Zeit und Ewigkeit: Philosophisch-theologische Beiträge Bonaventuras zum Diskurs des 13. Jahrhunderts um tempus und aevum 9783050093499, 9783050056661

This work closely examines Bonaventura’s († 1274) philosophical-theological concept of time and eternity. It focuses on

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German Pages 488 Year 2014

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Table of contents :
Inhalt
Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“
1 Zielbestimmung
2 Texte und Kontexte
2.1 Verwendete Texte
2.2 Kontexte
2.2.1 Kosmologie
2.2.1.1 Die ersten sieben Sphären und das Firmament
2.2.1.2 Der Kristallhimmel
2.2.1.3 Das Empyreum
2.2.2 Aristotelesrezeption und Aristotelismus im 13. Jahrhundert
2.2.2.1 Aristotelesübersetzungen und -kommentare
2.2.2.2 Bonaventura und Aristoteles
2.2.2.3 Philosophie und Theologie
3 Vordenker
3.1 Aristoteles
3.1.1 Die Untersuchung der Zeit
3.1.2 Die Spielarten von „Ewigkeit“
3.2 Augustinus
3.2.1 Zeit-Perspektiven
3.2.1.1 Das Verhältnis von Zeit und Geist in den Confessiones
3.2.1.2 Die Zeit als Naturbestand
3.2.2 Gottes Ewigkeit
Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit
1 Verschiedene Begriffe von Zeit
1.1 Tempus multipliciter accipitur – Zeitdefinitionen bei Bonaventura
1.2 Die Bedeutungen von „Zeit“ im Einzelnen
1.2.1 Mensura motus sive variationis successivae et continuae
1.2.2 Mensura variationis successivae
1.2.3 Exkurs: Das saeculum als Zeitmaß zwischen tempus und aevum
1.2.4 Mensura mutationis cuiuscumque
1.2.5 Mensura cuiuslibet durationis creatae
2 Philosophische Klärungen
2.1 Die Zeit als Maß
2.1.1 Der Maßbegriff
2.1.2 Die Zeit als extrinsisches und intrinsisches Maß
2.1.2.1 Tempus magis proprie dictum und tempus proprie dictum
2.1.2.2 Exkurs: tempus secundum esse und tempus secundum essentiam
2.1.2.3 Tempus communiter dictum und tempus communissime dictum
2.1.3 Fazit
2.2 Die Bedeutung des nunc
2.2.1 Das nunc als ganzes Wesen der Zeit
2.2.2 Einheit und Vielheit des nunc
2.2.2.1 Das kontinuierlich fließende nunc
2.2.2.2 Exkurs: continuum und successio
2.2.2.3 Die Vervielfältigung des nunc mit dem Träger
2.3 Zeit und Materie
2.4 Die Einheit der Zeit
3 Theologische Deutungen
3.1 Geschaffenes Sein als zeitliches Sein
3.2 Die Zeit als habitudo concreata und der Beginn der Zeit
Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum
1 Vorüberlegungen zum Begriff «aevum»
2 Das aevum zwischen Zeit und Ewigkeit
2.1 Aevum und aeternitas
2.1.1 Die aeternitas Gottes
2.1.2 Die Absetzung des aevum von der aeternitas
2.2 Aevum und tempus
3 Einheit und Vielheit des aevum
4 Das aevum als die Zeit der Seligen
5 Fazit
Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept
1 Bonaventuras Zugang
2 Der Anfang der Zeit: Protologische Aspekte
2.1 Der objektive Charakter der Zeit
2.2 Die Zeit als dem Menschen in Freiheit aufgegebene
2.3 Fazit
3 Die Mitte der Zeit: Christologische Aspekte
3.1 Die metaphysische Begründung der Zeit im verbum increatum
3.2 Die geschichtlich vermittelte Begründung der Zeit im verbum incarnatum
3.3 Christus als Fülle der Zeiten
4 Die Vollendung der Zeit: Eschatologische Aspekte
Anhang
1 Quellen- und Literaturverzeichnis
1.1 Quellen
1.2 Literatur
2 Abkürzungsverzeichnis
2.1 Einteilung von Schriften
2.2 Chronologie und Abkürzungen der Werke Bonaventuras
2.3 Quellenausgaben
3 Personenregister
4 Sachregister
5 Verzeichnis der Diagramme, Tabellen und Abbildungen
6 Verzeichnis zitierter Bibelstellen
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Zeit und Ewigkeit: Philosophisch-theologische Beiträge Bonaventuras zum Diskurs des 13. Jahrhunderts um tempus und aevum
 9783050093499, 9783050056661

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Florian Kolbinger Zeit und Ewigkeit

Münchener Universitätsschriften Katholisch-Theologische Fakultät

Veröffentlichungen des Grabmann-Institutes zur Erforschung der mittelalterlichen Theologie und Philosophie Band 55 Begründet von Michael Schmaus†, Werner Dettloff und Richard Heinzmann Fortgeführt unter Mitwirkung von Ulrich Horst Herausgegeben von Richard Heinzmann und Martin Thurner (federführender Herausgeber)

Florian Kolbinger

Zeit und Ewigkeit Philosophisch-theologische Beiträge Bonaventuras zum Diskurs des 13. Jahrhunderts um tempus und aevum

ISBN 978-3-05-005666-1 eISBN 978-3-05-009349-9 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2014 Akademie Verlag GmbH, Berlin Ein Unternehmen von De Gruyter Druck & Bindung: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde 2011 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation eingereicht. Ihre Drucklegung ist nun der letzte Schritt eines Weges, der vor vielen Jahren begonnen hat. Im Rückblick auf diesen Weg empfinde ich vor allem ein Gefühl der Dankbarkeit. Es waren viele Menschen, die mich auf ganz unterschiedliche Weisen unterstützt und dadurch die Arbeit überhaupt erst ermöglicht haben: durch fachliche Beratung, durch ihr Wohlwollen und durch immer wieder ausgesprochene Ermutigungen, durch Rücksichtnahme und eigene Mehrarbeit, damit ich Zeit für die Arbeit an der Promotion hatte, und durch noch viele andere kleinere und größere Hilfen. Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle danken. Besonders verbunden bin ich Frau Prof. Marianne Schlosser, die den Anstoß zu der Arbeit gegeben und die sie die ganze Zeit über – auch als sie schon an der Universität Wien war – begleitet hat. Nicht weniger herzlich danke ich Herrn Prof. Martin Thurner, für die spontane Bereitschaft, die Arbeit anzunehmen, und für die ebenso rasche wie gründliche Korrektur. Auch dem Zweitkorrektor, Herrn Prof. em. Ulrich Horst op, bin ich in vielfacher Weise zu Dank verpflichtet, nicht zuletzt für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der „Veröffentlichungen des Grabmann-Institutes“. Aufrichtig danke ich meinem Vater und insbesondere meiner Mutter. Es ist mir ein großer Schmerz, dass sie, die mich in jeder erdenklichen Weise unterstützt hat, die Fertigstellung nicht mehr erleben durfte. Einen nicht unerheblichen Anteil am Entstehen und Gelingen des Werkes hatte auch die finanzielle und ideelle Förderung der Hanns-SeidelStiftung. Vor allem an die gute Gemeinschaft und die interessanten Seminare in Wildbad Kreuth erinnere ich mich noch gerne zurück. Dem Bistum Augsburg danke ich für den gewährten Zuschuss zu den Druckkosten, dem Akademie-Verlag, insbesondere Herrn Manfred Karras, danke ich schließlich für die Begleitung in der Drucklegungsphase. Florian Kolbinger im November 2013

Inhalt

Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“ .................................................. 11 1

Zielbestimmung .......................................................................................................13

2

Texte und Kontexte ..................................................................................................22 2.1 Verwendete Texte ...............................................................................................22 2.2 Kontexte .............................................................................................................34 2.2.1 Kosmologie ..................................................................................................34 2.2.1.1 Die ersten sieben Sphären und das Firmament ......................................37 2.2.1.2 Der Kristallhimmel ................................................................................43 2.2.1.3 Das Empyreum.......................................................................................52 2.2.2 Aristotelesrezeption und Aristotelismus im 13. Jahrhundert........................67 2.2.2.1 Aristotelesübersetzungen und -kommentare ..........................................67 2.2.2.2 Bonaventura und Aristoteles ..................................................................72 2.2.2.3 Philosophie und Theologie.....................................................................81

3

Vordenker .................................................................................................................95 3.1 Aristoteles ..........................................................................................................96 3.1.1 Die Untersuchung der Zeit ...........................................................................99 3.1.2 Die Spielarten von „Ewigkeit“ ................................................................... 106 3.2 Augustinus........................................................................................................ 112 3.2.1 Zeit-Perspektiven ....................................................................................... 113 3.2.1.1 Das Verhältnis von Zeit und Geist in den Confessiones....................... 114 3.2.1.2 Die Zeit als Naturbestand..................................................................... 141 3.2.2 Gottes Ewigkeit .......................................................................................... 150

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit........................................................................... 163 1

Verschiedene Begriffe von Zeit.............................................................................. 165 1.1 Tempus multipliciter accipitur – Zeitdefinitionen bei Bonaventura................. 168

8

Inhalt 1.2 Die Bedeutungen von „Zeit“ im Einzelnen...................................................... 173 1.2.1 Mensura motus sive variationis successivae et continuae ......................... 174 1.2.2 Mensura variationis successivae................................................................ 179 1.2.3 Exkurs: Das saeculum als Zeitmaß zwischen tempus und aevum .............. 188 1.2.4 Mensura mutationis cuiuscumque .............................................................. 193 1.2.5 Mensura cuiuslibet durationis creatae ....................................................... 197

2

Philosophische Klärungen...................................................................................... 204 2.1 Die Zeit als Maß............................................................................................... 204 2.1.1 Der Maßbegriff........................................................................................... 205 2.1.2 Die Zeit als extrinsisches und intrinsisches Maß ....................................... 212 2.1.2.1 Tempus magis proprie dictum und tempus proprie dictum .................. 214 2.1.2.2 Exkurs: tempus secundum esse und tempus secundum essentiam ....... 217 2.1.2.3 Tempus communiter dictum und tempus communissime dictum .......... 223 2.1.3 Fazit............................................................................................................ 228 2.2 Die Bedeutung des nunc................................................................................... 229 2.2.1 Das nunc als ganzes Wesen der Zeit........................................................... 231 2.2.2 Einheit und Vielheit des nunc..................................................................... 237 2.2.2.1 Das kontinuierlich fließende nunc ....................................................... 239 2.2.2.2 Exkurs: continuum und successio ........................................................ 245 2.2.2.3 Die Vervielfältigung des nunc mit dem Träger .................................... 250 2.3 Zeit und Materie............................................................................................... 257 2.4 Die Einheit der Zeit .......................................................................................... 266

3

Theologische Deutungen........................................................................................ 275 3.1 Geschaffenes Sein als zeitliches Sein............................................................... 276 3.2 Die Zeit als habitudo concreata und der Beginn der Zeit ................................ 284

Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum....................................................................... 291 1

Vorüberlegungen zum Begriff «aevum» ................................................................ 293

2

Das aevum zwischen Zeit und Ewigkeit ................................................................ 298 2.1 Aevum und aeternitas ....................................................................................... 300 2.1.1 Die aeternitas Gottes.................................................................................. 300 2.1.2 Die Absetzung des aevum von der aeternitas............................................. 306 2.2 Aevum und tempus............................................................................................ 310

3

Einheit und Vielheit des aevum.............................................................................. 315

4

Das aevum als die Zeit der Seligen ........................................................................ 319

5

Fazit........................................................................................................................ 330

Inhalt

9

Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept ......... 333 1

Bonaventuras Zugang............................................................................................. 335

2

Der Anfang der Zeit: Protologische Aspekte.......................................................... 339 2.1 Der objektive Charakter der Zeit...................................................................... 339 2.2 Die Zeit als dem Menschen in Freiheit aufgegebene ....................................... 344 2.3 Fazit.................................................................................................................. 347

3

Die Mitte der Zeit: Christologische Aspekte.......................................................... 349 3.1 Die metaphysische Begründung der Zeit im verbum increatum ...................... 351 3.2 Die geschichtlich vermittelte Begründung der Zeit im verbum incarnatum .... 355 3.3 Christus als Fülle der Zeiten............................................................................. 370

4

Die Vollendung der Zeit: Eschatologische Aspekte ............................................... 397

Anhang ......................................................................................................................... 411 1

Quellen- und Literaturverzeichnis.......................................................................... 413 1.1 Quellen ............................................................................................................. 413 1.2 Literatur............................................................................................................ 422

2

Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................... 430 2.1 Einteilung von Schriften .................................................................................. 430 2.2 Chronologie und Abkürzungen der Werke Bonaventuras ................................ 431 2.3 Quellenausgaben .............................................................................................. 432

3

Personenregister ..................................................................................................... 434

4

Sachregister............................................................................................................ 440

5

Verzeichnis der Diagramme, Tabellen und Abbildungen ....................................... 486

6

Verzeichnis zitierter Bibelstellen............................................................................ 487

Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

1

Zielbestimmung

„Was ist Zeit?“ – Eine Frage, die wohl gestellt wurde seit Menschen den Lauf der Gestirne und der Jahreszeiten beobachten und seit sie dabei über sich selbst nachdenken. Eines kann dabei als sicher gelten: „Zeit“ ist ein äußerst komplexes Phänomen und entsprechend vielfältig sind die Möglichkeiten, sich ihm zu nähern. Die Antwort auf die Eingangsfrage wird stark davon abhängen, ob man sich ihr aus physikalischer, biologischer, historischer, soziologischer, philosophischer, … Perspektive nähert. Eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Zugänge wird man dabei nicht ohne weiteres erwarten. Umgekehrt bedeutet das, dass die eigene Perspektive vorher möglichst genau umrissen werden sollte, bevor man sich an die Beantwortung einer solchen Frage macht. Das Ziel der vorliegenden Arbeit, eine einigermaßen systematische Darstellung der Gedanken Bonaventuras zu den Themen Zeit und Ewigkeit zu geben, ist gegenüber der Eingangsfrage sicherlich erheblich bescheidener, da nicht eine „absolute“, alle Aspekte umgreifende Antwort gefunden werden muss, sondern nur der Standpunkt dieser einen Person dargestellt werden soll. Doch auch hier gilt es, zunächst einmal den Rahmen abzustecken, von dem aus man einen angemessenen Zugang zu Bonaventuras Standpunkt gewinnen kann. Dabei klärt sich zugleich, was diese Untersuchung zu leisten imstande ist und was nicht. Im Hinblick auf Zeit und Ewigkeit ist dieser Rahmen gewissermaßen ein doppelter: Er ist sowohl theologisch als auch philosophisch. Bonaventura verstand sich in erster Linie als Theologe. Die Theologie wird man so wohl mit Recht als den vornehmlichen Horizont nehmen, innerhalb dessen die Zeitfrage für Bonaventura interessant war. Nimmt man nun beispielsweise die Definition des Breviloquium, so ist Theologie die Wissenschaft von Gott als dem ersten Ursprung und gliedert sich in folgende Teilgebiete: Gotteslehre, Schöpfungslehre, theologische Anthropologie, Christologie, Gnadenlehre sowie Pneumatologie, Sakramentenlehre und Eschatologie.1 Macht man sich die Inhalte der genannten Traktate bewusst, so fällt auf, 1

Vgl. Brev. I, 1 [V, 210a]: … theologia, quae principaliter agit de primo principio, … de septem agit in universo, scilicet primo, de Trinitate Dei; secundo, de creatura mundi; tertio, de corruptela peccati; quarto, de incarnatione Verbi; quinto, de gratia Spiritus Sancti; sexto, de medicina sacramentali, et septimo, de statu finalis iudicii. – Die Namen der einzelnen Traktate sind oben so wiedergegeben, wie man sie heute bezeichnen würde, dass dabei etwa 750 Jahre inhaltlicher Ent-

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

dass das Thema „Zeit“ (wenn man es so weit versteht, dass es auch die Ewigkeit einschließt) nicht einem einzelnen von ihnen angehört, sondern in jedem von ihnen eine gewisse Rolle spielt. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die Zeit untrennbar mit dem humanum verbunden ist. Als Grundsignatur der Welt und des Menschen ist sie in (beinahe) jedem Gebiet der Theologie mitzubedenken. Als Gegenpol zur Zeitlichkeit (jetzt in einem engen Sinn verstanden) kommt dabei unweigerlich die Ewigkeit Gottes ins Blickfeld. Bei Bonaventura – aber nicht nur bei ihm, auch wenn es hier besonders auffällt – sind die beiden Fragen nach Zeit und Ewigkeit eng miteinander verbunden, und zwar sowohl in ihrer Zusammengehörigkeit als auch in ihrer Diastase: Das Wesen der Zeit kann nur der erfassen, der sie in ihrem Bezug auf die Ewigkeit hin sieht; umgekehrt wird das mit dem Wesen Gottes identische Wesen der Ewigkeit zwar nicht begriffen, aber doch „berührt“,2 indem die Kategorien der Zeitlichkeit „aufgehoben“ werden (sowohl im Sinn der via negativa, als auch im Sinn der via supereminentiae der dionysischen Theologie). Darin ist implizit enthalten, dass es um eine Verhältnisbestimmung geht, bei der die beiden Relate, Zeit und Ewigkeit, in die rechte Beziehung zueinander gesetzt werden müssen. Als selbstverständlich hat dabei zu gelten, dass Bonaventura dies nicht als ein reziprokes Verhältnis ansah. Im Grunde geht es ja dabei um nichts anderes als um die relatio des Geschöpfes zu seinem Schöpfer, und die ist von Grund auf verschieden von der umgekehrten relatio des Schöpfers zu seinem Geschöpf. Bei dieser Betrachtungsweise ist die theologische Problematik an der Schnittstelle von Zeit und Ewigkeit angesiedelt; wenn man hoch hinausgreifen will, kann man dies geradezu als eine Definition von Theologie verstehen. Näherhin wird man dann die Frage nach dem Anfang der Zeit als einen Aspekt der Protologie, die Frage nach ihrem Ende als Teil der Eschatologie begreifen. Vom Menschen ausgehend stellt sich hier die Frage, wie das Zeitliche des Ewigen teilhaftig werden kann – im Hier und Jetzt über die Sakramente sowie die mystische Erfahrung und in der kommenden Welt durch die Schau Gottes. Und weiter wird man auch in der Frage nach dem Wesen Gottes das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit mitbedenken, mindestens dann, wenn man dieses Wesen so bestimmen will, dass das Zeitliche nicht vom Ewigen völlig absorbiert wird. Oder noch einmal anders, wenn man nach der Beziehung Gottes zur Welt fragt: Wie können

2

wicklung der einzelnen Gebiete übersprungen werden, ist mir wohl bewusst, soll hier aber nicht weiter thematisiert werden. – Für die Abkürzungen der Werke Bonaventuras siehe die Übersicht auf S. 431; die Abkürzungen für Werke anderer Autoren sind an die jeweilige bibliographische Angabe im Quellenverzeichnis (ab S. 413) angeschlossen. Diese Einschränkung gilt für die Gotteserkenntnis insgesamt, da das Höhere vom Geringeren schlichtweg nicht begriffen werden kann; Étienne GILSON, Die Philosophie des heiligen Bonaventura, Köln – Olten 21960 (Übs. der frz. Ausgabe Paris 31953), 140f. gebrauchte dafür die mindestens bis auf AUGUSTINUS, De videndo Deo (= ep. 147) 9, 21 [CSEL 44, 295] zurückgehende Unterscheidung von „gedanklichem Begreifen“ und „gedanklichem Berühren“. Bonaventura sprach in I Sent. 3, 1, 1, 1, ad 1 [I, 69] von cognitio per comprehensionem et per apprehensionem. Auch in III Sent. 14, 1, 2, resp. [III, 300f.] benutzte er diese Unterscheidung.

Zielbestimmung

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Schöpfung, Vorsehung, Vorherbestimmung und Lenkung der Welt (providentia, praedestinatio, gubernatio) so gedacht werden, dass das Geschöpf dabei seinen Selbststand (am deutlichsten sichtbar in der Freiheit des menschlichen Willens) nicht verliert? Was Zeit ist, wird am deutlichsten sichtbar im Blick auf ihren Anfang und ihr Ende. Es bleibt die „Mitte der Zeit“. Gibt es auch für diese eine theologische Relevanz? Je nachdem, wie man Mitte der Zeit interpretieren möchte (eher punktuell oder den gesamten Raum zwischen Anfang und Ende erfüllend), ergeben sich hier zwei verschiedene Ausblicke. Zum einen kann man aus dieser Perspektive auf die Christologie blicken: Schon im Neuen Testament wurde das Christusereignis mit der „Fülle der Zeiten“ (plenitudo temporum, Eph 1, 10; Gal 4, 4) in Verbindung gebracht. Denkt man an die hypostatische Union, als das christologische Dogma schlechthin, so stellt sich hier die Frage nach der Verbindung von Zeit und Ewigkeit in verdichteter Form. Besondere Bedeutung gewinnt dieser Aspekt im Hinblick auf die christologische Zentrierung der bonaventurianischen Theologie.3 Zum anderen eröffnet sich hier das Feld der Geschichtstheologie als Versuch, den Lauf der Zeiten aus der Gotteserfahrung heraus zu deuten. Diese zeigt noch einmal eine andere Facette des Verständnisses von Zeit auf: Hier geht es nicht mehr um einen abstrakt-quantitativen Begriff von Zeit, sondern Zeit meint jetzt eine Geschichts-Zeit, die eine gefüllte, eine sinnerfüllte Zeit ist. Ein möglicher Versuch solcher Deutung besteht in der Strukturierung und Periodisierung der Geschichte. Als das (noch) im 13. Jahrhundert maßgebliche Grundkonzept wird man dabei die in Augustinus’ De civitate Dei vorgelegte Einteilung der Weltgeschichte in sechs (oder sieben) aetates ansehen.4 Auf ihr baute auch die Geschichtskonzeption Joachims von Fiore auf, die innerhalb des franziskanischen Ordens intensiv rezipiert wurde. Insgesamt erwies sich die Geschichtstheologie dieser Prägung als ein Brennpunkt, in dem ekklesiologische, eschatologische und christologische Fragestellungen aufeinandertrafen; „Brennpunkt“ auch insofern, als es hier nicht um einen von der Gelehrtenstube aus betriebenen theologischen Disput, sondern um einen handfesten Richtungsstreit innerhalb des Franziskanerordens ging, mit dem Bonaventura als Generalminister umzugehen hatte. So weit eine erste Beschreibung des theologischen Rahmens. Doch – wie gesagt – es ist nicht der einzige Rahmen, von dem aus die Zeitfrage bei Bonaventura zu behandeln ist. Das Thema Zeit geht nämlich nicht völlig in der Theologie auf. Vielmehr sind hier theologische und philosophische Fragestellungen miteinander verschränkt. Für das 13. Jahrhundert galt dies um so mehr, als unter dem Dach der (Natur-)Philosophie auch die physikalischen Aspekte abgehandelt wurden.5 Wenn man sich der Zeitfrage aus theolo3

4 5

An dieser Stelle mag ein Satz aus Hex., princ., 1 (1), 10 [Ed. Delorme, 4] (vgl. Hebr 1, 2) als Beleg genügen: In Christo ergo, qui tenet medium in omnibus, incipiendum et per ipsum perveniendum est ad Creatorem … quia per ipsum, cum sit Verbum Patris, fecit Pater saecula. Zusammenfassend in Civ. XXII, 30 [CC.SL 48, 865f.] vorgetragen. Bestimmt man Physik innerhalb der Naturphilosophie als die Wissenschaft von dem, was entstanden ist (und vergeht), so gehört der Zeitbegriff zweifellos zu ihren Grundlagen. Vgl. etwa den

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

gischer Perspektive nähert, dann können die philosophischen Probleme, die sich mit ihr verbinden – angefangen bei der Frage nach dem Wesen der Zeit –, nicht unbeachtet bleiben, will man nicht Gefahr laufen, von Dingen zu reden, die man nicht wirklich verstanden hat (es ist insofern ein Gebot der Vernünftigkeit der Theologie).6 Unversehens ist damit auch die Frage nach dem Verhältnis von Theologie und Philosophie aufgeworfen. Die besondere Relevanz dieses Aspektes wird deutlich, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass Bonaventura nicht (wie beispielsweise Thomas von Aquin und Albertus Magnus) der Philosophie ein eigenständiges Gebiet zuwies, sondern sie als einen notwendigen „Durchgangsort zwischen reinem Glauben und der Theologie“ verstand.7 Auf die Frage nach dem Wesen der Zeit (exempli gratia) angewendet, bedeutete das, dass aus der theologischen Perspektive sicher ein vollendeteres Verständnis dafür erreicht werden sollte, dieses aber die philosophischen Einsichten nicht etwa entwertete, sondern sowohl voraussetzte als auch auf eine höhere Ebene stellte. Eine theologische Konzeption von Zeit und Ewigkeit ohne eine entsprechende philosophische Grundlegung lässt sich wohl für keinen Denker vorstellen. Für das 13. Jahrhundert kommt als besonderer Aspekt die fortschreitende Aristotelesrezeption hinzu.8

6

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8

Artikel von Silvia DONATI / Andreas SPEER, Physik und Naturphilosophie, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, München 1993, 2111–2117, besonders 2112f. Bonaventura bestimmte die Physik entweder als Teilgebiet der Naturphilosophie (neben der Mathematik und der Metaphysik) oder er setzte sie mit Naturphilosophie gleich, ihr Gebiet sah er in der Erkenntnis der Seinsursachen (vgl. Red. 4 [V, 320]), in den „Naturen, Kräften und sich auswirkenden Tätigkeiten“ (de naturis, virtutibus et operationibus diffusivis, vgl. Itin. III, 6 [V, 305]) oder in der Bewegung der Körper (corpus mobile in quantum mobile et de motu corporum superiorum …, vgl. Hex., princ., 1 (1), 18 [Ed. Delorme, 7f.]). Vgl. dazu auch Hex. I, 1 (4), 17 [Ed. Delorme, 59; V, 352a]. Die aristotelische Grundlage dieser Bestimmung war die Definition von Physica III, 1 [200b 12f.] (und ähnlich ebd. VIII, 3 [253b 5f.]), durch deren Bestimmung von „Natur“ als „Prinzip der Bewegung und Veränderung“ (ἀρχὴ κινήσεως καὶ µεταβολῆς) die Betrachtung der Bewegung zum Gegenstand der Naturphilosophie erhoben wurde; vgl. hierzu auch THOMAS VON AQUIN, In Physic. III, c. 1, lect. 1, 1 [Ed. Leonina II, 102]: Postquam philosophus determinavit de principiis rerum naturalium, et de principiis huius scientiae, hic incipit prosequi suam intentionem determinando de subiecto huius scientiae, quod est ens mobile simpliciter. Bonaventura bestimmte Theologie unter methodischem Aspekt als „Hinzutreten der Vernunft zu den Inhalten des Glaubens“; vgl. I Sent., prooem., 1, resp. [I, 7b]: et sic [subiectum theologiae] est credibile, prout tamen credibile transit in rationem intelligibilis, et hoc per additionem rationis. Vgl. z. B. GILSON, Philosophie des hl. Bonaventura, 132f. – ergänzend ist anzumerken, dass auch die Theologie nur ein weiterer derartiger „Durchgangsort“ zur Gabe der Weisheit war. Für Näheres siehe den Abschnitt „Philosophie und Theologie“ ab S. 81, bes. S. 90. In umgekehrter Reihenfolge spiegelte auch die von Bonaventura im Hexaëmeron angegebene „Leseordnung“ (Heilige Schrift, Schriften der Heiligen, Schriften der Theologen, Schriften der weltlichen Wissenschaft) dieses Verhältnis wider: Die im Ursprung stehende Heilige Schrift braucht diese immer weiter werdenden konzentrischen Kreise, um verstanden zu werden; vgl. Hex. III, 7 (19), 6–10 [Ed. Delorme, 214–216; V, 421f.]. Für einen ersten orientierenden Überblick vgl. etwa Fernand Van STEENBERGHEN, Aristoteles. IV. Lateinisches Mittelalter, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, Mün-

Zielbestimmung

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Im vorliegenden Zusammenhang ist dabei vor allem auf folgende Faktoren innerhalb dieses Prozesses hinzuweisen: Ein Teil der logischen Schriften des Aristoteles war der lateinisch sprechenden Welt vor allem durch die Übersetzungen des Boethius schon seit dem Ausgang der Antike bekannt. Die entscheidenden Gedanken über Zeit und Ewigkeit fanden sich dagegen in den neu rezipierten Schriften, insbesondere der Metaphysik und der Physik (neben weiteren, wie z. B. den kosmologischen Schriften De caelo, De mundo, De generatione et corruptione oder De anima).9 Eine eigene Note bekam dieser Rezeptionsvorgang dadurch, dass diese Schriften der lateinischsprechenden Gelehrtenwelt zunächst vor allem über arabische Kommentierungen – namentlich durch Avicenna (Ibn Sīnā) und Averroes (Ibn Rušd) – bekannt wurden, bevor sie direkt aus dem Griechischen ins Lateinische übertragen wurden. Die zwischen 1210 und 1277 in Paris ausgesprochenen Aristotelesverbote10 weisen auf die Spannungen hin, die im Verlauf dieses Prozesses zwischen Philosophie und Theologie – oder zwischen der Artistenfakultät und der theologischen Fakultät – bestanden. Die These von der Ewigkeit der Welt war dabei einer der Hauptstreitpunkte der sich Ende der 1260’er Jahre entwickelnden Auseinandersetzungen um den „heterodoxen Aristotelismus“ oder „Averroismus“.11 Thomas von Aquin, Siger von Brabant und Boethius von Dacien waren hier die Schlüsselfiguren. Bei diesem Disput, der zwischen den Magistri der Artes-Fakultät und der theologischen Fakultät ausgetragen wurde und in den Verurteilungen vom 10.12.1270 und vom 7.3.1277 durch Bischof Étienne Tempier gipfelte, stand Bonaventura als General-

9 10 11

chen 1980, 936–939, weitere Literatur siehe den Abschnitt „Aristotelesrezeption und Aristotelismus“ ab S. 67. Man denke nur an die berühmte Definition der Zeit als „Maßzahl der Bewegung hinsichtlich des Davor und Danach“ aus Physica IV, 11 [219b 2]. Im Überblick bei Ludwig HÖDL, Aristotelesverbote, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, München 1980, 948f. Um die richtige Bezeichnung („heterodoxer Aristotelismus“, „Averroismus“, „radikaler Aristotelismus“) ist viel gestritten worden, vgl. etwa die Stellungnahmen von Ludwig HÖDL, Averroes, Averroismus. II. Lateinischer Averroismus, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, München 1980, 1292–1295, hier 1292 zur Bezeichnung „Averroismus“ oder von B. Carlos BAZÁN, Radical Aristotelianism in the Faculties of Arts. The case of Siger of Brabant, in: Ludger Honnefelder u. a. (Hrsg.), Albertus Magnus und die Anfänge der Aristoteles-Rezeption im lateinischen Mittelalter. Von Richardus Rufus bis zu Franciscus Mayronis (= Subsidia Albertina 1), Münster 2005, 585–625, hier 585–590, zum Begriff „radikaler Aristotelismus“ sowie Fernand Van STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, Louvain – Paris 21991, 354–359 („Aristotélisme hétérodoxe ou averroïsme?“). Definiert man die so bezeichnete geistige Strömung über die vertretenen Thesen (z. B. Einheit des Intellektes, Ewigkeit der Welt, intellektueller Determinismus, die Idee einer durch Philosophie erreichbaren [diesseitigen] Glückseligkeit; vgl. BAZÁN, Radical Aristotelianism, 590) so tritt ihr Profil einigermaßen deutlich hervor. Ich werde im folgenden den Ausdruck „heterodoxer Aristotelismus“ bevorzugen; er soll aber lediglich darauf hinweisen, dass es hier um eine kirchliche Auseinandersetzung ging und die oben bezeichneten Thesen eine amtliche Verurteilung erfahren haben; die historische und sachliche Berechtigung der Verurteilung soll damit nicht ausgesagt werden, sie wäre in den einzelnen Fällen gesondert zu untersuchen.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

minister des Franziskanerordens nicht in vorderster Front, gleichwohl bezog er in den Universitätspredigten aus dieser Zeit doch deutlich Stellung.12 Die Predigten des Hexaëmeron zeigten an einigen Stellen eine einigermaßen unverhohlene Kritik in Richtung einer philosophischen Wissenschaft, die ihre Grenzen überschreitet.13 Und in der Tat war das Verhältnis von Philosophie und Theologie insgesamt (oder die Frage nach der Autonomie der Philosophie) sicherlich der Kernpunkt der skizzierten Auseinandersetzung. Inhaltlich waren es für Bonaventura drei Punkte der Aristotelesinterpretation, an denen die Kollision zwischen Philosophie und Glaube oder Theologie manifest wurde: die Frage nach der Ewigkeit der Welt, nach der individuellen Vorsehung Gottes und nach der Unsterblichkeit der einzelnen Seele.14 Alle drei Fragen haben auf je spezifische Weise mit dem Verhältnis von Zeit und Ewigkeit zu tun, und sie liegen in jenem Bereich, in dem sich Philosophie und Theologie überschneiden.15 Vor der „Entdeckung“ des Aristoteles war Augustinus die unangefochtene Autorität für die Frage nach der Zeit, sowohl was ihr Wesen anging als auch was ihre Deutung in der Geschichtstheologie betraf. Charakteristisch für die Position des Kirchenlehrers in der ersten Frage war die in Confessiones XI vorgenommene Bestimmung der Zeit als einer innerseelischen Realität; er hatte dort seinen Begriff der Zeit aus einer Betrachtung der Vorgänge in der Seele gewonnen. Aristoteles dagegen war bei seiner Bestimmung des Wesens der Zeit aus einer völlig anderen Richtung gekommen: Er hatte es aus einer Analyse der Bewegung abgeleitet (vor allem im Blick auf die Himmelssphären). Dementsprechend war die aristotelische Zeit, die „Maßzahl der Bewegung“, von vorneherein stärker auf die Außenwelt bezogen, sie war eine physikalische Zeit im Gegensatz zur psychologischen Zeit des Augustinus. Aristoteles ging zwar nicht so weit, der Zeit ein substantielles Sein zuzusprechen, immerhin aber stellte sie ein „Etwas“ (τι)

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Näherhin in den Collationes de decem praeceptis (1267), den Collationes de septem donis Spiritus Sancti (1268) und im Hexaëmeron (1273). Vgl. etwa die Überblicksdarstellungen bei Marianne SCHLOSSER, Bonaventura begegnen (= Zeugen des Glaubens), Augsburg 2000, 76–89. GILSON, Philosophie des hl. Bonaventura, 42–52, versuchte den Anteil Bonaventuras an den Auseinandersetzungen eher zu minimalisieren und sah ihn vor allem im Hintergrund agieren, STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 179 sprach ihm dagegen eine „aktive Rolle“ zu. In jedem Fall stellten Bonaventuras Collationes von 1267 und 1268 sicherlich eine der ersten literarischen Reaktionen auf die heterodoxen Strömungen in der Artistenfakultät dar (vgl. ebd., 325–335, bes. 325f.). Z. B. Hex., princ., 1 (1), 24 [Ed. Delorme, 11]; I, 1 (4), 16 [Ed. Delorme, 58]; I, 2 (5), 21 [Ed. Delorme, 84]; III, 7 (19), 14 [Ed. Delorme, 217]. Hex. IV, 3 (22), 18 [Ed. Delorme, 255] äußerte zwar auch Zeitkritik, das scheint aber in eine andere Richtung zu gehen. Vgl. am deutlichsten Hex. I, 4 (7), 1 [V; 365; Ed. Delorme, 98f.], ähnlich in I, 3 (6), 4f.; I, 1 (4), 16 [Ed. Delorme, 92.59; V, 361 bzw. nicht in Rep. B], Praec. II, 25 [V, 514] sowie Don. VIII, 16 [V, 497]. Zur Thematik siehe auch SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 80. Gerade darum ist es notwendig zu sehen, wie Bonaventura das Verhältnis zwischen Philosophie und Theologie bestimmte, siehe dazu den Abschnitt „Philosophie und Theologie“ ab S. 81.

Zielbestimmung

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an der Bewegung dar.16 Im 13. Jahrhundert wurde diese Frage nach dem Sein der Zeit heftig diskutiert, so wundert es nicht, dass auch sie in den Verurteilungen von 1277 ihren Widerhall fand.17 Die dahinterliegende Absicht „sowohl die Möglichkeit der Heilsgeschichte als auch die der Schöpfung zu verteidigen“18 – wobei hier notabene die der augustinischen (und averroistischen) Tradition innewohnende Tendenz einer allzu starken Verinnerlichung der Zeit abgelehnt wurde – zeigt die Querverbindung, die zwischen dem ontologischen und dem heilsgeschichtlichen Aspekt der Zeitfrage bestand.19 Aus dem Gesagten wird sichtbar, wie weit das Feld von Zeit und Ewigkeit ist, selbst wenn man alleine auf Bonaventura blickt. Auch da ist also eine nochmalige Einschränkung des Themas notwendig. Sie soll eng genug sein, um einigermaßen überschaubar zu bleiben, aber doch so weit, dass sich in etwa eine Gesamtperspektive auf das Thema Zeit und Ewigkeit ergibt. Dies soll dann auch den Unterschied ausmachen zu zahllosen bereits erschienenen Darstellungen einzelner Aspekte dieser Thematik, exemplarisch seien hier die Themen „Ewigkeit der Welt“, „aevum“ und „Geschichtstheologie“ genannt.20 Ich will mich im Folgenden auf die beiden Begriffe tempus und aevum konzentrieren. Diese Beschränkung bietet sich von daher an, weil diese – wie noch zu zeigen sein wird – in der Trias von tempus, aevum, aeternitas einerseits die geschöpfliche Seite zeitlicher Maße repräsentieren, sie aber andererseits ein Feld aufspannen, das doch weit genug ist, um sowohl dem Aspekt von Zeit wie auch dem von Ewigkeit gerecht zu wer16

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Vgl. Physica IV, 11 [218b 21 – 220a 26, bes. 219a 9f.]. Einen kurzen Überblick findet man bei Udo R. JECK / Burkhard MOJSISCH / Rudolf REHN, Zeit. I. Theologisch und Philosophisch, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 9, München 1998, 509–512; vgl. auch die Monographie von Udo JECK zu diesem Thema: Aristoteles contra Augustinum. Zur Frage nach dem Verhältnis von Zeit und Seele bei den antiken Aristoteleskommentatoren, im arabischen Aristotelismus und im 13. Jahrhundert, Amsterdam – Philadelphia 1994. Heinrich DENIFLE / Émile CHATELAIN, Chartularium universitatis Parisiensis, Bd. 1, Paris 1889 (Nachdruck Bruxelles 1964), 554 (a. 200): Quod evum et tempus nichil sunt in re, sed solum in apprehensione. Ruedi IMBACH, Temps, in: Claude Gauvard / Alain de Libera / Michel Zink (Hrsg.), Dictionnaire du Moyen Âge, Paris 2002, 1370f., hier 1371b (eigene Übs.). Bereits Joseph RATZINGER, Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura, München – Zürich 1959, 121 wies darauf hin, dass der Antiaristotelismus Bonaventuras sich weniger auf dem metaphysischen oder erkenntnistheoretischen Gebiet zeigte, als vielmehr in der Frage nach der Geschichtstheologie zu suchen ist (vgl. dazu das gesamte vierte Kapitel, 121–162). Vgl. auch das Urteil von STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 228. In dieselbe Richtung ging die Beobachtung von Paul ZAHNER, Die Fülle des Heils in der Endlichkeit der Geschichte. Bonaventuras Theologie als Antwort auf die franziskanischen Joachiten (= Franziskanische Forschungen 41), Werl (Westfalen) 1999, 15, der die „plakative Gegenüberstellung von Metaphysik und Heilsgeschichte als irreführend“ erkannte. Der einzige Versuch einer ähnlichen Gesamtdarstellung, auf den ich gestoßen bin, scheint die unveröffentlichte Dissertation von Rudolf THAUT, Zeit, Geschichte, Ewigkeit bei Bonaventura, Diss., Hamburg 1949 zu sein. Doch auch sie bleibt in vielerlei Hinsicht unvollständig, einmal abgesehen davon, dass die Arbeit sich selbst als philosophische, nicht als theologische versteht (ebd., 6).

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

den. Auch hier sind noch verschiedene Möglichkeiten denkbar, die Thematik anzugehen. Eine weitere Grundentscheidung besteht deshalb darin, die theologische Bedeutung der beiden Begriffe von einer naturphilosophisch-metaphysischen Seite herkommend aufzuschließen, während die vor allem für die Zeit ebenfalls mögliche heilsgeschichtliche und geschichtstheologische Perspektive eher in den Hintergrund treten soll. Insgesamt bedeutet es, dass die mit den beiden Begriffen verbundenen Fragen nach der Ewigkeit Gottes,21 nach der Ewigkeit der Welt (die schon seit langem Gegenstand intensiver Forschung ist)22 und nach der Geschichtstheologie23 zwar nicht völlig außen vor bleiben, aber doch nur insoweit behandelt werden, als es für das eben skizzierte Verständnis von tempus und aevum notwendig ist. Aus den genannten Beschränkungen ergibt sich schließlich die Gliederung des Themas. Im einleitenden Teil sollen zunächst die für die Untersuchung relevanten Texte sowie ihr geschichtlicher und sachlicher Hintergrund vorgestellt werden. Dazu gehört auch, dass die beiden wichtigsten Vordenker in dieser Sache – Aristoteles und Augustinus – zu Wort kommen. Es folgt dann in zwei weiteren Teilen je eine Einzeluntersuchung der beiden Begriffe tempus und aevum, wobei beim Zeitbegriff die (natur)philo21 22

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Vgl. hierzu vor allem den Abschnitt ab S. 306. Entsprechend umfangreich ist die Liste der Publikationen hierzu. Exemplarisch sei hier auf einige der umfangreicheren Darstellungen hingewiesen: Ernst BEHLER, Die Ewigkeit der Welt. Problemgeschichtliche Untersuchungen zu den Kontroversen um Weltanfang und Weltunendlichkeit im Mittelalter, München u. a. 1965 (nur erster Band erschienen); Luca BIANCHI, L’errore di Aristotele. La polemica contro l’eternità del mondo nel XIII secolo (= Pubblicazioni della facoltà di lettere e filosofia dell’Università di Milano 104), Firenze 1984; Rolf SCHÖNBERGER, Der Disput über die Ewigkeit der Welt, in: Bonaventura / Thomas de Aquino / Boethius de Dacia, Über die Ewigkeit der Welt, mit einer Einl. v. Rolf Schönberger, Übers. u. Anm. v. Peter Nickl, Frankfurt am Main 2000, VII–XXXII; Richard C. DALES, Medieval Discussions of the Eternity of the World (= Brill’s studies in intellectual history 18), Leiden u. a. 1990; ders., Medieval Latin Texts on the Eternity of the World (= Brill’s studies in intellectual history 23), Leiden u. a. 1991; Jozephus B. WISSINK (Hrsg.), The Eternity of the World in the Thought of Thomas Aquinas and his Contemporaries (= Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 27), Leiden u. a. 1990 (Sammelband). Außer in den beiden genannten von Rolf Schönberger und Jozephus Wissink herausgegebenen Bänden wird Bonaventuras Position unter anderem in folgenden Untersuchungen beleuchtet: Stephan BALDNER, St. Bonaventure on the Temporal Beginning of the World, in: The New Scholasticism 63 (1989) 206–228; Luca BIANCHI, L’inizio dei tempi. Antichità e novità del mondo da Bonaventura a Newton (= Biblioteca di storia della scienza 26), Firenze 1987; Bernardino BONANSEA, The Impossibility of Creation from Eternity According to St. Bonaventure, in: George F. MCLEAN (Hrsg.), Thomas and Bonaventure. A Septicentenary Commemoration (= Proceedings of the American Catholic Philosophical Association 48), Washington, D. C. 1974, 121– 135; Fernand Van STEENBERGHEN, Saint Bonaventure contre l’éternité du monde, in: Jacques Guy Bougerol (Hrsg.), S. Bonaventura 1274–1974, Bd. 3, Grottaferrata (Roma) 1973, 259–278. Ausführliche Bibliographien zum Thema findet man in den Bänden von Rolf Schönberger und Luca Bianchi (L’errore di Aristotele). Vor allem in dem Abschnitt über die christologischen Aspekte der Zeit (ab S. 349 und hier besonders ab S. 354) soll sie zur Sprache kommen.

Zielbestimmung

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sophischen und theologischen Aspekte getrennt betrachtet werden. Für das aevum erübrigt sich eine solche Zweiteilung, denn es ist vornehmlich in der Theologie, insbesondere der Angelologie, anzusiedeln. Ein abschließender Teil soll schließlich die Bedeutung der beiden Begriffe für eine theologische Anthropologie erhellen.

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Texte und Kontexte

Das Folgende stellt den Versuch dar, gewissermaßen eine Rampe zum Verständnis Bonaventuras zu bauen. Der erste, grundlegende Schritt dazu ist es, die Textbasis vorzustellen, von der die vorliegende Untersuchung ausgeht. In einem zweiten Schritt sollen diese Texte in einen größeren Rahmen gestellt werden. Zu diesen „Kontexten“ gehört einerseits die zeitgeschichtliche Situation, in der sich der Kirchenlehrer befindet, andererseits rechne ich dazu auch die der avisierten Thematik vorausliegenden Grundstrukturen in Bonaventuras eigenem Denken. Beides zusammen stellt den notwendigen hermeneutischen Hintergrund dar, auf dem seine Texte zu lesen sind. Ein dritter Schritt schließlich – dem wegen seines Umfangs ein eigenes Kapitel gewidmet ist – steckt das Feld noch einmal weiter ab, indem mit Aristoteles und Augustinus die beiden großen Traditionslinien, aus denen sich Bonaventuras Spekulation speiste, dargestellt werden.

2.1

Verwendete Texte

Von Bonaventura ist kein geschlossener Zeittraktat überliefert,1 vielmehr sind seine Anschauungen zum Thema Zeit und Ewigkeit aus verstreuten Stellen zu rekonstruieren. Diese Beobachtung fügt sich nahtlos in das oben bereits angerissene Bild,2 wonach Zeit nicht ein eigenständiges Thema der Theologie ist, sondern eher eine Voraussetzung und eine bestimmte Perspektive, aus der sich das theologische Gebäude, das Bonaventura errichtete, in den Blick nehmen lässt. Im Grunde könnte man daher fast das gesamte Œuvre des gelehrten Franziskaners an dieser Stelle vorstellen, ausgenommen nur einige Schriften, die sich speziell mit dem Franziskanerorden befassen. De facto gibt es freilich doch gewisse Konzentrationspunkte, an denen die Problematik von Zeit und Ewigkeit vor allem behandelt wird. Sie sollen im Folgenden in chronologischer Reihenfolge

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Wie bereits JECK, Aristoteles contra Augustinum, 274 bedauert hat. Siehe oben S. 14.

Texte und Kontexte

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vorgestellt werden. Zum größeren Teil gehören sie zu den wissenschaftlich-theologischen Schriften Bonaventuras.3 Das meiste Material findet man in Bonaventuras Sentenzenkommentar. Er entstand in den Jahren 1250–1252. Obwohl er eines der ersten Werke Bonaventuras ist und die Kommentierung der Sentenzen des Petrus Lombardus zum Pflichtprogramm jedes Baccalaureus („Assistenten“) gehörte, sucht er sowohl an Umfang wie an Klarheit und Geschlossenheit seinesgleichen.4 Die Anordnung des Stoffes ist durch die Sentenzen im Wesentlichen vorgegeben. Demnach handelt Buch I von Gott dem Einen und Dreieinen, Buch II von der sichtbaren und unsichtbaren Schöpfung sowie dem Fall des Menschen und der Engel, Buch III behandelt die Menschwerdung und die Soteriologie (die auch die „Mittel“ der Erlösung, sprich die Tugenden, die Gaben des Heiligen Geistes und die Zehn Gebote einschließt), Buch IV schließlich enthält die Sakramentenlehre und die Eschatologie.5 Der Ertrag, den man von Buch I für die Frage nach der Ewigkeit Gottes vielleicht erwarten würde, fällt eher gering aus: Das Thema wird in einzelnen quaestiones eher gestreift (so etwa in 8, 1, 2, 1f. [I, 156–161] über die immutabilitas Gottes, oder in 31, 2, 1, 3 [I, 543–545] über die Appropriationsreihe des Hilarius aeternitas, species, usus, ferner in d. 37 [I, 638–666], die sich mit der ubiquitas und der incircumscriptibilitas Gottes auseinandersetzt).6 Die Distinctiones 1 und 2 [II, 14–86] des zweiten Buches sind dagegen eine wahre Fundgrube für verschiedene Aspekte der zu untersuchenden Thematik: Im Rahmen der Protologie und der Angelologie findet man hier nicht nur zwei umfangreiche Definitionen des Zeitbegriffs,7 dort werden auch die Fragen nach der Ewigkeit der Welt und dem aevum als dem „Zeit“-maß, unter dem die Engel stehen, abgehandelt; schließlich wird auch die Unsterblichkeit der menschlichen 3

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Ein vollständiges (wenn auch teilweise nicht ganz aktuelles) Verzeichnis der Werke Bonaventuras findet man etwa bei Balduin DISTELBRINK, Bonaventurae scripta, authentica, dubia vel spuria, critice recensita (= Subsidia Scientifica Franciscalia 5), Roma 1975; umfangreiche aktuelle biobibliographische Informationen enthält zudem der Internetbeitrag «Bonaventura da Bagnoreggio» von Maarten van der HEIJDEN / Bert ROEST, Franciscan authors, 13th – 18th century, a catalogue in progress, auf dieser Seite: http://users.bart.nl/~roestb/franciscan/franautb.htm#_Toc427589469 (2.1.2013). Für Martin GRABMANN, Die Geschichte der katholischen Theologie seit dem Ausgang der Väterzeit, Freiburg i. Br. 1933, 67 ist er „vielleicht der inhaltlich bedeutendste Sentenzenkommentar der Scholastik“. Vgl. etwa auch die Urteile von GILSON, Philosophie des hl. Bonaventura, 26 („ein wahres Meisterwerk, die Frucht eines jungen und starken Genies“), Fernand Van STEENBERGHEN, Aristotle in the West. The Origins of Latin Aristotelianism, übs. v. L. Johnston, Louvain 1970, 148–150, Reinhold RIEGER, Commentaria in IV libros Sententiarum, in: Michael Eckert u. a. (Hrsg.), Lexikon der theologischen Werke, Stuttgart 2003, 111f. oder SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 19f. Vgl. dazu etwa den Index quaestionum in den einzelnen Bänden des Sentenzenkommentars. Ergänzen könnte man noch d. 41, a. 2 [I, 736–742] (De sempiternitate divinae cognitionis) und d. 44, a. 2 [I, 790–793] (De immutabilitate divinae potentiae). Die d. 40 [I, 702–724] befasste sich mit Fragen einer ewigen oder zeitlichen Prädestination. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 64f.] und 1, 1, dub. 4 [ II, 38].

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Seele thematisiert (d. 19, a. 1 [II, 457–464]).8 Die in Buch III entfaltete Christologie (d. 1–22 [III, 8–506]) kann zwar Einzelaspekte erhellen,9 wirft aber aufs Ganze gesehen einen eher geringen Ertrag ab. Buch IV handelt bereits im Zusammenhang mit der Buße vom Purgatorium (d. 20, p. 1 [IV, 517–529]), das als Zwischenzustand zwischen irdisch-zeitlicher und verherrlicht-ewiger Existenz des Menschen im gegebenen Zusammenhang interessant ist. Die weiteren eschatologischen Fragen werden in den Distinctiones 43–50 [IV, 883–1054] abgehandelt. Die Quaestio disputata de mysterio Trinitatis stammt aus der Zeit, als Bonaventura bereits zum Magister promoviert war (1254–1257). Sie ist jedenfalls nach der Quaestio disputata de scientia Christi entstanden und könnte auf das Jahr 1255 zu datieren sein.10 Die Literaturgattung der Quaestio disputata geht auf die an der Universität übliche Unterrichtsform der Disputatio zurück.11 An den dafür vorgesehenen dies disputabiles legte der Magister dabei eine von ihm gewählte Frage aus seinem Fachgebiet zur Erörterung vor.12 Die vor der universitären Öffentlichkeit (Professoren, Assistenten, Studenten) stattfindende Diskussion wurde dann hauptsächlich von den Assistenten (baccalaurei) bestritten. Aufgabe des Magisters war es, am darauffolgenden Vorlesungstag eine Determinatio der von ihm gestellten Frage vorzulegen: Hier wurden die in der Diskussion vorgebrachten Argumente geordnet und eine Lösung der Frage samt Erwiderung auf die entgegenstehenden Einwände dargeboten. Diese Determinatio wurde später vom Magister noch einmal redigiert und in ihre endgültige Form gebracht. De mysterio Trinitatis gliedert sich dabei in acht Quaestionen, die mit Ausnahme der letzten, in jeweils zwei Artikel untergliedert sind. Diese Gliederung spiegelt einen in den ersten sieben Fragen wiederholten Zweischritt, bei der der jeweilige Punkt zuerst im Hinblick auf das Sein des einen Gottes und dann in Verbindung mit der Dreifaltigkeit Gottes erörtert wurde. An erster Stelle wurde die grundlegende Frage nach der Gewissheit unserer Erkenntnis der Existenz Gottes (a. 1) und nach der Glaubwürdigkeit des in der 8

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Für die gegebene Thematik sind auch die Frage nach dem freien Willen – sowohl bei den Engeln (d. 7, p. 1, a. 2 [II, 183–188]) als auch beim Menschen (d. 25 [II, 592–626]) – und die Frage nach der materia prima (d. 12 [II, 293–308]) relevant. Namentlich kann hier auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen zeitlicher und ewiger Geburt Christi (d. 8 [III, 185–197]) und die Frage nach der Prädestination Christi (d. 11 [III, 243–260]) hingewiesen werden. So Marianne SCHLOSSER, Einleitung, in: Bonaventura, Über den Grund der Gewißheit. Ausgewählte Texte, übs. u. m. Erl. vers. v. Marianne Schlosser (= Collegia), Weinheim 1991, 1–18, hier 9; Ebd., Anm. 24 bietet andere Datierungsversuche. Vgl. außerdem DISTELBRINK, Bonaventurae scripta, 10 (Datierung auf 1254/55). Für das Folgende vgl. summarisch: SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 22f.; Ludwig HÖDL, Disputatio(n). [1] Philosophie und Theologie, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, München 1986, 1116–1118; Jos N. J. DECORTE, Quodlibet, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, München 1995, 377. Im Gegensatz zu der anderen, zweimal im Jahr stattfindenden Form der Disputatio, der Quaestio (disputata) de quolibet, bei der vom Magister kein bestimmtes Thema vorgegeben wurde.

