerspruch setzen dürfe. 37 Die Ausübung und damit notwendig auch die Inanspruchnahme zustehender Rechte sei in der Regel zulässig und dürfe daher nicht zu Benachteiligungen führen. Es verstieße gegen das Gebot der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, wenn die Rechtsordnung dem Arbeitnehmer zwar Rechte einräume, es aber gleichzeitig zulassen würde, daß an die Wahrnehmung der RechteNachteile durch den Arbeitgeber geknüpft werden. 38 Zutreffend daran ist, daß eine derartige Widersprüchlichkeit die Rechtsordnung in Teilbereichen gefährden würde. Die Rechte der Arbeitnehmer als Bestandteil der objektiven Rechtsordnung würden zumindest ansatzweise in Frage gestellt, wenn sie dem Arbeitnehmer zwar grundsätzlich zustünden, er bei ihrer Inanspruchnahme bzw. Ausübung aber mit der Nachteilszufügung durch den Arbeitgeber rechnen müßte, ohne daß dieses Verhalten des Arbeitgebers sanktioniert werden würde. Festzustellen ist daher, daß die Rechtsordnung als Gesamtheit der Rechtsvorschriften auch dadurch in Teilbereichen geschützt wird, daß der einzelne nicht in seiner Rechtsausübungsfreiheit gehindert wird. Dogmatisch betrachtet erfolgt dieser Schutz dadurch, daß § 612 a BGB als Bindeglied zwischen der den Arbeitnehmer berechtigenden Norm und § 134 BGB fungiert. 39 Das Recht des Arbeitnehmers wird, wenn es in einer gesetzlichen Norm begründet ist, durch die Voraussetzungen der gesetzlichen Norm bestimmt. Die berechtigende Norm beschränkt sich dabei aber zumeist auf die Bestimmung dieser tatbestandliehen Voraussetzungen und enthält in der Regel kein Verbot rechtsgeschäftlicher oder tatsächlicher Handlungen, die ein Dritter- insbesondere der Arbeitgeber - als Reaktion auf die Ausübung des bestimmten Rechts vornimmt und die den Arbeitnehmer benachteiligen. Die berechtigenden Normen sind daher zumeist keine Verbotsgesetze i. S. des § 134 BGB. § 612 a BGB wirkt in diesen Fällen als Bindeglied, indem es die Benachteiligung wegen der Rechtsausübung sanktioniert und daran als Rechtsfolge die Unwirksamkeit gern.§ 134 BGB knüpft. 40 Durch das festgelegte Verbot der Benachteiligung aufgrund einer zulässigen Rechtsausübung wird also auch die Rechtsordnung geschützt. In Frage steht aber, ob§ 612a BGB wirklich im Kern die Rechtsordnung schützt, dies also die hauptsächliche Intention ist. Die Ansicht von Preis zur Zielsetzung des § 612a BGB ist meiner Ansicht nach zwar in ihrer inhaltlichen Komponente zutreffend, jedoch nicht 36 Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung, S. 173; ders. Anm. zu BAG v. 16.2.1989-2 AZR 299/88, AP Nr. 20 zu§ 1 KSchG Krankheit, Bl.145h, 146. 37 Preis, Arun. zu BAG v.16.2.1989- 2 AZR 299/88, AP Nr. 20 zu§ 1 KSchG Krankheit, Bl.145h; so auch Soergel/Raab, §612a BGB Rn. 2. 38 Soergel/Raab, § 612a BGB Rn. 2. 39 So auch Soergel/Raab, § 612 a BGB Rn. 2. 40 Soergel/Raab, § 612a BGB Rn. 3.

§ 2 Zielsetzung des§ 612a BGB

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in der Gewichtung der von § 612 a BGB verfolgten Zwecke. Meines Erachtens ist der Schutz der Rechtsordnung die Folge des primär verfolgten Zwecks des § 612 a BGB, nicht aber Kern der Norm. Kernstück des § 612 a BGB ist der Schutz der Willensfreiheit des Arbeitnehmers in bezug auf die Ausübung von Rechten. Dies zeigt sich daran, daß unmittelbar auf die Rechtsausübung durch den Arbeitnehmer abgestellt wird. Durch diesen primär verfolgten Zweck wird jedoch zugleich als zwingende Folge ein Schutz der Rechtsordnung erzielt. 41

II. Rechtliche Einordnung des§ 612a BGB In der amtlichen Begründung wird § 612 a BGB als "Maßregelungsverbot" charakterisiert, 42 wobei unter maßregeln "zurechtweisen, tadeln, durch bestimmte Handlungen strafen" 43 zu verstehen ist. Diese sprachliche Umschreibung, die auch im folgenden beibehalten werden soll, ersetzt jedoch nicht die rechtliche Einordnung.

1. Rechtliche Einordnung in den Zusammenhang von Diskriminierungs- und Benachteiligungsverboten Zunächst stellt sich die Frage, wie § 612 a BGB in den Zusammenhang von Diskriminierungs- und Benachteiligungsverboten einzuordnen ist. Die Äußerungen zu dieser Problematik sind unterschiedlich. § 612 a BGB wird einerseits als "allgemeines Diskriminierungsverbot" 44 , als "umfassendes" 45 bzw. "allgemeines Benachteiligungsverbot"46 oder andererseits als "besonderes Benachteiligungsverbot"47 angesehen. Zwischen den Begriffen des Diskriminierungsverbots einerseits und des Benachteiligungsverbots andererseits zeigen sich keine inhaltlichen Unterschiede: Diskriminierungs- oder Benachteiligungsverbote beinhalten das Verbot, eine bestimmte Person wegen eines in der Norm genannten Grundes zu be41 Soergel/Raab, § 612 a BGB Rn. 2, geht von einer Gleichrangigkeil der Zielsetzungen aus. Demnach trage § 612 a BGB der besonderen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers Rechnung, sei andererseits aber auch eine Ausprägung des Gebotes der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. 42 BT-Drs. 813317, S.IO. 43 Vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 6. Aufl. 1997. 44 Soergel/Raab, §612a BGB Rn.!; BAG v.16.2.1989-2 AZR 299/88, AP Nr20 zu§ I KSchG Krankheit, BI. 142h; BAG v. 16.2.1989-2 AZR 347/88, NJW 1990, 141 (143); LAG Hamm v. 30.4.1993-10 Sa 21/93, LAGE Nr. 2 zu §611 Anwesenheitsprämie, S. 7. 4s Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung, S. 170; ders., Anm. zu BAG v. 16.2.19892AZR 299/88, AP Nr. 20 zu§ 1 KSchG Krankheit, BI. 145 h, 146. 46 Erman/Hanau, § 612a BGB Rn. I; Soergel/Kraft, 12. Auflage, Nachträge,§ 612a BGB, Rn.3. 47 Vgl. die Begründung der Bundesregierung, BT-Drs. 8/3317, S. 10; Laux, AiB 1993, 389 (389).

3 Willu:n

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1. Teil: Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des gesetzl. Maßregelungsverbots

nachteiligen. Dabei gibt es zum einen Diskriminierungs- bzw. Benachteiligungsverbote, die an einen Grund anknüpfen, der in der Person des zu Schützenden liegt. So verbietet beispielsweise § 611 a Abs. 1 S. 1 BGB eine Benachteiligung wegen des Geschlechts. 48 Andere Diskriminierungs- bzw. Benachteiligungsverbote knüpfen an eine bestimmte Verhaltensweise der zu schützenden Person an. So verbietet beispielsweise § 78 S. 2 BetrVG die Benachteiligung eines Arbeitnehmers wegen der Tätigkeit als Mitglied des Betriebsrates. 49 § 612a BGB ist der letzteren Gruppe zuzuordnen, da in dieser Norm die Benachteiligung eines Arbeitnehmers wegen eines bestimmten Verhaltens, nämlich der Rechtsausübung, verboten wird. Die Bezeichnung des § 612 a BGB als allgemeines Diskriminierungs- bzw. Benachteiligungsverbot ließe sich rechtfertigen, wenn man§ 612a BGB nur mit den Benachteiligungsverboten vergleicht, die auch an eine Rechtsausübung anknüpfen. 50 "Allgemein" ist § 612 a BGB insoweit, als die Rechte, deren Ausübung nicht zu einer Benachteiligung führen darf, nicht auf eine bestimmte Art von Rechten beschränkt sind und § 612 a BGB personell zumindest auf alle Arbeitnehmer anwendbar ist. Wobei hier die Frage der Anwendbarkeit des§ 612a BGB auf andere Personengruppen, beispielsweise arbeitnehmerähnliche Personen, noch außer Betracht bleiben kann. 51 Die Bezeichnung als besonderes Benachteiligungsverbot ist für § 612 a BGB und andere Benachteiligungsverbote, die an eine Rechtsausübung anknüpfen, allerdings gerechtfertigt, um die Abgrenzung zu anderen Benachteiligungsverboten zu schaffen, die nicht auf den Schutz der Rechtsausübungsfreiheit gerichtet sind, wie beispielsweise§ 2 Abs. 1 BeschFG.52 Da§ 612a BGB im Hinblick auf die erfaßten Rechte den umfassendsten Regelungsgehalt hat, muß man das gesetzliche Maßregelungsverbot des§ 612a BGB als weitestes der besonderen Benachteiligungsverbote bezeichnen. 2. Verhältnis des §612a BGB zu den Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB Neben der rechtlichen Einordnung in den Zusammenhang von Diskriminierungsund Benachteiligungsverboten, ist eine Abgrenzung des § 612 a BGB von den zivilrechtlichen Generalklauseln der § 138 BGB und § 242 BGB geboten. 48 Weitere Beispiele für personenbezogene Benachteiligungsverbote sind § 4 Abs. 1 und Abs. 2 TzBfG sowie § 75 Abs. I BetrVG (mit Ausnahme des Aspekts der gewerkschaftlichen Betätigung und der Religionsausübung). 49 Weitere verhaltensbezogene Benachteiligungsverbote: § 78 S. 2 BetrVG; § 8 BPersVG; § 26 MitbestG; § 84 Abs. 3 BetrVG; § 4 Abs. 3 BeschäftigtenschutzG; § 21 Abs. 6 S . 2 GefahrstoffVO; vgl. dazu 2. Teil § 12. 50 § 84 Abs. 3 BetrVG; § 4 Abs. 3 BeschäftigtenschutzG; § 21 Abs. 6 S. 2 GefahrstoffVO; dazu ausführlich 2. Teil§ 12. 51 Dazu unten 2. Teil § 1. 52 So auch Schweinberger, Prämien und Arbeitskampf, S . 30.

§ 2 Zielsetzung des§ 612a BGB

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§ 612a BOB wird teilweise in der Literatur als besondere Ausformung der Rechtsmißbräuchlichkeit i. S. des § 242 BOB angesehen. 53 Die Charakteristik des § 242 BOB als offene Norm, die nicht wie andere Rechtsnormen dazu dienen kann, unter ihrem Tatbestand einen Sachverhalt zu subsumieren und aus ihrer Rechtsfolgenaussage ein konkretes Ergebnis zu entnehmen, 54 erschwert eine Aussage über den Rechtsinhalt des § 242 BGB. Die überwiegende Ansicht in der Literatur behilft sich bei der Konkretisierung des Rechtsinhalts des § 242 BGB damit, Fallgruppen darzustellen, die sich im Wege der Rechtsfortbildung im Hinblick auf § 242 BOB durchgesetzt haben. 55 Anerkannt als eine Fallgruppe ist dabei das sich aus § 242 BOB ergebende Verbot des rechtsmißbräuchlichen Verhaltens 56 , wobei Inhalt und Umfang dieser Fallgruppe wiederum umstritten sind. Als rechtsmißbräuchlich wird es dabei angesehen, wenn die Rechtsausübung als solche zu mißbilligen ist, weil ihr einziger möglicher Effekt mangels schutzwürdigen Interesses des Ausübenden die Benachteiligung des Betroffenen ist. 57 Anerkannt ist dabei, daß dieser Tatbestand in die Nähe des § 226 BOB rückt. 58 Insoweit zeigt sich auch die tatbestandliehe Nähe zu § 612a BGB, der Benachteiligungen verbietet, die der Arbeitgeber veranlaßt, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Bei einem Verstoß gegen § 612a BOB wird man daher stets ein rechtsmißbräuchliches Verhalten im eben beschriebenen Sinne annehmen können, nicht aber bei jedem rechtsmißbräuchlichen Verhalten einen Verstoß gegen § 612a BGB, denn der Zweck des§ 612a BGB ist insofern spezieller als er ausschließlich auf den Schutz der Rechtsausübungsfreiheit des Arbeitnehmers abzielt und nicht auf den Schutz vor jeglichem Rechtsmißbrauch. Dieses Spezialitätsverhältnis zwischen § 612 a BGB und dem Verbot des rechtsmißbräuchlichen Verhaltens, hilft bei der Auslegung des gesetzlichen Maßregelungsverbots nur bedingt weiter. Denn gerade die entscheidende Frage der Erforderlichkeit einer subjektiven Komponente 59 wird auch innerhalb dieser Fallgruppe des rechtsmißbräuchlichen Verhaltens nicht einheitlich beantwortet. Während teilweise auf der Seite des Ausübenden eine entsprechende "Absicht oder Gesinnung" als subjektive Komponente gefordert wird, 60 53 Marhold/Beckers, Anm. zu BAG v. 28.7.1992-l AZR 87/92, EzA Nr. 106 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, S. 14 f. In diese Richtung wohl auch Schwarze, NZA 1993, 967 (968). 54 Vgl. MüKo/Roth, § 242 BGB Rn. I; Soergel{feichmann, § 242 BGB Rn. 5; Staudinger/ Schmidt, § 242 BGB Rn. 126. 55 MüKo/Roth, § 242 BGB Rn. I; in der Vorgehensweise auch Soergel{feichmann, § 242 BGB Rn. II ff.; krit. Staudinger/Schmidt, § 242 BGB Rn. 196. 56 Die h. M. sieht dabei die Lehre vom Rechtsmißbrauch als besondere Ausprägung des treuwidrigen Verhaltens an: Soergel{feichmann, § 242 BGB Rn. II; Palandt/Heinrichs, § 242 BGB Rn. 38; krit.: Staudinger/Schmidt, § 242 BGB Rn. 733. 57 MüKo/Roth, § 242 BGB Rn. 280; Sorgei/Teichmann, § 242 BGB Rn. 302, spricht insoweit von der Zweckwidrigkeit der Geltendmachung eines Rechts; Staudinger/Schmidt, § 242 BGB Rn. 798, beschreibt diese Fallgruppe mit der Sachfremdheit des Zwecks. 58 MüKo/Roth, § 242 BGB Rn. 280; Soergei/Teichmann, § 242 BGB Rn. 291. 59 V gl. im Hinblick auf § 242 BGB insoweit im 2. Teil § 8. 60 MüKo/Roth, § 242 BGB Rn. 280.

3•

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I. Teil: Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des gesetzt. Maßregelungsverbots

meinen andere auf eine "Schädigungsabsicht" verzichten zu können. 61 Zum Teil wird die Sachfremdheit des Zwecks dann angenommen, wenn die Handlung des Rechtsausübenden aus der Sicht des verständigen Beobachters in diesem Sinne gedeutet werden muß. 62 Auch letzteres Vorgehen spricht m. E. für die Voraussetzung einer subjektiven Komponente, deren Vorliegen allerdings mit Hilfe objektiver Tatsachen festgestellt werden soll. Im Ergebnis kann man daher feststellen, daß die überwiegende Meinung für diese Fallgruppe des rechtsmißbräuchlichen Verhaltens ein subjektives Element als erforderlich erachtet. Vielfach wird § 612 a BGB als Sonderfall des § 138 BGB eingeordnet. 63 Nach dieser Ansicht verstößt es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer benachteiligt, weil er in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Sicherlich könnte man das Vorliegen von Sittenwidrigkeil in einem solchen Fall dagegen auch ablehnen, wenn man besonders hohe Anforderungen an einen Sittenverstoß stellt, insbesondere wenn man den Unrechtsgehalt von § 138 BGB höher als den des § 242 BGB einstuft. 64 Angesichts des unbestimmten Rechtsbegriffs der Sittenwidrigkeit verbleibt hier stets ein Wertungsspielraum. Kern der Generalklausel des § 138 BGB im Hinblick auf das hier allein relevante sittenwidrige Verhalten gegenüber dem Geschäftspartner ist es, den Schwächeren gegen eine wirtschaftliche und intellektuelle Übermacht zu schützen. 65 Ausgehend von diesem Gesichtspunkt ist es überzeugend, die Benachteiligung wegen einer Rechtsausübung als sittenwidrig anzusehen, denn die Möglichkeit und Gefahr einer solchen Benachteiligung entspringt nicht zuletzt dem in der Regel bestehenden Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber, das in sozialer, meist auch in wirtschaftlicher Beziehung besteht. Diese Sichtweise macht aber auch die verschiedenen Schutzrichtungen deutlich. Während § 138 BGB im Kern den Schwächeren gegen eine Übermacht schützen will, beschränkt sich § 612 a BGB auf den Schutz der Rechtsausübungsfreiheit, der wegen der abhängigen Position des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber erforderlich ist. Ebenso wie bei § 612a BGB ist die Frage, ob für das Eingreifen des§ 138 BGB eine subjektive Komponente Voraussetzung ist, nicht unumstritten. Die wohl h. M. fordert neben einem objektiven Sittenverstoß die Verwirklichung eines subjektiven Tatbestandes, wobei die Anforderungen an diese subjektive Komponente unterSoergel!Teichmann, §242 BGB Rn. 291. Staudinger/Schmidt, § 242 BGB Rn. 798. 63 BAG v. 2.4.1987- 2 AZR 227/86, AP Nr. I zu § 612a BGB unter II.l.d); BAG v.21.7.1988 - 2 AZR 527/87, AP Nr.l zu§ I TVG Rückwirkung unterll.2. b)aa); LAG Hamm v.18.12.1987- 17 Sa 1225/87, LAGE Nr. I zu §612a BGB, S. 2; Hueck/v.Hoyningen-Huene, KSchG, § 13 Rn. 65, Preis, Grundlagen der Vertragsgestaltung, S. 171; KR!Friedrich, § 13 KSchG Rn. l41 a; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz, Rn.182; Thüsing, NZA 1994, 728 (732). 64 Vgl. hierzu Staudinger/Sack, § 138 BGB Rn. 154m. w. N. 65 Palandt/Heinrichs, § 138 BGB Rn. 24. 61

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§ 2 Zielsetzung des§ 612a BGB

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schiedlich hoch gesteckt werden. 66 Eineneuere Tendenz läßt zwar mit dem Hinweis, daß Bedenkliches durch das Fehlen subjektiver Faktoren nicht unbedenklich werde, den objektiven Sittenverstoß für § 138 BGB genügen. 67 Dies aber nur dann, wenn ein Rechtsgeschäft schon nach seinem objektiven Inhalt gegen die guten Sitten verstößt und sich dies nicht erst aus den Umständen eines an sich neutralen Rechtsgeschäfts ergibt. 6 x Die Sittenwidrigkeit kann sich aber in den Fällen des § 612 a BGB, also bei Maßnahmen und Vereinbarungen des Arbeitgebers, erst aus den Umständen ergeben, 69 so daß dies für das Erfordernis einer subjektiven Komponente spricht. Somit kann man § 612 a BGB als Sonderfall des § 138 BGB ansehen. Im Ergebnis kann man § 612 a BGB sowohl als Fall eines rechtsmißbräuchlichen Verhaltens gern. § 242 BGB als auch als Sonderfall einer Sittenwidrigkeit gern. § 138 BGB einordnen. Wie im 2. Teil der Arbeit gezeigt wird, sind die Tatbestandsmerkmale des gesetzlichen Maßregelungsverbots gerade im Hinblick auf die Frage des Erfordernisses einer subjektiven Komponente klärungsbedürftig. Bei der Auslegung dieser Tatbestandsmerkmale können die Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB nur begrenzt Hilfe leisten, da der Rechtsinhalt der Generalklauseln selbst umstritten ist.

V gl. die Hinweise bei Staudinger/Sack, § 138 Rn. 61. MüKo/Mayer-Maly, § 138 BGB Rn. 112; SoergeUHefermehl, § 138 BGB Rn. 31; Staudinger/Sack, § 138 BGB Rn.63. 68 SoergeUHefermehl, § 138 BGB Rn. 31, 32; MüKo/Mayer-Maly, § 138 BGB Rn.112. 69 Näher dazu 2. Teil § 8 II. 4. a). 66 67

Zweiter Teil

Inhaltlicher Regelungsgehalt des§ 612a BGB Nachdem die Entstehungsgeschichte und die inhaltliche Zielsetzung des gesetzlichen Maßregelungsverbots deutlich gemacht worden sind, wird nun im folgenden 2. Teil der inhaltliche Regelungsgehalt des§ 612a BGB erläutert. Konkret bedeutet dies, daß Inhalt und Reichweite der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 612a BGB geklärt werden. Von entscheidender Bedeutung für den Regelungsgehalt der Norm sinddabei die Rechte des Arbeitnehmers i.S. des §612a BGB -dazu§ 3 -und der notwendige Zusammenhang zwischen Rechtsausübung und Benachteiligung- dazu§ 8. Der Aufbau im 2. Teil orientiert sich aber nicht an dem Maß der Bedeutung der einzelnen Tatbestandsmerkmale für den Regelungsgehalt, sondern am logischen Zusammenhang der einzelnen Merkmale.

§ 3 Rechte des Arbeitnehmers i. S. des § 612 a BGB Gemäß § 612 a BGB darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Das Tatbestandsmerkmal der Rechte des Arbeitnehmers bildet ein Kernstück des§ 612a BGB. Nur wenn die Benachteiligung wegen der Ausübung eines Rechts erfolgt, das von§ 612 a BGB erfaßt wird, wird die Benachteiligung durch den Arbeitnehmer sanktioniert. Obwohl den Rechten innerhalb des § 612a BGB somit entscheidende Bedeutung zukommt, haben sich Rechtsprechung und Literatur zu § 612 a BGB bislang nicht mit dem grundsätzlichen Rechtsbegriff des§ 612a BGB auseinandergesetzt Festgestellt wird lediglich, daß § 612a BGB auf die "zulässige Ausübung von Rechten" 1 bzw. auf die Ausübung "zustehender Rechte" 2 beschränkt ist, ohne den Begriff der Rechte zu erläutern. 3 Nach einer Ansicht soll § 612 a BGB den Arbeitnehmer schützen, der aufgrund der berechtigten Geltendmachung von "Ansprüchen und RechMüKo/Schaub, § 612a BGB Rn. 6. Erman/Hanau, § 612a BGB Rn. I. 3 Auch Kittner/Trittin, KSchR, 2. Aufl., § 612a BGB; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung, S. 170ff; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz, Rn. 180f; Thüsing, NZA 1994,728 (730) setzen sich nicht allgemein mit dem Rechtsbegriff des§ 612a BGB auseinander; etwas differenzierender: Kittner/Däubler; KSchR, § 612a BGB Rn. 11. 1

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§ 3 Rechte des Arbeitnehmers i. S. des§ 612a BGB

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ten" benachteiligt wird. 4 Hierbei wird verkannt, daß Ansprüche und Rechte systematisch nicht auf einer Stufe stehen; Ansprüche sind nur ein Beispiel für die Rechte, die insoweit einen Oberbegriff darstellen. Die Rechtsausübung wird in der Literatur nur im Hinblick auf konkrete Fallgestaltungen behandelt, bei denen die Anwendbarkeit des § 612a BGB diskutiert wird. 5 Vereinzelt wird erörtert, ob auch Grundrechte zu den Rechten i. S. des § 612 a BGB gehören sollen, ohne vorab zu klären, was grundsätzlich unter "Rechten" i. S. des § 612 a BGB zu verstehen ist. 6

Schleicher hingegen definiert zwar nicht den Rechts begriff, geht aber davon aus, daߧ 612a BGB Arbeitnehmer absichern soll, die sich gegen die Nichteinhaltung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen, gegen Geschlechtsdiskriminierungen oder gegen sonstiges nicht gesetzliches Verhalten des Arbeitgebers zur Wehr setzen bzw. die Einhaltung von einzel- oder gesamtvertraglichen Vereinbarungen verlangen. 7 Dies beinhaltet zwar schon einen allgemein gefaßteren Umschreibungsversuch der "Rechte", es fehlt jedoch an einer nachvollziehbaren Systematisierung und einer erschöpfenden inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Rechtsbegriff. Zur Feststellung des vollständigen Regelungsgehalts des§ 612a BGB bedarf es daher einer umfassenden Untersuchung des Rechtsbegriffs.

I. Systematische Differenzierung des Rechtsbegriffs Der Begriff der Rechte i. S. des§ 612a BGB läßt sich nur klären, wenn man vorab festgestellt hat, was grundsätzlich in der Zivilrechtsordnung unter "Rechten" verstanden wird - hierzu im folgenden in § 3 I. Erst wenn diese Vorfrage geklärt ist, kann die Frage beantwortet werden, welche Rechte des Arbeitnehmers von§ 612a BGB erfaßt werden - vgl. hierzu § 3 II-IV.

1. Subjektive Rechte Zu den Rechten innerhalb der Zivilrechtsordnung gehören zunächst die subjektiven Rechte. Das subjektive Recht des einzelnen steht dem objektiven Recht als Summe der Rechtsvorschriften gegenüber.8 Diese Gegenüberstellung führt jedoch nicht zu einer Begriffspolarität Unabhängig von der umstrittenen Definition des 4

S.3.

LAG Hamm v.15.1.1985 -7(5) Sa 1430/84, LAGE Nr.5 zu §20 BetrVG 1972 unter l.b),

5 Vgl. Kittner(Trittin, KSchR, 2. Aufl., § 612a BGB Rn. 16ff; vgl. auch die Aufzählung bei Kittner/Däubler, KSchR, §612a BGB Rn. 13ff. 6 Erman/Hanau, § 612 a BGB Rn.4; Preis, Grundfragen der Vertragsgesta!tung, S.173; Thüsing, NZA 1994,728 (730). 7 Schleicher, AR-Blattei, Gleichbehandlung im Arbeitsverhältnis li, D VIII. 1. 8 Enneccerus!Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 72 I, S. 428.