Texte und Kontexte

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Offenbarung gegebenen Satzes von Dreifaltigkeit Gottes gestellt. Die Quaestiones 2–8 behandelten dann je eine Eigenschaft Gottes (unitas, simplicitas, infinitas, aeternitas, immutabilitas, necessitas, primitas).13 Im vorliegenden Fragenkreis ist die qu. 5 über die Ewigkeit Gottes von zentraler Bedeutung, wobei aber unmittelbare Bezüge zu den Fragen über die Einfachheit, die Unendlichkeit und die Unwandelbarkeit Gottes bestehen. Unter den gelegentlich Bonaventura zugeschriebenen Werken finden sich noch einige weitere Quaestiones disputatae, die für den betrachteten Themenkreis in Frage kämen: De productione rerum, de imagine Dei et de anima humana14 und De caritate et de novissimis.15 An deren Echtheit bestehen aber erhebliche Zweifel. Dass die letzteren von Bonaventura stammen, wurde von Hyacinthe-François Dondaine widerlegt.16 Bei ersteren handelt es sich um eine Serie von elf Quaestiones, die man als anonymes Werk in der Handschrift Florenz, Bibl. Naz. Conv. soppr. D 4.27, fol. 54ra–65va findet. Vier Quaestiones sind dem Thema De productione rerum gewidmet, die folgenden sieben behandeln die Seelenlehre. Victorin Doucet wollte sie als wahrscheinlich bonaventurianisch einstufen.17 Ignatius Bradys Untersuchung des Textes kam im Blick auf die darin enthaltene Seelenlehre jedoch zu dem Schluss, dass er kaum von Bonaventura stammen könne.18 Die vierte dieser Quaestiones mit dem Titel Utrum mundus productus fuerit ab aeterno wurde von Antonius Van de Sande ediert, er sah den Text als eine Reportatio an und rechnete sie der Schule Bonaventuras zu, ohne eine Autorschaft des Doctor seraphicus völlig auszuschließen.19 13

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Nahezu dieselbe Reihe bietet auch Itin. V, 5 & 7 [V, 309], letztere versucht, das Sein Gottes durch eine Reihe von superlativischen „Gegensatz“-Paaren zu beschreiben: est primum et novissimum, est aeternum et praesentissimum, est simplicissimum et maximum, est actualissimum et immutabilissimum, est perfectissimum et immensum, est summe unum et tamen omnimodum (Unterstreichungen von mir). Vgl. DISTELBRINK, Bonaventurae scripta, 12 (nr. 6). Vgl. DISTELBRINK, Bonaventurae scripta, 174 (nr. 188), der Text ist ediert von Palémon GLORIEUX, Questions disputées «De caritate», «De novissimis» (= France Franciscaine, Document 2), Paris 1950. Vgl. Hyacinthe-François DONDAINE, De l’attribution à S. Bonaventure des questions du MS. d’Arras 873, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 19 (1949) 313–378. Victorin DOUCET, Descriptio codicis 172 bibliothecae communalis Assisiensis, in: Archivum Franciscanum Historicum 25 (1932) 257–274.378–389.502–524, hier 514f., bes. Anm. 4. Ignatius BRADY, The Opera Omnia of Saint Bonaventure Revisited, in: George F. McLean (Hrsg.), Thomas and Bonaventure. A Septicentenary Commemoration (= Proceedings of the American Catholic Philosophical Association 48), Washington, D. C. 1974, 295–304, hier 300f.; er hielt eine Zuschreibung an Eustachius von Arras für wahrscheinlich. Zudem hatten bereits die Editoren von Quaracchi die Quaestiones als nicht bonaventurianisch eingestuft (Opp. V, v: fortasse Alexandri ab Alexandria). Herausgegeben von Antonius van de SANDE, Une „quaestio disputata“ attribué à Bonaventure, et commentaire, in: Francisco de Asís Chavero Blanco (Hrsg.), Bonaventuriana. Miscellanea in onore di Jacques Guy Bougerol ofm, Vol. II (= Bibliotheca Pontifici Athenaei Antoniani 28), Roma 1988, 507–533, hier 508f. Falls die Quaestio doch Bonaventura zuzuschreiben ist, so wäre sie auf 1254–57 zu datieren (529).

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Auch die Abfassung des Breviloquium, wahrscheinlich Ende des Jahres 1256,20 fällt in die Zeit Bonaventuras als Magister (1254–1257). Es ist „eine Art Grundkurs der Theologie“,21 mit dem er in konziser Form und geschliffener Sprache seinen (studierenden) Mitbrüdern die wesentlichen Glaubensinhalte nahebringen wollte. Aus dem ersten Teil sind in unserem Zusammenhang vor allem die abschließenden Kapitel interessant (c. 6.8–9, über die Appropriationen, die praedestinatio, die praescientia und die providentia Gottes), pars 2 behandelt die Schöpfungslehre, hier finden sich etliche Aspekte, die die Ausführungen des Sentenzenkommentars ergänzen (insbesondere ist auf c. 2 zu verweisen, das die körperliche Schöpfung hinsichtlich ihres Werdens behandelt). Die Christologie des Breviloquium (p. 4) erhält in c. 4 einen geschichtstheologischen Einschlag („Die Menschwerdung in der Fülle der Zeiten“), die Eschatologie wird detailreich in p. 7 dargestellt. Die Wahl Bonaventuras zum Generalminister des Franziskanerordens am 2. Februar 1257 bedeutete auch eine Zäsur innerhalb seines literarischen Werkes: Die akademische Laufbahn war damit beendet und die Leitung des Ordens nahm seine ganze Kraft in Anspruch. Die Sorge für das geistliche Wohl der ihm anvertrauten Brüder und Schwestern22 bestimmte den Inhalt und die Gattung der in dieser Zeit (sie dauerte fast bis zum Ende seines Lebens) verfassten Schriften. In Bonaventuras theologischen Anschauungen kann man dagegen nicht von einem Bruch sprechen, man beobachtet vielmehr eine große Kontinuität.23 Van Steenberghen bescheinigte ihm ein waches Interesse an der Entwicklung der (theologischen) Ideen, wovon vor allem die drei Reihen der in Paris vorgetragenen Collationes ein Zeugnis ablegen.24 In den Collationes de decem praeceptis (1267),25 den Collationes de septem donis Spiritus Sancti (1268) und den Collationes in Hexaëmeron (1273) bezog er Position zu den Auseinandersetzungen um Aristotelismus und Averroismus.

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Vgl. z. B. Marianne SCHLOSSER, Einleitung, in: Bonaventura, Breviloquium, übertr., eingel. u. mit einem Glossar versehen von Marianne Schlosser (= Christliche Meister 52), Freiburg 2002, 10–17, hier 11; ähnlich DISTELBRINK, Bonaventurae scripta, 4 („vor 1257“). SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 23. „Als Generaloberer der Minderbrüder hatte Bonaventura auch eine gewisse Verantwortung für den Orden der Klarissen“ (SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 65), literarisch schlägt sich das in der auf Bitten Isabellas von Longchamp verfassten Schrift De perfectione vitae ad sorores nieder. Vgl. z. B. SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 50. Vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 179: «Toutefois il demeura très attentif au mouvement des idées et … il prit une part active aux luttes doctrinales provoquées par les progrès inquiétants de l’aristotélisme.» Der averroistische Irrtum von der Ewigkeit der Welt wurde in Praec. II, 25.28 [V, 514f.] thematisiert.

Texte und Kontexte

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Im vorliegenden Zusammenhang sind vor allem die im Frühjahr 1273 gehaltenen Collationes in Hexaëmeron von Bedeutung.26 Der Terminus Collationes bedeutet in diesem Zusammenhang eine Reihe von unter einem Oberthema zusammengefassten, predigtähnlichen Vorträgen.27 Wie die beiden anderen Collationes auch, liegen sie nur in Form von Reportationes vor, also als Mitschriften der (studentischen) Zuhörer. Zwei inhaltlich deutlich voneinander abweichende Reportationes der Collationes in Hexaëmeron sind bisher ediert: Die in der Ausgabe von Quaracchi enthaltene längere Rezension (Reportatio B) und die von Delorme veröffentlichte kürzere Rezension (Reportatio A), eine private Mitschrift, die nach eigenen Angaben die Collationes so wiedergibt, wie sie vorgetragen wurden.28 – Die Ernennung Bonaventuras zum Kardinal am 23. Mai 1273 durch Gregor X. unterbrach die Vortragsreihe. Sein Tod am 15. Juli 1274 verhinderte einen Abschluss zu einem späteren Zeitpunkt, weshalb von den sieben geplanten Visiones (Illuminationes) die letzten drei fehlen. Man kann die 23 Collationes des Hexaëmeron sicherlich von verschiedenen Seiten betrachten,29 ein möglicher Ausgangspunkt zu dessen Verständnis ist das sich durch das Werk ziehende Schlüsselwort intellectus (oder intelligentia).30 Die sechs Visiones, die 26

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Für das Folgende vgl. vor allem Jacques Guy BOUGEROL, Introduction à S. Bonaventure, Paris 1988, 227–241, besonders 235–241. Das in die zwei edierten Redaktionen eingeflossene Verhältnis der Redaktoren zum Joachitismus beschreibt ZAHNER, Die Fülle des Heils, 139. Im christlichen Bereich bedeutet collatio ursprünglich die Zusammenkunft der Mönche am Abend, oder das (dabei stattfindende) geistliche Gespräch und die geistliche Lesung. Der Name dürfte auf die in der Regula Benedicti dazu empfohlene Lesung der Collationes Cassians zurückgehen; vgl. Karl Suso FRANK, Collatio, in: Walter Kasper u. a. (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 2, Freiburg u. a. 31994, 1256f. Im 12. und 13. Jahrhundert wurde der Begriff in verschiedenen Bedeutungen verwendet: (1) für eine Predigt am Abend eines Sonn- oder Festtages, bei der das Thema der Homilie in der vormittäglichen Messe wiederaufgenommen wurde, (2) für eine Form des Diskussion unter Studenten über ein geistliches Thema, das zugleich als eine schulische Übung verstanden wurde. Durch die Institutionalisierung im 13. Jahrhundert verlor diese Form mehr und mehr ihren geistlichen Charakter und wurde zu einer Pflichtübung. (3) Die dritte Bedeutung ist die oben skizzierte Form einer Reihe von geistlichen Vorträgen. Man beachte, dass es sich dabei nicht um Predigten im strengen Sinn des Wortes handelt, obwohl sie denselben Regeln wie diese gehorchen. Vgl. hierzu Jacqueline HAMESSE, «Collatio» et «reportatio». Deux vocables spécifiques de la vie intellectuelle au moyen âge, in: Olga Weijers (Hrsg.), Actes du colloque „Terminologie de la vie intellectuelle au moyen âge“, Leyde / La Haye 20–21 septembre 1985 (= Civicima 1), Turnhout 1988, 78–87, besonders 78–82; vgl. auch BOUGEROL, Introduction, 227. So die Endglosse zu Hex. IV, 4 (23) [Ed. Delorme, 275]: … quae de quatuor visionibus notavi, talia sunt, qualia de ore loquentis rapere potui in quaternum. Vgl. etwa die Deutung von Pietro MARANESI, Verbum inspiratum. Chiave ermeneutica dell’Hexaëmeron di San Bonaventura (= Bibliotheca Seraphico-Capuccina 51), Roma 1996. Wobei intellectus hier nicht das spezifische Erkenntnisvermögen der menschlichen Seele meint, sondern die gewonnene „Einsicht“ als Akt dieses Erkennens. Insofern können hier intellectus und intelligentia in etwa gleichgesetzt werden (als verschiedene Stufen werden sie etwa in Itin. I, 6 [V, 297] angesehen). Die verschiedenen Bedeutungen von intellectus behandelte Bonaventura ausdrücklich in Don. VIII [V, 493–498].

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

das Werk gliedern, werden als intellectuales visiones, d. h. als eine von Verständnis/Einsicht durchdrungene Schau gezeichnet.31 Diese Schau erhebt sich stufenweise zu einer immer höher werdenden Perspektive: (1) zur intelligentia per naturam indita, (2) zur intelligentia per fidem sublevata, (3) zur intelligentia per Scripturam erudita, (4) zur intelligentia per contemplationem suspensa, (5) zur intelligentia per prophetiam illustrata, und (6) zur intelligentia per raptum in Deum absorpta, (7) ihre Vollendung erhält sie schließlich in einer letzten Visio: in der Anschauung der Herrlichkeit Gottes. Versucht man das, was Bonaventura unter intellectus versteht, näher zu umreißen, so wird man auf folgende Charakteristika hinweisen: intellectus ist, wie die sapientia, eine Gabe des Heiligen Geistes und insofern ein Gnadengeschenk.32 Die Disposition dafür besteht vor allem im Verlangen danach (desiderium),33 einem Verlangen, das sich freilich in vielen Mühen und Übungen als echt zu erweisen hat.34 Gegenstand der Einsicht ist – wie Bonaventura bereits im Sentenzenkommentar ausgeführt hatte – die ewige Wahrheit selbst,35 jedoch geschieht die Hinwendung zu ihr auf eine ganz bestimmte Art und Weise und mit einer ganz bestimmten Perspektive, es gilt nämlich das Geglaubte durch die Vernunft einzusehen und als „Hilfsmittel“ dazu dient die geistige Schöpfung, insofern sie in ihrer Ähnlichkeit zum Schöpfer angeschaut wird.36 Ihr Akt, ihre Wirkung ist auf Glaube und Liebe hingeordnet, denn er besteht darin, contemplari ipsum verum creditum, ut devotius credatur et ardentius diligatur.37 In einer Stufenordnung geistlicher Erkenntnis wird man den intellectus zwischen der scientia und der sapientia einordnen. Im Unterschied zum donum scientiae schaut der intellectus auf die Geschöpfe nicht secundum rationes creatas, sondern secundum ratio31 32

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Hex., princ., 3 (3), 23 [Ed. Delorme, 44; V, 347]; in den folgenden Abschnitten (24–31) wird der Aufbau des Werkes dargelegt. Ebd. 1 [Ed. Delorme, 33; V, 343], Bonaventura verwies dabei expressis verbis auf die vorangegangenen Collationes de septem donis Spiritus Sancti (Coll. 8: De dono intellectus, Coll. 9: De dono sapientiae [V, 493–503]). Hex., princ., 3 (3), 32 [Ed. Delorme, 47]; dasselbe gilt auch von der sapientia, vgl. ebd. 1 [V, 343]: Sapientia similiter non habetur nisi a sitiente, sowie Hex., princ., 2 (2), 2 [Ed. Delorme, 20; V, 336]; darauf verwies auch die Erwähnung Daniels in Hex., princ., 3 (3), 22f. [Ed. Delorme, 43f.; V, 347], denn Itin., prol., 3 [V, 296] (vgl. auch die folgende Anmerkung) nannte ihn vir desideriorum. Vgl. Hex., princ., 3 (3), 1 [Ed. Delorme, 33]: … multi praecedunt labores et exercitia; vgl. ebd. 32 [Ed. Delorme, 47]: … facit virum desideriorum intelligere visiones, … et in exercitio isto magis et magis anima sibi fit intimior usque dum ultimate per fidem efficitur beata. III Sent. 35, 1, 3, resp. [III, 778b]: … obiectum eius est ipsum Verum aeternum, in quantum intelligibile, non solum secundum proprias conditiones, sed etiam secundum proprietates creaturarum sibi similium. Ebd. [III, 778a]: … secundum est doni intellectus, cuius est credita per rationem intelligere … Quoniam ergo rationes, secundum quas iuvamur ad credita intelligenda, accipiuntur non solum a conditionibus Creatoris, sed etiam a conditionibus creaturae spiritualis, quae inter creaturas habet proximiorem assimilationem ad Creatorem. Vgl. auch ebd., ad 1 [III, 778b]. Ebd., resp. [III, 778b].

Texte und Kontexte

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nes aeternas, er richtet sich auf Ewiges, nicht auf Zeitliches.38 Den Blick auf das Ewige haben intellectus und sapientia gemeinsam; der Unterschied besteht darin, in welcher Hinsicht es angeschaut wird: Die sapientia schaut auf das Ewige in den rationes aeternae, insofern diese via ad gustum et experimentalem cognitionem sind,39 sie ist insofern eine Erfahrungserkenntnis. Der intellectus hingegen schaut die rationes aeternae als via ad cognitionem veritatis, er ist eine Erkenntnisform, die auf Schau und Betrachtung (speculatio, contemplatio) angelegt ist.40 Der intellectus ist auf die sapientia hingeordnet (womit nicht seine Eigenständigkeit und sein Eigenwert bestritten werden sollen), insofern er sowohl ihren rechten Gebrauch als auch den mit der sapientia verbundenen „Geschmack“ (gustus) vorbereitet. Letzteres zeigt sich auch darin, dass die Gabe der Einsicht mit einer ganz eigenen Erfahrung der Freude (delectatio) verbunden ist.41 So mag deutlich werden, in welchem Sinn die im Hexaëmeron dargelegten visiones intellectuales zu verstehen sind: Sie gleichen den sieben Schöpfungstagen, denn es sind von Gott her geschenkte Erleuchtungen (illustrationes).42 Die Besonderheit des gewählten Zugangs besteht dabei darin, dass er von der ratio mitgetragen wird. Daher kommt auch der typisch bonaventurianische Zug, die Wissenschaften der Zeit in ihrer ganzen Breite miteinzubeziehen. Diese stellen den Ausgangspunkt dar für einen Weg der Verinnerlichung43 und der Angleichung an Gott.44 Nicht zu Unrecht hat man die Absicht Bonaventuras in den Collationes in Hexaëmeron so verstanden, dass er seine Zuhörer zu einem Ideal der christlichen Weisheit, der sapientia christiana,45 führen wollte, die 38 39

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Vgl. ebd., sc. 1 & ad 1 [III, 777.778]. Ebd., ad 1 [III, 778]; sapientia kommt von sapere (schmecken), man denke dabei auch an die Bestimmung der sapientia im eigentlichsten Wortsinn (magis proprie) als cognitio Dei experimentalis (III Sent. 35, 1, 1, resp. [III, 774a]), die zur klassischen Definition der theologia mystica wurde. III Sent. 35, 1, 3, ad 1–3 [III, 778f.]; aufgrund der verschiedenen Ausrichtung steht die sapientia auch der Liebe näher, während der intellectus eher dem Glauben zugeordnet ist. Hex., princ., 3 (3), 1 [Ed. Delorme, 33; V, 343] bezeichnete das donum intellectus als clavis contemplationum caelestium. III Sent. 35, 1, 3, ad 3 [III, 779]: et haec est doni intellectus, quae quidem viam praebet ad usum doni sapientiae … et ulterius ordinat ad sapientiae gustum. Nihilominus tamen in ipso actu intellectus est quaedam delectatio, sed longe inferior quam in dono sapientiae. – Im Themasatz des Hexaëmeron steckt beides: … implevit eum Dominus spiritu sapientae et intellectus (Sir. 15, 5); vgl. die Entfaltung in der zweiten und dritten Collatio. Man wird visio mit dem „Refrain“ des ersten Schöpfungsberichtes zusammenlesen, der am Ende lautet: viditque Deus cuncta quae fecit, et erant valde bona (Gn. 1, 31). Hex. I, 1 (4), 1 [V, 349; Ed. Delorme, 48] fügte hier die Glosse an: Videre dicitur Deus, quia videre nos facit. Intellectus bedeutet intus legere; vgl. die Anmerkung 4 der Quaracchi-Editoren zu III Sent. 35, 1, 3, resp. [III, 778]. Vgl. oben Anm. 34, S. 28 und Hex., princ., 3 (3), 30 [Ed. Delorme, 46] über die sechste Stufe des raptus: facit animam Deo simillimam, quantum possibile est in statu viae. Sapientia ist hier in einem weiten Sinn zu verstehen, wo sie nicht mehr von der intelligentia abgesetzt wird, sondern sie einschließt; diese Absicht Bonaventuras – die so (u. a.) auch von BOUGEROL, Introduction, 237 oder STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 188 gesehen wurde – zeigte sich noch einmal im allerletzten Absatz des Hex. IV, 4 (23), 31 [V, 449; Ed.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

sowohl durch ihre Einheit wie auch durch ihre innere Differenziertheit besticht46 und die durch ihr Schöpfen aus den beiden Quellen des Glaubens und der Vernunft das Gegenbild zu einer sich absolut setzenden philosophischen Wissenschaft darstellt.47 Bonaventura bezog damit auch Stellung zu dem seit Ende der 1260’er Jahre ausgetragenen Streit um einen heterodox gewordenen Aristotelismus. Darauf ist im Folgenden noch etwas näher einzugehen, doch zuvor muss noch auf einen anderen für das Verständnis des Hexaëmeron wesentlichen Aspekt hingewiesen werden: die Christologie. In Christo sunt omnes thesauri sapientiae et scientiae Dei absconditi, et ipse est medium omnium scientiarum,48 das ist der Leitsatz des ganzen Hexaëmeron, den die einleitende erste Collatio entfaltet. Für Bonaventura war Christus die Antwort auf die Frage, worin das einheitsstiftende Moment der sapientia christiana besteht,49 denn er selbst ist ja die Weisheit Gottes (vgl. 1 Kor 1, 24). Von hier eröffnet sich noch einmal ein tieferes Verständnis von intellectus, nämlich als ein geschenktes Licht (oder als Erleuchtung), das der Schlüssel zur Schau (contemplatio) ist.50 Dieser Schlüssel ist durch Jesus Christus in dreifacher Weise gegeben, insofern er das Verbum increatum ist durch sein Sein im Schoß des Vaters, das Verbum incarnatum durch seine Geburt aus der Jungfrau und das Verbum inspiratum durch seine Gegenwart im Herzen des gläubigen Menschen.51 Der intellectus Verbi increati, per quod omnia producuntur führt dabei

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Delorme, 273], wo auf die sapientia contemplativa als die goldene Rückenlehne des Tragsessels von König Salomo (Hld 3, 9f.) verwiesen wurde. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 185 sah gerade in dem Moment der inneren Differenziertheit den entscheidenden Fortschritt gegenüber Augustinus; es ist zu verstehen als eine Antwort auf die (gerade durch die Aristotelesrezeption initiierte) Ausdifferenzierung der Wissenschaften im 13. Jahrhundert. Zu diesem Urteil vgl. etwa: STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 189; BOUGEROL, Introduction, 236 & 239. Hex., princ., 1 (1), 11 [V, 331], vgl. auch ebd. 10 [V, 330]: Christus …, tenens medium in omnibus. Schon in Don. IX, 17 [V, 503] (über die Gabe der Weisheit) hatte Bonaventura Christus als die Hauptsäule (columna principalissima) der Weisheit gezeichnet – und zwar unter dem Aspekt der simplicitas in intentione –, er ist die Quelle der Weisheit, ihr Haus hat in ihm das Fundament und die Vollendung. Es ist sicherlich auch kein Zufall, dass Bonaventura die erste Collatio des Hexaëmeron der Betrachtung Christi widmete. Vgl. auch Zachary HAYES, The Hidden Center. Spirituality and Speculative Christology in St. Bonaventure, New York u. a. 1981, 196–198. Vgl. Hex., princ., 3 (3), 2 [V, 343]: Clavis ergo contemplationis est intellectus triplex, scilicet intellectus Verbi increati, per quod omnia producuntur; intellectus Verbi incarnati, per quod omnia reparantur; intellectus Verbi inspirati, per quod omnia revelantur. Nisi enim quis possit considerare de rebus, qualiter originantur, qualiter in finem reducuntur, et qualiter in eis refulget Deus; intelligentiam habere non potest. Was die Lichthaftigkeit dieses intellectus angeht, so sprach dieselbe Collatio (ebd. 32 [V, 348]) vom Lichtstrahl, der jedes Haus erleuchtet, und in Don. VIII, 6 [V, 495] war die Rede von der multiformis radiositas intelligentiae: … scilicet quod intellectus est regula circumspectionum moralium, ianua considerationum scientialium et clavis contemplationum caelestium. Vgl. Hex., princ., 3 (3), 32 [V, 348]: illud Verbum, quod est in sinu Patris increatum, incarnatum in utero Virginis, inspiratum in corde tuo per fidem.

Texte und Kontexte

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zum Verständnis der Dinge,52 der intellectus Verbi incarnati, per quod omnia reparantur eröffnet das Verständnis der Heiligen Schrift, und der intellectus Verbi inspirati, per quod omnia revelantur schließlich gibt Einsicht in alle Arten der visio intellectualis, die das eigentliche Thema des Hexaëmeron sind. Der intellectus Verbi wird damit zur Grundvoraussetzung, zur Bedingung der Möglichkeit für die Einsicht in die Natur der Dinge, in die Heilige Schrift, in die visiones.53 Diese Schlüsselfunktion ist aber umgekehrt auch der Grund, warum in allen Wissenschaften (stellvertretend für die Gesamtheit der Wissenschaften betrachtete er sieben Einzeldisziplinen) Christus als die verborgene Mitte erkannt werden kann. Von jeder Wissenschaft aus führt so ein direkter Weg zur Betrachtung eines Geheimnisses des Lebens (bzw. der Person) Jesu Christi (vgl. Tabelle 1).54 Tabelle 1: Christus tenens medium in omnibus55 Wissenschaft Christus ist …

Hinsicht

Lebensstation Christi

Metaphysicus

medium essentiae

aeternali origine primarium

Physicus Mathematicus Logicus Ethicus Iurista Theologus

medium naturae medium distantiae medium doctrinae medium modestiae medium iustitiae medium concordiae

virtuali diffusione pervalidum centrali positione profundum rationali manifestatione praeclarum morali electione praecipuum iudiciali compensatione perpulcrum universali conciliatione pacatum

in aeterna personarum emanatione in incarnatione in passione in resurrectione in ascensione in futuro examine in aeterna beatitudine

Zu der christologischen Perspektive des Hexaëmeron gehört wesentlich auch die heilsökonomische Sicht:56 Christus ist die Mitte von allem, weil er das von Gott auserwählte „Mittel“ und Mittler der Erlösung ist, oder, wie es Bonaventura mit den Worten des Pseudo-Dionysius Areopagita ausdrückte: Lex Divinitatis est infima per media ad suprema reducere.57 52 53 54

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Man könnte auch sagen, es geht um die Erkenntnis der Schöpfung als Schöpfung. Biblische Belegstelle ist Röm 1, 20, die berühmte Stelle über die natürliche Gotteserkenntnis. Vgl. z. B. auch Hex., princ., 3 (3), 9 [V, 345]: … sic ab illo Verbo est varietas rerum. Unde non contingit intelligere, nisi per Verbum. Vgl. Hex., princ., 1 (1), 11 [V, 331; Ed. Delorme, 5], in den folgenden Abschnitten 12–39 wird dies dann näher erläutert. A fortiori gilt dasselbe von der Heiligen Schrift wie Hex., princ., 3 (3), 21 [Ed. Delorme, 43] ausführte: omnia ergo sacrae Scripturae miracula, dogmata, charismata, bella, dona, iudicia reducuntur ad ipsum. Nach Hex., princ., 1 (1), 11 & 12–39 [Ed. Delorme, 5–18; V, 331–335]; bei der Zuordnung der Wissenschaften gibt es in der Reportatio A (Delorme) bei dem 4. bis 7. medium Diskrepanzen: nr. 11 hat hier die Reihenfolge Ethicus, Politicus, Theologus, Logicus; die (zu bevorzugende) Durchführung in nr. 12ff. hat Logicus, Ethicus, Iurista, Theologus (wie oben angegeben und wie durchgehend in Reportatio B, die in nr. 11 Politicus und Iurista gleichsetzt). Vgl. Wilhelm NYSSEN, Einleitung, in: Bonaventura, Das Sechstagewerk, München 1964, 15–61, hier 15f. Hex., princ., 3 (3), 32 [V, 348].

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Reductio ist hier das Schlüsselwort, mit dem er das Heilsgeschehen beschrieb. Es war der ursprüngliche Sinn der sinnenfälligen Schöpfung den Schöpfer widerzuspiegeln und dadurch dem Menschen als Leiter zu dienen, um zu Gott aufzusteigen, d. h. ihn als Gott zu loben, zu verehren und zu lieben.58 Durch den Sündenfall verlor der Mensch die Fähigkeit in der Schöpfung Gott zu erkennen – das liber creaturae wurde unlesbar und es bedurfte eines anderen Buches, um dem Menschen und mit ihm der ganzen Schöpfung den Sinn zurückzugeben. Dieses Buch ist die Heilige Schrift59 oder auch Christus selbst, auf den hin die Schrift angelegt ist (s. o.) und der, indem in ihm die menschliche Natur mit der göttlichen vereint ist, den Menschen zu Gott zurückführt.60 Ein Bild aus der ersten Collatio verdichtet diesen Gedanken unter kreuzestheologischem Aspekt: Der Kreis der Welt hat seine Mitte verloren, er kreist gewissermaßen nur noch in sich und um sich selbst; um ihm aber seine Mitte wiederzugeben bedarf es des Kreuzes Christi.61 Das Kreuz wird so zum lignum vitae, weil es den Menschen zur Quelle des Lebens zurückführt.62 Die Weisheit, zu der das Hexaëmeron hinführen möchte,63 erweist sich so im Letzten als die Weisheit des Kreuzes (vgl. 1 Kor 2).

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Hex. III, 1 (13), 12 [V, 390]: Homo stans habebat cognitionem rerum creatarum et per illarum repraesentationem ferebatur in Deum ad ipsum laudandum, venerandum, amandum; et ad hoc sunt creaturae et sic reducuntur in Deum. – Unter dem Aspekt der Leiter wird dasselbe in Itin. I, 2 [V, 297] beschrieben; Brev. II, 11 [V, 229a] hieß es: primum principium fecit mundum istum sensibilem ad declarandum seipsum, videlicet ad hoc, quod per illum tanquam per speculum et vestigium reduceretur homo in Deum artificem amandum et laudandum. Die sinnenfällige Schöpfung wird dadurch selbst in einer Art „geistigem Kreis“ (circulus intelligibilis) zu ihrem Ursprung zurückgeführt, vgl. Brev. II, 4 [V, 221b], Hex., princ., 1 (1), 37 [V, 335; Ed. Delorme, 18]. Zum Aspekt der reductio insgesamt vgl. z. B. THAUT, Zeit, Geschichte, Ewigkeit, 13–17, zur reductio der Geschöpfe als Aufgabe der Seele, vgl. Konrad FISCHER, De Deo trino et uno. Das Verhältnis von productio und reductio in seiner Bedeutung für die Gotteslehre Bonaventuras (= Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie 38), Göttingen 1978, 331–335. So Hex. III, 1 (13), 12 [V, 390]. Vgl. Itin. II, 7 [V, 301b]: … ut per illam unionem nos reduceret ad Patrem sicut ad fontale principium et obiectum. Durch die hypostatische Union ist er selbst das liber scriptus intus et foris (vgl. Apc. 5, 1; Ez. 2, 9 [10]), vgl. auch Itin. VI, 7 [V, 312]; Brev. II, 11 [V, 229]; vgl. ferner Hex., princ., 1 (1), 38 [Ed. Delorme, 18]: Agnus ergo medius et mediator reducet nos in locum pascuae, scilicet ad visionem humanitatis et divinitatis … So bündig in Hex., princ., 1 (1), 24 [V, 333]: Medium enim, cum amissum est in circulo, inveniri non potest nisi per duas lineas se orthogonaliter intersecantes. Die Reportatio A [Ed. Delorme, 11] beschrieb an dieser Stelle genau das geometrische Verfahren, um durch ein Kreuz die verlorene Mitte des Kreises wiederzufinden (nämlich indem auf einer beliebigen Sekante die Mittelsenkrechte errichtet wird, der Mittelpunkt der so gewonnenen zweiten Sekante ist dann der gesuchte Kreismittelpunkt). Vgl. Hex., princ., 1 (1), 17 [V, 332]: et secundum hoc est lignum vitae, quia per hoc medium redimus et vivificamur in ipso fonte vitae. Hex. IV, 4 (23), 31 [V, 449], am Ende der letzten vollendeten Collatio, heißt es ausdrücklich: Ad hoc lignum vitae volui vos adducere.

Texte und Kontexte

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Nach dieser kurzen Charakterisierung des Hexaëmeron ist zu fragen, welche Passagen für die vorliegende Thematik von Interesse sind. Der wichtigste zusammenhängende Teil sind dabei sicherlich die Collationes von Hex. III, 2–4 (14–16). Hier vor allem entfaltete Bonaventura seine Geschichtstheologie, indem er verschiedene Modelle zur Gliederung der (Heils-)Geschichte in einzelne Zeiten (tempora, aetates) vorlegte. Hermeneutik der Geschichte und Hermeneutik der Schrift greifen hier ineinander und bedingen sich gegenseitig,64 wie auch die Visio 3 insgesamt unter der Überschrift der intelligentiae per Scripturam eruditae steht. Hintergrund sind die konkurrierenden Deutungsmodelle joachitischer Prägung, denen Bonaventura seine eigenen Entwurf entgegenstellte. In der Visio 4 (intelligentiae per contemplationem suspensae), Coll. 3 & 4 (22f.) kam er auf diese Thematik noch einmal unter einem anderen Blickwinkel zurück, nämlich wie der ordo contemplantium in seiner höchsten Stufe, dem ordo seraphicus, aussehen wird65 und wie am Ende der Zeiten die ecclesia contemplativa „gezeugt“ wird.66 Der zweite für uns interessante Themenkomplex ist die Auseinandersetzung mit den Irrtümern des Aristotelismus. Auf die Frage nach der Ewigkeit der Welt kam Bonaventura dabei innerhalb des Principium und der ersten Visio an mehreren Stellen zu sprechen,67 den Grundirrtum des Aristotelismus (auf den sich die oben, S. 18, genannten drei anderen Irrtümer zurückführen lassen) sieht er dabei in der Leugnung der rationes aeternae oder (gleichbedeutend) des Exemplarismus.68 Die Argumentation der Coll. I, 3 (6), die sich eingehend damit auseinandersetzt, ist dabei fast ausschließlich philosophisch, der theologische Aspekt, dass es Christus als das verbum increatum ist, durch das alle Dinge vorgebildet sind (exemplantur), wird an dieser Stelle bewusst ausgeblendet.69 Beide Zugänge werfen die Frage auf, wie das Verhältnis zwischen Zeit und Ewigkeit präzise zu fassen ist. Über die beiden genannten Hauptstränge (der Auseinandersetzung mit der joachitisch geprägten Geschichtstheologie und den philosophischen Irrtümern des Aristotelismus) hinaus könnte noch auf eine Fülle von Einzelaussagen zu den im ersten Kapitel aufgeworfenen Fragen hingewiesen werden. Es würde zu weit führen, sie alle hier bereits aufzuführen (z. B. die Betrachtung Gottes als esse primum, die auch seine aeternitas einschließt),70 man müsste ja dann gerechterweise auch alle entsprechenden Stellen aus den hier noch nicht genannten Werken aufführen.71 Dieser erste Überblick mag also 64

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Vgl. Hex. III, 3 (15), 20 [Ed. Delorme, 175; vgl. V, 401] heißt es z. B. über die Dreiteilung der Zeiten (tempus naturae, tempus legis, tempus gratiae): Qui haec seminaria temporum ignorat, ad expositionem sacrae Scripturae non est idoneus. Hex. IV, 3 (22), 20–23 [V, 440f.]. Hex. IV, 4 (23), 4 [V, 445]. Hex., princ., 1 (1), 15f.; princ., 3 (3), 6; I, 1 (4), 13.16; I, 2 (5), 21.28f.; I, 3 (6), 4; I, 4 (7), 2–6 [V, 332.344.351f.357.358f.361.365f.]. Hex. I, 3 (6), 2–5 [V, 360f.]. Ausführlich dagegen in Hex., princ., 3 (3), 3–9 [V, 343–345]. Hex. II, 3 (10), 11–18 [V, 378f.]. Im genannten Beispiel wäre das z. B. Itin. V, 5–8 [V, 309f.].

Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

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genügen, man sollte nur im Hinterkopf behalten, dass es zutreffend ist, mit Wilhelm Nyssen das Hexaëmeron als eine „Summe des Mittelalters … nur in einem anderen, ungewohnten Sinne“72 zu bezeichnen: Es ist ein Gesamtbild der sapientia christiana, das Bonaventura hier unter dem Aspekt der Schau (visio) vorstellte.

2.2

Kontexte

Im vorigen Abschnitt wurde die Textbasis für die vorliegende Untersuchung vorgestellt. Um den Ort des bonaventurianischen Denkens zu Zeit und Ewigkeit zu erfassen, ist es in einem zweiten Schritt notwendig, den umgebenden „Raum“ für die Deutung der vorgestellten Texte besser kennenzulernen. In diesem Abschnitt soll es dabei nur um die grundlegenden Aspekte gehen, die die Thematik insgesamt betreffen; auf einige speziellere Gesichtspunkte wird dann an den entsprechenden Stellen selbst noch einzugehen sein. Was macht diesen umgebenden Raum, den Kontext aus? Man kann sagen, er weitet sich in konzentrischen Kreisen. Den inneren Kreis bildet dabei das Denken Bonaventuras selbst, indem es sich durch bestimmte Grundentscheidungen und -positionen festlegt und so einen bestimmten Weg durch die Thematik vorgibt. Um diesen inneren Kreis herum legt sich ein weiterer, den man den zeitgeschichtlichen Rahmen nennen kann. Er gibt Fragestellungen und Perspektiven vor und bildet so einen weiteren Deutungsrahmen. Fasst man diesen Rahmen noch einmal weiter, so gehören alle Traditionen, alle vorausliegenden Denkmodelle, die auf Bonaventura einwirken und die er aufnimmt, hierher. Diesem dritten Kreis ist ein eigenes Kapitel gewidmet, im Folgenden soll es zunächst um die beiden inneren Kreise gehen. Vor allem zwei Themenbereiche schienen mir dabei interessant und wichtig. Der erste ist die Kosmologie Bonaventuras, die die Frage nach Zeit und Ewigkeit in gewisser Weise „ortet“, indem sie den Raum und die Körper beschreibt, mit denen sich das Phänomen Zeit verbindet. Der zweite Themenbereich ist die Aristotelesrezeption, die das geistige Klima des 13. Jahrhunderts insgesamt geprägt hat und aus der heraus sich viele der Positionen Bonaventuras erklären lassen.

2.2.1

Kosmologie

Bereits der in Platons Timaios 11 [38b] zu findende Gedanke, die Zeit sei mit dem Himmel entstanden, weist darauf hin, wie sehr die Erklärung des Phänomens Zeit mit der Erklärung der Welt als ganzer zusammenhängt und insofern einen integralen Bestandteil des Weltbildes ausmacht. Und auch wenn es in der vorliegenden Untersuchung nicht um einen naturwissenschaftlichen Zugang zur Zeitthematik geht, so ist es doch hilfreich 72

NYSSEN, Einleitung, 15.

Texte und Kontexte

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zu wissen, welche Vorstellung sich Bonaventura vom Aufbau der Welt machte, um so mehr, als eine solche Trennung von Theologie und Naturwissenschaft dem Denken des Mittelalters im Allgemeinen und Bonaventura im Besonderen fremd war. Hinzu kommt, dass gerade im 13. Jahrhundert noch recht verschiedene Auffassungen von der Zahl der Sphären und Himmel, sowie ihrer Ordnungs- und Bewegungsprinzipien verbreitet waren.73 Die zu dieser Zeit vertretene Kosmologie basierte dabei zum einen wesentlich auf aristotelischem Gedankengut, wobei neu zugänglich gewordenen Schriften – für diese Thematik sind namentlich die Physik, De caelo et mundo, De generatione et corruptione und die Meteorologica zu nennen – wesentliche Impulse beisteuerten. Insofern ließe sich dieser Abschnitt auch unter dem Kapitel „Aristotelesrezeption“ einordnen. Zum anderen aber ist gerade hier die eigene Prägung des mittelalterlichen Denkens zu betonen. Sie bestand vor allem darin, die Heilige Schrift und insbesondere die ersten Kapitel der Genesis als zusätzliche Quelle in diesen Fragen heranzuziehen.74 Taten sich die Kirchenväter mit dem antiken Weltbild und seinen Widersprüchen zu christlichen Glaubensvorstellungen noch schwer, so vermittelten vor allem Isidor von Sevilla, Beda Venerabilis und Hrabanus Maurus dessen Grundeinsichten – etwa die Kugelgestalt der Erde oder die Reihenfolge der Planeten – an das angehende Mittelalter.75 Springt man von da aus unmittelbar ins 12. Jahrhundert, so sind vor allem die Arbeiten der Schule von Chartres – Thierry von Chartres, Wilhelm von Conches, Bernardus Silvestris, Clarenbaldus von Arras – zu erwähnen; man bemühte sich hier den Kosmos secundum physicam et litteram, d. h. mit Hilfe natürlicher Prinzipien und der Heiligen Schrift, zu erklären. Zusammen mit den ab Mitte des 12. Jahrhunderts entstehenden lateinischen Übersetzungen der genannten aristotelischen Schriften76 verbreitete sich auch das darin vorgestellte Weltbild. Die Erde war darin der unbewegliche Mittelpunkt einer räumlich endlichen, aber ewigen Welt, um sie herum lagerten sich im sublunaren Bereich zunächst die Sphären der drei anderen Elemente (Wasser, Luft, Feu73

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Für das Folgende vgl. Léon ELDERS, Kosmologie, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München 1991, 1459–1461 sowie Erwin NEUENSCHWANDER, Weltbild. I. Astronomisch-kosmologisch, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, München 1997, 2159–2162. Die Genesis-Kommentare stellen entsprechend eine wichtige Quelle für die Kenntnis der mittelalterlichen Kosmologie dar, für das 13. Jahrhundert kommen an den Universitäten besonders die Kommentierungen der aristotelischen Schriften (vor allem De caelo) und des Tractatus de sphaera des Johannes von Sacrobosco hinzu. Deren Quellen waren vor allem Plinius’ Historia naturalis, der Kommentar des Chalcidius zu Platons Timaios, Macrobius’ Kommentar zu Ciceros Somnium Scipionis und Martianus Capellas De nuptiis Philologiae et Mercurii. Siehe hierzu auch den folgenden Abschnitt ab S. 67, hinzu kommt der Einfluss arabischer und jüdischer Gelehrter wie al-Farġānī (Alfraganus), al-Chwarizmi, al-Kindī (Alkindus), al-Fārābī (Alfarabius), Ibn al-Haiṭam (Alhazen), Ibn Sīnā (Avicenna), Isaak Israeli, Maimonides und anderer. Vgl. hierzu auch Edward GRANT, Planets, Stars and Orbs. The Medieval Cosmos, 1200–1687, Cambridge u. a. 1994, 12–17.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

er). Jenseits dessen beginnt mit der Sphäre des Mondes der supralunare Bereich, er erstreckt sich in den konzentrisch angeordneten Sphären der Planeten und der Sonne bis zur Fixsternsphäre.77 Die Bewegung des Ganzen wird schließlich auf einen ersten unbewegten Beweger zurückgeführt, der aber nicht wie eine physische Ursache wirkt, sondern „wie ein Geliebtes“ (ὡς ἐρώµενον)78. Korrigiert und ergänzt wurde dieses System vor allem durch den Almagest und einige kleinere astronomische Schriften des Claudius Ptolemäus, wobei die wichtigste Änderung darin bestand, die Konzentrizität der Sphären aufzugeben und exzentrische Kreisbewegungen sowie Epizyklen zur Erklärung der Gestirnsbewegungen zu verwenden.79 Dieses Modell – das auch in Averroes Kommentar zu De caelo behandelt wurde80 – wurde zunächst nur zögerlich angenommen, denn es fiel schwer, darin die angenommene Vollkommenheit des Weltalls wiederzuerkennen.81 Nachdem es sich aber einmal durchgesetzt hatte, blieb das aristotelisch-ptolemäische Weltbild bis zur kopernikanischen Wende im 16. Jahrhundert gültig.

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81

So die Darstellung in Metaphysica XII (Λ), 8 [1073a 14 – 1074b 14]. Um die beobachteten Bewegungen der Planeten am Himmel zu erklären, nahm Aristoteles dabei insgesamt 55 Sphären an. Metaphysica XII (Λ), 7 [1072b 3]; vgl. BONAVENTURA, II Sent. 14, 1, 3, 1, ad 1 [II, 346]: … Philosophus non intellexit, quod primi orbis motor per modum efficientis esset Deus … Sed ponit, quod Deus moveat primum causatum metaphorice, sicut finis et desideratum. Vgl. GRANT, Planets, Stars and Orbs, 277–279. Vgl. In De Caelo II, comm. 35, in: Averrois Cordubensis commentum magnum super libro De celo et mundo Aristotelis, ex recogn. Francis James Carmody ed. Rüdiger Arnzen (= Recherches de Théologie et Philosophie médiévales. Bibliotheca 4.1.1–2), 2 Bde., Leuven 2003, hier Bd. 2, 330–334. Positive Aufnahme fand es etwa in dem wohl vor 1220 entstandenen, weit verbreiteten und oft kommentierten Tractatus de sphaera des Johannes von Sacrobosco (c. 4, in: Lynn Thorndyke, The Sphere of Sacrobosco and its Commentators, Chicago 1949, 76–117, hier 113–115; zur Datierung siehe ebd., 14); es findet sich auch in Roger Bacons naturphilosophischen Schriften und bei Albertus Magnus. Bonaventura dagegen favorisierte das aristotelische Modell der konzentrischen Sphären (Vgl. II Sent. 14, 2, 1, 2, resp. [II, 353f.]), obwohl ihm bewusst war, dass das mit Exzentern und Epizyklen arbeitende ptolemäische Modell die genaueren Ergebnisse lieferte (ebd. [II, 354]: licet positio mathematicorum secundum iudicium sensuum videatur esse verior …).

Texte und Kontexte

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Abbildung 1: Himmelssphären in Peter Apians Cosmographia (1539)82

2.2.1.1

Die ersten sieben Sphären und das Firmament

Wie alle Theologen der Zeit legte auch Bonaventura sein Bild des Kosmos innerhalb der Schöpfungslehre dar.83 Von Aristoteles übernahm er dabei die grundlegende Zweiteilung der Welt in den himmlischen und den irdischen Bereich (in die natura elementaris und die natura caelestis).84 Der irdische Bereich wird aufgebaut aus den vier Elementen als den einfachen Körpern. Er ist geprägt durch Gegensätzlichkeit – wie sie in den vier Elementarqualitäten heiß/kalt und feucht/trocken zum Ausdruck kommt –, aber auch durch die Mannigfaltigkeit aller Arten von Körpern (Steine, Pflanzen, Tiere, menschlicher Körper), die durch die verschiedene Mischung der Elemente zustande kommen. Die stete Umwandlung der Elemente ineinander sowie die Aufnahme bzw. der Verlust der substantialen Formen machten dabei den irdischen Bereich zu einem Bereich des Werdens und Vergehens.85 82

83 84 85

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Ptolemaicsystem-small.png (1.5.2007) aus PETER APIAN, Cosmographia, Antwerpen 1539. Man beachte, dass diese Darstellung nicht genau die Vorstellung Bonaventuras wiedergibt; dieser ging z. B. nur von neun beweglichen Sphären aus. Hauptquellen sind II Sent. 12–14 [II, 290–370] und Brev. II, 1–5 [V, 219–224]. Vgl. Brev. II, 3 [V, 220]. Vgl. etwa II Sent. 17, 2, 2, resp. [II, 422f.]. In der Frage, ob eine himmlische Elementarsubstanz an der Bildung des Körpers Adams beteiligt war, referierte er die (insgesamt abgelehnte) Position, die die Beteiligung einer solchen „feuerhaften“ Natur annimmt [II, 422b]: Haec autem natura ignis, etsi, prout aliis permiscetur, habeat agere et pati, et corrumpi et generari, et hoc, prout est hic inferius; prout tamen est in sphaera sua, tranquillitatem et quietem habet nec suscipit corruptiones nec peregrinas impressiones. – Wie also mit dem himmlischen Bereich und dem quintum corpus

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Im himmlischen Bereich dagegen gelten andere Gesetzmäßigkeiten. Unter „Himmel“ (caelum) wollte Bonaventura dabei eine durchsichtige, umgreifende und der Gegensätzlichkeit (der Elementarqualitäten) enthobene Natur verstehen.86 An anderer Stelle hob er außerdem die Lichthaftigkeit des Himmels im Gegensatz zur Undurchsichtigkeit der Erde heraus.87 Die Struktur des Himmels beschrieb der Doctor seraphicus folgendermaßen: In formaler Hinsicht lassen sich zunächst drei Bereiche unterscheiden, die ebenfalls im eigentlichen Sinn Himmel hießen: nämlich das firmamentum, das caelum crystallinum/aqueum und das caelum empyreum. Innerhalb des untersten Himmels, des firmamentum, befinden sich die sieben Sphären von Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn sowie die Fixsternsphäre (caelum stellatum).88 Insgesamt kommt Bonaventura damit auf zehn Sphären (sphaeras sive orbes).89 Man beachte dabei, dass sich die ersten acht Sphären tatsächlich innerhalb des Firmaments befinden, denn er stellte sich dieses als einen einzigen, kontinuierlichen Körper vor. Die unterschiedliche Bewegung der Planetensphären wird dabei durch die Feinstofflichkeit (subtilitas) des Himmelskörpers ermöglicht, die ihm eine Konsistenz wie von Wasser oder Luft verleiht.90

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die Unvergänglichkeit (incorruptibilitas) verbunden wird, so wird mit den vier Elementen des irdischen Bereichs die Vergänglichkeit assoziiert (vgl. II Sent. 14, 2, dub. 3, resp. [II, 367b]: mixta ex quatuor elementis sunt corruptibilia). Einstens, bei der Erneuerung der Welt, wird den Elementen genau diese Disposition genommen werden, vgl. IV Sent. 48, 2, 3, resp. [IV, 993b]: Manebunt ergo qualitates omnium elementorum quantum ad substantiam, sed quantum ad rationem corruptionis innovabuntur. II Sent. 14, 2, 1, 3, resp. [II, 355]: Caelum … de sua vero propria acceptione nominat naturam perspicuam, contentivam, supra contrarietatem elevatam. – In einem weiteren Sinn kann man auch einen Teil des sublunaren Bereichs (nämlich alles oberhalb der Wassersphäre; vgl. ebd. [356a]) als „Himmel“ bezeichnen. Auch die einzelnen Planetensphären, die insgesamt einen Teil des firmamentum bilden (siehe das Folgende), konnten als „Himmel“ (caelum planetarum) bezeichnet werden; vgl. II Sent. 14, 2, 1, 1, ad 3 [II, 352]. Um den Himmel unter- und oberhalb der Mondsphäre zu unterscheiden, gebrauchte Bonaventura für letzteren auch das Adjektiv supercaelestis (Brev. II, 3 [V, 221]; IV Sent. 48, 2, 2 passim [IV, 991f.]). Brev. II, 5 [V, 223a] zu Gn. 1, 1 (creavit Deus caelum et terram): Ubi nomine caeli insinuatur natura luminosa; nomine terrae, opaca. II Sent. 14, 2, 1, 3, resp. [II, 356b] sowie Brev. II, 3 [V, 220]. Dieselbe Einteilung bot auch ALBERTUS MAGNUS, II Sent. 14, 4, sol. [Ed. Paris. 27, 263]. Bonaventura unterschied für den himmlischen Bereich nicht zwischen orbis und sphaera. Pierre d’Ailly und Christopher Clavius erklärten später den Unterschied so: Sphaera ist demnach eine Vollkugel, während orbis eine Kugelschale (mit zwei Oberflächen) bezeichnet. Vgl. GRANT, Planets, Stars and Orbs, 115, Anm. 37. Vgl. II Sent. 14, 2, 1, 1, resp. [II, 352]: Haec autem distinctio orbium … non venit ex distinctione formarum … nec venit ex discontinuatione superficiei … sed venit ex diversitate motuum. Diversitas autem motuum non tollit continuitatem in eo quod est subtile et ad motum habile, sicut manifeste apparet in aqua, quando secundum diversas sui partes ad diversas movetur positiones, et similiter in aëre. Vgl. ebd., arg. 2 [II, 351]: corpus caeli a luna usque ad caelum stellatum est uniforme … ergo omnia luminaria sita sunt in eodem corpore. Der Hintergrund ist die Erklärung von Gn. 1, 14 (fiant luminaria in firmamento caeli), wo mit den luminaria ja nicht nur die Sterne, sondern (mindestens) auch Sonne und Mond gemeint sind. – Das bedeutet auch, dass in der Vor-

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Während sich die ersten acht Sphären lediglich durch ihre Bewegung – also in einem Akzidens – unterscheiden, bestehen zwischen dem firmamentum, dem caelum crystallinum und dem Empyreum formale Differenzen (eine diversitas formarum). Bonaventura erklärte sie anhand eines doppelten Rasters, das einmal auf den Eigenschaften mobilitas und uniformitas, dann auf den Eigenschaften luminositas und perspicuitas aufbaute:91

91

stellung Bonaventuras die corpora caelestia nicht in erster Linie Sonne, Mond, Planeten und Sterne sind, sondern dass damit die drei Prinzipalsphären gemeint sind; das andere sind die „Lichter“ (luminaria), die durch eine Verdichtung (aggregatio) der Himmelsmaterie an dieser Stelle zustande kommen; vgl. II Sent. 14, 2, dub. 3 [II, 366–369, bes. 368], wo auch erklärt wird, dass die besondere Eigenschaft der Himmelsmaterie darin besteht, das Licht (die Lichtform) aufnehmen zu können, das tatsächliche Leuchten hängt dann davon ab, wie viel von dem erstgeschaffenen Licht ihnen von Gott „zugeteilt“ wurde (… luminaria in quantum constituuntur ex orbibus suis, per aggregationem plus habent idoneitatem ad suscipiendum quam ad diffundendum, quod vero lucent, hoc habent ex lucis primo creatae perfectione. Et ideo illud luminare, cui Deus multum dedit de illa luce, maxime lucet, sicut sol … [II, 368a]). Das erklärt schließlich, warum der Mond nicht selbst leuchtet, sondern ex susceptione solaris influentiae. – Eine ausführliche Diskussion der Frage, ob die unteren Sphären alle einen einzigen kontinuierlichen Körper bilden, findet sich in dem vielleicht um 1230 entstandenen, Michael Scotus zugeschriebenen Kommentar zu Sacroboscos Tractatus de sphaera, lect. 4, in: Lynn Thorndyke, The Sphere of Sacrobosco and its Commentators, Chicago 1949, 248–342, hier 279.281–284; zu Datierung und Autorschaft vgl. ebd., 21–23. Eine ähnliche Auffassung über die Ausdehnung des Firmaments findet man auch bei Robert Grosseteste in seinem um 1240 entstandenen Hexaëmeron III, 6, 1 [ABMA 6, 106]: firmamentum, quod videlicet est extentum in spissitudinem ab infima evagacione lune usque supra stellas fixas ubi collatae sunt superiores aquae. Wilhelm von Auvergne dagegen argumentierte sehr deutlich gegen die Vorstellung eines aus den verschiedenen Sphären gebildeten corpus continuum; vgl. die zwischen 1231 und 1236 entstandene Enzyklopädie De universo I, 1, 44, in: Guilielmi Alverni Opera omnia, Bd. 1, Frankfurt am Main 1963 (Nachdruck d. Ausg. Paris 1674), 593–1074, hier 652b F. Thomas von Aquin unterschied mit Albertus Magnus (vgl. II Sent. 14, 4, sol. [Ed. Paris. 27, 263b]) zwar auch die drei Himmel (empyreum, chrystallinum, sidereum; vgl. II Sent. 14, 1, 4, resp., in: Scriptum super libros Sententiarum magistri Petri Lombardi episcopi Parisiensis, Ed. nova cura Pierre Mandonnet, 4 Bde., Paris 1929–1956, hier Bd. 2, 355f.; S. th. I, 68, 4, resp. [Ed. Leonina V, 172f.]) und unterteilte den untersten (caelum sidereum) in acht Sphären, er scheint diesen aber nicht als einen einzigen Körper angesehen zu haben; dabei identifizierte er wahrscheinlich das am zweiten Tag geschaffene firmamentum mit der achten Sphäre, vgl. GRANT, Planets, Stars and Orbs, 99. Vgl. II Sent. 14, 2, 1, 3, sc. 3 & resp. [II, 355.356b]; ähnlich in Brev. II, 3 [V, 221]; für das Empyreum auch II Sent. 2, 2, 1, 1, resp. [II, 72]. Die Unterscheidung in d. 14 ist dabei ziemlich direkt übernommen aus der Summa Halensis II, 3, 2, 2, 1, 1, 1, 5 (270), sol., in: Summa theologica seu sic ab origine dicta «Summa fratris Alexandri», hrsg. v. Bernhardin Klumper, 4 Bde. in 5 Teilbden., Quaracchi 1924–1948, hier Bd. 2, 331; Thomas übernahm sie ebenfalls in II Sent. 14, 1, 4, resp. [Ed. cit. II, 355]; sie dürfte weiter zurückgehen auf den Michael Scotus zugeschriebenen Kommentar zu Sacroboscos Tractatus de sphaera, lect. 4 [Ed. cit., 283]; Albert der Große wies den Sphären zwar dieselben Eigenschaften zu (vgl. II Sent. 2, 3f. [Ed. Paris. 27, 50–54]), er baute seine Unterscheidung der drei Himmel aber anders auf (vgl. II Sent. 14, 4 [Ed. Paris. 27, 263])

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Tabelle 2: Unterschiede der caeli principales firmamentum caelum crystallinum caelum empyreum

mobile et multiforme mobile et uniforme immobile et uniforme

perspicuitas simul et luminositas perfecta perspicuitas perfecta luminositas

Neben diesen Unterschieden, auf die im Einzelnen noch näher einzugehen ist, bestanden auch eine Reihe von Übereinstimmungen, die die gemeinsame Bezeichnung „Himmel“ rechtfertigten: So wurden alle drei Himmel von Bonaventura als Körper angesehen,92 die sich aber vor den irdischen Körpern durch ihre Formvollendetheit und Vollkommenheit auszeichnen. Diese Vollkommenheit zeigt sich auf vielerlei Weise: Sie bedeutet zunächst, dass sich in der Himmelsnatur kein Streben nach weiteren Formen findet93 – Bonaventura deutet die Form ja als perfectio –, umgekehrt ist sie deswegen auch unvergänglich (incorruptibilis), denn ebenso ist ihr der Verlust der substantialen Form fremd.94 Alle Himmel haben ferner teil an der Lichtform, die die vollkommenste aller körperlichen Formen ist.95 Die Materie der Himmelskörper ist das quintum corpus (die quinta essentia).96 Sie besitzt keine der Elementarqualitäten (feucht, trocken, heiß, kalt) und ist deswegen der Gegensätzlichkeit enthoben (was als Charakteristikum für den gesamten himmlischen Bereich gelten kann);97 die Himmelsmaterie ist dabei nicht nur selbst incorruptibile und inalterabile, sie vermischt sich auch nicht mit den übrigen 92

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Für das Empyreum vgl. II Sent. 2, 2, 1, 2, resp. [II, 74b]: empyreum sit primum creatum inter corpora, quod est maximum mole et virtute … omnia corpora locat per ambitum et continentiam. Vgl. auch II Sent. 2, 2, 2, 1, resp. [II, 77a], und siehe S. 57 mit Anm. 179. Vgl. II Sent. 17, 2, 2, resp. [II, 422b]: Per proprietatem natura caelestis dicitur esse natura quinti corporis, quae sic perfecta est sua forma, ut nullo modo habeat appetitum ad aliam formationem, sic est activa, quod nullo modo potest pati et corrumpi; et sic est natura orbium et stellarum et firmamenti. Vgl. Brev. II, 3 [V, 221] (tres sint caeli incorruptibiles); II Sent. 14, 2, 1, 2, resp. [II, 354]. Erklärend ist allerdings hinzuzufügen, dass diese incorruptibilitas nur im Bezug auf natürliche Prozesse und nicht auf Gottes Handeln gilt (d. h., die Himmel „altern“ nicht). Insofern hat incorruptibilis eine andere Bedeutung als innerhalb des aristotelischen Weltbildes. In besonderer Weise wird dies auch deutlich in der Frage, ob die kreisförmige Bewegung der Himmel terminabilis ist: secundum intentionem naturae, quae est regulata secundum institutionem divinam, terminabilis est, licet non sit terminabilis ratione termini, qui respicit conditiones mobilis et spatii (IV Sent. 48, 2, 2, ad 4 [IV, 992]). Vgl. auch S. 62, Anm. 200. Das gilt bereits für das firmamentum (vgl. II Sent. 14, 1, 1, 2 resp. [II, 340a]: firmamentum … lucem participat in quadam puritate); zur Vollkommenheit der Lichtform vgl. II Sent. 14, 2, 2, 1, sc. 4 & ad 4 [II, 358f.]. Vgl. II Sent. 14, 1, 1, 2, resp. [II, 339f.] sowie die folgende Anmerkung. Die Frage war dabei vor allem, ob der „unterste“ Himmel, sprich das Firmament, noch aus den vier Elementarnaturen aufgebaut ist. Vgl. die Definition von „Himmel“ oben, dasselbe betonte Bonaventura wiederholt, vgl. z. B. Brev. II, 3 [V, 220f.] (talis est natura elongata a contrarietate); ebd. II, 5 [V, 223a] (supra contrarietatem elevata); II Sent. 14, 1, 1, 2, arg. 6 & resp. [II, 339f.]; II Sent. 17, 2, 2, resp. [II, 422b] (essentiam quintam, supra omnem contrarietatem elevatam).