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2. Teil: Inhaltlicher Regelungsgehalt des§ 612a BGB

subjektiven Rechts kann kein Zweifel daran bestehen, daß zwischen subjektivem und objektivem Recht keine Gleichrangigkeil besteht, denn das subjektive Recht setzt die Legitimation durch das objektive Recht voraus. 9 Die Gegenüberstellung rechtfertigt sich allein dadurch, daß bei den subjektiven Rechten im Gegensatz zum objektiven Recht der Bezug zum einzelnen besteht.

a) Definition des subjektiven Rechts Über die Definition des subjektiven Rechts in der Zivilrechtsordnung herrscht Uneinigkeit, obwohl unbestritten ist, daß der Begriff des subjektiven Rechts zu den Grundbegriffen des Privatrechts gehört. 10 Ausgehend von dem Ansatz Windscheids wird das subjektive Recht als von der Rechtsordnung verliehene "Willensmacht" oder "Rechtsmacht" verstanden, durch die sich der Befehl der Rechtsordnung in Befehle der einzelnen Rechtssubjekte verwandelt.'' Ein Recht im technisch-juristischen Sinne soll dann vorliegen, wenn sich diese von der Rechtsordnung anerkannte Macht als ein festes, der Person zugeeignetes Machtverhältnis darstellt. 12 Dabei reicht das bloße Bestehen von Normen bzw. Rechtsgeboten zugunsten einer Person nicht aus, wenn diese der Person nicht die Befugnis verschaffen, ihren Willen zu betätigen bzw. durchzusetzen und von anderen Personen die Vornahme gebotener Handlungen zu verlangen. 13 Die Rechtsmacht bzw. das Machtverhältnis knüpft dabei nicht an wirtschaftliche Macht, sondern an einen normativen Sachverhalt an, einer dem Berechtigten von der Rechtsordnung erteilten Ermächtigung, die sich als Handeln-Dürfen oder rechtliches Können darstellt. 14 Wesentliches Merkmal des subjektiven Rechts ist nach diesem Verständnis die Willensmacht oder Willensherrschaft des einzelnen. 15 Larenz lehnt den von Windscheid geprägten Ansatz mit der Begründung ab, daß die Ausdrücke "Willensmacht" und "Rechtsmacht" für die Definition eines subjektiven Rechts nicht tauglich seien. 16 Diese Ungeeignetheit liege daran, daß es sich hierbei um mehrdeutige Begriffe handele, deren Sinn je nach Art des betroffenen subjektiven Rechts differiere. Am treffendsten sei die Bezeichnung "Rechtsmacht" bei den Herrschaftsrechten, die dem Berechtigten regelmäßig eine begrenzte Herrschaft über einen bestimmten Gegenstand zugestehen. Eine andere Bedeutung komme der "Rechtsmacht" aber bei den Gestaltungsrechten zu, die dem BerechtigSo auch Kasper, Das subjektive Recht, 5.47. Larenz, Allgemeiner Teil,§ 13 I, 5. 210; L. Raiser, JZ 1961,465 (465). 11 Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, 9. Aufl. 1906, § 37 Anm. 3. 12 Enneccerus!Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 72 I, S. 430. tJ Enneccerus!Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 72 I, S. 430, 431 . 14 Larenz, Allgemeiner Teil§ 13 I, S. 210. 1s L. Raiser, JZ 1961,465 (465). 16 Larenz, Allgemeiner Teil,§ 13 I, S. 212. Auch Kasper, Das subjektive Recht, 5. 177, hält diese Begriffe in der Grundlegung wie der Einzeldurchführung für unzureichend. 9

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ten die Befugnis zu einseitiger Gestaltung von Privatrechtsverhältnissen einräumen. Bei Forderungsrechten könne der Berechtigte eine bestimmte Leistung von seinem Schuldner berechtigterweise verlangen, weil und soweit ihm die Leistung des Schuldners rechtens gebühre. Die "Rechtsmacht" beschränke sich hier daher nicht auf die Möglichkeit, die Leistung zu fordern bzw. einzuklagen. Unpassend ist nach Ansicht von Larenz der Begriff der "Rechtsmacht" für die Persönlichkeitsrechte, die dem Berechtigten eine unantastbare Eigensphäre sichern. Hier werde dem Berechtigen nur das gesichert, was ihm als Person zukomme, ohne daß ihm eine weitere "Macht" über seine Person eingeräumt werde. Zuzustimmen ist Larenz insoweit, daß der Begriff der "Rechtsmacht" angesichts der Vielzahl der zu fassenden unterschiedlichen Arten der subjektiven Rechte facettenreich ist und nicht in einem völlig einheitlichen Sinne verstanden werden kann. Die Zweifel an der Geeignetheil der "Rechtsmacht" als Definition bzw. Definitionsmerkmal sind daher nachvollziehbar. Entgegen dem Ansatz von Windscheid stellte Jhering die Frage nach dem Zweck der Verleihung der Rechtsmacht, der nach seiner Ansicht dem Einzelwillen erst Inhalt und Richtung geben kann. Subjektives Recht ist nach Jhering daher ein "rechtlich geschütztes Interesse". 17 Diese Sichtweise macht deutlich, daß das subjektive Recht auch dazu dient, Interessen des Berechtigten zu befriedigen. Larenz hat jedoch mit Recht darauf hingewiesen, daß die Interessen einzelner nicht nur durch die Einräumung von subjektiven Rechten geschützt werden können. 18 Ein Schutz der Interessen kann zum Beispiel auch dadurch erreicht werden, daß der Gesetzgeber Straf- und Ordnungsvorschriften erläßt, die denjenigen mit Sanktionen belegen, der diese Interessen beeinträchtigt. Aus diesem Grund ist es fraglich, ob mit der Definition des "rechtlich geschützten Interesses" wirklich nur subjektive Rechte erfaßt werden. Da Interessen des einzelnen- wie dargelegt -nicht nur durch die Einräumung von subjektiven Rechten geschützt werden können, mangelt es dieser Definition an der nötigen Abgrenzungsschärfe. Die Definition ist insofern zu weit. Nach Enneccerus/Nipperdey ist der Ansatz von Jhering zugleich zu eng, weil die Rechtsausübung häufig ohne oder sogar gegen ein Interesse des Berechtigten gestattet sei. 19 Enneccerus/Nipperdey bemängeln, daß Jhering Inhalt und Zweck des subjektiven Rechts verwechselt habe; der Inhalt sei durchaus Willensmacht, er diene nur den Zwecken nach der Befriedigung menschlicher Interessen. 20 Enneccerus/Nipperdey kombinierten im Anschluß an diese Kritik die Theorien von Windscheid und Jhering: Ein subjektives Recht ist danach begrifflich eine Rechtsmacht, die dem einzelnen durch die Rechtsordnung verliehen ist, seinem Zweck nach ein Mittel zur Befriedigung menschlicher Interessen.2' Da aber bereits Jhering, Geist des röm. Rechts, III 1, 1. Auflage 1865, §§ 60, 61. Larenz, Allgemeiner Teil,§ 13 I, S. 212. 19 Enneccerus!Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 72, S. 429 Fn. 3. 20 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 72, S. 429 Fn. 3. 2t Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 72, S. 428, 429. 17

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2. Teil: Inhaltlicher Regelungsgehalt des§ 612a BGB

die einzelnen Bestandteile dieser Definition kritisiert worden waren, hat auch diese zusammengesetzte Definition Kritik gefunden. 22 All diesen Definitionen ist ein sehr hoher Abstraktionsgrad zu eigen. Dieser ist notwendig, wenn man eine Definition anstrebt, die geeignet ist, alle Arten der subjektiven Rechte- welche durch grundsätzlicheUnterschiede geprägt sind- gleichermaßen zu erfassen. Folge ist dann aber gleichzeitig, daß die Abgrenzungsschärfe zu anderen, nicht-subjektiven Rechten abnimmt, wie dies bei der kritischen Auseinandersetzung mit dem Ansatz von Jhering deutlich wurde. Mit dieser Abstraktion geht daher die Gefahr fehlender Aussagekraft einher. 23 Um dies zu vermeiden, haben einige Autoren versucht, einen rein formalen Begriff des subjektiven Rechts herauszuarbeiten, der sich ausschließlich mit der normlogischen Struktur des subjektiven Rechts befaßt, ohne auf dessen Inhalt abzustellen. 24 Auch diese Ansichten stießen jedoch auf Kritik.25 Larenz geht dagegen davon aus, daß sich der Begriff des subjektiven Rechts nicht mittels einer Definition erfassen lasse, wenn man bei der Frage, ob ein subjektives Recht vorliegt, nicht nur auf die normlogische Struktur, sondern auch auf den rechtsethischen oder teleologischen Sinn abstellen wolle. Das subjektive Recht ist nach seiner Ansicht ein "Rahmenbegriff', der der Ausfüllung im Hinblick auf die verschiedenen Arten oder Typen der subjektiven Rechte bedürfe. 26 Wenn jemandem "etwas", das in hinreichender Weise rechtlich bestimmt sei, rechtens gebühre oder zukomme, liege nach diesem ausfüllungsbedürftigen Rahmenbegriff ein subjektives Recht vor. 27 Der Streit um die Definition des subjektiven Rechts kann hier nur angedeutet werden. Das Herausarbeiten eines eigenen Lösungsvorschlags würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und entbehrt auch der Erforderlichkeit, da diesem Streit in der praktischen Auswirkung keine große Bedeutung zukommt. 28 Denn obwohl die Definition des subjektiven Rechts weiterhin umstritten ist, besteht Einigkeit darüber, welche Rechte grundsätzlich zu den subjektiven Rechten zählen. 29 22 Vgl. nur Schapp, Das subjektive Recht, S. 86ff., der bemängelt, daß die beiden Theorien sich wegen der entscheidend anderen Akzentuierung gar nicht kombinieren ließen. 23 Larenz, Allgemeiner Teil, § 13 I, S. 210. 24 Vgl. Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, insb. S. 55, 56; Aicher, Das Eigentum als subjektives Recht. 25 V gl. Schapp, Das subjektive Recht, S. 90ff (109), der bemängelt, daß bei Bucher das Verhältnis von Rechtsinhalt- und Rechtsformbegriff, von Anspruch als Mittel und Zuordnung von Sachherrschaft als Zweck, von Norm als Gebot und Gewährung wegen der hohen Abstraktion des Normbegriffs letztlich ungeklärt bleibe. Grundlegende Kritik äußert auch Larenz, Allgemeiner Teil, § 13 I, S. 210, der die Funktionen des subjektiven Rechts im Sinnganzen der Privatrechtsordnung ergründen will, was mit dem formalen Begriff nicht durchführbar sei. 26 Larenz, Allgemeiner Teil, § 13 I, S. 210. 27 Larenz, Allgemeiner Teil,§ 13 I, S. 213. 28 Medicus, Allgemeiner Teil, § 10 Rn. 70. 29 L. Raiser, JZ 1961,465 (466).

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b) Einteilung der subjektiven Rechte Der Kreis der subjektiven Rechte wird in der Literatur nach unterschiedlichen Kriterien gruppiert. 30 Ansatzpunkt ist dabei zum Teil der Gegenstand der Rechte, was zu einer Unterteilung in Rechte an Personen, an Sachen oder Immaterialgütem führt. Unterschieden wird auch nach dem Hauptinhalt in Beherrschungsrechte, Ansprüche und Gestaltungsrechte und nach der Wirkung auf Dritte in absolute und relative Rechte. Diese unterschiedlichen Gruppierungsmöglichkeiten haben nur eine ordnende Funktion und unterscheiden sich nicht in der Menge und Art der grundsätzlich erfaßten subjektiven Rechte. Daher können diese Gruppenbildungen nebeneinander bestehen. Ausgehend von der Frage nach der Wirkung auf Dritte lassen sich die absoluten von den relativen subjektiven Rechten unterscheiden. 31 Wird durch ein Recht dem Berechtigten ein bestimmtes Gut im Verhältnis zu allen anderen zugeordnet, so daß es von jedermann zu respektieren ist, die Berechtigung also gegenüber jedermann wirkt, liegt ein absolutes Recht vor. 32 Zu den absoluten Rechten sind die sog. Beherrschungsrechte zu zählen, deren Hauptfall das Eigentum ist. 33 Beherrschungsrechte beinhalten die Rechtsmacht, auf ein bestimmtes Objekt unmittelbar einzuwirken oder fremde Einwirkung auszuschließen.34 Zu den absoluten subjektiven Rechten gehören auch die Persönlichkeitsrechte, d. h. die Rechte auf Achtung der Würde der Person durch Anerkennung und Nichtverletzung der Person, 35 ebenso wie die dem Persönlichkeitsrecht nahestehenden persönlichen Familienrechte, wie beispielsweise das Recht der elterlichen Sorge. 36 Weiterhin fallen die Immaterialgüterrechte, wie z. B. Patent- oder Urheberrechte, Aneignungsrechte, Rechte an dinglichen Rechten und dingliche Anwartschaftsrechte unter die Kategorie der absoluten Rechte. 37 30 V gl. Schapp, Das subjektive Recht, S. 131 f; Etwas unterschiedliche Ansätze auch bei Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil,§ 73, S.439 ff. ; Larenz, Allgemeiner Teil,§ 13 li und III; M edicus, Allgemeiner Teil, § I 0 Rn. 61 ff. 31 Bucher, Das subjektive Recht, S. 131, nennt die Trennung von absoluten und relativen Rechten den "einzig wirklich grundlegenden Strukturgegenstand innerhalb subjektiver Rechte" . 32 Larenz, Allgemeiner Teil, § 13 III, S. 228; Medicus, Allgemeiner Teil, § 10 Rn. 62. 33 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 81, S. 4 71 . 34 Enneccerus/Npperdey, Allgemeiner Teil, § 73 I, S. 440; Medicus, Allgemeiner Teil, § 10 Rn.66. 35 Larenz, Allgemeiner Teil,§ 131I, S.214. 36 Larenz, Allgemeiner Teil,§ 13 li, S. 215. 37 Da den letztgenannten Rechten nur geringe Bedeutung im Zusammenhang mit § 612 a BGB zukommt, wird auf eine eingehendere Erläuterung verzichtet. Vgl. dazu Larenz, Allgemeiner Teil, § 13 li, S. 214 ff. Die Aneignungsrechte, Rechte an dinglichen Rechten und dingliche Anwartschaftsrechte kann man auch in die Kategorie der Beherrschungsrechte einordnen.

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2. Teil: Inhaltlicher Regelungsgehalt des§ 612a BOB

Im Gegensatz zu den absoluten Rechten wirken relative Rechte nur gegenübereiner bestimmten Person. 38 Nur diese bestimmte Person wird durch das relative subjektive Recht verpflichtet bzw. nur ihm wird eine rechtliche Gebundenheit auferlegt. 39 Zu den relativen subjektiven Rechten gehören insb. die Forderungsrechte und Ansprüche.40 Nach§ 194 Abs.l BGB ist ein Anspruch das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Forderungen sind Rechte gegen eine bestimmte Person auf eine von ihr geschuldete Leistung, vgl. § 241 S. 1 BGB. Forderungen sind dadurch gekennzeichnet, daß sie sich gegen einen bestimmten Verpflichteten, den Schuldner, richten und auf die zu erbringende Leistung als Ziel gerichtet sind. 41 Nach h. M. besteht zwischen "Forderung" und "Anspruch" kein sachlicher Unterschied, denn die Forderung als Recht des Gläubigers auf eine Leistung ist ein Anspruch. 42 Ebenso gehören zu den relativen subjektiven Rechten die Gegenrechte gegen Ansprüche. Die Einreden als Gegenrechte ermöglichen es dem Berechtigten, ein gegen ihn gerichtetes Recht eines anderen als unwirksam zu behandeln, indem ihm ein Teil seiner Wirkung oder seine gesamte Wirkung genommen wird.43 Die Einreden, die vom Gesetz überwiegend als Leistungsverweigerungsrechte bezeichnet werden, beinhalten das Recht, die geschuldete Leistung zu verweigern. 44 Von der h. L. werden diese Gegenrechte nicht als eigenständiger Typus der subjektiven Rechte, sondern als Unterfall der Gestaltungsrechte verstanden. 45 Gestaltungsrechte und Gegenrechte decken sich zumindest in ihrer Wirkung, da der Berechtigte durch die einseitige Ausübung des Gegenrechts die Rechtslage ändern, nämlich die Durchsetzbarkeil des gegen ihn gerichteten Anspruchs verhindern kann. Daher kann man die Gegenrechte den Gestaltungsrechten zuordnen. 46 Auch die Gestaltungsrechte zählen zu den relativen subjektiven Rechten. 47 Sie räumen dem Berechtigten die Befugnis ein, durch einseitigen Gestaltungsakt ein Medicus, Allgemeiner Teil, § 10 Rn. 63; vgl. auch Schapp, Das subjektive Recht, S. 133. Larenz, Allgemeiner Teil, § 13 III, S. 228. 40 Medicus, Allgemeiner Teil, § 10 Rn. 63; Larenz, Allgemeiner Teil, § 13 III, S. 228. 41 Larenz, Allgemeiner Teil,§ 13 Il, S. 218. 42 Medicus, Allgemeiner Teil,§ 11 Rn. 75 m. w. N.; Larenz, Allgemeiner Teil,§ 141, S. 243. Allerdings gibt es auch Ansprüche, die sich nicht als Forderung aus einem Schuldverhältnis darstellen; vgl. § 194 Abs. 2 BOB: Ansprüche aus familienrechtlichen Verhältnissen. 43 Larenz, Allgemeiner Teil, § 13 Il, S. 228; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 73, S. 442. 44 Vgl. §§ 222 Abs. 1, 273 Abs. 1, 320 Abs. 1, 478 Abs. l, 519 Abs.1, 526 Abs. 1, 633 Abs. 2 S.2BGB. 45 Ennneccerus!Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 73, S. 442. 46 Larenz, Allgemeiner Teil, § 14 II, S. 250 f, sieht die Gegenrechte wegen einiger a. a. 0. dargestellten Unterschiede zu den Gestaltungsrechten jedoch als eigenständige Gruppe an. 47 Larenz, Allgemeiner Teil,§ 13 III, S. 228. Daher ist die Frage, ob Gegenrechte eine eigenständige Gruppe darstellen oder den Gestaltungsrechten zuzuordnen sind, nicht ausschlaggebend. 38

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Rechtsverhältnis zwischen ihm und einer anderen Person zustande zu bringen, zu ändern oder aufzuheben. 4 xEinseitiger Gestaltungsakt ist dabei meist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Beruht das Gestaltungsrecht auf gesetzlichen Vorschriften, setzt es -neben der Willenserklärung -das Vorliegen bestimmter Tatsachen, den "Gestaltungsgrund", voraus. 49 Daneben werden auch Anwartschaftsrechte und Rechte an Rechten zu den relativen subjektiven Rechten gezählt, wenn das Recht, an das sie anknüpfen bzw. dessen Erwerb sie zum Ziel haben, ein relatives Recht ist. 50 Ebenso lassen sich die Mitwirkungsrechte den relativen subjektiven Rechten zuordnen. Der Begriff der Mitwirkungsrechte umfaßt die Rechte auf Mitwirkung an der Willensbildung sowie auf Teilnahme an der Tätigkeit einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer Körperschaft. Dabei sind diese Rechte Folge der Stellung als Gesellschafter oder Mitglied und in der Regel nicht von dieser Stellung zu trennen. 51 52

c) Struktur der subjektiven Rechte Um den Unterschied von subjektiven Rechten zu anderen rechtlich geschützten Positionen herauszuarbeiten, erscheint es notwendig, auf die Struktur der subjektiven Rechte einzugehen. Wie bereits dargelegt vermittelt das subjektive Recht dem Berechtigten eine Position, die man mit dem Begriff der Rechtsmacht umschreiben kann.53 Dieses "Recht" des Berechtigten ist dabei unterschiedlich ausgestaltet. Bei den Herrschaftsrechten wird dem Berechtigten eine Herrschaft über einen bestimmten Ge48 Bötticher, Gestaltungsrecht, unter I., S. 2 ff.; Medicus, Allgemeiner Teil, § 12 Rn. 79; Larenz, Allgemeiner Teil, § 13 li, S. 220; Enneccerus!Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 73, S. 44 I. Ausführlich zu Gestaltungsrechten: Becker, Gestaltungsrecht und Gestaltungsgrund, AcP 188 (1988) 24 ff. 49 Larenz, Allgemeiner Teil, § 13 li, S. 22 I. 50 Larenz, Allgemeiner Teil, § 13lll, S. 228. 51 Larenz, Allgemeiner Teil, § 13II, S. 219. Den Anwartschaftsrechten, Rechten an Rechten und den Mitwirkungsrechten kommt im Hinblick auf §612a BOB nur geringe Bedeutung zu. Daher werden diese der Vollständigkeit halber nur knapp erwähnt. 52 Die Zuordnung in absolute und in relative Rechte ist in begrenzten Einzelfällen nicht eindeutig möglich (Dies verkennt Bucher, der sich kritisch gegenüber den Mischformen ausspricht, Das subjektive Recht, S. 134ff.). Es gibt Fälle, in denen relative Rechte mit einzelnen Drittwirkungen ausgestattet werden, sog. Verdinglichung obligatorischer Rechte (Medicus, Allgemeiner Teil, § I 0 Rn. 64; Larenz, Allgemeiner Teil, § 13 III, S. 229 f.; ausführlich dazu: Canaris, Die Verdinglichung obligatorischer Rechte, FS für Flume 1978, S. 371 ff.) Als Beispiel dafür ist die Eintragung einer Vormerkung zu nennen, durch die Ansprüche auf Änderung der Rechtslage hinsichtlich eines Grundstücks Wirkung gegen Dritte entfalten, §§ 883, 888 BOB. Auswirkungen hat diese Erkenntnis jedoch nur im Hinblick auf die problematische Einordnung dieser Mischformen. Ihre Qualität als subjektive Rechte bleibt davon unberührt. 53 Auch wenn der Ausdruck der Rechtsmacht als Definition des subjektiven Rechts nicht geeignet ist (s.o. unter I. 1. a)), taugt er zur Beschreibung des subjektiven Rechts.

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2. Teil: Inhaltlicher Regelungsgehalt des § 612 a BGB

genstand gewährt, Gestaltungsrechte vermitteln dem Berechtigten die Befugnis, Rechtsverhältnisse einseitig zu gestalten. Bei den Forderungsrechten kann der Berechtigte berechtigterweise eine Leistung von seinem Schuldner verlangen. Bei den Persönlichkeitsrechten sichert das subjektive "Recht" dem Berechtigten den Schutz der Eigensphäre. Eine Definition, die alle unterschiedlichen Arten gleichermaßen erfaßt, ist schwierig zu finden. Unumstritten ist aber, daß den Berechtigten durch die subjektiven Rechte unterschiedlich gestaltete "Befugnisse" von der Rechtsordnung eingeräumt werden. Gegenüber dieser aus der Sichtweise des Berechtigten folgenden "positiven" Seite besteht auch eine "negative" Seite der subjektiven Rechte. 54 Dem Recht desjenigen, der ein subjektives Recht innehat, steht eine Verpflichtung bzw. rechtliche Gebundenheit zumindest einer anderen Person gegenüber. 55 Eine Rechtspflicht in diesem Sinne meint dabei ein bestimmtes "Sollen", das die Rechtsordnung dem Verpflichteten auferlegt. 56 Davon zu unterscheiden ist die rechtliche Gebundenheit, auf die bei den Gestaltungsrechten näher einzugehen ist. Diese negative Seite der subjektiven Rechte ist dabei ebenso uneinheitlich ausgestaltet wie das "Recht" des Berechtigten. Auch hier kann man zwischen absoluten und relativen subjektiven Rechten differenzieren. Während die relativen subjektiven Rechte nur gegenüber einer bestimmten Person wirken, entfalten die absoluten Rechte gegenüber jedermann Wirkung. Die konkret verpflichtete bzw. rechtlich gebundene Person ergibt sich bei den absoluten Rechten daher erst, wenn die andere Person in den Rechtskreis tritt, der durch das absolute subjektive Recht abgesteckt wird. 57 Am deutlichsten erkennbar ist die negative Seite bei den Forderungen. Dem Recht des Gläubigers, die Leistung zu verlangen, entspricht die Pflicht des Schuldners, die Leistung zu erbringen. 58 Dem Berechtigten wird mit der Gewährung eines Anspruchs das Fordernkönnen als eigenes materielles Innehaben zugewiesen, dem auf der Passivseite eine Pflicht des Schuldners gegenübersteht. 59 Diese rechtliche Verpflichtung zu einem positiven Tun kann dabei je nach Art des Schuldverhältnisses z. B. in der Leistung von Diensten, der Herstellung eines Werkes oder der Herbeiführung eines Rechtserfolgs, etwa der Übereignung einer bestimmten Sache, bestehen. 54 Bötticher, Gestaltungsrechte, S . 7, beschreibt diese andere Seite der subjektiven Rechte- allerdings nur im Hinblick auf Gestaltungsrechte - als .,Kehrseite". 55 Vgl. Enneccerus!Nipperdey, § 74, S. 443. 56 Larenz, Allgemeiner Teil,§ 12 II, S. 202. 57 Die potentielle Rechtspflicht trifft zwar alle Personen, diese konkretisiert sich aber erst, wenn eine bestimmte Person in den Rechtskreis des Rechtsinhabers tritt. Vgl. dazu auch Bucher, Das subjektive Recht, S . 62, der von einer grds. bestehenden potentiellen Pflicht ausgeht, die erst bei der Rechtsausübung durch den Inhaber des subjektiven Rechts zu einer aktuellen Pflicht werde. 58 Larenz, Allgemeiner Teil, § 13 II, S . 219. 59 Hencke/, AcP 174 (1974), S. 97 (127).

§ 3 Rechte des Arbeitnehmers i. S. des§ 612a BGB

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Bei den absoluten subjektiven Rechten sind die Pflichten im Gegensatz zu der Verpflichtung bei den Forderungsrechten nicht auf ein positives Tun gerichtet. Vielmehr gebietet die negative Seite der subjektiven Rechte dem Verpflichteten hier, bestimmte Handlungen zu unterlassen. Die Beherrschungsrechte, die dem Berechtigten die Befugnis einräumen, auf ein bestimmtes Objekt einzuwirken und andere von der Einwirkung auszuschließen, verpflichten folglich alle anderen, unerlaubte Einwirkungen auf das Objekt zu unterlassen, also jeden unmittelbaren Eingriff in das Rechtsgut zu unterlassen, der nicht durch einen besonderen Rechtfertigungsgrund gedeckt ist. 60 Auch bei den Persönlichkeitsrechten steht der positiven Seite für den Berechtigten die Verpflichtung der anderen gegenüber, rechtswidrige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht zu unterlassen. Etwas anders stellt sich die negative Seite bei den Gestaltungsrechten und den Gegenrechten dar. Zu der Befugnis des Rechtsinhabers, einseitig auf ein Rechtsverhältnis einzuwirken, korrespondiert hier keine Pflicht. Die andere Seite, der Empfänger der Gestaltungserklärung, den man auch als Gestaltungsgegner bezeichnen kann, 61 muß die Änderung der Rechtslage, die auch zu Einschnitten in seinem Rechtskreis führen kann, hinnehmen und dulden, ohne daß es für die Änderung des Rechtsverhältnisses auf seine Zustimmung ankommt. Der Gestaltungsgegner ist somit in seinem Rechtsverhältnis von fremdem Willen abhängig und von diesem in seinem Rechtskreis erreichbar. 62 Die Ausübung des Gestaltungsrechts bringt dem Gestaltungsgegner typischerweise den Nachteil, Rechtspositionen zu verlieren. 63 Den Empfänger der Gestaltungserklärung trifft keine Pflicht im eigentlichen Sinne, vielmehr muß er die Folgen des berechtigt ausgeübten Gestaltungsrechts gegen sich gelten lassen. Insofern kann man hier von einer rechtlichen Gebundenheit der anderen Seite sprechen. 64 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die subjektiven Rechte durch eine positive Seite, der Rechtsmacht des Berechtigten, und eine negative Seite, der Pflicht oder rechtlichen Gebundenheit eines anderen, gekennzeichnet sind.

Hencke/, AcP 174 (1974), S.97 (136). So Bötticher, in: FS für Dölle, Bd.1, S.45; ihm folgend Larenz, Allgemeiner Teil,§ 1311, S. 220. 62 Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 7. 63 Bötticher, in: FS für Dölle, Bd. 1, S. 45. Auch bei Gestaltungsrechten, die auf die Begründung eines Rechtsverhältnisses gerichtet sind, kommt es zu einem Einbruch in die fremde Rechtssphäre. 64 Larenz, Allgemeiner Teil, § 12 II, S. 204, § 13 II, S. 220. Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 7, spricht von einem "Unterworfensein" des Gestaltungsgegners, ebenso auch Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 40. Da es sich bei dieser Konstellation aber nicht um ein soziales Abhängigkeitsverhältnis handelt, ist Larenz, a. a. 0 . Fn. 28, darin zuzustimmen, daß der Ausdruck der "Gebundenheit" geeigneter ist- wenn auch nicht vollständig passend, wie Larenz, a. a. 0. § 12II, S. 204 einräumt. 60

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2. Teil: Inhaltlicher Regelungsgehalt des§ 612a BGB

2. Normenschutz Die Interessen des einzelnen können nicht nur durch die Einräumung von subjektiven Rechten geschützt werden. Auch die Androhung von Strafen seitens der Rechtsordnung oder die Festlegung von Ordnungsvorschriften für denjenigen, der die von der Rechtsordnung zugewiesenen Interessen des einzelnen verletzt, bewirken einen Schutz dieser Interessen durch die Rechtsordnung. 65 Im Gegensatz zu dem Schutz durch die Einräumung subjektiver Rechte führt das bloße Bestehen von solchen Rechtsgeboten zugunsten einer Person nicht dazu, daß diese Person die Befugnis erlangt, ihren Willen zu betätigen und gegenüber anderen durchzusetzen. 66 Knapp zusammengefaßt läßt sich sagen, daß derjenige, der durchNormen geschützt ist, darum noch nicht "berechtigt" ist im Sinne der Innehabung eines subjektiven Rechts. Derartige Rechtsgebote sind daher neben den subjektiven Rechten eine Ausgestaltungsmöglichkeit der Rechtsordnung, die Interessen des einzelnen zu schützen.

a) Begriff und Struktur des Normenschutzes Enneccerus/Nipperdey nennen diesen durch die Rechtsordnung gewährten Schutz "Normenschutz" oder "Rechtsbegünstigung" 67 • Dem Begriff der Rechtsbegünstigung mangelt es an hinreichender Qualifizierung, weil er nicht erkennen läßt, daß hier der dem einzelnen eingeräumte Schutz charakteristisch ist. 68 Henckel spricht insoweit von "Zuweisungen", die nur durch bestimmte Verbotsnormen geschützt seien, welche konkrete Verhaltensweisen verbieten. 69 Larenz umschreibt diese Normen nur, ohne sie namentlich zu benennen. 70 Da charakteristisch für diese Normen der durch sie bewirkte Schutz einzelner Interessen ist, erscheint der Begriff des ,,Normenschutzes" am ehesten geeignet, diese rechtliche Konstruktion auszudrücken, so daß dieser Begriff im folgenden verwendet wird. Larenz, Allgemeiner Teil,§ 131, S. 212. Enneccerus!Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 72, S. 430f. 67 Enneccerus!Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 72, S. 431. 68 L. Raiser ordnet diesen Normenschutz nicht primär als individualrechtliehen Interessenschutz ein. Nach seiner Ansicht ist das Gesetz an zwei Systemgedanken orientiert: Einmal "an dem Ausbau und Schutz des Wirkungsbereiches der Einzelperson durch die Zuteilung subjektiver Rechte", zum anderen "an der Entfaltung und Sicherung der unser gesellschaftliches Leben durchziehenden Institutionen durch die Ausbildung entsprechender Rechtsinstitute kraft objektiven Rechts", L. Raiser, summum ius summum iniuria, S. 145 (148). Der Staat könne diese Rechtsinstitute auch durch die Einräumung eines "privatrechtlichen lnstitutsschutzes" sichern, indem er strafrechtliche oder verwaltungsrechtliche Schutzmittel einsetzt. In diesem Fall werde der Institutsschutz dem jeweiligen Inhaber des Rechtsguts zur Ausübung überlassen, a. a. 0. S. 156. L. Raiser übersieht dabei, daß Ausgangspunkt des Normenschutzes nicht das objektive Recht ist. Vielmehr ist unverkennbar, daß der Normenschutz ebenso wie die subjektiven Rechte primär dem Schutz der Individualinteressen dient und dieser Schutz lediglich durch eine unterschiedliche rechtliche Konstruktion erreicht wird. 69 Henckel, AcP 174 (1974), S. 136. 70 Vgl. Larenz, Allgemeiner Teil,§ 1211, S.203. 65

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Betrachtet man die Struktur des Normenschutzes, zeigt sich, daß der einzelne- zumindest unmittelbar- kein subjektives Recht aus der schützenden Norm erlangt. Dennoch begründet der Normenschutz eine Pflicht eines "Gegenübers". Rechtspflichten bestehen damit nicht nur in Entsprechung subjektiver Rechte, sondern ergeben sich auch aus dem Normenschutz. 71 Ein derartiger Normenschutz liegt dann vor, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften zu einem bestimmten Verhalten oder Unterlassen verpflichten, um die Beeinträchtigung öffentlicher Interessen zu verhindem und damit auch dem Schutz von Einzelinteressen Rechnung tragen. Als Beispiele sind hier die Straßenverkehrsvorschriften, Vorschriften zum Schutz vor Seuchen oder Vorschriften über Gehwegreinigung zu nennen, die zwar jeden einzelnen schützen sollen, diesem aber kein subjektives Recht gewähren, von anderen die Vomahme der ihnen gebotenen Handlungen zu verlangen. Der durch den Normenschutz Begünstigte erlangt aber über § 823 Abs. 2 BGB einen Schadensersatzanspruch, wenn er oder seine Rechtsgüter dadurch geschädigt werden, daß eine andere Person schuldhaft diese Schutzvorschriften verletzt. Erst die geschehene Verletzung seiner Person oder seiner Rechtsgüter gibt dem Begünstigten somit einen zivilrechtliehen Anspruch auf Schadensersatz, also ein subjektives Recht. 72 Im Vorfeld einer Verletzung- wenn sich der einzelne wegen Mißachtung einer derart schützenden Norm durch einen anderen gefährdet sieht- kann er lediglich versuchen, die zuständige Behörde zum Einschreiten zu veranlassen. Anerkannt ist darüber hinaus jedoch die Möglichkeit der vorbeugenden Unterlassungsklage, wenn dem einzelnen ein Eingriff in eine ihm durch den Normenschutz gewährleistete Rechtsposition droht und der bevorstehende Eingriff geeignet wäre, eine Schadensersatzpflicht zu begründen. Umstritten ist dabei, ob solche Unterlassungsansprüche materiell betrachtet ein subjektives Recht beinhalten 73 oder ob es sich hierbei vielmehr nur um ein rein prozessuales Rechtsinstitut handelt. 74 Vertreten wird auch eine Mittelmeinung, wonach bei drohenden Eingriffen in absolute Rechte ein Unterlassungsanspruch, also ein subjektives Recht, anerkannt war. Bei den quasi-negatorischen Unterlassungsansprüchen, die nicht dem Schutz eines absoluten Rechts, sondern dem anderer Güter und Interessen dienen, wird dagegen lediglich das Vorliegen eines prozessualen Rechtsinstituts ohne zugrundeliegendes subjektives ·Recht befürwortet. 75 Die Einräumung eines subjektiven Rechts auf Unterlassung als Gegenstück zur UnterlasLarenz, Allgemeiner Teil,§ 12!1, S. 203. Larenz, Allgemeiner Teil, § 1211, S. 204. 73 So Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 72, S. 432; Larenz, Schuldrecht ll/2, § 87 II, S. 705; Kaeh/er, Bereicherungsrecht und Vindikation, S. 50 Fn. 135; Lehmann, Unterlassungspflicht, S. 107 ff.; Baur, JZ 1966, 381 (382); Henckel, AcP 174, 97 (137). 74 So in neuererZeitnur noch Esser!Weyers, Schuldrecht ll/2, § 62 IV, S. 265. 75 Zu den Nachweisen vgl. Zeuner, in: FS für Dölle I, S. 302. Zu dieser Differenzierung auch Henckel, AcP 174, 97 (134ff.). 71

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sungspflicht erscheint fraglich, da sich das Innehaben des Unterlassungsanspruchs in der Befugnis zum Geltendmachen der Pflicht erschöpft. 76 Die wohl herrschende Meinung sieht den Unterlassungsanspruch unabhängig davon, ob er negatorischen oder quasi-negatorischen Schutz gewährt, als materiell rechtlichen Anspruch, also als ein subjektives Recht, an. Angewandt auf die Frage der Struktur des Normenschutzes bedeutet dies, daß der durch den Normenschutz Begünstigte primär kein subjektives Recht erlangt, von anderen das durch die Norm gebotene Handeln oder Unterlassen zu verlangen. Ein subjektives Recht ergibt sich erst dann in Form des Schadensersatzanspruchs, wenn ein anderer schuldhaft die sich aus der Norm ergebende Pflicht verletzt und dadurch in das geschützte Interesse des Begünstigten eingreift. Vor der geschehenen Verletzung kommt ein subjektives Recht als Folge des Normenschutzes nur in Form des quasi-negatorischen Unterlassungsanspruchs in Betracht, wenn dessen besondere Voraussetzungen gegeben sind. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß dem Normenschutz die positive Seite fehlt, da dem Begünstigten unmittelbar kein subjektives Recht eingeräumt wird. Der Normenschutz beinhaltet aber eine negative Seite, weil durch ihn Rechtspflichten begründet werden.

b) Normenschutz im Arbeitsrecht? Fraglich ist, ob sich die dargestellte Konstruktion des Normenschutzes auch im Bereich des Arbeitsrechts findet. Beim "Normenschutz" im Arbeitsrecht ist dabei insbesondere an die Regelungen zum Schutz von Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers zu denken. Der Staat hat aus seiner Verantwortung für Leben und Gesundheit der Bürger auch im Bereich des Arbeitsrechts seine Verpflichtung zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer durch öffentlich-rechtliche Vorschriften wahrgenommen,77 die als technischer Arbeitsschutz bezeichnet werden. 78 Dies ist insbesondere durch die Schaffung von Rechtsverordnungen geschehen. Insoweit besteht eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers durch die Normen des technischen Arbeitsschutzes. Zu diesem öffentlich-rechtlichen technischen Arbeitsschutz zählen insbesondere das am 7.8.1996 in Kraft getretene Arbeitsschutzgesetz, mit den aufgrundder Ermächtigung in § 19 ArbSchG erlassenen Verordnungen 79 , sowie die Arbeitsstättenverordnung, das Gerätesicherheitsgesetz und die Gefahrstoffverordnung.80 76 Hencke/, AcP 174, 97 (127). 77 MünchArbR!Blomeyer § 94 Rn.3; Kittner, Arbeits- und Sozialordnung, Nr. 7, S. 331. 78 Zum Begriff des technischen Arbeitsschutzes vgl. Kloepfer!Veit, NZA 1990, 121 (124). 79 Vgl. dazu die Nachweise bei MüKo/Lorenz, § 618 BGB Rn. 92.

80 Zum technischen Arbeitsschutz gehören darüber hinaus die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften und die Einzelanordnungen der technischen Aufsichtsbeamten der Berufsgenossenschaften. Einen Überblick zu den Normen des Arbeitsschutzes bietet: Kittner, Arbeits- und Sozialordnung, Nr. 7, S. 331 ff.

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Fraglich ist, ob diese öffentlich-rechtlichen Vorschriften des technischen Arbeitsschutzes sich in ihrer Struktur mit der des dargestellten Normenschutzes decken, also unmittelbar keine subjektiven Rechte des einzelnen begründen, oder ob sich hier aufgrund der Besonderheit des Arbeitsrechtes eine andere Struktur ergibt. Allgemein anerkannt ist, daß die öffentlich-rechtlichen Normen des technischen Arbeitsschutzes grundsätzlich die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus § 618 BGB und § 62 HGB (Betriebs- und Gefahrenschutz) sowie auch die darüber hinausgehende allgemeine Fürsorgepflicht konkretisieren. 81 Den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften kommt damit eine Doppelwirkung zu: Neben der durch sie begründeten öffentlich-rechtlichen Pflicht, die der Struktur des Normenschutzes entspricht, begründen sie zugleich eine unabdingbare arbeitsvertragliche Pflicht des Arbeitgebers als Nebenpflicht im Rahmen der Fürsorgepflicht 82 Der Arbeitnehmer erhält durch diese vertragliche Einbeziehung einen einklagbaren Anspruch auf Einhaltung der Schutzvorschriften ihm gegenüber, erlangt also ein subjektives Recht. 83 Bei einer Ermessensvorschrift, wenn die Arbeitsschutznorm also nur ein Schutzziel festlegt, ohne eine konkrete Maßnahme anzuordnen, hat der Arbeitnehmer lediglich einen Anspruch auffehlerfreie Ausübung dieses Ermessens durch den Arbeitgeber. 84 Konkretisiert wird die Fürsorgepflicht nicht nur durch öffentlich-rechtliche Vorschriften, sondern auch durch privatrechtliche gesetzliche Vorgaben. Zu nennen ist hier insbesondere das Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz vom 24.6.1994.85 Der Doppelwirkung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften sind jedoch Grenzen gesetzt. Nur solche Arbeitsschutzvorschriften, die nach ihrem Inhalt geeignet sind, den Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung zu bilden, wirken zugleich als Vertragspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer. Voraussetzung für die Doppelwirkung ist somit, daß die Vorschriften unmittelbar den Schutz des einzelnen Arbeitnehmers zum Ziel haben. Bloße Ordnungs- und Organisationsvorschriften begründen daher nur eine öffentlich-rechtliche, keine vertragliche Pflicht 81 MüKo/Loritz, §618 BGB Rn.6; MünchArbR/Blomeyer, §94Rn.6; MünchArbR/W/otzke, §209 Rn.15, 17; SoergeVKraft, §618 BGB Rn.IO; BAG v.10.3.1976-5 AZR 34/75, APNr.17 zu § 618 BGB, unter 1. BI. 166h; Wlotzke, in: FS für Hilger/Stumpf, S. 739; Hersehe/, RdA 1964,44 (46); so grds. auch N. Fabrieius, Einstellung der Arbeitsleistung, S.128. 82 MüKo/Lorenz, §618 BGB Rn.6; MünchArbR/Blomeyer, §94 Rn.6; Zöllner!Loritz, Arbeitsrecht, § 29 II 2., S. 343; Büeker!Feldhoff/Kohte, Arbeitsschutz, Rn. 27; Hersehe/, RdA 1978,69 (72); Wlotzke, in: FS Hilger/Stumpf, S. 738; Nach Ansicht von N. Fabrieius, Einstellung der Arbeitsleistung, S. 138, können einige Arbeitsschutzpflichten sogar eine synallagmatische Pflicht des Arbeitgebers begründen, wenn die fragliche Arbeitsschutzpflicht zum ,.Arbeitssubstrat" zu rechnen sei. 83 MüKo/Lorenz, § 618 BGB Rn. 6; MünchArbR/Blomeyer, § 94 Rn. 6; anders aber Zöllner! Loritz § 29 II, S . 343 mit der Begründung, daß der Einzelprozeß nicht das geeignete Verfahren sei, um solche kollektiv bedeutsamen Maßnahmen durchzusetzen. 84 Wlotzke, in: FS für Hilger/Stumpf, S. 745; MüKo/Lorenz, §618 BGB Rn. 64. 85 Otto, Einführung in das Arbeitsrecht, Rn. 377.

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des Arbeitgebers. 86 In diesen Fällen liegt auch kein Normenschutz vor, da auch dieser den bezweckten Schutz des einzelnen voraussetzt. 87 Rechtsfolge einer Schutzpflichtverletzung mit Doppelcharakter ist ein Erfüllungsanspruch des Arbeitnehmers auf Einhaltung der Schutzpflichten. Diesem Anspruch kommt keine große praktische Bedeutung zu, da der Arbeitnehmer sich in der Regel bei Verletzung der Schutzvorschriften an den Betriebsrat wenden oder nach Ausschöpfung der innerbetrieblichen Möglichkeiten das zuständige Gewerbeaufsichtsamt bzw. die zuständige Berufsgenossenschaft einschalten wird. Dem Arbeitnehmer steht aber neben einem Schadensersatzanspruch in den Grenzen des Erfüllungsanspruchs ein Leistungsverweigerungsrecht zu, von dem häufiger Gebrauch gemacht wird. Dieses Recht zur Einstellung der Arbeit leitet die h. M. aus § 273 BGB ab. 88 Der Individualanspruch und damit auch das Leistungsverweigerungsrecht greifen nur, wenn konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers drohen. 89 Dies ist entgegen einer Ansicht keine unzulässige Einschränkung, weil die verletzte Schutzvorschrift ohne eine solche Einschränkung Inhalt der Fürsorgepflicht geworden sei, 90 sondern logisch zwingendes Tatbestandsmerkmal des Anspruchs: Fehlt es schon an einer Gesundheitsgefährdung des Arbeitnehmers, hat der Arbeitgeber die ihm obliegenden Schutzpflichten eingehalten. Die Gewährung eines Anspruchs auf Einhaltung wäre dann unsinnig. Dem Normenschutz kommt daher im Bereich der Schutzvorschriften im Arbeitsrecht keine eigenständige Bedeutung zu. Durch die grundsätzliche Einbeziehung der Schutzpflichten in die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers erwachsen dem Arbeitnehmer subjektive Rechte auf Einhaltung der jeweiligen öffentlich-rechtlichen Schutzvorschriften, so daß hier der Normenschutz gänzlich in der Kategorie des subjektiven Rechts aufgeht. 86 MünchArbR/Wlotzke, § 209 Rn. 19; Wlotzke, in: FS für Hilger/Stumpf, S. 742; MüKo/Lorenz, § 618 BGB Rn. 7. 87 Ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB bei Verletzung der Pflicht aus einer Ordnungs- oder Organisationsvorschrift scheidet daher aus, vgl. Wlotzke, in: FS für Hilger/ Stumpf, S. 742. 88 MünchArbR/8/omeyer, § 94 Rn. 21 ff.; ausführlich Otto, AR-B1attei SD 1880 Rn. 68 ff. (77), der darauf hinweist, daß § 273 BGB nicht greift, wenn die Arbeitspflicht schon wegen eines Verstoßes gegen§ 134 BGB oder nach§ 242 BGB aus dem Grundsatz der Unzumutbarkeit entfallt; Möx, Arbeitnehmerrechte in der Gefahrstoffverordnung, S. 36; ders. ArbuR 1992, 235 Fn. 3m. w. N.; Böttcher, AiB 1987, 34; N. Fabricius, Einstellung des Arbeitsverhältnisses, S.189, mißt §273 BGB insoweit nur geringere Bedeutung zu. Vorrangig sei zu prüfen, ob trotz der normwidrigen und gefährlichen Arbeiten die Arbeitspflicht überhaupt entstanden bzw. nicht nachträglich untergegangen sei und ob § 320 BGB Anwendung finde, was möglich wäre, wenn die Arbeitsschutzpflicht zum "Arbeitssubstrat" zu rechnen sei. 89 MünchArbR/8/omeyer, § 94 Rn. 21. 90 So MünchArbR/Wlotzke, § 209 Rn. 21.

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c) Vergleichbare Verhaltenspflichten im Arbeitsrecht Strukturell vergleichbar mit dem unter a) dargestellten Normenschutz sind spezielle Verhaltenspflichten, die der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer hat. Hierbei ist zum einen an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und des weiteren an das Verbot der Geschlechtsdiskriminierung zu denken. aa) Allgemeiner arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz Der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen gegenüber anderen in vergleichbarer Lage befindlichen Arbeitnehmern und die sachfremde Gruppenbildung. 91 Die dogmatische Begründung des arbeitsrechtlichen Gleichheitssatzes ist umstritten, 92 an seiner grundsätzlichen Anerkennung bestehen jedoch keine Zweifel. 93 Der Grundsatz der Gleichbehandlung als ein Gebot austeilender Gerechtigkeit 94 stellt einen objektiven Rechtssatz dar. 95 Er verpflichtet den Arbeitgeber insb. bei der Vergabe von freiwilligen Leistungen zur Gleichbehandlung. Das BAG geht dabei von einer überbetrieblichen Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus, wenn der Arbeitgeber eine Regel aufstellt und anwendet, die ihrerseits überbetrieblich ist. 96 Für den Arbeitnehmer wird dadurch aber kein subjektives Recht auf Gleichbehandlung begründet, so daß die grundsätzlich bestehende arbeitsvertragliche Pflicht des Arbeitgebers zur Gleichbehandlung nicht selbständig einklagbar ist. 97 Erst wenn der Arbeitgeber die ihn aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz treffende Pflicht verletzt, leiten sich daraus Rechte für den Arbeitnehmer ab. Wird ein Arbeitnehmer durch den Verstoß gegen 91 MünchArbR!Richardi, § 14 Rn. I; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 112 Rn. 105; BAG v. 27.7.1988-5 AZR 244/87 AP Nr. 83 zu§ 242 BGB G1eichbehandlung, unter II. 1.; vgl. Bötticher, RdA 1953, 161 (161); Hilger, RdA 1975,32 (33). 92 Vgl. die unterschiedlichen Begründungsmodelle bei Bötticher, RdA 1953, 161 ff.; Hueck, Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 127 ff., S. 169 f. 93 Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist inzwischen gewohnheitsrechtlich anerkannt. Nach abweichender Ansicht von Otto, Einführung in das Arbeitsrecht, Rn.l65, umfaßt die in § 75 BetrVG geforderte Behandlung nach den .,Grundsätzen von Recht und Billigkeit" schon den allgemeinen Gleichheitssatz. Da§ 75 BetrVG neben der kollektiven Bedeutung bei personellen Maßnahmen auch an den Arbeitgeber allein gerichtet sei, wäre ein Rückgriff auf den arbeitsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz entbehrlich, Otto a. a. 0., ders. Personale Freiheit, S.28. 94 MünchArbR/Richardi, § 14 Rn. 8. 95 Zöllner!Loritz, .§ 17 II., S. 216f.; Hueck, Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 327, 275f. 96 BAG v. 12.1.1994-5 AZR 6/93, AP Nr. 112 zu §242 BGB Gleichbehandlung, l.LS; zustimmend MünchArbR/Richardi, § 14 Rn. 9f. 97 Zöl/ner/Loritz, § 17 II, S. 216; Hueck, Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 276; Auch Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 112 Rn. 28, stellt fest, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz kein Anspruch gern. § 194 BGB ist, sondern eine Verbots- oder Gebotsnorm.

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den Gleichbehandlungsgrundsatz benachteiligt, steht ihm das Recht zu, die Beseitigung der Beeinträchtigung zu verlangen. 98 Nachteilige Rechtsgeschäfte, die unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ergehen, sind danach unwirksam. 99 Rechtsgeschäfte, die einige Arbeitnehmer unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz begünstigen, sind dagegen wirksam. Die zukünftige Verschlechterung des Vertragsinhalts ist hier nur nach den allgemeinen Regeln - also insbesondere durch den Ausspruch von Änderungskündigungen- möglich. 100 In diesem Bereich ist das Gebot der Gleichbehandlung- wenn die grundsätzliche Verschlechterung nicht erfolgt oder nicht erfolgen kann - nur dadurch einzuhalten, daß eine Anpassung nach oben erfolgt, also dem bisher von der Leistung ausgenommenen Arbeitnehmer die betreffende Leistung gewährt wird. Rechtsfolge der Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kann daher auch ein Anspruch auf Erfüllung sein. Dann kommt dem Gleichbehandlungsgrundsatz eine anspruchsbegründende Wirkung zu. 101 Die Annahme eines subjektiven Rechts allein deswegen, weil der Arbeitgeber die Pflicht hat, entsprechend dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu handeln und der Arbeitnehmer abstrakt das Recht hat, vom Arbeitgeber die Einhaltung dieser Pflicht zu verlangen, ist abwegig, 102 da die positive Seite der subjektiven Rechte sich nicht nur in dem Geschütztsein durch eine Pflicht beschränken kann, sondern das Einräumen einer Befugnis verlangt. Hier besteht nur eine Pflicht des Arbeitgebers ohne entsprechende Befugnis des Arbeitnehmers. Lediglich als Folge der Verletzung der Pflichten kann dem Arbeitnehmer ein Anspruch gewährt werden. Dieser hat aber auch dann eher sekundären Charakter und erklärt sich dadurch, daß bei einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch die Vorenthaltung von Vorteilen die Ungleichbehandlung nur durch die Gewährung eines Anspruchs beseitigt werden kann. Systematisch ist dies aber nicht ein Anspruch auf Gleichbehandlung, sondern ein aus dem Gebot der Gleichbehandlung folgender Anspruch, 103 so daß sich eine Ähnlichkeit zu der Struktur des Normenschutzes offenbart. bb) Verbot der Geschlechtsdiskriminierung Der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gern. Art. 3 Abs. 2 GG und das grundrechtlich gewährleistete Benachteiligungsverbot wegen des Geschlechts gern. Art. 3 Abs. 3 GG verpflichten unmittelbar nur den Staat. EinfachgeMünchArbR/Richardi, § 14 Rn. 38. Zöllner/Loritz, § 17 V, S. 223. 100 Otto, Einführung in das Arbeitsrecht, Rn. 176. 101 Zöllner/Loritz, § 17 II, S. 216; Otto, Einführung in das Arbeitsrecht, Rn. 176. 102 So auch Hueck, Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung, S. 276, der einen "abstrakten" Anspruch auf Gleichbehandlung auch wegen des mangelnden konkret faßbaren Inhalts ablehnt. 103 Daher sind die Darstellungen in der Literatur, in denen von einem "Anspruch auf Gleichbehandlung" die Rede ist, ungenau. Vgl. Bötticher, RdA 1953, 161; Hilger, RdA 1975, 32. 98

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setzlieh erfolgte durch das EG-Anpassungsgesetz vom 13.8.1980 104 die Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbots wegen des Geschlechts durch die Schaffung des § 611 a Abs. 1 BGB. 105 § 611 a BGB gewährleistet zusammen mit§§ 611 b und 612 Abs. 3 BGB, die ebenfalls durch das EG-Anpassungsgesetz ins BGB eingefügt wurden, die Gleichberechtigung der Geschlechter im Arbeitsrecht. Aus der Norm des § 611 a BGB, die als allgemeines Diskriminierungsverbot formuliert ist, ergibt sich jedoch nicht, ob der Arbeitnehmer dadurch ein subjektives Recht auf Gleichberechtigung gegenüber dem Arbeitgeber erlangt oder ob die Norm lediglich eine Pflicht des Arbeitgebers begründet, die dem Arbeitnehmer nur bei einem Verstoß gegen diese Pflicht ein subjektives Recht einräumt. Folge des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot ist bei belastenden Maßnahmen des Arbeitgebers deren Nichtigkeit nach § 134 BGB. Der Verstoß gegen ein Diskriminierungsverbot des § 611 a BGB bei einer Einstellung oder Beförderung führt nicht zu einem Anspruch auf Einstellung bzw. Beförderung, wie § 611 a Abs. 3 i. V. m. Abs. 5 BGB ausdrücklich festlegt. In Betracht kommt dann lediglich ein Entschädigungsanspruch nach § 611 a Abs. 2 BGB. Hieran zeigt sich, daß der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Einhaltung des Gleichberechtigungsgrundsatzes im Sinne eines einklagbaren subjektiven Rechts hat. Wäre dies so, müßte der Arbeitnehmer die Einstellung bzw. Beförderung verlangen können. Im Falle der Gleichberechtigung bleibt der gleichsam sekundäre Erfüllungsanspruch, der beim arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gewährt wird, dem Arbeitnehmer aus praktischen Erwägungen verwehrt; hier wird ihm lediglich ein Anspruch auf Entschädigung zugebilligt. Nur bei einem Verstoß gegen das in Art. 141 EG [ex Art. 119 EGV] festgelegte Gebot des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, das in den Mitgliedstaaten der EG unmittelbar geltendes Recht ist 106 und inzwischen in § 612 Abs. 3 BGB eine Entsprechung im nationalen Recht gefunden hat, erlangt der benachteiligte Arbeitnehmer einen Anspruch auf Anpassung nach oben. 107 Einen generellen Anspruch auf Gleichbehandlung bzw. auf Gleichberechtigung hat der Arbeitnehmer folglich nicht. Somit gleicht die Struktur des Diskriminierungsverbots wegen des Geschlechts der des Normenschutzes.