Texte und Kontexte

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Elementen.98 Die perfectio der Himmel zeigt sich weiter in ihrer äußeren Gestalt, denn die Sphären haben eine vollkommene Kugelgestalt.99 Die Vollkommenheit des Himmels bedeutet auch Aktualität und Aktivität,100 die sich nicht zuletzt in ihrem Einfluss (influentia) auf die irdischen Naturen zeigt. Dieser Einfluss ist bei Bonaventura sehr vielgestaltig und er ist auch je nach Sphäre verschieden.101 Zunächst bedeutete er dass jede bewegte Sphäre (d. h. alle mit Ausnahme des Empyreum) ihre Bewegung auf die jeweils unteren Sphären überträgt,102 ein anderer, leicht nachzuvollziehender Einfluss besteht darin, dass durch die Drehung der Sphären Tage, Monate, Jahre und „Zeiten“ festgelegt und unterschieden werden. Aus heutiger Sicht mag befremdlich erscheinen, dass sie auch auf die Elemente und die irdischen Körper einwirken, d. h. auf Mineralien, Pflanzen, Sinnenwesen und den menschlichen Körper.103 Weil dieser Einfluss von (im übrigen unbeseelten, s. u.) Körpern ausgeübt wird, kann er selbst nur als ein körperlicher verstanden werden.104 Dass dabei auch der oberste Himmel, das Empyreum, einen solchen Einfluss ausübt, bejahte Bonaventura nur sehr vorsichtig,105 während der Einfluss der beiden anderen Himmel für ihn außer Frage stand: Entsprechend der jeweiligen Natur hat dabei der Kristallhimmel einen kühlenden Einfluss, während dem Firmament eine erhitzende Kraft zukommt.106 Dem entspricht weiter, dass der zweite Himmel eine eher bewahrende Kraft ausübt, während 98 99

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Vgl. II Sent. 17, 2, 2, resp. [II, 423a]: … loquuntur de natura caelesti proprie dicta, quae est incorruptibilis et inalterabilis et immiscibilis. Vgl. II Sent. 14, 1, 2, 1 [II, 341f.] (orbicularis) – Die von Bonaventura diskutierte Alternative ist die einer Halbschale (semicircularis). ALBERTUS MAGNUS, II Sent. 14, 5 [Ed. Paris. 27, 264f.] kam zu demselben Ergebnis; PETRUS VON TARENTAISE (Innozenz Pp. V.), II Sent. 14, 3, qc. 1, resp., in: In librum Sententiarum commentaria, 4 Bde., Richwood, N. J. 1964 (unv. Nachdruck d. Ausg. Tolosa 1649–1652), hier Bd. 2, 116 diskutierte noch weitere Möglichkeiten für die Gestalt des Himmels. Vgl. oben S. 40, Anm. 93. Für eine allgemeine Darstellung der Theorien des Einflusses der Himmelssphären auf die irdischen Naturen vgl. GRANT, Planets, Stars and Orbs, 569–617. Vgl. II Sent. 14, 2, 1, 1, ad 4 [II, 352]: motus influit a superioribus orbibus in inferiores; ferner II Sent. 14, 2, 1, 3, ad 3 [II, 357]. Vgl. Brev. II, 4 [V, 221]: caelestia influunt in terrestria et elementaria quantum ad distinctivam significationem temporum, scilicet dierum, mensium et annorum … [et] quantum ad effectivam productionem rerum generabilium et corruptibilium, scilicet mineralium, vegetabilium, sensibilium et corporum humanorum. Mit bestimmten „Zeiten“ (tempora) können dabei auch Planetenkonstellationen oder -stellungen gemeint sein, wie Bonaventura im Folgenden ausführte. Vgl. II Sent. 2, 2, 1, 2, resp. [II, 74a]: Cum enim sit corpus, necesse est, influentiam suam, si qua est, esse corporalem. Vgl. ebd. [II, 74bf.] – einen Einfluss auf den menschlichen Körper hinsichtlich der Disposition zur „Aufnahme“ der Vernunft (ad susceptionem rationalis) lehnte er strikt ab. Diese letztere Diskussion fand sich auch in der Summa Halensis, II, 3, 2, 2, 1, 1, 1, 1 (266), arg. 2 [Ed. cit. II, 327a] (der kritische Apparat verweist insbesondere auf Avicenna). Gedacht ist hier wohl vor allem an die Sonne (zur Auflösung des Widerspruchs, dass der Mond eher kühlend wirkt, vgl. II Sent. 14, 1, 1, 2, ad 6 [II, 341a]). Weitere Details siehe unten S. 47.

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dem ersten Himmel allgemein ein Veränderung bewirkender Einfluss zukommt,107 und ihm deswegen auch die Bildung der gemischten Körper zugeschrieben wird (indem er die von ihrer Natur her gegensätzlichen Elemente miteinander versöhnt und so zur Vereinigung bringt). Auch den Planeten (oder besser, den Himmelslichtern) gesteht Bonaventura ein gewisses Einwirken auf den irdischen Bereich zu, als Beispiel nennt er den Einfluss des Mondes auf das Feuchte, wie er sich insbesondere in Ebbe und Flut zeigt.108 Zum rechten Verständnis der influentia muss allerdings auch auf ihre Grenzen hingewiesen werden:109 Der genannte Einfluss ist lediglich ein dispositiver, d. h., er bildet für sich genommen keine notwendige oder hinreichende Ursache, er wirkt vielmehr so, dass die natürlichen Kräfte des irdischen Bereichs unterstützt werden.110 Besonders scharf war die Ablehnung des Doctor seraphicus, wenn es darum ging, ob der Charakter der Menschen oder zukünftige Ereignisse von ihnen verursacht werden: Dies widersprach für ihn sowohl dem Glauben wie auch der Erfahrung und der Vernunft.111

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Vgl. II Sent. 14, 2, 1, 3, resp. [II, 356b]: crystallinum [caelum] … quod quidem facit ad conservationem rerum corruptibilium. … caelum sidereum, quod quidem facit ad transmutationem rerum inferiorum. Sowie II Sent. 14, 1, 1, 2, sc. 6 [II, 339]: firmamentum … facit elementa contraria concurrere ad corpora mixta, und II Sent. 17, 2, 2, resp. [II, 423a]: virtus stellarum et orbium influendo facit elementorum conciliationem, quae veniunt ad humani corporis constitutionem secundum rem, dum actio elementorum regimen et directionem habet ab influentia corporum superiorum. – VINCENT VON BEAUVAIS, Speculum naturale III, 99, in: Vincentii Burgundi … Speculum quadruplex, naturale, doctrinale, morale, historiale, opera et studio Theologorum Benedictinorum Collegii Vedastini in Alma Academia Duacensis, Vol. I, Graz 1964 (Nachdruck d. Ausg. Duaci 1624), hier 227f. erklärte genauer, wieso der Kristallhimmel eine erhaltende Kraft auf die vergänglichen Dinge ausübt: Es ist die alles erhaltende Kraft Gottes, die hier einem (notwendig) uniformen Körper mitgeteilt wird. Vgl. II Sent. 14, 2, 2, 2, resp. [II, 360b], besonders: Conditor mundi corpora caelestia incorruptibilia posuit ad regulandum et regendum corruptibilia. Vgl. II Sent. 14, 2, 2, 3 [II, 361–365] sowie ad 1.2 & ad 3 [II, 360f.] der unmittelbar vorausgehenden Quaestio. II Sent. 14, 2, 2, 2, ad 3 [II, 361]: Praeterea, cum ponuntur corpora caelestia imprimere in haec inferiora et diversas qualitates aggenerare; hoc non est intelligendum, quod eis dent ex se, sed quod educunt illud quod est in potentia, in actum. Praeterea non est intelligendum, quod dent per se solum, sed adiuvando virtutem naturae inferioris. – Dies deckt sich etwa mit der Ansicht von ROBERT GROSSETESTE, Hexaëmeron III, 9, 1 [ABMA 6, 109]: firmamentum … magnum prestet iuvamentum generacioni et profectui rerum inferiorum. Habent enim illa celestia corpora lumen iuvativum caloris vitalis. Vgl. auch ebd. I, 17, 1 [ABMA 6, 75f.]. II Sent. 14, 2, 2, 3, resp. [II, 363a]: immo est haereticum et diabolicum figmentum, quia repugnat christianae religioni, repugnat sensui et repugnat etiam rationi. Vgl. auch Brev. II, 4 [II, 221b]: nec influant super liberum arbitrium per vim constellationum, quam dixerunt aliqui philosophi esse fatum … Et quoniam in illud tendit [scil. anima humana in Deum] per liberum arbitrium, ideo quantum ad arbitrii libertatem praecellit omnem virtutem corporalem; ac per hoc cuncta nata sunt sibi servire, nihil autem sibi dominare habet nisi solus Deus, non fatum seu vis positionis siderum.

Texte und Kontexte

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Eine wichtige Frage ist schließlich noch, wodurch die Bewegung der einzelnen orbes der Planeten und der Fixsterne zustande kommt.112 Bonaventura bot sich hier ein ganzes Spektrum von Möglichkeiten an: Sie könnten unmittelbar von Gott bewegt werden,113 sie könnten eine von einer Intelligenz geleitete Seele besitzen, sie könnten durch die Kraft der eigenen, ihnen innewohnenden (Licht-)Form bewegt werden und schließlich könnten es geschaffene Intelligenzen, sprich Engel sein, die die Sphären im Auftrag Gottes bewegten. Die ersten beiden Alternativen wurden dabei von praktisch allen scholastischen Lehrern abgelehnt,114 wobei man die Vorstellung einer Beseelung der Sphären vor allem den arabischen Kommentatoren entnahm, sie wurde aber (z. B. bei Albert dem Großen) auch gerne mit Platon oder Aristoteles selbst in Verbindung gebracht.115 Die dritte und die vierte Alternative (Bewegung durch die propria forma bzw. durch Engel) hielt Bonaventura beide für möglich, er selbst neigte aber (aus theologischen und aus Vernunftgründen) mehr zu letzterer.116 – Nach diesem Überblick über die gemeinsamen Eigenschaften aller drei Himmel und über die Vorstellungen, die sich Bonaventura vom Firmament und dessen Sphären machte, soll im Folgenden auf die Besonderheiten der beiden obersten Himmel, des Kristallhimmels und des Empyreum eingegangen werden. 2.2.1.2

Der Kristallhimmel

Jenseits der Fixsterne liegt als neunte Sphäre und als zweiter Himmel der Kristall- oder Wasserhimmel (caelum crystallinum vel aqueum).117 Bonaventura äußerte sich darüber 112

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Vgl. II Sent. 14, 1, 3, 1f. [II, 345–350]. Zu beachten ist dabei auch, dass Bonaventura den Planeten keine Eigenbewegung gegenüber der Sphäre, in der sie sich befinden, zuschrieb; vgl. II Sent. 14, 2, 1, 2, resp. [II, 354]: planetae non moventur nisi motu suorum orbium, sicut clavus fixus in rota movetur motu rotae, non proprio. Nachdem Gott allgemeine und unmittelbare Ursache aller Dinge ist (vgl. I Sent. 45, 2, 2, resp.[I, 806f.]), ist die Frage so aufzufassen, ob er auch die ganze Ursache (tota causa) ist oder ob noch eine Partikularursache mitwirkt. – Die sich in der Sukzessivität der Bewegung zeigende Endlichkeit ließ Bonaventura auf die Mitwirkung einer geschaffenen Kraft schließen. Vgl. das Scholion zu II Sent. 14, 1, 3, 1 (Opp. II, 347a). Vgl. etwa AVICENNA, Metaphysica IX, 1, in: Liber de philosophia prima sive Scientia divina, ed. S. Van Riet, intr. G. Verbeke (= Avicenna latinus 3–4), 2 Bde., Louvain – Leiden 1977.1980, hier Bd. 2, 446, Z. 46–48 (oportet autem ut causa propinqua primi motus sit anima non intelligentia, et quod caelum est animal oboediens Deo) sowie AVERROES, De substantia orbis 2, ed. Arthur Hyman (= Medieval Academy Books 96), Cambridge, Mass. 1986, hier 75–83; zur Verbindung mit Plato und Aristoteles, vgl. ALBERTUS MAGNUS, S. th. II, 11, 53, 3, sol. [Ed. Paris. 32, 567a] sowie II Sent. 14, 6 [Ed. Paris. 27, 265] – Albert nannte hier eine Fülle von Philosophen, die die Beseelung der Himmelssphären vertreten haben sollen, im Letzten kam er aber zu derselben Lösung wie Bonaventura; der Doctor seraphicus verwies in II Sent. 14, 2, dub. 3, resp. [II, 367b] auf Plato als Vertreter dieser Ansicht. Vgl. neben II Sent. 14, 1, 3, 2, resp. [II, 349] auch Hex. I, 2 (5), 26 [V, 358; Ed. Delorme, 87]. Man beachte dabei, dass crystallum nicht nur den Bergkristall bezeichnete, sondern auch das aus Wasser gebildete Eis; der Zusammenhang ergab sich aus der Vorstellung, dass Bergkristall aus be-

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einigermaßen vorsichtig, denn da dieser sternlose Himmel mit den Sinnen nicht unmittelbar wahrgenommen werden kann, ist seine Existenz philosophisch nur indirekt zu erschließen,118 ausschlaggebend ist in dieser Frage vielmehr die Offenbarung.119 Die Überzeugung, dass das gestirnte Firmament von einer weiteren Sphäre, dem Kristallhimmel, umschlossen wurde, war zur Zeit Bonaventuras bereits weit verbreitet.120 Vonseiten der Offenbarung ging es dabei vor allem um die Auslegung von Gen 1, 6, wo es heißt, das am zweiten Tag geschaffene Firmament „scheide Wasser von Wasser“. Bereits die Kirchenväter in Ost und West hatten im Anschluss an diese Stelle über die Existenz von Wasser oberhalb des Firmamentes nachgedacht.121 Wie aber wurde aus den „Wassern oberhalb des Firmaments“ (Gen 1, 7) schließlich ein eigener Himmel? Zwar hatte Aristoteles lediglich acht (Haupt-)Sphären angenommen, aber bereits Johannes Philoponus berichtete in seinem Genesiskommentar von einer neunten Sphäre, deren Entdeckung er auf Hipparch und Ptolemäus zurückführte.122 Bis zur Postulierung des Kristallhimmels waren freilich noch weitere Schritte notwendig, denn er verband diese Sphäre mit dem nach Gen 1, 1 am ersten Schöpfungstag geschaffenen Himmel

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sonders reinem Wasser unter dem Einfluss des himmlischen Feuers und extremer Kälte entsteht. Vgl. hierzu die Anmerkung zu Basilius’ Homiliae in Hexaëmeron III, 4 [SChr 26, 209, Anm. 5]. II Sent. 14, 2, 1, 3, resp. [II, 355]: Dicendum quod est ponere, aliquod caelum moveri, quod caret luminarium et stellarum varietate … Ad cuius cognitionem etsi pauci philosophi pervenerunt, quia corporeum latet sensum, ratiocinando tamen pervenerunt aliqui. Vgl. auch ebd. [II, 356] (Text zitiert S. 49, Anm. 145). Die Möglichkeit ihn dennoch zu erkennen, beruht auf seiner Wirkung, vgl. ebd., ad 4 [II, 357b] (notificetur in effectu suo). Ebd., resp. [II, 355]: Communiter tamen ad cognitionem existentiae huius caeli pervenerunt omnes tractatores catholici, auctoritate sacrae Scripturae divinitus illustrati, quae ipsius existentiam expresse declarat. – II Sent. 14, 1, 1, 1, arg. 1 [II, 335f.] wurden die entsprechenden Schriftstellen aufgeführt. Vgl. etwa Summa Halensis II, 3, 2, 2, 2, 1–5 (276–280) [Ed. cit. II, 336–341]; THOMAS VON AQUIN, II Sent. 14, 1, 1 [Ed. cit. II, 346–349] (ebenso später in De potentia 4, 1, ad 5, in: S. Tommaso d’Aquino, Le questioni disputate, testo latino di S. Tommaso e trad. italiana, Vol. 8.9, a cura di Battista Mondin, Bologna 2003, hier Bd. 8, 522–526, S. th. I, 68, 4, resp. [Ed. Leonina V, 172f.] und ebd., a. 2, ad 2 [Ed. Leonina V, 171]); ALBERTUS MAGNUS, II Sent. 14, 1 & 2 [Ed. Paris. 27, 256–260]. Eine ausführliche Darstellung gab VINCENT VON BEAUVAIS, Speculum naturale III, 90–101 [Ed. cit. I, 221–229]; für weitere Autoren vgl. das Scholion bei Bonaventura (nr. II, Opp. II, 338). – Eine sehr komplexe Lösung bot Wilhelm von Auvergne in De universo: Nach den sieben Planetensphären und dem caelum stellatum kannte er noch einen weiteren bewegten Himmel, das caelum aplanon, das auch eine gleichmäßige, aber nicht gegen die Ekliptik geneigte Bewegung ausführt (vgl. De universo I, 1, 42.43.44 [Ed. cit. I, 640a E–H.646a E.649b BC]); die „Wasser über den Himmeln“ siedelte er dann in einem Zwischenraum zwischen dem caelum aplanon und dem Empyreum als oberstem Himmel an (vgl. ebd. I, 38 [Ed. cit., 632f.]). Nur mit Bedenken wollte er diesen Zwischenraum als Kristall- oder Wasserhimmel bezeichnet wissen (ebd. I, 43 [Ed. cit., 645b BC]; vgl. auch ebd. I, 54 [Ed. cit., 672b H]). So (u. a.) Basilius, Gregor von Nyssa, Hieronymus, Ambrosius, Augustinus und Beda, vgl. GRANT, Planets, Stars and Orbs, 320f.; er wies dabei auch darauf hin, dass Aristoteles selbst die Existenz von Wasser jenseits der Mondsphäre ausschloss (leider ohne Stellenangabe). De opificio mundi I, 7 [FC 23.1, 102].

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und nicht mit der Scheidung der Wasser durch das Firmament am zweiten Tag. Ähnlich sprach dann Johannes Damascenus von einer am ersten Tag geschaffenen, sternlosen Sphäre.123 Als weitere Quelle kommen die arabischen Astronomen und Aristoteleskommentatoren in Frage, die zum Teil ebenfalls eine neunte Sphäre angenommen haben.124 Wann genau sich die Ideen einer neunten Sphäre, eines sternlosen Himmels und der Wasser über dem Firmament zu dem Konzept des Kristallhimmels verbunden haben, lässt sich nicht genau angeben,125 fest steht allerdings Folgendes: In der Glossa ordinaria zu Dtn. 10, 14126 – dort ist vom Himmel und dem „Himmel des Himmels“ (caelum caeli) die Rede – findet man eine Hrabanus Maurus zugeschriebene Aufzählung von sieben Himmeln (aëreum, aethereum, olympium, igneum, firmamentum, aqueum, caelum angelorum). Als vorletzter Himmel wird dort der Wasserhimmel genannt und 123

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Vgl. De fide orthodoxa II, 6 (20) [PTS 12, 50; PG 94, 880B]; THOMAS VON AQUIN, S. th. I, 68, 1, ad 1 [Ed. Leonina V, 169] nahm unmittelbar darauf Bezug. Nach Johannes Damascenus (d. h. spätestens seit der Glossa ordinaria) wurde der am ersten Tag geschaffene Himmel in aller Regel mit dem Empyreum identifiziert (siehe unten S. 52), und in diesem Zusammenhang verwies auch Bonaventura auf die Stelle bei Johannes Damascenus (z. B. II Sent. 2, 2, 1, 1, resp. [II, 71]). – Vgl. hierzu auch GRANT, Planets, Stars and Orbs, 98 mit Anm. 58. ROGER BACON, Communia naturalium II, 4, 2 (De numero caelorum), ed. Robert Steele (= Opera hactenus inedita Rogeri Baconi II–IV), Oxford 1911–1915, hier Bd. 4, 387f. wies bei der Frage nach einer neunten Sphäre zunächst auf Avicenna hin; vgl. dort Metaphysica IX, 2 [Ed. cit. II, 462, Z. 58–60]: … sed, secundum eum, qui peritus est in scientiis quas docuit Ptolemaeus, est sphaera praeter eam [scil. sphaeram fixarum stellarum] et circumdans eam non stellata. Bacon verwies ferner auf Thābit ibn Qurra und al-Biṭrūǧi (Alpetragius). Vgl. hierzu auch GRANT, Planets, Stars and Orbs, 322f. – Der Text von PETRUS LOMBARDUS’ Sententiae II, 14 [SpicBon 4, 395–400] stellte das Material zwar zusammen, die Verbindung wurde aber noch nicht gezogen. Auch der verbreitete Tractatus de sphaera des Johannes von Sacrobosco sprach zwar von einer neunten Sphäre als primum mobile, aber nicht vom Kristallhimmel (Tractatus de sphaera 1f. [Ed. cit., 77.86]), ähnlich ROBERT GROSSETESTE, Hexaëmeron III, 8, 1 [ABMA 6, 108] (et super illam [scil. sphaeram stellarum fixarum] celum sine stellis quod movet totum inferius motu simplici diurno, sicut aiunt, ita ut in universo sint novem caeli). Den Ausdruck coelum crystallinum habe ich das erste Mal bei HONORIUS AUGUSTODUNENSIS, De neocosmo, ed. by Robert Darwin Crouse, Diss., Cambridge, Mass, 1970, hier 188 gefunden, dort wurde er aber auf das Firmament bezogen: Firmamentum, quod in medio aquarum locatur atque coelum appellatur, de ipsis aquis in modum cristalli induratum affirmatur; quod ideo apud Iosephum cristallinum coelum nominatur. Der Verweis auf Josephus dürfte Antiquitates Iudaicae I, 30, in: Jewish Antiquities, ed. and transl. by H. St. J. Thackeray, Louis H. Feldman (= The Loeb Classical Library, Josephus in nine Volumes 4–9), 6 Bde., Cambridge, Mass. 1966–1969, hier Bd. 1 (4), 14 meinen (dort ist allerdings vom Firmament die Rede, das „von Kristall umgeben“ ist, der Ausdruck „Kristallhimmel“ als solcher findet sich dort nicht). In Imago mundi I, 145, ed. by Valerie I. J. Flint, in: Archives d’histoire doctrinale et littéraire du moyen âge 57 (1982), 7–153, hier 91 nannte Honorius diesen Himmel auch caelum aqueum: Super firmamentum sunt aquae instar nebulae suspensae quae caelum in circuitu ambire traduntur, unde et aqueum caelum dicitur. Text der Glosse etwa bei PL 113, 462BC. Eine zusätzliche biblische Stütze bot ferner Ez. 1, 22: et similitudo super caput animalium firmamenti quasi aspectus cristalli horribilis et extenti super capita eorum desuper.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

sowohl Bonaventura als auch Thomas von Aquin nahmen expressis verbis auf diese Stelle Bezug.127 Neben der biblischen Begründung führte Bonaventura dabei die Vollkommenheit des Universums als weiteren Grund an. Sie fordert neben dem unbeweglichen, einförmigen Empyreum und dem beweglichen, vielgestaltigen firmamentum noch ein Mittleres, das heißt einen beweglichen, aber uniformen Himmel.128 War die Existenz dieses Himmels einmal gesichert, so erhoben sich weitere Fragen, insbesondere nach der Natur und nach dem Aggregatszustand des dort befindlichen Wassers. Der Text des Lombarden129 bot dabei bereits die beiden Meinungen, dass das Wasser dort entweder in gefrorenem Zustand (ut glacies solidatae, was sich auf die Meinung Bedas beziehen dürfte),130 oder in gasförmigem Zustand (vaporaliter) vorliegt.131 Bonaventura interessierte freilich mehr die Frage nach der Natur dieses Wassers. Dabei kam er zu der Feststellung (er selbst nannte es eher eine Vermutung),132 dass es sich zwar um wirkliches Wasser (vera aqua) handelt, dieses aber nicht mit dem Element Wasser im sublunaren Bereich identisch ist.133 Die Bezeichnung „Wasser“ kommt der Substanz des Kristallhimmels vielmehr aufgrund der mit dem Elementarwasser gemeinsamen Eigenschaften zu, nämlich Durchsichtigkeit (perspicuitas) und Kühle (frigiditas). Was letztere angeht, so besteht ein wichtiger Unterschied zwischen dem Wasser 127

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BONAVENTURA, II Sent. 14, 2, 1, 1, ad 3 und 14, 2, 1, 3, resp. [II, 352.356]; THOMAS VON AQUIN, II Sent. 14, 1, 4, arg. 1 & resp. [Ed. cit. II, 354.355f.]; ebenso ALBERTUS MAGNUS, II Sent. 14, 4, ad 4 [Ed. Paris. 27, 263], der in arg. 4 explizit auf den Genesiskommentar des Hrabanus verwiesen hatte. Die Aufzählung selbst findet sich in dieser prägnanten Form nicht bei Hrabanus, sie kann aber aus Comm. in Gen., I, 1–6 [PL 107, 443–457] in etwa entnommen werden. – Die ersten vier Himmel sind dabei nur sensu largo als „Himmel“ zu verstehen, da sie sich unterhalb der Mondsphäre befinden. – Interessanterweise wird eine parallele Aufzählung der Anfangsglosse zur Genesis, die den Wasserhimmel auslässt (genannt werden: aer, aether, olympus, spatium vel igneum, firmamentum, coelum angelorum et Trinitatis [PL 113, 69B]) nicht aufgenommen. Diese Reihung wird von der Glossa ordinaria Beda zugewiesen, sie dürfte auf PS.-BEDA, Expositio in primum librum Mosis 1 [PL 91, 192B] zurückgehen (zur Nicht-Authentizität vgl. Alfred BAUDRILLART (Hrsg.), Dictionnaire d’histoire et de géographie ecclésiastiques, Bd. 7, Paris 1934, 400). Der Unterschied der beiden Aufzählungen wurde bereits von der Summa Halensis II, 3, 2, 2, 2, 5 (280), 2 [Ed. cit. II, 341b] bemerkt; VINCENT VON BEAUVAIS, Speculum naturale III, 84 [Ed. cit. I, 216] stellte schließlich beide Reihen nebeneinander. Stellen siehe oben S. 39, Anm. 91. Sent. II, 14, 4 (74) [SpicBon 4, 396]. Vgl. BONAVENTURA, II Sent. 14, 1, 1, 1, arg. 2 [II, 336]. Vgl. hierzu auch GRANT, Planets, Stars and Orbs, 332f. Wie bei der Frage nach der Existenz des Kristallhimmels äußerte sich Bonaventura auch in dieser Sache nur sehr vorsichtig (vgl. den Anfang von II Sent. 14, 1, 1, 1, resp. [II, 337a]). ALBERTUS MAGNUS, II Sent. 14, 1, sol. [Ed. Paris. 27, 258] kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass es sich bei besagtem Wasser nicht um das Element Wasser handelt, er verstand es aber als einen Teil der materia prima (die aufgrund der Gleichsetzung mit der Urflut auch „Wasser“ genannt werden konnte). Vgl. II Sent. 14, 1, 1, 1, resp. [II, 337b]: … sunt aquae, quae tamen non habent naturam et speciem aquae elementi, censentur tamen aquae nomine propter convenientiam in aliqua proprietate.

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über und dem unter dem Firmament: Das Elementarwasser besitzt nämlich die Form des Kühlen (d. h. die entsprechende Elementarqualität, es ist frigida formaliter), während dem himmlischen Wasser nur eine kühlende Wirkung (frigida effective) zukommt.134 Diese Wirkung des Wassers im Kristallhimmel ist im Rahmen des oben geschilderten Einflusses aller Himmel zu verstehen, wobei Bonaventura hier eine völlig parallele Lösung wie für das Firmament entwickelte: Der Wassernatur des caelum crystallinum entspricht dabei die Feuernatur des firmamentum, die als caliditas effectiva zu verstehen ist und nicht von einem Aufbau aus dem Element Feuer herrührt.135 Nachdem es sich bei den Wassern über dem Firmament nicht um das Element Wasser handelt, relativiert sich auch die Frage nach deren Aggregatszustand stark,136 der Doctor seraphicus gab zu dieser Frage entsprechend kein eindeutiges Urteil ab.137 134

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II Sent. 14, 1, 1, 1, resp. [II, 338a] nannte noch weitere Eigenschaften, die dem himmlischen Wasser fehlen: gravitas (d. h. die Schwere, was auch erklärt, warum sie nicht das natürliche Bestreben haben, sich im unteren Bereich bei den übrigen Wassern zu sammeln), ferner corruptibilitas, ignobilitas, grossities, possibilitas transfundendi. Waren es beim Wasser die drei Grundeigenschaften perspicuitas, frigiditas und gravitas, von denen die erste beiden „Wassern“ gemein ist, die zweite dem himmlischen Wasser nur in übertragener Bedeutung zukommt und die dritte überhaupt nicht, so sind es beim Feuer entsprechend luminositas, caliditas und levitas (Vgl. II Sent. 14, 1, 1, 2, ad 2.3 [II, 340], ebenso 14, 2, 1, 3, resp. [II, 356b]) – Überdies sind perspicuitas und luminositas gerade die beiden, mit der Lichthaftigkeit verbundenen Eigenschaften, die die drei Himmel (s. o.) in unterschiedlicher Weise auszeichnen. Auch in Brev. II, 5 [V, 223b] wird diese Parallele aufgestellt und zwischen calidum bzw. frigidum formaliter und effective unterschieden. – In diesem Sinn gilt auch, dass die himmlische Natur weder heiß noch kalt ist (II Sent. 17, 2, 2, ad 2 [II, 423]: dicendum quod calor caelestis non dicitur, quia sit in natura caelesti sicut in subiecto, quia illa neque calida est neque frigida). – Wenn es im Breviloquium heißt influeret super frigidum bzw. influat ad calorem, wird dabei auch noch einmal deutlich, wie Bonaventura sich die influentia vorstellte: Sie bedeutet nicht einen (materiellen) Fluss von Wärme oder Kälte, bei dem sich der himmlische Körper erwärmt und der irdische abkühlt (bzw. umgekehrt), sondern sie bedeutet die Mitteilung einer zusätzlichen regulierenden oder unterstützenden Disposition an die in dem irdischen Körper vorhandene Elementarqualität, vgl. auch II Sent. 14, 2, 2, 2, resp. sowie ad 3 und ad 6 [II, 360f.]. Insbesondere bedeutet das, dass der himmlische Körper, der den Einfluss ausübt, selbst keinen erleidet und sich durch die influentia auch nicht „verbraucht“ (vgl. II Sent. 14, 1, 1, 1, resp. [II, 338b]: nec tamen ex hoc sequitur, quod possit [scil. caelum crystallinum] calefieri vel consumi, sicut nec sol, quamvis calefaciat, habet formaliter infrigidari). Zugrundeliegen mag dabei die Sentenz aus den Auctoritates Aristotelis, Meteora I, nr. 5 [PhMed 17, 171]: Corpora caelestia motu suo generant calorem in istis inferioribus; ipsa tamen non recipiant peregrinas impressiones, quia calefieri non possunt. Bonaventura hatte ja II Sent. 14, 1, 1, 1, resp. [II, 337b] betont: non habent naturam et speciem aquae elementi (Unterstreichung von mir). Die Behauptung bei GRANT, Planets, Stars and Orbs, 333 (mit Anm. 25), dass Bonaventura von einem flüssigen Zustand ausgeht, scheint mir nicht ohne weiteres nachvollziehbar, II Sent. 14, 1, 1, 1 bietet jedenfalls keine Hinweise in dieser Richtung. Am ehesten spricht mir noch II Sent. 14, 1, dub. 1 [II, 350] dafür, wo der Hinweis des Lombarden auf die glacialis soliditas dieser Wasser beantwortet wird mit: comparat glaciali soliditate non propter gravitatem, sed propter continuitatem et stabilitatem, quia non fluunt nec refluunt nec deorsum descendunt. – Wobei die Intention der

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Die in unserem Zusammenhang wohl wichtigste Eigenschaft des caelum crystallinum ist seine Bewegung.138 Als Mittleres zwischen firmamentum und caelum empyreum hatte ihn Bonaventura als zugleich uniforme et motum charakterisiert (s. o.). Die uniformitas wird dabei als uniformitas in toto et in partibus verstanden,139 womit sowohl die vollkommene Kugelgestalt gemeint ist als auch die Tatsache, dass diese Sphäre keine Sterne besitzt.140 Man kann dem die Auslegung Alberts des Großen erhellend zur Seite stellen. Dieser setzte der vollkommenen Einförmigkeit des ersten und zweiten Himmels die nur in gewisser Hinsicht (nämlich in Bezug auf die äußere Gestalt und die Bewegung) bestehende Einförmigkeit des dritten Himmels, des caelum stellatum, gegenüber. Die Vielgestaltigkeit des letzteren zeigt ein Blick auf den nächtlichen Himmel, an dem sich nicht nur Sterne verschiedenster Helligkeit und Farbe, sondern auch die Milchstraße als besonderer Bereich ausmachen lassen.141 – Die Verbindung von uniformitas und Bewegtheit war für Bonaventura dabei aus verschiedenen Gründen nicht unproblematisch:142 Auf ein erstes Problem weist die Fragestellung der Quaestio selbst hin (Utrum aliquod carens stellis … est mobile). Hier ging es um die Autorität des Aristote-

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Aussage ja die ist, den Kristallhimmel als den natürlichen Ort dieses Wassers zu erweisen, so dass keine äußere Kraft notwendig ist, um sie dort zu halten; ob man daraus umgekehrt schließen darf, dass diese Wasser flüssig sein müssen, oder ob Bonaventura nicht eher von völlig anderen, nicht mit den irdischen Kategorien fest/flüssig/gasförmig zu erfassenden Verhältnissen ausgeht, bleibt fraglich. Als paralleles Beispiel kann man auf Bonaventuras Vorstellung von dem Firmament als einem einzigen zusammenhängenden Körper mit mehreren orbes verweisen: Der Franziskaner verglich es zwar mit Wasser oder Luft, sagte aber nirgendwo, dass es flüssig oder gasförmig wäre, auch wenn er den Vergleich mit einem festen Körper ablehnt (vgl. II Sent. 14, 2, 1, 1 resp. und ad 2 [II, 352]). Vgl. hierzu vor allem II Sent. 14, 2, 1, 3 [II, 354–357]. Das Scholion zu der Stelle weist darauf hin, dass die Frage in dieser speziellen Form selten diskutiert wurde; die grundsätzliche Frage nach der Bewegung wurde dabei durchaus gestellt (und bejaht), vgl. etwa Summa Halensis II, 3, 2, 2, 2, 3 (278) [Ed. cit. II, 340]; ALBERTUS MAGNUS, II Sent. 14, 2, ad ob. 1.2 [Ed. Paris. 27, 260] und ausführlich in S. th. II, 11, 52, 2 [Ed. Paris. 32, 553–555]; RICHARD VON MEDIAVILLA, II Sent. 14, 1, 2, in: Super quatuor libros Sententiarum quaestiones subtilissimae, 4 Bde., Frankfurt am Main 1963 (unv. Nachdruck der Ausg. Brixen 1591), hier Bd. 2, 168f. Richard und vor allem Albert kommen dabei der Fragestellung des Doctor seraphicus am nächsten. PETRUS VON TARENTAISE, II Sent. 14, 3, qc. 2 [Ed. cit. II, 116f.] und THOMAS VON AQUIN, II Sent. 14, 1, 1 & 4 [Ed. cit. II, 346– 349 & 354–356] berühren die Frage nur beiläufig. II Sent. 14, 2, 1, 3, sc. 4 [II, 355b]. Vgl. ebd., arg. 1 [II, 354]: caelum, quod universaliter caret stellis, est uniforme, und ebenso sc. 1 [II, 355]: sed uniforme corpus non est, nisi quod caret omni luminari. Vgl. De caelo et mundo II, 2, 5 [Ed. Colon. V.1, 136, Z. 58–70]: Et dico, quod corpus primum et secundum et forte tertium est omnino uniforme in figura, sed primum uniforme est etiam in diaphanitate et simplicitate. Quam uniformitatem caelum stellatum non retinuit, licet in toto sit rotundarum superficierum … tamen non est retinens uniformitatem diaphanitatis et eiusdem simplicitatis in omnibus partibus; propter quod quiddam eius est stellatum et quiddam non et quiddam coloratum lacteum et quiddam non et stellarum alia est rubens ignei coloris et alia pallens et alia umbrosa quasi nubea, sicut apparet ad visum. Vgl. II Sent. 14, 2, 1, 3, arg. 1–3 [II, 354f.].

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les, dessen Kosmologie vorsah, dass die Bewegung der Sphären in der Bewegung der Sterne oder Planeten ihr Ziel hat.143 Von daher erschien die Annahme einer bewegten und sternlosen Sphäre widersprüchlich. Die zweite Schwierigkeit ergab sich aus der Analyse des Bewegungsbegriffs, denn Bewegung setzt ja eine Verschiedenheit des Zustandes vorher und nachher voraus. Man konnte also den Einwand erheben, dass die so verstandene Einförmigkeit schon vom Begriff her der Bewegbarkeit widerspricht, und außerdem wäre die kreisende Bewegung eines solchen idealen kugelförmigen Körpers überhaupt nicht feststellbar. Die Antwort des Doctor seraphicus auf diese zweite Schwierigkeit war leider nicht besonders stichhaltig,144 das erstgenannte Problem löste er, indem er den Kristallhimmel als das primum mobile etablierte, das durch seine Bewegung das Firmament und mittelbar auch alle anderen Sphären antreibt.145 Das brachte zugleich den Vorteil, dass die verschiedenförmigen Bewegungen wie auch die verschiedenen Einflüsse und Wirkungen der unteren Sphären auf ein einheitliches, gleichförmig (uniformis) bewegtes und bewegendes Prinzip zurückgeführt wurden.146 Die Bewegung, die dieses primum mobile ausführt, ist dabei nicht irgendeine Bewegung: Es dreht sich in 24 Stunden einmal um sich selbst und gibt dadurch nicht nur die Länge des natürlichen Tages vor, als völlig gleichmäßige ist sie auch das Richtmaß für alle anderen Bewegungen und stellt so gewissermaßen den Pulsschlag des Alls dar. In diesem Zusammenhang nannte der Franziskaner auch den astronomischen Grund, der zur Postulierung der neunten Sphäre geführt hatte: Beobachtet man den Himmel 143

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Vgl. Metaphysica XII (Λ), 8 [1074a 18f.], vgl. dazu etwa auch THOMAS VON AQUIN, In De caelo et mundo II, c. 12, lect. 19, 3 [Ed. Leonina III, 198a]: motus sphaerae non est nisi propter motum stellae. Die Lösung des Aquinaten ging in dieselbe Richtung wie bei Bonaventura: unde ille motus supremae sphaerae, quae caret stellis, ordinatur ad motum stellarum fixarum. Er verwies hier auf die diversitas secundum rationem dextrae et sinistrae per comparationem ad influentiam motoris (II Sent. 14, 2, 1, 3, ad 1.2 [II, 356]), – diese Verschiedenheit kommt aber ihrerseits nur durch die Bewegung der Sphäre (vgl. II Sent. 14, 1, 2, 2 [II, 344]) zustande, die Erklärung bewegt sich also im Kreis. Von dem Argument bleibt im Grunde genommen nur, dass doch eine (wie auch immer geartete) minimale diversitas in der Sphäre vorhanden sein muss, damit Bewegung möglich ist. II Sent. 14, 2, 1, 3, resp. [II, 356b]: caelum aqueum, quod est mobile primum, et quod uniformiter movetur ab oriente in oriens per occidens; et illius virtute trahitur firmamentum et omnes orbes inferiores, ut uno die naturali, scilicet per spatium viginti quatuor horarum, ab oriente in oriens revolvatur, quamvis nostro sensui non appareat … Der „natürliche Tag“ ist dabei der siderische Tag von 23 h 56 min, (also die Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Meridiandurchgängen eines beliebigen Fixsternes). – Auch Albert der Große verband mit der neunten Sphäre als primum mobile, die tägliche Umdrehung des Fixsternhimmels (II Sent. 14, 2, qc. 2 [Ed. Paris. 27, 259f.]). Vgl. II Sent. 14, 2, 1, 3, sc. 1 & 4 [II, 355], auch die im Responsum vorgebrachte Argumentation, die über die diversitas formarum der drei Himmel geht [II, 356b], schloss von dem ausgeübten Einfluss der Sphäre auf deren Beweglichkeit (crystallinum sive aqueum, quod quidem facit ad conservationem rerum corruptibilium, et ideo est habile ad motum), ähnlich ad 3 [II, 357]: Ad illud quod obiicitur, quod aequaliter influit, cum movetur et quiescit; dicendum, quod falsum est. Si enim quiesceret, non moveret orbes inferiores suo motu.

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über längere Zeit, so stellt man fest, dass die Sterne nicht nur eine von der täglichen Drehung der Erde um ihre eigene Achse verursachte Bewegung aufweisen, hinzu kommt (in moderner Diktion), dass die Erdachse in Bezug auf den stellaren Hintergrund nicht fest steht, sondern selbst eine Kreiselbewegung um die Achse der Ekliptik beschreibt (die Präzession). Diese langsame Rotation der Erdachse – für einen vollen Kreis werden etwa 25.800 Jahre benötigt, und die Astronomen haben dieser Periode den treffenden Namen „Platonisches Jahr“ gegeben147 – zeigt sich unter anderem darin, dass sich sowohl der Himmelspol (das scheinbare Zentrum der täglichen Drehung der Gestirne) als auch der Frühlingspunkt (der Schnittpunkt von Himmelsäquator und Ekliptik) im Laufe der Jahre verschieben.148 Im geozentrischen Modell führte man die so resultierende Gesamtbewegung der Fixsterne auf die Bewegung zweier konzentrischer Sphären zurück, von denen die eine knapp 24 Stunden für eine volle Drehung benötigt (hier: die neunte Sphäre des caelum crystallinum), die andere die besagten 25.800 Jahre (hier: die achte Sphäre, das firmamentum oder caelum stellatum); das entspricht dabei ungefähr dem von Bonaventura genannten Vorrücken um 1° in 100 Jahren.149 Als primum mobile kommt dem caelum crystallinum in der betrachteten Quaestio eine herausragende Bedeutung zu; allerdings bemerkt man auch, dass diese Bedeutung an anderen Stellen wieder zurückgenommen wurde, etwa wenn bei der Zeitdefinition Bonaventuras doch wieder die achte Sphäre als Regulativ und Maßstab fungierte.150 – Ein kurzer Seitenblick auf die entsprechenden Vorstellungen bei Thomas von Aquin hilft bei der Beurteilung dieses Schwankens. Auch Thomas bestimmte das caelum crystallinum als den zweiten Himmel, der uniforme et mobile ist,151 der aus der quinta essentia besteht und der sich besonders durch seine Durchsichtigkeit auszeichnet.152 Was 147

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In Erinnerung an das „vollkommene Jahr“ in Platons Timaios 11 [39d], nach dessen Ablauf alle Planeten ihre Umläufe gleichzeitig wieder vollenden und so der Kreis desselben von neuem beginnt. So lag vor etwa 5.000 Jahren der Himmelspol nicht im Sternbild kleiner Bär, sondern im Sternbild Drache. Die Entdeckung dieser Bewegung dürfte auf Hipparch zurückgehen. Für elementare Informationen vgl. etwa Karl SCHAIFERS / Gerhard TRAVIN, Meyers Handbuch Weltall, Mannheim u. a. 6 1984, 68–70. Denselben Wert hat bereits JOHANNES VON SACROBOSCO, Tractatus de sphaera 1 [Ed. cit., 79, Z. 17f.], ebenso ALBERTUS MAGNUS, II Sent. 14, 2, qc. 2 [Ed. Paris. 27, 260a]; vgl. auch THOMAS VON AQUIN, In De caelo et mundo II, c. 12, lect. 17, 7 [Ed. Leonina III, 189a], dieser gab allerdings das Platonische Jahr zu 36.000 Jahren an. Vgl. etwa die Aussage von II Sent. 14, 2, 1, 3, ad 4 [II, 357] mit den Zeitdefinitionen ab S. 165. II Sent. 14, 1, 4, resp. [Ed. cit. II, 355]. Ebd. und II Sent. 14, 1, 1, resp. [347]: … non quidem de natura hujus aquae quae apud nos est, sed de natura quintae essentiae, habentes similitudinem cum hac aqua … Haec autem similitudo non potest attendi nisi secundum lucidum et diaphanum … Et ideo sicut caelum empyreum dicitur quod est simile igni in hoc quod est lucidum totum; ita etiam caelum chrystallinum vel aqueum dicitur, inquantum convenit cum aqua in hoc quod est diaphanum, sive quod sit aliqua pars ejus lucens (sicut est in caelo sidereo, cujus quaedam partes lucent, scilicet stellae) et aliqua pars diaphana; vgl. auch S. th. I, 68, 4, resp. [Ed. Leonina V, 173]. Die himmlischen Wasser liegen dabei

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aber die Bewegung des Kristallhimmels betrifft, so äußerte er sich – ähnlich wie Bonaventura – nicht eindeutig: Im Sentenzenkommentar wies er ihm die langsame Präzessionsbewegung zu, wobei er die tägliche Umdrehung auf eine nicht weiter spezifizierte zehnte Sphäre zurückführte,153 nach der Summa dagegen dreht sich der Kristallhimmel als primum mobile in einem Tag um sich selbst.154 – Man mag daran erkennen, dass die Theoriebildung hinsichtlich der neunten Sphäre noch deutlich im Fluss war: Eine allgemein geteilte Vorstellung, wie sie sich bewegte, existierte noch nicht. Die Äußerungen bei Thomas und Bonaventura gaben kein gesichertes Wissen wieder, sondern hatten eher den Rang von Vermutungen oder Hypothesen. Von daher wird verständlich, wenn der Doctor seraphicus sich in der Frage nach der Identifikation von Kristallhimmel und primum mobile – darauf läuft die Frage ja letztlich hinaus – nicht ganz konsequent verhielt: Er zögerte einfach, einem eher hypothetischen Konstrukt155 jene Bedeutung zuzugestehen, wie sie das primum mobile im damaligen Weltbild hatte.156 Erschwerend kam hinzu, dass sich die genannte Gleichsetzung nicht nur gegen die ältere Tradition – allen voran Aristoteles mit seinem Acht-Sphären-Modell –,157 sondern auch gegen den Augenschein durchsetzen musste: Wenn man aus den Ausführungen bei Bonaventura und Thomas eine gemeinsame Tendenz ausmachen kann, dann die, die Bewegung des primum mobile mit der Grundbewegung der täglichen Umdrehung zu verbinden (was sicherlich mit der Vorstellung zeitgenössischer Astronomen übereinstimmte). Für den nicht allzu kritischen Augenschein ist diese aber nichts anderes als die Bewegung des Sternenhimmels, sprich der achten Sphäre, denn zum einen ist die Präzessionsbewe-

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nach De potentia 4, 1, ad 5 [Ed. cit. VIII, 522–526] und S. th. I, 68, 2, ad 2 [Ed. Leonina V, 171] in fester Form vor. – Über den Einfluss der corpora caelestia auf die corpora inferiora äußerte sich Thomas nur allgemein in II Sent. 15, 1, 2 [Ed. cit. II, 370–373], ein wenig mehr erfährt man in S. th. I, 68, 2, ad 3 [Ed. Leonina V, 171]. Vgl. II Sent. 14, 1, 1, resp. [Ed. cit. II, 348]: Hoc autem caelum aqueum est nona sphaera, ad quam primo reducunt astrologi motum orbis signorum communem omnibus stellis, qui est de occidente in orientem; et iterum sphaeram decimam, ad quam reducunt motum diurnum, qui est de oriente in occidentem. – Nach GRANT, Planets, Stars and Orbs, 371 war das System mit zehn beweglichen Sphären das insgesamt am weitesten verbreitete – das Empyreum kommt in diesem Fall als elfte unbewegliche Sphäre hinzu (das entspricht dann genau den Verhältnissen von Abbildung 1, S. 37, aus Apians Cosmographia). S. th. I, 68, 2, ad 3 [Ed. Leonina V, 171]: … aquae sunt supra firmamentum, idest caelum totum diaphanum absque stellis. Quod quidam ponunt primum mobile, quod revolvit totum caelum motu diurno. Der Text von In Metaph. XII, 9, 2558 (6), in: S. Tommaso d’Aquino, Commento alla Metafisica di Aristotele, e testo integrale di Aristotele, trad. a cura di Lorenzo Perotto, 3 Bde., Bologna 2005, hier Bd. 3, 662 und ebenso von In De caelo et mundo II, c. 12, lect. 17, 7 [Ed. Leonina III, 188f.] bot schließlich eine mit Bonaventura völlig übereinstimmende Lösung an. Vgl. dazu noch einmal oben S. 44 mit Anm. 118. Sehr sprechend für dieses Zögern ist hier die Formulierung von II Sent. 14, 2, 1, 3, resp. [II, 356a]: … et illud [scil. caelum crystallinum] proprie dicendum est primum mobile. Mit dem „eigentlich“ (proprie) bejahte er die gezogene Konsequenz und offenbarte zugleich seine Vorbehalte. Bonaventura räumte in II Sent. 14, 2, 1, 3, resp. [II, 356b] denn auch ein: … [ut] aliqui philosophi hoc senserint, quod firmamentum sit mobile primum.