3. Rechtspositionen Im Rechtsgefüge des vertraglichen Bereichs besteht neben den subjektiven Rechten und dem im Arbeitsrecht kaum erheblichen Normenschutz des weiteren die Figur der Rechtspositionen. Die Struktur der Rechtsposition zeichnet sich dadurch BGBI. I, S. 1308. MüKo/Müller-Glöge, § 611 a BGB Rn. 1. 106 Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 165 Rn. 27; MünchArbR/Richardi, § 11 Rn. 2; EuGH v.27.3.1980- Rs.l29n9, NJW 1980, 2014; EuGH V. 8.4.1976- Rs 43n5, NJW 1976, 2068. 107 MünchArbR/Richardi, § II Rn.2; EuGH v. 8.4.1976- Rs 43n5, NJW 1976, 2068; BAG v.l4.3.1989-3 AZR 490/87, v.23.1.1990-3 AZR 58/88, v.20.1.1990- 3 AZR 613/89, AP Nr.S, 7, 8 zu§ I BetrAVG Gleichberechtigung. 104 105

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aus, daß weder ein subjektives Recht eines Begünstigten auf der positiven Seite noch eine Pflicht oder sonstige rechtliche Gebundenheit auf der negativen Seite besteht. Undogmatisch betrachtet ähnelt das Handeln entsprechend einer Rechtsposition der Ausübung eines Leistungsverweigerungsrechts, denn in beiden Fällen unterläßt bzw. verweigert der Betreffende eine vom Vertragspartner geforderte Handlung. Anders als bei einem Leistungsverweigerungsrecht fehlt es bei einer Rechtsposition aber an einer Pflicht des Betroffenen zu der Handlung. Ein Beispiel für eine derartige Rechtsposition ist die durch eine Einwendung bestehende Rechtslage. Wird beispielsweise bei einem Spezieskauf dem Verkäufer die Erfüllung seiner Leistungspflicht unmöglich, weil die Kaufsache nach Abschluß des Kaufvertrages zerstört wird, entfällt nach § 275 Abs. I BGB seine Leistungspflicht Hierbei handelt es sich um eine Einwendung, die anders als eine Einrede für ihre Wirksamkeit keiner Geltendmachung bedarf. 108 Fordert der Gläubiger die Leistung und leistet der Schuldner mit Hinweis auf die Unmöglichkeit nicht, macht der Schuldner kein Recht geltend, sondern handelt lediglich entsprechend der infolge der Einwendung bestehenden Rechtslage. Lapidar gesprochen "kann der Schuldner gar nicht anders". Die Verhinderung der Durchsetzbarkeil durch die Geltendmachung einer Einrede ist die Ausübung eines subjektiven Rechts. 109 Das "Berufen" auf eine Einwendung bzw. das Handeln entsprechend einer durch eine Einwendung bestehenden Rechtslage stellt dagegen keine Ausübung eines subjektiven Rechts dar. Ein weiteres Beispiel für das Handeln entsprechend einer Rechtslage zeigt sich, wenn ein Arbeitnehmer einer das Direktionsrecht überschreitenden, unberechtigten Weisung des Arbeitgebers nicht Folge leistet, also "berechtigterweise" die geforderte Arbeitsleistung verweigert. 110 Eine wesentliche Schranke des Direktionsrechts ergibt sich aus den Beteiligungsrechten des Betriebsrats, insb. aus § 87 Abs. I Nr. I-Nr. 3 und § 99 BetrVG. 111 Daneben darf das Direktionsrecht nicht gegen gesetzliche, tarifliche oder in einer Betriebsvereinbarung enthaltene Normen verstoßen und unterliegt der Billigkeitskontrolle gern. § 3I5 BGB. 112 Eine Weisung, die sich nicht im Rahmen dieser Grenzen hält, ist unwirksam. 113 Konsequenz daraus ist, daß eine rechtswidrige Weisung für den Arbeitnehmer, an den sie gerichtet ist, keine rechtlich relevante Verhaltenspflicht auslöst. 114 Da es bei einer unberechtigten Weisung schon an einer Pflicht zur Leistung fehlt, bedarf es zur Verweigerung der 1os Larenz,

Allgemeiner Teil,§ 1411, S. 50. s. 0. § 3 I. 1. b). 110 Vgl. Beispiel bei Otto, Einführung in das Arbeitsrecht, Rn.184. 111 Otto, Einführung in das Arbeitsrecht Rn. 181. 112 Ausführlich zu den Grenzen des Direktionsrechts: Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht § 9, S. 305 ff.; MünchArbR/8/omeyer, § 48 Rn. 36 ff. 113 Wlotzke, in: FS für Hilger/Stumpf, 723 (747) bezüglich des Verstoßes gegen Arbeitsschutzvorschriften. 114 Birk, Die arbeitsrechtliche Leistungsmacht § 1QI, S.415; Henssler, AcP 190 (1990), 538 (558f.). 109

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geforderten Handlung auch keines Leistungsverweigerungsrechts. 115 In diesem Fall hat der Arbeitgeber folglich kein subjektives Recht, die Arbeitsleistung zu verlangen, der Arbeitnehmer hat allerdings auch kein subjektives Recht, diese zu verweigern; 116 er handelt lediglich entsprechend der vorhandenen Rechtslage, also "berechtigt". Diese Rechtspositionen sind nicht mit der objektiven Rechtsordnung als Summe aller Rechtsvorschriften identisch. Beim Ausüben einer Rechtsposition im vertraglichen Bereich handelt eine einzelne Person entsprechend der vorhandenen Rechtslage, wie sie sich für sie durch die Ausübung von Rechten oder aus der objetiven Rechtsordnung ergibt. Die Rechtsposition hat daher den Bezug zum einzelnen, während die objektive Rechtsordnung nicht auf den einzelnen abzielt, sondern die Summe der Rechtsnormen als Ganzes umfaßt. 4. Zusammenfassung der Rechtsarten Unter den Begriff des "Rechts" in der Zivilrechtsordnung fallen subjektive Rechte, Normenschutz und Rechtspositionen. Subjektive Rechte zeichnen sich durch eine positive Seite des Berechtigten, die man mit dem Begriff der Rechtsmacht umschreiben kann, und eine negativen Seite, die in der Verpflichtung bzw. rechtlichen Gebundenheit einer anderen Person besteht, aus. Beim Normenschutz besteht unmittelbar keine positive Seite für den Berechtigten, aber eine Pflicht des Gegenübers. Erst die geschehene Verletzung dieser Pflicht gibt dem durch den Normenschutz Begünstigten ein subjektives Recht in Form eines Schadensersatzanspruches. Zuvor kann sich ein subjektives Recht lediglich in Form des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs ergeben. Dem Normenschutz kommt im Arbeitsrecht nur im Hinblick auf vergleichbare Verhaltenspflichten, wie dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Verbot der Geschlechtsdiskriminierung Bedeutung zu. Bei den Rechtspositiongen besteht weder eine positive Seite in Form einer Rechtsmacht für den Begünstigten noch eine Verpflichtung des Gegenübers als negative Seite. Dennoch handelt derjenige berechtigt, dessen Handlung der geltenden Rechtslage entspricht.

115 Mißverständlich sind insoweit die Äußerungen von MünchArbR/Blomeyer, § 46 Rn. 36, der ein Leistungsverweigerungsrecht aus §§ 273, 320 BGB mit der Begründung ablehnt, daß der Arbeitnehmer keinen Anspruch habe, dem er mit der Verweigerung Geltung verschaffen könne. Folgt man der üblichen Prüfungsweise muß man ein Leistungsverweigerungsrecht schon mangels einer Pflicht des Arbeitnehmers ablehnen. 11 6 Es sei denn, man sieht hierin die Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs.l GG.

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2. Teil: Inhaltlicher Regelungsgehalt des§ 612a BGB

II. Subjektive Rechte des Arbeitnehmers als Rechte i. S. des § 612 a BGB § 612a BGB beinhaltet ein besonderes Benachteiligungsverbot für den Fall, daß ein Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Zu diesen Rechten des Arbeitnehmers müssen zweifellos subjektive Rechte zählen, die dem Berechtigten die stärkste Position gegenüber dem Verpflichteten gewähren. Da§ 612a BGB die Willensfreiheit des Arbeitnehmers bei der Rechtsausübung schützen soll, muß zumindest die Ausübung der subjektiven Rechte des Arbeitnehmers als Inbegriff der Rechte überhaupt vom Anwendungsbereich des Maßregelungsverbots erfaßt sein. In Frage steht hier lediglich, ob bzgl. der Herkunft der subjektiven Rechte eine Differenzierung stattfinden muß. Fraglich ist insoweit, ob § 612 a BGB nur die Willensfreiheit des Arbeitnehmers bzgl. der Ausübung von subjektiven Rechten aus dem Arbeitsverhältnis schützt oder ob der Anwendungsbereich der Norm auch subjektive Rechte erfaßt, die dem Arbeitnehmer unabhängig von seinem Arbeitsverhältnis gegenüber dem Arbeitgeber zustehen. Anschließend ist zu prüfen, ob auch die Willensfreiheit des Arbeitnehmers bzgl. der Ausübung von Grundrechten durch §612a BGB geschützt wird. Im folgenden wird dabei lediglich auf die Frage abgestellt, welche Rechte unter § 612 a BGB fallen. Bei den angegebenen Beispielen ist daher davon auszugehen, daß die übrigen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des§ 612a BGB 117 vorliegen. 1. Subjektive Rechte des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis Zunächst sind die subjektiven Rechte des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis zu betrachten, die unstreitig vom Anwendungsbereich des § 612 a BGB erfaßt werden, da dieNorm ansonsten ihrem Ziel- Schutz der Willensfreiheit des Arbeitnehmers in bezug auf die Rechtsausübung - in keiner Weise gerecht werden könnte. Eine vollständige Aufzählung aller subjektiven Rechte aus dem Arbeitsverhältnis, deren Ausübung von § 612a BGB geschützt wird, kann hier wegen der Fülle dieser Rechte nicht erfolgen. Beispielhaft sollen daher einige subjektive Rechte aus dem Arbeitsverhältnis dargestellt werden, die schon im Zusammenhang mit § 612 a BGB erörtert wurden 118 oder geeignet sind, den Anwendungsbereich des § 612 a BGB zu verdeutlichen. Da die absoluten subjektiven Rechte unabhängig von einem Vertragsverhältnis gegenüber jedermann bestehen, handelt es sich bei den subjektiven Rechten aus dem Arbeitsverhältnis um relative Rechte. Schwerpunkt im Hinblick auf die Rechtsausübung i. S. des § 612a BGB bilden insoweit diejenigen Ansprüche des Arbeitneh117 118

Dazu siehe § 3- § 9. Zu den problematischen Anwendungsfallen s. u. 3. Teil.

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mers gegen den Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis, die dem Arbeitnehmer als Korrelat der Haupt- und Nebenpflichten des Arbeitgebers zustehen. 119

a) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis Bei den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis kann man zwischen der Grundlage der Ansprüche differenzieren. Diese können sich zunächst unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag i. V. m. § 611 BGB ergeben. Macht der Arbeitnehmer beispielsweise seinen sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Lohnanspruch geltend, und wird er aus diesem Grund von seinem Arbeitgeber gekündigt, verstößt diese Benachteiligung gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB und ist daher unwirksamY0 Ebenso ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ein Recht i. S. des § 612a BGB. 121 Auch der Weiterbeschäftigungsanspruch eines Arbeitnehmers, der diesem bei einer unwirksamen Kündigung und fortbestehendem Arbeitsverhältnis zusteht, ist als Anspruch ein Recht i. S. des § 612 a BGB. 122 Eine wegen der Geltendmachung dieser Ansprüche erfolgte Benachteiligung verstößt gegen § 612 a BGB. Wie bereits festgestellt, konkretisieren die öffentlich-rechtlichen Normen des technischen Arbeitsschutzes die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. 123 Der Arbeitnehmer hat damit ein subjektives Recht auf Einhaltung dieser Schutzvorschriften aus seinem Arbeitsvertrag. Wenn ein Arbeitnehmer bei Nichteinhaltung dieser Arbeitsschutzvorschriften, die zu einer konkreten Gesundheitsgefährdung führt, von seinem Arbeitgeber die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Schutzanforderungen verlangt, macht er ein Recht geltend, dessen Ausübung von§ 612a BGB geschützt wird. 124 Fordert ein Arbeitnehmer beispielsweise, daß die Klimaanlage in 119 Vgl. insoweit auch die spezielle Regelung in der Schweiz: Nach Art. 336 Abs. 1 lit. d OR ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, die eine Partei ausspricht, weil die andere Partei nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend macht, rechtsmißbräuchlich; sog. "Rachekündigung", Rehbinder in: Honsel!Nogt/Wiegand, Art. 336 OR, S. 1673; Guhl!Merz/Koller, Obligationenrecht, S.461. Wegen des in der Schweiz geltenden Grundsatzes der Kündigungsfreiheit ist Rechtsfolge der Rechtsmißbräuchlichkeit aber nicht die Nichtigkeit der Kündigung, sondern ein unabhängig vom tatsächlichen Schaden gewährter "Entschädigungsanspruch" nach Art. 336a OR, der zutreffender als Rechtsverletzungsbuße bezeichnet werden sollte, vgl. Rehbinder in: HonsellNogt/Wiegand, Art. 336 OR, S. 1675. 120 Vgl. AG Ulm v. 11.6.1957 - II Ca 452/57, ARSt Band XIX Nr. 173, dort (noch) als Fall der sittenwidrigen Kündigung. 121 BAG v.9.2.1995-2 AZR 389/94, NZA 1996,249 (251). 122 LAG Düsseldorfv. 13.12.1988-8 Sa663/88, LAGE Nr. 3 zu §612a BGB, S.5. 123 Vgl. § 3 I. 2. b). 124 Insoweit ist die Aussage von Schleicher, AR-Blattei, Gleichbehandlung im Arbeitsrecht II, D VIII 1, zutreffend, daß das Maßregelungsverbot Arbeitnehmer schützt, die sich gegen die Nichteinhaltung von Arbeitnehmer-Schutzbestimmungen wenden.

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den Arbeitsräumen repariert wird, weil ansonsten keine ausreichende Lüftung am Arbeitsplatz gewährleistet ist, macht er gegenüber seinem Arbeitgeber den sich aus der Fürsorgepflicht i. V. m. § 5 ArbStättVO ergebenden Erfüllungsanpruch geltend. Einklagbar ist dieser Anspruch zumindest dann, wenn der Arbeitgeber die Erbringung der Arbeitsleistung an den betroffenen Arbeitsplätzen verlangt. Wird er wegen dieser Rechtsausübung benachteiligt, liegt ein Verstoß gegen § 612 a BGB vor. Auch bei Nichteinhaltung der Vorschriften zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Erfüllung dieser Schutzpflichten des Arbeitgebers, die sich aus seiner Fürsorgepflicht i. V. m. den Normen des Beschäftigtenschutzgesetzes ergeben. Benachteiligt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen der Ausübung dieses subjektiven Rechts, liegt ein Verstoß gegen § 612 a BGB vor. Ein subjektives Recht kann sich auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz i. V. m. dem Arbeitsvertrag ergeben. Dieser normiert zwar an sich kein subjektives Recht auf Gleichbehandlung, so daß die grundsätzlich bestehende Pflicht des Arbeitgebers zur Gleichbehandlung nicht selbständig einklagbar ist. 125 Anspruchsbegründende Wirkung kommt dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aber z. B. dann zu, wenn ein Arbeitnehmer willkürlich von einer Gratifikation ausgenommen wird. 126 Eine nach § 612 a BGB unzulässige Maßregelung liegt somit auch dann vor, wenn ein Arbeitnehmer benachteiligt wird, weil er die Zahlung einer Gratifikation verlangt, die ihm unter Verstoß des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bislang vorenthalten wurde, da sich in diesem Fall aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz i. V. m. dem Arbeitsvertrag ein subjektives Recht ergibt, dessen zulässige Ausübung durch den Arbeitnehmer nicht sanktioniert werden darf. Auch aus dem Diskriminierungsverbot von Männem und Frauen kann sich ein Anspruch ergeben. 127 Verlangt ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin beispielsweise für seine bzw. ihre Tätigkeit die gleiche Vergütung, die Arbeitnehmer des anderen Geschlechts für diese erhalten und wird ihm/ihr daraufhin gekündigt, verstößt diese Kündigung gegen§ 612a BGB, wenn sie nur erfolgt, weil der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin den aus § 612 Abs. 3 S. I BGB und Art. 141 EG [ex Art. 119 EGV) begründeten Anspruch geltend macht. Ansprüche des Arbeitnehmers, die Rechte i. S. des§ 612a BGB darstellen, können sich neben dem Arbeitsvertrag auch aus anderen arbeitsrechtlichen Rechtsgrundlagen i. V. m. dem Arbeitsvertrag ergeben. Hierbei ist an Ansprüche aus einem Tarifvertrag oder aus Betriebsvereinbarungen zu denken. Macht ein Arbeitnehmer z. B. seinen Anspruch auf Zahlung des Tariflohns geltend und wird ihm deswegen s.o. § 3 I. 2. c) aa). Zöllner!Loritz, Arbeitsrecht, § 17 Il, S. 216. 127 s.o. § 3 I. 2. c) bb). 125

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gekündigt, verstößt die Kündigung gegen § 612 a BGB. m Insoweit könnte dem Maßregelungsverbot besonders in den neuen Bundesländern Bedeutung zukommen, da hier oftmals trotz beiderseitiger Tarifbindung untertariflich bezahlt wird. Bei der Geltendmachung des Anspruchs auf Tariflohn muß der Arbeitnehmer mit Benachteiligungen rechnen und wird deshalb häufig von dieser Rechtsausübung absehen. Erfolgt die Benachteiligung jedoch wegen der Geltendmachung des tariflichen Anspruchs, liegt ein Verstoß gegen § 612 a BGB vor. 129 Auch eine Kündigung, die ausgesprochen wird, weil ein Arbeitnehmer seinen tarifvertraglich festgelegten Anspruch auf Vorruhestandsgeld geltend macht, verstößt gegen § 612 a BGB, da der Anspruch aus dem Tarifvertrag i. V. m. dem Arbeitsvertrag ein subjektives Recht des Arbeitnehmers begründet. 130 Ansprüche, deren Ausübung durch § 612a BGB geschützt wird, können sich auch aus dem Arbeitsvertrag i. V. m. anderen arbeitsrechtlichen Bestimmungen ergeben.131 So gewährt § 45 Abs. 3 S. I SGB V Versicherten einen Anspruch gegen ihren Arbeitgeber auf Freistellung von der Arbeitsleistung, wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, daß sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten Kindes der Arbeit fernbleiben und eine andere im Haushalt lebende Person diese Aufgabe für das Kind, welches das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nicht übernehmen kann (§ 45 Abs. I SGB V). Eine Benachteiligung, die aufgrund der Geltendmachung dieses Freistellungsanspruchs erfolgt, verstößt damit gegen § 612 a BGB. Ein subjektives Recht ergibt sich auch aus dem Arbeitsverhältnis i. V. m. dem BUriG. Nach § I BUriG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr einen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub, dessen Dauer von den Voraussetzungen der §§ 3-5 BUriG abhängig ist. Macht ein Arbeitnehmer diesen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub in zulässiger Weise geltend und wird er deswegen vom Arbeitgeber benachteiligt, verstößt diese Benachteiligung gegen §612a BGB. Für die Anwendbarkeit des § 612 a BGB ist nicht entscheidend, daß das ausgeübte subjektive Recht sich unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis ergibt oder ausdrücklich gesetzlich normiert ist. Ausreichend ist es vielmehr auch, wenn ein subjektives Recht des Arbeitnehmers im Wege richterlicher Rechtsfortbildung anerkannt wor128 Das BAG v. 23.11.1961 - 2 AZR 301/61, AP Nr. 22 zu § 138 BGB, stellte in einem derartigen Fall noch die Unwirksamkeit nach § 138 BGB fest, da das Maßregelungsverbot des § 612a BGB zu diesem Zeitpunkt noch nicht erlassen war. 129 Vgl. dazu auch Richardi, NZA 2000, 161 (171), der anregt, im Schutzinteresse des betroffenen Arbeitnehmers seiner Gewerkschaft insoweit eine Prozeßstandschaft einzuräumen. 130 BAG v.2.4.1987 -2 AZR 227/86, APNr.l zu §612aBGB; BAG v.21.7.1988-2 AZR 527/87, AP Nr.IO zu§ I TVG Rückwirkung. 131 Daher überzeugt es nicht, wenn Palandt/Putzo, § 612 a BGB Rn. I, und Thüsing, NZA 1994,728 (730), ausführen, bei den Rechten im Sinne des §612a BGB handele es sich um solche aus dem Arbeitsvertrag. Grundlage der Rechte können nämlich auch andere arbeitsrechtliche Bestimmungen i. V. m. dem Arbeitsvertrag sein, so daß es treffender ist, von Rechten aus dem Arbeitsverhältnis zu sprechen.

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den ist. 132 Begründen läßt sich dies mit der gesetzesergänzenden Funktion der richterlichen Rechtsfortbildung und dem uneingeschränkten Wortlaut des § 612 a BGB, der nicht nach der Herkunft der subjektiven Rechte unterscheidet. Dem Schutzziel des § 612 a BGB kann nur Genüge getan werden, wenn alle subjektiven Rechte aus dem Arbeitsverhältnis erfaßt werden, unabhängig davon, ob sie sich unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag ergeben oder das Ergebnis richterlicher Rechtsfortbildung sind. 133 b) Sonstige subjektive Rechte aus dem Arbeitsverhältnis Auch die zu den subjektiven Rechten zählenden Einreden und Gestaltungsrechte aus dem Arbeitsverhältnis unterfallen dem Anwendungsbereich des § 612a BGB. Hat der Arbeitnehmer beispielsweise ein Recht, seine Arbeitsleistung wegen rückständiger Lohnzahlungen zurückzubehalten, ist diese Ausübung einer Einrede durch das Maßregelungsverbot geschützt, unabhängig davon, ob man das Leistungsverweigerungsrecht in diesem Fall auf§ 273 BGB stützt 134 oder zutreffender auf § 320 BGB abstellt. 135 Eine wegen der Geltendmachung dieser Einrede ausgesprochene Kündigung verstößt gegen§ 612a BGB. 136 Ein solches Leistungsverweigerungsrecht ergibt sich unter anderem dann, wenn der Arbeitgeber einer ihm wegen der Doppelwirkung obliegenden Pflicht, die Schutzanforderungen des öffentlich-rechtlichen technischen Arbeitsschutzes einzuhalten, nicht nachkommt. § 21 Abs. 6 S. 2 GefahrstoffV0 137 gewährt dem Arbeitnehmer dabei ein besonderes Leistungsverweigerungsrecht, das neben § 273 BGB anwendbar ist. 138 Macht der Arbeitnehmer beispielsweise von diesem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch, weil ihm Gesundheitsschädigungen durch einen asbestbelasteten Arbeitsplatz un132 So Helpertz, DB 1990, 1562 (1563), im Hinblick auf ein Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers beim Betriebsübergang gern. §613a Abs.1 S.1 BGB. Inhaltlich steht diesem Recht die Konstruktion eines Gestaltungsrechts nahe, da durch die Geltendmachung die Folge des ansonsten eintretenden Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber verhindert wird. 133 Vgl. Helpertz, DB 1990, 1562 (1563). 13• So die Rechtsprechung: BAG v. 9.5.1996-2 AZR 387/95, APNr.5 zu §273 BGB =NJW 1997, 274ff.; LAG Thüringen v.19.1.1999-5 Sa 895/97, LAGE Nr.1 zu §273 BGB. 135 Otto, AR-Blattei SD Zurückbehaltungsrecht 1880 Rn.47 m. w. N.; Heiderhoff, JuS 1998, 1087 (1088 ff.). 136 Löwisch, BB 1997, 782 (784); vgl. BAG v. 9.5.1996 -2 AZR 387/95, APNr. 5 zu § 273 BGB. Das BAG greift hier jedoch nicht auf§ 612a BGB zurück, sondern stellt die Unwirksamkeit der verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung allein aufgrundder fehlenden sozialen Rechtfertigung nach§ 1 II KSchG fest (unter 112. der Gründe, BI. 1751 h). Zum Verhältnis des§ 612a BGB zu§ 1 Abs: 2 KSchG s. u. 3. Teil§ 14 I. 1. a). 137 Näher dazu§ 12 III.4. 138 Vgl. N. Fabricius, Einstellung der Arbeitsleistung, S. 158, der§ 21 Abs.6 S. 2 GefStoffVO eine Verdeutlichungsfunktion zuweist, jedoch die Bezeichnung als Zurückbehaltungsrecht als zu ungenau ablehnt.

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mittelbar drohen, 139 und wird er aus diesem Grunde von seinem Arbeitgeber benachteiligt, liegt ein Verstoß gegen § 612 a BGB vor. Auch im Falle der unberechtigten Verweigerung der Freistellung nach § 45 Abs. 3 S. 1 SGB V durch den Arbeitgeber hat der Arbeitnehmer ein subjektives Recht, der Arbeit eigenmächtig fernzubleiben. 140 Dieses Leistungsverweigerungsrecht muß gelten, da die Vorschrift des § 45 Abs. 3 S. 1 SGB V ansonsten weitgehend ihren Sinn verlöre, wenn der Arbeitnehmer bei der Verweigerung der Freistellung erst eine gerichtliche Freistellung herbeiführen müßte, da die Krankheit des Kindes dann meist beendet sein wird. 141 Wird dem Arbeitnehmer gekündigt, weil er wegen der Pflege seines erkrankten Kindes der Arbeit fernbleibt, verstößt diese Kündigung folglich gegen § 612 a BGB. 142 Geschützt durch § 612 a BGB ist auch die Willensfreiheit des Arbeitnehmers im Hinblick auf die Ausübung von Gestaltungsrechten aus dem Arbeitsverhältnis, wenn dieser Rechtsausübung auch keine große praktische Bedeutung zukommt. Ein Gestaltungsrecht des Arbeitnehmers ist das Recht zur Eigenkündigung, insbesondere der ordentlichen Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Erfolgt wegen der Eigenkündigung des Arbeitnehmers eine "Revanchekündigung" des Arbeitgebers zu einem früheren Beendigungszeitpunkt, verstößt diese Kündigung gegen § 612a BGB. 143 Fraglich ist, ob sich subjektive Rechte des Arbeitnehmers auch aus dem Betriebsverfassungsrecht ergeben können. Zu denken ist hier an die Einleitung einer Betriebsratswahl durch einen Arbeitnehmer. Gern. § 17 Abs. 2 BetrVG können drei wahlberechtigte Arbeitnehmer eines Betriebes zu einer Betriebsversammlung einladen, auf der ein Wahlvorstand gewählt werden soll. Die Befugnis des § 17 Abs. 2 BetrVG wird als Einladungsberechtigung bezeichnet. 144 Systematisch entspricht das Recht zur Einladung zur Betriebsversammlung den Mitwirkungsrechten als Form des subjektiven Rechts. Der Arbeitnehmer erhält die Befugnis, zusammen mit zwei weiteren Arbeitnehmern zur Betriebsversammlung einzuladen. Dieser Befugnis korreliert keine Pflicht des Arbeitgebers, jedoch trifft ihn eine Art rechtlicher Gebundenheit: Der Arbeitgeber muß die Einleitung der Betriebsversammlung hinnehmen bzw. gegen sich gelten lassen. Wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer Vgl. BAG v. 2.2.1994-5 AZR 273/93, AP Nr. 4 zu §273 BGB. Kittner{frittin, KSchR, 2. Aufl., § 612 a BGB Rn. 21; vgl. auch Kittner/Däubler, KSchR, §612a BGB Rn. 13. 141 LAG Köln v.13.10.1993-7 Sa 690/93, LAGE Nr. 5 zu §612aBGB, S.3. 142 LAG Köln v. 13.10.1993-7 Sa 690/93, LAGE Nr. 5 zu§ 612a BGB; Kittner(Trittin, KSchR, 2. Autl., § 612 a BGB Rn. 22. 143 LAG Nümberg v. 17.10.1988-6 Sa 44/87, LAGE Nr. 2 zu §612a BGB. Zur Frage, inwieweit im übrigen der Sachverhalt zu berücksichtigen ist, wenn er an sich geeignet ist, die Arbeitgeberkündigung zu rechtfertigen, s. u. 3. Teil § 13 I. 144 FIK/H/E, § 17 BetrVG Rn.6; GK!Kreutz, § 17 BetrVG Rn.12; Schneider in Däubler/Kittner/Kiebe, § 17 BetrVG Rn. 3; Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 17 BetrVG Rn. 4, 5. 139 140

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benachteiligt, weil dieser in zulässiger Weise sein Recht auf Einleitung der Betriebsratswahl nach § 17 Abs. 2 BetrVG wahrnimmt, verstößt diese Benachteiligung gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB. 145 2. Subjektive Rechte des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber unabhängig vom Arbeitsverhältnis Bislang wurde gezeigt, daß an die Ausübung von subjektiven Rechten des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis keine Sanktionen durch den Arbeitgeber geknüpft werden dürfen, weil dies gegen§ 612a BGB verstößt. Fraglich ist nun, ob eine Benachteiligung seitens des Arbeitgebers auch dann nach § 612 a BGB unzulässig ist, wenn sie wegen der Ausübung eines subjektiven Rechts erfolgt, welches der Arbeitnehmer nicht aus seinem Arbeitsverhältnis herleiten kann, sondern das ihm unabhängig von seinem Arbeitsverhältnis gegenüber der Person des Arbeitgebers zusteht. a) Beispielsfälle

Solche subjektiven Rechte können sich insbesondere aus bestehenden anderen privatrechtliehen Verhältnissen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer außerhalb des Arbeitsvertrages ergeben. Soweit ersichtlich ist bislang erst ein Fall der Benachteiligung wegen einer derartigen Rechtsausübung von einem LAG entschieden worden, in diesem Fall stand jedoch nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern die Höhe der Abfindung nach § 10 KSchG in Frage. 146 Die Rechtsausübung der Arbeitnehmerin lag hier in der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegenüber ihrem Arbeitgeber, der zugleich ihr Ehemann war. 147 Der Ehemann nahm diese Rechtsausübung zum Anlaß für eine Kündigung. Darüber hinaus sind weitere Fälle vorstellbar: Zu denken ist z. B. an einen Fall, in dem der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber dessen Privat-Pkw kauft. Nach Abschluß des Kaufvertrags zeigen sich nicht angegebene Mängel. Nachdem der Arbeitnehmer deswegen Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber als Verkäufer 145 Vgl. LAG Hamm v.l5.1.1985 -7 (5) Sa 1430/84, LAGE Nr.5 zu§ 20 BetrVG 1972, in dem konkreten Fall fehlte es für die Anwendbarkeit des § 612 aBGB aber an der Kausalität zwischen Rechtsausübung und Benachteiligung. 146 LAG Köln v.l5.9.1994- 10 Sa 595/94, LAGE Nr. 3 zu§ 10 KSchG. 147 Die Höhe der Unterhaltsansprüche begründete die Klägerin mit nichtversteuerten Einnahmen aus dem Betrieb des Ehemannes. In der Urteilsbegründung des LAG Köln v. l5.9.1994- 10 Sa 595/94, LAGE Nr.3 zu§ 10 KSchG, S.4, heißt es dazu: "Die Klägerin hat mit ihrem Hinweis auf unversteuerte Einkünfte des Betriebes (...) in zulässiger Weise ihre Rechte ausgeübt." Diese Formulierung verschleiert jedoch, daß die eigentliche Rechtsausübung in der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs lag.

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geltend macht, wird ihm vom Arbeitgeber gekündigt. Ein weiteres Beispiel zeigt sich, wenn der Arbeitgeber zugleich Vermieter der vom Arbeitnehmer bewohnten Wohnung ist. Der Arbeitnehmer mindert wegen eines Mangels der Wohnung die Miete, daraufhin kürzt der Arbeitgeber im Folgemonat den Lohn des Arbeitnehmers. Hier stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des § 612 a BGB. b) Subjektive Rechte unabhängig vom Arbeitsverhältnis als Rechte i.S. des §612a BGB

Der Arbeitgeber hat regelmäßig gegenüber dem Arbeitnehmer eine Machtstellung inne. Es ist daher nicht abwegig, daß er diese Machtstellung mißbraucht, indem er die Ausübung von Rechten des Arbeitnehmers sanktioniert, die diesem außerhalb des Arbeitsverhältnisses zustehen. Gerade wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber noch neben dem Arbeitsvertrag in einer weiteren (vertraglichen) Beziehung stehen, besteht die Gefahr, daß der Arbeitgeber zwischen den unterschiedlichen Vertragsverhältnissen nicht strikt trennt und die Ausübung von nicht aus dem Arbeitsverhältnis herrührenden subjektiven Rechten des Arbeitnehmers zum Anlaß nimmt, diesen innerhalb des Arbeitsverhältnisses durch eine Vereinbarung oder Maßnahme zu benachteiligen. 148 Daher wird auch in diesen Fällen die Frage der Anwendbarkeit des § 612 a BGB relevant. Aus dem Wortlaut des§ 612a BGB ergibt sich nicht, ob die Norm auch die Willensfreiheit bzgl. der Ausübung subjektiver Rechte schützt, die nicht aus dem Arbeitsverhältnis stammen. § 612 a BGB begründet ein Verbot, den Arbeitnehmer zu maßregeln, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise "seine Rechte" ausübt. Eine ausdrückliche Beschränkung auf die Rechte aus dem Arbeitsverhältnis liegt nicht vor, so daß nach dem Wortlaut des § 612 a BGB auch subjektive Rechte, die dem Arbeitnehmer außerhalb des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitgeber zustehen, erfaßt werden können. 149 Auch die Entstehungsgeschichte der Norm steht dieser Auslegung nicht entgegen, •so da bereits festgestellt wurde, daß § 612 a BGB über die EG-rechtlichen Vorgaben hinausgeht. Aus systematischen Erwägungen könnte gegen die Einbeziehung von Rechten außerhalb des Arbeitsverhältnisses sprechen, daߧ 612a BGB im Zusammenhang mit den dienst- bzw. arbeitsvertragliehen Vorschriften geregelt ist. Man könnte daher argumentieren, daß bei der Formulierung "seine Rechte" zwar nicht ausdrücklich von arbeitsvertragliehen Rechten die Rede ist, sich dies jedoch aus dem Zusammenhang mit den Regelungen der §§ 611 ff. 148 Dies zeigt der Sachverhalt, der dem Urteil des LAG Köln v. 15.9.1994- I 0 Sa 595/94, LAGE Nr. 3 zu § 10 KSchG zugrundeliegt, besonders anschaulich. 149 So auch die Auslegung von Schweinberger, Prämien und Arbeitskampf, S. 32. tso Anders aber LAG Schleswig-Holstein v. 17.11.1997 - 5 Sa 184/97, LAGE Nr. 3 zu§ 242 BGB, S. 7, das unter Hinweis aufdie Umsetzung von Art.5 der Richtlinie 75/117/EWG davon ausgeht, § 612 a BGB beschränke sich nur auf "die Ausübung von Rechten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses".

S Wilken

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BGB ergebe, die das Arbeits- bzw. Dienstverhältnis betreffen. Diese Argumentation ist im Ergebnis jedoch abzulehnen. Aus der Regelung im Zusammenhang mit § § 611 ff. BGB läßt sich lediglich erschließen, daß es sich bei § 612 a BGB um ein arbeitsrechtliches Maßregelungsverbot handelt. 151 Aus diesem Zusammenhang kann aber nicht gefolgert werden, daß es sich bei den Rechten i. S. des § 612 a BGB nur um solche aus dem Arbeitsverhältnis handelt. 152 Für die Einbeziehung von Rechten außerhalb des Arbeitsverhältnisses in§ 612a BGB spricht insbesondere der Zweck der Norm. § 612 a BGB dient dem Schutz der Willensfreiheit des Arbeitnehmers. 153 Hintergrund der Vorschrift ist dabei, daß der Arbeitgeber gegenüber dem persönlich abhängigen Arbeitnehmer eine Machtstellung innehat. Der Mißbrauch dieser Machtstellung dahingehend, den Arbeitnehmer wegen der zulässigen Rechtsausübung zu benachteiligen, soll durch die Regelung des § 612 a BGB sanktioniert bzw. vermieden werden. Dabei kann es für die Anwendbarkeit des§ 612a BGB nicht darauf ankommen, ob sich die Rechte des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis ergeben oder ihre Rechtsgrundlage außerhalb des Arbeitsverhältnisses zu finden ist. 154 Hauptanwendungsfall wird zwar die Maßregelung wegen der Ausübung von Rechten aus dem Arbeitsverhältnis sein. Wenn der Arbeitnehmer aber aus anderen privatrechtliehen Verhältnissen subjektive Rechte gegenüber dem Arbeitgeber hat, darf der Arbeitgeber auch diese zulässige Ausübung von Rechten nicht zum Anlaß nehmen, um den Arbeitnehmer zu benachteiligen. Denn auch dies würde die Willensfreiheit des Arbeitnehmers beschränken. Da§ 612a BGB eine Schutznorm zugunsten des Arbeitnehmers ist, die wegen der grundsätzlich bestehenden Machtstellung des Arbeitgebers erforderlich ist, muß daher auch die Ausübung von subjektiven Rechten, die dem Arbeitnehmer außerhalb des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitgeber zustehen, vom Anwendungsbereich der Norm erfaßt werden. 155 Die unter a) beispielhaft dargestellten Benachteiligungen verstoßen daher gegen § 612 a BGB.

s Dies ergibt sich allerdings ohnehin schon aus dem Wortlaut des§ 612a BGB. Das LAG Schleswig-Holstein v. 17.11.1997-5 Sa 184/97, LAGE Nr. 3 zu§ 242 BGB, S. 7, unterstellt jedoch auch dem BAG eine derartig beschränkte Auffassung, da in der Entscheidung des BAG v. 2.4.1987-2 AZR 227/86, AP Nr. 1 zu§ 612a BGB, unter II. l.d) bb), von ,,Arbeitnehmerrechten" die Rede ist. Unabhängig davon, daß sich das BAG in dieser Entscheidung gar nicht damit auseinandergesetzt hat, was unter den Rechten i. S. des § 612 BGB zu verstehen ist, läßt sich aus dieser Formulierung m. E. eine derartige Auslegung nicht entnehmen. 153 s. o. 1. Teil § 21. 154 So auch ErfK./Preis, § 612a BGB Rn. 2; Stah/hacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz Rn.l82. 155 So im Ergebnis - jedoch ohne Begründung- auch Preis, NZA 1997, 1256 ( 1265). 1 1 152

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3. Grundrechte als subjektive Rechte Gezeigt wurde bereits, daߧ 612a BGB die Willensfreiheit des Arbeitnehmers bei der Ausübung von subjektiven Rechten schützt, die diesem aus dem Arbeitsverhältnis oder anderen privatrechtliehen Verhältnissen gegenüber dem Arbeitgeber zustehen. In Frage steht nun, ob zu den Rechten i. S. des § 612a BGB auch die Grundrechte des Arbeitnehmers zählen. Aufgrund der sozialen und in der Regel zusätzlich bestehenden wirtschaftlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber, besteht die Gefahr, daß es innerhalb des Arbeitsverhältnisses zur Verletzung von Grundrechten kommt 156 und der Arbeitgeber die Ausübung von Grundrechten sanktioniert. Daher besteht gerade bzgl. der Ausübung von Grundrechten ein Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers. 157 Der Frage, ob die Grundrechtsausübung von § 612a BOBerfaßt wird, kommt daher erhebliche Bedeutung zu. An einer ausdrücklichen höchstrichterlichen Entscheidung über diesen speziellen Aspekt fehlt es bislang. 158 Der überwiegende Teil der Literatur zu § 612 a BOB geht auf die Frage der Einbeziehung der Grundrechte nicht ein. Diejenigen Autoren, die sich mit diesem Problem befassen, erstrecken den Schutzbereich des § 612a BGB auch auf die Ausübung von Grundrechten. 159 Hier soll zunächst auf die Rechtsqualität der Grundrechte als subjektive Rechte eingegangen werden. Entscheidend für die Frage der Einbeziehung der Grundrechte ist dann, welche Wirkung diese grundsätzlich auf das Arbeitsverhältnis, also die Beziehung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber, haben. Vgl. Aussem, Ausstrahlungswirkung der Grundrechte, S. 5 f. Vgl. Gremper, Ausübung verfassungsmäßiger Rechte, S. 10. Nicht zuletzt aufgrund die· ser Schutzbedürftigkeit wurde in der Schweiz die Norm des Art. 336 Abs. 1 lit. b OR erlassen, nach der die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses mißbräuchlich ist, die von einer Partei ausgesprochen wird, weil die andere Partei ein verfassungsmäßiges Recht ausübt, es sei denn, die Rechtsausübung verletze eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb. Art. 336 Abs. 1 lit. b OR bezieht sich jedoch- anders als § 612a BGB -lediglich auf Kündigungen. Wegen des in der Schweiz geltenden Grundsatzes der Kündigungsfreiheit ist Rechtsfolge der Rechtsmißbräuchlichkeit zudem nicht die Nichtigkeit der Kündigung, sondern ein unabhängig vom tatsächlichen Schaden gewährter "Entschädigungsanspruch" nach Art. 336 a OR; vgl. dazu schon Fn. 119. 158 Das LAG Schleswig-Holstein v. 17.11.1997-5 Sa 184/97, LAGE Nr. 3 zu§ 242 BGB unter 4. b) cc), S. 7, sieht den Wunsch einer Arbeitnehmerin, sich künstlich befruchten zu lassen, nicht als Recht i. S. des§ 612a BGB an. Da dies auch unter die Ausübung des Rechts der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. I GG fallt, lehnt das LAG Schleswig-Holstein ebenso wie die Vorinstanz ArbG Elmshom, EZA Nr. 40 zu § 242 BGB unter 4. b), S. 5, zumindest die Einbeziehung des Auffanggrundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in§ 612a BGB ab. 159 Thüsing, NZA 1994, 728 (730), ders., Außenseiter im Arbeitskampf, S. 85; Errnan!Hanau, § 612a BGB Rn. 4; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung, S. 173; ders .• NZA 1997, 1246 (1265); ErfK/Preis, § 612a BGB Rn. 2; Stahlhacke/Preis!Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz Rn. 182; Kittner/Trittin, KSchR, 2. Aufl., § 612 a BGB Rn. 17. So wohl auch Hueck/Hoyningen-Huene, KSchG Rn. 210, wonach das Recht, Ehrenämter anzunehmen, unter§ 612a BGB fallt. 156 157

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a) Rechtsqualität der Grundrechte als subjektive Rechte Vor der Geltung des Grundgesetzes war umstritten, ob die Grundrechte neben der Funktion als objektive Grundprinzipien demokratischer und rechtsstaatlicher Verfassungsordnung dem einzelnen auch subjektive öffentliche Rechte verleihen. Zunächst ging man davon aus, daß die Grundrechte lediglich Beseitigungsansprüche gegenüber dem Staat begründeten. 160 Die überwiegende Rechtslehre hat aber einen Rückschluß vom Beseitigungsanspruch auf ein zugrundeliegendes subjektives Recht vollzogen 161 : "Das Recht auf Unterlassung wird folgeweise dem Recht auf Anerkennung entnommen, das als das eigentliche subjektive Grundrecht erscheint, welches zugleich mit jeder Störung der Freiheitssphäre verletzt wird." 162 Diese grundsätzliche Qualität der Grundrechte als subjektive Rechte wird unter dem Grundgesetz nicht mehr in Frage gestellt. 163 Die Einteilung der subjektiven öffentlichen Rechte erfolgte allerdings nicht einheitlich. Zunächst wurde der Anspruch i. S. des § 194 BGB als Inbegriff des öffentlichen subjektiven Rechts angesehen. 164 Dies wird jedoch der unterschiedlichen Ausprägung der Grundrechte nicht gerecht. Die Abwehrgrundrechte erweisen sich dabei vielmehr als grundrechtliches Gegenstück der zivilrechtliehen Kategorie der Beherrschungsrechte. 165 Pendant zu den zivilrechtliehen Ansprüchen sind die sog. Leistungsgrundrechte. 166 Vergleichbar mit den Gestaltungsrechten im Zivilrecht sind die Bewirkungsgrundrechte, zu denen als Unterfall die Mitwirkungs(grund)rechte, also Wahl- und Stimmrechte, zählen. 167 160 V gl. insb. v. Gerber, Ueber öffentliche Rechte, 1852, S. 34, 79: "Für die Einzelnen haben sie [die Grundrechte] lediglich die Wirkung, daß sie unter Voraussetzung eines bestimmten Thatbestandes eine Berechtigung erzeugen, z. B. das Recht auf Zurücknahme einer Verfügung." 161 Zu den Nachweisen vgl. Stern, Staatsrecht III/1, § 65 II 1., S. 508 ff. 162 Pfeifer, Die Idee der Grundrechte in der deutschen Literatur von 1790 bis Georg Jellinek (1892), S. 35. 163 Stern, Staatsrecht III/1, § 65 II 2, S. 530; Hesse in: Handbuch des Verfassungsrechts, § 5 Rn. 16; Pieroth/Schlink, Staatsrecht li, Rn. 5; BVerfGE 6, 386 (387). 164 Zu den Nachweisen vgl. Stern, Staatsrecht III/1., § 65 III 1., S. 554. I6S Stern, Staatsrecht III/1, § 65 IV 2., S. 563. Nach a. A. liegt keine Ausschließungsbefugnis als subjektives Recht vor, vielmehr seien die Abwehrgrundrechte als Summierung der gegen den jeweiligen Störer gerichteten Ausschließungsansprüche zu verstehen, Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 19 ff. Stern, a. a. 0., S. 564, ist aber darin zuzustimmen, daß das Verständnis der Grundrechte als isolierte Unterlassungsansprüche dem Wesen der Grundrechte als subjektive Rechte nicht gerecht wird. In den verschiedenartigen Schutzbereichen der Grundrechtsbestimmungen liegt ihr materieller Kern, an den die Unterlassungsansprüche lediglich anknüpfen, so daß sich die Abwehrgrundrechte als Pendant der zivilrechtliehen Beherrschungsrechte erweisen. So auch lsensee, in: Handbuch des Staatsrechts V, § 111 Rn. 76. 166 Stern, Staatsrecht III/1, §65IV2., S. 569. 167 V gl. Stern, Staatsrecht III/1, § 65 IV, S. 57 0ff. Unberücksichtigt sollen hier die grundrechtlichen Rechtsstellungen, z. B. Mitgliedschaftsrechte und Deutscheneigenschaft, bleiben.

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h) Wirkung der Grundrechte im Arbeitsverhältnis Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob § 612 a BGB auch die Willensfreiheit des Arbeitnehmers in bezugauf die Ausübung von Grundrechten schützt, ist die grundsätzliche Wirkung der Grundrechte im Arbeitsverhältnis. 16x Primär sind die Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat und seine Organe konzipiert. Ginge man davon aus, daß alle Grundrechte auch im Privatrecht unmittelbare Wirkung entfalteten, also nicht nur im Verhältnis Bürger und Staat, sondern auch in der Beziehung von Privatrechtssubjekten untereinander, würde sich die Frage der Einbeziehung der Grundrechte nicht stellen bzw. ohne Schwierigkeiten beantworten lassen: Ausgehend von einer unmittelbaren Wirkung der Grundrechte im Arbeitsverhältnis würde auch die Grundrechtsausübung vom Schutzbereich des § 612 a BGB erfaßt werden, weil es sich bei den Grundrechten dann um subjektive Rechte im Arbeitsverhältnis handeln würde, deren Ausübung- wie dargelegt- nicht sanktioniert werden dürfte. Die Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung, insb. innerhalb des Arbeitsverhältnisses, ist jedoch umstritten. Nach der Theorie der unmittelbaren Drittwirkung 169 sind die Grundrechte auch im Privatrechtsverkehr unmittelbar geltendes Recht und folglich auch bei der rechtsgeschäftlichen Ausübung der Privatautonomie zu beachten. Zivilrechtsdogmatisch würde eine unmittelbare Drittwirkung dazu führen, daß die Grundrechte als gesetzliche Verbote i. S. des § 134 BGB anzusehen wären. 170 Eine solche unmittelbare Drittwirkung ist von dem BAG früher mit der Begründung vertreten worden, daß eine Reihe bedeutsamer Grundrechte nicht nur Freiheitsrechte gegenüber dem Staat garantierten, sondern vielmehr Ordnungssätze für das soziale Leben seien, die in einem aus dem Grundrecht näher zu entwickelnden Umfang auch für den privaten Rechtsverkehr der Bürger untereinander unmittelbare Bedeutung hätten. Zudem spreche das Bekenntnis des Grundgesetzes zum sozialen Rechtsstaat (Artt. 20, 28 GG) für die unmittelbare Grundrechtswirkung. 171 Gegen eine unmittelbare Drittwirkung läßt sich neben dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG, in dem als Adressat nur die öffentliche Gewalt genannt wird, auch die Entstehungsgeschichte der Grundrechte sowie die Tatsache nennen, daß an wenigen Stellen des Grundgesetzes die Wirkung 168 Ausführlich zur Wirkung der Grundrechte im Arbeitsverhältnis in neuerer Zeit: Aussem, Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das Arbeitsverhältnis, 1994. Als Vertreter einer unmittelbaren Drittwirkung im Arbeitsverhältnis: Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, 1989. 169 Zur unklaren Terminologie der Drittwirkung vgl. Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (199, Fn. 116). no Vgl. Canaris, AcP 184, S. 202. 171 BAG v. 3.12.1954- 1 AZR 150/54, BAGE 1, 185 (193); Vgl. auch BAG v. 15.1.1955- 1 AZR 305/54, BAGE 1, 258 (262), BAG v. 10.5.1957- IAZR 249/57, BAGE 4, 274 (276); BAG v.23.2.1959 - 3 AZR 583/57, BAGE 7, 256 (260); BAG v.29.6.1962-1 AZR 343/61, BAGE 13, 168 (174f); BAG v.28.9.1972-2AZR469nl, BAGE 24,438 (441); auchderBGH hatte teilweise eine unmittelbare Drittwirkung angenommen, vgl. BGH v. 6.4.1960 - IV ZR276/59, BGHZ 33, 145 (149f); BGH v. 24.10.1962-IV ZR81/62, BGHZ 38, 317 (319f).

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eines Grundrechts ausdrücklich auf private Rechtsverhältnisse erstreckt wird, was unsinnig wäre, wenn die Grundrechte grundsätzlich in Privatrechtsverhältnissen unmittelbar gelten würden. 172 Zudem wird teilweise eine Gefahrdung der Privatautonomie befürchtet, wenn die handelnden Subjekte denselben Schranken unterliegen wie der eingreifende Staat. 173 Inzwischen hat sich auch das BAG- trotz des in der Regel auch zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestehenden Machtverhältnisses - von der Theorie der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte abgewandt. 174 In der Literatur wird die unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung nur noch vereinzelt vertreten. 175 Die Rechtsprechung 176 und der überwiegende Teil der Lehre 177 gehen nunmehr von der Theorie der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte aus. Danach gelten die Grundrechte nicht unmittelbar im Privatrecht, sondern nur mittelbar über die wertausfüllungsfahigen und -bedürftigen Begriffe und Generalklauseln des Privatrechts, die grundrechtskonform ausgelegt Werden müssen. Die Grundrechte benötigen daher immer eine derartige Norm des Zivilrechts als "Einfallstor", um in ein privatrechtliches Rechtsverhältnis Einlaß zu finden. Solche Einfallstore sind insb. die Generalklauseln der§§ 138, 242, 315 und 826 BGB. Die Grundrechte sind zivilrechtsdogmatisch danach nur dann ausnahmsweise Nichtigkeitsgrund i. S. des § 134 BGB, wenn ihre unmittelbare Wirkung im Privatrecht ausdrücklich verfassungsrechtlich angeordnet ist. Zu bedenken ist, daß die Theorien zwar eine dogmatisch unterschiedliche Struktur haben, die Anwendung der unterschiedlichen Theorien in der Praxis aber häufig zu den gleichen Ergebnissen führt. 178 172 Pieroth/Schlink, Staatsrecht II Rn. 188; vgl. auch Canaris, AcP 184, S. 203ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 354. 173 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 354. Zu weiteren Argumenten vgl. Otto, Personale Freiheit, S. 140f. 174 BAG GS v. 27.2.1985 -GS 1/84, BAGE 48, 122 (138f); BAGE GS 12.6.1992- GS 1/89, JZ 1993, 908 (909). 175 Hager, JZ 1994, 373 ff.; im Ergebnis auch Kittner!Trittin, KSchR, 2. Aufl., Vorbemerkung GG Rn. I ff. ; auch KR!Friedrich , § 13 KSchG Rn. 179 f., geht davon aus, daß jedenfalls bestimmte Verfassungsvorschriften unmittelbar auf den Privatrechtsverkehr anzuwenden sind und daher auch Grundrechte gesetzliche Verbote sein können, deren Verletzung gern. § 134 BOB zur Nichtigkeit führt; Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, unter I!. 3., S. 28 ff., tritt für eine analoge Anwendung der Grundrechte im Arbeitsverhältnis ein, die durch das bestehende Machtgefälle von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gerechtfertigt sei. 176 BVerfG v. 23.4.1986 - 2 BvR 487/80, BVerfGE 73, 261 (269); BVerfG v. 7.2.1990- 1 BvR 26/84, BVerfGE 81,242 (256); BVerfG v.l9.10.1993-l BvR567/89 u. 1 BvR 1044/89, ZIP 1993, 1775 (1779), unter CI; BGH v. 28.4.1986 - Il ZR 254/85, NJW 1986, 2944 (2944), unter 3.a). 177 Grundlegend Dürig in: FS für Nawiasky, 1956, S. 137ff.; ders. in: Maunz/Dürig, GG, Art. IIII Rn. 129 ff; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts Rn. 353 ff.; Kisse/, NZA 1988, 145 (145) m. w. N.; im Ergebnis auch Sowka/Benge/sdorf, KSchG, § 13 Rn.179f. 178 Kempff, Grundrechte im Arbeitsverhältnis, S. 20f, lehnt die Unterscheidung von unmittelbarer und mittelbarer Drittwirkung deshalb ab; auch Starck, in v. Mangoldt/Klein, GG, Art. I III Rn. 194, bezweifelt, daß die Lehren von unmittelbarer und mittelbarer Drittwirkung

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Nach einer differenzierenden Ansicht in der Literatur ist die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte der dogmatisch treffendste Ansatzpunkt, um die Wirkung der Grundrechte entsprechend dem Wesen und Gehalt der Grundrechte zu lösen. 179 Die sich aus den Grundrechten ergebenden Schutzpflichten schützen danach die grundrechtlichen Schutzgüter durch den Staat auch gegenüber den Einwirkungen Dritter. 180 Diese Funktion der Grundrechte als Begründung staatlicher Schutzpflichten bestünde gerade auch im Bereich der sog. Drittwirkung. Instrumentarien zur Entfaltung dieser Schutzgebotsfunktion im Bereich der Drittwirkung sollen die Abwägung der betroffenen Grundrechtspositionen, die praktische Konkordanz, der schonende Ausgleich und die grundrechtskonforme Auslegung der Generalklauseln sein. Ausnahmsweise sei auch eine direkte Anwendung der Grundrechtsnormen denkbar, wenn sie "privatrechtlich aktualisierbar" sei und eine "privatrechtliche Anwendungsbrücke" fehle. 181 Da auch nach dieser Ansicht nur ausnahmsweise eine unmittelbare Grundrechtswirkung im Privatrechtsverhältnis stattfindet, 182 ergeben sich keine wesentlichen Unterschiede zur Theorie der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, 183 von der im Folgenden mit der wohl h. L. und der Rechtsprechung auszugehen ist.

tatsächlich zu anderen Ergebnissen führen; vgl. auch MüKo/Säcker, Band I Einleitung Rn. 56, der nur noch ein "Formulierungsproblem" sieht; vgl. auch Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 484, der davon ausgeht, daß die Theorien ergebnisäquivalent seien. Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (201) lehnt diese- auch nach seiner Ansicht durch die heutige Rechtsprechung bestehende- Ergebnisgleichheit ab. Nach seiner Ansicht, a. a. 0. S. 230, muß die Heranziehung der mittelbaren Drittwirkung zu weniger weitreichenden Ergebnissen führen, als dies bei Anwendung der Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung der Fall wäre. Diederichsen stellt jedoch fest, daß die Rechtspraxis des BVerfG die durch die lediglich mittelbare Drittwirkung erfolgende Privilegierung des Privatrechts nicht einhalte (a. a. 0 . S. 237). 179 Stern, Staatsrecht III/1 , § 761V 5, S. 1572; Auch Kittner{[rittin, KSchR, 2. Aufl., Vorbemerkung GG Rn. 2, stellen auf die sich aus den Grundrechten ergebenden Schutzpflichten ab. Kritisch zu den Schutzptlichten: Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (248ff). 180 Stern, Staatsrecht III/1, § 76 IV 5, S. 1573; so auch Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. I III Rn. 131. Aussem, Ausstrahlungswirkung der Grundrechte, S. 16. 181 Stern, Staatsrecht III/1, § 76 IV 5, S. 1577. Auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 357, der grundsätzlich die mittelbare Drittwirkung propagiert, räumt ein, daß die Grundrechte als Element objektiver Ordnung des Gemeinwesens ihre Bindungswirkung unmittelbar gegenüber Inhabern wirtschaftlicher oder sozialer Macht entfalten können, wenn es nicht möglich ist, die Grundrechte über die Generalklauseln zur Wirkung zu bringen oder gesetzliche Regelungen überhaupt fehlen. Aussem, Ausstrahlungswirkung der Grundrechte, S. 36, lehnt eine unmittelbare Wirkung im Verhältnis der Bürger untereinander aus der Schutzgebotsfunktion grundsätzlich ab. 1a2 Anders aber Kittner{[rittin, KSchR, 2. Autl., Vorbemerkung GG Rn. I ff, die ausgehend von der Schutzgebotsfunktion der Grundrechte zur grundsätzlich unmittelbaren Drittwirkung dieser gelangen. 183 Preis/Stoffels, RdA 1996, 210; anders: Aussem, Ausstrahlungswirkung der Grundrechte, S.l9.