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gung ja so langsam, dass sie nur durch lange (mit damaligen Messmethoden über Generationen gehende) Beobachtungsreihen nachgewiesen werden kann, und zum anderen ist der Hintergrund, vor dem diese Bewegung stattfindet, – nämlich die sternlose neunte Sphäre – unsichtbar.158 Von daher liegt es nahe, wenn Bonaventura gelegentlich dort, wo er vom primum mobile sprach und damit eigentlich die neunte Sphäre meinen sollte, tatsächlich – sozusagen in erster Näherung – die achte Sphäre der Fixsterne meinte; die unmittelbare Wahrnehmbarkeit von deren Bewegung siegte hier gewissermaßen über die minimale Irregularität (d. h., dass sie keine vollkommene Kreisbewegung besitzt, sondern ihre Bewegung eine Überlagerung von zwei Kreisbewegungen ist). 2.2.1.3

Das Empyreum

Mit dem primum mobile war der mittelalterliche Kosmos noch nicht an sein Ende gelangt, dahinter befand sich noch eine letzte alles umfassende, unbewegliche Sphäre, das Empyreum.159 Im 13. Jahrhundert und weit darüber hinaus war die Existenz dieses Himmels allgemein anerkannt, ernsthafte Zweifel daran wurden erst im 17. Jahrhundert geäußert, als das aristotelisch-ptolemäische Weltbild bereits insgesamt erschüttert war.160 Der Begriff geht dabei auf die griechische Naturphilosophie zurück, wo er jene 158

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Vielleicht zur Verdeutlichung noch einmal anders gesagt: Ein gemeinsamer Grundgedanke der verschiedenen geozentrischen Modelle ist der, dass die Bewegung der äußersten Schale, d. h. des primum mobile, sich auf die inneren Sphären überträgt (heliozentrisch gedacht ist sie ja nichts anderes als die tägliche Umdrehung der Erde um ihre eigene Achse). Bei der Bewegung einer inneren Sphäre ist damit zu unterscheiden zwischen der Eigenbewegung der Sphäre und ihrer Gesamtbewegung, die die Summe aus ihrer Eigenbewegung und der Bewegung der umgebenden Sphäre ist. Auf das Modell Bonaventuras angewandt bedeutet dies: Die von Erde aus beobachtete Bewegung der achten Sphäre ist die tägliche Umdrehung in 23 h 56 min (als von der neunten Sphäre übertragene Bewegung) plus der Eigenbewegung, d. h. der Präzessionsbewegung (die eine Periode von 25.800 Jahren hat). Da die Eigenbewegung so langsam ist, fällt dem unbedarften Beobachter nur die tägliche Umdrehung ins Auge. – Noch einmal anders gesagt geht es bei dem Zögern, den Kristallhimmel als primum mobile zu akzeptieren, um das Problem, dass in dem Modell der neun Sphären die Bewegung des primum mobile nicht mehr maxime notus (vgl. II Sent. 14, 2, 1, 3, arg. 4 [II, 355]) und maxime evidens (vgl. I Sent. 37, 2, dub. 3, resp. [I, 665]) ist, sondern nur mehr mittelbar wahrgenommen wird. II Sent. 14, 2, 1, 3, ad 4 [II, 357] versuchte eine Erklärung. Diese berief sich etwas holprig darauf, dass bereits die Bewegung der achten Sphäre nur mittelbar durch die Sonne und die anderen Lichter wahrgenommen wird. Für einen Überblick vgl. auch den Artikel von P. BERNARD, Ciel, in: Alfred Vacant u. a. (Hrsg.), Dictionnaire de théologie catholique, Bd. 2, Paris 1905, 2474–2511, besonders Abschnitt III («Spéculations scolastiques»), 2503–2511. Die Begriffsgeschichte stellen Marian KURDZIAŁEK / Gregor MAURACH, Empyreum, in: Joachim Ritter u. a. (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 2, Darmstadt 1972, 478–480 dar. Vgl. GRANT, Planets, Stars and Orbs, 371.376.378. – Um so erstaunlicher mag erscheinen, dass etwa ROBERT GROSSETESTE, Hexaëmeron I, 16–17 [ABMA 6, 72–77] bei der Behandlung des am ersten Tag geschaffenen Himmels diesem caelum primum zwar die wesentlichen Eigenschaften des Empyreum zuschrieb (oberhalb der sternlosen, neunten Sphäre, unbeweglich, Wohnort der Se-

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oberste Weltgegend bezeichnete, in der sich das nach oben strebende Feuerelement sammelte. Das christliche Konzept des Empyreum gewann seine Konturen dagegen im Wesentlichen erst im 12. Jahrhundert, beginnend mit der im Umkreis der Schule von Laon entstandenen Glossa ordinaria, die den am ersten Schöpfungstag gebildeten Himmel mit dem Namen Empyreum belegte, und ihn als einen geistigen, lichthaften und mit Engeln erfüllten Ort beschrieb.161 Die ausführliche Zitation dieser Stelle in den Sentenzen des Petrus Lombardus162 war dabei ein zusätzlicher Faktor für deren allgemeine Verbreitung. Zugleich wurde hier der systematische Rahmen vorgegeben, innerhalb dessen vom Empyreum zu sprechen ist: Es ist der Ort, in dem die Engel erschaffen wurden.163 Einen weiteren Bezugspunkt setzte die Magna Glossatura des Lombarden zu 2 Kor 12, 2, denn hier wurde der dritte Himmel, in den Paulus entrückt wurde, mit dem Empyreum identifiziert.164

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ligen, lichterfüllt …), den Namen selbst aber nicht verwendete, obwohl er ihn kannte, denn ebd. I, 16, 1 [ABMA 6, 73, Z. 1–4] zitierte er die Stelle aus der Glossa ordinaria zu Gen 1, 1. Glossa ordinaria zu Gen 1, 1 [PL 113, 68C]: Coelum non visibile firmamentum, sed empyreum, id est, igneum vel intellectuale, quod non ab ardore, sed a splendore dicitur, quod statim repletum est angelis. Gemäß der Glossa zu Dtn 10, 14 (siehe oben S. 45) wurde das Empyreum dann weiter mit dem biblischen caelum caeli und dem caelum angelorum in der Hrabanus zugeschriebenen Aufzählung verbunden. – Eine sehr eindringliche Beschreibung des obersten Himmels als coelum spirituale (das Wort „Empyreum“ fällt nicht) bot HONORIUS AUGUSTODUNENSIS, Imago mundi I, 146 [Ed. cit., 91f.]: Super quod est spiritale caelum, hominibus incognitum, ubi est habitatio angelorum … In hoc est paradysus paradysorum in quo recipiuntur animae sanctorum. Hoc est in caelum quod in principio legitur cum terra creatum; davon wird jedoch ebd. im Folgenden das caelum caeli noch einmal abgesetzt: Huic longe supereminere dicitur caelum caelorum, in quo habitat rex angelorum. Und in seinem Elucidarium III, 2, in: Yves Lefèvre, L’Elucidarium et les lucidaires. Contribution, par l’histoire d’un texte, à l’histoire des croyances religieuses en France au moyen âge, Paris 1954, 343–477, hier 443, erklärte er weiter: Non est locus corporalis, quia spiritus non habitant in locis [corporalibus], sed est spiritualis beatorum mansio quam aeterna sapientia perficit ab initio et est in intellectuali coelo, ubi ipsa Divinitas qualis est ab eis facie ad faciem contuetur. Sent. II, 2, 4 (10) [SpicBon 4, 340]. Sofern das Thema in den Summen und Sentenzen des 12. Jahrhunderts behandelt wurde, geschah es an dieser Stelle, vgl. etwa ROLAND VON BOLOGNA, Die Sentenzen Rolands nachmals Papstes Alexander III., hrsg. v. Ambrosius M. Gietl, Freiburg i. Br. 1891, hier 88, die die Schöpfung der Engel in und zugleich mit dem Empyreum beschrieben, ferner ALAIN VON LILLE, Summa «Quoniam homines» II, 1 (132), ed. Palémon Glorieux, in: Archives d’histoire doctrinale et littéraire du moyen âge 28 (1953) 112–364, hier 271f., wo das Empyreum wegen seiner Nähe zu Gott, seiner subtilitas und seiner splendiditas als excellentior locus und deswegen den Engeln angemessen beschrieben wurde, schließlich die vielleicht von ODO VON LUCCA, dem Lehrer des Lombarden, stammende Summa sententiarum 2, 1 [PL 176, 81C], die sich allerdings im Wesentlichen auf die Zitation Bedas beschränkte. Siehe PL 192, 80AB: … usque ad tertium coelum, scilicet empyreum, quod statim factum angelis sanctis fuit repletum. … Tertium coelum spirituale, ubi angeli et sanctae animae fruuntur Dei contemplatione. – Auch das biblische Wort in Dtn 10, 14 (und anderen Stellen) vom caelum caeli wurde auf das Empyreum gedeutet.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Die Mosaiksteine, aus denen im 12. Jahrhundert das Konzept des Empyreum gebildet wurde, findet man zunächst bei Augustinus, der in De civitate Dei X die Ansichten des Neuplatonikers Porphyrios und des Mittelplatonikers Apuleius referierte und dabei beiläufig auf die ätherischen oder empyreischen Räume (beides wurde nicht unterschieden) als Wohnung der Engel und Götter zu sprechen kam; dabei drückte er zugleich seine Zurückhaltung gegenüber diesen heidnischen Vorstellungen aus.165 Bei Augustinus fand sich auch die Verbindung zwischen den Engeln und dem am ersten Tag geschaffenen Himmel, indem er in Gen 1, 1 (In principio creavit Deus caelum et terram) das Wort caelum auf die geistige Kreatur, sprich die Engel, bezog.166 Eine dritte Linie, die unmittelbar zu der Vorstellung vom Empyreum hinführte, bildeten schließlich seine in Confessiones XII vorgetragenen Gedanken über den „Himmel der Himmel“ (caelum caeli), den er als einen unsichtbaren geistigen Himmel (caelum intellectuale) beschrieb, der dem Herrn gehört und wo die Freuden Gottes von den Bürgern seiner Stadt (Engeln und Seligen) geschaut werden.167 Wenig später stellte der heidnische Anwalt Martianus Capella in seinem enzyklopädischen Werk das Empyreum als eine jenseits dieser Welt liegende Sphäre der Glückseligkeit vor.168 Über dessen Kommentatoren (Johannes Sco165

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Vgl. Civ. X, 9 [CC.SL 47, 282, Z. 37–39]: Quamquam itaque discernat a daemonibus angelos, aeria loca esse daemonum, aetheria vel empyria disserens angelorum, und Civ. X, 27 [CC.SL 47, 301, Z. 4–10]: deos tamen caeli superiores ad aetheria spatia pertinentes, … ab omni labe istarum perturbationum quanta potuit disputatione secrevit! Tu autem hoc didicisti non a Platone, sed a Chaldaeis magistris, ut in aetherias vel empyrias mundi sublimitates et firmamenta caelestia extolleres vitia humana … Augustinus bezog sich dabei im ersten Text auf die nur fragmentarisch erhaltene Schrift des PORPHYRIOS, De regressu animae, im zweiten auf APULEIUS, De deo Socratis 3; vgl. den Kommentar in der Ausgabe Vom Gottesstaat (De civitate Dei), übertr. v. Wilhelm Thimme, eingel. u. komm. v. Carl Andresen, 2 Bde., München 1977.1978, hier Bd. 1, 613 (zu Seite 480) bzw. 618 (zu Seite 511). Z. B. in Civ. XI, 9 & 32 [CC.SL 48, 328–330.351f.] wird es als eine mögliche Interpretation angeboten, vgl. auch Conf. XII, 7, 7 [CC.SL 27, 219f.]. – Petrus Lombardus berichtete diese Anschauung in Sent. II, 2, 5 (11) [SpicBon 4, 341] (vgl. auch Sent. II, 2, 1 (7), 4 [SpicBon 4, 337]). Hier im Anschluss an Ps 115, 16 (113, 24); die Stellen bei Augustinus sind (v. a.) Conf. XII, 2, 2; 8, 8; 9, 9; 11, 12; 13, 16; 15, 20 [CC.SL 27, 217.220.221.222.223f.226]; ferner Civ. XI, 33 [CC.SL 48, 353, Z. 24]. Bedeutsam ist dabei weiter, dass Augustinus den „Himmel des Himmels“ (als weitere Auslegungsvariante) ebenfalls mit dem in principio, ante omnem diem geschaffenen Himmel aus Gen 1, 1 identifizierte (Conf. XII, 8, 8). Vgl. hierzu auch Aimé SOLIGNAC, Caelum caeli, in: Cornelius P. Mayer (Hrsg.), Augustinus-Lexikon, Bd. 1, Basel u. a. 1994, 702–704. KURT FLASCH, Was ist Zeit? Augustinus von Hippo. Das XI. Buch der Confessiones. Historisch-philosophische Studie, Frankfurt am Main 22004, 94–98 wies vor allem auf die Bestimmungen des caelum caeli als creatura intellectualis und als mens pura hin, die sowohl durch Pluralität als auch durch Singularität gekennzeichnet sind; ähnlich Ursula SCHULTE-KLÖCKER, Das Verhältnis von Ewigkeit und Zeit als Widerspiegelung der Beziehung zwischen Schöpfer und Schöpfung. Eine textbegleitende Interpretation der Bücher XI–XIII der „Confessiones“ des Augustinus (= Hereditas. Studien zur Alten Kirchengeschichte 18), Bonn 2000, 159–164. De nuptiis Philologiae et Mercurii II, 202, in: Werke, hrsg. v. Adolf Dick, add. Jean Préaux Stuttgart 21969 (Nachdruck d. Ausg. v. 1925), hier 76: [Ipsa quippe Philologia] tanti operis tantaeque

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tus Eriugena und Remigius von Auxerre) dürfte so der Begriff dem Mittelalter tradiert worden sein. Ein weiterer Beitrag kam schließlich von Beda Venerabilis im 8. Jahrhundert: Ohne das Wort „Empyreum“ zu verwenden, sprach er von dem am ersten Tag geschaffenen caelum superius, als einer ruhenden, von der Herrlichkeit Gottes erfüllten Sphäre, die dem Blick der Sterblichen entzogen ist.169 Angesichts dessen, dass Bonaventura bereits eine breite Tradition vorlag, die die Existenz und die Eigenschaften des Empyreum darlegte,170 mag es verwundern, dass er sich in diesen Fragen zwar bestimmt, aber doch nur sehr knapp äußerte:171 Das Empyre-

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rationis patrem deumque non sciens ab ipsa etiam deorum notitia secessisse, quoniam extramundanas beatitudines eum transcendisse cognoverat, empyrio quodam intellectuali mundo gaudentem … In Genesim I, i, 2 [CC.SL 118a, 4, Z. 37–46]: Ipsum enim est caelum superius, quod, ab omni huius mundi volubilis statum secretum, diuinae gloria presentiae manet semper quietum … Non ergo superius illud caelum, quod mortalium est omnium inaccessibile conspectibus, inane creatum est et uacuum ut terra …, quia nimirum suis incolis mox creatum, hoc est beatissimis angelorum agminibus, impletum est. – Der Text wird dann sowohl bei HRABANUS MAURUS, Comm. in Gen. I, 1 [PL 107, 445AB] als auch bei REMIGIUS VON AUXERRE, In Genesim 1, 1 [CC.CM 136, 5, Z. 57– 60] und in der Glossa ordinaria in Gen 1, 2 [PL 113, 69CD] zitiert. Ein kurzes (nicht besonders aussagekräftiges) Kapitel über den oberen Himmel findet man bei Beda auch in De natura rerum 7 [CC.SL 123a, 197f.]. – Die Rede vom caelum superius findet sich auch schon in den Recognitiones der Klementinen (406 n. Chr. von Rufin übersetzt), dort wird auf die Frage Tu quid esse putas super caelos? geantwortet: … unum quidem confiteri convenit deum qui vere est; caelos autem esse qui ab eo facti sunt, sicut et lex dicit, quorum unum caelum sit superius, quo continetur etiam istud visibile firmamentum; illud esse perpetuum et aeternum cum his qui habitant ibi, istud autem visibile in consummatione saeculi resolvendum esse et transire, ut illud caelum quod est antiquius et excelsius post iudicium sanctis et dignis apparet (Clementina recognitiones II, 68, 2f. [GCS 251, 91f.]). Für Bonaventura mag man an erster Stelle sowohl an Alberts Ausführungen in II Sent. 2, 3–6 [Ed. Paris. 27, 50–56] als auch an die Summa Halensis II, 2, 1, 1, 3, 1–3 (101–103) [Ed. cit. II, 126– 130] sowie II, 3, 2, 2, 1, 1, 1 (266–270) [Ed. cit. II, 327–331] denken. Zuvor (um 1232) hatte bereits der Bischof von Paris, Wilhelm von Auvergne, in De universo I, 1, 31–44 passim [Ed. cit. I, 625b–653b] in aller Ausführlichkeit über das Empyreum gehandelt. II Sent. 2, 2, 1, 1, resp. [II, 71]: Dicendum, quod quamvis Sancti parum loquantur de hoc caelo, quia latet nostros sensus, et philosophi adhuc minus, tamen ponere est caelum empyreum. Ähnlich zurückhaltend war II Sent. 14, 2, 1, 3, resp. [II, 356a]: … caelum empyreum, de quo etsi Augustinus vix aut nunquam loquatur, Beda et Rabanus ipsum expresse testantur. – Die Stellen auf die sich Bonaventura hier bezog, sind oben alle genannt, bei „Augustinus“ kann man vielleicht an die pseudoaugustinische Schrift De spiritu et anima 4 [PL 40, 782] (Et sicut mundus … quadam distinctione est ordinatus; terra scilicet, aqua, aere et aethre sive firmamento, ipsoque supremo coelo, quod empyreum vocant) denken; sie wurde von Bonaventura auch in anderen Zusammenhängen zitiert (vgl. den Index in Opp. X, 269c). Auch Thomas begründete die Existenz des caelum empyreum mit der Autorität Bedas und der Glosse, er wies noch stärker als Bonaventura darauf hin, dass Augustinus in dieser Frage nicht als Gewährsmann gelten kann und bezog sich dabei ausdrücklich auf die Stellen in Conf. X (siehe S. 54 mit Anm. 165), vgl. S. th. I, 66, 3, resp. [Ed. Leonina V, 160]: Quod pro tanto dictum sit, ne aliquis opinetur Augustinum caelum empyreum posuisse sicut nunc ponitur a modernis. Zum Hintergrund vgl. Graziella FEDERICI VESCOVINI, Il «Luci-

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

um ist jener am ersten Tag geschaffene Himmel, von dem die ersten Worte der Heiligen Schrift berichten; zusammen mit den in ihm erschaffenen Engeln, der materia prima und der Zeit gehört es zu den vier erstgeschaffenen Dingen (primo creata).172 Die Eigenschaften des Empyreum leitete Bonaventura aus dem dreifachen Zweck ab, den es erfüllen sollte (ein anderer Weg steht angesichts dessen Verborgenheit nicht offen): Es ist um der Vollkommenheit des Universums willen, wegen der Bewegung des Firmaments und als Wohnung für die Seligen geschaffen.173 – Aus der perfectio universi leitete der Doctor seraphicus die bereits beschriebene, mit dem Kristallhimmel gemeinsame Einförmigkeit (uniformitas) ab. Aus kosmologischer Sicht ist dann vor allem der zweite Zweck, die Bewegung des Firmaments, interessant.174 Er bedeutet nicht, dass das Empyreum die Bewegung der unteren Sphären verursacht (die Aufgabe des primum movens ist ja bereits für die neunte Sphäre vergeben), es ist vielmehr so zu verstehen, dass es den Ort für die unteren Sphären und deren Bewegung darstellt. Dabei ist vorauszusetzen, dass „Ort“ im aristotelischen Sinn verstanden wird als das, worin sich etwas befindet.175 „An einem Ort“ zu sein, bedeutet demnach für einen Körper, in einem größe-

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dator dubitabilium astronomiae» di Pietro d’Abano. Opere scientifiche inedite. Pres. di Eugenio Garin, Padova 1988, 200f.; dort wird allerdings nicht geklärt, wer die genannten moderni sind. – Dass sich die Einschätzung der Bezeugung des Empyreum durch die Väter hier innerhalb kurzer Zeit geändert hat, zeigt etwa der Blick auf ALBERTUS MAGNUS, II Sent. 2, 3 [Ed. Paris. 27, 50–52], besonders arg. 3 [Ed. Paris. 27, 51a] (Item, Sancti dicunt expresse, et haec est ratio quare ponimus ipsum) und WILHELM VON AUVERGNE, De universo I, 1, 31 [Ed. cit. I, 626a E] (an sit aliud coelum supereminens … de quo soli sapientes Christianorum loquuntur). Ebd., c. 43 [Ed. cit. I, 645b D – 646a G] führt er eine Reihe von Gründen an, quia philosophos latuit esse coeli istius. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, sc. 2; 2, 1, 2, 1, sc. 1 & resp.; 2, 1, 2, 3, resp. [II, 55b.64ab.68a]. Das Wort von den quatuor primo creata wurde von Bonaventura abwechselnd der Glosse und Beda zugeschrieben, in dieser Prägnanz ist es aber weder da, noch dort zu finden; am ehesten kann man es aus PS.-BEDA, Expositio in primum librum Mosis 1 zu Gen 1, 1 [PL 91, 189D–192D] herauslesen. Bei THOMAS VON AQUIN, S. th. I, 66, 4, resp. [Ed. Leonina V, 161] wurde dieses Diktum als communis sententia angeführt (vgl. auch ebd. I, 46, 3, resp. [Ed. Leonina IV, 483]); vgl. so weit auch Vincenzo Cherubino BIGI, La dottrina della temporalità e del tempo in San Bonaventura, in: Antonianum 39 (1964) 437–488; 40 (1965) 96–151, hier 439, Anm. 1, sowie Alessandro GHISALBERTI, La concezione del tempo in San Bonaventura, in: Alfonso Pompei (Hrsg.), San Bonaventura maestro di vita Francescana e di sapienza cristiana. Atti del Congresso internazionale per il VII centenario di San Bonaventura da Bagnoregio, Tom. I, Roma 1976, 745–755, hier 747, Anm. 7. Die Schrift des ALBERTUS MAGNUS, De IV coaequaevis behandelte genau die vier genannten Dinge, wobei sie sich ebenfalls auf die Glossa bezog; siehe tr. 1, qu. 2, prooem. [Ed. Paris. 34, 319]: dicit enim Glossa super Genesim in principio, quatuor esse coaequaeva, scilicet materiam, tempus, coelum empyreum, et angelicam naturam. II Sent. 2, 2, 1, 1, resp. [II, 71]. Man bemerkt dabei eine kleine terminologische Ungenauigkeit, denn eigentlich sollte Bonaventura hier von dem Kristallhimmel als nochmals umgreifender und ebenfalls bewegter Sphäre sprechen. Die Begriffe Ort und Leere wurden von Aristoteles vor allem in Physica IV, 1–9 [208a 27 – 217b 28] abgehandelt. Zur Definition vgl. bes. c. 2 [209a 32] (τόπος ὁ µὲν κοινός, ἐν ᾧ ἅπαντα τὰ σώµατά ἐστιν); insofern wird er als Gefäß (ἀγγεῖον) und als Umfassendes (περιέχον) verstanden

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ren, umgreifenden Körper enthalten zu sein. Da sich insbesondere jede Bewegung an einem Ort abspielt – so Bonaventura unter Bezug auf Aristoteles, Physica V, 1 [225a 31] –, kann das Empyreum als letzter umgreifender, alles andere Geschaffene verortender Körper nur unbeweglich (immobile) sein.176 So sehr Bonaventura sich einerseits bemühte, die Abgeschiedenheit des Empyreum zu betonen,177 so sehr machte er es andererseits zu einem Teil dieser Welt:178 Es ist nicht ein jenseits der letzten Sphäre gelegener, rein geistig aufzufassender, transzendenter „Raum“, sondern es ist selbst die zehnte und letzte Sphäre, d. h., es ist ein Körper, wenn auch ein sehr edler und vollkommener, und es hat, indem es rund ist, eine körperliche Gestalt.179 Auch der oben bereits beschriebene Einfluss des Empyreum auf die niederen Körper entspricht dieser Vorstellung;180 die ihm zugeschriebene einerseits belebende und andererseits bewahrende Wirkung charakterisierte Bonaventura dabei näherhin als eine verborgene (occulta) und mittelbare (mediata), d. h., das Empyreum übt seinen Einfluss nur vermittels des Einflusses der anderen Himmel aus.181 Der Franziskaner ver-

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(c. 4 [212a 29]); zur Orientierung vgl. den Artikel „topos [phys.]“ in Christoph HORN / Christof RAPP (Hrsg.), Wörterbuch der antiken Philosophie, München 2002, 452f. Vgl. II Sent. 2, 2, 1, 1, resp. [II, 71f.] und besonders arg. 1 [II, 70]. Im Responsum stellte Bonaventura dabei fest, dass jede Kreisbewegung nicht nur einen, sondern zwei Fix-„punkte“ benötigt: das unbewegliche Zentrum, um das herum die Bewegung stattfindet, und den umgreifenden ruhenden Ort als notwendige Bezugsgröße (… ut motus mobilis fiat circa immobile, scilicet centrum, et intra continens immobile et locans, scilicet empyreum). Im Universum sind diese festen Punkte durch die Erde und das Empyreum gegeben. – Ähnliches fand sich bei ROBERT GROSSETESTE, Hexaëmeron I, 17, 1 [ABMA 6, 77, Z. 11f.]: … motus mundi duo habet fundamenta, quieta, que sint primum celum et infima terra. Vgl. II Sent. 2, 2, 1, 1, resp. [II, 71] (quia latet nostros sensus), und ebd., qu. 2, resp. [II, 74b]: regio illa et lux est a nobis remota et occulta, sicut et ipsa gloria, quam per gratiam exspectamus et amamus et credimus, licet non videamus. Er stand mit dieser Ansicht freilich nicht alleine da, sondern drückte damit nur die communis opinio aus; sehr deutlich brachte dies die Summa Halensis II, 3, 1, 2, 2 (253), arg. 3 [Ed. cit. II, 316b] zum Ausdruck, die im Argument ausdrücklich den Satz referierte: Caelum empyreum pars est mundi, prout mundus dicitur machina mundana. Zur Gestalt: II Sent. 2, 2, 1, 1 resp. [II, 71] (sine stellis sphaericae formae) & ad 3.4 [II, 72] (quia sphaericum); II Sent. 14, 1, 2, 1 [II, 341f.] behandelte die Gestalt aller Himmel, das Empyreum wurde insbesondere in ad 4 behandelt; arg. 5 nannte die Kugelgestalt die perfectissima omnium figurarum. – Zur Körperlichkeit: II Sent. 2, 2, 1, 2, resp. [II, 74b] (cum caelum empyreum sit primum creatum inter corpora, quod est maximum mole et virtute: omnia corpora locat per ambitum et continentiam), II Sent. 2, 2, 2, 1, resp. [II, 77a] (Deus fecit unum corpus nobilissimum, quod esset natum omnia ambire, et extra quod omnino nihil esset; et hoc est empyreum). – Als zehnte Sphäre wurde es sowohl in II Sent. 14, 2, 1, 3, resp. [II, 356a] als auch in Brev. II, 3 [V, 220f.] aufgeführt. Siehe oben S. 41. Vgl. II Sent. 2, 2, 1, 2, resp. und ad 1.2 [II, 74f.], und besonders ad 4 [II, 75]: virtus caeli inferioris et influentia adiuvatur per virtutem superioris, et virtus superioris operatur mediante virtute et influentia inferioris; ideo neutrum superfluit, sed ad haec inferiora conservanda et perficienda virtus utriusque concurrit.

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suchte dabei zu zeigen, dass der Einfluss des Empyreum zwar keine andere Wirkung besitzt als der der unteren Sphären, dass er aber dennoch als Unterstützung notwendig ist. Wenn er auf diese Weise die Notwendigkeit der Annahme dieser zehnten Sphäre zu erweisen suchte, so stellt dies gewissermaßen die andere Seite der Überzeugung von der Vollkommenheit des Universums dar, denn sie impliziert auch, dass Gott nichts Überflüssiges schafft. Insgesamt räumte Bonaventura der Frage der influentia einen relativ großen Raum ein, dies erklärt sich einerseits aus der Bedeutung, die er ihr beimaß, andererseits daraus, dass Bonaventura hier die Meinung einer Minderheit vertrat. Vergleichbare andere Darstellungen verwiesen auf die Unbeweglichkeit und die Abgeschiedenheit des obersten Himmels und wiesen damit jeden möglichen Einfluss zurück.182 Der dritte der obengenannten Zwecke des Empyreum bestand darin, der Ort für die Engel und die Wohnstatt der Seligen zu sein. Diese Bestimmung macht es zunächst zu einem geistigen Raum. Die großen Theologen des 13. Jahrhunderts – Bonaventura eingeschlossen – legten aber großen Wert darauf, den obersten Himmel auch als einen Körper und einen körperlichen Ort zu verstehen.183 Man kann darin die Gegenbewegung zu einer spiritualisierenden Tendenz sehen, die das Empyreum als einen rein geistigen Himmel aufgefasst wissen wollte und die sich im 12. Jahrhundert beispielsweise bei Honorius Augustodunensis zeigte.184 Die Verbindung zwischen der körperlichen und der 182

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Vgl. GRANT, Planets, Stars and Orbs, 378–382; um nur drei Beispiele herauszugreifen: (1) Die Summa Halensis II, 3, 2, 2, 1, 1, 1, 1 (266), sol. [Ed. cit. II, 328b]: caelum, quod dicitur empyreum, est, et propter aliquam causam. Causa vero illa non est ratione continuationis in generatione et corruptione vel continuationis in esse rerum corruptibilium, sed ut compleatur universum in genere corporum … (2) ALBERTUS MAGNUS, II Sent. 2, 5, sol. [Ed. Paris. 27, 54] erklärte: dicimus, quod decimum caelum non habet influentiam super nonum, quia in alio ordine positum est … (3) Thomas von Aquin hat seine Meinung in dieser Frage geändert, in II Sent. 2, 2, 3, resp. [Ed. cit. II, 77] lehnte er noch jeden Einfluss des Empyreum ab – dabei bezog er sich sehr erhellend auf Moses Maimonides: Unde dicit Rabbi Moyses, quod caelum in universo est sicut cor in animali, cujus motus si ad horam quiesceret, corporis vita finiretur. Unde cum caelum empyreum ponatur immobile, non potest rationabiliter poni influentiam super corpora habere. In S. th. I, 66, 3 (bes. ad 2) [Ed. Leonina V, 160f.] und in Quodlibet 6, 11 [Ed. Leonina XXV, 314–316] (wo er seine alte Meinung ausdrücklich widerruft), gestand er dann einen solchen Einfluss zu, eben weil das Empyreum ein Teil dieser Welt ist (ebd., resp. [Ed. Leonina XXV, 315, Z. 39–41]: si celum empyreum non influeret in corpora inferiora, celum empyreum non contineretur sub unitate universi). Vgl. GRANT, Planets, Stars and Orbs, 372f.; auch die Summa Halensis II, 3, 2, 2, 1, 1, 1, 2 (267), sc. d [Ed. cit. II, 329] fasste das Empyreum als corpus sphaeriformae auf. Thomas entschloss sich in II Sent. 2, 2, 1, resp. [Ed. cit. II, 71f.] einigermaßen zögernd, es als corpus zu bezeichnen, an anderen Stellen (z. B. S. th. I, 61, 4, resp. [Ed. Leonina V, 109]) nahm er es als selbstverständlich an. Über die Form des Empyreum hatte er sich im Sentenzenkommentar nicht ausgelassen, die Fragestellung von Quodlibet 6, 2, 2 [Ed. Leonina XXV, 297f.] (Utrum angeli possint esse in convexu caeli empyrei) legt aber nahe, dass auch er ihm eine sphärische Gestalt zuschrieb. Siehe S. 53, Anm. 161; die Spannung zwischen Geistigkeit und Körperlichkeit drückte sich etwa auch in der Glossa interlinearis zu Ps 136 (135), 5 aus; sie zitierte PETRUS LOMBARDUS, Comm. in Ps. 135, 5 [PL 191, 1196B]: Qui fecit caelos in intellectu, id est intelligibiles, scilicet empyreum: quod etsi sit corporeum, tamen tantae est tenuitatis ut a mortali videri non possit. ROBERT

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geistigen Dimension des Empyreum bestand darin, dass dessen körperliche Eigenschaften gerade die Verfassung seiner Bewohner widerspiegelten.185 Neben der durch die immobilitas gegebenen Ruhe (quies, tranquillitas) gehört dazu vor allem die ihm von alters her zugeschriebene Lichthaftigkeit, die sich mit dem Verständnis des Lichtes als forma nobilissima inter corporalia aufs Beste verbindet.186 Auf eine verbleibende Schwierigkeit dieses Konzepts hatte dabei insbesondere Alexander von Hales hingewiesen: Wieso sollten die Engel als geistige Substanzen an einen körperlichen Ort gebunden sein?187 Bonaventura nutzte diese Frage, um das Verhältnis von Ort und Verortetem (locus et locatum) näher zu bestimmen.188 Unter Bezug auf Aristoteles wollte er „Ort“ dabei auf eine dreifache Weise verstanden wissen: (1) als continens ut vas, (2) als mensurans ut quantitas und als (3) conservans ut natura.189 „Ort“ der Engel ist das Empyreum nur im ersten Sinn, ihr Maß und ihre Begrenzung dagegen empfangen sie von der Begrenztheit der eigenen Substanz und Kraft, während der „bewahrende Ort“ unmittelbar die Kraft Gottes ist. Zur Begründung verwies Bonaventura auf die Geschöpflichkeit der Engel, die Endlichkeit und damit die Bindung an ein hic et nunc bedeutet. Um diese Ordnung zu wahren, müssen auch die Engel in-

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GROSSETESTE, Hexaëmeron I, 16, 1 [ABMA 6, 73, Z. 18–20] verwendete später ebenfalls diese Erklärung. – Man mag weiter an die Auslegung von Ps 148, 4 in De ordine creaturarum (eines anonymen, schon früh Isidor von Sevilla zugeschriebenen Werkes) denken, wo der geistige Raum der Engel von dem körperlichen Bereich der Wasser über dem Himmel abgegrenzt wird. De ordine creaturarum 3, 3, in: Liber de ordine creaturarum. Un anónimo irlandés del siglo VII, ed. Manuel C. Diaz y Diaz (= Monografias de la Universidad de Santiago de Compostela 10), Salamanca 1972, hier 100: Unde ostenditur post illa spiritualia spatia, qualiacumque sunt, ubi spirituales de quibus diximus ordines conmorantur, quae caelorum caelos propheta nominat, ante hoc visibile caelum aquas illas, velut initium corporalium rerum esse constitutas. Vgl. II Sent. 2, 2, 1, 1, resp. [II, 72]: … ponendum est ipsum [scil. empyreum] luminositatis perfectae, ut habitatio congruat suo habitatori. Ebd., ad 3.4 [II, 72b]: et sicut influentia Dei movet firmamentum, sic quietat empyreum. – Ratio autem huius est, quia locus ille est regio deputata his qui omni modo in statu sunt et quiete. Ebenso II Sent. 6, dub. 2, resp. [II, 169]: … ex quadam congruitate caelum empyreum est Angelis sanctis locus conveniens et aptus, tum ex luce tum ex spatiositate, ita ut recte possit dici palatium, attestans claritati et tranquillitati et amplitudini caritatis. Vgl. II Sent. 13, 2, 2, resp. [II, 321], vgl. auch II Sent. 14, 2, 2, 2, ad 4 [II, 359]. Super Sent. II, 2, 20 [BFSMA 13, 21]; vgl. auch Summa Halensis II, 2, 1, 1, 3, 1 & 3 (101.103) [Ed. cit. II, 126f.129f.] mit den Titeln Si necesse fuit esse locum corporalem in quo crearentur angeli und Qua ratione dicatur caelum empyreum repletum angelis. In II Sent. 2, 2, 2, 1 [II, 75–77] – Man beachte dabei auch, dass Bonaventura im Gegensatz zu Thomas den Engeln zwar Materialität zugestand, dass diese aber nicht mit Körperlichkeit gleichzusetzen ist (siehe unten S. 260), von daher bietet sich also kein Ansatzpunkt, um die Frage zu lösen. Vgl. ebd. sowie I Sent. 37, 1, 1, 2, arg. 3 [I, 640] (dort wird als viertes terminans ut finis hinzugefügt), die genannten Eigenschaften des Ortes beziehen sich zurück auf ARISTOTELES, Physica IV, 4 passim [210b 32 – 212a 30].

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nerhalb des einen, alles umfassenden Körpers angesiedelt werden.190 Bonaventura zeigte hier sehr eindringlich die gegenseitige Zuordnung von körperlicher und geistiger Substanz: Während letztere von Gott die Vollkommenheit der Einfachheit (simplicitas) empfangen hat und deswegen in allem sein kann, besitzt erstere die Vollkommenheit alles zu enthalten, beides zusammen ergänzt sich zu der vollkommenen Ordnung des Universums, das so in endlicher Weise seinen Schöpfer widerspiegelt (der sowohl in allem ist, als auch alles umfängt). – Die Beziehung zwischen beiden drückt sich schließlich auch darin aus, dass sie am ersten Schöpfungstag zusammen erschaffen wurden. Der in den Worten von Gen 1, 1 mit „Himmel“ bezeichnete Raum des Empyreum wurde dabei von Anfang an als vollkommen und (deswegen) unveränderlich erschaffen; er steht so unter dem Maß der geschaffenen Ewigkeit (aeviternitas). Mit „Erde“ hingegen wird dort die erstgeschaffene Materie bezeichnet, aus der Gott im Folgenden alles Weitere bildete, und die als unvollendete und (deswegen) veränderliche von der Zeit (tempus) gemessen wird.191 Während das Empyreum als Ort der Engel hauptsächlich unter protologischen Aspekten betrachtet wird, besteht seine eschatologische Rolle vornehmlich darin, die Wohnstatt der Seligen zu sein.192 Die kosmologische Dimension der Eschatologie Bona190

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Vgl. auch II Sent. 2, 1, 2, 3, resp. [II, 68]: sed [angelica natura] ordinem existentiae non habuit nisi in aliquo continente: ergo simul factum est caelum empyreum supremum corporum, et ideo capacissimum. – In diesem Sinn konnte vom caelum empyreum gelten: est continentia visibilium et invisibilium (II Sent. 2, 2, dub. 2 [II, 85a]), wie Bonaventura (und viele andere) mit einem abgewandelten Zitat aus JOHANNES VON DAMASKUS, De fide orthodoxa II, 6 (20) [PTS 12, 50; PG 94, 880A] feststellte. Man kommt auf diese Weise wieder zu den quatuor primo creata, vgl. noch einmal II Sent. 2, 1, 2, 3, resp. [II, 68] sowie II Sent. 12, dub. 1 [II, 307ab]: quia caelum empyreum completum erat et immutabile et habebat mensurari aeviternitate cum suis contentis; materia vero illa incompleta erat et subiecta mutabilitati, tam ipsa, quam ea quae ex ipsa futura erant; et ideo debet mensurari tempore. – Die immutabilitas ist dabei zwar eine substantielle, aber keine totale, denn sonst stünde das Empyreum völlig außerhalb der Zeit. Auf den Einwand, dass das Empyreum extra tempus et locum stehe, antwortete Bonaventura in I Sent. 8, 1, 2, 2, ad 3 [I, 160f.]: … recipit variationem … ratione contenti. Potest enim aliquid continere, quod non continet, et aliquid non continere, quod continet. – Als geschöpfliche Wirklichkeit kann es auch nicht völlig unwandelbar (omnino immutabile) sein, denn es ist ja vom Nicht-Sein ins Sein getreten und kann prinzipiell auch wieder ins Nicht-Sein zurückfallen (vgl. II Sent. 8, 1, dub. 3, resp. [II, 224]). In einer am 13. Januar 1241 vom Bischof von Paris (Wilhelm von Auvergne) und dem Kanzler der Universität ausgesprochenen Verurteilung von zehn Thesen, wurde das Empyreum sogar lehramtlich als der Aufenthaltsort der verherrlichten Seelen und Körper bestimmt. Vgl. DENIFLE / CHATELAIN, Chartularium universitatis Parisiensis I, 170–172 (nr. 128). FEDERICI VESCOVINI, Il «Lucidator dubitabilium astronomiae», 200 wies allerdings darauf hin, dass die offizielle Verurteilung erst 1244 erfolgte. Bonaventura zitierte den gesamten Text in II Sent. 23, 2, 3 [II, 547], die vierte verurteilte Position lautete dabei: quod animae glorificatae non sunt in caelo empyreo cum Angelis, nec corpora glorificata erunt ibi, sed in caelo aqueo vel crystallino. Von einer entsprechenden Position (der Wasserhimmel als Aufenthaltsort der verherrlichten Seelen) berichtete Wilhelm von Auvergne auch in De universo I, 1, 43 [Ed. cit. I, 645a D – 645b A]; vgl. auch ebd. I, 1, 39 [Ed.

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venturas baut dabei auf den beiden Grundprämissen auf, dass das Ziel des gesamten Universums die Verherrlichung Gottes durch den Menschen ist und dass eine Entsprechung zwischen dem Menschen als dem Mikrokosmos und dem Universum als dem Makrokosmos besteht.193 Das bedeutet, dass mit der Vollendung des Menschen auch der gesamte Kosmos einen Vollendungszustand erreichen wird.194 Um des Menschen willen sollte so auch die körperliche Natur eine Art von Vergeltung (remuneratio) oder Lohn (praemiatio) empfangen.195 Dies geschieht allerdings nur durch eine tiefgreifende Umgestaltung, bei der die „Gestalt dieser Welt vergeht“ (1 Kor 7, 31) oder vielmehr in ihre vollendete Gestalt „hinübergeht“ (transit).196 Für den sublunaren Bereich, in dem alles aus den vier Elementen aufgebaut ist, bedeutet dies, dass das Jüngste Gericht von einem Feuer, dem „Weltenbrand“, begleitet wird, der die Grundfesten der Erde erschüttert und dabei sowohl eine reinigende Wirkung besitzt, als auch zur Erneuerung (innovatio) der

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cit. I, 634a E–H]. Ausgangspunkt dieser Position könnte AUGUSTINUS, Conf. XIII, 15, 18 [CC.SL 27, 251f.] gewesen sein, wo unter Bezug auf Ps 148, 4 die „Wasser über dem Firmament“ in enger Verbindung mit den Engelsscharen gesehen wurden; eine entsprechende Identifikation (Hoc firmamento discernit aquas superiores, id est populum angelorum …) findet man in der Glossa ordinaria [PL 113, 73B]. Die PL verwies weiter auf die anonyme Schrift De ordine creaturarum, doch dort fehlt gerade die genannte Gleichsetzung. Später (nach 1285) begegnet sie als allegorische Deutung bei Wilhelm DURANDUS VON MENDE D. Ä., Rationale divinorum officiorum VI, 81, 2 [CC.CM 140a, 400, Z. 43–46]: Opus secundi diei fuit firmamentum, quod dividit aquas superiores ab aquis inferioribus, hoc est firmamentum sacre Scripture, quod dividit aquas superiores, id est angelos … ab aquis inferioribus, id est hominibus … Für das Folgende vgl. auch Hinrich STOEVESANDT, Die letzten Dinge in der Theologie Bonaventuras (= Basler Studien zur historischen und systematischen Theologie 8), Zürich 1969, 156–167. Vgl. Brev. VII, 4 [V, 284b–285a]: quod, ut omnia sibi invicem congruant, et habitatio cum habitatore habeat harmoniam, homine bene instituto, debuit mundus iste in bono et quieto statu institui; homine labente, debuit etiam mundus iste deteriorari; homine perturbato, debuit perturbari; homine expurgato, debuit expurgari; homine innovato, debuit innovari; et homine consummato debuit quietari. Wenig später erklärte Bonaventura (ebd. [V, 285b]): mundus iste debet consummari, homine consummato. Ähnlich IV Sent. 48, 2, 1, arg. 4 [IV, 990]: habitatio debet congruere habitatori: ergo si homo, propter quem factus est mundus, est nobilior factus; ergo et totus mundus: ergo et corpora mundi nobilissima. Vgl. auch IV Sent. 43, 1, 3, arg. 3 [IV, 886]. Vgl. IV Sent. 48, 2, 1, resp. [IV, 990b]: Secundum hoc praemiatur homo … in se ipso, in corpore suo et etiam in ipso mundo, qui eius est habitaculum. Unde dico, quod corpora supercaelestia praemiari non est aliud, quam hominem praemiari in illis, quia Dominus totum mundum hominis amore faciet pulcriorem. – Vgl. auch den Schlusssatz von Brev. VII, 4 [V, 286]: et ideo in ipsius [scil. hominis] innovatione et glorificatione possunt dici omnia innovari et quaedam modo praemiari. Bonaventura bevorzugte hier das von Mt. 24, 35 und 2 Pt. 3, 10 vorgegebene „Hinübergehen“ (transire) vor dem „Vergehen“ (praeterire) aus 1 Cor. 7, 31; so in Brev. VII, 4 [V, 284b] und IV Sent. 48, 2, 3, ad 1 [IV, 993]; insbesondere für die Himmelskörper betonte er dabei non dicuntur perire, quia desinant, sed quia pulcriora efficiuntur et innovantur (IV Sent. 48, 2, 1, ad 1 [IV, 990]).

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Elemente führt.197 Die Himmelskörper waren dabei von dem Feuerbrand ausdrücklich ausgenommen,198 in diesem Bereich geschieht die Erneuerung vielmehr dadurch, dass einerseits ihr Leuchten vermehrt wird,199 andererseits ihre Bewegung zur Ruhe kommt.200 Das Empyreum schließlich als der oberste Himmel bleibt von der eschatologischen Dramatik völlig unberührt. Da es in ursprünglicher Vollkommenheit erschaffen ist, wird es „zu keinem besseren Zustand geführt, sondern besteht in seiner erhabenen Gestalt unverändert fort.“201 Nun stimmt diese Vorstellung des über allem in vollkommener Ruhe verbleibenden Empyreum sicherlich sehr gut mit dem status perfectus und der Ruhe der dort wohnenden Seligen zusammen, und doch entsteht dabei gewissermaßen als Seiteneffekt ein ganz besonderes Problem, denn im Grunde konterkariert Bonaventura damit sein eigenes Prinzip, dass die Erneuerung des Kosmos auf den Menschen ausgerichtet ist und um seinetwillen geschieht. Die Situation sieht ja tatsächlich so aus, dass der Teil des Kosmos der die innovatio erfährt, ja gar nicht mehr die Wohnstatt der Seligen ist, während umgekehrt die eigentliche Wohnstätte, das Empyreum, gar keine Erneuerung erfährt (und auch nicht erfahren kann), der Sinn der innovatio 197

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Vgl. IV Sent. 47, 2, 1–4; 48, 2, 1–4 [IV, 975–980.989–995] sowie Brev. VII, 4 [V, 284–286]. – Dabei geht es nicht um eine destructio totalis, sondern per actionem illius ignis … consummentur vegetabilia et animalia, purgabuntur et innovabuntur elementa … ut sic … fiat quodam modo innovatio et praemiatio corporum mundanorum (Brev. VII, 4 [V, 284b]). Wie oben (S. 37, Anm. 85) bereits gesagt, bedeutet die Erneuerung der Elemente dabei, dass ihre Substanz erhalten bleibt, aber sowohl ihre aktiven Qualitäten (die ratio agendi et se multiplicandi) wie auch ihre Vergänglichkeit (die ratio corruptionis) aufgehoben werden (IV Sent. 48, 2, 3, resp. [IV, 993b]); vgl. auch Brev. VII, 4 [V, 285b] sowie IV Sent. 47, 2, 3, resp. [IV, 979a]. IV Sent. 47, 2, 3, resp. [IV, 979a]: Dicendum, quod, ille ignis ascendet tantum, quantum durant corpora consumtibilia et passibilia; et quia « corpora caelestia non sunt receptibilia alienae impressionis», dico, quod quantum durat spatium continens elementa, ascendet flamma et ulterius non procedet. IV Sent. 48, 2, 1, resp. [IV, 990b]: [Corpora supercaelestia] praemiantur, secundum quam sunt consona corporibus gloriosis; haec autem est lux: et ideo in luce et splendore augebuntur et crescent. – Im himmlischen Bereich geschieht die innovatio also nicht auch durch Entfernung und Vernichtung (abiectio) des Unvollkommenen, sondern nur durch Hinzufügung und Verbesserung (additio et melioratio), vgl. IV Sent. 47, 2, 4, ad 3 [IV, 979]. Insbesondere werden Sonne und Mond dann an einem festen Ort stehen, vgl. hierzu IV Sent. 48, 2, 2, resp. [IV, 992]: Quoniam igitur motus corporum caelestium ordinatur ad complendum numerum electorum; et illum necesse est compleri: ideo et motum terminari, quamvis per naturam non habeat terminum intra de se. Vgl. auch II Sent. 2, 2, 1, 1, resp. [II, 72b] und Brev. IV, 4 [V, 284b]. Dahinter steht auch das (bereits für das Empyreum angewandte) Axiom nobilior dispositio est quies quam motus; quod patet in Deo (IV Sent. 48, 2, 2, arg. 3 [IV, 991]). II Sent. 2, 2, 1, 2, resp. [II, 74b]: nec melioratur, sed uniformiter in sua dignitate subsistit (Bonaventura referierte hier zwar eine fremde Meinung, doch in diesem Punkt der Argumentation dürfte er ihr zustimmen). Umgekehrt verfinstert sich das Empyreum während des Jüngsten Gerichtes auch nicht wie die anderen Himmelslichter (vgl. III Sent. 22, dub. 1 [III, 464]). – Ähnliches sagte ALBERTUS MAGNUS, II Sent. 2, 5, sol. [Ed. Paris. 27, 54]: Et haec est etiam causa (ut puto) quare non innovabitur in die judicii, … quia status ille non crescit nec emendatur, nisi forte in praemio accidentali, non substantiali.

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mag von daher nicht recht einleuchten. Bonaventura selbst hatte diese Schwierigkeit zwar durchaus erkannt, er bot aber nicht viel mehr als eine Verlegenheitslösung dazu an: Zur vollkommenen Herrlichkeit eines königlichen Palastes gehört eben auch eine schöne Küche, selbst wenn der König selbst sie nie betritt.202 – Das mit viel Akribie dargestellte kosmologische Szenario erweist sich so im Letzten als ein mehr oder weniger unbedeutender Nebenschauplatz des eschatologischen Geschehens. Stoevesandt kritisierte hier zu Recht dass Bonaventuras Eschatologie im Grunde „eher zu akosmistisch als zu kosmologisch“ ist.203 Das caelum empyreum ist nicht nur der Ort für die Engel, es ist auch die „Wohnstatt der Seligen“. Für Bonaventura bedeutete das, dass es bereits in dieser Zeit – das heißt seit Christus die Tore des Himmels geöffnet hat bis zum Jüngsten Gericht – die Seelen der Verstorbenen aufnimmt;204 freilich nicht aller Verstorbenen, sondern nur derer, die gemäß ihrer Verdienste (merita bona) würdig sind, an den Ort der Ruhe und des ewigen Lebens zu gelangen,205 der nichts anderes als das himmlische Paradies ist.206 In diesem Himmel befinden sich neben den Engeln und den Heiligen insbesondere Christus gemäß seiner menschlichen Natur und die Jungfrau Maria.207 Die Seligkeit, die dort genossen wird, besteht in der Schau (visio), der Liebe (dilectio) und dem Genuss (fruitio)

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IV Sent. 48, dub. 6, resp. [IV, 997b]: Sicut enim gloria est regi habere plurimas cameras in palatio et pulcram coquinam, quamvis non ingrediatur; sic electis erit gloria et honor, quod non solum aula paradisi et caelum empyreum sit pulcrum, sed etiam, quod caelum sidereum et antiquum habitaculum. STOEVESANDT, Die letzten Dinge, 166, Anm. 38. Vgl. IV Sent. 45, 1, 2, resp. [IV, 941f.] (Utrum animae post adventum Christi habeant receptacula sive loca determinata); ferner IV Sent. 21, 1, 3, 2 [IV, 557f.] (Utrum aliquis Sanctorum evolet in caelum ante iudicium); III Sent. 22, 1, 6 [III, 463f.] (Utrum Christus statim post mortem introduxerit animas liberatas in caelum). – Zum Jüngsten Gericht werden die Seelen dabei das Empyreum noch einmal verlassen, um ihren vollen Lohn, d. h. den verherrlichten Leib, zu erhalten (vgl. IV Sent. 45, 1, 3, resp. [IV, 942]). Vgl. II Sent. 14, 2, 1, 3, resp. [II, 356a]: … decimam sphaeram, in qua est quies et vita sempiterna, videlicet caelum empyreum. IV Sent. 45, 1, 2, resp. [IV, 941b]: … et sic est paradisus et locus caelestis. – Die mit Sünde belasteten Seelen werden entsprechend in der Hölle (infernum), im Limbus, im Schoß Abrahams oder im Reinigungsort (locus purgationis, purgatorium) aufgenommen. Letzteren hatte Bonaventura bereits ausführlich im Rahmen der Lehre von der Buße behandelt (IV Sent. 21, 1, 2–3 [IV, 550–558]). II Sent. 2, 2, dub. 2, resp. [II, 85b]: [Christus secundum humanam naturam] in empyreo ceteros excellit, tam Angelos quam homines, et loco et dignitate. Post ipsum credimus beatam Virginem super omnes alios; deinde ceteri ordinantur secundum dignitatem meritorum. – In typisch scholastischem Eifer machte er sich dabei im Folgenden auch Gedanken über die räumliche Anordnung der Heiligen im Empyreum (vgl. ähnlich auch II Sent. 14, 1, 2, 1, ad 4 [II, 342]). – Dass Christus in seiner menschlichen Natur im Empyreum weilt, findet man z. B. auch in der Summa Halensis II, 3, 2, 2, 1, 1, 1, 4 (269) [Ed. cit. II, 330a] oder bei VINZENZ VON BEAUVAIS, Speculum naturale III, 86 [Ed. cit. I, 219].

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Gottes.208 Dabei ist allerdings zu betonen, dass diese geistigen „Akte der Herrlichkeit“ nicht von dem Ort, an dem sich die Seligen befinden, abhängen,209 sondern es gilt vielmehr umgekehrt: Aufgrund ihrer Herrlichkeit befinden sie sich an einem diesem Zustand angemessenen Ort, und dies ist eben das Empyreum wegen seiner oben dargestellten Eigenschaften der Weite, der Ruhe, der Lichthaftigkeit.210 Gleich Dante Aligheri in seiner Divina commedia haben wir damit die körperlichen Himmel abgeschritten. Im Rahmen einer Darstellung der Kosmologie Bonaventuras könnte man es dabei sicherlich bewenden lassen, aber man hätte doch das Gefühl, dass dieser noch etwas fehlt. Allen bis hierher behandelten zehn Sphären war gemeinsam, dass sie auch als „Himmel“ bezeichnet werden konnten, und zwar (wie zu Anfang definiert) im Sinn einer durchsichtigen, umgreifenden und der Gegensätzlichkeit enthobenen Natur.211 Diese Definition geht von den physischen Eigenschaften der betrachteten Körper aus. Doch spätestens bei der Betrachtung des Empyreum sollte deutlich geworden sein, dass „Himmel“ auch eine über bloße Körperlichkeit hinausweisende Dimension besitzt: Das Verständnis des Empyreum als Ort der Seligkeit, schlägt die Brücke zu einem anderen, nicht mehr körperlichen Verständnis von Himmel, das darin zum Ausdruck kommt, dass Bonaventura mit der Tradition auch den dreieinigen Gott selbst als Himmel, als caelum Trinitatis bezeichnete.212 Was Honorius Augustodunensis bereits für das Empyreum reklamierte, nämlich ein geistiger Himmel (caelum spirituale) zu sein, das ist hier im Vollsinn erfüllt, denn Gott hat keinen Ort.213 Insofern ist durchaus 208 209

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Vgl. IV Sent. 49, 1, 1, 5, resp. [IV, 1009a]. Dies betonte insbesondere IV Sent. 45, 1, 3, resp. [IV, 942]: Rursus, poena dependet a loco, et gloria non, quia est a Deo, qui ubique est; sowie ebd., sc. 4 [IV, 942]: anima ubique potest aequaliter frui Deo: ergo si beatitudo est fruitio, potest beata anima ire quo vult. – Daran mag es auch liegen, dass Bonaventura die Bezeichnung des Empyreum als locus contemplationis kaum gebrauchte (nur II Sent. 2, 2, 2, 1, arg. 4 [II, 75]: locus maxime aptus contemplationi est empyreum); Thomas von Aquin verwendete diesen Ausdruck des Öfteren (I Sent. 37; 3, 2, arg. 3 & ad 3 [Ed. cit. I, 873. 875]; II Sent. 2, 2, 1, arg. 2 & ad 2 [Ed. cit. II, 70.72]; S. th. I, 66, 3, arg. 3 & ad 3 [Ed. Leonina V, 160.161]), allerdings nie ohne seinerseits darauf hinzuweisen, dass diese Sprechweise nicht im Sinn einer notwendigen Verbindung, sondern nur per congruentiam so verstanden werden darf (wie man die Kirche den Ort des Gebetes nennen kann). Vgl. S. 59, insbesondere Anm. 185 (Schluss). Siehe oben S. 38 mit Anm. 86. Vgl. II Sent. 2, 2, dub. 2, resp. [II, 85a]: Et quia haec triplex proprietas reperitur in celsitudine divinitatis, ideo ipsa dicitur caelum. Weiter hinten [II, 86b] wird die auch an anderer Stelle (siehe oben S. 45 mit Anm. 127) verwendete, Beda zugeschriebene Aufzählung von sieben Himmeln angeführt, die mit dem caelum Trinitatis endete; Ähnliches findet man in III Sent. 22, dub. 4 [III, 465]. – ALBERTUS MAGNUS, II Sent. 2, 7f. [Ed. Paris. 27, 56–58] widmete der Frage nach dem caelum Trinitatis sogar zwei eigene Quaestionen. Er betonte darin unter anderem, dass zwar Gott und caelum Trinitatis real identisch sind, dass hier aber eine je andere Bezeichnungsweise (modus significandi) vorliegt (ebd., a. 8, ad 1 [Ed. Paris. 27, 58]). II Sent. 2, 2, dub. 2 [II, 85f.] bezeichnete den Himmel der Dreifaltigkeit mehrmals als caelum spirituale, und in I Sent. 37, 2, 1, 1–3 [I, 652–656] wurde gezeigt, dass Gott keinen Ort hat (obwohl er in gewisser Weise an einem Ort sein kann).

Texte und Kontexte

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ernst zu nehmen, dass hier in einem anderen, weiteren Sinn von Himmel gesprochen wird,214 genauso wie umgekehrt Gott in seiner Gottheit auch nicht eigentlich in dem weiten, aber doch endlichen Raum des Empyreum wohnt.215 Bonaventura beabsichtigte mit dieser Redeweise also keineswegs, die Transzendenz Gottes aufzuheben.216 Was für ihn die Bezeichnung „Himmel“ schließlich doch rechtfertigt, ist eine gewisse Analogie zu den Eigenschaften des Empyreum, ein umgreifender, abgeschiedener und ruhiger (contentivum, secretum et quietum) Raum zu sein:217 Auf Gott treffen diese Aussagen in eminenter Weise zu, denn er ist ampla immensitate virtutis, secreta profunditate cognitionis, quieta tranquillitate delectationis.218 Man geht hier sicher nicht fehl, darin zunächst die Abwandlung der von Bonaventura gern gebrauchten Appropriationenreihe potentia, sapientia, bonitas zu erkennen.219 Doch es geht nicht nur um eine Beschreibung, wie Gott in sich ist, diese Eigenschaften weisen des weiteren darauf hin, dass Gott selbst (und nur er) der Ort der Seligkeit für den Menschen ist.220 Insbesondere die erste Eigenschaft des Umfassens (contentivus) – die außerdem den beiden Definitionen von „Himmel“ gemeinsam ist – weist dabei auf Gott als die letzte, alles umgreifende Realität hin, so dass „Himmel“ in diesem besonderen Verständnis letztlich nichts ande-

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In diesem Sinn heißt es II Sent. 2, 2, dub. 2, resp. [II, 85a]: caelum est nomen impositum corpori secundum suam primam impositionem. – Thomas von Aquin wies noch deutlicher als Bonaventura darauf hin, dass hier nur metaphorisch von „Himmel“ gesprochen werden kann (II Sent. 14, 1, 4, ad 1 [Ed. cit. II, 356]: caelum sanctae Trinitatis nominatur metaphorice ipsa celsitudo divinae Majestatis, et transumptiva similitudine). Nur bei einem endlichen Raum ist es z. B. sinnvoll, von Höhe zu sprechen (II Sent. 2, 2, dub. 2, resp. [II, 85b]). Insofern würde Bonaventura auch der Darstellung aus Apians Cosmographia (Abbildung 1, S. 37), in der der Raum jenseits der zehnten Sphäre mit caelum empireum, habitaculum Dei et omnium electorum bezeichnet ist, nicht ohne weiteres zustimmen. Ausgangspunkt der Frage in III Sent. 22, dub. 4 [III, 465] war gerade, was unter jenem Himmel zu verstehen sei, in den keiner hinaufstieg, außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist (vgl. Joh 3, 13), entsprechend wurde der Versuch Luzifers, in diesen Himmel hinaufzusteigen (Jes 14, 12f., vgl. auch den Anfang von II Sent. 2, 2, dub. 2 [II, 85a]), verstanden als die Anmaßung, Gott gleich sein zu wollen. Anders gesagt gilt mit II Sent. 2, 2, dub. 2, resp. [II, 85b]: In hoc autem caelo sunt solum tres personae, scilicet Pater et Filius et Spiritus sanctus … Omnia autem creata, sive corporalia sive spiritualia, intra empyreum sunt. Auch ALBERTUS MAGNUS, II Sent. 2, 7, sol. [Ed. Paris. 27, 57], verwies auf die entsprechenden Eigenschaften des Himmels: celsitudo (loci et dignitatis), continentia sowie quies et delectatio. II Sent. 2, 2, dub. 2, resp. [II, 85ab]. Vgl. nur etwa Brev. I, 6; II, 2.10; III, 11; IV, 1 [V, 215b.220a.228ab.240a.241a] oder Itin. I, 10– 14; III, 6 [V, 298f.305b]; in Brev. I, 6 [V, 215a] tritt auch die ähnliche Reihe omnipotentia, omniscientia, benevolentia auf. So wie Gott auch der „Ort“ der Engel genannt werden konnte (II Sent. 2, 2, 2, 1, ad 2 [II, 77]: Quod obiicitur, quod locus Angeli et animae Deus est; dicendum quod intelligit de loco conservante …). Hierin mag man schließlich auch den letzten Grund erkennen, warum das Empyreum nur „beiläufig“ (per congruitatem) mit der Seligkeit verbunden wurde: Gott allein ist der eigentliche Ort der Seligkeit.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

res bedeutet als „das Woher der Schöpfungsoffenbarung Gottes und das Woraufhin der Vollendung des Universums“.221 Versucht man das zur Kosmologie Bonaventuras Gesagte noch einmal kurz zusammenzufassen, so wird man auf folgende Kernpunkte hinweisen: Das Grundmodell, von dem der Doctor seraphicus ausgeht, ist die aristotelische Kosmologie mit ihren Leitgedanken des Aufbaus der Welt in konzentrischen Sphären und der strikten Trennung des sub- und supralunaren Bereichs. Die Erweiterungen und Modifikationen, die Bonaventura daran vornahm, sollten der Offenbarung Rechnung tragen, deren Verständnis das eigentliche Ziel Bonaventuras war (das aristotelische Weltbild hat in diesem Sinn nur den Rang eines Mittels zum Zweck). Dies gilt für das Firmament, das er sich (wegen Gen 1, 14) als einen einzigen zusammenhängenden Körper vorstellte, in dem sich die sieben Planetensphären befinden; es gilt für das caelum crystallinum, das zur Erklärung der Wasser oberhalb des Himmelsgewölbes (Gen 1, 7) eingeführt worden war und das als sternlose, unsichtbare Sphäre die Rolle des primum mobile innehat und für die tägliche Drehung des gestirnten Himmels verantwortlich ist. Und es gilt in besonderem Maße für das caelum empyreum, das als äußerste, aber immer noch körperlich vorgestellte Sphäre, die gesamte sichtbare und unsichtbare Schöpfung umfasst. Als abgeschiedener, ganz lichterfüllter Raum ist es der Ort für die Engel und das himmlische Paradies, in dem die Seligen wohnen. Das von dem Doctor seraphicus gezeichnete Bild des Universums hat dabei keine revolutionären Züge, zu weiten Teilen sind es dieselben Vorstellungen, die Albert der Große zuvor bereits in seinem Sentenzenkommentar vorgetragen hatte und die wenig später auch Thomas von Aquin übernehmen sollte. Der einzig nennenswerte Punkt, in dem Bonaventura sich von Albert entfernte, war die Frage nach dem Einfluss (influentia) des Empyreum auf den irdischen Bereich: Während Albert jeglichen Einfluss leugnete, gestand ihm der Franziskaner eine verborgene und mittelbare Einwirkung zu. Das strikt hierarchisch geordnete Universum weist dabei in seinen verschiedenen „Bereichen“ einen je unterschiedlichen Bezug zur Zeitlichkeit auf: angefangen bei der vollständig der Zeit enthobenen, einzig im strengen Sinn ewig zu nennenden Dreifaltigkeit, dem caelum Trinitatis, über das von der aeviternitas gemessene, unbewegliche, von der innovatio am Ende der Zeiten ausgenommene Empyreum und die bewegten, aber unvergänglichen neun unteren Sphären bis hinunter schließlich zum irdischen Bereich des Werdens und Vergehens, der ganz unter dem Maß der Zeit steht. Wenn man will, kann man in diesem abgestuften Modell der Zeitlichkeit die Variation und Verfeinerung eines aristotelischen Gedankens erkennen,222 um so wichtiger erscheint es also, den Zusammenhang von bonaventurianischem und aristotelischem Denken zuvor noch aus einer allgemeineren Perspektive zu betrachten. 221 222

Nikolaus WICKI, Himmel, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München 1991, 22f., hier 23. Vgl. unten ab S. 107 zur Stufenontologie des Stagiriten.

Texte und Kontexte

2.2.2

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Aristotelesrezeption und Aristotelismus im 13. Jahrhundert

Die Wiederentdeckung des Corpus Aristotelicum in seiner Gesamtheit ist für die westeuropäische Wissenschaftsgeschichte des 13. Jahrhundertssicherlich einer der bedeutendsten Einflussfaktoren. Im Folgenden soll es darum gehen, einige grundlegende Stationen dieses Prozesses nachzuzeichnen und deren Bedeutung für das Denken Bonaventuras aufzuzeigen. 2.2.2.1

Aristotelesübersetzungen und -kommentare

Im 12. und 13. Jahrhundert entstanden schrittweise lateinische Übersetzungen der einzelnen Werke des Aristoteles. Diese Übersetzungstätigkeit bildet vielleicht die beste Handhabe, um den Rezeptionsprozess insgesamt zu veranschaulichen, stellen doch die Übersetzungen die Grundlage für die Kenntnis und für die tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Stagiriten dar.223 Seit dem Ausgang der Antike waren die Kategorien (Categoriae, Praedicamenta) und die Hermeneutik (De interpretatione) in der Übersetzung des Boethius fester Bestandteil des Logikstudiums; etwa bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts beschränkte sich die Kenntnis des Corpus Aristotelicum im lateinischen Westen im Wesentlichen auf diese Werke.224 Es ist – so weit ich sehe – nicht ganz geklärt, unter welchen Umständen zu dieser Zeit dann die ersten weiteren Übersetzungen angefertigt wurden.225 Eine Schlüsselfigur in dieser Frühphase war die nicht ganz greifbare Gestalt des Jakob von Venedig, auf den sehr wahrscheinlich die Übersetzungen der II. Analytik (Analytica posteriora), eines Fragments Über die sophistischen Widerlegungsschlüsse (De sophisticis elenchis) sowie alte Übersetzungen der Physik, eines Teils der Metaphysik, Über die Seele (De anima) und einzelner Schriften aus den Parva naturalia zurückgehen.226

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Für das Folgende vgl. vor allem die gelungene Zusammenfassung bei David LUSCOMBE, Medieval thought (= A History of Western Philosophy 2), Oxford – New York 1997, 61–73; unter dem Aspekt eines neuen Wissenschaftsbegriffs vgl. Ulrich G. LEINSLE, Einführung in die scholastische Theologie (= Uni-Taschenbücher 1865), Paderborn u. a. 1995, 121–137. Dies ist cum grano salis zu verstehen; Dietrich BRIESEMEISTER, Aristoteles. C. Übersetzungen, Rezeption in den volkssprachlichen Literaturen, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, München 1980, 942–945, hier 942, erwähnte erste lateinische Übertragungsversuche im normannischen Italien, die auf das Ende des 11. Jahrhunderts zurückgehen. Ferner hatte Boethius das komplette Organon ins Lateinische übertragen, die (inzwischen verlorene) Übersetzung der Analytica posteriora war im 12. Jahrhundert noch teilweise bekannt; vgl. hierzu Joachim GRUBER, Boethius, Anicius Manlius Severinus. I. Leben und Werke, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, München 1983, 308–312, bes. 310. Vgl. LUSCOMBE, Medieval thought, 61. Siehe Fernand BOSSIER / Jozef BRAMS, Préface. La translatio vetus de la Physique, in: Aristoteles latinus, Vol. VII.1.2, VII.2: Physica, Translatio Vetus – Physica, Translatio Vaticana, Leiden – New York 21990, IX–CIX, hier XV.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Hatte Jakob von Venedig seine Übersetzungen über Verbindungen an den byzantinischen Hof noch unmittelbar aus dem Griechischen angefertigt, so rekurrierten die nachfolgenden Übersetzer aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in der Regel auf arabische Vorlagen. Herausragende Gestalten waren hier zum einen Gerhard von Cremona, der am Hof des Erzbischofs Raimund von Toledo vorhandene arabisch-lateinische Übersetzungen revidierte (Analytica posteriora und physikalische Schriften),227 zum anderen Michael Scotus, zunächst ebenfalls in Toledo, ab 1220 im Umkreis Friedrichs II. in Bologna (vor allem die naturkundlichen Schriften).228 Die wiederum auf die griechischen Vorlagen zurückgreifenden Überarbeitungen und Neuübersetzungen des Dominikaners Wilhelm von Moerbeke, die fast das ganze aristotelische Œuvre und etliche antike Kommentare (Alexander von Aphrodisias, Themistios, Johannes Philoponus, Simplikios) umfassen, stellten einen gewissen Abschluss des mittelalterlichen Übersetzungsprozesses dar.229 Der Kontakt mit der arabischen Gelehrtenwelt, der unter anderem durch die fortschreitende Reconquista der Iberischen Halbinsel gefördert wurde, brachte es mit sich, dass nicht nur die aristotelischen Texte übertragen wurden, sondern zusammen mit ihnen auch die muslimischen Kommentare. An erster Stelle sind hier die Namen von Avicenna (Ibn Sīnā) und Averroes (Ibn Rušd) zu nennen. Ein Großteil der Werke des Arztes und Philosophen Avicenna wurde um 1160 in Toledo ins Lateinische übersetzt, unter anderem sein Hauptwerk, das Kitāb al-Šifāʾ (Buch der Heilung), das eine Synthese aus Logik, Naturphilosophie und Metaphysik darstellt, und verschiedene Kommentare zu aristotelischen Schriften (u. a. De philosophia prima, De anima, De generatione et corruptione).230 Sein philosophisches System verband aristotelische und neuplatonische Elemente (v. a. plotinische), was dadurch begünstigt wurde, dass zu seiner Zeit im arabischen Raum die Theologia Aristotelis und der bekannte Liber de causis, zwei neuplatonische Schriften, zum Corpus Aristotelicum gerechnet wurden. Die Lehre von der Entstehung der Intelligenzen kollidierte dabei sowohl mit dem islamischen wie mit dem christlichen Schöpfungsbegriff: Gott als notwendiges Sein und erste Ursache 227 228 229

230

Vgl. Egbert MEYER, Gerhard von Cremona, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, München 1989, 1317f. Vgl. Silke ACKERMANN, Michael Scotus, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, München 1993, 606f. Vgl. GEORG WIELAND, Aristoteles, Aristotelismus. III–IV, in: Walter Kasper u. a. (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 1, Freiburg u. a. 31993, 977–979, hier 978; Marc-Aeilko ARIS, Wilhelm von Moerbeke, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 9, München 1998, 175–176. Die von Dominicus Gundissalinus (Gundisalvi) übersetzte Paraphrase zu Aristoteles’ De caelo stammt von einem unbekannten Autor (in der Tradition von Ḥunayn Ibn Isḥāq); vgl. PS.-AVICENNA, Liber Celi et Mundi, ed. by Oliver Gutman (= Aristoteles Semitico-Latinus 14), Leiden 2003, xiii–xvii, bes. xvii. Für das Folgende vgl. LUSCOMBE, Medieval thought, 63f.; Simone van RIET, Avicenna, in: Walter Kasper u. a. (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 1, Freiburg u. a. 3 1993, 1314f.; STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 39f.

Texte und Kontexte

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bringt von Ewigkeit her eine einzige Wirkung hervor, die erste Intelligenz. Aus ihr emanieren die zweite Intelligenz und die erste Himmelssphäre. Dieser Prozess setzt sich bis zur zehnten, der letzten der getrennten Intelligenzen fort. Als dator formarum ist sie das unmittelbare Prinzip der menschlichen Seelen und der sublunaren Welt. Sie ist auch der eine, überindividuelle und allgemeine intellectus agens, von dem die menschliche Vernunft als intellectus possibilis erleuchtet werden kann. Averroes, der seit den 1240’er Jahren im lateinischen Westen als der Commentator schlechthin galt, hat das Corpus Aristotelicum insgesamt drei Mal kommentiert (kleiner, mittlerer und großer Kommentar, letzterer wurde etwa in den Jahren 1220–1224231 durch Michael Scotus ins Lateinische übersetzt).232 Seine Aristotelesinterpretation ist in vielen Punkten deutlich authentischer als die Avicennas, insbesondere bedeutete sie eine Abkehr von dessen neuplatonischen Einträgen. Seine Kosmologie kennt einen ersten Beweger, der zugleich Allursache ist (freilich nicht als physisches Agens), insbesondere ergibt sich daraus, dass das geschaffene Universum ewig ist. Die Vorsehung und die Erkenntnis Gottes richten sich nur auf das Allgemeine (Gattungen, Arten), nicht aber auf das Individuum. Zum Streitpunkt wurde im 13. Jahrhundert auch seine zum Teil unter dem Schlagwort „Monopsychismus“ abgehandelte Seelen- und Intellektlehre. Er vertrat hier nicht nur die Einheit und Einzigkeit des intellectus agens, für ihn hat auch „der passive Intellekt … keinen persönlichen Charakter: Er ist eine ausschließlich körperliche Tätigkeit, Formen aufzunehmen; er vergeht mit dem Körper.“233 – Diese besondere Interpretation des Liber de anima, die etwa von Siger von Brabant aufgenommen und (u. a.) von Albertus Magnus und Thomas von Aquin bekämpft wurde, spielte in den Auseinandersetzungen der 1260’er und 1270’er Jahre um den heterodoxen Aristotelismus eine wichtige Rolle,234 die anfängliche Hochschätzung des Averroes235 wurde dabei revidiert. Die von Bischof Étienne Tempier ausgesprochenen Verurteilungen von 1270 und 1277, die auch die als „averroistisch“ geltenden Thesen von der Einheit des Intel231

232 233

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235

Vgl. Gudrun VUILLEMIN-DIEM, Metaphysica lib. I–XIV. Recensio et Translatio Guillelmi de Moerbeka. Praefatio (= Aristoteles latinus XXV.3.1), Leiden u. a. 1995, 7; HÖDL, Averroes, Averroismus, 1292 datierte die Übersetzung etwas später (etwa 1230). Für das Folgende vgl. HÖDL, Averroes, Averroismus; STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 40–43. Georges C. ANAWATI, Averroes, Averrroismus. I. Averroes. Leben, Werke und Lehre, in: RobertHenri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, München 1980, 1291f., hier 1292; Nach BAZÁN, Radical Aristotelianism, 591 war diese Lehre von der Einheit des intellectus possibilis ein Spezifikum der Lehre des Averroes. Zur Deutung Sigers: STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 353; die entsprechenden Schriften waren ALBERTUS MAGNUS, De unitate intellectus (contra Averroem) (um 1267) und THOMAS VON AQUIN, De unitate intellectus contra Averroistas (1270), auch der Dominikaner Robert Kilwardby und der Franziskaner Johannes Peckham griffen diese Position als auf Averroes zurückgehende an. Auch Bonaventura präsentierte 1273 in Hex. I, 3 (6), 4 [V, 361 – nicht in Reportatio A] den Irrtum über die Einheit des intellectus als Aristoteli secundum Commentatorem. Vgl. HÖDL, Averroes, Averroismus, 1293; er verwies auf Alberts Kommentar zu De anima III, 3, 11 [Ed. Colon. VII.1, 221]: nos autem in paucis dissentimus ab Averroe.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

lekts, der Ewigkeit der Welt und der umfassenden Determination des Weltgeschehens (Nezessitarismus) betrafen,236 taten dabei ein Übriges. Umgekehrt wurde dadurch eine gewisse Avicenna-Renaissance begünstigt.237 Was hier für den De-anima-Kommentar von Averroes kurz aufgezeigt wurde, gilt entsprechend für seinen Physik-Kommentar: Er löste Debatten über die Natur der Bewegung, die außerseelische Realität von Zeit und Zahl und die Definition des Ortes aus.238 Averroes und Avicenna übten sicherlich den größten Einfluss auf die Aristotelesrezeption des lateinischen Westens aus, sie sind aber keineswegs die Einzigen. Namentlich seien hier genannt: (1) al-Kindī (Alkindus),239 genannt der „Philosoph der Araber“, der erste große islamische Philosoph, der in der Auseinandersetzung mit Aristoteles u. a. die Creatio ex nihilo und die Nicht-Ewigkeit der Welt vertrat; (2) al-Fārābī (Alfarabius),240 genannt der „zweite Lehrer“ (nach Aristoteles), der neben eigenen Schriften auch Bearbeitungen und Kommentare zu aristotelischen Werken hinterlassen hat. Indirekt wirkte er auch über Avicenna, von dem er sehr geschätzt wurde; wie dieser vertrat er eine stark neuplatonisch geprägte Metaphysik, das von ihm vorgestellte Emanationsschema beruhte auf dem Prinzip Ex uno non fit nisi unum; schließlich (3) al-Ġhazzālī (Algazel),241 von dem eine ins Lateinische übersetzte Zusammenfassung der Philosophie al-Fārābīs und Avicennas überliefert ist. Immer noch viel zu wenig untersucht ist der Beitrag jüdischer (vor allem sephardischer) Gelehrter zur Aristotelesrezeption im 13. Jahrhundert. Während es auf der islamischen Seite vor allem Aristotelesübersetzungen (oder Paraphrasen) und Kommentare waren, von denen entsprechende Impulse ausgingen, hat man es hier mit einer indirekteren, sekundären Form des Einflusses zu tun, indem aristotelisches Gedankengut schrittweise in die jüdische Philosophie übernommen wurde und von da aus im lateinischen Westen weiterwirkte.242 Eine wichtige Gestalt war hier der jüdische Dichter und Philosoph Avicebron (Ibn Gabirol).243 Ein Leitgedanke seines nur in lateinischer Über236

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Der Irrtum über die Einheit des Intellekts (z. B.) war die erste der am 10.12.1270 inkriminierten Thesen, in der Verurteilung vom 7. März 1277 findet man sie als nr. 32, siehe DENIFLE / CHATELAIN, Chartularium universitatis Parisiensis I, 487.545. Vgl. LEINSLE, Einführung, 127. Vgl. LUSCOMBE, Medieval thought, 65. Vgl. Georges C. ANAWATI, Al-Kindī, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München 1991, 1155f. Vgl. Hans DAIBER, Alfārābī, in: Walter Kasper u. a. (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 1, Freiburg u. a. 31993, 383; Max HAAS / Georges C. ANAWATI, al-Fārābī, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, München 1989, 284f. Vgl. Helmut HUNDSBICHLER, al-Ġhazzālī, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, München 1989, 1152f. Vgl. Hermann GREIVE, Aristoteles. III. Judentum, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, München 1980, 936. Vgl. HANS DAIBER, Avicebron, in: Walter Kasper u. a. (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 1, Freiburg u. a. 31993, 1313f.; ROLF P. SCHMITZ, Gabirol, Salomo ben Jehuda ibn, in: RobertHenri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, München 1989, 1072f.

Texte und Kontexte

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setzung vollständig erhaltenen Hauptwerks Fons vitae ist der universale Hylemorphismus, auch wenn seine Philosophie insgesamt noch vom Neuplatonismus bestimmt war. Vermittelt durch Dominicus Gundissalinus und von da über Alexander von Hales und Wilhelm von Auvergne mögen seine Gedanken von der materia spiritualis, der Mehrheit der forma substantialis sowie der Bedeutung der forma lucis auch auf Bonaventura nachgewirkt haben.244 Die Bewunderung des Maimonides (Rabbi Mose ben Maimon) für Aristoteles kannte kaum Grenzen, der Stagirite war für ihn „ein Mann mit göttlichen Eigenschaften. Seine Geisteskraft ist von einer höheren Art“.245 In seinem Führer der Unschlüssigen (Dalālat al-hāʾirīn) versuchte er „biblisch-talmudische Begriffe und Inhalte mit der mittlerweile bekanntgewordenen aristotelischen Philosophie zu harmonisieren.“246 Aufgrund der Verwendung eines Prinzips der bewussten Widersprüchlichkeit ist die Position des Maimonides oft nur sehr schwer zu bestimmen, etwa in der Frage nach der Ewigkeit der Welt.247 Dennoch entfaltete er eine vergleichsweise große Nachwirkung auf die lateinische Scholastik, so zeigten sich etwa Thomas von Aquin und Albertus Magnus in ihrer Schöpfungslehre von ihm beeinflusst. Zusammen mit den echten aristotelischen Schriften waren in dieser Zeit auch über 100 Pseudo-Aristotelica im Umlauf.248 Wegen seiner besonderen Bedeutung soll hier insbesondere auf den Liber de causis hingewiesen werden. Sein Ursprung ist eine arabi244

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Vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 225f.227.238f.; zu den genannten Positionen vgl. z. B. GILSON, Philosophie des hl. Bonaventura, 352–354 (geistige Materie), 354–357 (Formenmehrheit), 306–318 (Lichtform); John F. QUINN, The Historical Constitution of St. Bonaventure’s philosophy (= Pontificial Institute of Medieval Studies. Studies and Texts 23), Toronto 1973, 219–319, kam in seiner Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Bonaventura vielmehr die Einheit der substantialen Form lehrt, diese aber anders zu verstehen ist als etwa bei Thomas von Aquin (vgl. 309–316); Quinn betonte auch, dass Avicebron oder die Fons vitae bei Bonaventura an keiner Stelle erwähnt werden (bei II Sent. 3, 1, 1, 3 [II, 102] handelt es sich um einen Zusatz von ungeklärter Authentizität; vgl a. a. O., 219, Anm. 1). Maurice-Ruben HAYOUN, Geschichte der jüdischen Philosophie, Darmstadt 2004, 104f. Rolf P. SCHMITZ / Ludwig HÖDL, Maimonides, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, München 1993, 127f., hier 127; für das Folgende vgl. ferner Maurice-Ruben HAYOUN, Maimonides, in: Walter Kasper u. a. (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 6, Freiburg u. a. 31997, 1207f. HAYOUN, Geschichte der jüdischen Philosophie, 117–121, kam zu dem Schluss, dass „Maimonides in Wahrheit immer eine ewige Schöpfung vertreten“ hat (121); anders SCHMITZ / HÖDL, Maimonides, 127 („kann er sich z. B. in der Frage nach der ‚Ewigkeit der Welt‘ … aufgrund der Tora für die ‚Schöpfung in der Zeit‘ entscheiden“). Vgl. die kurze Beschreibung bei LUSCOMBE, Medieval thought, 62.65f. sowie Hermann SCHNARR, Liber de causis, in: Robert-Henri Bautier (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München 1991, 1940f. und STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 78f. Andere bekannte pseudoaristotelische Schriften waren etwa die im arabischen Raum einflussreiche, aus Exzerpten der plotinschen Enneades bestehende Theologia Aristotelis (vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 170, Anm. 171; er wies darauf hin, dass sie erst in der Renaissance ins Lateinische übersetzt wurde, also nur einen indirekten Einfluss entwickeln konnte), ferner das Secretum secretorum und De plantis, De differentia spiritus et animae sowie De pomo.

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sche Abhandlung über das reine Gute aus dem 9. Jahrhundert, die von Gerhard von Cremona ins Lateinische übersetzt wurde.249 Hauptquelle für dieses Werk ist die Elementatio theologica des Neuplatonikers Proklos, doch dieser Zusammenhang wurde erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts erkannt (1268 dann von Thomas von Aquin). Seiner Beliebtheit tat das freilich keinen Abbruch. Seit 1255 war es fester Bestandteil des Lehrplans in der Artes-Fakultät.250 Inhaltlich handelt es sich um eine lockere Aneinanderreihung von Propositionen, die in gewisser Weise als Ergänzung zum 12. Buch der Metaphysik (Λ) – Ursachenlehre, Transzendenz des ersten Bewegers, Aufbau des Universums – gelesen werden können. 2.2.2.2

Bonaventura und Aristoteles

In dem kurzen Überblick des vorigen Abschnitts mag deutlich geworden sein, auf wie vielen verschiedenen Wegen das aristotelische Denken Eingang in die Scholastik des 13. Jahrhunderts gefunden hat. Um 1200 herum war dabei das Textcorpus im Wesentlichen vollständig verfügbar (allerdings nicht immer in guter Qualität), die inhaltliche Auseinandersetzung freilich war damit erst am Anfang. Die Phasen dieses Prozesses hat Fernand Van Steenberghen in seinem Standardwerk La philosophie au XIIIe siècle ausführlich dargestellt. Sie lassen sich wie folgt charakterisieren: In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts herrschte ein eklektischer, aber doch einigermaßen homogener Aristotelismus vor, die intensive Auseinandersetzung mit Aristoteles an der Artistenfakultät brachte dann zunächst den heterodoxen (radikalen) Aristotelismus hervor, im Umkreis der Verurteilung von 1277 entstanden schließlich mehrere Schulen, die sich um die großen Lehrer der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gruppierten, so die thomistische und die neoaugustinische Schule, die schließlich in den Skotismus mündete.251 Auf diesem Hintergrund soll nun im Folgenden das Verhältnis Bonaventuras zu Aristoteles beleuchtet werden. Eine, aber nicht die einzige Ebene dieses Verhältnisses ist die Frage nach inhaltlicher Nähe oder Distanz. Eine andere Frage ist die, welches Urteil der Doctor seraphicus über die Positionen des Stagiriten fällte. Sie ist mit der ersten zwar eng verbunden, aber nicht unbedingt identisch (z. B. kann eine aristotelische Position vertreten werden, ohne dessen Namen zu nennen, oder unter dessen Namen genau das Gegenteil dessen, was er meinte, behauptet werden). Grundlage zur Beantwortung beider Fragen ist, welche Kenntnis Bonaventura von den aristotelischen Schriften hatte.

249

250 251

Edition des lateinischen Textes bei: Liber de causis. Das Buch von den Ursachen, mit einer Einl. v. Rolf Schönberger, Übs., Glossar, Anm., Verzeichnisse von Andreas Schönfeld (= Philosophische Bibliothek 553), Hamburg 2003. Vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 322. Vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 465–467.

Texte und Kontexte

73 Tabelle 3: Die akademische Laufbahn Bonaventuras252

1235–1243 1243–1248 1248–1250 1250–1252 1253–1254 1254–1257

Studium der Artes (6 Jahre Studium, 2 Jahre Bakkalaureat) Studium der Theologie Baccalaureus biblicus Baccalaureus sententiarius Baccalaureus formatus Magister regens ad scholas fratrum

Seine philosophische Ausbildung erhielt der junge Bonaventura während des Artes-Studiums (1235–1243). Sie fiel damit in die Zeit, in der noch die eklektische Aristotelesauslegung vorherrschte. Wer genau seine Lehrer waren, ist nicht bekannt,253 man kann sich jedoch ein allgemeines Bild der Situation in der Artistenfakultät zu dieser Zeit machen. Das 1210 von der Pariser Synode ausgesprochene Verbot, die naturphilosophischen Schriften des Aristoteles samt der Kommentare publice vel secreto zu lesen,254 war 1215 in die Statuten der Universität aufgenommen worden.255 Formell blieb dieses Verbot, das auch Schriften wie die Metaphysik oder De anima betraf, mindestens bis 1252 in Geltung,256 auch wenn Gregor IX. im Anschluss an den Schulstreik von Paris bereits 1231 dessen Revision in Aussicht gestellt hatte.257 Der Blick auf die erhaltenen Werke der um 1240 herum an der Artes-Fakultät lehrenden Magistri, zeigt, dass sie vorwiegend die grammatischen und logischen Schriften des Aristoteles (inklusive der Kommentare von Porphyrios, Boethius und des Liber sex principiorum), aber auch die Ethik kommentierten.258 Das bedeutet, dass das kirchliche Verbot, über die libri naturales und die Metaphysik zu lesen, bis dahin im Wesentlichen respektiert wurde. Das schloss aber nicht aus, dass in den Vorlesungen summarisch auf jene Bücher eingegangen wurde.259 Spätestens um 1245 herum scheint sich die Situation geändert zu haben. Eine Bemerkung Roger Bacons und erhaltene Reportationes zeigen, dass er sowohl 252

253 254

255 256

257 258 259

Diese Chronologie ist zwar noch mit leichten Unsicherheiten behaftet, scheint aber nach der Arbeit von BOUGEROL, Introduction, hier besonders 4–11, gut akzeptiert zu sein (vgl. etwa SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 5f. oder Ilia DELIO, Simply Bonaventure, Hyde Park, N. Y. 2001, 21–25). Vgl. BOUGEROL, Introduction, 48. Vgl. DENIFLE / CHATELAIN, Chartularium universitatis Parisiensis I, 70f. (nr. 11). «Legere» bedeutet dabei nicht die private Lektüre, sondern die Kommentierung im Rahmen einer Vorlesung (vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 85). Vgl. DENIFLE / CHATELAIN, Chartularium universitatis Parisiensis I, 78–80 (nr. 20). Vgl. DENIFLE / CHATELAIN, Chartularium universitatis Parisiensis I, 227–230 (nr. 201), ein Statut der angelsächsischen natio in der Artistenfakultät, das zur Erlangung der licentia docendi vorschrieb, dass man eine Vorlesung über Aristoteles’ De anima gehört haben musste; vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 321f. Vgl. HÖDL, Aristotelesverbote, 948; STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 98f. Vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 123–130, besonders die Zusammenfassung 130. Vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 110.121, im Anschluss an Martin Grabmann ging Van Steenberghen davon aus, dass die Situation sich wahrscheinlich bis um 1245 nicht änderte (ebd., 110); dies gegen BOUGEROL, Introduction, 48.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

über die Physik, wie auch über die Metaphysik des Aristoteles gelesen hat.260 Die von der Kurie erneut ausgesprochenen Aristotelesverbote von 1245 (Ausweitung auf die Universität von Toulouse) und noch 1263 (Bestätigung der Statuten und Privilegien der Universität Paris) scheinen dagegen ohne Wirkung geblieben zu sein,261 das Statut der Artes-Fakultät vom 19. März 1255 schrieb vielmehr alle bekannten Werke des Aristoteles auf den neugestalteten Lehrplan.262 Die Zeit Bonaventuras an der Artistenfakultät fiel damit jedenfalls in eine Umbruchzeit, in der sich das Studium des Aristoteles schrittweise auf dessen gesamtes Œuvre ausdehnte. Sicher ist dabei, dass die Schriften des Organon und die ethischen Schriften fester Bestandteil des Curriculums waren, hinsichtlich der übrigen Schriften (es geht dabei um die Metaphysik, die Physik samt den übrigen Libri naturales und um De anima) bewegt man sich auf eher unsicherem Terrain.263 Fragt man, welche Kenntnisse Bonaventura von den genannten Schriften hatte, so wird man zunächst darauf hinweisen, dass er – entsprechend dem Usus des Franziskanerordens zu dieser Zeit – zu keiner aristotelischen Schrift jemals einen Kommentar verfasst hat;264 als Gradmesser für seine Kenntnisse bieten sich also nur die in seinen Werken (freilich zahlreich) zu findenden Zitate aus den Schriften des Stagiriten an. Jacques Guy Bougerol hat diesen eine ausführliche Untersuchung gewidmet.265 Unter den insgesamt 1015 Aristoteleszitaten (in der Quaracchi-Ausgabe) finden sich demnach auch zahlreiche Referenzen auf die oben260

261

262 263

264 265

Unsicher ist, wann genau Roger Bacon an der Artes-Fakultät lehrte, vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 130f.; Christoph FLÜELER, Roger Bacon, in: Franco Volpi (Hrsg.), Großes Werklexikon der Philosophie, Bd. 1, Stuttgart 1999, 134f. gab als Zeitraum 1241–1247 an (Bonaventura war zu dieser Zeit bereits Baccalaureus); ob vor ihm bereits Robert Kilwardby (Magister regens an der Artistenfakultät um 1237 – 1245) über die libri naturales und die Metaphysik las (vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 125), lässt sich ebenfalls nicht mit Sicherheit sagen. DENIFLE / CHATELAIN, Chartularium universitatis Parisiensis I, 185f. (nr. 149) und I, 427f. (nr. 384); vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 132–134; er stellte fest, dass sie einen gewissen Anachronismus darstellen und wohl nur «par la routine administrative qui sévissait dans les bureaux de la curie pontificale comme dans toutes les administrations» (134) zu erklären sind. DENIFLE / CHATELAIN, Chartularium universitatis Parisiensis I, 277–279 (nr. 246); vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 322f. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 130f. ging davon aus, dass bis um 1240 herum die kirchlichen Verbote respektiert wurden und die Vorlesungen Roger Bacons zu den libri naturales und der Metaphysik um 1245 die erste bezeugte Änderung dieser Sachlage darstellen, entsprechend stellte er fest: „Bonaventure a peut-être lu Aristote par lui-même, à cette époque, mais la manière dont il en parle trahit plutôt une connaissance superficielle de ses doctrines métaphysiques“ (203); Jacques Guy BOUGEROL, Dossier pour l’étude des rapports entre saint Bonaventure et Aristote, in: Archives d’histoire doctrinale et littéraire du moyen âge 40 (1973) 135–222, hier 137 & 199, hielt dafür, dass Bonaventura bereits Vorlesungen über die Libri naturales und die Metaphysik hörte. Zu diesem „delikaten Element“ des Verhältnisses von Bonaventura zu Aristoteles vgl. BOUGEROL, Dossier pour l’étude des rapports, 136 & 221. Dossier pour l’étude des rapports, wie in der vorausgehenden Fußnote.

Texte und Kontexte

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genannten Schriften, näherhin auf die Metaphysik 125, auf die Physik 136, auf die übrigen Libri naturales 152 und auf De anima 138, der bei weitem überwiegende Teil davon steht im Sentenzenkommentar.266 Insgesamt kann man Bonaventura dabei „in Anbetracht der Rezeptionslage dieser Jahre eine gute Kenntnis der aristotelischen Werke“267 bescheinigen, hinsichtlich der obengenannten Werke, war er sicherlich mit dem Text von De anima am vertrautesten, doch auch von der Metaphysik hatte er eine genaue Kenntnis und er verstand es, sowohl mit ihr als auch gegen sie zu argumentieren; auch mit der Physik war Bonaventura zweifellos vertraut, doch hier scheint es am ehesten so zu sein, dass er deren Thesen zwar benutzt, ohne jedoch in die innere Struktur des Werkes einzudringen268 (das mag natürlich auch inhaltliche Gründe haben, denn die in De anima behandelten Probleme stehen dem Theologen Bonaventura jedenfalls näher als die Physik). Vor allem während seiner Universitätskarriere als Baccalaureus und Magister (1248– 1257)269 hatte er dann Gelegenheit, die erworbenen Kenntnisse der aristotelischen Philosophie zur Anwendung zu bringen. Seinen Lehrern in der Theologie – das waren Alexander von Hales, mit dem ihn ein besonders herzliches Verhältnis verband, Johannes von Rupella, Odo Rigaldi (Eudes Rigaud) und sein unmittelbarer Vorgänger auf dem Lehrstuhl der Franziskaner in Paris, Wilhelm von Melitona270 – verdankte er dabei eine gewisse Vertiefung seiner Kenntnisse der aristotelischen Positionen zu einschlägigen theologischen Fragen. Besonders wird man an Alexander von Hales’ Glossa super sententias und die in seinem Umkreis entstandene Summa Halensis denken, die Aristoteles in extenso zitierten,271 wobei auch hier einschränkend anzumerken ist, dass dabei sehr eklektisch vorgegangen wurde und man kaum auf die Kohärenz der Zitate achtete.272 Zahlreiche Aristotelesstellen, die Bonaventura anführte, kann man bereits bei seinen Lehrern finden, daneben hat er sich auch eines Florilegiums, der Auctoritates Aristotelis, bedient.273 Will man Bonaventuras Aristoteleskenntnisse insgesamt würdigen, so wird man ihm sicherlich einerseits eine umfassende Kenntnis der aristotelischen Texte

266 267 268 269 270 271

272 273

Ebd., 137f., Anzahl der De-anima-Zitate wurde korrigiert nach 171. SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 78. Vgl. jeweils die Fazits bei BOUGEROL, Dossier pour l’étude des rapports, 166 (Physik), 184 (De anima), 199 (Metaphysik). Es existieren auch keine Werke Bonaventuras, die vor dieser Zeit entstanden wären. Vgl. etwa BOUGEROL, Introduction, 4f. Vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 145f. (Glossa super sententias), 154f. (Summa fratris Alexandri); Van Steenberghen wies auch darauf hin, dass die Glossa auch das Liber de causis und Avicenna, aber nicht Averroes benutzte, die Summa Halensis verarbeitete Material von Avicenna und Avicebron. Vgl. die Zusammenfassung ebd., 157. Ediert als Les Auctoritates Aristotelis, un florilège médiéval, éd. par Jacqueline Hamesse (= Philosophes médiévaux 17), Louvain – Paris 1974. Zur Verwendung vgl. BOUGEROL, Dossier pour l’étude des rapports, 217–219.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

zugestehen,274 auch die Kommentatoren Avicenna, Averroes (sowie Eustratius von Nizäa) waren ihm nicht unbekannt; andererseits jedoch erreichte er bei der Durchdringung des aristotelischen Denkens nicht jene Tiefe, wie man sie etwa bei Albertus Magnus und Thomas von Aquin findet.275 Man mag ihm dabei zugutehalten, dass er sich der Begrenztheit seines Wissens durchaus bewusst war und er deswegen oft nur vorsichtig über aristotelische Positionen urteilte.276 Das Jahr 1257 markierte eine Zäsur im Leben Bonaventuras, mit der Wahl zum minister generalis am 2. Februar war gleichzeitig das Ende seiner akademischen Karriere gekommen. Von nun an stand für ihn die Sorge für den Orden des heiligen Franziskus im Vordergrund. Auch wenn sich dadurch seine Einstellung und seine theologischen Positionen überraschend wenig geändert haben277 – das Umfeld, in dem er sie vertrat, war ein anderes, und entsprechend änderten sich auch die literarischen Gattungen, derer er sich bediente. Von daher mag es kaum verwundern, wenn in der literarischen Produktion aus dieser Zeit zunächst kaum Aristoteleszitate zu finden sind,278 erst in den Universitätspredigten von 1267, 1268 und 1273 (Praec., Don. und Hex.) nahm die Häufigkeit wieder etwas zu.279 Gerade im Hinblick auf die Collationes in Hexaëmeron kann man fragen, welche Unterschiede sich hier im Vergleich mit den Werken aus seiner Universitätszeit ergeben. Die Antwort steht dabei unter dem Vorbehalt, dass sie nur durch zwei Reportationes bezeugt sind, die durch ihre (unbekannten) Verfasser eine bestimmte „Färbung“ aufweisen, die nicht unbedingt der Position Bonaventuras entsprechen muss.280 Betrachtet man die Verweise auf aristotelische Positionen in der Reportatio A 274 275

276

277 278

279 280

Ob Bonaventura dabei tatsächlich alle bis dahin übersetzten Werke des Aristoteles kannte, zieht BOUGEROL, Introduction, 50 durchaus in Zweifel. Vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 215 wobei mir die Charakterisierung als „connaissance superficielle“ (ebd., 203) doch als etwas zu streng erscheint; Van Steenberghen reagierte hier etwas zu stark gegen die Bewertung von GILSON, Philosophie des hl. Bonaventura, der (z. B. 26) Bonaventuras systematische Kenntnis der aristotelischen Philosophie sicherlich zu hoch veranschlagte. Vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 215; als Beispiel kann man II Sent. 1, 1, 1, 2, resp. [II, 22f.] anführen: In der Frage, ob Aristoteles gelehrt habe, dass die (Ur-)Materie von Ewigkeit her existiert habe, führte er verschiedene einander widerstreitende Auslegungen an und bekannte schließlich: Quod horum magis verum sit, ego nescio. – Für weitere Belege vgl. STEENBERGHEN, a. a. O., 205–215 passim. Vgl. SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 50. BOUGEROL, Dossier pour l’étude des rapports, 138 gab für die Schriften nach 1257 kaum Hinweise, lediglich das Itinerarium von 1259 wird mit 2 Aristoteles-Zitaten angeführt, ein entsprechendes Bild kann man aber aus dem Index der Quaracchi-Ausgabe zu Aristoteles (Opp. X, 266f.) gewinnen: Der Band 8 der Opera omnia (der die mystischen Werke Bonaventuras enthält und den Zeitraum 1259–1269 abdeckt) taucht hier nur zweimal auf mit 7 Verweisen auf die Nikomachische Ethik und einen Verweis auf die Topik. Vgl. erneut den Index der Quaracchi-Ausgabe: Praec. ist mit 1 Referenz, Don. mit 9 und Hex. mit 38 Referenzen aufgeführt. So ist etwa Ulrich G. LEINSLE, Res et signum. Das Verständnis zeichenhafter Wirklichkeit in der Theologie Bonaventuras, München u. a. 1976, 74 aufgefallen, dass die Reportatio B gegenüber

Texte und Kontexte

77

und vergleicht sie mit Reportatio B, so kommt man für die ersten sieben Collationes (die das Principium und die Visio 1 bilden) zu folgendem Ergebnis:281 Tabelle 4: Aristoteleszitate in Hex., princ., 1 (1) – I, 4 (7) Collatio

Absatznummern

princ., 1 (1):

19 | 25: 2x, 1x | 26: 2x | 30 | 33

princ., 2 (2):

2: (1x), 1x | 10: 1x, 1x | 24 | 26 | 31: 2x

princ., 3 (3):

1–2 | 4 | 5: 1x, (1x)

I, 1 (4):

1: 1x, 2x | 2 | 6: (1x), 1x | 8: 1x, (1x) | (9) | (10) | 11 | 12 | 13: 2x | 16 | 17: 9x * | 18

I, 2 (5):

1 | 2: 1x, 3x | (7) | (8) | 10 | 12 | 13 | (24) | 26 | 29

I, 3 (6):

2: 2x | 3: 1x, 1x | 4 | 5 | 14 | (22)

I, 4 (7):

2: 3x

Zur Erklärung: (1) (2) (3) (4) (5) (*)

281

Aufgeführt werden die Nummern der Absätze in denen in Reportatio A Verweise auf aristotelische Positionen vorkommen. Eine Absatz-/Stellenangabe in Klammern bedeutet: Reportatio A führt eine aristotelische These an, ohne sie explizit als solche zu bezeichnen. Eine Stellenangabe ohne weitere Auszeichnung bedeutet: Die aristotelische These findet sich so nur in Reportatio A (mit Angabe der Herkunft, sofern nicht eingeklammert), in Reportatio B fehlt der entsprechende Text. Eine unterstrichene Stellenangabe bedeutet: Sowohl Reportatio A wie auch Reportatio B führen die Position an, aber in Reportatio B ohne Angabe der Herkunft (d. h., sie wird nicht explizit als aristotelische Position ausgegeben). Eine fett markierte Stellenangabe besagt: In Reportatio A und in Reportatio B wird die These angeführt und sie wird in beiden als aristotelische Position bezeichnet. Zu Hex. I, 1 (4), 17: Reportatio A nennt hier 9 Titel von Aristoteles, Reportatio B nennt 10 Titel (davon 1 unechtes Werk), 7 der aufgeführten Titel treten in beiden Reportationes auf.

Aristoteles eine deutlich reserviertere Haltung einnimmt. Der Verfasser von Reportatio A beteuerte zwar: Nec tamen apposui quidquam quod ipse non dixerat, nisi ubi distinctionem librorum Aristotelis logicalium amplius quam ipse dixerat, distinxi. Alia autem non apposui, nisi quod etiam loca auctoritatum aliquarum signavi (Ed. Delorme, 275; betrifft Hex. I, 1 (4) 18–24 nach Ed. Delorme, XIf.), doch dem wird man mit Vorsicht begegnen (siehe den Vergleich der Reportationes im Folgenden). Aus inhaltlichen Gründen ergibt sich, dass sich der Hauptteil der Aristoteles-Zitate im Principium (Coll. 1–3) und in der Visio 1 (Coll. 4–7) befindet (in der Visio 1 geht es um das natürliche Erkenntnisvermögen). Hier finden sich insgesamt 69 Verweise auf Aristoteles, in den folgenden Collationes der Visiones 2–4 sind es insgesamt nur noch 13 (beide Zahlen für Reportatio A). Für die Collatio I, 1 (4) ist dabei noch zu beachten: Die Absätze 21–24 (Reportatio B) fehlen in Reportatio A, Absatz 20 wurde vom Autor der Reportatio A erheblich ausgebaut (eine, wie er selbst bezeugte, eigenmächtige Ergänzung, vgl. vorausgehende Fußnote). An zwei Stellen in Reportatio A – princ., 3 (3), 9; I, 4 (7), 11 – wird der Name des Aristoteles genannt, aber keine These von ihm angeführt. Diese Stellen sind oben nicht berücksichtigt.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Es fällt auf, dass die Reportatio B – die ja länger als Reportatio A ist – zwar einige zusätzliche Verweise auf Aristoteles (überwiegend auf die Nikomachische Ethik) bietet,282 dass aber in Reportatio A der Name des Aristoteles wesentlich häufiger fällt: Wo es hier heißt ut dicit Aristoteles / Philosophus (meist sogar mit Angabe des Werkes oder der Übersetzung),283 fehlt in der Reportatio B oft der gesamte Kontext oder es wird nur die entsprechende These ohne Hinweis auf die Herkunft genannt. Daraus wird man schließen, dass der Verfasser der Reportatio A eine deutlich bessere Kenntnis der aristotelischen Werke besaß oder er wenigstens mehr Mühe aufwandte, um die entsprechenden Stellen zu recherchieren.284 Doch selbst wenn man zur Beurteilung von Bonaventuras Aristoteleskenntnissen nur die in beiden Reportationes vorkommenden „Zitate“ zugrunde legt, so wird man kaum einen Grund finden, das oben gebildete Urteil zu modifizieren: Auch im Hexaëmeron zeigt sich der minister generalis gut informiert, er kennt und unterscheidet die Positionen des Aristoteles, der Kommentatoren Averroes und Avicenna285 sowie der magistri aus der Artes-Fakultät (gegen die sich seine Argumentation hauptsächlich richtet).286 Eine andere Frage ist, ob sich die Einstellung Bonaventuras zu Aristoteles zwischen dem Sentenzenkommentar und dem Hexaëmeron verändert hat. Was aber war denn seine Haltung? Ich denke, hier sind zwei Ebenen zu unterscheiden. Zunächst kann man nach der Einschätzung der Person des Aristoteles fragen: Wenn er Aristoteles im Sentenzenkommentar als „Fürst und Führer“ der Peripatetiker und als „einer der herausragendsten Philosophen“ vorstellte,287 so drückte er dadurch zweifellos seine Hochachtung gegenüber Aristoteles aus (und dies gerade in der Frage nach der Ewigkeit der Welt, in der er ihm in der Sache widerspricht). Ähnliche Reverenzbezeugungen findet

282

283 284 285

286 287

Insgesamt 11 Verweise finden sich nur in Reportatio B: princ., 1 (1): 13*, (21); princ., 3 (3): (7); I, 1 (4): (20); I, 2 (5): (13: 3x*), 19*, 21*, (29); I, 3 (6): 4, 12; von diesen beziehen sich 5 (mit * gekennzeichnet) auf Positionen aus der Nikomachischen Ethik. So wird in Hex. I, 1 (4), 1f. [Ed. Delorme, 49] zwischen Vetus und Nova Metaphysica sowie zwischen der nova und vetus translatio der Vetus Metaphysica unterschieden. Wie es ja auch in der Endglosse heißt loca auctoritatum aliquarum signavi (siehe oben S. 76, Anm. 280). Z. B. in Hex. I, 2 (5), 26 [V, 358b] – wenn auch ohne explizite Namensnennung (alii); der Irrtum von der Einheit des Intellekts wurde Aristoteles nur in Reportatio B vorgeworfen, wobei ausdrücklich auf den Kommentar des Averroes hingewiesen wurde: I, 3 (6), 4; I, 4 (7), 2 [V, 361.365]. Ferner bemühte die Reportatio B in I, 3 (6), 4 [V, 361a] die commentatores Arabum als Gewährsmänner, dass Aristoteles die Ewigkeit der Welt lehrte. In I, 3 (6), 2 [V, 361a; Ed. Delorme, 91] verwiesen beide Reportationes auf einen Kommentar zur Ethik (nämlich den des Eustratius). Vgl. BOUGEROL, Dossier pour l’étude des rapports, 208–215 & 220f. II Sent. 1, 1, 1, 1, resp. [II, 17a]: Peripatetici, quorum princeps et dux fuit Aristoteles …; II Sent. 1, 1, 1, 2, resp. [II, 22b]: ille excellentior inter philosophos, Aristoteles; vgl. etwa auch Serm. theol. IV, 18 [V, 572]: Et ideo videtur, quod inter philosophos datus sit Platoni sermo sapientiae, Aristoteli vero sermo scientiae.