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c) Grundrechte mit unmittelbarer DrittWirkung als Rechte i. S. des§ 612 a BGB Vereinzelt wird im Grundgesetz die Wirkung eines Grundrechts oder einer grundrechtsgleichen Bestimmung ausdrücklich auf private Rechtsverhältnisse erstreckt. In diesen Fällen entfaltet das jeweilige Grundrecht auch in der Rechtsbeziehung zwischen Privatrechtssubjekten ausnahmsweise unmittelbare Wirkung. Der grundsätzliche Streit um die Wirkung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung ist wegen der ausdrücklichen Regelung hier entbehrlich. Diese unmittelbar wirkenden Grundrechte oder grundrechtsgleichen Bestimmungen sind subjektive Rechte des einzelnen, die auch im Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber Wirkung entfalten. Als derartige subjektive Rechte aus dem Arbeitsverhältnis fallen sie zweifellos auch in den Anwendungsbereich des §612aBGB. aa) Art. 9 Abs. 3 S. I GG ( 1) Gehalt und Träger des Grundrechts

Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG gewährleistet für jedermann und für alle Berufe das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Koalitionen zu bilden. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit schützt in positiver Hinsicht die Freiheit des einzelnen, eine derartige Vereinigung zu gründen, ihr beizutreten und sichert in negativer Hinsicht dem einzelnen die Freiheit, aus einer Koalition auszutreten und ihr femzubleiben. 184 Zudem ergibt sich aus Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG auch das subjektiv-öffentliche Recht zur koalitionsmäßigen Betätigung, also der Betätigung zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, wozu auch der Einsatz von Arbeitskampfmitteln gehört, die erforderlich sind, um eine funktionsfahige Tarifautonomie sicherzustellen. 185 Umstritten ist aber, wer Träger dieses Grundrechts auf koalitionsmäßige Betätigung ist. Die h. M. versteht Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG als sog. Doppelgrundrecht, so daß sich neben der individuellen Betätigungsgarantie auch ein subjektives Recht der Koalition ergibt, das ihr selbst den Bestand, die autonome Regelung ihrer Organisation und das Recht zur koalitionsmäßigen Betätigung garantiert. 186 Dabei soll der Umfang 184 BverfG v.l4.11.1995- I BvR 601/92, ZIP 1996 470 (470); MünchArbR!Löwisch, § 244 Rn.2f. 185 BverfGE 84, 212 (225) zur suspendierenden Abwehraussperrung, BverfGE 88, 103 (114) zum Streik; MünchArbR/Otto, §284 Rn.33; Oetker, Anm. zu BAG v.22.3.1994-l AZR 622/93 AP Nr. 130 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, unter IV. 1., BI. 192; anders Brox!Rüthers, Arbeitskampfrecht, Rn. 82ff., der Art. 9 Abs. 3 GG nur als institutionelle Garantie des Arbeitskampfes versteht. 186 BverfGE 84, 212 (224); Löwisch!Rieble, Arbeitskampfrecht 170. I. Rn. 7; Ausführliche Nachweise bei Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfasslingsproblem, S. 51 Fn. 1 und S. 53 Fn. 15.

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der Betätigungsgarantie des einzelnen dem Umfang der kollektiven Betätigungsgarantie folgen. 187 Diese Ableitung und Abhängigkeit des Rechts des einzelnen von der kollektiven Garantie ist kritik würdig, weil es mit dem Charakter des Art. 9 Abs. 3 S. I GG als subjektives Recht schwerlich zu vereinbaren ist, daß wichtige Befugnisse des einzelnen nicht originär zu bestehen scheinen. 188 Zudem läßt sich nach der Ansicht vom Doppelgrundrecht, welche das individuelle Streikrecht gleichsam als Annex der kollektiven Garantie betrachtet, ein individuelles Streikrecht von Außenseitern nur schwer begründen. 189 Überzeugender ist es daher anzunehmen, daß der Arbeitskampf als Form des kollektiven Betätigungsrechts schon Bestandteil der Individualgarantie ist; die Kampfmaßnahme aber auf Arbeitnehmerseite 190 unter dem Vorbehalt der kollektiven Geltendmachung steht. 1 ~ 1 Nach a. A. ist die Koalitionsfreiheit allein ein individuelles Freiheitsrecht. 192 Die Befugnisse der Koalition sollen sich nach dieser Ansicht nicht aus Art. 9 Abs. 3 S. I GG, sondern allein aus Art. 19 Abs. 3 GG herleiten. Die Koalition ist nach diesem Verständnis auf eine summierte Geltendmachung der Individualrechte beschränkt. 193 Sowohl nach der h. M. des Doppelgrundrechts in dem etwas differenzierenden Verständnis als auch nach der letztgenannten Auffassung ergibt sich das subjektive Recht des einzelnen auf koalitionsmäßige Betätigung aus Art. 9 Abs. 3 S. I GG. Durch die Regelung des An . 9 Abs. 3 S. 2 GG kommt dem sich aus diesem Artikel ergebenden Grundrecht unbestritten unmittelbare Drittwirkung zu. 194 Folgt man den genannten Ansichten, ergibt sich aus der Prämisse, daß alle subjektiven Rechte von § 6 I 2 a BGB erfaßt sind, auch die Einbeziehung der Ausübung der Koalitionsfreiheit in §6I2aBGB. 195 Nach Ansicht von Seiter müssen Art. 9 Abs. 3 GG und Art. 2 Abs. I GG dagegen im Hinblick auf die koalitionsmäßige Betätigung kombiniert werden: Die kollektive Betätigungsgarantie ist nach seiner Ansicht in Art. 9 Abs. 3 S. I GG verankert, wähMünchArbR!Löwisch, § 245 Rn. 31. MünchArbR/Otto, § 284 Rn. 37. 189 Begründungsansätze sind insoweit die Solidarität zwischen den Arbeitnehmern, die Funktionsfähigkeit des Tarifsystems und die Teilhabe der Außenseiter am Arbeitskampferfolg, vgl. Thüsing, Außenseiter im Arbeitskampf, S. 45 ff. Versteht man jedoch die Betätigungsfreiheit vorrangig als individuelles Recht, besteht dieses unabhängig von der Organisation für alle Arbeitnehmer, ohne daß es dieser z. T. fragwürdigen Begründungsansätze bedarf. 190 Anders als auf der Arbeitgeberseite: Hier hat auch der einzelne nicht organisierte Arbeitgeber ein subjektives Recht, Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen. 19 1 MünchArbR/Otto, § 284 Rn. 41. 192 Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 135 ff.; 145 ff.; zustimmend Zöllner/Loritz, §81V4e), 5.119 undH. Hanau, RdA 1996, 158 (162). 193 Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 145 ff. 194 v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Vorb. Art. 1-19 Rn. 29; Kannengießer, in: SchmidtBleibtreu/Klein, GG, Art. 9 Rn. l9; KR/Friedrich, § 13 KSchG Rn. l97; Gamil/scheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 191; Scho/z, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Bem. 332. 195 Eine Streitentscheidung bzgl. der Ansichten vom Doppelgrundrecht und Individualgrundrecht ist daher im Hinblick auf§ 612a BGB entbehrlich. 187 188

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rend sich das Recht des einzelnen zur kampfweisen Betätigung aus Art. 2 Abs. 1 GG ergibt. 196 Befürwortet man diese Ansicht, ist die Streikteilnahme des einzelnen Arbeitnehmers nur dann ein Recht i. S. des§ 612a BGB, wenn auch die Ausübung von im Privatrechtsverkehr nur mittelbar wirkenden Grundrechten von§ 612a BGB erfaßt wird, 197 da bei Art. 2 Abs. l GG im Unterschied zu Art. 9 Abs. 3 GG keine unmittelbare Wirkung angeordnet ist. Die Ansicht von Seiterist jedoch nicht überzeugend, weil Voraussetzung der kollektiven Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG ihnen entsprechende Individualrechte sein müssen, es nach Ansicht Seiters jedoch möglich ist, daß unabhängig von der individuellen Garantie ein kollektives Recht besteht. 198 (2) Bedeutung für § 612 a BGB Den subjektiven Rechten des einzelnen, die sich aus der positiven Koalitionsfreiheit ergeben, kommt praktische Bedeutung im Zusammenhang mit §612a BGB zu. Wird beispielsweise das Eintreten eines Arbeitnehmers in eine Gewerkschaft als Ausübung der positiven Koalitionsfreiheit vom Arbeitgeber zum Anlaß genommen, den Arbeitnehmer durch eine verschlechternde Versetzung oder eine Kündigung zu benachteiligen, verstoßen diese Maßnahmen gegen § 612a BGB. 199 Thüsing sieht die positive Koalitionsfreiheit der organisierten Arbeitnehmer auch verletzt, wenn der Arbeitgeber Ausgleichszahlungen aufgrund einer Aussperrung nur an nicht organisierte Arbeitnehmer zahlt und begründet damit einen Verstoß gegen § 612a BGB. 2'K' Zu Recht wird hier der Eintritt in die Gewerkschaft als Rechtsausübung i. S. des § 612 a BGB angesehen, Zweifel bestehen jedoch insoweit an dem notwendigen Zusammenhang zwischen Rechtsausübung und Benachteiligung. 201 § 612 a BGB greift auch, wenn ein Arbeitnehmer sich in zulässiger Weise für seine Koalition betätigt und diese Betätigung den Arbeitgeber dazu veranlaßt, den Arbeitnehmer zu benachteiligen. Demonstriert der Arbeitnehmer etwa seine Gewerkschaftszugehörigkeit durch das Tragen einer Plakette mit dem Gewerkschaftsemblem oder setzt er sich für die Koalition ein, indem er im Betrieb als Vertrauensmann arbeitet, andere Mitglieder berät oder für seine Gewerkschaft wirbt, darf dies nicht zum Anlaß genommen werden, dem Arbeitnehmer zu kündigen. 202 Zu beachten ist Seiler, Streikrecht und Aussperrungsrecht, S 92 f. Dazu vgl. 2. Teil 3 II. 3. d). 19 g So MünchArbR/Otto, § 283 Rn. 40. 199 Vgl. Thüsing, Außenseiter im Arbeitskampf, S. 85. 200 Thüsing, Außenseiter im Arbeitskampf, S. 86, geht davon aus, daß die Ausgleichszahlungen "gezielt im Hinblick auf den Gewerkschaftsbeitritt und zu dessen Beinflussung'' erfolgen. 201 Vgl. dazu§ 8. 202 Vgl. LAG Hamm v. l8.12.1987 -17 Sa 1225/87, LAGE Nr.1 zu §612a BGB, S. 4, nach dem das in Art. 9 Abs. 3 GG begründete Recht des Arbeitnehmers, für die Gewerkschaft im Betrieb tätig zu werden, in den Bereich des §612a BGB einbezogen wird. 196 197

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dabei jedoch, daß das Betätigungsrecht des einzelnen in seinem Umfang dem Betätigungsrecht der Koalition entspricht 203 bzw. das Individualrecht des einzelnen unter dem Vorbehalt der kollektiven Geltendmachung steht 204 • Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts war die Koalitionsbetätigung nur in einem "Kernbereich" geschützt. Konkretisiert wurde dieser "Kernbereich" zum einen durch die Unerläßlichkeitsformel, wonach solche Betätigungen der Koalition garantiert sein so11ten, die zum Erhalt, dem Fortbestand der Koalition bzw. zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben unerläßlich seien. 205 Zum anderen durch die Abwägungsformel, wonach alle dem Koalitionszweck dienenden Betätigungen geschützt seien, es sei denn, ihre Beschränkung sei zum Schutz anderer Rechtsgüter geboten.206 Mit Beschluß vom 14.11.1995 207 hat sich das BVerfG von dieser Rechtsprechung gelöst: Danach umfaßt Art. 9 Abs. 3 GG nicht nur einen Kernbereich, sondern alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen. 208 Die eventuelle Unerläßlichkeit der Betätigung erlangt daher erst bei den Einschränkungen des Grundrechts Bedeutung. Art. 9 Abs. 3 GG kann man somit als normales Grundrecht bezeichnen. 209 Die jetzt durchzuführende Abwägung der Schutzgüter kann im Vergleich mit der früheren Rechtsprechung zu einer Erweiterung der zulässigen koalitionsmäßigen Betätigungen führen. 210 Diese mögliche- in diesem Rahmen aber nicht zu erörternde- Erweiterung ist auch im Hinblick auf die zulässige Rechtsausübung gern. § 612 a BGB zu berücksichtigen. Bedeutung kommt Art. 9 Abs. 3 GG innerhalb des§ 612a BGB auch und gerade im Hinblick auf die rechtmäßige Streikteilnahme eines Arbeitnehmers zu. Das subjektive Recht des einzelnen, sich an Arbeitskampfmaßnahmen zu beteiligen,211 ist- wie dargelegt- Bestandteil der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Koalitionsfreiheit, welcher unmittelbare Drittwirkung zukommt. Das Streikrecht gehört daher nach überwiegender Ansicht zu den Rechten, deren Ausübung nach § 612a BGB nicht zu einer Benachteiligung durch den Arbeitgeber führen darf. 212 Nach anderer So nach der h. M. vom Doppelgrundrecht, s.o. § 3 II. 3. c)aa)(1). So nach derdifferenzierenden Ansicht von Otto, s. o. § 1 11.3. c)aa)(1). 205 BVerfGE 17,319 (334); 19,303 (313); 28,295 (304). 206 BVerfGE 17, 319 (334); 19,303 (322); 57,220 (246). 207 BVerfG v. 14.1l.l995- 1 BvR 601/92, AP Nr. 80 zu An. 9 GG = BverfGE 93, 352 =ZIP 1996, 470ff. 208 Das BVerfG bezeichnet dies aber nicht nachvollziehbar als Klarstellung seiner bisherigen Rechtsprechung, BVerfG a. a. 0. unter B 13 c). Kritisch dazu auch Hanau, ZIP 1996, 447; Otto, Einführung in das Arbeitsrecht Rn. 440. 209 Heilmann, ArbuR 1996, 121 ff. 210 V gl. im Ansatz Otto, Einführung in das Arbeitsrecht Rn. 440. 211 Dieses subjektive Recht steht den organisierten ebenso wie den nichtorganisierten Arbeitnehmern zu. 212 Ausdrücklich im Hinblick auf die Rechtsausübung: Rieb/e, Anm. zu LAG Düsseldorf v. l7.12.1991 - 8 Sa 675/91, LAGE Nr. 46 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, S.11; Ro/fs, DB 1994, 1237 (1240); Thüsing, Außenseiter im Arbeitskampf, S.89; Kittner/Trittin, KSchR, 2. Aufl., Rn. 25; Marhold!Beckers, Anm. zu BAG v. 28.7 .1992, EzA Nr. 106 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, 203

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2. Teil: Inhaltlicher Regelungsgehalt des§ 612a BGB

Ansicht erfaßt § 612a BGB die Ausübung des Streikrechts nicht, da der streikende Arbeitnehmer nicht seine, also individuelle Rechte, ausübe, sondern lediglich an der kollektiven Ausübung des kollektiven Streikrechts teilnehme. 213 Diese Ansicht wird aber der sich aus Art. 9 Abs. 3 GG ergebenden Koalitionsfreiheit nicht gerecht: Das Recht zur Streikteilnahme ist bereits Bestandteil der Individualgarantie, welches lediglich unter dem Vorbehalt der kollektiven Geltendmachung steht. 214 Dieser kollektive Vorbehalt ändert aber nichts daran, daß der Arbeitnehmer durch die Streikteilnahme ein individuelles Recht ausübt. Es handelt sich aus Sicht des streikenden Arbeitnehmers nicht um ein ausschließlich kollektives Recht, sondern vielmehr um ein individuelles Recht, dessen rechtmäßige Ausübung lediglich an die kollektive Ausübung gebunden ist. 215 Folglich fällt das subjektiv-individuelle Streikrecht aus Art. 9 Abs. 3 S. I GG in den Anwendungsbereich des§ 612a BGB. An dieser Stelle soll dabei noch nicht auf die Problematik der Vorenthaltung streikbedingter Sonderzuwendungen216 bzw. der Kürzung von Jahressonderzahlungen aufgrund der Streikteilnahme117 eingegangen werden. Allgemein läßt sich aber feststellen, daß die Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik vom Arbeitgeber nicht bestraft werden darf. So verstößt beispielsweise eine Kündigung, die der Arbeitgeber aufgrund der rechtmäßigen Streikteilnahme ausspricht, gegen § 612a BGB. Thüsing sieht darüber hinaus in der Differenzierung bei einer Aussperrung nach Beendigung des Streiks dahingehend, daß nur Arbeitnehmer ausgesperrt werden, die am Streik teilgenommen haben, einen Verstoß gegen § 612a BGB, weil dies eine Benachteiligung im Hinblick auf die Ausübung des Streikrechts darstelle. 218 Zuzustimmen ist ihm insoweit, als die Ausübung des Streikrechts grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 612a BGB fällt. Zweifel bestehen auch in diesem Fall jedoch an dem für das Eingreifen des § 612 a BGB notwendigen Zusammenhang von Rechtsausübung und Benachteiligung. 219 S. II, mit Hinweis auf Art. 9 Abs. 3 GG. So inzident auch: Belling/Steinau-Steinrück, DB 1993, 534 ff.; Bel/ing, DZWir 1994, 133 ff.; Wolter, in Däubler, Arbeitskampfrecht, Rn. 280wv; Gaul, NJW 1994, 1025ff; Hoyningen-Huene, DB 1989, 1466ff.; Schwarze, RdA 1993, 264ff.; vgl. MünchArbR/Otto § 287 Rn. 48; Löwisch/Krauß, AR-Blattei SD Arbeitskampf III. A 170.3.1 Rn.70. 213 LAG Köln v.4.10.1990, LAGE Nr. 39 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, S.10. 21• s.o. §3 11.3.c)aa)(l). m So auch Rolfs, DB 1994, 1237 (1240); Dieses Ergebnis ist zwingend, wenn man der Ansicht von Scholz folgt, der die Koalitionsfreiheit allein als individuelles Recht anerkennt. Auch wenn man der h. M. in bezug auf das Doppelgrundrecht folgt, wonach das Individualrecht gleichsam als Annex der kollektiven Garantie zu verstehen ist, bleibt der individuelle Charakter des Streikrechts bestehen. 216 Dazu 3. Teil§ 14. 217 Dazu 3. Teil§ 15. 218 Thüsing, Außenseiter im Arbeitskampf, S. 89; a. A. Löwisch/Rieb/e, Arbeitskampfrecht Rn. 327, wonach eine Differenzierung der Aussperrung nach der Streikteilnahme grundsätzlich zulässig ist und nicht gegen § 612 a BGB verstößt. 219 s. u. § 8.

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Diskriminierungen wegen der Gewerkschaftszugehörigkeit des Arbeitnehmers können darüber hinaus nach Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG nichtig seinY0 Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG bestimmt mit Bezug auf die Gewährleistung der Koalitionsfreiheit in Art. 9 Abs. 3 S. I GG, daß Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, nichtig und hierauf gerichtete Maßnahmen rechtswidrig sind. 221 Art. 9 Abs. 3 S.2 GG und §612aBGB i. V.m. Art. 9 Abs.3 S.l GG kommen insoweit als Rechtmäßigkeitsschranken nebeneinander zur Anwendung. Ebenso ist anerkannt, daß Benachteiligungen, die nur wegen der gewerkschaftlichen Betätigung erfolgen, wegen eines Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG unwirksam sind. 222 Aber auch Benachteiligungen, die an die Ausübung des Streikrechts anknüpfen, sind nicht nur am Maßstab des§ 612a BGB, sondern bereits an Art.9 Abs. 3 S. 2 GG zu messen. 223 Die Aussage Schweinbergers, Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG erfasse nach allgemeiner Meinung nur die Differenzierung nach der Mitgliedschaft in der Koalition an sich, 224 läßt sich nicht halten. Man kann lediglich feststellen, daß sich die Kommentierung zu Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG mit der Frage, ob auch die streikweise Betätigung der Koalitionsfreiheit durch diese Regelung geschützt wird, nur unzureichend auseinandergesetzt hat. Berücksichtigt man, daß sich das individuelle Streikrecht des einzelnen aus Art. 9 Abs. 3 S. I GG ergibt, ist der Schluß auf die Einbeziehung des Streikrechts in die Schutznorm des Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG zwingend. Satz 2 bezieht sich auf das Recht der Koalitionsfreiheit, welches gerade das individuelle Streikrecht beinhaltet, also muß auch das Streikrecht durch Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG geschützt werden.225 Diskriminierungen, die aufgrundder Streikteilnahme erfolgen, können daher- bei Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen- gegen Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG verstoßen. Eine Legitimierung eines solchen Verstoßes könnte sich allenfalls aus dem Arbeitskampfrecht ergeben. 226

V gl. hierzu die Beispielsfalle bei Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn. 78. Zum Regelungsgehalt des Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG, insbesondere zum erforderlichen subjektiven Tatbestand, s. u. § 12. I. 2. 222 Gamil/scheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 197 ff; KR/Friedrich, § 13 KSchG Rn. 198. 223 So Otto, Anm. zu BAG v. 11.8.1992- 1 AZR 103/92, EzA Nr. 105 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, S. 22, bzgl. einer streikbedingten Sonderzuwendung, die nach Beendigung des Arbeitskampfs zugesagt wird. Vgl. auch Schwarze, RdA 1993, 264 (266); Däubler/Wolter, Arbeitskampfrecht Rn. 280xc; ausführlich dazu § 12 I. 1. 224 Schweinberger, Prämien und Arbeitskampf, S. 98. m So im Ergebnis auch Otto, Anm. zu BAG v. 11.8.1992-1 AZR 103/92, EzA Nr.105 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, S. 22; Schwarze, RdA 1993, 264 (266); Däubler/Wolter, Arbeitskampfrecht Rn. 280xc. 226 Vgl. zur Überlagerung von Verstößen gegen §612a BGB und Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG durch das Arbeitskampfrecht 3. Teil§ 14 III. 220 221

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2. Teil: Inhaltlicher Regelungsgehalt des§ 612a BGB

bb) Art. 38 Abs. I S. I GG Aus Art. 38 Abs. I S. I GG ergeben sich die Wahlrechtsgrundsätze der Allgemeinheit, Gleichheit, Unmittelbarkeit, Freiheit und Geheimheil der Wahl. 227 Die grundrechtsgleiche Gewährleistung aus Art. 38 Abs. I S. I GG, 228 die unmittelbar nur für die Wahlen zum Deutschen Bundestag bestimmt ist, über Art.28 Abs.I S. 2 GG aber auch bei Wahlen in Ländern, Kreisen und Gemeinden Anwendung findet, gilt sowohl für das aktive als auch für das passive Wahlrecht und umfaßt den gesamten Wahlvorgang. 229 Interessant im Hinblick auf den Anwendungsbereich des § 6I2 BGB ist der Grundsatz der Freiheit der Wahl, dem nach h. M. unmittelbare Drittwirkung zukommt. 23 Freiheit der Wahl bedeutet, daß weder von öffentlicher noch von privater Seite physischer Zwang oder psychologischer Druck auf die Willensbildung oder die Willensäußerung bei der Ausübung der Wahlberechtigung ausgeübt werden darf.231 Wird von privater Seite eine Wahlbeeinflussung z. B. durch die Androhung von Lohnabzug durch den Arbeitgeber beabsichtigt, sind die Grenzen legitimer Einflußnahme dann überschritten, wenn sich die Beeinflussung als ernstliche und unausweichliche, die freie Wahlentscheidung berührende Handlungsanweisung erweist. 232 Die von einem privaten Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung ist daher nach h. M. gern. §§ 134, 138 BGB nichtig. 233 Geht man von der unmittelbaren Drittwirkung des grundrechtsgleichen Grundsatzes der freien Wahl aus, ist die freie Ausübung der Wahlberechtigung auch ein Recht i. S. des § 6I2 a BGB. Die von einem Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung wegen einer bestimmten Stimmabgabe ist somit nicht nur nach §§ 134, 138 BGB nichtig, sondern verstößt auch gegen § 6I2a BGB, weil die freie Ausübung des Wahlrechts ein Recht des Arbeitnehmers ist, dessen Ausübung nicht zum Anlaß von Benachteiligungen durch den Arbeitgeber genommen werden darf. Vorstellbar ist auch der Fall, in dem ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, dessen politische Einstellung- die nicht mit der des Arbeitge-

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227 Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rn. 1118; Brockrneyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 38 Rn.4 a. 228 Dies ergibt sich aus Art. 93 Abs. I Nr. 4a GG. 229 Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rn. 119 f. 2l O BVerfGE 66, 369 (380); v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 38 Rn. 34; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn.47; v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schu/te, GG, 3. Aufl., Art. 38 Abs.1 Rn.123 (andersnochinder2.Aufl. S.881); a.A.:Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rn. 1124, die davon ausgehen, daß die Annahme einer unmittelbaren Drittwirkung überflüssig sei, "da die historisch gewachsene Schutzwirkung der Freiheit der Wahl objektiv rechtlich zur Geltung kommen kann", wenn man die Grundrechte als Element objektiver Ordnung anerkenne. 231 v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schu/te, GG, Art. 38 Abs. I Rn.123; Schreiber, Handbuch des Wahlrechts, § I Rn. 13. 232 Schreiber, Handbuch des Wahlrechts, §I Rn. 15 b. 233 v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 38 Rn. 42; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rn. 1125, die darüber hinaus eine "entsprechende Bevorzugung eines anderen Arbeitnehmers" gern. §§ 134, 138 BGB als nichtig ansehen.