Texte und Kontexte

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man auch im Hexaëmeron, und zwar in beiden Reportationes.288 Ferner lässt sich die Tendenz, die Irrtümer des Aristoteles zu entschuldigen (vor allem mit dem Hinweis, dass er die Offenbarung nicht kennen konnte), die sich bereits im Sentenzenkommentar fand,289 in beiden Reportationes nachweisen – auch wenn diese Tendenz in Reportatio A deutlich stärker ist.290 Dieses Empfinden für Aristoteles kontrastiert freilich deutlich mit dem abschätzigen Urteil über diejenigen Zeitgenossen, die als Christen der peripatetischen These von der Ewigkeit der Welt anhängen; auch in dieser Hinsicht spricht die Reportatio A deutlicher als die Reportatio B.291 Als zweite Ebene kann man die Sachebene ansehen: Hier muss man zunächst die zahlreichen Stellen erwähnen, an denen Aristoteles explizit oder implizit als Autorität herangezogen wird (es sind zu viele, als dass man sie einzeln benennen könnte). Daneben steht freilich die Zurückweisung der bekannten Irrtümer des heterodoxen Aristotelismus (Leugnung der Ideen / rationes aeternae, Ewigkeit der Welt, Einheit des Intel288

289

290

291

So hieß es Hex. I, 3 (6), 5 [V, 361; Ed. Delorme, 92]: tantus fuit [Aristoteles]; Reportatio B sprach im folgenden Absatz 6 von der mens aliorum nobilium philosophorum, d. h., sie zählte auch Aristoteles zu den nobiles philosophi. Die Reportatio A ging etwas weiter als die Reportatio B, wenn sie dem contemplans, volens in dono intellectus exerceri das Studium des Aristoteles empfahl: qualem dat viam Philosophus in considerationibus topicis ad problemata de accidente, de proprio, de genere, de definitione (Hex., princ., 3 (3), 1–2 [Ed. Delorme, 34]) – eine ähnliche Empfehlung (allerdings auf die Philosophie im Allgemeinen bezogen) fand sich bereits Itin. IV, 5 [V, 307a] (mit Bezug auf III, 6 [V, 305]): Ad huius autem speculationis gradum specialiter et praecipue adminiculatur consideratio sacrae Scripturae divinitus immissae, sicut philosophia ad praecedentem. Vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 205–216 passim. Bereits Alexander von Hales gestand „Aristoteles zu, er habe eben nur nach natürlich-naturwissenschaftlichen Prinzipien entschieden und von einer Schöpfung als übernatürlichem Eingreifen Gottes nichts gewußt“ (LEINSLE, Einführung, 132), dessen Lehre sei also nach dem Kenntnisstand seiner Zeit zu interpretieren. Etwa zur Frage der Ewigkeit der Welt: Hex. I, 4 (7), 2: … excusari posset, quod intellexit hoc ut philosophus, loquens ut naturalis … [V, 365] bzw. … potest dici, quod secundum naturam verum sensit [Ed. Delorme, 99]. In der Reportatio A finden sich weitere Stellen: princ., 2 (2), 31 [Ed. Delorme, 31]: Deus est unus, sapiens et aeternus … non tamen sic tantummodo sicut intelligere poterat Philosophus … sed altiori modo valde; princ., 3 (3), 9 [Ed. Delorme, 38]: Per rationem enim non valet comprehendi. Unde nunquam dixit Philosophus …; allgemein zur Bestreitung der Ideen in I, 3 (6), 32 [Ed. Delorme, 98]: Ideo ad radium fidei est procedendum, quem Philosophi non habuerunt, sed tantum lumine naturali cognoverunt. Vgl. Hex. I, 1 (4), 16 [Ed. Delorme, 59]: aliqui nostri temporis … erecta cervice contra veritatem Scripturae … scriberent mundum aeternum (der Passus fehlt in Reportatio B), oder I, 2 (5), 21 [Ed. Delorme, 84]: quidam nimis ratiocinantes mundum posuerunt aeternum; in Reportatio B heißt es an dieser Stelle nur isti male senserunt de causa prima [V, 357a]. Die Feststellung von BOUGEROL, Dossier pour l’étude des rapports, 209 («L’ennemi visé est beaucoup plus Averroès qu’Aristote») ist im Bezug auf Aristoteles sicher richtig, unter „Averroes“ sollte man aber eher die „Averroisten“ verstehen. Vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 218: „l’hostilité de Bonaventure va bien plus aux disciples chrétiens d’Aristote qu’à Aristote lui-même“.

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lektes, rein diesseitige Seligkeit).292 Bei der Verbindung dieser Irrtümer mit dem Namen des Aristoteles sind sich die beiden Reportationes im Bezug auf den ersten Punkt (Leugnung der Ideen) völlig einig, was dagegen die Lehre von der Ewigkeit der Welt angeht, ist die Reportatio A deutlich vorsichtiger, sie kommt hier praktisch zu dem gegenteiligen Schluss wie die Reportatio B, nämlich: Cautius ergo est dicere quod Aristoteles non senserit mundum aeternum.293 Zusammenfassend wird man sagen, dass man in Reportatio A eine etwas freundlichere Haltung gegenüber Aristoteles gepaart mit einer schärferen Verurteilung des heterodoxen Aristotelismus findet. Doch auch wenn der Ton im Hexaëmeron insgesamt manchmal ins Polemische geht, inhaltlich ändert sich an den philosophischen Positionen wenig.294 Das eigentlich Neue wird man an anderer Stelle zu suchen haben, nämlich in der vor allem in denn Collationes III, 2–6 (14–18) und IV, 4 (23) entfalteten eschatologisch-geschichtstheologischen Vision.295 Entsprechend vorsichtig sollte man auch sein, das Hexaëmeron mit Etikettierungen wie „Antiaristotelismus“ oder „Antiphilosophismus“ zu versehen.296 Der wahre Kern daran ist, dass sich Bonaventura im Hexaëmeron sehr wohl der Gefahren einer sich absolut setzenden Philosophie bewusst war. Die Selbständigkeit der Philosophie (insofern sie eine nach eigenen Prinzipien verfahrende Wissenschaft ist) sollte damit jedoch nicht angegriffen werden. 292

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Vgl. bereits oben S. 18 und S. 33, Stellen sind vor allem Hex. I, 3 (6), 2–5; I, 4 (7), 2; erstere vergleicht diese pessimi errores (Reportatio B) mit dem puteus abyssalis aus Apc. 9, 1f. [Ed. Delorme, 92; V, 361], aus dem die Finsternis (d. h. finsterer Rauch) aufsteigt. Hex. I, 3 (6), 5 [Ed. Delorme, 92]; Reportatio B führte an derselben Stelle ein argumentum e silentio an, dass Aristoteles diese These vertreten hat: Nunquam invenies, quod ipse dicat, quod mundus habuit principium vel initium [V, 361a]. Im vorausgehenden Absatz verminderte Reportatio A auch die Anzahl der Autoritäten, die Aristoteles diesen Irrtum zuschrieben (es fehlen Johannes Damascenus und die commentatores omnium Arabum), ferner wird in Hex. I, 1 (4), 13 [Ed. Delorme, 55] jene Stelle aus Topica I, 11 [104b 12–16] angeführt, in der Aristoteles die Frage nach der Ewigkeit der Welt als nicht entscheidbar (weil nicht begründbar) einstuft. Hex. I, 4 (7), 2 ist eine Zusammenfassung der vorausgehenden Collatio, hier gehen beide Reportationes in eins, insofern sie die Positionen des Aristoteles mit der eigenen Position zu harmonisieren versuchen. Reportatio B stellt aber dennoch (vorsichtig) die aristotelische Urheberschaft dieser Irrtümer fest: Primam [scil. errorem de aeternitate mundi] videtur ponere Aristoteles, ultimam [scil. de poena et gloria] etiam …; de media autem [scil. de unitate intellectus] dicit Commentator, quod ipse hoc sensit [V, 365]. So bereits RATZINGER, Geschichtstheologie, 161 („In der inneren Auffassung der philosophischen und theologischen Probleme hat sich in der Tat auch beim späten Bonaventura praktisch nichts geändert.“). Vgl. bereits oben S. 19, Anm. 19. Vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 221f. Diese Schlagworte werden oft aus RATZINGER, Geschichtstheologie, 136–161, bes. 148f. und 153 zitiert; man sollte aber auch die Einschränkungen, die Ratzinger selbst beifügte (z. B. „daß sich Bonaventuras Polemik nicht primär gegen Aristoteles, sondern gegen die Aristoteliker seiner Zeit richtet“, 138) zur Kenntnis nehmen. Den „Antiphilosophismus“ des Hexaëmeron machte Ratzinger (ebd., 149–155) an verschiedenen bildhaften philosophiekritischen Äußerungen fest, darauf ist im folgenden Abschnitt noch einzugehen.

Texte und Kontexte

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Insgesamt ergibt sich für das Verhältnis Bonaventuras zu Aristoteles ein über seine gesamte Schaffensperiode ziemlich einheitliches Bild: Mit den meisten aristotelischen Schriften (d. h., so weit er sie zitiert) zeigte er sich hinlänglich vertraut. Anders etwa für seinen Schüler Petrus Johannis Olivi297 galt Aristoteles für den Doctor seraphicus als Autorität, der gegenüber er freilich sein eigenes Urteil bewahrte. Seine inhaltliche Position lässt sich als ein eklektischer Aristotelismus beschreiben, der mit zahlreichen neuplatonischen Elementen durchsetzt ist (vermittelt vor allem durch den Liber de causis, Avicenna, Avicebron sowie Augustinus und Pseudo-Dionysius Areopagita).298 Im Blick auf das Hexaëmeron schließlich bleibt festzuhalten, dass er sehr wohl zwischen den Positionen des Aristoteles und denen seiner früheren und zeitgenössischen Kommentatoren zu unterscheiden wusste, seine Polemik richtete sich ausschließlich gegen letztere. 2.2.2.3

Philosophie und Theologie

In diesem Abschnitt soll es darum gehen, Bonaventuras Sicht auf das Verhältnis von Philosophie und Theologie darzustellen. Dazu ist in erster Linie zu fragen, wie Bonaventura die Philosophie als Wissenschaft verstanden und beurteilt hat. Im vorliegenden Zusammenhang ist dies in zweierlei Hinsicht von Belang: Zum einen wurde bereits festgestellt, dass die Thematik von Zeit und Ewigkeit zu beiden Feldern, zur Philosophie und zur Theologie gehört,299 es bedarf also zunächst einer grundsätzlichen Klärung, wie die beiden Aspekte ineinandergreifen. Zum anderen spielt diese Frage ganz allgemein in Rahmen der Aristotelesrezeption eine nicht unbedeutende Rolle, denn dabei kam es zur Ausbildung eines neuen Modells von Wissenschaftlichkeit: Ἐπιστήµη (scientia) wird jetzt verstanden als ein „sicheres, bewiesenes Wissen, das auf Erfahrung gründet und als Mittel nur ein logisch sauberes Beweisverfahren mittels Syllogismen zuläßt.“300 Unter diesem neuen Paradigma gewann einerseits die Philosophie ein neues Selbstbewusstsein als autonome Wissenschaft, andererseits ergab sich daraus für die Theologie die Notwendigkeit, den Nachweis ihrer Wissenschaftlichkeit zu erbringen. Das Verständnis der Philosophie als ancilla theologiae, das noch im 12. Jahrhundert konsensfähig gewesen war, konnte unter diesen Voraussetzungen nicht aufrechterhalten werden. Entsprechende päpstliche Ermahnungen (so der Brief Gregors IX. vom 7. Juli 1228 an die Pariser Theologische Fakultät)301 änderten nichts an dieser Sachlage, das Verhältnis von Philosophie und Theologie musste auf einer grundsätzlichen Ebene neu 297

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Brüske Zurückweisungen der Autorität des Aristoteles wird man bei Bonaventura (meines Wissens) nirgends finden, bei Olivi hingegen waren sie häufig, vgl. z. B. II Sent. 16, ad 6 [BFSMA 4, 337]: … licet mihi non sit cura quid hic vel alibi senserit, eius enim auctoritas et cuiuslibet infidelis et idolatrae mihi est nulla oder II Sent. 31, resp. [BFSMA 4, 548].: Quod etiam Aristoteles hoc non senserit videtur, licet eius auctoritas mihi valde displiceat … Vgl. das Urteil von STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 225–240. Siehe oben S. 15. LEINSLE, Einführung, 122, Näheres siehe ebd., 121–123. Siehe DENIFLE / CHATELAIN, Chartularium universitatis Parisiensis I, 114–116 (nr. 59).

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

austariert werden. Die Auseinandersetzungen mit dem heterodoxen Aristotelismus kann man in gewisser Hinsicht als ein Ringen um genau diese Frage verstehen.302 Es wird dabei kaum verwundern, dass die entsprechenden Lösungsansätze eine große Bandbreite aufwiesen. Um so wichtiger ist es, die Position Bonaventuras in dieser Frage zu erfassen. Betrachtet man seine Äußerungen zum Stellenwert der Philosophie, so erhält man zunächst ein einigermaßen verwirrendes Bild, denn es findet sich sowohl ausdrückliches Lob über den Nutzen der Philosophie,303 wie auch deutliche Warnungen vor ihren Gefahren, etwa wenn die Philosophie mit dem Baum der Erkenntnis von Gut und Böse gleichgesetzt wird.304 Nachdem die Anzahl der positiven Wertungen der Philosophie deutlich geringer ist, könnte man geneigt sein, das durch Joseph Ratzinger gezeichnete Bild von Bonaventuras Antiphilosophismus und Antirationalismus zu akzeptieren.305 Doch spätere Bonaventuraausleger haben dem (zum Teil energisch) widersprochen.306 302

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Vgl. LEINSLE, Einführung, 132f., der hierfür insbesondere auf die Ausführungen in Boethius’ von Dacien De aeternitate mundi verweist, v. a. I & VII in: Bonaventura / Thomas de Aquino / Boethius de Dacia, Über die Ewigkeit der Welt, mit einer Einl. v. Rolf Schönberger, Übers. u. Anm. v. Peter Nickl, Frankfurt am Main 2000, 104–171, hier 104–107.166–171. Hier können u. a. die oben bereits genannten Stellen über das donum intellectus angeführt werden; siehe oben S. 28, bes. Anm. 36 (III Sent. 35, 1, 3, resp. [III, 778]; Hex., princ., 3 (3), 1–2 [V, 343; Ed. Delorme, 34f.]) sowie S. 79, Anm. 288 (Itin. III, 6; IV, 5 [V, 305.307a]). Weiter könnte man die Bezeichnung der (alten) Philosophen als filii lucis (Hex. I, 1 (4), 1 [V, 349]) anführen. In der frühen Ep. trib. qu. 12 [VIII, 335b] (Datierung auf 1250–1252) findet sich ebenfalls eine ausdrückliche Empfehlung der Philosophie, dort heißt es u. a.: Quodsi verba philosophorum aliquando plus valent ad intelligentiam veritatis et confutationem errorum, non deviat a puritate aliquando in his studere, maxime cum multae sint quaestiones fidei, quae sine his non possunt terminari. So in einer Predigt vom Advent 1267 (Serm. temp., Dominica III. Adventus, Sermo 2 [IX, 63a]: sed philosophia est lignum scientiae boni et mali, quia veritati permixta est falsitas). Hex. III, 5 (17), 26f. [V, 413; Ed. Delorme, 201] unterschied beim donum scientiae eine notitia exterior, quae tantum quaerit ut sciat et ibi sistit [Ed. Delorme], von der notitia interior – erstere wird mit dem Baum der Erkenntnis gleichgesetzt. Die Irrtümer der Philosophie wurden öfters als Weg (in die Gefangenschaft) Ägyptens gebrandmarkt (vgl. Hex., princ., 1 (1), 9; princ., 2 (2), 7; I, 1 (4), 1; III, 5 (17), 27; III, 7 (19), 18; [V, 330b.337b.349.414.423]). Hex. III, 7 (19), 12 [V, 422; Ed. Delorme, 216] sah eine große Gefahr beim Heranziehen philosophischer Werke, um damit Glaubensfragen zu lösen: in descensu ad philosophiam est maximum periculum [Ed. Delorme, 216] (betonte aber zuvor, dass auch im Studium der theologischen Werke Gefahren liegen); ebd. 14 warnte, allzu viel Wasser der Philosophie dem Wein der Heiligen Schrift beizumengen. Hex. I, 4 (7) handelte insgesamt vom defectus virtutum cardinalium in philosophis und dass die philosophischen Tugenden nur Straußenfedern sind, die nicht zum Fliegen (d. h. zur Heilung der Seele und ihrer Seligkeit) taugen (I, 4 (7), 12 [V, 367; Ed. Delorme, 103]). Diese Liste könnte noch erweitert werden (weitere Stellen bei RATZINGER, Geschichtstheologie, 149–155). Vgl. RATZINGER, Geschichtstheologie, 153 („Antiphilosophismus“), 157 („antiintellektuellen Stimmung“), zur Relativierung siehe oben S. 80, Anm. 296. Vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 220, SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 77 („Bonaventura war alles andere als philosophiefeindlich“), Andreas SPEER, Bonaventura. Die Ge-

Texte und Kontexte

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Nur wenn man erkennt, dass der Doctor seraphicus das philosophische Wissen (die philosophische Wissenschaft) als Teil eines Gesamtkonzepts der sapientia christiana verstand,307 kann man auch seine Warnungen vor der Philosophie richtig einordnen. Eine prägnante Darstellung dieses Konzepts gab Bonaventura in den Collationes de septem donis Spiritus Sancti IV (De dono scientiae).308 Menschliches Wissen entfaltet sich demnach in vier Stufen als scientia philosophica, scientia theologica, scientia gratuita, scientia gloriosa. Alle vier stehen unter dem gemeinsamen Begriff des Wissens als notitia veritatis, ihr Unterschied besteht in einem je verschiedenen Zugang zur Wahrheit. Die verschiedenen Formen des Wissens unterscheiden sich so nicht nur in dem, was gewusst wird, sondern auch darin, wie es gewusst wird und wie das entsprechende Wissen erlangt wird: Scientia philosophica nihil aliud est quam veritatis ut scrutabilis notitia certa. Scientia theologica est veritatis ut credibilis notitia pia. Scientia gratuita est veritatis ut diligibilis notitia sancta. Scientia gloriosa est veritatis ut desiderabilis notitia sempiterna.309

Innerhalb dieses Gesamtkonzeptes ist jede Form des Wissens zunächst als gut anzusehen, denn sie ist im Letzten auf Gott als den magnus dator scientiarum310 zurückzuführen, der den Menschen als vernünftiges Wesen geschaffen hat.311 Von daher kommt es auch, dass das Wissen den Glanz und das Licht (claritas) der Seele ausmacht.312 Zugleich wird es als menschliches Wissen dadurch unter eine Zielvorgabe gestellt: Es ist kein Selbstzweck, sondern dient in jeder seiner Formen dem Heil der Seele.313 Diese – sicherlich für Bonaventura typische – Vorgabe ist grundlegend, sie stellt die Richtschnur für alle weiteren Ausführungen dar und sowohl die Philosophie wie auch die Theologie haben sich an ihr zu messen.314 Oder, andersherum betrachtet: Das aristotelische Ver-

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wißheit der Erkenntnis, in: Theo Kobusch (Hrsg.), Philosophen des Mittelalters, Darmstadt 2000, 167–185, bes. 168f. Vgl. was bereits oben (ab S. 28) zur sapientia und zur intelligentia ausgeführt wurde. V, 473–479. Für das Folgende vgl. auch den Beitrag von Adolfo MUÑOZ-ALONSO, San Buenaventura y la filosofía, in: El Augustinismo de san Buenaventura. VII Centenario de su muerte (1274– 1974) (= Augustinus 19 (1974), Numero especial), Madrid 1974, 163–176. Don. IV, 5 [V, 474]. Don. IV, 1 [V, 473]; vgl. auch ebd. 4 [V, 474]: scientia philosophica et theologica est donum Dei. Don. IV, 2 [V, 474]: Deus naturam rationalem condidit et superaddidit gratiam. Don. IV, 2 [V, 474]: Claritas animae est scientia, econtra tenebra animae est ignorantia. Don. IV, 1 [V, 473]: … non petimus temporalia, sed utilitatem et salutem animae nostrae. An dieser Stelle könnten viele Querverbindungen ins Werk Bonaventuras gezogen werden, hier soll aber nur darauf hingewiesen werden, dass sich daraus insbesondere eine Ordnung dessen, was man wissen (und lernen) muss, ergibt: Quid dicit modum sciendi? Scire, quo ordine, quo studio, quo fine quisque addiscat: quo ordine, ut id prius addiscat quod maturius est ad salutem; quo studio, ut id ardentius, quod vehementius trahit ad amorem Dei; quo fine, ut non propter inanem gloriam, aut curiositatem, sed propter aedificationem suam et proximi addiscat (Don. IV, 23 [V, 478]).

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

dikt, dass alle Menschen von Natur aus nach Wissen streben,315 verstand Bonaventura als Ausdruck eines dreifachen Grundbedürfnisses des Menschen nach Weisheit (Erkenntnis), nach Seligkeit (Glück) und nach Frieden.316 Dieses Grundbedürfnis kann aber von keinem endlichen Gegenstand erfüllt werden,317 sondern erstreckt sich über jeden endlichen Gegenstand hinaus auf das unendliche Gut: nata est anima ad percipiendum bonum infinitum, quod Deus est, ideo in eo solo debet quiescere et eo frui.318 Bis zu diesem Gut muss auch die Philosophie aufsteigen, wenn sie ihrem Namen gerecht werden will, denn „die Philosophie ist letzten Endes eine Stufe in der Erkenntnis und Beschauung Gottes, und nur wenn der Verstand das sieht, ohne das er nicht das sehen kann, was er sieht, dann erfüllt die Philosophie ihren wesentlichen Auftrag.“319 Der so abgesteckte Rahmen bedeutet für die Philosophie eine relative Autonomie. Beide Aspekte dieser Bestimmung gilt es zu berücksichtigen: Denn erstens ist die Philosophie eine autonome Wissenschaft,320 was im Hinblick auf ihren Gegenstand und ihre Methode gilt. Ihr Objekt ist, wie oben gesehen, die veritas ut scrutabilis, d. h. die Wahrheit, insofern sie dem natürlichen Licht der Vernunft zugänglich ist.321 Von diesem Ausgangspunkt aus entfaltete Bonaventura dann die Systematik der Philosophie als veritas rerum, veritas sermonum und veritas morum.322 Die Prinzipien, nach denen die Philosophie bei der Erforschung der Wahrheit vorgeht, sind ebenfalls eigene,323 ihre Methode ist dabei in gewisser Weise der der Theologie gerade entgegengesetzt: Sie beginnt bei der (sinnlichen) Erfahrung und steigt von da aus schlussfolgernd zur ersten Ursache, dem primum principium auf, die Theologie hingegen nimmt das Höchste, Gott, als gegeben und steigt hinunter zu dessen Wirkungen.324 315 316 317 318 319 320 321

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Der berühmte Einleitungssatz, Metaphysica I (Α), 1 [980a 21]: Πάντες ἄνθρωποι τοῦ εἰδέναι ὀρέγονται φύσει. Vgl. Trin. 1, 1, arg. 6–8 [V, 46]; vgl. hierzu auch GILSON, Philosophie des hl. Bonaventura, 107f. Vgl. z. B. Serm. theol. II, 7 [V, 541]. I Sent. I, 3, 2, resp. [I, 41]; vgl. auch Serm. theol. II, 9 [V, 542]: Quid est intelligentia, quae nata est apprehendere Deum, summum bonum? MUÑOZ-ALONSO, San Buenaventura, 176 (eigene Übersetzung). Vgl. STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 194f. Vgl. etwa Brev., prol., § 3 [V, 205a]: philosophia quidem agit de rebus, ut sunt in natura, seu in anima secundum notitiam naturaliter insitam, vel etiam acquisitam. Vgl. auch Red. 4 [V, 320]: Tertium lumen, quod illuminat ad veritates intelligibiles perscrutandas, est lumen cognitionis philosophicae, quod ideo interius dicitur, quia interiores causas et latentes inquirit, et hoc per principia disciplinarum et veritatis naturalis, quae homini naturaliter sunt inserta. Vgl. Red. 4 [V, 320]; Don. IV, 7 [V, 474]; Hex. I, 1 (4), 2 [Ed. Delorme, 49f.; V, 349]; sie entspricht auch der Einteilung von Itin. III, 6 [V, 305] in die philosophia naturalis, rationalis und moralis. Vgl. Don. IV, 13 [V, 476]: sicut scientiae philosophicae super prima principia sua fundantur, ita scientia Scripturae fundatur super articulos fidei. II Sent. 30, 1, 1, resp. [II, 716a]: ratio in inquirendo dupliciter potest procedere: aut prout est adiuta radio fidei, et sic procedit aspiciendo ad causas superiores; aut prout iudicio proprio relicta est, et sic procedit inspiciendo ad naturas et causas inferiores, acquirit enim scientiam per viam

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Die Besonderheit ihres Gegenstandes und ihrer Methode gibt der Philosophie ein eigenständiges Profil gegenüber der Theologie, sie ist autonom, denn sie verfährt nach eigenen Regeln und ist nicht auf Theologie rückführbar. Gleichwohl – und das ist der zweite Punkt – ist die genannte Autonomie eine relative. Bonaventura sah nämlich nicht nur die Eigenständigkeit der Philosophie, er sah auch deutlich ihre Grenzen. Dies gilt insbesondere für den nobelsten Bereich der Philosophie, die Metaphysik. Der Ausgangspunkt seiner Argumentation ist dabei eine Analyse des Erkenntnisprozesses, wie er sich im Erfassen der Begriffe durch den Verstand darbietet.325 Dieses Erfassen geschieht, indem die Definition des durch den Begriff Bezeichneten angegeben wird, dazu ist aber ein Rückgriff auf höhere (allgemeinere) Begriffe notwendig. Die sich ergebende Aufstiegsbewegung führt schließlich zu den allgemeinsten Begriffen, nämlich dem des Seins an sich (ens per se) und seiner Grundbestimmungen (unum, verum, bonum), von deren Erfassung schließlich der gesamte Erkenntnisprozess abhängt.326 Ist damit aber die Struktur des Seienden vollständig aufgedeckt? Nein, für Bonaventura ist die notwendige resolutio, die Rückführung auf den letzten Grund noch nicht abgeschlossen, denn beim Bedenken des Seins treten neben den genannten noch weitere Bestimmungen (conditiones) zutage: Jedes (geschaffene) Seiende wird stets auch als unvollkommenes, vergängliches, abhängiges Seiendes wahrgenommen. Die Erkenntnis der genannten Privationen bzw. Defekte ist aber nur auf dem Hintergrund entsprechender positiver Bestimmungen möglich.327 Das bedeutet aber, dass jedes endliche (geschaffene) Seiende nur auf dem Hintergrund und unter der Voraussetzung eines vollkommenen, unvergänglichen, absoluten Seins erkannt werden kann. Kurz gesagt: „Das Ersterkannte ist nicht das Sein im Allgemeinen, sondern das erste, das göttliche Sein.“328 Erst mit dieser Feststellung ist der Begriff des Seins hinreichend bestimmt. Und an dieser Stelle zeigt sich die Grenze der Metaphysik: Denn um den „Begriff“ des göttlichen Seins zu bestimmen,

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sensus et experientiae. Vgl. auch Serm. theol. IV, 18 [V, 572]: indubitanter tamen verum est, secundum quod dicit Philosophus, cognitionem generari in nobis via sensus, memoriae et experientiae, … Ferner Brev. I, 1 [V, 210]: Ipsa etiam [scil. sacra doctrina] sola est sapientia perfecta, quae incipit a causa summa, ut est principium causatorum, ubi terminatur cognitio philosophica. Vgl. auch GILSON, Philosophie des hl. Bonaventura, 109. Vgl. vor allem Itin. III, 3 [V, 304]; für das Folgende beziehe ich mich vor allem auf SPEER, Bonaventura, 174–183, dessen Gedankengang ich hier zusammenfassend wiedergebe. Vgl. Itin. III, 3 [V, 304a]: Nisi igitur cognoscatur, quid est ens per se, non potest plene sciri definitio alicuius specialis substantiae. Nec ens per se cognosci potest, nisi cognoscatur cum suis conditionibus, quae sunt: unum, verum, bonum. So stellte Bonaventura fest mit Bezug auf AVERROES, In De anima III, txt. 25, in: Commentarium magnum in Aristotelis de anima libros, rec. S. Stuart Crawford (= Corpus commentariorum Averrois in Aristotelem 6.1), Cambridge, Mass. 1953, hier 462, Z. 26–28. SPEER, Bonaventura, 178 mit Bezug auf Hex. II, 3 (10), 6 [V, 378]: esse enim divinum primum est, quod venit in mente. Erst hier kommt es zur plena resolutio (Itin. III, 3 [V, 304a]) des Intellektes, vgl. I Sent. 28, dub. 1 [I, 504b]: Intellectu resolvente semiplene, potest intelligi aliquid esse, non intellecto primo ente. Intellectu autem resolvente perfecte, non potest intelligi aliquid, primo ente non intellecto.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

bedarf es einer besonderen Erleuchtung.329 Das bedeutet aber nichts anderes, als dass „die Metaphysik das Fundament unserer Erkenntnis letztlich nicht adäquat auszuweisen“ vermag,330 vielmehr bleibt sie dabei auf Vorgaben verwiesen, die jenseits ihrer selbst liegen. Diese von Bonaventura vorgenommene Grenzziehung gilt es, sehr sorgfältig auszuloten. Sie bedeutet nicht, dass Metaphysik dadurch grundsätzlich unmöglich wird. Unmöglich wird aus dieser Perspektive nur eine Form der Metaphysik, die von einem rein abstrakt-formalen Seinsbegriff ausgeht, der keine ontologische Füllung besitzt. Die von dem Doctor seraphicus favorisierte Gestalt der Metaphysik dagegen zeichnet sich durch ihren exemplaristisch-resolutiven Charakter aus:331 Im Bedenken der beiden Gestalten des Seins als causa und causatum, als notwendiges und kontingentes Sein gelangt sie zu einem Verständnis des ersten Seins als ex se, secundum se und propter se. Dieses erweist sich im Hinblick auf das kontingente Sein als Ursprung, Mitte und Ziel. Die „Mitte“ besteht dabei darin, Urbild (in ratione omnia exemplantis) und Wahrheit alles geschaffenen Seins zu sein.332 Der Exemplarismus erscheint so als die eigentliche Herzmitte der Metaphysik und in ihm scheint auf, inwiefern die Philosophie das Wahre an und für sich betrachtet.333 An dieser Stelle ist noch einmal zu betonen, dass hier zwar die Zusammengehörigkeit und auch die gegenseitige Verwiesenheit der beiden Wissenschaften Philosophie und Theologie betont wird, dass dabei aber keineswegs eine Rückführung der Philosophie auf Theologie propagiert wird, so wenig wie die obengenannte „Erleuchtung“ einfachhin mit dem Licht des Glaubens in eins gesetzt werden darf.334 Worum es Bonaventura bei seiner Erkenntnisanalyse ging, war nicht eine Destruktion philosophischen Wissens, 329

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Vgl. SPEER, Bonaventura, 178. In der Systematik der drei Erleuchtungsstufen des Itinerarium geschieht hier der Übergang von der zweiten Stufe (der Betrachtung Gottes intra nos) zur dritten Stufe (supra nos); dieser Betrachtung des göttlichen Seins widmete sich dann Itin. V [V, 308– 310]. SPEER, Bonaventura, 178. Die unter dem Stichwort Exemplarismus zu behandelnde Metaphysik Bonaventuras kann hier nur kurz angerissen werden. Ein Programm gab Bonaventura selbst in Hex., princ., 1 (1), 12–17 [V, 331f.; Ed. Delorme, 5–7], für das Folgende vgl. besonders nr. 13. Das Wesentliche in einem Satz zusammenfassend stellte Bonaventura fest: haec est tota nostra metaphysica: de emanatione, de exemplaritate, de consummatione, scilicet illuminari per radios spirituales et reduci ad summum (ebd. 17 [V, 332b]). Für einen Einblick in die Thematik vgl. den Artikel «Exemplar» in Jacques Guy BOUGEROL (Hrsg.), Lexique Saint Bonaventure, Paris 1969, 61–65. Hex., princ., 1 (1), 13 [V, 331]. Vgl. Brev., prol., § 1 [V, 203a]: … philosophia, quae non tantum de veritate morum, verum etiam agit de vero nuda speculatione considerato. So wurde Red. 1 [V, 319a] etwa unterschieden zwischen dem lumen interius, scilicet lumen cognitionis philosophicae und dem lumen superius, scilicet lumen gratiae et sacrae Scripturae. Dementsprechend wurden in Hex. I, 4 (7), 3f. [V, 365f.] (nur in Reportatio B) die Philosophen der platonischen Richtung „erleuchtet“ (illuminati) genannt, weil sie die Existenz der Ideen (und damit die exemplaritas) vertraten.

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was er forderte, war „eine klare Rechenschaftsabgabe über die Gewissheitsgründe jeglichen Wissens“.335 Diese Forderung ist ganz im Sinn des neuen Wissenschaftsbildes (auch wenn es natürlich eine sehr alte Forderung ist); sie ist dabei auch keine Frage einer aristotelischen oder augustinisch-neuplatonischen Ausrichtung der Philosophie, sondern es geht um den ihr gemäßen Ort im Ganzen der Wissenschaften und der sapientia christiana. Von diesem Ort her ist schließlich auch die zum Teil herbe Kritik zu verstehen, die Bonaventura in den drei Reihen der Collationes in decem praeceptis, de septem donis Spiritus Sancti und in Hexaëmeron übte. Bonaventura unterschied dabei sehr wohl zwischen der Wissenschaft an sich und dem menschlichen Umgang mit dieser Wissenschaft. Hinsichtlich des Ersten betonte er, dass sich die Philosophie nicht absolut setzen darf, das heißt: Sie muss, erstens, die vorgegebene Grenze anerkennen und darf sie nicht überschreiten. Für jene Wahrheiten, die supra rationem sind und zu deren Erkenntnis das Licht des Glaubens notwendig ist, kann sie keine Kompetenz beanspruchen.336 Sie darf aber, zweitens, auch nicht bei sich selbst stehenbleiben. Bonaventura mahnte eindringlich: Philosophica scientia via est ad alias scientias, sed qui ibi vult stare cadit in tenebras.337 Es geht hier nicht darum, die Philosophie zur Hilfswissenschaft zu degradieren, sie wird jedoch dazu verpflichtet, das Gesamt der Wahrheiten (eben auch jener theologischen Wahrheiten, die jenseits ihres Gebietes liegen) ernstzunehmen, ansonsten wird sie ihre eigene Wahrheit verfehlen.338 Zudem muss sie sich bewusst bleiben, dass sie die Glückseligkeit als das eigentliche Ziel des Menschen, in dem er zur Ruhe 335

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SPEER, Bonaventura, 180. Anstatt von der Erkenntnisanalyse Bonaventuras auszugehen, hätte man genauso gut die Frage nach der Gewissheit des (menschlichen) Wissens als Ausgangspunkt nehmen können; vgl. SPEER, Bonaventura, 172–174 oder Jean CHÂTILLON, Saint Bonaventure et la philosophie, in: Alfonso Pompei (Hrsg.), San Bonaventura maestro di vita Francescana e di sapienza cristiana. Atti del Congresso internazionale per il VII centenario di San Bonaventura da Bagnoregio, Tom. I, Roma 1976, 429–446, hier 442f. Bei Bonaventura finden sich entsprechende Analysen in Scient. 4 [V, 17–27] (Utrum quidquid a nobis certitudinaliter cognoscitur cognoscatur in ipsis rationibus aeternis) und in Serm. theol. IV, 6–10 [V, 568–570], wo Christus als der magister cognitionis, quae est per rationem vorgestellt wird. Vgl. ferner Itin. III, 3f.; II, 9 [V, 304f.301f.]. Der in Hex. III, 7 (19), 14 [V, 422; Ed. Delorme, 217] lancierte Vorwurf, dem Wein der Heiligen Schrift nicht zu viel Wasser der Philosophie beizumischen, hat so die Spitze, die beiden Wissenschaften sorgfältig(er) zu trennen. Am Anfang der Nummer 14 rekurrierte Bonaventura ja auf ein Franziskusdiktum, der mit einem Heiden de fide disputari non poterat, quia supra rationem est. – In dem Sinn einer Warnung vor Grenzüberschreitung wird man auch Hex. I, 1 (4), 1 [Ed. Delorme, 48] lesen: Similiter de philosophis antiquis: dicentes se plene sapientes in investigatione rerum per lucem naturalem, stulti facti sunt … (Unterstreichung von mir). Don. IV, 12 [V, 476]. Eine Philosophie, die von den geoffenbarten Wahrheiten völlig absieht, stellte für Bonaventura einen Rückfall in eine unzeitgemäße, längst überholte Gestalt der Philosophie dar, es war ihm eine Rückkehr zu den „Fleischtöpfen Ägyptens“ (Stellen siehe oben S. 82, Anm. 304). Vgl. auch SCHLOSSER, Einleitung [über den Grund der Gewißheit], 6: „Die Verabsolutierung von Ergebnissen einer Wissenschaft, welche nicht beanspruchen kann, den Blick auf das Ganze zu haben, führt in den Irrtum.“

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kommt, nicht zu geben vermag,339 und das, obwohl sie grundsätzlich (wie oben S. 84 ausgeführt) darauf ausgerichtet ist340 – die Scheidelinie zwischen scientia und sapientia, zwischen dem, was die Vernunft aus ihren eigenen Möglichkeiten heraus zu leisten vermag, und dem, was den Menschen erfüllt, wird hier noch einmal deutlich zu Bewusstsein gebracht.341 Was die zweite Frage des menschlich-praktischen Umgangs mit der Philosophie anlangt, so war Bonaventura von der Grundüberzeugung getragen, dass der Zugang zur Wahrheit auch davon abhängt, wie man sich ihr nähert. Gerade weil menschliches Wissen oft in einer Mischung aus Wahrem und Falschen begegnet (von daher auch der Hinweis auf das lignum scientiae boni et mali),342 ist die Haltung des Wahrheit Suchenden entscheidend: Die Wahrheit enthüllt sich nur dem, der ihr in Demut (humilitas) entgegengeht,343 wer dagegen von bloßer Neugier und Stolz getrieben ist, der verfehlt sie und fällt in Finsternis.344 Und auch hier gilt: Es geht nicht um das Wissen an sich (im Sinn einer reinen Anhäufung von Fakten), sondern um das Heilswissen als das entschei339

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Hex. I, 3 (7) warnte des Öfteren (Absätze 2, 3, 5, 12 [V, 365–367; Ed. Delorme, 99–103]) vor falschen Konzeptionen einer mehr oder weniger innerweltlichen Seligkeit. Ein solches Konzept diesseitiger Glückseligkeit fand man etwa auch bei Boethius von Dacien (Stellen siehe SPEER, Bonaventura, 183). Insofern kann sie durchaus einen Vorgeschmack davon vermitteln, es gilt hier dasselbe, was oben (S. 28) bereits über das Verhältnis von intellectus und sapientia gesagt wurde. – Die Philosophie untersucht ja auch nichts anderes als die sapientia diffusa in omni re (Hex., princ., 2 (2), 21 [V, 340]). Vgl. Scient. 4, ad 19 [V, 26]: … attingere rationes illas [scil. aeternas] non facit sapientem, nisi quis in eis quiescat et sciat, se illas attingere, quod quidem spectat ad sapientem. Huiusmodi enim rationes attinguntur ab intellectibus scientium ut ductivae, sed ab intellectibus sapientium ut reductive et quietative. Siehe oben S. 82, Anm. 304 – in der Vermischung von Wahrem und Falschem sah Bonaventura auch die eigentliche Gefahr in der Philosophie. Vgl. Itin., prol., 4 [V, 296]: ne forte credat, quod sibi sufficiat … scientia sine caritate, intelligentia sine humilitate … ne forte ex ipsa radiorum speculatione in graviorem incidas foveam tenebrarum. Vgl. auch die Empfehlung Christi als medium humilitatis in Hex., princ., 1 (1), 23 [V, 333; Ed. Delorme, 11] (dessen Verlust Bonaventura an ebendieser Stelle beklagte). Vgl. in diesem Sinn Praec. II, 24 [V, 514]: Omnes autem falsae et superstitiosae adinventiones errorum proveniunt aut ex improbo ausu investigationis philosophicae aut … Sehr deutlich auch Don. IV, 12 [V, 475]: Qui confidit in scientia philosophica et appretiatur se propter hoc et credit, se esse meliorem, stultus factus est, scilicet quando per istam scientiam sine ulteriori lumine credit, se apprehendere Creatorem; sicut si homo per candelas vellet videre caelum vel corpus solare. Vgl. auch Hex. I, 1 (4), 1 [V, 349; Ed. Delorme, 48]. Die Warnung vor der curiositas findet sich im Hexaëmeron vor allem in Reportatio A (Hex., princ., 1 (1), 24; I, 2 (5), 21 [Ed. Delorme, 11.84]), vgl. aber auch Hex., princ., 2 (2), 21 [V, 340; ähnlich Ed. Delorme, 27]: Quando enim per curiosam perscrutationem creaturarum dat se quis ad investigandam istam sapientiam, tunc longius recedit. – Die Warnung vor der curiositas im Zusammenhang mit der Philosophie ist auch kein neues Thema des Hexaëmeron, es fand sich bereits in dem zwischen 1254 und 1257 entstandenen Koheletkommentar (In Eccl. I, 2 [VI, 17–20] passim).

Texte und Kontexte

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dende Wissen.345 Der wahre Philosoph ist für Bonaventura nicht der, der alles über Aristoteles weiß und ihn als unhinterfragbare Autorität ansieht,346 „sondern derjenige, der nach der Wahrheit fragt.“347 Für einen Christen ist diese Wahrheit aber ein für alle Mal geprägt durch die Person Jesu Christi: Er ist die Mitte von der alle Wissenschaften auszugehen haben und auf die hin alle anderen Wahrheiten ausgerichtet sind.348 Es lässt sich nicht bestreiten, dass Bonaventura die Theologie höher ansetzte als die übrigen Wissenschaften (die Philosophie eingeschlossen).349 Den Hauptgrund dafür sah er darin, dass sie mit den obengenannten350 Grundbedürfnissen des Menschen nach Weisheit (Erkenntnis), nach Seligkeit (Glück) und nach Frieden in engerer Verbindung steht: Agit enim theologus de salute animae, quomodo inchoatur in fide, promovetur in virtutibus, consummatur in dotibus.351 In der Ausrichtung auf das höchste Gute, das nicht nur geschaut, sondern auch geliebt werden möchte, hat die Theologie einen „affektiven Charakter“ (habitus affectus) und wird zwischen den spekulativen (theoretischen) und den praktischen Wissenschaften eingeordnet,352 entsprechend bestimmt Bonaventura ihren Hauptzweck durch das ut boni fiamus.353 – Diese Überordnung sollte 345

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Es gibt Wissen, das den Menschen nährt und sättigt (reficit), und solches, das ihn innerlich leer lässt; vgl. Hex. III, 5 (17), 6f. [V, 410] (De refectione intellectus): Philosophus dicit, quod magna delectatio est scire, quod diameter est asymeter costae; haec delectatio sit sua; modo comedat illam. Anstelle der Inkommensurabilität von (Quadrat-)Seite und Diagonale hat Reportatio A ein anderes Beispiel (die Innenwinkelsumme im Dreieck), der springende Punkt ist aber beide Male derselbe: Non sic est de triangulo, de quo licet aliqualiter delectetur sciens quare tres habet angulos intrinsecus aequipollentes duobus rectis extrinsecis, tamen ignorans negative non contristatur [Ed. Delorme, 196]; vgl. auch ebd. 26 [V, 413; Ed. Delorme, 201] die Unterscheidung von notitia interior und exterior, letztere ist die notitia, de qua qui plus bibet plus sitit (Reportatio B) bzw. die notitia, quae tantum quaerit ut sciat et ibi sistit (Reportatio A). Vgl. auch oben Anm. 304, S. 82. Vgl. Serm. temp., Dominica III. Adventus, Sermo 2 [IX, 63a]: Sed si es aemulator Philosophorum, dicis: quomodo potuit decipi Aristoteles? SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 79. Vgl. Hex., princ., 1 (1), 10–39, insbes. 10 [Ed. Delorme, 4]: In Christo ergo, qui tenet medium in omnibus, incipiendum et per ipsum perveniendum est ad Creatorem. In diesem Sinn warnte Bonaventura in der oben (S. 89, Anm. 346) angeführten Predigt auch die Wissenschaftler vor der Gefahr, quod nesciunt Christum … propter curiositatem (Serm. temp., Dominica III. Adventus, Sermo 2 [IX, 63b]). Vgl. z. B. die Bezeichnung als scientia altissima et nobilissima (III Sent. 23, 1, 4, arg. 5 [III, 481]), ferner Don. IV, 13 [V, 476]: Ultra scientiam philosophicam dedit nobis Deus scientiam theologicam …, auch die in Hex. III, 7 (19) [V, 419–424; Ed. Delorme, 212–222], besonders in 9–12, vorgestellte Studienordnung legt davon Zeugnis ab. – STEENBERGHEN, La philosophie au XIIIe siècle, 241f. ging dabei für Bonaventura von einer sehr weit gehenden Unterordnung (subalternatio) der Philosophie unter die Theologie aus. Siehe oben S. 84. Hex., princ., 1 (1), 37 [V, 335]. Vgl. I Sent., prooem., 3, resp. [I, 13]. Ebd. – Vgl. auch Hex. III, 7 (19), 22 [Ed. Delorme, 220]; Brev., prol., § 5 [V, 206], wo dasselbe von der Lehre der Heiligen Schrift ausgesagt wird.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

nun freilich nicht dazu verleiten, die Grenzen, die auch die Theologie besitzt, zu übersehen. Die im vorigen Absatz formulierte, zeitbedingte Kritik Bonaventuras gilt für die Theologie in mindestens demselben Maße wie für die Philosophie:354 Auch hier ist die humilitas die entscheidende Grundhaltung,355 auch sie hat sich als dienende Wissenschaft zu verstehen,356 und auch sie hat einen transitorischen Charakter:357 Sowenig wie bei der Philosophie darf man bei der Theologie stehenbleiben, nach Don. IV, 19–24 [V, 477–479] muss sie abgelöst werden von der scientia gratuita als der Wissenschaft der Heiligen, in der sich die gewonnene Einsicht noch tiefer mit einem Tun in Liebe verbindet.358 Hex. III, 7 (19) [V, 419–424; Ed. Delorme, 212–222] betonte in ähnlicher Absicht die Bedeutung des studium sanctitatis, das als Mittel des Übergangs von der scientia zur sapientia dient.359 In beiden Schriften ist damit nicht eine Entwertung der 354

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So galt z. B. die Philosophenschelte in Hex. I, 1 (4), 1 [V, 349; Ed. Delorme, 48], sie seien durch ihren Hochmut gefallene Engel (luciferani), in gleicher Weise auch für den hochmütigen vir contemplativus (Hex. IV, 4 (22), 42 [V, 444; sinngemäß auch in Ed. Delorme, 264]). Vgl. z. B. Brev., prol., § 4 [V, 206a] über den „Hörer“ der Heiligen Schrift (nullus est conveniens eius auditor nisi humilis, mundus, fidelis et studiosus) und das Vorbild Christi (decebat ipsum et eius doctrinam habere humilitatem in sermone cum profunditatem in sapientiae), ähnlich auch Serm. theol. IV, 21f. [V, 572f.], weitere Anforderungen an einen Lehrer der Theologie wurden ebd., 24–28 [V, 573f.] beschrieben, die Schlussmahnung warnte u. a. vor der praesumtio sensuum als einem der Dinge, die das Erfassen der Wahrheit (perceptionem veritatis) verhindern. Vgl. Serm. theol. IV, 24 [V, 573]: … et ideo omnis doctrina ministerialis doctoris ad haec tria debet ordinari … Debet namque ministerialis magister intendere scientiae veritatis fidei … Auch hier traf die Kritik Bonaventuras beide Wissenschaften zugleich, wenn es Hex. III, 7 (19), 15 [V, 422] hieß: … similiter in scriptis magistorum et in scriptis philosophorum, sed transeundo et furando, quasi ibi non sit permanendum. Die Reportatio A [Ed. Delorme, 217f.] bezog sich dabei allerdings nur auf die scripta philosophorum. Darum ist sie die veritatis ut credibilis et diligibilis notitia sancta (siehe oben S. 83), man beachte besonders den Übergang 18f. [V, 477] von der Theologie zur scientia Sanctorum: Ista scientia [scil. theologia], si non adsit operis impletio, non est utilis sed damnosa … Ideo aliam claritatem oportet habere, scilicet scientiae gratuitae, quae est forma claritatum duarum praecedentium [scil. philosophiae et theologiae]. Vgl. besonders Absatz 3 [V, 420; ähnlich bei Ed. Delorme, 213 am Ende von Absatz 1–2]: Non est ergo securus transitus a scientia ad sapientiam, oportet ergo medium ponere, scilicet sanctitatem. Man beachte dabei, dass die Collatio III, 7 (19) den Übergang von der dritten zur vierten Visio herstellt. In der dritten Visio behandelte Bonaventura die intelligentia per scripturam erudita, die scientia meint in dem Zitat also sicher nicht allein die philosophische Wissenschaft, sondern schließt die Theologie mit ein. – Eine Stellung der Theologie als „Übergangswissenschaft“ findet man auch in früheren Schriften Bonaventuras, der konzeptuelle Rahmen ist hier allerdings ein anderer: Im Serm. theol. IV, 1.15 [V, 567.571] erschien die Theologie als Mittelglied eines dreifachen modus cognoscendi (per credulitatem piae assensionis – per approbationem rectae rationis – per claritatem mundae contemplationis) bzw. einer in drei Schritten aufgebauten Ordnung, um zur Weisheit zu gelangen (ut inchoetur a stabilitate fidei et procedatur per serenitatem rationis, ut perveniatur ad suavitatem contemplationis). Das Brev., prol. [V, 201f.] zeichnete einen Dreischritt von ortus, progressus und status sacrae Scripturae: Der Beginn ist per divinam revelationem, das Ende ist die plenitudo aeternae felicitatis, die das Ziel alles Studierens und Lehrens ist (Hoc igitur

Texte und Kontexte

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Theologie intendiert,360 wie bei der Philosophie geht es darum, ihr den rechten Platz innerhalb des Gesamtgebäudes der sapientia zuzuweisen, um so von Klarheit zu Klarheit (vgl. 2 Cor. 3, 18) fortzuschreiten.361 So viel zu den Gemeinsamkeiten von Philosophie und Theologie, sie sollten selbstverständlich nicht dazu verleiten, die Unterschiede zwischen beiden Wissenschaften zu verwischen. Diese liegen, wie oben (S. 84) bereits ausgeführt im Gegenstand und in der Methode. Vor allem Letzteres gilt es noch einmal hervorzuheben, denn die Theologie zeichnet sich zwar durch ein begründendes und insofern rationales Vorgehen aus,362 insofern aber der Glaube363 das in seinen wesentlichen Inhalten bereits vorgegebene Fundament darstellt, ist – im Gegensatz zur Philosophie – die von der Theologie zu erbringende Begründungsleistung (eben als Einsichtigmachen des bereits Geglaubten) etwas „Nachträgliches“. Dem korrespondiert sowohl die Feststellung, dass die Glaubensaussagen in einem Bereich anzusiedeln sind, zu dem sich die Vernunft nicht aus eigener Kraft erheben kann,364 als auch der im Vergleich zur Philosophie umgekehrte Weg der Theologie als einem Absteigen vom ersten Prinzip zu dessen Wirkungen.365 Auch die Natur der Begründungen ist dementsprechend eine andere als in der „profanen“ Wissenschaft: Sie gelangt (in der Regel) nur zu Wahrscheinlichkeitsgründen (rationes probabi-

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fine, hac intentione sacra Scriptura perscrutanda est et docenda et etiam audienda), die Theologie als Erforschung der Heiligen Schrift ist dabei ein Teil (!) des progressus sacrae Scripturae. Vgl. Hex. III, 7 (19), 3 [V, 420, ähnlich Ed. Delorme, 213]: ad sapientiam autem perveniri non potest nisi per disciplinam, nec ad disciplinam, nisi per scientiam, und sehr deutlich auch Don. IV, 18 [V, 477]: Si fundamenta Ecclesiae consistunt in scientia sacrae Scripturae, ideo qui sacram Scripturam nescit repellendus est ab officio et dignitate ecclesiastica. Darum hieß es im Anschluss an das in der vorausgehenden Anmerkung angeführte Zitat in Hex. III, 7 (19), 3 [V, 420]: non est ergo praeferendum ultimum primo. Malus esset mercator, qui stannum praeeligeret auro. Qui enim praefert scientiam sanctitati nunquam prosperabitur. – Darum wurde auch im Folgenden der modus und der ordo studendi mit seinen vier „Kreisen“ (Heilige Schrift, Zeugnisse der Heiligen, theologische und philosophische Schriften) dargelegt, und darum wurde in Don. IV, 23 [V, 478] dargelegt, dass die scientia gratuita auch den modus sciendi lehrt, nämlich quo ordine, quo studio, quo fine quisque addiscat. Vgl. I Sent., prooem., 2, resp. [I, 10]: Die Vorgehensweise des Theologen ist der modus ratiocinativus sive inquisitivus; vgl. auch I Sent., prooem., 1, resp. [I, 7b]: et sic [subiectum theologiae] est credibile, prout tamen credibile transit in rationem intelligibilis, et hoc per additionem rationis. Bonaventura dachte dabei nicht an einen natürlichen Glauben, sondern an die gnadenhafte fides infusa (vgl. Brev., prol. [V, 201ab]), dieser ist seinerseits inhaltlich rückgebunden an die Heilige Schrift und die Lehre der Kirche. Vgl. ferner Ulrich G. LEINSLE, Glaubensvermittlung in der scholastischen Theologie. Bonaventuras Breviloquium, in: Heinrich Petri u. a. (Hrsg.), Glaubensvermittlung im Umbruch. Festschrift für Bischof Manfred Müller, Regensburg 1996, 145–167, hier 147f. Vgl. z. B. Hex. I, 4 (7), 6 [V, 366b; sinngemäß Ed. Delorme, 101]: … cum [scil. philosophi] essent investigatores secundum potentiam rationis, ratio nostra non potest ad hoc pervenire, ut corpora resurgant … Siehe oben S. 84.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

litatis), zu Gründen der Konvenienz und der Angemessenheit.366 Zu dieser Konzeption von Theologie nötigte Bonaventura vor allem der Respekt vor Gottes Freiheit, dessen Handeln nicht in den Kategorien menschlichen Denkens deduzierbar sein kann.367 Die Nachträglichkeit der theologischen Begründungen bedeutet dennoch nicht, dass sie überflüssig oder nur ein schöner Schmuck wären. Im Gegenteil, denn das eigentliche Ziel, die sapientia als „das Schmecken, Verkosten des im Glauben Erkannten“, erreicht man „niemals ohne das Einsichtigmachen des Glaubensinhaltes.“368 Der transitus, den die Theologie darstellt, erweist sich so in gewisser Weise als notwendig – „in gewisser Weise“, denn Bonaventura ging nicht so weit, Theologie als heilsnotwendig für den einzelnen Christen hinzustellen –, und die Rationalität stellt somit ein wesentliches Element des Glaubens selbst dar. Damit aber ist auch die Einbeziehung des profanen Wissens nicht nur wünschenswert, sondern sogar gefordert.369 Zusammenfassend gilt es festzuhalten, dass Bonaventura sowohl die Philosophie als auch Theologie innerhalb eines Gesamtkonzeptes der sapientia christiana sah.370 Beide haben in diesem Konzept einen festumrissenen Platz, auf dem sie zu dem letztlich angezielten transitus ad sapientiam mitwirken. Die in den Spätschriften aus gegebenem Anlass geäußerte Kritik bezieht sich auf eine Absolutsetzung der Philosophie, die sie außerhalb dieses Ordnungsgefüges stellt,371 und auf „eine unkritische Übernahme vermeintlich erwiesener Ergebnisse aus der Philosophie in die Theologie“,372 durch die die christlichen Grundwahrheiten verdunkelt werden. Die gleichzeitig vorhandenen positiven Aussagen zeigen, dass sich an der grundsätzlichen Wertschätzung der Philosophie durch Bonaventura kaum etwas geändert hat. „Wer die Schrift liebt, liebt die Philosophie, um durch sie den Glauben zu bekräftigen“,373 diesen Satz Bonaventuras sollte man nicht als eine Instrumentalisierung der Philosophie zu Glaubenszwecken verstehen, sondern als ein Bekenntnis zu seiner Grundüberzeugung von der Rationalität des Glau366

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I Sent., prooem., 1, ad 5.6 [I, 8] (supra rationem veritatis et auctoritatis addit rationem probabilitatis); was den Aspekt der Konvenienz und der Angemessenheit angeht, so verwies LEINSLE, Glaubensvermittlung, 160f. beispielhaft auf Bonaventuras Diskussion der Frage De ratione, qua Verbum Dei debuit incarnari vel decuit (Brev. IV, 1 [V, 241f.]) und hierher gehört auch das Prinzip von Gott altissime et piissime zu denken, etwa in Trin. 1, 2, resp. [V, 55b–56a]; vgl. auch Hex. II, 2 (9), 24 [V, 376]; ebd. [Ed. Delorme, 123] hat piissime, verissime, optime. Vgl. LEINSLE, Glaubensvermittlung, 167. LEINSLE, Glaubensvermittlung, 154. Vgl. hierzu noch einmal III Sent. 35, 1, 3, resp. und ad 3 [III, 778f.] sowie Hex. III, 7 (19), 5 [V, 421]: Oportet scire, ut de fructibus sapientiae habeatur, et per portas civitatis possimus introire. Vgl. LEINSLE, Glaubensvermittlung, 165. Ob dieses „Ideal theologischer Wissenschaft und Weisheit … bereits zu seiner Zeit angesichts der universitären Entwicklung veraltet anmuten muß“ (LEINSLE, Einführung, 155), oder ob es nicht vielmehr das organischere Konzept darstellt, sei dahingestellt. Kritisiert werden die, qui totaliter se ibi incurvant in Hex. III, 7 (19), 13 [V, 422; ähnlich Ed. Delorme, 217]. SCHLOSSER, Einleitung [über den Grund der Gewißheit], 5. Serm. temp., Dominica III. Adventus, Sermo 2 [IX, 63a].