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bers harmoniert - im Betrieb bekannt ist, eine nachteilige Versetzung für den Fall androht, daß der Arbeitnehmer bei der nächsten Wahl entsprechend seiner politischen Ausrichtung seine Stimme abgibt. Auch dies könnte gegen§ 612a BGB verstoßen. Zu bedenken ist aber, daß die Zufügung von Nachteilen mit der Geheimheit der Wahl eng zusammenhängt: Denn wenn nicht bekannt ist, wie der einzelne gewählt hat, können ihm auch keine Nachteile zugefügt werden und deren Androhung fällt ins Leere. 234 Festzustellen bleibt daher, daß die freie Ausübung des aktiven Wahlrechts ein Recht i. S. des § 612a BGB ist, die praktische Bedeutung dieser Fallkonstellation wegen des Zusammenhangs mit der Geheimheit der Wahl jedoch nur gering zu bewerten ist.

cc) Art. 48 Abs. 2 GG Gern. Art. 48 Abs. 2 S. l GG darf niemand gehindert werden, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben. Satz 2 bestimmt, daß eine Kündigung oder Entlassung aus diesem Grunde unzulässig ist. Art. 48 Abs. 2 GG enthält das subjektive Recht auf ungehinderte Mandatsübernahme und -ausübung, das in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der Wahlfreiheit aus Art. 38 Abs. 1 GG zu sehen ist. 235 Inhaltsgleiche Regelungen finden sich in vielen Landesverfassungen. 236 Inhaber des Rechts aus Art. 48 Abs. 2 GG sind neben den Abgeordneten des Bundestages in bezug auf das Recht der ungehinderten Mandatsübernahme auch diejenigen, die gewählt sind, aber noch nicht ihr Mandat angenommen haben und Personen, die noch nicht gewählt sind, sich aber um ein Mandat bewerben wollen. 237 In Art. 48 Abs. 2 GG ist eine unmittelbare Drittwirkung angeordnet, so daß Verpflichtete des subjektiven Rechts nicht nur Träger staatlicher Gewalt, sondern auch Private sind. 238 Wegen dieser unmittelbaren Drittwirkung ist das subjektive Recht auf freie Mandatsausübung und-übernahmeein Recht i. S. des§ 612a BGB. Eine manMaunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art.38 Rn.47. Trute, in: v. Münch/K.unig, GG, Art. 48 Rn. 11; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 48 Rn. 7; differenzierend v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schu/te, GG, Art. 48 Abs. 2 Rn. 26, nach dem das Verbot der Behinderung der Mandatsübernahme mit dem Grundsatz der Wahlfreiheit aus Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG korrespondiere, das Verbot der Behinderung der Mandatsausübung dagegen im Zusammenhang mit der Freiheit des Mandats gern. Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG zu sehen sei. So auch Medding, DÖV 1991, 494 (494f). Aus dem im Ergebnis unbestrittenen Zusammenhang zu Art. 38 GG ergibt sich die Qualität des Art. 48 Abs. 2 GG als grundrechtsgleiches Recht. 236 Vgl. Art!. 29 Abs.2 BaWü; 22 Abs.4 S.2 und S.3 Brb, 76 Abs.1 Hessen; 23 Abs.2MV; 13 Abs. 2 Nds; 46 Abs.l NRW; 96 Abs.l S. 2 und S. 3 RhPf; 42 Abs. 2 Sachsen; 56 Abs. 2 SA; 4 S. 2 und S. 3 SH; 51 Abs. 2 Thüringen. 237 Plüm, Arbeitsrechtliche Stellung des Abgeordneten, S. 171 ; Medding, DÖV 1991, 494 (495); Trute, in: v. Münch/Kunig, GG, Art.48 Rn. 11; v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schu/te, GG, Art. 48 Rn. 27. 238 Trute, in: v. Münch/K.unig, GG, Art.48 Rn. l. 234

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2. Teil: Inhaltlicher Regelungsgehalt des§ 612a BGB

datsbedingte Versetzung an einen für den Arbeitnehmer weniger angenehmen Arbeitsplatz verstößt daher gegen § 612 a BGB. 239 Neben dem Schutz der Willensfreiheit in bezug auf Mandatsausübung und -Übernahme durch § 612 a BGB, enthält Art. 48 Abs. 2 GG ein eigenständiges Benachteiligungsverbot. Über die Regelung des Art. 48 Abs. 2 S. 2 GG hinaus, nach der Kündigungen und Entlassungen aus diesem Grunde unzulässig sind, soll sich aus Art.48 Abs. 2 GG ein Benachteiligungsverbot mit dem Inhalt ergeben, daß jede Schlechterstellung arn Arbeitsplatz, die nicht aus sachlichen oder in der Person des Betreffenden liegenden Gründen gerechtfertigt werden kann, sondern wegen der parlamentarischen Betätigung erfolgt, unzulässig ist. 240 Regelungsgehalt dieses eigenständigen Benachteiligungsverbotes und das Verhältnis zu § 612 a BGB sind an späterer Stelle zu klären. 241

d) Grundrechte ohne unmittelbare Drittwirkung als Rechte i. S. des§ 612 a BGB Festgestellt wurde bislang, daß Grundrechte bzw. grundrechtsgleiche Rechte mit unmittelbarer Drittwirkung als subjektive Rechte des Arbeitnehmers in den Anwendungsbereich des § 612a BGB fallen. In Frage steht nun, ob dies auch für Grundrechte gilt, denen keine unmittelbare Drittwirkung zukommt, die grundsätzlich nur mittelbar, also über die ausfüllungsbedürftigen Generalklauseln Einlaß in das arbeitsvertragliche Privatrechtsverhältnis finden. Der überwiegende Teil der Literatur zu § 612a BGB äußert sich zu diesem Problern nicht. Diejenigen Autoren, die sich mit der Frage der Grundrechte als Rechte i. S. des Arbeitnehmers befassen, gehen in kritikwürdiger Pauschalität davon aus, daß die Grundrechte in ihrer Gesamtheit unter§ 612a BGB fallen. 242 Hier muß jedoch zumindest in der dogmatischen Begründung differenziert werden: Daß Grundrechte mit unmittelbarer Drittwirkung Rechte i. S. des§ 612a BGB sind, ist die zwingende Konsequenz der Konstruktion der unmittelbaren Drittwirkung. Hieran besteht kein Zweifel. Problematisch erscheint dagegen die Einbeziehung der mittelbar wirkenden Grundrechte in den Schutzbereich des§ 612a BGB, da dadurch möglicherweise eine Reichweite erzielt wird, die in ihrem Ausmaß in die Nähe der unmittelbaren Drittwirkung führen könnte. 243 So stellt 239 Vgl. auch Ouo, Einführung in das Arbeitsrecht Rn. 121 , nach dem eine Kündigung wegen politischer Betätigung gegen§ 612a BGB verstoßen könnte. 240 Trute, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 48 Rn. 14; v. Mangoldt/Kiein/Achterberg/Schu/te, GG, Art.48 Abs. 2 Rn. 35; Plüm, Arbeitsrechtliche Stellung des Abgeordneten, S. 30f.; Medding, DÖV 1991,494 (499). 241 Vgl. § 12 II. 2. 242 Thüsing, NZA 1994, 728 (730); ders., Außenseiter im Arbeitskampf, S. 85; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung, S. 173; ErfK/Preis, § 612a BGB Rn. 2; Erman/Hanau § 612a BGB Rn.4; Schweinberger, Prämien und Arbeitskampf, S. 34; Kissel, NZA 1988, 145 (145 I. Sp.) nur zur Meinungsfreiheit aus Art.5 Abs. 1 S. 1 GG. 243 Dies wäre mit Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 201 abzulehnen.

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auch Preis fest, daß durch die Einbeziehung der Grundrechte in § 612 a BGB zahlreiche Fälle aufgehen, die früher über die Theorie der unmittelbaren Drittwirkung gelöst worden seien. 244 aa) Begründungsansätze für eine Einbeziehung Nach Ansicht von Thüsing umfaßt § 612a BGB jede Form der Rechtsausübung des Arbeitnehmers, dazu gehöre auch die Grundrechtsausübung. Diesem Verständnis der Norm entspreche eine Entscheidung des LAG Hamm 245 , nach der die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte gewerkschaftliche Betätigung in den Bereich des § 612 a BGB einbezogen werde. 246 Aus dieser Entscheidung läßt sich jedoch m. E. keine Bestätigung für eine Einbeziehung aller Grundrechte herleiten: Der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG kommt unbestritten unmittelbare Drittwirkung zu, deshalb bekräftigt diese Entscheidung nur, daß Grundrechte mit unmittelbarer Drittwirkung in den Anwendungsbereich des §612a BGB fallen, trifft aber keine Aussagen darüber, ob dies auch für Grundrechte mit mittelbarer Drittwirkung gilt. Wegen der grundsätzlich verschiedenen Wirkungsweise der Grundrechte kann aus der Einbeziehung von unmittelbar wirkenden Grundrechten kein Rückschluß auf die Frage der Einbeziehung mittelbar wirkender Grundrechte gezogen werden. Für die Einbeziehung auch der mittelbar wirkenden Grundrechte könnte der Wortlaut des§ 612a BGB sprechen, der nicht nach der Herkunft der Rechte differenziert, sondern allgemein von Rechten des Arbeitnehmers spricht. Auch in den Gesetzesmaterialien ist nur von "seinen Rechten" die Rede, ohne die Rechtsgrundlagen der Rechte einzugrenzen. 247 Dies legt nach Thüsing eine weitreichende Auslegung des § 612 a BGB nahe. 24x M. E. läßt sich dem Wortlaut und den Gesetzesmaterialien aber nur entnehmen, daß eine weitreichende Auslegung des § 612 a BGB im Hinblick auf die Einbeziehung mittelbar wirkender Grundrechte nicht ausgeschlossen ist, gleichsam ein Indizfür die Einbeziehung ergibt sich aus dem Wortlaut dagegen nicht. Fraglich ist, ob systematische Erwägungen für die Einbeziehung der mittelbar wirkenden Grundrechte sprechen. Dabei muß die Systematik der Rechte betrachtet werden. Bei den bislang dargestellten subjektiven Rechten des Arbeitnehmers, die 244 Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung, 5.173. Errnan/Hanau § 612a 8GB Rn.4, der die Einbeziehung befürwortet, scheint zudem noch von der grundsätzlich unmittelbaren Wirkung der Grundrechte auszugehen, weil er in diesem Zusammenhang von "unter§ 1348GB gefaßten Kündigungen wegen zulässiger Grundrechtsausübung" spricht. Nimmt man die unmittelbare Drittwirkung an, ist die Einbeziehung der Grundrechte in § 612 a 8GB tatsächlich unproblematisch, vgl. § 3 li. 3. b). 24~ LAG Harnm v.l8.12.1987 -17 Sa 1225/87, LAGE Nr. l zu§ 6!2a 8GB. 246 Thüsing, NZA 1994, 728 (730). 247 BT-Drs. 8/3317, S.IO. 248 Thüsing, NZA 1994, 728 (730).

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2. Teil: Inhaltlicher Regelungsgehalt des§ 612a BGB

in den Anwendungsbereich des § 612 a BGB fallen, waren Verpflichtete und Berechtigte die Arbeitsvertragsparteien: Der Arbeitnehmer ist als Inhaber des subjektiven Rechts Berechtigter, während der Arbeitgeber ihm als Verpflichteter gegenübersteht. Dabei ist es unerheblich, ob sich die subjektiven Rechte aus dem Arbeitsverhältnis ergeben oder einem neben dem Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestehenden Rechtsverhältnis entstammen. Insoweit kann man davon sprechen, daß unstreitig die subjektiven zweiseitigen Rechte, bei denen der Arbeitgeber als Verpflichteter dem Arbeitnehmer als Berechtigtem gegenübersteht, in den Anwendungsbereich des § 612 a BGB fallen. 249 Kennzeichnend für die Grundrechte mit mittelbarer Drittwirkung ist dagegen, daß sie zwar ein subjektives Recht des einzelnen begründen, 250 Verpflichteter ist demgegenüber unmittelbar nur der Staat. Eingang in Privatrechtsverhältnisse finden diese Grundrechte lediglich durch die Auslegung von Generalklauseln. Der Arbeitgeber ist daher zumindest unmittelbar nicht Verpflichteter dieser subjektiven Rechte des Arbeitnehmers. Die Grundrechte mit mittelbarer Drittwirkung sind somit im Verhältnis Arbeitnehmer und Arbeitgeber keine zweiseitigen Rechte. Innerhalb dieses Verhältnisses kann man vielmehr von einem einseitigen subjektiven Recht des Arbeitnehmers sprechen. Folglich zeigt sich die unterschiedliche Konstruktion der Grundrechte mit mittelbarer Wirkung und der sonstigen Rechte des Arbeitnehmers. Dieser entscheidende systematische Unterschied könnte es rechtfertigen, die Grundrechte mit mittelbarer Drittwirkung aus dem Anwendungsbereich des § 612 a BGB auszuklammern. Zu einem anderen Ergebnis kommt man aber aufgrundeiner teleologischen Betrachtung. Ziel des § 612 a BGB ist es, die Willensfreiheit des Arbeitnehmers bei der Entscheidung darüber, ob er ein Recht ausüben will oder nicht, zu schützen. 251 Dieser Schutz ist aufgrund der regelmäßig überlegenen Stellung des Arbeitgebers, die ihm eine Druckausübung ermöglicht, notwendig. Ausgehend von dieser intendierten Schutzfunktion der Norm kann es keinen Unterschied machen, ob es sich bei den Rechten des Arbeitnehmers im Verhältnis zum Arbeitgeber um zweiseitige oder einseitige handelt. Wenn der Schutz der Willensfreiheit in bezug auf die Ausübung von Rechten beabsichtigt ist, müssen alle Rechte des Arbeitnehmers von § 612 a BGB erfaßt werden. 252 Die unterschiedliche rechtliche Konstruktion von einseitigen und zweiseitigen Rechten kann sich erst bei den Anforderungen an die Zulässigkeil der je249 Vgl. zur Terminologie Errnan/Hanau, 9. Aufl., § 612a BGB Rn. 1; Kittner/Trittin, KSchR, 2. Aufl., §612a BGB Rn. 2; Thüsing, NZA 1994,728 (732). 250 s. o. § 3 II. 3. a). 251 s.o. 1. Teil § 21. 252 So müssen grundsätzlich auch subjektive Rechte des Arbeitnehmers gegenüber Dritten in den Anwendungsbereich des § 612a BGB fallen. Jedoch werden sich hier kaum je praktische Fälle ergeben, da es unwahrscheinlich ist, daß der Arbeitgeber an die Ausübung eines dem Arbeitnehmer gegenüber einem Dritten zustehenden Rechts eine Benachteiligung knüpft. Vorstellbar ist dies nur, wenn zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten irgendein Nähe- oder Sympathieverhältnis besteht.

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weiligen Rechtsausübung auswirken. 253 Der Schutzzweck der Norm schließt es dagegen aus, einseitige Rechte ganz aus dem Anwendungsbereich des § 612a BGB herauszunehmen. Thüsing begründet dies mit einem Erst-Recht-Schluß: Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht wegen der zulässigen Ausübung arbeitsvertraglicher Rechte sanktionieren dürfe, müsse dies erst Recht für Rechte gelten, die dem Arbeitnehmer unabhängig von der vertraglichen Beziehung zum Arbeitgeber zustünden. 254 Dieses Fazit ist im Ergebnis richtig, trifft jedoch m. E. nicht gänzlich in der Begründung. § 612a BGB erfaßt nicht erst recht die (mittelbar wirkenden) Grundrechte, sondern aufgrund seiner Zielsetzung auch Grundrechte mit mittelbarer Drittwirkung, obwohl diese unmittelbar nur den Staat verpflichten. Mit anderen Worten: In bezug auf den beabsichtigten Schutz bei der Ausübung stehen einseitige und zweiseitige Rechte auf einer Stufe, ein Erst-Recht-Schluß greift daher nicht. bb) Einschränkung bezüglich der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. I GG Nachdem dargelegt worden ist, daß prinzipiell auch die Grundrechte in den Schutzbereich des § 612 a BGB fallen, bleibt zu klären, ob dieser Grundsatz uneingeschränkt gilt. Zweifel bestehen hier im Hinblick auf die in Art. 2 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Handlungsfreiheit. Verdeutlichen läßt sich diese Problematik an dem Fall einer Benachteiligung wegen eines Wunsches, den der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber geäußert hat. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Nichtigkeit einer Kündigung nach§ 612a BGB i. V. m. § 134 BGB festgestellt, die der Arbeitgeber nur ausgesprochen hat, weil der Arbeitnehmer ihn um die schriftliche Niederlegung seines mündlich geschlossenen Arbeitsvertrages gebeten hatte. 255 Obwohl es zu diesem Zeitpunkt keinen gesetzlichen Anspruch auf schriftliche Niederlegung des Arbeitsvertrages gab, der inzwischen in § 2 Abs. 1 NachweisG 256 festgelegt ist, hat das Gericht einen Verstoß gegen§ 612a BGB bejaht. 257 Ausreichend für m s. u. § 3 II. 3. d) bb). Thüsing, NZA 1994, 728 (730). Ähnlich auch Schweinberger, Prämien und Arbeitskampf, S. 34, mit der inhaltlich unzureichenden Begründung, daß die Grundrechte als ,.vornehmste" Rechte geschützt sein müßten. 255 ArbG Düsseldorf v. 9.9.1992-6 Ca 3728/92, AiB 1993, 51 . zs6 Nachweisgesetz v. 20.7.1995, BGBI. I, S. 946. m Die EG-Richtlinie 91/533/EWG ,.über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen" (Abi. EG Nr. L 288 v. 18.10.1991, S: 32 = EAS A 3330), hielt den Arbeitgeber auch schon vor Erlaß des Nachweisgesetzes zur Niederlegung des Arbeitsvertrages an, vgl. Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz Rn. 182. Die Richtlinie galt jedoch nicht unmittelbar, sondern bedurfte erst der durch das Nachweisgesetz erfolgten Umsetzung. Wegen der nicht rechtzeitigen Umsetzung der Richtlinie bestand nach Ansicht von Kliemt, in: Oetker/Preis, EAS B 3050 Rn. 73 ff. (78), im Rahmen der vertikalen Drittwirkung im Bereich des öffentlichen Dienstes bereits vor dem Erlaß des Nachweisgesetzes ein Anspruch des Arbeitnehmers auf schriftliche Information über die wesentlichen Punkte seines Arbeitsvertra254

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2. Teil: Inhaltlicher Regelungsgehalt des§ 612a BGB

das Eingreifen von § 6I2 a BGB soll es nach dieser Ansicht sein, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers einem "verständlichen und vernünftigen Wunsch" entspricht. 258 Meines Erachtens muß man bei einem Wunsch des Arbeitnehmers differenzieren: Wünscht der Arbeitnehmer sich etwas, worauf er einen begründeten Anspruch hat, stellt der Wunsch des Arbeitnehmers die Ausübung eines ihm zustehenden Rechts dar und fällt somit zweifellos in den Anwendungsbereich des §612a BGB. Fraglich erscheint die Anwendbarkeit des Maßregelungsverbots jedoch, wenn dem Wunsch des Arbeitnehmers - wie im geschilderten Fall -jede rechtliche Anhindung fehlt und der Arbeitnehmer dies auch weiß. 259 § 612 a BGB kann dann nur greifen, wenn es ein grundsätzliches Recht des Arbeitnehmers gibt, sich etwas zu wünschen, auch wenn er keinen Anspruch auf Erfüllung dieses Wunsches hat. Grundlage des Rechts zum Wünschen kann nur die in Art. 2 Abs. I GG verankerte allgemeine Handlungsfreiheit260 sein, da es an einer einfachgesetzlichen Normierung fehlt und speziellere Grundrechtsgewährleistungen diesbezüglich nicht greifen. 261 Der Grundrechtstatbestand der allgemeinen Handlungsfreiheit umfaßt alles menschliche Handeln, ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt. 262 Also fällt auch das Äußern von Wünschen in diesen Schutzbereich. Ginge man davon aus, daß auch die Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit gern. Art. 2 Abs. 1 GG von § 6I2 a BGB erfaßt würde, verstieße die Benachteiligung wegen der Äußerung eines Wunsches gegen das gesetzliche Maßregelungsverbot Betrachtet man die tatbestandliehe Weite der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und den Zweck des § 6I2 a BGB zeigt sich aber, daß die Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit nicht vom gesetzlichen Maßregelungsverbot erfaßt werden kann. 263 Das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. I GG erfaßt alles menschliche Verhalten. Würde man jedes menschliche Verhalten - also auch alle Verhaltensweisen eines Arbeitnehmers - als Rechtsausübung des Arbeitnehmers i. S. des § 6I2 a BGB ansehen, ergebe sich aus dem gesetzlichen Maßregelungsverbot eine überweite Generalklausel, die als Rechtmäßigkeilsmaßstab bei jedem Nachteil zu beachten wäre, der an ein Verhalten des Arbeitnehmers anknüpft. In dieges. Da die horizontale Drittwirkung von der ganz h. M. abgelehnt wird, bestand ein derartiger Anspruch im Verhältnis zu privaten Arbeitgebern jedoch nicht, a. A. Däubler, Internationale Arbeits- und Sozialordnung, S. ll43. 258 ArbG Düsseldorfv. 9.9.1992-6 Ca 3728/92, AiB 1993,51 (51); zustimmend wohl auch Laux, AiB 1993,389 (392); Kittner!frittin, KSchR, 2.Aufl., §612a BGB Rn. 7, stellen nur auf den "verständlichen" Wunsch ab. 259 Zur irrigen Annahme eines nicht bestehenden Rechtes durch den Arbeitnehmer vgl. § 5 II. 260 Zum Verständnis des BVerfG zum Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG vgl. BVerfGE 6, 32ff. 261 Die in Art. 2 Abs. 1 GG verankerte Allgemeine Handlungsfreiheit fungiert als Auffanggrundrecht, vgl. Pieroth/Schlink, Staatsrecht II Rn.402. 262 BVerfGE 80, 137 (152); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 10. 263 A. A. Kittner/Däubler, KSchR § 612a BGB Rn. 11.

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sem Fall müßte man auch die bloße Arbeitstätigkeit des Arbeitnehmers als Rechtsausübung ansehen. Dies schießt aber über das Ziel des § 612a BGB hinaus: Denn § 612a BGB solllediglich die Willensfreiheit des Arbeitnehmers bei der Ausübung von Rechten, nicht jegliche Willensfreiheit des Arbeitnehmers schützen. Zwischen einer konkreten Rechtsausübung und sonstigem Verhalten des Arbeitnehmers- insbesondere der bloßen Arbeitstätigkeit - besteht ein qualitativer Unterschied, der durch die Einbeziehung der allgemeinen Handlungsfreiheit in das gesetzliche Maßregelungsverbot vollständig zunichte gemacht würde. Aus diesem Grund zählen zu den Rechten i. S. des § 612 a BGB nur die speziellen Grundrechtsgewährleistungen, dagegen nicht der Auffangtatbestand der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs.l GG. 264 Wenn rechtliche Grundlage eines verständlichen Wunsches allein die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG ist, also der Arbeitnehmer sich nicht etwas wünscht, worauf er einen begründeten Anspruch hat, verstößt eine daraufhin erfolgende Benachteiligung nicht gegen § 612a BGB. Der auch in diesem Bereich notwendige Schutz des Arbeitnehmers kann dann nur durch das KSchG oder § 242 BGB erreicht werden. 265

cc) Folgen der Einbeziehung der speziellen Grundrechte Aufgrund des Schutzzwecks des § 612a BGB müssen alle subjektiven Rechte, insbesondere alle speziellen Grundrechte, vom Anwendungsbereich dieser Norm erfaßt werden. Dem besonderen Benachteiligungsverbot des § 612a BGB kommt damit eine erheblich größere Bedeutung zu, als diesem in der Praxis bislang eingeräumt wurde. 266 So ist beispielsweise eine Kündigung aufgrund einer Meinungsäußerung des Arbeitnehmers, die in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG fällt, auch unter dem Blickwinkel des § 612 a BGB zu prüfen.267 An § 612 a BGB ist auch bei einer Kündigung wegen Homosexualität zu denken, weil dies die Ausübung des durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Persönlichkeitsrechts betreffen könnte. 268 Daneben ist § 612 a BGB bei Zölibatsklauseln, die gegen Art. 6 264 Ergibt sich ein spezielles Grundrecht aus der Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG- wie bei der Gewährleistung des Persönlichkeitsrechts, das aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet wird- ist daher der Anwendungsbereich des § 612 a BGB eröffnet. 265 So hat auch das ArbG Düsseldorfv. 9.9.1992-6 Ca 3728/92, AiB 1993,51 (51), zugleich ein gegen § 242 BGB verstoßendes treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers festgestellt. Zum Verhältnis des§ 242 BGB zum KSchG vgl. 3. Teil § 13 I. 1. b). 266 Preis, Grundlagen der Vertragsgestaltung, S.l73; vgl. auch Thüsing, NZA 1994, 728 (730). 267 Erman/Hanau, § 612a BGB Rn.4; Kissel, NZA 1988, 145 (1451. Sp.). 268 Thüsing, NZA 1994,728 (730); vgl. auch BAGv. 23.6.1994-2 AZR 617/93, APNr.9 zu § 242 BGB Kündigung, in dem das BAG jedoch nicht auf§ 612 a BGB eingegangen ist, sondern

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Abs. I GG verstoßen, 269 zu berücksichtigen. 270 Auch bei einer Kündigung aufgrund einer aus Gewissensgründen ausgeübten Arbeitsverweigerung muß § 612 a BGB geprüft werden, weil dadurch die in Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Gewissensfreiheit sanktioniert wird. In Frage steht nun, ob durch die Einbeziehung der Grundrechte in den Anwendungsbereich des § 612a BGB eine Reichweite der Grundrechtswirkung erzielt wird, die in ihrem Ausmaß in die Nähe der unmittelbaren Drittwirkung führt. Wäre dem so, erschiene die Einbeziehung sehr zweifelhaft, da§ 612a BGB dann der inzwischen herrschenden Grundrechtsdogmatik zuwiderliefe. Anders gesagt: Wenn die Einbeziehung aller Grundrechte in § 612a BGB zu den gleichen Ergebnissen führen würde wie die Anwendung der Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung, würde man gleichsam "durch die Hintertür" die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung wieder einführen. Zur Beantwortung der Frage soll ein Beispiel helfen: Ausgehend von der Lehre der unmittelbaren Drittwirkung sind alle Grundrechte Verbotsgesetze i. S. des§ 134 BGB. 271 Eine Kündigung, die ausgesprochen wurde, weil der Arbeitnehmer in eine extremistische Partei eingetreten ist und Flugblätter verteilt hat, 272 müßte daher bei konsequenter Anwendung der Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung 273 wegen eines Verstoßes gegen die durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit nach § 134 BGB nichtig sein. Das gleiche Ergebnis könnte sich ergeben, wenn man davon ausgeht, daß die Meinungsäußerungsfreiheit in den Anwendungsbereich des§ 612a BGB f::illt und die übrigen Voraussetzungen des§ 612a BGB gegeben sind. Um zu klären, ob es tatsächlich zu parallelen Ergebnissen kommt, ist ein Vorgriff auf die später noch zu thematisierende Zulässigkeil der Rechtsausübung innerhalb des§ 612a BGB unausweichlich. Gern. §612a BGB ist eine Benachteiligung durch den Arbeitgeber verboten, die aufgrund einer zulässigen Rechtsausübung des Arbeitnehmers erfolgt. Geschützt ist damit nicht jede Rechtsausübung, sondern nur diejenige, die in zulässiger Art und Weise erfolgt. Die Frage der Zulässigkeil läßt sich dabei nicht aus § 612 a BGB selbst heraus beantworten; § 612 a BGB trifft keine allein auf§ 242 BGB abgestellt hat. Vgl. zur Kündigung wegen Homosexualität den Fall 2 im 3. Teil in § 13 I. 269 Vgl. BAG v. 10.5.1957- 1 AZR 249/56, AP Nr. 1 zu Art. 6 GG Ehe und Familie. Nach Kittner{Trittin, KSchR, 2. Aufl., Art. 2 GG Rn. 7, verletzen Zölibatsklausel auch das durch Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Persönlichkeitsrecht; Eingehend zu den Zölibatsklauseln: Otto, Personale Freiheit und soziale Bindung, S.101 ff. 270 Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung, S.173; Thüsing, NZA 1994, 728 (730); Erman/Hanau, §612a BGB Rn.4. 271 Preis, NZA 1997, 1256 (1265). 272 BAG v. 28.9.1972- 2 AZR 469ni, AP Nr. 2 zu § 134 BGB; ähnlicher Fall: BAG v. 26.5.1977 - 2 AZR 632/67, AP Nr. 5 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht 273 Zu den widersprüchlichen Ausführungen des BAG in bezugauf die Schranken i. S. des Art. 5 Abs. 2 GG ausgehend von einer unmittelbaren Drittwirkung, s. u. § 3 II. 3.d)dd)(1).

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eigene Wertentscheidung in bezug auf die Zulässigkeit, sondern setzt die Zulässigkeil vielmehr voraus. 274 Problematisch erscheint daher, auf welcher rechtlichen Stufe die Zulässigkeit zu ermitteln ist: Kommt es dabei nur auf die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, insb. die aus dem Arbeitsvertrag an, oder muß sich die Zulässigkeil auch an der übrigen Rechtsordnung orientieren? In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung heißt es, daß "das Benachteiligungsverbot nur die in zulässiger Weise erfolgte Rechtsausübung absichert, aber nicht die Verletzung gesetzlicher oder arbeitsvertraglicher Pflichten" 275 • Hanau bewertet die Rechtsausübung als unzulässig, wenn der Arbeitnehmer Haupt-, Neben- oder Treupflichten seines Arbeitsvertrags verletzt oder durch seine Rechtsausübung in verfassungsrechtlich geschützte Positionen des Arbeitgebers eingreift. 276 Eine a. A. stellt für die Unzulässigkeil nur auf die Verletzung arbeitsvertraglicher Haupt- und Nebenpflichten ab. 277 Nach einer weiteren Ansicht beurteilt sich die Zulässigkeil "nach der Rechtsordnung als ganzer" 278 • Beantworten läßt sich die Frage der Zulässigkeil nur, wenn man entsprechend der Herkunft der Rechte des Arbeitnehmers differenziert: 279 Handelt es sich um Rechte des Arbeitnehmers, die dem Arbeitsverhältnis entstammen, richtet sich die Zulässigkeil nur nach den wirksam bestehenden Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Verstößt die Rechtsausübung gegen Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, ist sie unzulässig und der Schutz des§ 612a BGB greift nicht. Auf einen möglichen Verstoß gegen verfassungsrechtlich geschützte Positionen des Arbeitgebers kommt es hier nicht gesondert an, weil bei einem solchen Verstoß schon die Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis zu bejahen ist. Bei der Ausübung subjektiver Rechte des Arbeitnehmers, die ihm außerhalb des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitgeber zustehen, erfolgt die Prüfung auf zwei Ebenen: Zunächst muß die Rechtsausübung aus dem jeweiligen Rechtsverhältnis heraus zulässig sein. Hat der Arbeitnehmer beispielsweise einen mietrechtlichen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber, bestimmt sich die Zulässigkeil zunächst nach den mietrechtlichen Vorschriften. Darüber hinaus darf die Rechtsausübung aber auch nicht Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzen. Begründen läßt sich das Erfordernis dieser zweiten Zulässigkeilsprüfung mit dem Sinn des§ 612 a BGB: Die Willensfreiheit des Arbeitnehmers bei der Ausübung von Rechten ist dann nicht schutzwürdig, wenn die Ausübung der Rechte Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis Thüsing, NZA 1994, 728 (730); Kittner{frittin, KSchR, 2. Aufl., § 612 a BGB Rn. 7. BT-Drs. 8/3317, S. 10; so auch: Knigge, BB 1980, 1272 (1276); Schleicher, AR-Blattei Gleichbehandlung im Arbeitsrecht II unter D VIII. 1. 276 Erman!Hanau, §612a BGB Rn. 3. 277 MüKo/Schaub, § 612 a BGB Rn. 6. 278 KR!Pfeiffer, §612a BGB Rn.6; ErfK/Preis, §612a BGB Rn.6. 279 So in der Vorgehensweise auch: Thüsing, NZA 1994, 728 (730); Kittner{frittin, KSchR, 2. Aufl., §612a BGB Rn. 7. 274 275

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verletzt. In diesem Fall muß eine Sanktion des Arbeitgebers, z. B. die Erteilung einer Abmahnung, zulässig sein. Auch bei der Grundrechtsausübung zeigt sich diese doppelte Schranke der Zulässigkeit: Die Grundrechtsausübung muß verfassungsrechtlich zulässig sein, darf also nicht verfassungsrechtlich geschützte Positionen des Arbeitgebers verletzen, und ist zusätzlich an den Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu messen. 28° Für ein derartiges Verständnis der Zulässigkeil spricht auch die - im Hinblick auf Kündigungen - in ihrem Tatbestand 281 vergleichbare Regelung des Art. 336 Abs. 1 lit. b des Schweizerischen Obligationenrechts. Die Kündigung wegen der Ausübung eines verfassungsmäßigen Rechts ist danach rechtsmißbräuchlich. Ausgeschlossen ist diese Rechtsmißbräuchlichkeit jedoch, wenn die Rechtsausübung eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt oder wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb beeinträchtigt. Diese Einschränkung dient dem Ausgleich der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Daher ist bei der Ausübung von Grundrechten auch auf die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Besonderheiten abzustellen. 282 Die Ausübung der Meinungsfreiheit als Recht i. S. des § 612 a BGB findet ihre Grenzen daher nicht nur an den allgemeinen Gesetzen gern. Art. 5 Abs. 2 GG, sondern darf auch nicht gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen. Führt die Ausübung der Meinungsfreiheit beispielsweise zu einer schwerwiegenden Verletzung des Betriebsfriedens, dessen Folge eine Produktionseinschränkung ist, liegt eine (arbeitsvertraglich) unzulässige Rechtsausübung vor, die nicht durch § 612 a BGB geschützt wird. In dieser doppelten Zulässigkeilsprüfung bei der Grundrechtsausübung innerhalb des § 612a BGB zeigt sich der Unterschied zur Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung: Wahrend die Grundrechte ausgehend von der unmittelbaren Drittwirkungslehre Verbotsgesetze i. S. des § 134 BGB sind, bei denen lediglich die verfassungsrechtlichen Schranken zu berücksichtigen sind, ist bei der Einbeziehung der Grundrechte in§ 612a BGB das Merkmal der Zulässigkeil der Rechtsausübung an verfassungsrechtliche Schranken und an die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis gebunden. Daher wird durch die Einbeziehung aller Grundrechte in § 612 a BGB keine 280 Anders wohl Thüsing, NZA 1994, 728 (730 l.Sp., a.E. des 4.Abs.), derbei nicht aus dem Arbeitsvertrag starrunenden Rechten anscheinend keine zweistufige Zu1ässigkeitspliifung für erforderlich hält, sondern diesbzgl. nur auf die "übrige Rechtsordnung" abstellt; ebenso Kittner(frittin" KSchR, 2. Aufl., § 612a BGB Rn. 7. Bei Thüsing zeigt sich jedoch ein Widerspruch, da er a. a. 0. (I. Sp. 2.Abs.) erörtert, daß bei Einbeziehung der Grundrechte in§ 612a BGB gern. der in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgten Handlungsfreiheit jedes Verhalten geschützt wäre, "solange es nur auch arbeitsvertraglich zulässig" sei. Unklar bleibt, ob die arbeitsvertragliche Zulässigkeil also doch zusätzlich zu pliifen ist oder ob dies in der Zulässigkeitspliifung der übrigen Rechtsordnung inbegriffen ist. 281 Unterschiede zeigen sich in der Rechtsfolge, da in der Schweiz der Grundsatz der Kündigungsfreiheit gilt und die Rechtsmißbräuchlichkeil nicht die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hat. 282 Vgl. dazu auch § 5 I. 2.

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Reichweite erzielt, die in ihrem Ausmaß der Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung entspricht. Die angedeutete Gefahr, durch die weitgehende Auslegung des § 612 a BGB die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung durch die Hintertür wieder einzuführen, besteht daher nicht. Die Willensfreiheit des Arbeitnehmers ist folglich gern. § 612 a BGB in bezugauf die Ausübung aller subjektiven Rechte, auch aller Grundrechte, geschützt. dd) Beispielsfalle Eine abschließende Darstellung aller Fälle, in denen ein Arbeitnehmer ein Grundrecht ausübt und daraufhin von seinem Arbeitgeber benachteiligt wird, worin ein Verstoß gegen § 612 a BGB liegen könnte, würde den Rahmen der Arbeit sprengen. Daher beschränke ich mich hier auf die Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und die in Art. 4 Abs. 1 GG festgelegte Glaubens- und Gewissensfreiheit. 283

( 1) Meinungsäußerungsfreiheit gern. Art. 5 Abs. 1 S . 1 GG als Recht i. S. des§ 612 a BGB Als mittelbar wirkendes Grundrecht, dessen Ausübung gern. § 612a BGB nicht vom Arbeitnehmer sanktioniert werden darf, kommt insbesondere die in Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Meinungsäußerungsfreiheit in Betracht,284 wie oben schon an einem Beispiel gezeigt wurde. Die Rechtsprechung des BAG hatte der Meinungsäußerungsfreiheit zunächst unmittelbare Drittwirkung im Privatrechtsverkehr eingeräumt. 285 Zu den Schranken der Meinungsfreiheit gern. Art. 5 Abs. 2 GG sollten im Bereich des Arbeitsrechts aber nicht nur die "allgemeinen Gesetze" gehören, sondern auch die Grundregeln über das Arbeitsverhältnis.286 Dies erscheint jedoch inkonsequent: "Zwar Geltung unmittelbar für das Privatrecht, aber was vom Grundrecht gilt, ergibt sich eben aus dem Privatrecht."m Eine Abwägung der Meinungsfreiheit mit den Grundrechten und schützenswerten Interessen des Arbeitgebers durch die Schranke der Grundregeln des Arbeitsrechts ist geboten, nicht 283 Vgl. zur Maßregelung, weil eine Arbeitnehmerinsich gegen eine Ahmahnung gewehrt hat (Ausübung des allg. Persönlichkeitsrechts): ArbG Augsburg, v. 7.10.1997-2 Ca 1431/96 N, NZA-RR 1998, 542. 284 Allgemein zur Meinungsäußerungsfreiheit im Arbeitsverhältnis: Söl/ner, in: FS für Hersehe!, S. 392 ff. (ausgehend von unmittelbarer Drittwirkung); Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnungdes GG, S. 261 ff; Kissel, NZA 1988, 145 ff.; Kempff, Grundrechte im Arbeitsverhältnis, 1988; in neuerer Zeit: Preis/Stoffels, RdA 1996, 21 Off. m Vgl. BAG v.3.12.1954, AP Nr. 2 zu§ 13 KSchG =BAGE I, 185; BAG v. 28.9.1972-2 AZR 469n 1, AP Nr. 2 zu § 134 BGB; BAG v. 26.5.1977- 2 AZR 632n6, AP Nr. 5 zu § 611 BGB Beschäftigungsptlicht. 286 BAG a. a. 0.; BAG v. 23.2.1959- 3 AZR 583/57, AP Nr. 1 zu Art. 5 GG Meinungsäußerungsfreiheit unter Il., BI. 207. 287 Dürig, in: FS für Nawiasky, 1956, S.I57 (171). Kritisch zur Begrenzung der Meinungsfreiheit durch das BAG auch Kittner(frittin, KSchR, 2. Autl., Art. 5 GG Rn. 18 ff.

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überzeugend war dagegen die vom BAG vorgenommene Konstruktion. Eine stringentere Lösung ermöglicht neben der Lehre von der mittelbaren Drittwirkung die Einbeziehung der Meinungsfreiheit in§ 612a BGB: Der Arbeitnehmer ist auch bei der Ausübung der Meinungsfreiheit geschützt, da diese in den Anwendungsbereich des§ 612a BGB fällt. Im Rahmen der Zulässigkeil der Rechtsausübung ist zum einen zu prüfen, ob eine verfassungsrechtliche Schranke i. S. eines allgemeinen Gesetzes greift. Zum anderen ist Voraussetzung für die zulässige Rechtsausübung, daß durch sie nicht die wirksam bestehenden Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt werden. Besondere Bedeutung bei der Begrenzung durch die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis kommt dabei der Treuepflicht des Arbeitnehmers zu. 288 Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeil muß daher eine Güterahwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers und den geschützten Interessen des Arbeitgebers stattfinden. 289 Stellt sich die Meinungsäußerung in diesem Sinne als zulässig dar, verstößt eine deswegen erfolgende Benachteiligung des Arbeitnehmers gegen § 612a BGB.

(2) Glaubens- und Gewissensfreiheit gern. Art.4 Abs. 1 GG als Recht i. S. des§ 612 a BGB Unter § 612 a BGB fällt grds. auch die Ausübung der Glaubens- und Gewissensfreiheit aus Art.4 Abs. I GG. 290 So kann die Gewissensfreiheit dem Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht gewähren. 291 Da die Arbeitsverweigerung aus Gewissensgründen nicht auf einer Pflichtverletzung des Arbeitgebers beruht, hat der Arbeitnehmer mangels eines Gegenanspruchs kein Zurückbehaltungsrecht gern. § 273 BGB. 292 Wenn sich der Arbeitnehmer aber nicht bewußt dem Gewissenskonflikt ausgesetzt hat und der Arbeitgeber in der Lage gewesen wäre, den Gewissenskonflikt zu vermeiden, ergibt sich ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers aus § 242 BGB. 293 Eine wegen beständiger Arbeitsverweigerung erfolgende Kündigung ist dann auch nach §612a BGB unzulässig, weil dadurch die Ausübung eines von § 612 a BGB erfaßten Rechts sanktioniert wird.294 288 289

(76).

Vgl. Gremper, Ausübung verfassungsmäßiger Rechte, S. 120ff. Zur Abwägung vgl. Sowka/Bengelsdorf, § 13 Rn. 52; KrummeilKüttner, NZA 1996, 67

290 Allgemein zur Gewissensfreiheit im Arbeitsrecht: Ouo, Personale Freiheit und soziale Bindung, S. 127 ff.; Konzen/Rupp, Gewissenskonflikte im Arbeitsverhältnis, 1990; Der/eder, ArbuR 1991,193ff.;Rü/ner,RdA 1992,1ff. 291 Vgl. ArbG v. Köln 18.4.1989-16Ca650/89, NZA 1991, 276; BAGv.24.5.1989 - 2AZR 285/88, DB 1989, 2538; MünchArbR!Richardi, § 10 Rn. 48. 292 Otto, AR-Blattei SD 1880 Rn. LOS; MünchArbR!Blomeyer, §47 Rn.60. 29J Vgl. MünchArbR!Blomeyer, §47 Rn. 45; Ausführlich dazu: Henssler, AcP 190 (1990) 538 (563 f.). 294 Dies übersieht Henssler, AcP 190 (1990), 538 (568ft), der eine personenbedingte ordentliche Kündigung bei der Leistungsverweigerung aus Gewissensgründen für grundsätzlich zulässig erachtet.

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Vorstellbar ist z. B. der Fall, daß ein Arbeitnehmer eines Software-Unternehmens, das üblicherweise Software für Dienstleistungsunternehmen herstellt, die Mitarbeit an der Entwicklung einer Software für militärische Gefechtsmaschinen verweigert. 295 Aufgrund dieser Arbeitsverweigerung wird dem Arbeitnehmer die außerordentliche Kündigung ausgesprochen. Die Arbeitsverweigerung stellt sich als eine ernste, sittliche und an den Kategorien von Gut und Böse orientierte Entscheidung, also als eine Gewissensentscheidung dar. 296 Im Rahmen der Zulässigkeit der Rechtsausübung muß eine Interessenahwägung stattfinden, wobei es auch darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer bei der Eingebung des Arbeitsverhältnisses mit dem Eintritt eines Gewissenskonflikts rechnen mußte - was im Beispielsfall zu verneinen ist- und ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer überhaupt eine andere Tätigkeit zuweisen kann- wovon im vorliegenden Fall auszugehen ist. 297 Ein arbeitsvertraglieber Pflichtenverstoß liegt bei einer berechtigten Leistungsverweigerung nicht vor. Da die Kündigung die zulässige Ausübung eines Rechts sanktioniert, verstößt sie gegen§ 612a BGB. Anwendbar ist§ 612a BGB im Hinblick auf die Glaubensfreiheit z. B. in dem Fall, in dem einer muslimischen Arbeitnehmerin gekündigt wird, weil sie nicht bereit ist, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzunehmen. 298 Auch hier muß im Rahmen der Zulässigkeil der Rechtsausübung eine Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber stattfinden und berücksichtigt werden, ob die Rechtsausübung gegen arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflichten verstößt. Ergibt sich, daß die Ausübung der Glaubensfreiheit verfassungsrechtlich zulässig ist und keine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, verstößt eine wegen dieser Rechtsausübung erfolgende Kündigung gegen §612aBGB.

e) Zwischenergebnis zu den subjektiven Rechten des Arbeitnehmers Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß alle subjektiven Rechte des Arbeitnehmers in den Anwendungsbereich des § 612 a BGB fallen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich die subjektiven Rechte aus dem Arbeitsverhältnis ergeben oder einem neben dem Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber beste295 Ähnlicher Fall: ArbG Köln v. 18.4.1989- 16 Ca 650/89, NJW 1991, 1006. Weitere Beispiele zur Ausübung der Gewissensfreiheit im Arbeitsverhältnis bei Gremper, Ausübung verfassungsmäßiger Rechte, S. 140. 296 Vgl. zur Definition: BVerfGE 12,45 (55). 297 Vgl. zu den Kriterien: Sowka!Bengelsdorf, § 13 KSchG Rn. 51; BAG v. 24.5.1989-2 AZR 285/88, DB 1989,2538 (2539), ArbG Köln v.l8.4.1989-16Ca650/89, NZA 1991, 276, mit weiterem Kriterium der Wiederholungsgefahr. 298 So ein in der Schweiz entschiedener Fall: Bezirksgericht Arbon v.l7.12.1990, JAR 1991, 254. Das Gericht entschied dort, daß die Kündigung gern. Art. 336 I lit. b. OR rechtsmißbräuchlich sei, da auch das Tragen eines Kopftuches als Beachtung eines religiösen Brauches als Ausübung eines verfassungsmäßigen Rechts geschützt werden müsse.

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2. Teil: Inhaltlicher Regelungsgehalt des§ 612a BGB

henden weiteren Rechtsverhältnis entstammen. Erfaßt werden sowohl zweiseitige als auch einseitige subjektive Rechte. Im Ergebnis fallen daher auch die speziellen Grundrechte in den Anwendungsbereich des § 612a BGB, nicht jedoch der Auffangtalbestand des Art. 2 Abs. 1 GG. Bei den unmittelbar wirkenden Grundrechten ist dies die logische Folge der Konstruktion der unmittelbaren Drittwirkung, während sich die Einbeziehung der mittelbar wirkenden Grundrechte aus dem Schutzzweck des § 612 a BGB ergibt. Besondere Anforderungen sind insoweit jedoch an die Zulässigkeil der Grundrechtsausübung zu stellen. Die Grundrechtsausübung erfolgt nur dann in zulässiger Weise, wenn dadurch keine verfassungsrechtlich geschützten Positionen des Arbeitgebers verletzt werden und der Arbeitnehmer durch die Grundrechtsausübung keine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt.

111. Geltendmachung von Normenschutz und vergleichbaren Verhaltenspflichten Zu klären bleibt, ob §612a BGB über die subjektiven Rechte des Arbeitnehmers hinaus einen Anwendungsbereich hat. In Betracht kommt dabei zunächst die Geltendmachung von Normenschutz bzw. die Berufung auf vergleichbare Verhaltenspflichten als Rechtsausübung i. S. des§ 612a BGB. Es wurde bereits festgestellt, daß der Normenschutz sich von den subjektiven Rechten durch die fehlende positive Seite unterscheidet. 299 Der Begünstigte erlangt durch den Normenschutz unmittelbar kein subjektives Recht, der Normenschutz begründet aber eine rechtliche Gebundenheit des Verpflichteten. Ein subjektives Recht in Form eines Schadensersatzanspruchs ergibt sich erst, wenn ein anderer schuldhaftdie sich aus der Norm ergebende Pflicht verletzt hat. Vor der geschehenen Verletzung kommt ein subjektives Recht nur in Form eines quasi-negatorischen Unterlassungsanspruchs in Betracht. Erläutert wurde zudem, daß der rechtlichen Konstruktion des Normenschutzes im Arbeitsrecht keine eigenständige Bedeutung zukommt, da die öffentlich-rechtlichen Normen des technischen Arbeitsschutzes die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers konkretisieren, wodurch der Arbeitnehmer einen einklagbaren Anspruch- also ein subjektives Recht- auf Einhaltung der Schutzvorschriften erhält. 300 Praktische Bedeutung erlangt dabei besonders das Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers bei Nichteinhaltung der Schutzvorschriften. Da dies ein subjektives Recht ist, wurde bereits bei der Problematisierung der subjektiven Rechte als Rechte i. S. des § 612 a BGB auf diese Leistungsverweigerungsrechte eingegangen. 301 Dennoch ist die Konstruktion des Normenschutzes für das Arbeitsrecht und für die Frage des Anwendungsbereichs des § 612 a BGB nicht irrelevant, da im Arbeits299 300

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§ 3 I. 2. a). § 3 1.2. b). § 3 I. l. a).

§ 3 Rechte des Arbeitnehmers i. S. des§ 612a BGB

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recht dem Normenschutz vergleichbare Verhaltenspflichten bestehen: Dies ist zum einen das Verbot der Geschlechtsdiskriminierung, das einfachgesetzlich durch § 611 a Abs. 1 BGB konkretisiert wurde und die Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. 302 1. Berufung auf das Verbot der Geschlechtsdiskriminierung

als Recht i. S. des§ 612a BGB

Um die Frage zu beantworten, ob auch die Berufung auf dieses Verbot von§ 612a BGB erfaßt wird, muß die Entstehungsgeschichte der Norm berücksichtigt werden. Anlaß für die Schaffung des § 612a BGB war die Umsetzung des Art. 5 der EGRichtlinie 75/177/EWG und des Art. 7 der EG-Richtlinie 76/207/EWG. § 612a BGB geht dabei jedoch im Hinblick auf die geschützte Rechtsausübung über die Vorgaben der Richtlinien hinaus.303 Während nach den genannten Richtlinien der Arbeitnehmer vor jeder Entlassung geschützt werden soll, die eine Reaktion des Arbeitgebers auf eine Beschwerde im Betrieb oder gerichtliche Klage auf Einhaltung des Grundsatzes des gleichen Entgelts bzw. auf Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung darstellt, wurde§ 612 a BGB aus dem Gleichbehandlungskontext von Frauen und Männern herausgelöst. Aus dieser Erweiterung des Schutzbereichs des § 612 a BGB gegenüber den EG-rechtlichen Vorgaben ergibt sich zwingend, daß zumindest auch der Regelungsgehalt der Art. 5 und Art. 7 der o. g. Richtlinien erfaßt sein muß. Der Arbeitnehmer hat jedoch- wie bereits gezeigt 304 - keinen Anspruch auf Einhaltung des Grundsatzes der Gleichberechtigung i. S. eines einklagbaren subjektiven Rechts. Vielmehr begründet der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 611 a BGB bei der Einstellung oder Beförderung nur einen Schadensersatzanspruch gern. § 611 a Abs. 2 BGB. 305 Ein Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz- also unzweifelhaft ein subjektives Recht i. S. des§ 612 a BGB- besteht nach § 612 Abs. 3 BGB nur ausnahmsweise bei einem Verstoß gegen die Entgeltgleichheit § 612a BGB wurde auch eingeführt, um das Benachteiligungsverbot zwischen Männern und Frauen abzusichern. Dies zeigt, daß die Rechte i. S. des§ 612a BGB nicht nur auf subjektive Rechte des Arbeitnehmers beschränkt sind. Vielmehr fällt zumindest auch die dem Nonnenschutz vergleichbare Verhaltenspflicht des Diskriminierungsverbots zwischen Männern und Frauen in den Anwendungsbereich des § 612a BGB. 306 Für eine Beschwerde, die ein Arbeitnehmer bzw. eine Arbeitnehmerin im Betrieb erhebt, weil er/sie sich durch die Nichteinhaltung des GleichbehandlungsgrundsatZur Herleitung der Vergleichbarkeit s. § 3 I. 2. c) aa) und bb). s.o. 1. Teil §I III. 1. 304 s.o. § 3 I. 2. c) bb). 3°~ MüKo/Müller-Glöge, § 611 a BGB Rn. 43. 306 So auch Schleicher, AR-Blattei, Gleichbehandlung im Arbeitsverhältnis li unter D VIII I. 302 303

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2. Teil: Inhaltlicher Regelungsgehalt des§ 612a BGB

zes von Männern und Frauen durch den Arbeitgeber persönlich benachteiligt fühlt, ergibt sich dies allerdings schon aus dem Schutz der Ausübung subjektiver Rechte durch § 612 a BGB. Denn nach allgemeiner Ansicht steht dem Arbeitnehmer das Individualrecht zu, sich zu beschweren, wenn er sich vom Arbeitgeber oder von anderen Arbeitnehmern des Betriebs benachteiligt oder ungerecht behandelt fühlt. 307 Dieses subjektive Beschwerderecht wird aus der Treue- oder Fürsorgepflicht des Arbeitgebers abgeleitet. 308 Unabhängig von der ausdrücklichen gesetzlichen Anerkennung in § 84 Abs. 1 S. 1 BetrVG gilt es daher nicht nur für die Arbeitnehmer im Anwendungsbereich des BetrVG, sondern für alle Arbeitnehmer. 309 Der Kreis der beschwerdefähigen Angelegenheiten ist umfassend, notwendig ist lediglich, daß ein inhaltlicher Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis besteht. 310 Folglich ist auch die Beschwerde eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin, die die Nichteinhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes von Männern und Frauen zum Inhalt hat, von diesem subjektiven Beschwerderecht erfaßt. Unerheblich ist dabei, daß der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes von Männern und Frauen, sondern im Fall der Verletzung der dem Arbeitgeber obliegenden Pflicht lediglich einen Schadensersatzanspruch hat, da ein Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung keine Voraussetzung des Beschwerderechts ist. 311 Ein Beispiel für den Anwendungsbereich des§ 612 a BGB ist daher auch gegeben, wenn eine Arbeitnehmerin sich bei ihrem Arbeitgeber beschwert, weil sie- trotz besserer Qualifikation- bei einer anstehenden Beförderung zu Gunsten eines männlichen Bewerbers nicht berücksichtigt worden ist und der Arbeitgeber ihr daraufhin kündigt. 312 Daneben ergibt sich die Nichtigkeit der Kündigung nach § 134 BGB als Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 611 a Abs. 1 BGB 313 und bei Anwendbarkeit des BetrVG aus § 134 BGB i. V. m. § 84 Abs. 3 BetrVG. Beschwert sich der Arbeitnehmer dagegen über die Nichteinhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Betrieb, ohne selbst benachteiligt zu sein, so läßt sich ein subjektives Recht zu einer solchen Beschwerde weder aus § 84 Abs. 1 S. 1 BetrVG 314 noch aus der Treue- oder Fürsorgepflicht des Arbeitgebers herleiten. Vorstellbar ist etwas der Fall, daß ein Arbeitnehmer, der selbst nicht nachteilig betroffen ist, gleichsam als Sachwalter der Interessen der Belegschaft bemängelt, daß der Arbeitgeber bei Beförderungen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen nicht beachtet habe. Eine wegen dieser Beschwerde erfolgende D/K/K/Buschnumn, § 84 BetrVG Rn. 2; GK/Wiese, § 84 BetrVG Rn. 4. GK/Wiese, vor§ 81 BetrVG Rn. 16; Hess!Schlochauer!Glaubitz, vor§§ 81-86 BetrVG Rn. 2; Niederalt, Die Individualrechte des Arbeitnehmers, S. 168 ff.; Richardi, § 84 BetrVG Rn.2. 309 Ausführlich zum Benachteiligungsverbot aus § 84 Abs.3 BetrVG vgl. § 12 111. 1. 3IO Richardi, § 84 BetrVG Rn. 7; Hal/men, Die Beschwerde des Arbeitnehmers, S. 15 ff. 311 GK/Wiese, § 84 BetrVG Rn. 8. 312 Weiteres Beispiel bei Pfarr!Bertelsmann, Gleichbehandlungsgesetz Rn. 186. m Vgl. MüKo/Müller-Glöge, § 611 a BGB Rn.40. 314 Richardi, § 84 BetrVG Rn. 5 m. w. N. 3°7 308

§ 3 Rechte des Arbeitnehmers i. S. des§ 612a BGB

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Kündigung verstößt nur dann gegen§ 612a BGB, wenn auch das Berufen auf Normenschutz in den Anwendungsbereich des § 612a BGB fallt. Wie bereits erörtert, wurde der Schutzbereich der EG-rechtlichen Vorgaben durch§ 612a BGB erweitert. Daraus ergibt sich zwingend, daß zumindest auch der Regelungsgehalt der Art. 5 und Art. 7 der Richtlinien 75/177/EWG bzw. 76/207/EWG erfaßt sein muß. Die Benachteiligungsverbote in diesen Richtlinien sind nicht auf Beschwerden beschränkt, die die Arbeitnehmer wegen selbst erlittener Benachteiligungen erheben, vielmehr ist davon auszugehen, daß auch die Popularbeschwerde in bezug auf den Gleichbehandlungskontext erfaßt sein sollte. Gleiches muß dann ebenso für die Umsetzung durch § 612 a BGB gelten. Folglich f