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bens (im oben dargelegten Sinn), zu der die Philosophie einen nicht zu vernachlässigen Beitrag zu leisten hat. Wenn es zwischen Theologie und Philosophie abzuwägen gilt, so ist das erkenntnisleitende Interesse Bonaventuras ohne Zweifel ein theologisches. Aus diesem Grund erscheint der Doctor seraphicus als einer, der die Philosophie zwar sehr intensiv benutzt (wie sich in seinen Schriften allenthalben zeigt),374 der aber nicht im strengen Sinn eine eigene philosophische Synthese entwickelt hat, vielmehr stehen „die philosophisch relevanten Aussagen Bonaventuras alle von vornherein in einem theologischen Kontext“.375 Von daher lassen sich zwar gewisse inhaltlich philosophische Fluchtlinien aufzeigen, die sich durch das Werk Bonaventuras hindurchziehen, daraus kann man aber nicht eine „Philosophie Bonaventuras“ konstruieren, die die Verbindung zu seiner Theologie und zu seinem Konzept der sapientia (als der eigentlichen Synthese) hinter sich lässt. Dem gilt es Rechnung zu tragen, wenn man die Thematik von Zeit und Ewigkeit bei Bonaventura untersuchen will: Das Interesse Bonaventuras an den rein philosophischen Aspekten ist auch in diesem Bereich nicht besonders groß, und insofern wird man hier keine außerordentlichen Syntheseleistungen erwarten, sondern den eher rezeptiven Charakter seiner Darstellung berücksichtigen.376 Gleichzeitig sollte dabei bereits deutlich geworden sein, dass Bonaventura zwar vorsichtig, aber durchaus kritisch Stellung bezog. Die eigentlichen Begründungszusammenhänge hat man auf der theologisch-sapi374

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Robert Elias ABU-SHANAB, Two Philosophically-oriented Theologians. Al-Ghazali and St. Bonaventure, in: Alfonso Pompei (Hrsg.), San Bonaventura maestro di vita Francescana e di sapienza cristiana. Atti del Congresso internazionale per il VII centenario di San Bonaventura da Bagnoregio, Tom. I, Roma 1976, 883–892, stellte in seinem Artikel die Ähnlichkeiten zwischen Bonaventura und al-Ġhazzālī heraus, die er beide als „grundsätzlich philosophisch orientierte Theologen und nicht theologisch orientierte Philosophen“ (891) einordnete. Die Gemeinsamkeiten sah er (1) in einer klaren Unterscheidung von Philosophie und Theologie hinsichtlich ihrer Methode und ihres Gegenstandes, (2) in der Sicht auf Glaube und Vernunft als zwei Erkenntnisweisen, die (bei sorgfältiger Unterscheidung ihrer jeweiligen Aufgaben) nebeneinander gleichberechtigt bestehen können, (3) in der Vorstellung der wahren Philosophie als einer Reflexion der Vernunft, die vom Licht des Glaubens geleitet werden muss (887–889). Während ich den ersten beiden Punkten voll zustimme, würde ich den letzten nur mit Einschränkungen akzeptieren: Der Glaube macht zwar inhaltliche Vorgaben, die von der Philosophie nicht übergangen werden dürfen, ansonsten ist das Licht der Philosophie aber eine eigene Erleuchtung (freilich innerhalb des größeren sapienzialen Zusammenhanges). SCHLOSSER, Einleitung [über den Grund der Gewißheit], 2; hier kann auch auf die Ergebnisse der Arbeit von Omar ARGERAMI, San Buenaventura frente al aristotelismo, in: Patristica et Mediaevalia 2 (1981) 21–36, hier 22f. hingewiesen werden: (1) Der heilige Bonaventura beabsichtigte weder, noch gab er einen Aufriss der Philosophie, (2) seine Haltung lässt sich weder als Pro- noch als Antiaristotelismus charakterisieren, vielmehr (3) ist die Philosophie im Kontext seines Werkes und seines Lebens in einem gewissen Maß ein indifferentes Element. Schließlich sind (4) seine philosophischen Positionen immer bedingt durch seine theologischen und pastoralen Intentionen. Was sich mit der bereits zitierten Feststellung Udo Jecks deckt, dass Bonaventura keine eigene Zeittheorie entwickelt hat (siehe oben S. 22, Anm. 1).

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

enzialen Ebene zu suchen, wobei sich Bonaventura hier nicht von einer rationalen Durchdringung dispensierte, sondern vielmehr großen Wert auf sie legte.

3

Vordenker

Die Frage nach Zeit bildet in der abendländischen Denktradition ein festes Gespann mit der Frage nach der Ewigkeit,1 als eines der „Standardthemen der mittelalterlichen Philosophie“,2 wurde sie seit dem 13. Jahrhundert unzählige Male erörtert. Dabei bildete sich keine einheitliche Theorie der Zeit heraus, vielmehr wurde die Diskussion immer komplexer und unübersichtlicher. Ein gewisses einheitsstiftendes Moment bildete dabei einerseits ein (offener) Katalog von Fragen, die etwa im Zusammenhang mit der Frage nach der Zeit erörtert wurden (z. B. die Frage nach Zeit und Bewegung, nach der Einheit der Zeit, nach der Realität der Zeit, nach dem Verhältnis von Zeit und Seele), andererseits existierte eine Basis von antiken Texten, die immer wieder herangezogen und gegebenenfalls durch zeitgenössische Beiträge ergänzt wurden. Zu diesen Texten gehörten etwa Platons Timaios (vor allem c. 10f. [37c–39e] über die Zeit als bewegliches Abbild der Ewigkeit), Aristoteles’ Physik (vor allem das vierte Buch über Raum, Leere und Zeit mit der bekannten Definition der Zeit als Maßzahl der Bewegung, ferner das achte Buch über Veränderung und den unbewegten Beweger), De caelo (vor allem das erste Buch) und seine Metaphysik (hauptsächlich das zwölfte Buch über die Substanz [οὔσία] als veränderlich-vergängliche und als unbewegte). Bei beiden Autoren konnte das 13. Jahrhundert bereits auf eine ganze Reihe antiker und auch mittelalterlicher (arabischer) Kommentare zurückgreifen.3 Weiter wird man hier auch Plotins 1

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Vgl. Josef SIMON, Zeit, Zeitlichkeit. II. Philosophisch, in: Walter Kasper u. a. (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 10, Freiburg u. a. 32001, 1405–1409, hier 1405: „In der europäischen Philosophie wird der Begriff der Zeit von Anfang an im Zusammenhang mit dem der Ewigkeit erörtert“. JECK u. a., Zeit, 509, der Artikel bildet auch die Grundlage für die folgenden Ausführungen. Auf die Übersetzungstätigkeit Wilhelms von Moerbeke wurde oben bereits hingewiesen (siehe oben S. 68); die Verfügbarkeit und die tatsächliche Rezeption der Kommentare variiert freilich von Schrift zu Schrift, so wies etwa JECK, Aristoteles contra Augustinum, 5, Anm. 7 darauf hin, dass die antiken Kommentare zur Physik des Aristoteles, „den Philosophen des 13. Jahrhunderts unzugänglich“ waren, ein indirekter Zugang bestand vor allem über Averroes, der den Kommentar des Alexander von Aphrodisias als Hauptquelle benutzte und auch Themistios kannte (vgl. ebd., 4, Anm. 6). – Der wichtigste Kommentar zu Platons Timaios stammte von Chalcidius; auch in Gesamtdarstellungen der platonischen Philosophie, etwa bei APULEIUS VON MADAURA, De Platone et eius dogmate 10, in: Platon und seine Lehre, hrsg. v. Paolo Siniscalco, übs. v. Karl Albert, St.

Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

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Enneade III, 7 über Zeit und Ewigkeit anführen, ebenso wie das elfte Buch der Confessiones Augustins und das fünfte Buch von Boethius’ Consolatio philosophiae (mit der Definition der Ewigkeit als interminabilis vitae tota simul et perfecta possessio).4 Ich denke, man muss gar nicht weiter ins Detail gehen, um zu erkennen, dass es den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, wenn jeder der genannten Texte in seiner eigenen Aussageabsicht hier vorgestellt würde. Exemplarisch sollen aber wenigstens jene beiden Gestalten vorgestellt werden, die auf die mittelalterliche Diskussion den größten Einfluss hatten, nämlich Aristoteles und Augustinus.5

3.1

Aristoteles

Aristoteles war bei weitem nicht der Erste, der über Zeit und Ewigkeit nachdachte. Man mag hier zuerst an die in der griechischen Antike verbreitete zyklische Konzeption der Zeit denken, wie sie sich schon in den Epen Homers widerspiegelt und wie sie Pythagoras ausdrücklich gelehrt hat.6 Doch man findet auch noch weitere Ansatzpunkte: So sah bereits Heraklit von Ephesus die zeitlichen Dinge in einem steten Zustand des Werdens, bei dem alles in sein jeweiliges Gegenteil umschlägt (lebendig – tot, wach – schlafend, jung – alt),7 wobei gerade „die Unaufhaltsamkeit der Bewegung und deren Dialektik … das ewig-ruhende Seinsgesetz ist“.8 Anders sein Zeitgenosse Parmenides, der in seinem

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Augustin 1981, hier 33f., oder PROKLOS DIADOCHOS, Theologia platonica III, 16, in: Théologie platonicienne, hrsg. u. übs. v. Henri Dominique Saffrey u. L. G. Westerink, 6 Bde., Paris 1968– 1997, hier Bd. 3, 54–57 findet man weitere Deutungen des platonischen Zeitbegriffs. V, 6, 4 [CC.SL 294, 102]. Die Liste ließe sich noch fortsetzen, hier sei lediglich noch auf den Skeptiker Sextus Empiricus hingewiesen, dessen Schrift Πρὸς µαθηµατικούς (Adversus mathematicos) im zehnten Buch ebenfalls einen ausführlichen Zeittraktat enthielt; vgl. hierzu FLASCH, Was ist Zeit?, 109 und ausführlicher bei JECK, Aristoteles contra Augustinum, 74–77 & 86–89. Oder, wie Josef WEIS, Die Zeitontologie des Kirchenlehrers Augustinus nach seinen Bekenntnissen. Augustinus Confessiones, XI. Buch, 14.–28. Kapitel, Frankfurt am Main u. a. 1984 in seinem Vorwort formulierte: „die Zeitlehren beider Denker bilden zusammen den Grundstock der Forschungen des Mittelalters über das Wesen der Zeit“. Vgl. etwa Johannes HIRSCHBERGER, Geschichte der Philosophie, Bd. 1, Freiburg u. a. 141976, 25 oder AARON J. GURJEWITSCH, Das Weltbild des mittelalterlichen Menschen, München 51997, 32– 35. William C. KNEALE, Time and Eternity in Theology, in: Proceedings of the Aristotelian Society 61 (1960/61) 87–108, hier 90f., zog die Verbindungslinie von den Pythagoräern zu Parmenides’ Seinsbegriff. Vgl. bei ARISTOTELES, De caelo III, 1 [298b 29–33]: οἱ δὲ τὰ µὲν ἄλλα πάντα γίνεσθαί τέ φασι καὶ ῥεῖν, εἶναι δὲ παγίως οὐθέν, ἓν δέ τι µόνον ὑποµένειν, ἐξ οὗ ταῦτα πάντα µετασχηµατίζεσθαι πέφυκεν· ὅπερ ἐοίκασι βούλεσθαι λέγειν ἄλλοι τε πολλοὶ καὶ Ἡράκλειτος ὁ Ἐφέσιος, ähnlich PLATON, Kratylos 1.24 [402a]; siehe auch Die Vorsokratiker, Ausw. d. Fragmente, Übs. u. Erl. v. JAAP MANSFELD, Stuttgart 1987, 264, frg. 67 [= DK I, 22 B 88]. Max MÜLLER / Alois HALDER, Philosophisches Wörterbuch, Freiburg i. Br. u. a. 1988, 129, vgl. MANSFELD, Vorsokratiker, 262, frg. 62 [= DK I, 22 B 30]: κόσµον τόνδε τὸν αὐτὸν ἁπάντων, οὔτε

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Lehrgedicht gegen die Wirklichkeit der Veränderung argumentierte:9 Das „Seiende“, das im Zentrum seiner Lehre steht, ist „nicht hervorgebracht und unzerstörbar …, einzig, aus einem Glied, unerschütterlich, und nicht zu vervollkommnen, weder war es, noch wird es einmal sein, da es jetzt in seiner Ganzheit beisammen ist, eins, zusammengeschlossen.“10 Diesem absolut einen, unveränderlichen, zeitlos-ewigen Sein, dem allein Wirklichkeit und Wahrheit zukommt, stellte Parmenides im zweiten Teil seines Lehrgedichtes den Bereich der menschlichen Meinungen (δόξαι) gegenüber. In diesem letzteren Rahmen entfaltete er seine Kosmologie, die geprägt ist von der Dualität von Licht und Nacht, in der es Veränderung durch verschiedene Kombination der Elemente gibt11 und in der die Dinge entstehen und vergehen.12 Bei Zenon von Elea finden sich unter anderem die berühmten vier Paradoxien der Bewegung.13 Mit ihnen wollte Zenon zeigen, dass Bewegung und damit Zeit nichts Reales ist; allgemeiner gesprochen ging es ihm (im Weiterdenken des parmenideischen Seins- und Erkenntnisbegriffs) darum, zu zeigen, dass es unmöglich ist, „kognitiv-konsistente Aussagen über Erfahrungstatsachen zu machen“.14 Vor allem im Buch VI der Physik setzte sich Aristoteles intensiv mit den zenonschen Argumenten auseinander, dabei entwickelte er sowohl den Begriff des „potentiell Unendlichen“ (gegeben durch die in Gedanken beliebig oft teilbare zeitliche oder räumliche Strecke), als auch den einer „kontinuierlichen Zeit“ im Gegensatz zu dem Konzept der diskreten, atomistischen, aus „Jetzten“ zusammengesetzten Zeit, das er Zenon unterstellte.15 Die in der Scheidung von zeitlichen und ewigen Entitäten deutliche Spannung von Zeit und Ewigkeit ist von Anfang an ein Thema der abendländischen Philosophie, dabei

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τις θεῶν οὔτε ἀνθρώπων ἐποίησεν, ἀλλ’ ἦν ἀεὶ καὶ ἔστιν καὶ ἔσται· πῦρ ἀείζωον, ἁπτόµενον µέτρα καὶ ἀποσβεννύµενον µέτρα – „Die gegebene schöne Ordnung [Kosmos] aller Dinge, dieselbe in allem, ist weder von einem der Götter noch von einem der Menschen geschaffen worden, sondern sie war immer, ist und wird sein: Feuer, ewig lebendig, nach Maßen entflammend und nach [denselben] Maßen erlöschend“. Vgl. William C. KNEALE, Eternity, in: Donald M. Borchert (Hrsg.), Encyclopedia of Philosophy, Bd. 3, Detroit u. a. 22006, 356–359, hier 357. MANSFELD, Vorsokratiker, 319, frg. 11 [= DK I, 28 B 8, Z. 3–6]: … ὡς ἀγένητον ἐὸν καὶ ἀνώλεθρόν ἐστιν, µοῦνον, οὐλοµελές τε καὶ ἀτρεµὲς ἠδ’ ἀτέλεστον· οὐδέ ποτ’ ἦν οὐδ’ ἔσται, ἐπεὶ νῦν ἔστιν ὁµοῦ πᾶν, ἕν, συνεχές. Eine ausführliche Interpretation bietet Richard SORABJI, Time, Creation and the Continuum. Theories in Antiquity and the Early Middle Ages, London 1983, 99– 108. Vgl. MANSFELD, Vorsokratiker, 301–307, hier besonders 305. Vgl. MANSFELD, Vorsokratiker, 332, frg. 36 [= DK I, 28 B 19]: οὕτω τοι κατὰ δόξαν ἔφυ τάδε καί νυν ἔασι καὶ µετέπειτ’ ἀπὸ τοῦδε τελευτήσουσι τραφέντα … – „In dieser Weise also sind der Meinung nach die Dinge um uns entstanden und sind sie auch jetzt und werden sie künftig, nachdem sie sich voll entwickelt haben, ein Ende nehmen.“ Texte bei MANSFELD, Vorsokratiker, 364–377; Beschreibung ebd., 337–342. Ebd., 337. Vgl. Physica III, 6 [206a 9–18] (zum Begriff des potentiell Unendlichen) und ebd. VI, 1f. [231a 21 – 233b 32; besonders 232a 18f.; 232b 26] (zur Zeit als kontinuierlicher Größe).

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

ist es schwierig zu sagen, in welchem Ausmaß die Natur der Zeit selbst bereits Gegenstand der Reflexion der Vorsokratiker war.16 Ein Hinweis darauf findet sich etwa bei dem Sophisten Antiphon, der die Zeit für „einen Gedanken oder ein Maß, aber nicht eine Substanz“ hält.17 In Platons Dialog Timaios findet man dagegen bereits eine einigermaßen ausführliche Behandlung der Frage. Er sieht die Zeit als mit dem Himmel erschaffen und nach dem Vorbild der Ewigkeit gestaltet:18 Zeit ist demnach – so der später oft zitierte Satz – „ein in Zahlen fortschreitendes Abbild von dem in dem Einen verharrenden Ewigen.“19 Selbstredend ist dies im Kontext der platonischen Ideenlehre zu verstehen, die ihrerseits am parmenideischen Seinsbegriff anknüpfte, insofern die Ideen die gleiche zeitlos-ewige Existenzweise besitzen.20 Bei der Platon gern zugeschriebenen Abwertung des mundus sensibilis gegenüber dem mundus intelligibilis scheint es mir notwendig, die Positivität dieser Aussage zu unterstreichen:21 Die Zeit wird hier nicht als das Gegenteil von Ewigkeit begriffen, als Abbild stellt sie vielmehr ein Moment der Verähnlichung dar22 und ist in diesem Sinn eine Gabe des guten Schöpfergottes23 – im Kontrast etwa auch zur aristotelischen Bewertung der Zeit als der „Urheberin des Verfalls“.24 Doch nach diesem kurzen Vorausblick soll nun der Stagirite selbst zu Wort kommen.

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JECK, Aristoteles contra Augustinum, 74 führte aus, dass etwa „die Frage nach dem Sein der Zeit nicht nur ein Problem der Spätantike“ war, sondern auch „in die Frühzeit der griechischen Philosophie“ gehört. DK II, 87 B 9: … νοήµα ἢ µέτρον τὸν χρόνον, οὐχ ὑπόστασιν. Vgl. Timaios 11 [38bc]: Χρόνος δ’ οὖν µετ’ οὐρανοῦ γέγονεν, … καὶ κατὰ τὸ παράδειγµα τὴς διαιωνίας φύσεως. Siehe Timaios 10 [37d] (ich zitiere mit dem Kontext): εἰκὼ δ’ ἐπενόει κινητόν τινα αἰῶνος ποιῆσαι, καὶ διακοσµῶν ἅµα οὐρανὸν ποιεῖ µένοντος αἰῶνος ἐν ἑνὶ κατ’ ἀριθµὸν ἰοῦσαν αἰώνιον εἰκόνα, τοῦτον ὃν δὴ χρόνον ὠνοµάκαµεν. Vgl. KNEALE, Eternity, 357. Vgl. Carlos STEEL, The Neoplatonic Doctrine of Time and Eternity and its Influence on Medieval Philosophy, in: Pasquale Porro (Hrsg.), The Medieval Concept of Time. Studies on the Scholastic Debate and its Reception in Early Modern Philosophy (= Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 75), Leiden u. a. 2001, 3–32, hier 4. Das Motiv des Demiurgen für die „Ausstattung“ der Welt mit der Zeit ist nach Timaios 10 [37cd], das All „seinem Urbilde noch ähnlicher zu gestalten“ (Übs. Müller / Schleiermacher VII, 57), vgl. auch ebd. 11 [38bc]: „daß jene ihm so ähnlich wie möglich sei“ (Übs. Müller / Schleiermacher VII, 57). Vgl. Timaios 5 [29a]: ὁ [scil. κόσµος] µὲν γὰρ κάλλιστος τῶν γεγονότων, ὁ [scil. δηµιουργὸς] δ’ ἄριστος τῶν αἰτίων. – In dieser Sichtweise einer grundsätzlich „guten“ Welt liegt etwa auch der Unterschied zur parmenideischen Kosmologie, die vor allem das Element der Täuschung und des Fehlurteils betonte (vgl. MANSFELD, Vorsokratiker, 303f.); ähnlich lag in der neuplatonischen Tradition der Akzent dann darauf, dass die Zeit nur ein Abbild der Ewigkeit ist und es „aus der zeitlichen Welt zu fliehen gilt, um das ewige Ziel zu erreichen“ (STEEL, Neoplatonic Doctrine, 4, eigene Übs.). Physica IV, 12 [221b 1f.]: φθορᾶς γὰρ αἴτιος καθ’ ἑαυτὸν µᾶλλον ὁ χρόνος (Übs. vgl. Zekl I, 223).

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3.1.1

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Die Untersuchung der Zeit

Die wichtigste zusammenhängende Darstellung des aristotelischen Zeitbegriffs findet man im vierten Buch der Physik.25 Hier fragt er sich, „ob sie [die Zeit] zum Seienden gehört … und was denn ihr Wesen sei.“26 Der Text bietet eine Fülle von neuen Gedanken, er steckt aber auch voller Schwierigkeiten und Aporien, die den Aristotelesauslegern bis heute Schwierigkeiten bereiten;27 im Folgenden möchte ich mich deshalb auf einige ganz grundlegende Aspekte beschränken. Der Ansatz des Philosophen, das Wesen der Zeit zu bestimmen, beginnt damit, eine damals verbreitete These zurückzuweisen, nämlich die Auffassung, Zeit sei identisch mit Bewegung oder, eingeschränkter, Zeit sei die Bewegung des Alls, d. h. der Himmelssphäre(n).28 Dies könne nicht richtig sein, denn – so der Philosoph – Bewegung kann grundsätzlich schneller oder langsamer ablaufen, Zeit dagegen nicht. Da andererseits Zeit auch nicht ohne Veränderung oder Bewegung sein kann – es wird ja die Verschiedenheit zweier Augenblicke an der Veränderung erkannt29 – so muss Zeit offenbar „etwas an der Bewegung“, also ein Akzidens der Bewegung sein.30 Bei seiner Bestimmung des Wesens der Zeit konzentrierte sich Aristoteles dann ganz auf die Analyse der Bewegung. Wie er dabei vorging, möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen:31 Der Athener Koriskos geht vom Lykeion (dem Gymnasion im Nordosten Athens) auf die Agora. – Als Erstes ist nun die Raumstruktur der Bewegung zu beachten, denn sie ist verbunden mit mehreren Orten: Dem Ort „Koriskos im Lykeion“, dem Ort „Koriskos auf der Agora“ und außerdem einer unendlichen Anzahl von Zwischenpunkten. An der Bewegung erkennt man nun aber noch eine zweite Struktur: Sie findet immer statt von etwas fort und zu etwas hin (ἔκ τινος, εἴς τι).32 Man kann also unterscheiden zwischen einem Initialzustand, dem Finalzustand, und den Zwischenzuständen, die in einer gewissen Abfolge stehen. Und genau das war für Aristoteles das Zeitmoment: an der Bewegung (unendlich viele) verschiedene Zustände zu entdecken, die jeder für sich ein „Jetzt“ repräsentieren und die insgesamt in einer Sukzession stehen, so 25 26 27

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Physica IV, 10–14 [217b 29 – 224a 17]. Physica IV, 10 [217b 31f.]. Nicht umsonst verwies etwa SORABJI, Time, 84 auf Aristoteles’ „definition of time as number, which has proved very hard to understand“, und Gernot BÖHME, Zeit und Zahl. Studien zur Zeittheorie bei Platon, Aristoteles, Leibniz und Kant (= Philosophische Abhandlungen 45), Frankfurt am Main 1974, begann seine Darstellung der aristotelischen Zeittheorie mit einer Liste der Schwierigkeiten (159–165). Dies legt sich etwa aus PLATONS, Timaios 11 [39d] nahe, dort heißt es, dass die Wanderungen der Planeten Zeit sind (χρόνον ὄντα τὰς τούτων πλάνας). Vgl. Physica IV, 11 [218b 21 – 219a 2]. SORABJI, Time, 81–83, verweist auf einige interessante Zeitkonzepte der Antike (v. a. Jamblichus, Galen), die Zeit vom Aspekt der Bewegung oder Veränderung loslösen. Ich habe es in Anlehnung an Physica IV, 11 [219b 20ff.] konstruiert. Physica IV, 11 [219a 10–13].

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

dass dadurch die Unterscheidung eines „Davor“ und „Danach“ ermöglicht wird. Oder mit seinen eigenen Worten: Wenn wir nämlich die Enden als von der Mitte verschieden begreifen und das Bewußtsein zwei Jetzte anspricht, das eine davor, das andere danach, dann sprechen wir davon, dies sei Zeit.33

Wer gewohnt ist, in den Kategorien der klassischen Physik zu denken,34 von dem verlangt diese erste, rein qualitative Definition ein Umdenken: Während dort ein absoluter Raum und eine absolute Zeit die Vorgaben darstellen, in denen sich Bewegung abspielt, so verteilt Aristoteles die Prioritäten anders: Raum ist das Grundsätzlichste, in ihm findet (zweitens) Bewegung statt, die Zeit aber ist (drittens) zu begreifen als Folgemoment an dieser Bewegung.35 Die logische Konsequenz dieser Anschauung ist, dass die Zeit die Struktur des (idealen) Raumes widerspiegelt; das heißt, sie ist kontinuierlich,36 und es gibt keinen kleinsten Teil der Zeit. Wie eine beliebig kleine Strecke durch einen Zwischenpunkt in kleinere Abschnitte unterteilt werden kann, so auch die Bewegung und mit ihr dann die Zeit. Außerdem legt sich eine Analogie nahe, nämlich der Vergleich der Zeit mit einer Linie: Jedem Abschnitt auf der Linie entspricht dabei eine gewisse Zeitspanne (ein Zeitraum), und den Punkten auf der Linie entspricht jeweils ein Augenblick, ein Jetzt (τὸ νῦν).37 Und wie der Punkt die Linie in zwei Teilstücke scheidet (gleichzeitig aber gerade das Verbindungsstück zwischen ihnen darstellt), so ist das „Jetzt“ zugleich Trennstelle und Verbindungspunkt von Vergangenheit und Zukunft.38 Der Zusammenhang zwischen dem „Jetzt“ und der Zeit ist dabei sicherlich einer der am schwierigsten zu erfassenden Gesichtspunkte der Zeittheorie. Zur Verdeutlichung der Ansicht des Aristoteles soll deshalb noch auf Folgendes hingewiesen werden: Die Zeit (als kontinuierliche) ist nicht aus den Jetzten wie aus Atomen zusammengesetzt. Oder andersherum ausgedrückt: Das „Jetzt“ ist kein Teil der Zeit,39 wie der Punkt kein 33 34 35

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Physica IV, 11 [219a 26–29]: ὅταν γὰρ ἕτερα τὰ ἄκρα τοῦ µέσου νοήσωµεν, καὶ δύο εἴπῃ ἡ ψυχὴ τὰ νῦν, τὸ µὲν πρότερον τὸ δ’ ὕστερον, τότε καὶ τοῦτό φαµεν εἶναι χρόνον (Übs. Zekl II, 211). In der modernen, relativistischen Physik sieht die Situation noch einmal anders aus, insofern hier jedes bewegte System seine Eigenzeit besitzt. Vgl. Physica IV, 11 [219b 15f. und 219a 10–12]. Zu dem Aspekt der „räumlichen Bestimmung der Zeit“, vgl. Gerhard SCHWARZ, Raum und Zeit als naturphilosophisches Problem, Wien u. a. 1972, 165. Vgl. dazu auch die Definition von „kontinuierlich“ (τὸ συνεχές, continuum) und dessen Gegensatz, „diskret“ (τὸ διωρισµένον, discretum) innerhalb der Kategorie Größe (τὸ ποσόν, quantitas) in Categoriae 6 [4b 20 – 6a 35]. Zu beachten ist, dass Aristoteles hier keinen Unterschied machte zwischen dem „Augenblick“ als einen beliebigen Punkt auf der Zeitgeraden und dem „Jetzt“ im strengen Sinn, das einen ganz speziellen Punkt, nämlich den gerade gegenwärtigen Augenblick, bezeichnet. Vgl. Physica IV, 13 [222a 10–20]. Physica IV, 10 [218a 6]: τὸ δὲ νῦν οὐ µέρος, d. h., es entsteht nicht durch eine endliche fortgesetzte Teilung eines Zeitabschnitts; vgl. auch ebd., c. 11 [220a 19].

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Teil der Linie ist, vielmehr ergibt sich das Jetzt als Grenze, d. h. Anfang oder Ende, eines willkürlich herausgegriffenen Zeitabschnitts.40 Das Jetzt (im Sinn eines Augenblicks) wird damit operativ verstanden, denn es ist der Verstand, der diese Grenze setzt; dies ist einer der Aspekte, weswegen Wolfgang Wieland die aristotelische Zeit als „operativen Erfahrungsbegriff“ bezeichnen konnte: „Denken und Wahrnehmen treffen hier ebenso zusammen wie Kontinuität und Diskontinuität“.41 Wenn das Jetzt kein Teil der Zeit ist, dann kann es auch nicht Maß der Zeit sein.42 Damit aber ist man bei einer weiteren Eigenschaft, die die Zeit mit dem Raum verbindet: Sie lässt sich messen, oder wie es die berühmt gewordene Definition sagt: Sie ist „die Maßzahl der Bewegung hinsichtlich des ‚Davor‘ und ‚Danach‘“43. – Dieser quantitative Aspekt der Zeit war in der ersten Definition wohl bewusst44 noch nicht berücksichtigt worden, um so mehr bedarf er jetzt einer Erklärung: Unter Zahl will Aristoteles nämlich nicht die abstrakte Zahl (τὸ ᾧ ἀριθµοῦµεν, numerus numerans, die man heute als natürliche Zahl bezeichnet: 1, 2, 3, u. s. w.), sondern als konkrete Zahl (τὸ ἀριθµούµενον, numerus numeratus) verstanden wissen. Bei letzterer wird der Zahlanteil noch nicht von dem Gezählten abgespalten. Um es wieder an einem Beispiel zu verdeutlichen: „Drei Pferde“ bezeichnet eine (An-)Zahl und diese ist (als numerus numeratus) verschieden von „drei Menschen“ – sie muss es sein, denn die zugrundeliegende Einheit, die das Zählen allererst ermöglicht, ist verschieden: „ein Pferd“ auf der einen, „ein Mensch“ auf der anderen Seite. Dieselbe Sichtweise lässt sich auch auf kontinuierliche Größen anwenden und hat hier sogar ein modernes Pendant: die einheitenbehaftete Zahl, z. B. 1 m, 1 kg, 1 s. Auch hier gilt: Ermöglichungsgrund für das Zählen einer beliebigen Größe ist die jeweilige Einheit.45 Die zweite Definition expliziert von neuem, womit Aristoteles begonnen hatte: Zeit ist nicht Bewegung, sondern ein Akzidens der Bewegung. Jetzt erweist sie sich genauer als das zahlhafte Moment an der Bewegung. Problematisch bei dieser Definition ist 40 41

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Physica IV, 10 [218a 24]: τὸ δὲ νῦν πέρας ἐστίν. Wolfgang, WIELAND, Die aristotelische Physik, Göttingen 1962, 326 mit Bezug auf Physica IV, 11 [220a 5f.]; vgl. auch SCHWARZ, Raum und Zeit, 168: „In diesem Sinne ist auch das Jetzt ein Konstruktionsbegriff des Verstandes … Das Jetzt, der Augenblick, ist somit nur eine begriffliche Abstraktion.“ Sofern hier „Maß“ im engeren (modernen) Sinn verstanden wird, zum weiteren Verständnis vgl. den Abschnitt unten ab S. 205. Physica IV, 11 [219b 2]: ἀριθµὸς κινήσεως κατὰ τὸ πρότερον καὶ ὕστερον (Übs. Zekl I, 213). Es ging Aristoteles zunächst darum, die Zeit als ein Allgemeines der Bewegung (vgl. SCHWARZ, Raum und Zeit, 164) zu etablieren, die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Messbarkeit der Zeit (siehe folgender Abschnitt) sollten noch außen vor gelassen werden, oder andersherum: Auch wenn Zeit so irregulär ablaufen würde, dass sie nicht gemessen werden könnte, so bliebe doch das allgemeinere Moment, dass sie einen Zusammenhang des Früher und Später bildet. Wobei hier der Terminus „Einheit“ im modernen und nicht im antiken Sinn zu verstehen ist, außerdem ergibt sich, dass im kontinuierlichen Fall die Einheit innerhalb der zu messenden Größe frei wählbar ist (1 Sekunde, 1 Stunde, 1 Tag sind alles mögliche Einheiten der Zeit), während sie im diskreten Fall auf natürliche Weise vorgegeben ist (1 Stück).

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

unter anderem46 eine gewisse Zirkularität, die sich daraus ergibt: Die Zeit misst die Bewegung (hinsichtlich eines schneller oder langsamer), umgekehrt kann die Zeit selbst nur durch Bewegung gemessen werden.47 Um Zeit tatsächlich messen zu können, muss also eine bestimmte Bewegung vor anderen ausgezeichnet werden, die als Maßstab (sprich als „Uhr“) fungiert. Hier kommt die Bewegung der Himmelssphäre nun doch wieder ins Spiel:48 Aufgrund ihrer gleichmäßigen Kreisbewegung und ihrer allgemeinen Zugänglichkeit bietet sie sich als dieses ausgezeichnete Referenzmaß an.49 Die aristotelische Bestimmung der Zeit als „Zahl der Bewegung“ hatte auch Konsequenzen für das Verhältnis von Zeit und Bewusstsein (oder Seele), denn die Zahl setzt notwendig einen Zählenden voraus. Auf dieses Problem wurde in Physica IV, 14 [223a 21–29] hingewiesen, und es ist in der Forschung als eine der „aristotelischen Zeitaporien“ bekannt:50 Ohne die Seele und ihren νοῦς gäbe es wohl die der Zählung zugrundeliegende Bewegung – insofern ist Zeit auch nicht nur eine Kategorie, die die Seele ihren Sinneseindrücken aufprägt51 – Zeit im eigentlichen Sinn des Wortes wird diese Bewegung erst, wenn sie gezählt, d. h. mit anderen Bewegungen verglichen wird; es bleibt freilich die Frage, ob dieses Zugrundeliegende (ὅ ποτε ὄν) in einem allgemeineren Sinn auch Zeit genannt werden kann. Die von Aristoteles an anderen Stellen dargebotenen Lösungsansätze52 für das ähnlich gelagerte Problem des Verhältnisses von sinnlich Wahrnehmbarem und Wahrnehmendem geben einen Rahmen und eine Richtung für mögliche Interpretationen vor. Zum einen ist dabei die relationale Struktur zu beachten (d. h. die Sicht der Wahrnehmung bzw. der Zeit als eines Verhältnisses von Wahrgenommenem und Wahrnehmendem), in die Aristoteles zusätzlich einen δύναµιςἐνέργεια-Aspekt einbrachte, indem er z. B. beim aktuellen Sehen die Einheit von Sehen und Farbe heraushob (insofern gibt es keine Farbe ohne Sehen), im „Modus der Potentialität – bei Abwesenheit des aktuellen optischen Wahrnehmungsprozesses – bleibt jedoch allein die Farbe bestehen“;53 zum anderen setzte Aristoteles offensichtlich bei der 46

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Ein anderes Problem – auf das ich hier nicht eingehen möchte – ist die Frage, was und wie denn genau gezählt wird (immerhin ist für Aristoteles die Zahl etwas Diskretes, während die Zeit kontinuierlich ist), siehe dazu etwa SORABJI, Time, 85–89; BÖHME, Zeit und Zahl, 165–187. Physica IV, 12 [220b 14–16]: οὐ µόνον δὲ τὴν κίνησιν τῷ χρόνῳ µετροῦµεν, ἀλλὰ καὶ τῇ κινήσει τὸν χρόνον διὰ τὸ ὁρίζεσθαι ὑπ’ ἀλλήλων; zur Problematik des Messens der Zeit vgl. etwa BÖHME, Zeit und Zahl, 192f. Physica IV, 14 [223b 19–20]: ἡ κυκλοφορία ἡ ὁµαλὴς µέτρον µάλιστα, ὅτι ὁ ἀριθµὸς ὁ ταύτης γνωριµώτατος. Vgl. auch Metaphysica X (Ι), 1 [1052a 26–28]. Physica IV, 14 [223a 29–33] betonte, dass sie die Zahl einer beliebigen Bewegung ist, die Wahl der Bewegung der Himmelssphäre als Referenzmaß ist also nicht absolut zwingend. Zur Problematik, wie bei der vorliegenden zirkulären Definition eine Bewegung als gleichmäßig erkannt werden kann, vgl. SORABJI, Time, 72–74. Vgl. für das Folgende JECK, Aristoteles contra Augustinum, 6–13. Vgl. WIELAND, Aristotelische Physik, 316. Metaphysica IV (Γ), 5 [1010b 30 – 1011a 2] sowie De anima III, 2 [426a 15–26]; II, 7 [418a 26– 33]. JECK, Aristoteles contra Augustinum, 11 zu De anima III, 2 [426a 15–26].

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Zeit wie bei der Wahrnehmung ein Zugrundeliegendes (das ὑποκείµενον bzw. ὅ ποτε ὄν) voraus, für das er im Falle der Zeit aber keine nähere Bestimmung gab. Bei dieser Frage geht es letztlich um nichts anderes als um das Grundproblem der Zeitphilosophie überhaupt – nämlich die Frage nach dem Sein der Zeit: Existiert sie außerhalb des Bewusstseins oder ist sie (mit Antiphon) „nur“ ein Gedanke? Trotz der vorsichtigen Formulierung in Physica IV, 14 gesteht das aristotelische Konzept der Zeit ein vergleichsweise hohes Maß an Sein zu,54 die Position des Stagiriten steht dabei gegen die vieler anderer Philosophenschulen.55 So heißt es von den Stoikern, dass sie „die Zeit nur als eine einfache Vorstellung (ἐπίνοιαν ψιλήν) bezeichnet haben“;56 die Skeptiker, allen voran Sextus Empiricus, von dem der erste vollständig erhaltene Traktat über das Sein der Zeit stammt, gingen sogar noch weiter: Sie sahen den Ausweg aus der aristotelischen Zeitaporie darin, das Sein der Zeit insgesamt zu leugnen.57 Die epikureische Auslegung geht nicht so weit, aber auch sie hat „den Seinsgehalt der Zeit abgeschwächt“:58 So soll Epikur selbst mit Aristoteles die Zeit als „Akzidens der Bewegung“, aber auch als „Akzidens der Akzidenzien“ (σύµπτωµα συµπτωµάτων) bezeichnet haben.59 Die Aristotelesausleger Alexander von Aphrodisias, Themistios und Simplikios suchten dagegen einen Ausweg aus der Zeitaporie, indem sie die Zeit mit der kosmischen Seele verbanden:60 Die ψυχή verursacht nämlich einerseits die Rotation des Alls und damit das der Zeit zugrundeliegende (außerseelische) Fundament (ὑποκείµενον), andererseits zählt sie diese bereits zahlenhaft vorstrukturierte Bewegung auch und erhebt so daraus die Zeit als Zahl.61 Auf diese Weise wird sowohl an der noetischen Struktur der Zeit festgehalten, als auch die Reduzierung auf ein bloß innerseelisches Phänomen vermieden.

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Vgl. JECK, Aristoteles contra Augustinum, 72. In Physica IV, 10 [217b 29 – 218a 30] befasste sich Aristoteles mit den Anschauungen seiner Vorgänger; JECK, Aristoteles contra Augustinum, 73f. äußerte die Vermutung, die ganze Passage sei eine Kritik an den Zeitaporien Zenons, welche letztlich darauf hinzielen, das Sein der Zeit zu bestreiten. JECK, Aristoteles contra Augustinum, 79, auf Seite 83 wies er auf einige Querverbindungen hin, die zwischen Augustinus (Confessiones XI) und Seneca bestehen. Ebd., 86–89, besonders 88. Die aristotelische Zeitdefinition wurde dabei von Sextus Empiricus als widersprüchlich verworfen; sein Hauptargument war, dass ein in Ruhe verharrendes Seiendes außerhalb der Zeit sein müsste, wenn die Zeit die Maßzahl der Bewegung ist; vgl. Adversus mathematicos X, 176, in: Sextus Empiricus in Four Volumes, ed. by R. G. Bury (= The Loeb Classical Library), Bd. 2–4, Cambridge – London 1967–1971, hier Bd. 3, 298. JECK, Aristoteles contra Augustinum, 85, ebenso für das Folgende. Nach SEXTUS EMPIRICUS, Adversus mathematicos X, 219f. [Ed. cit. III, 318f.]. JECK, Aristoteles contra Augustinum, 71 & 95 – anders etwa der Aristoteleskommentator Boethos (vgl. ebd., 14–16); SORABJI, Time, 95 betonte die Uneinigkeit der Aristotelesausleger in dieser Frage. Simplikios etwa begriff dabei die Zahl als eine Form (εἶδος) und bemerkt, „daß jede natürliche Form durch Maß und Zahl geordnet ist“ (JECK, Aristoteles contra Augustinum, 95).

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

In der Scholastik hat die Frage nach dem Sein der Zeit eine lebhafte Diskussion ausgelöst, in deren Folge nicht nur der aristotelische Text, sondern auch das elfte Buch der Confessiones Augustins, in dem das Sein der Zeit ganz in den menschlichen Geist verlegt wird,62 neu gelesen wurden.63 Die antiken Kommentare zur Physik des Aristoteles waren dabei weithin unbekannt,64 als Vermittlungsinstanz dienten aber vor allem die arabischen Kommentatoren, Avicenna und Averroes. Avicenna bot dabei in seinem Tractatus de tempore im Buch II der Sufficientia65 zunächst „eine Bestandsaufnahme und Quellensichtung“ des vorhandenen Materials.66 Er selbst distanzierte sich dabei weitgehend von der aristotelischen Linie, indem er eine außerseelische, absolute Weltzeit postulierte.67 Averroes dagegen suchte bewusst die Kontinuität zu den antiken Kommentatoren, vor allem Alexander von Aphrodisias, aber auch Themistios.68 Die Zeit war ihm demnach weder ein reines Natur- noch ein reines Gedankending, sondern steht gewissermaßen zwischen beiden: „Außerhalb der Seele ist die Zeit in Potenz. Sie erreicht erst innerhalb der Seele die ihr eigentümliche Aktualität.“69 Der charakteristische Unterschied zwischen Averroes und den antiken Auslegern ist darin zu suchen, dass er hier nicht von der kosmischen, sondern von der menschlichen Seele ausging.70 Die aristotelische Auffassung der Zeit als Akzidens der Bewegung birgt noch ein weiteres Problem: Es müsste dann nämlich ebenso viele verschiedene Zeiten geben, als es Bewegungen gibt, denn accidens multiplicatur ad multiplicationem subiecti.71 Aristoteles selbst antwortete auf diese Schwierigkeit mit einer Unterscheidung:72 Vergleicht man zwei aufeinanderfolgende gleiche Bewegungsabläufe (etwa den heutigen und den 62

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Vgl. Conf. XI, 26, 33 [CC.SL 27, 211, Z. 19–21]: Inde mihi visum est nihil esse aliud tempus quam distentionem: sed cuius rei, nescio, et mirum, si non ipsius animi. Zu der mittelalterlichen Diskussion vergleiche JECK u. a., Zeit, 509f. Vgl. JECK, Aristoteles contra Augustinum, 16. Vgl. oben S. 95, Anm. 3. Sufficientia II, 10–13, in: Avicenna latinus. Liber primus naturalium, tractatus secundus de motu et de consimilibus, éd. par S. van Riet, J. Janssens, A. Allard, introd. par G. Verbeke, Louvain-laNeuve – Leiden 2006, hier 304–369. Für die Frage nach der Zeit ist ferner relevant: Metaphysica III, 10 [Ed. cit. I, 173–183]. JECK, Aristoteles contra Augustinum, 105. Vgl. ebd., 100.110–113. Nebenbei wurde den Scholastikern durch Averroes (und Maimonides’ Dux neutrorum) auch Galens Kritik an der aristotelischen Zeittheorie bekannt (vgl. ebd., 101, 171–173). Ebd., 101; auch IMBACH, Temps, 1371a zu AVERROES, In Phys. IV, comm. 131, in: Aristotelis opera cum Averrois commentariis, Bd. 4, Frankfurt am Main 1962 (unv. Nachdruck der Ausgabe Venedig 1562–1574), hier fol. 202r F: tempus igitur in actu non erit, nisi anima sit; in potentia vero erit, licet anima non sit. Vgl. JECK, Aristoteles contra Augustinum, 130. Speziell für die Zeit drückte Averroes später diese Problemstellung so aus: tempus multiplicaretur secundum multiplicationem motus (In Phys. IV, comm. 98 [Ed. cit. IV, fol. 178v G]). Drei Mal ging Aristoteles auf dieses Problem ein: Physica IV, 11; IV, 12; IV, 14 [219b 5–33; 220b 5–14; 223a 29 – 223b 12].

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morgigen Tag, gemessen an dem jeweiligen Sonnenumlauf), so sind die zugehörigen Zeiten zwar ihrem spezifischen Gehalt nach gleich, in ihrem konkreten Sein sind sie jedoch wohlunterschieden. Betrachtet man hingegen zwei synchrone Bewegungen (etwa ein Schiff, das in einem Tag von A nach B fährt und den Sonnenumlauf an diesem Tag), so liegen – nach Meinung des Stagiriten – nicht zwei verschiedene Zeiten vor, sondern ein und dieselbe.73 Leider gab Aristoteles keine eigentliche Begründung für diesen (an sich plausiblen) Sachverhalt. Die Stelle in Kapitel 11 spielte das Problem zwar auf die zugrundeliegenden „Jetzte“ (sprich die Start- und Endzeitpunkte der Bewegungen) zurück, die einzig logische Antwort, dass nämlich im Falle zweier synchroner Bewegungen das jeweilige Jetzt dasselbe ist (obwohl die Bewegungen nicht am selben Ort stattfinden), während bei der sich wiederholenden Bewegung die „Jetzte“ nicht identisch sind (außer auf der abstrakten Ebene ihres begrifflichen Gehaltes, d. h. in dem, was das Jetztsein ausmacht) – diese Antwort, muss man mehr in den Text hineinlegen, als dass man sie daraus erheben kann.74 Statt dessen verweist der folgende Text (im Widerspruch zu der vorausgehenden Bestimmung der Zeit als numerus numeratus, nicht als numerus numerans der Bewegung) darauf, dass bei zwei gleichen Anzahlen (im Beispiel: 7 Hunde, 7 Pferde) die (zählende!) Zahl jeweils dieselbe sei. Den Kommentatoren blieb diese Schwäche nicht verborgen und bot Anlass zu entsprechenden Diskussionen. Eine Lösungsmöglichkeit bestand darin, die Zeit nicht mit jeder Bewegung, sondern nur oder vor allem mit der Bewegung der Himmelssphäre zu verbinden. Ansatzpunkte dafür konnte man sowohl in Physica IV, 14 [223b 12 – 224b 2] (über die Besonderheit der Kreisbewegung der Himmelssphäre) als auch in Physica IV, 10 [218a 33 – 218b 9] (über die Frage, warum die Zeit nicht die Bewegung der Himmelskugel ist) finden, doch dabei taten sich auch neue Schwierigkeiten auf.75 Entsprechend unterschiedlich waren die Antworten, mit denen die Einheit der Zeit begründet wurde. Da auch 73

74

75

Dies ergibt sich aus der Auswertung der drei obengenannten Stellen. Näherhin hat man die Aussage von Physica IV, 11 [219b 9f.] (καὶ ὥσπερ ἡ κίνησις αἰεὶ ἄλλη καὶ ἄλλη, καὶ ὁ χρόνος) und die von Physica IV, 12 [220b 5–8] (καὶ [χρόνος] ὁ αὐτὸς δὲ πανταχοῦ ἅµα· πρότερον δὲ καὶ ὕστερον οὐχ ὁ αὐτός, ὅτι καὶ ἡ µεταβολὴ ἡ µὲν παροῦσα µία, ἡ δὲ γεγενηµένη καὶ ἡ µέλουσα ἑτέρα). Hat man in der ersten Aussage rein den Fall einer sich zyklisch wiederholenden Bewegung vor sich, so differenziert die zweite bereits. Die dritte Stelle Physica IV, 14 ist am präzisesten: Hier legte sich Aristoteles selbst die Frage vor, wie es sich verhält, wenn zwei verschiedene Bewegungen gleichzeitig beginnen und enden: … ἅµα δύο ἴσοι χρόνοι ἂν εἶεν· ἢ οὔ; ὁ αὐτὸς γὰρ χρόνος καὶ εἷς ὁ ἴσος καὶ ἅµα· εἴδει δὲ καὶ οἱ µὴ ἅµα [223b 3f.]. Vgl. Anneliese MAIER, Scholastische Diskussionen über die Wesensbestimmung der Zeit, in: Scholastik. Vierteljahresschrift für Theologie und Philosophie 26 (1951) 520–556, hier 521. Augustin MANSION, La théorie aristotelicienne du temps chez les péripatéticiens médiévaux. Averroès – Albert le Grand – Thomas d’Aquin, in: Revue néoscolastique de philosophie 36 (1934) 275–307, hier 277, verwies darauf, dass die weitere Begründung des Aristoteles die zuvor aufgestellte Definition der Zeit als numerus numeratus der Bewegung wieder zu vergessen scheint. Auf eine hatte bereits Augustinus, Conf. XI, 23, 29 [CC.SL 27, 208, Z. 3f.] hingewiesen: An vero, si cessarent caeli lumina et moveretur rota figuli, non esset tempus …?

106

Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Bonaventura hierfür eine sehr spezielle Lösung fand, wird an späterer Stelle noch einmal darauf zurückzukommen sein.76 Versucht man die aristotelische Zeittheorie insgesamt noch einmal kurz zu charakterisieren, so kann man zwei Dinge in den Vordergrund stellen. Das Erste ist ihr objektiver Charakter:77 Zeit wird verstanden als Akzidens der Bewegung und hat von daher ihre physische Grundlage. Als Phänomen des Bewusstseins kommt Zeit nur über den Aspekt des Zählens in den Blick. Damit verbindet sich ein zweiter Grundzug, der in der Betonung der statischen Aspekte der Größe „Zeit“ liegt, das will sagen: Der Aspekt des (Ver-)Fließens der Zeit steht nicht im Vordergrund seiner Reflexionen, und obwohl Veränderung und die Verschiedenheit der „Jetzte“78 die Voraussetzung für die Zeit darstellen, liegt der Fokus auf einer Darstellung der Zeit als dem messbaren Ergebnis dieser Veränderungen. Der Interpretationsrahmen ist so im Grunde der eines Beobachters, der auf ein vergangenes Stück Zeit zurückblickt und dieses im Ganzen analysiert. Nicht umsonst bemühte Aristoteles das statische Bild der Zeit als einer Linie, während er das Bild der Zeit als Fluss vermied.79 Die neuplatonische und in der Folge die augustinische Interpretation verteilte die Prioritäten hier völlig anders – doch darauf wird im übernächsten Abschnitt noch näher einzugehen sein.

3.1.2

Die Spielarten von „Ewigkeit“

War die Analyse des Zeitbegriffs der Physik als der Wissenschaft vom Bewegten zuzuordnen, so betritt man mit dem Ewigkeitsbegriff metaphysisches Terrain.80 Die Überschrift deutet es dabei bereits an, dass Aristoteles den Begriff Ewigkeit (ἀϊδιότης) nicht 76 77 78 79

80

Vgl. den Abschnitt über die Einheit der Zeit, S. 266. In diesem Sinn betonte WIELAND, Aristotelische Physik, 316 & 322 auch, dass die Zeittheorie des Aristoteles nicht subjektivistisch ist. Vgl. Physica IV, 11 [218b 21 & 27f.]. WIELAND, Aristotelische Physik, 327 wies darauf hin, dass die „vertraute Flußmetapher bei Aristoteles im Hinblick auf die Zeit nicht vorkommt“ und „vor allem versteht Aristoteles die Zeit nicht von einem ‚fließenden‘ Jetztpunkt aus“. – SORABJI, Time, 46–51 (I, Kap. 4) untersuchte die Zeitterminologie bei Aristoteles auf statische und dynamische Begrifflichkeiten. Sein Ergebnis lautete erstens, dass der Philosoph die statische und die dynamische Terminologie nicht sauber unterscheidet (in IV, 11 überwiegt die dynamische, während er in Kap. 12f. zu einer statischen Terminologie übergeht – das Übergewicht liegt dabei meines Erachtens auf der letzteren). Sorabjis zweites Ergebnis war: „he [scil. Aristoteles] does not consider the flowing terminology inessential for time“ (50, Einfügung von mir) – die vorsichtige Formulierung zeigt dabei, wie die Prioritäten verteilt sind. – Und schließlich geht in diese Richtung auch, dass Aristoteles die Zeitstruktur auf die Raumstruktur zurückführte (vgl. etwa Physica IV, 11 [219a 14f.]: τὸ δὴ πρότερον καὶ ὕστερον ἐν τόπῳ πρῶτόν ἐστιν). Dies zeigt sich bereits an der Textgrundlage der folgenden Erörterung, die im Wesentlichen aus Metaphysica XII (Λ), 5–7 besteht; hinzu kommen: Physica VIII, 6–10; De caelo I & II; De mundo 2 und 5.

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in einem univoken Sinn gebrauchte (obwohl er darauf nicht eigens reflektierte). Grundgelegt ist die analoge Verwendung des Terminus in einer Stufenontologie, die nach Metaphysica XII (Λ), 1 [1069a 30–34] folgende Arten von Substanzen (οὐσίαι) kennt: 1) Die unbewegliche (ἀκίνητος), d. h. die nicht der Bewegung fähige, damit zeitlose und ewige Substanz, nämlich der „erste unbewegte Beweger“ (τὸ πρώτον κινοῦν ἀκίνητον), Gott. 2) Die sinnlich wahrnehmbaren (αἰσθητός), der Bewegung fähigen und bewegten Substanzen. Sie lassen sich noch einmal scheiden in die ewigen (ἀΐδιος) – die Himmelskörper nämlich – und die vergänglichen (φθαρτός). Zu Letzteren zählt alles, was im irdischen Bereich vorkommt: Pflanzen, Lebewesen, etc. Jede dieser drei Substanzen hat ihren Ort im aristotelischen Weltbild: Die vergänglichen Substanzen finden sich im sublunaren Bereich, die ewigen Substanzen im „Himmel“, das heißt von der Sphäre des Mondes bis zur äußersten Sphäre, der Fixsternsphäre, die unbewegte Substanz schließlich „außerhalb des Himmels“ (ἔξω τοῦ οὐρανοῦ81 – dies nicht unbedingt in einem räumlichen Sinn). Ebenso aber haben sie alle ihre je eigene Art und Weise des Dauerns: Der unterste Bereich der vergänglichen Substanzen ist geprägt von Werden und Vergehen. Was hier vorgefunden wird, ist „in der Zeit“ (ἐν χρόνῳ) in dem Sinn, dass die Dauer seiner Existenz einer bestimmten endlichen Zeitspanne entspricht und dass die Zeit selbst in ihrer Unendlichkeit dieses endliche Sein einfasst und umgibt, denn „es wird immer eine Zeit ergriffen, die größer ist, als ein jedes in der Zeit befindliche.“82 Im Gegensatz zu den ewigen Dingen geschieht diesen Substanzen etwas durch die Zeit: Sie blühen auf, existieren eine Weile, altern und vergehen zuletzt wieder.83 Die Betonung liegt dabei – in einer für die nachfolgende metaphysische Tradition beinahe typischen Abwertung des Vergänglichen gegenüber dem Ewigen – auf den letzteren Stadien dieses Prozesses, denn, so heißt es, „an und für sich genommen ist die Zeit Urheberin eher von Verfall“.84 Dabei sollte freilich nicht übersehen werden, dass, wenn auch das Einzelne vergänglich sein mag, dem Ganzen bereits Unvergänglichkeit zukommt:

81 82

83

84

Vgl. De caelo I, 9 [279a 12]. Physica IV, 12 [221a 27]: ληφθήσεταί τις πλείων χρόνος παντὸς τοῦ ἐν χρόνῳ ὄντος. Ebenso Physica IV, 12 [221b 30f.]: ἔστιν γὰρ χρόνος τις πλείων, ὃς ὑπερέξει τοῦ τε εἶναι αὐτῶν καὶ τοῦ µετροῦντος τὴν οὐσίαν αὐτῶν. Vgl. Physica IV, 12 [221a 30–32]: καὶ πάσχει δή τι ὑπὸ τοῦ χρόνου, καθάπερ καὶ λέγειν εἰώθαµεν ὅτι κατατήκει ὁ χρόνος, καὶ γηράσκει πάνθ’ ὑπὸ τοῦ χρόνου, καὶ ἐπιλανθάνεται διὰ τὸν χρόνον, … Negativ formuliert wird dasselbe in De caelo I, 9 [279a 18–22]. Physica IV, 12 [221b 1f.]: φθορᾶς γὰρ αἴτιος καθ’ ἑαυτὸν µᾶλλον ὁ χρόνος (Übs. Zekl I, 223).

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Das Werden tut dem Vergehen Einhalt und gleicht es aus, das Vergehen erleichtert neues Werden. Ein Heil aber erwirkt sich aus allem, indem beständig die Dinge einander ablösen und bald obsiegen, bald unterliegen; so bleibt das Ganze behütet in Ewigkeit.85

Konkret fassbar wird die Ewigkeit der Welt in dem Kreislauf der Elemente (Erde, Wasser, Feuer, Luft), die sich – von den beiden Gegensatzpaaren feucht/trocken und heiß/kalt geprägt – unaufhörlich wechselseitig ineinander verwandeln.86 Dieser Prozess aber – und hier schlägt wieder die platonische Vorstellung von der Zeit als beweglichem Abbild der Ewigkeit durch – ist Abbild der ewig kreisenden Bewegung der Gestirne.87 Wenn das Werden und Vergehen insgesamt weder Anfang noch Ende kennt, so folgt daraus unmittelbar, dass auch die Zeit unendlich sein muss.88 Man fragt sich natürlich, woher Aristoteles diese Vorstellung, die per se kein Erfahrungswissen sein kann, nimmt. Nun, sicherlich ist er dem damals gängigen Weltbild gefolgt,89 er untermauert diese seine Ansicht aber mit zwei Begründungen: Der erste Beweisgang erfolgt aus der Analyse der Bewegung (Veränderung): Diese kommt demnach immer zustande, wenn zwei Dinge zusammentreffen, eines, das die Bewegung anstößt („verursacht“), und ein anderes, das die Fähigkeit hat, diesen Impuls aufzunehmen und dadurch etwas, was es vorher nur der Möglichkeit nach war, nun in Wirklichkeit zu sein. Sollte nun irgendeinmal nirgendwo auf der Welt eine solche Konstellation zu finden gewesen sein, so würde für immer ein totaler Stillstand eintreten (denn jede weitere Veränderung würde zunächst eine Änderung dieses Zustands voraussetzen). Da faktisch aber Bewegung existiert, kann es diesen Fall nie gegeben haben, ergo, Bewegung hat immer bestanden, damit aber auch die Zeit.90 Der zweite Beweis ist etwas abstrakter, er untersucht die Struktur der Zeit mit ihrer Trichotomie von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Hier kam er zu dem Schluss, dass ein „Jetzt“, als der Verbindungspunkt von Vergangenheit und Zu85

86 87

88

89 90

De mundo 5 [397b 3–6]: καὶ αἱ µὲν γενέσεις ἐπαναστέλλουσι τὰς φθοράς, αἱ δὲ φθοραὶ κουφίζουσι τὰς γενέσεις. Μία δὲ ἐκ πάντων περαινοµένη σωτηρία διὰ τέλους, ἀντιπεριισταµένων ἀλλήλοις καὶ τοτὲ µὲν κρατούντων τοτὲ δὲ κρατουµένων, φυλάττει τὸ σύµπαν ἄφθαρτον δι’ αἰῶνος (Übs. Strohm, 251). Vgl. De generatione et corruptione II, 1 [329a 35f.]. Metaphysica IX (Θ), 8 [1050b 28f.]: µιµεῖται δὲ τὰ ἄφθαρτα καὶ τὰ ἐν µεταβολῇ ὄντα, οἷον γῆ καὶ πῦρ – „Dem Unvergänglichen nähert sich aber nachahmend auch das in Veränderung Begriffene, z. B. die Erde und das Feuer“ (Übs. Bonitz II, 129). Aristoteles trug diesen Gedanken auch separat vor, etwa in Physica III, 4 [203b 16], wo er die Existenz des Unendlichen begründete ἐκ τε τοῦ χρόνου (οὗτος γὰρ ἄπειρος). Und Physica VIII, 1 [251b 13] schloss sogar umgekehrt: εἴπερ ἀεὶ χρόνος ἔστιν, ἀνάγκη καὶ κίνησιν ἀΐδιον εἶναι. Vgl. Physica VIII, 1 [251b 14–18]: ἀλλὰ µὴν περί γε χρόνου ἔξω ἑνὸς ὁµονοητικῶς ἔχοντες φαίνονται πάντες· ἀγένητον γὰρ εἶναι λέγουσιν. … Πλάτων δὲ γεννᾷ µόνος. Dies ist eine Zusammenfassung des Gedankenganges von Physica VIII, 1 [250b 11 – 251b 10], der Kernpunkt der Argumentation findet sich 251b 4–7. Metaphysica XII (Λ), 6 [1071b 6–9] nahm genau darauf Bezug (ἀλλ’ ἀδύνατον κίνησιν ἢ γενέσθαι ἢ φθαρῆναι· αἰεὶ γὰρ ἦν. οὐδὲ χρόνον· οὐ γὰρ οἷόν τε τὸ πρότερον καὶ ὕστερον εἶναι µὴ ὄντος χρόνου). Auch die Überlegungen zur Ewigkeit der Welt in De caelo I, 12 [281a 28 – 283b 22] lassen sich letztlich auf den genannten Gedankengang zurückführen.

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kunft, ohne Zeit davor und Zeit danach unmöglich ist. Daraus schloss er, dass die Zeit selbst unendlich sein muss.91 Richtet man den Blick vom irdischen weg auf den himmlischen Bereich, so zeigt sich, dass ein in ihm vorgefundenes Seiendes nicht mehr „in der Zeit“ ist, „es wird ja nicht von der Zeit eingefaßt, und es wird nicht die Dauer seines Seins von der Zeit gemessen“,92 obwohl natürlich, wenn man etwa an die Bewegung der Sonne und des Mondes denkt, ihre Bewegung der vorzüglichste Maßstab für die zeitlichen Vorgänge im irdischen Bereich ist.93 Die materielle Grundlage einer solcherart ewigen Existenz ist die quinta essentia, der Äther, dessen Bezeichnung Aristoteles nicht von „feurig glühen“ (αἴθεσθαι), sondern von „immerfort laufen“ (ἀεὶ θεῖν) abgeleitet wissen wollte.94 Seiner Art nach unterscheidet sich dieses von den vier übrigen Elementen: Es ist unvermischt (ἀκήρατος), von den obengenannten Eigenschaften (feucht/trocken, heiß/kalt) kommt ihm keine zu. Und aufgrund dieser Einfachheit ist es unvergänglich und göttlich. Die Tatsache freilich, dass die Himmelskörper einen Stoff haben, impliziert, dass auch sie noch durch die Dualität von ἐνέργεια und δύναµις geprägt sind. Zwar ist ihre Natur nicht so beschaffen, dass sie auch einmal nicht (mehr) sein könnten – ihrem Wesen nach sind sie also immer in Wirklichkeit (in wirklicher Tätigkeit)95 –, insofern sie sich aber fortbewegen, d. h. zu jeder Zeit einen je anderen, bestimmten Ort einnehmen, sind sie nicht frei von Potentialität.96 Nach dem, was über die Zeit als Akzidens der Bewegung gesagt wurde, kann es weiter nicht verwundern, wenn mit dem beständigen Sein der supralunaren Substanzen auch eine besondere Art der Bewegung verbunden ist: Der ewigen Dauer entspricht eine andauernde, ununterbrochene Bewegung (wobei noch einmal die Natur dieses Bereichs als Zwischenbereich zwischen Vergänglichem und absolut Ewigem, zwischen Bewegtem und Unbewegtem deutlich wird). Da Aristoteles sich eine unendliche geradlinige Bewegung nicht vorstellen konnte,97 kam nur die unendliche, gleichmäßige Kreisbewe91 92 93 94 95 96

97

So in Physica VIII, 1 [251b 20–23]: τὸ δὲ νῦν ἐστι µεσότης τις, καὶ ἀρχὴν καὶ τελευτὴν ἔχον ἅµα, ἀρχὴν µὲν τοῦ ἐσοµένου χρόνου, τελευτὴν δὲ τοῦ παρελθόντος, ἀνάγκη ἀεὶ εἶναι χρόνον. Physica IV, 12 [221b 4f.]: οὐ γὰρ περιέχεται ὑπὸ χρόνου, οὐδὲ µετρεῖται τὸ εἶναι αὐτῶν ὑπὸ τοῦ χρόνου (Übs. Zekl I, 223). Physica IV, 14 [223b 19f.]: ἡ κυκλοφορία ἡ ὁµαλὴς µέτρον µάλιστα, ὅτι ὁ ἀριθµὸς ὁ ταύτης γνωριµώτατος. De mundo 2 [392a 5–9]. Vgl. etwa Metaphysica IX (Θ), 8 [1050b 22f.]: διὸ αἰεὶ ἐνεργεῖ ἥλιος καὶ ἄστρα καὶ ὅλος ὁ οὐρανός. Anders ausgedrückt: „auch die ewigen Wesen, welche nicht dem Entstehen, wohl aber der Bewegung unterworfen sind, haben einen Stoff, nicht aber für Entstehung, sondern nur für Bewegung“ (Übs. Bonitz II, 237f.), so Metaphysica XII (Λ), 2 [1069b 25f.]: καὶ τῶν ἀϊδίων ὅσα µὴ γεννητὰ κινητὰ δὲ φορᾷ, ἀλλ’ οὐ γεννητήν, ἀλλὰ πόθεν ποῖ. Denn, wie gesagt, eine Bewegung geht immer „von etwas“ und „zu etwas“, was insbesondere einen räumlichen Anfangs- und Endpunkt voraussetzt, der bei einer unendlichen geradlinigen Bewegung nicht gegeben ist.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

gung in Frage. Man findet sie in ihrer Einfachheit in den Umdrehungen der äußersten Sphäre, der Fixsternsphäre, aber auch in den Umläufen der Planeten kann man sie entdecken, da diese sich nach damaliger Vorstellung als Summe mehrerer konzentrischer Kreisbewegungen verstehen ließen. Die Kreisbewegung in ihrer Einfachheit und Ebenmäßigkeit ist dabei zugleich Vorbild für die unvollkommenen Bewegungen (geradlinige oder irgendwie aus Bögen zusammengesetzte), die sich im sublunaren Bereich finden.98 Steigt man noch eine Stufe höher hinauf, so gelangt man zum ersten unbewegten Beweger (πρώτον κινοῦν ἀκίνητον). Der Name beinhaltet dabei bereits sein grundsätzliches Verhältnis zur Zeit: Als unbewegte, nicht affizierbare Substanz steht er außerhalb der Zeit, als erste Ursache, die die Bewegung des Himmels hervorruft, ist er Ursache der Ewigkeit des Himmels und des Alls, dann aber (mittelbar) auch der Zeit. Was das eigene Sein der ersten Substanz angeht, so heißt es, „dass der Gott das ewige, beste Lebewesen ist, so dass Gott Leben und ein zusammenhängender, ewiger Aion zukommen, das nämlich ist Gott.“99 Hier zeigt sich die dritte Bedeutung von Ewigkeit: Nicht in der defizienten Weise eines Prozesses, der keinen sich durchhaltenden Träger besitzt und in dem je eine Substanz eine andere ablöst; auch nicht im Sinn jener bewegten Ewigkeit der immerfort kreisenden Gestirne; Aristoteles benutzte zur Kennzeichnung der überzeitlichen, dauerhaften Existenzweise des Göttlichen das Wort vom αἰὼν ἀΐδιος. „Aion“, diese Bezeichnung ist im vorliegenden Zusammenhang praktisch nicht übersetzbar, sie vereinigt in sich vielmehr die Bedeutungen von Dauer, Ewigkeit, Lebenszeit und Leben.100 Ich will im Folgenden eine Annäherung an dieses Wort versuchen: In einem allgemeinen, unspezifischen Sinn bezeichnet es zunächst einfach eine endliche Zeitspanne. Dann aber wird damit speziell die Dauer des (menschlichen) Lebens bezeichnet. „Leben“ bedeutet es insofern, als in dieser Dauer die Gesamtheit dessen, was das Leben ausmacht, einbeschlossen liegt. Die Vollkommenheit und Vollendung eines geglückten Lebens – die nun nicht mehr primär von der Anzahl der Lebensjahre abhängt – klingt in dieser Bedeutung

98

99 100

Vgl. De caelo II, 1 [284a 7]: καὶ αὕτη ἡ κυκλοφορία τέλειος οὖσα περιέχει τὰς ἀτελεῖς … – wobei περιεχεῖν zunächst im räumlichen Sinn verstanden werden darf; die Kreisbewegung der Planetensphären gibt ja auch den mechanischen Anstoß für die sublunaren Bewegungen, wie Aristoteles selbst wenige Zeilen später bemerkte [284a 10f.]. Περιεχεῖν hat aber auch noch eine andere Konnotation: Es ist das Allgemeine, das das Einzelne umfasst (vgl. Physica II, 3 [195a 33.35]) und es ist die Form, die die Materie umfasst (vgl. Physica III, 7 [207a 35f.]). Damit ist man aber wieder bei einem Urbild-Abbild-Schema angelangt; vgl. auch Hermann SCHMITZ, Aristoteles. Ontologie, Noologie, Theologie (= Die Ideenlehre des Aristoteles, Bd. 1/2), Bonn 1985, 266. Metaphysica XII (Λ), 7 [1072b 28–30]: φαµὲν δὲ τὸν θεὸν εἶναι ζῷον ἀΐδιον ἄριστον, ὥστε ζωὴ καὶ αἰὼν συνεχὴς καὶ ἀΐδιος ὑπάρχει τῷ θεῷ· τοῦτο γὰρ ὁ θεός (eigene Übersetzung). Weiteres zur Begriffsgeschichte von αἰών/aevum siehe unten S. 293. Vgl. ferner Max SECKLER, Aevum, in: Theodor Klauser (Hrsg.), Reallexikon für Antike und Christentum, Bd. 1, Stuttgart 1980, 193 sowie Hermann SASSE, Aion, in: Theodor Klauser (Hrsg.), Reallexikon für Antike und Christentum, Bd. 1, Stuttgart 1950, 193–204.

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an.101 Auf Gott angewandt entfaltet die Bezeichnung schließlich ihre volle Kraft, denn nicht ein endliches Leben wird dann umgriffen, sondern ein unendliches, weswegen Aristoteles das Wort auch von ἀεὶ εἶναι abgeleitet wissen wollte. Die Vollendetheit (τέλος) dieses Lebens besagt hier zweierlei: sowohl, dass es Ziel für andere ist, als auch, dass es sein Ziel in sich selbst hat (und zwar als erreichtes Ziel); in dem letzteren Sinn stiftet der τέλος-Gedanke die Analogie von endlichem und unendlichem Aion, im ersteren Sinn gilt, dass der unendliche Aion alles umfasst: das gesamte Himmelsgebäude, die Zeit und die Unendlichkeit.102 Zur obigen Stelle (Metaphysica XII (Λ), 7 [1072b 28–30]) zurückkehrend bemerkt man weiter, dass die so verstandene Aion-Ewigkeit Gott nicht nur zukommt, vielmehr, dass Gott diese Ewigkeit, dieses vollendete Leben selbst ist.103 Oder, anders ausgedrückt – wie es auch den anderen Bestimmungen des ersten unbewegten Bewegers entspricht – sein Leben ist nicht von einem anderen her bestimmt oder richtet sich auf ein Ziel außerhalb seiner, umgekehrt, er selbst ist letztes Ziel und Vollendung für alles andere, das er „wie ein Geliebter“104 zu bewegen vermag. Versucht man die aristotelische Theorie von Zeit und Ewigkeit mit einem Blick auf die spätere Entwicklung zusammenzufassen, so treten folgende Aspekte hervor: Zunächst die der Ontologie und Kosmologie entsprechende Gliederung seines Konzepts; Zeit und Ewigkeit sind nicht absolute Größen, sondern Folgemomente der Bewegung bzw. der Unbewegtheit der zugrundeliegenden Substanz. „Zeit“ mit der berühmten Definition tempus est numerus motus secundum prius et posterius ist dabei eingeschränkt auf den Bereich endlicher Bewegungen; jenseits dessen beschreibt „Ewigkeit“ die Dauer aller nicht zählbaren Bewegungen und des Unbewegten. Das (notwendig folgende) nicht zeitliche Verständnis von „Dauer“ orientiert sich am τέλος-Gedanken, wie er insbesondere bei der Betrachtung der göttlichen Substanz und deren Dauer, dem αἰῶν, hervortritt. Hier zeigt sich zugleich der Hauptunterschied zwischen der unbewegten, ihr Ziel in sich selbst besitzenden Ewigkeit des πρώτον κινοῦν und der bewegten, noch auf anderes ausgerichteten Ewigkeit des Himmels und der Planeten. 101

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In diesem Sinn definierte Aristoteles in De caelo I, 9 [279a 23–25]: τὸ γὰρ τέλος τὸ περιέχον τὸν τῆς ἑκάστου ζωῆς χρόνον, οὗ µηθὲν ἔξω κατὰ φύσιν, αἰὼν ἑκάστου κέκληται. Vgl. auch SCHMITZ, Aristoteles, 265–269 sowie Pasquale PORRO, Forme e modelli di durata nel pensiero medievale. L’aevum, il tempo discreto, la categoria «quando» (= Ancient and Medieval Philosophy I, 16), Louvain 1996, 59. Vgl. De caelo I, 9 [279a 25–27]: τὸ τοῦ παντὸς οὐρανοῦ τέλος καὶ τὸ τὸν πάντα χρόνον καὶ τὴν ἀπειρίαν περιέχον τέλος αἰών ἐστιν. – Dass man sehr sorgfältig zwischen den einzelnen Bedeutungen von αἰών differenzieren muss, zeigt eine Stelle in De caelo II, 1 [283b 27–29], wo ganz ähnlich von dem Aion als Dauer des Himmels gesprochen wird, die ja gleichfalls ewig (im Sinn von ohne Anfang und ohne Ende) ist, aber nicht an die Qualität des Aions des unbewegten Bewegers heranreicht: [οὐρανὸς] ἔστιν εἷς καὶ ἀΐδιος, ἀρχὴν µὲν καὶ τελευτὴν οὐκ ἔχων τοῦ παντὸς αἰῶνος, ἔχων δὲ καὶ περιέχων ἐν αὑτῷ τὸν ἄπειρον χρόνον … Wie es heißt: τοῦτο γάρ ὁ θεός. Das bekannte ὡς ἐρώµενον aus Metaphysica XII (Λ), 7 [1072b 3].

Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

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3.2

Augustinus

„Keiner hat das Wesen der Zeit und der Materie besser beschrieben als Augustinus, der sie im Buch der Confessiones untersucht und diskutiert“105 – so stimmte der Baccalaureus Bonaventura das Lob des großen Kirchenvaters an. Wenn man an die ungeheuere, bis heute andauernde Nachwirkung des elften Buches der Confessiones denkt, so kann man ihm darin nur zustimmen. Um so schwieriger freilich erscheint es, auf einigen wenigen Seiten die augustinische Konzeption von Zeit und Ewigkeit darzustellen; im Folgenden kann hier nicht viel mehr als ein einigermaßen grobes Mosaik gelegt werden. Es soll ein Bild von den im vorliegenden Zusammenhang wesentlichen Punkten abgeben.106 Auf einige Einschränkungen, die für die folgende Darlegung gelten, möchte ich dabei besonders hinweisen: Ich versuche hier, die Texte Augustins im Wesentlichen aus sich selbst heraus zu verstehen und für sich selbst sprechen zu lassen. Sowohl was die Quellen als auch was die Rezeption Augustins durch die Jahrhunderte angeht, beschränke ich mich auf einige knappe Bemerkungen, denn beide Felder bedürften an sich einer eigenen eingehenden Untersuchung.107 Zu ersterem Punkt sei hier lediglich der (Kurt Flasch zu verdankende) Hinweis angebracht, dass einerseits die großen Zeittheorien der Antike – zu finden etwa bei Platon, Aristoteles, dem Skeptiker Sextus Empiricus, dem Neuplatoniker Plotin, dem Stoiker Seneca – einen wichtigen Verständnishintergrund bilden,108 dass es aber andererseits einen methodischen Fehler darstellt,109 wollte man Augustinus direkt und unvermittelt mit den griechischen Vorlagen in Verbindung bringen; es waren die römische Bildungstradition, Augustins Berufshintergrund sowie seine Polemik gegen Zeitgenossen, die als Vermittlungsinstanz und unmittelbarer Hintergrund für die Ausführungen des Bischofs von Hippo fungierten.110 Ein zweiter Punkt, der für sich genommen ebenfalls sehr interessant wäre, aber weit über die Absicht der vorliegenden Arbeit hinausgehen müsste, um einigermaßen befrie105 106

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Ep. trib. qu. 12 [VIII, 335]: Nam nullus melius naturam temporis et materiae describit quam Augustinus, inquirendo et disputando in libro Confessionum. Wichtige Anregungen dazu habe ich vor allem den beiden Artikeln “Eternity” und “Time” von John M. QUINN in Allan D. FITZGERALD (Hrsg.), Augustine through the Ages, Grand Rapids (Mich.) u. a. 1999, 318–320 bzw. 832–838 sowie aus Gerard J. P. O’DALY, Aeternitas, in: Cornelius P. Mayer (Hrsg.), Augustinus-Lexikon, Bd. 1, Basel u. a. 1994, 159–164 entnommen. Einige Beispiele aus der reichen Rezeptionsgeschichte von Conf. XI bot FLASCH, Was ist Zeit?, 27–75; die Hintergründe des Textes (Flasch nannte sie vorsichtig „Traditionsbezüge“) werden ebd., 109–159 dargestellt. WEIS, Zeitontologie, 109–147 untersuchte die Bezüge zu den Zeitlehren Platons, Plotins und des Aristoteles. „Platon, Aristoteles, die Skeptiker und Plotin haben die großen Muster der Zeittheorie geschaffen. Ohne deren Kenntnis läßt sich die Augustinische Philosophie der Zeit schwerlich in ihrem theoretischen Gehalt charakterisieren“ (FLASCH, Was ist Zeit?, 150). Ebd., 110.150 nannte es Kurt Flasch eine „Überforderung“ des Textes. Ebd., 109f.; er wies darüber hinaus auf die Bedeutung Ciceros für Augustinus hin.

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digende Ergebnisse präsentieren zu können, betrifft die Entwicklung des Zeitverständnisses Augustins. Neben den in Confessiones XI enthaltenen Ausführungen findet sich in den übrigen Schriften eine Fülle weiteren Materials, das sich keineswegs nahtlos zu einem einheitlichen Gesamtkonzept von Zeit und Ewigkeit zusammenfügen lässt.111 Es soll hier kein Versuch unternommen werden, die vorhandenen Unebenheiten durch ein Modell der Genese des augustinischen Denkens auszugleichen; ein einfacher Hinweis auf deren Vorhandensein (sofern sie im Rahmen der hier untersuchten Aspekte überhaupt relevant sind), muss statt dessen genügen. Ein letzte Einschränkung schließlich gilt in thematischer Hinsicht: Das Gewicht, das das elfte Buch der Confessiones innerhalb der Zeittheorie des Bischofs von Hippo besitzt, bringt es mit sich, dass das Verhältnis von Geist/Seele und Zeit einen besonderen Schwerpunkt der folgenden Ausführungen darstellt. Erklärtes Ziel ist es dabei, die Zeittheorie Augustins vor einer subjektivierenden und einseitig „psychologisierenden“ Auslegung zu bewahren. Dazu dient nicht zuletzt der Abschnitt über die Zeit als Naturbestand, der auch das Material außerhalb der Confessiones berücksichtigt. Weitgehend ausgespart wurde dagegen Augustins Begriff einer geschichtlichen Zeit,112 der selbstredend in enger Verbindung mit seiner etwa in De civitate Dei entfalteten geschichtstheologischen Konzeption zu behandeln wäre. Er stellt ein relativ selbständiges Thema innerhalb der vielen verschiedenen Aspekte von Zeit dar,113 auch wenn es natürlich nicht an Querverbindungen fehlt. Der Verzicht auf dessen Darstellung liegt vor allem darin begründet, dass der vorliegenden Studie im Blick auf Bonaventura im Wesentlichen dieselbe Beschränkung auferlegt wurde.114

3.2.1

Zeit-Perspektiven

Nicht weniger als fünf Mal hat sich Augustinus im Laufe seines Lebens mit der Auslegung des Schöpfungsberichtes befasst und dabei setzte er sich auch jedes Mal mehr oder weniger ausführlich mit dem Thema Zeit auseinander, so in De Genesi adversus Manichaeos (388/390), in De Genesi ad litteram liber imperfectus (393/394), in den

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Flasch sprach von drei Zeittheorien, die sich bei dem Bischof von Hippo finden, vgl. die Ausführungen im folgenden Abschnitt unten. Ulrich DUCHROW, Der sogenannte psychologische Zeitbegriff Augustins im Verhältnis zur physikalischen und geschichtlichen Zeit, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 63 (1966) 267–288, deckte in seiner an Confessiones XI orientierten Untersuchung bereits innerhalb dieses Textes Brüche auf; sehr hart urteilte er, dass Augustin dort „in unlösbaren Aporien und Widersprüchen endet“ (286). Knapp dargestellt z. B. in QUINN, Time, 837. Zum Spektrum dieser Aspekte vgl. etwa FLASCH, Was ist Zeit?, 196–228. Vgl. die Einleitung, oben S. 20, auch wenn die Abschnitte ab S. 354 und ab S. 370 die Geschichtstheologie Bonaventuras im Rahmen der christologischen Perspektive mitbehandeln.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Confessiones (397–401),115 in De Genesi ad litteram (401–414),116 und schließlich noch einmal in De civitate Dei (412–426).117 Der Entstehungszeitraum der Schriften, der länger als 25 Jahre ist, lässt von vorneherein nicht erwarten, dass man aus den genannten Schriften ein Gesamt-Zeitkonzept konstruieren kann. Kurt Flasch wollte vielmehr „insgesamt von drei verschiedenen Zeittheorien Augustins sprechen“,118 wobei allerdings auch zu betonen ist, dass Augustinus innerhalb der Entwicklung seines Denkens in dieser Frage keine radikalen Brüche vollzogen hat, man wird eher von Akzentverschiebungen sprechen, bei denen jeweils neue Aspekte in den Vordergrund traten, während andere zurücktraten oder ganz verschwanden.119 Wenn im Folgenden einige Aspekte des facettenreichen Bildes von Zeit bei Augustinus vorgestellt werden, soll jedenfalls nicht der Eindruck entstehen, dass sich diese Aspekte zu einem bruchlosen Ganzen zusammenfügen ließen; insbesondere gilt diese Kautele für den im folgenden Abschnitt vorgestellten „psychologischen“ Aspekt, der sich bei Augustinus so nur in den Confessiones XI findet. 3.2.1.1

Das Verhältnis von Zeit und Geist in den Confessiones

Versucht man die wesentliche Erkenntnis der Zeitlehre des Augustinus in einem Satz auf den Punkt zu bringen, so wird man wohl auf seine berühmte Bestimmung der Zeit als distentio animi verweisen.120 Um dieses Wort richtig zu verstehen, sollen zunächst die Überlegungen kurz nachgezeichnet werden, die Augustinus zu dieser Charakterisierung geführt haben. a) Der Gedankengang Augustins Die Bücher XI–XIII stellen nach Augustinus’ eigenen Worten den zweiten Teil der Confessiones dar, der der Auslegung der Heiligen Schrift, das heißt des ersten Schöpfungsberichtes (Gen 1, 1 – 2, 4a) gewidmet ist,121 das Buch XI befasste sich dabei mit 115 116 117

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Neben Buch XI bieten vor allem die Bücher XII und XIII weiteres Material zu Augustins Zeitkonzept. Die Aussagen zur Zeit sind vor allem in den Büchern I–V enthalten. Hier sind die Bücher XI–XIV relevant, die deutlich nach 414 entstanden sein dürften; vgl. FLASCH, Was ist Zeit?, 105. In der Datierung der Schriften folge ich im übrigen Wilhelm GEERLINGS, Augustinus, in: Siegmar Döpp / Wilhelm Geerlings (Hrsg.), Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg i. Br. 32002, 78–98. FLASCH, Was ist Zeit?, 196. Kritik an Flaschs Formulierung von drei „konkurrierenden Theoremen“ in Augustins Zeitlehre übte insbesondere Norbert FISCHER, Confessiones 11, in: Norbert Fischer / Cornelius Mayer (Hrsg.), Die Confessiones des Augustinus von Hippo. Einführung und Interpretationen zu den dreizehn Büchern (= Forschungen zur europäischen Geistesgeschichte 1), Freiburg u. a. 1998, 489–552, hier 494. Conf. XI, 26, 33 [CC.SL 27, 211, Z. 20f.]. Vgl. Retr. II, 6 (32), 1 [CC.SL 57, 94]: A primo usque ad decimum de me scripti sunt, in tribus ceteris de scripturis sanctis …

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der Auslegung der ersten vier Worte von Gen 1, 1 (In principio creavit Deus), während Buch XII dann erklärt, was mit den folgenden Worten caelum et terram gemeint ist, und Buch XIII summarisch die folgenden Verse abhandelt. Anders gesagt geht es in Buch XI zunächst darum, den Begriff „Schöpfung“ zu klären. Bereits mit dem Eingangsgebet gab der Kirchenlehrer seiner Auslegung dabei eine sehr spezielle Wendung, indem er sich an Gott wandte, der die Ewigkeit ist und doch um das Zeitliche weiß.122 Die Frage nach der Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf wird damit in die nach dem Verhältnis von Ewigem und Zeitlichem gekleidet,123 und in diesem Zusammenhang stellte Augustinus die bedeutungsschwere Frage „Was ist Zeit?“124 Klar war dabei zunächst nur der Gegensatz zwischen der ewig stehenden, durch Gegenwart und Bleiben gekennzeichneten Ewigkeit und der niemals stillstehenden Zeit.125 Wiederholt betonte Augustinus dabei, dass er seine verschiedenen Ansätze, das paradoxe Wesen der Zeit – die nur dadurch ist, dass sie dem Nicht-Sein zustrebt126 – zu fassen, als eine Suche, nicht als eine letztgültige Antwort verstanden wissen will.127 Die vorsichtigen Formulierungen, derer sich Augustinus bediente, sollen jedoch umgekehrt nicht bedeuten, dass seine Suche ohne Ergebnis blieb.128 Um dieses zu fassen, gilt es zunächst, die bestehende Paradoxie etwas genauer zu betrachten: Für Augustinus bestand sie vor allem darin, dass die Analyse der drei „Zeiten“ (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) auf der einen Seite erweist, dass keiner der drei Teile der Zeit in Wahrheit ist: nicht die Vergangenheit, die nicht mehr ist, nicht die Zukunft, die noch nicht ist, und in gewissem Sinn nicht einmal die Gegenwart, denn sie strebt allezeit dem Nicht122 123

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Conf. XI, 1, 1 [CC.SL 27, 194, Z. 1f.]: Numquid, domine, cum tua sit aeternitas, ignoras, quae tibi dico, aut ad tempus vides quod fit in tempore? Klaus KIENZLER, Gott in der Zeit berühren. Eine Auslegung der Confessiones des Augustinus, Würzburg 1998, 278–287 stellte dies als eigentliches Thema des elften Buches vor. Vgl. ferner die Zusammenfassung von FISCHER, Confessiones 11, 546f. SCHULTE-KLÖCKER, Das Verhältnis von Ewigkeit und Zeit, 377–389 sah das Verhältnis von Ewigkeit und Zeit als die Gesamtperspektive der Bücher XI–XIII. Conf. XI, 14, 17 [CC.SL 27, 202, Z. 4f.]: Quid est enim tempus? Vgl. Conf. XI, 11, 13 [CC.SL 27, 201, Z. 6–8]: … semper stantis aeternitatis et comparet cum temporibus numquam stantibus et videat esse incomparabilem; ebd. 13, 16 [CC.SL 27, 202, Z. 15– 17]: Nec tu tempore tempora praecedis: … Sed praecedis omnia praeterita celsitudine semper praesentis aeternitatis; ebd. 14, 17 [CC.SL 27, 202, Z. 2f.]: Et nulla tempora tibi coaeterna sunt, quia tu permanes; at illa, si permanerent, non essent tempora. Und wenig später [CC.SL 27, 203, Z. 14–16]: Praesens autem, si semper esset praesens nec in praeteritum transiret, non iam esset tempus, sed aeternitas. Vgl. Conf. XI, 14, 17 [CC.SL 27, 203, Z. 18f.]: … ut scilicet non vere dicamus tempus esse, nisi quia tendit non esse? Man vgl. nur ebd. 17, 22 [CC.SL 27, 205, Z. 1]: Quaero, pater, non affirmo. Auf diesen Vorbehalt des augustinischen Zeittraktates wies etwa FLASCH, Was ist Zeit?, 196f. hin; FISCHER, Confessiones 11, erkannte in Conf. XI im wesentlichen zwei Anläufe, das Sein der Zeit zu bestimmen, die beide „aporetisch enden“ (547; ausführlicher 497). Insofern darf man „den aporetischen Charakter von Conf. XI“ nicht überbewerten (FLASCH, Was ist Zeit?, 386).

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Sein zu und existiert nur in dem unteilbaren Augenblick.129 Auf der anderen Seite stellt man fest, dass Zeit ganz selbstverständlich gemessen wird; gemessen werden kann aber (so die nicht weiter hinterfragte Prämisse) doch nur etwas, das ist.130 Um aus diesem Dilemma herauszukommen, formulierte Augustinus seine Ausgangsfrage um. Auf dem Umweg über die beiden Fragen (1) „Wo ist die Zeit?“131 und (2) „Was wird gemessen, wenn man die Zeit misst?“132 hoffte er, zu einer Lösung seines Problems zu kommen. Nachdem Augustinus Sein als Gegenwärtigsein bestimmt hatte,133 lautete die Antwort auf die erste Frage: Nur in der Seele (in anima) ist die Zeit und zwar als Gegenwart von Vergangenem, als Gegenwart von Gegenwärtigem und als Gegenwart von Zukünftigem; diese dreifache Gegenwart ist dabei nichts anderes als die Dreiheit von Erinnern (memoria), Anschauen (contuitus) und Erwarten (expectatio).134 Zur Beantwortung der zweiten Frage wird zunächst negativ festgestellt: Zeit ist nicht Bewegung, weder die Bewegung der Gestirne noch die eines beliebigen Körpers;135 vielmehr ist Zeit das Mittel, wodurch wir Bewegung messen (quo metimur).136 Indem, anders gesagt, die 129

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Conf. XI, 14, 17 (zitiert oben, Anm. 126) und ebd. 15, 20 [CC.SL 27, 204, Z. 48–50]: Si quid intelligitur temporis, quod in nullas iam vel minutissimas momentorum partes dividi possit, id solum est, quod praesens dicatur. Vgl. ebd. 16, 21 [CC.SL 27, 204f.], und ebd. 21, 27 [CC.SL 27, 207, Z. 6f.]: Scio, quia metimur, nec metiri quae non sunt possumus. – So wie man für die Zeit insgesamt behaupten kann manifestissima et usitatissima sunt, et eadem rursus nimis latent … (Conf. XI, 22, 28 [CC.SL 27, 208, Z. 18f.]). Ebd. 15, 20 [CC.SL 27, 204, Z. 53f.]; Sein wird hier im Sinn von Existieren und näherhin als Gegenwärtigsein aufgefasst. Vgl. vor allem die Fragen in ebd. 21, 27 [CC.SL 27, 207, Z. 7f.13f.]: Praesens vero tempus quomodo metimur … Quid autem metimur …? Vgl. ferner ebd. 27, 35 [CC.SL 27, 212, Z. 38]: Quid ergo est, quod metior? und ebd. 26, 33 [CC.SL 27, 211, Z. 21]. Ebd. 18, 23 [CC.SL 27, 205, Z. 6f.]: Ubicumque ergo [scil. futura et praeterita] sunt, quaecumque sunt, non sunt nisi praesentia. Ebd. 20, 26 [CC.SL 27, 207, Z. 3–7]: tempora sunt tria, praesens de praeteritis, praesens de praesentibus, praesens de futuris. Sunt enim haec in anima tria quaedam et alibi ea non video, praesens de praeteritis memoria, praesens de praesentibus contuitus, praesens de futuris expectatio. Die beiden Thesen (Zeit ist Bewegung der Gestirne und Zeit ist Bewegung eines beliebigen Körpers) werden in Conf. XI, 23, 29 – 24, 31 [CC.SL 27, 208–210] nacheinander widerlegt. – Dass die Bewegung der Gestirne das Vergehen der Zeit nicht begründet, sondern lediglich manifestiert, hatte Augustinus bereits in Gen. adv. Man. I, 14, 21 [CSEL 91, 88, Z. 5–11] eindrücklich festgestellt: … quia si currant tempora; et nullis distinguantur articulis, qui articuli per siderum cursus notantur, possunt quidem currere tempora atque praeterire, sed intellegi et discerni ab hominibus non possunt. Vgl. Conf. XI, 23, 30 [CC.SL 27, 209, Z. 33f.]: quid sit tempus, quo metientes solis circuitum … und ebd. 24, 31 [CC.SL 27, 210, Z. 15–17]: Cum itaque aliud sit motus corporis, aliud, quo metimur, quandiu sit, quis non sentiat, quid horum potius tempus dicendum sit? – Ein zusätzliches Argument gegen die Gleichsetzung von Zeit und Bewegung gewann Augustinus daraus, dass nicht nur die Bewegung, sondern auch die Ruhe von der Zeit gemessen wird.

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Bewegung der Körper in der Zeit stattfindet,137 umgeht Augustinus auch die bei Aristoteles auftretende Zirkularität, dass Zeit durch Bewegung gemessen wird und umgekehrt.138 Doch damit ist noch nicht geklärt, was bei der Zeitmessung gemessen wird. Die Antwort, die Augustinus präsentiert, kommt einigermaßen überraschend und hat fast den Charakter einer Intuition: Wenn es allein auf den Zeitraum ankommt, in dem eine Bewegung stattfindet, dann ist Zeit eine gewisse Ausdehnung und zwar eine Ausdehnung des Geistes selbst (distentio ipsius animi).139 Nimmt man die Antworten auf die beiden Fragen zusammen, so ergibt sich schließlich die Lösung des Zeitproblems, die Augustinus in Confessiones XI, 27, 36 – 28, 38 vorstellte: In te anime meus, tempora metior,140 das heißt, der Ort, wo allein die Zeiten gegenwärtig sind und gemessen werden können, ist der Geist selbst in seinen drei Vermögen der memoria, der attentio und der expectatio.141 Das Zeitmaß wird nicht an die sich verändernden Dinge selbst angelegt, sondern an die bleibenden Inhalte der memoria bzw. der expectatio.142 In diesem Sinn findet man einen Zeitraum, eine zeitliche Erstreckung nicht als etwas in der Natur, sondern als eine distentio animi, das heißt als „eine Quasi-Strecke in der Seele“,143 wobei mit distentio zweierlei ausgesagt wird: sowohl das Auseinander, die Distinktheit von (zeitlichem) Anfang und Ende, als auch die Verbindung beider, indem diese als Bestimmungen eines einzigen Vorgangs begriffen werden. Wenn der Bischof von Hippo weiter ausführte, dass der Geist in seinem Gedächtnis den Eindruck (affectio) misst, den die Dinge in ihrem „Vorübergehen“ dort hinterlassen haben, so wies er damit einerseits noch einmal auf die Differenz hin, die zwischen der 137 138 139

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Conf. XI, 24, 31 [CC.SL 27, 210, Z. 2f.]: Nam corpus nullum nisi in tempore moveri audio. Vgl. oben S. 102. Augustinus kam dazu in zwei Anläufen: (1) In Conf. XI, 23, 29 – 30 [CC.SL 27, 208f.], hier (Z. 43) kam er bei der Betrachtung der Gestirnsbewegungen zu der Feststellung: Video igitur tempus quandam esse distentionem. (2) Der zweite Anlauf, wo er Bewegung allgemein betrachtete, ebd. 24, 31 – 26, 33 [CC.SL 27, 210f.], hier 26, 33 [CC.SL 27, 211, Z. 19–21], ergab schließlich: Inde mihi visum est nihil esse aliud tempus quam distentionem: sed cuius rei, nescio, et mirum, si non ipsius animi. Ebd. 27, 36 [CC.SL 27, 213, Z. 46]. Die oben, Anm. 134, angeführte Trias von memoria, contuitus, expectatio wurde in Conf. XI, 28, 37f. [CC.SL 27, 213f.] als memoria, attentio, expectatio wieder aufgenommen. Vgl. den in Anm. 145 zitierten Text, in diesem Sinn sagte Augustinus dann in Conf. XI, 28, 37 [CC.SL 27, 214, Z. 10–14]: Non igitur longum tempus futurum, quod non est, sed longum futurum longa expectatio futuri est, neque longum praeteritum tempus, … sed longum praeteritum longa memoria praeteriti est. – Nicht die Zukunft selbst, sondern die entsprechende Erwartung heißt also bei Augustinus lang (entsprechend für die Vergangenheit). Vgl. auch FISCHER, Confessiones 11, 532; FLASCH, Was ist Zeit?, 390 ging bei der Interpretation dieser Stelle noch weiter: „Was allein die langdauernde Zukunft als etwas Reales sichert, ist ein langdauerndes Erwarten der Zukunft“, insbesondere da Augustinus „die Vorstellung eines objektiven Vorrats künftiger Ereignisse verworfen“ hat. FLASCH, Was ist Zeit?, 382.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

vergehenden Zeit selbst (den praetereuntia tempora)144 und den entsprechenden Inhalten der memoria besteht;145 andererseits zeigte er den Zusammenhang beider auf. Die affectiones sind hier das Bindeglied zwischen dem im weitesten Sinn physikalischen Aspekt der Zeit (als unabhängig vom Geist vergehender) und ihrem „psychologischen“ Aspekt (als im Geist durch expectatio, attentio und memoria fassbarer). Wie sehr beides zusammenhängt, wird deutlich, wenn Augustinus andernorts die unmittelbare Wahrheit der so aufgenommenen Eindrücke betont.146 Die Enge dieser Verbindung und die Feststellung, dass die Zeiträume im Geist, nicht in der Natur gemessen werden, machen deutlich, wie Augustinus letztlich zu dem Schluss kommen kann, dass die genannten Eindrücke selbst nichts anderes als die Zeiten sind.147 Erscheint in diesem Kontext die memoria zunächst als ein passives Vermögen, ein Aufnahmevermögen für die bleibenden Eindrücke,148 so wäre es doch falsch sie nur als eine Art Raum oder Behältnis zu verstehen. Dasselbe gilt für die expectatio, wobei es dort sicherlich noch unmittelbarer einsichtig ist, denn der Geist selbst schafft diese Räume ja allererst, und konstituiert dadurch die Zeiten (das heißt die Zeitmodi Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft). Mehr noch, der Geist ist in gewisser Weise sogar identisch mit diesen „Räumen“, denn „der animus ist gar nichts anderes als die Aufbewahrung von Außenspuren, als das aktuale Auffassen ihrer Präsenz in ihm, als die Erwartung neuer vorüberziehender Weltdinge.“149 Versteht man die memoria, attentio und expectatio so als tätige Vollzüge (Akte) des Geistes – Augustinus verdeutlichte das in Confessiones XI, 28, 38 am Beispiel des Singens eines Liedes –, wird auch sichtbar, wie sich die Dynamik der Zeit im Geist wiederfindet: In der Hinwendung auf das Ge-

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Vgl. Conf. XI, 26, 33 [CC.SL 27, 211, Z. 26f.]: Quid ergo metior? An praetereuntia tempora, non praeterita? Sic ergo dixeram. Diese Lösung, zu der er in c. 16, 21 und c. 21, 27 gekommen war, unterzog er im Folgenden der Kritik. Angedeutet wurde diese Lösung bereits in Conf. XI, 18, 23 [CC.SL 27, 205], wo es umgekehrt hieß, dass aus dem Gedächtnis nicht die vergangenen Dinge selbst (res ipsae) hervorgeholt werden, sed verba concepta ex imaginibus earum, quae in animo velut vestigia per sensus praetereundo fixerunt (Z. 8–10). Am Beispiel des Gesichtssinnes in Vera rel. 33, 62 [CC.SL 32, 227, Z. 1f.]: Sed ne ipsi quidem oculi fallunt. Non enim renuntiare animo possunt nisi affectionem suam. Vgl. Conf. XI, 27, 35f. [CC.SL 27, 213, Z. 44–52]: Non ergo ipsas, quae iam non sunt, sed aliquid in memoria mea metior, quod infixum manet. In te, anime meus, tempora metior. … Affectionem, quam res praetereuntes in te faciunt et, cum illae praeterierint, manet, ipsam metior praesentem, non ea quae praeterierunt, ut fieret; ipsam metior, cum tempora metior. Ergo ipsa sunt tempora, aut non tempora metior. Vgl. Civ. XII, 18 [CC.SL 48, 374, Z. 52]: Patitur quippe qui afficitur. FLASCH, Was ist Zeit?, 221. Vgl. auch SCHULTE-KLÖCKER, Das Verhältnis von Ewigkeit und Zeit, 105f.: „Die ‚memoria‘ ist nicht einfach rezipierend; ‚affectio‘ bezeichnet die Art, wie die ‚memoria‘ bzw. der ‚animus‘ sich vollzieht. … Damit bindet er [scil. Augustinus] die vom Geist gezeitigte Zeit unmittelbar an den Selbstvollzug des ‚animus‘“ (Ergänzung von mir).

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genwärtige bewirkt (agit) der Geist in sich zugleich eine Übersetzung des Zukünftigen in die Vergangenheit, einen Übergang von der expectatio in die memoria.150 Der menschliche Geist erscheint dabei nicht nur als seinsgebender Ort dessen, was noch nicht und was nicht mehr ist, er selbst schlägt auch die verbindende Brücke zwischen der Zukunfts- und der Vergangenheitsdimension der Zeit.151 Umgekehrt bedeutet dies jedoch für den Geist: Solange eine Tätigkeit (actio) andauert, kann er deren Totalität nur in der gleichzeitigen Ausrichtung auf den bereits gewesenen und den noch zu erwartenden Teil dieser Handlung erfassen. Jedes Tätigsein erscheint so als ein Ausgespanntsein (distentio) zwischen Zukunft und Vergangenheit, zwischen Erwarten und Erinnern.152 Diese distentio zeigt sich bereits in der kleinsten einzelnen Handlung (in seinem Beispiel: dem Vortrag der einzelnen Silben des Liedes); fortschreitend zu immer größeren Handlungszusammenhängen erkennt sie der Kirchenvater schließlich auch im Leben des Menschen insgesamt und darüber hinaus in der ganzen Menschheitsgeschichte. Man steht hier am vorläufigen Zielpunkt der Zeitanalyse Augustins (die Konsequenzen, die er selbst daraus zog, sind weiter unten noch genauer zu bedenken): Ausgehend von der Frage „Was ist Zeit?“ und einer Kritik des alltäglichen Sprachgebrauchs der drei Zeitmodi Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft über die Messung von Zeiträumen als einer Erstreckung im Geist, einer distentio animi, gelangte er schließlich zur Erkenntnis der zeitlichen Handlungsstruktur des menschlichen Geistes, die er gleichfalls als distentio verstand, gerade weil sie sich im dreifachen Präsens von Erwarten, Erfassen und Erinnern vollzieht.

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Vgl. vor allem Conf. XI, 28, 37 [CC.SL 27, 213, Z. 1–5]: Sed quomodo minuitur aut consumitur futurum, … aut quomodo crescit praeteritum, … nisi quia in animo, qui illud agit, tria sunt? Nam et expectat et attendit et meminit, ut id quod expectat per id quod attendit transeat in id quod meminerit; ähnlich ebd. 27, 36 [CC.SL 27, 213, Z. 65f.]: … atque ita peragitur, dum praesens intentio futurum in praeteritum traicit deminutione futuri crescente praeterito …; und ebd. 28, 38 [CC.SL 27, 214, Z. 18–20]: praesens tamen adest attentio mea, per quam traicitur quod erat futurum ut fiat praeteritum. Vgl. FLASCH, Was ist Zeit?, 388. Vgl. Conf. XI, 28, 38 [CC.SL 27, 214, Z. 14–18]: Dicturus sum canticum, quod novi, antequam incipiam, in totum expectatio mea tenditur, cum autem coepero … distenditur vita huius actionis meae in memoriam propter quod dixi et in expectationem propter quod dicturus sum. Vgl. das Résumé ebd. 29, 39 [CC.SL 27, 214, Z. 2]: ecce distentio est vita mea. – Man sollte dabei (denke ich) diese distentio nicht vorschnell mit der distentio animi aus c. 26, 33 ineins setzen: Bei letzterer geht es um die Messung einer zeitlichen Ausdehnung im Geist (z. B. der Länge einer Silbe), dabei wird diese Ausdehnung in der Regel ganz der Vergangenheit oder ganz der Zukunft angehören (zumindest wies Augustinus hier nicht explizit auf den Fall eines sich von der Vergangenheit in die Zukunft erstreckenden Zeitraumes hin); die in c. 28, 38 beschriebene distentio jedoch ergibt sich aus der gleichzeitigen Ausrichtung auf die beiden disjunkten Räume der Erwartung und Erinnerung. Gemeinsam ist beiden, dass sie das Streben des Geistes von dem Einen weg auf das Viele lenken (vgl. ebd. 29, 39 passim).

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

b) Subjektivierung und Psychologisierung der Zeit? Es kann hier nicht darum gehen, das augustinische Konzept einer philosophischen Kritik zu unterwerfen,153 im Folgenden sollen vielmehr die Charakteristika und die Bedeutung dieses Zeitkonzeptes noch etwas genauer in den Blick genommen werden. Augustins Bestimmung der Zeit als distentio animi – wobei mit animus eindeutig nicht die Weltseele, sondern der individuelle Geist des Menschen gemeint ist154 – wurde dabei bisweilen so interpretiert, dass es hier zu einer „völligen Subjektivierung“ der Zeit kommt, bei der dieser „keinerlei außermentale Realität“ mehr zugesprochen wird.155 Dabei begegnet diese Deutung nicht erst im 20. Jahrhundert, schon Robert Grosseteste und Albertus Magnus hatten Augustin auf die Seite derer gestellt, die das Sein der Zeit ausschließlich in der Seele gegeben sahen, und sich deswegen gegen ihn gestellt.156 Vor allem die „scharfe Verurteilung durch Albert“157 bewirkte, dass man die Zeittheorie des Kirchenvaters in den 1240’er und 1250’er Jahren eher stiefmütterlich behandelte (obwohl natürlich die Confessiones weiterhin gelesen wurden). Interessanterweise war es 153

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Zahlreiche Ansätze dazu findet man im Kommentar von Kurt FLASCH, Was ist Zeit?, 282–413. Zwei Punkte seien dennoch wenigstens angedeutet: Zum einen der Aspekt, ob es „Zukunft“ nur als Erwarten gibt: Dies begrenzt Zukunft auf das Erwartbare und trägt so ein subjektives Moment in die Zeitbetrachtung, das nur schwer mit der objektiven Seite einer kausalen Verknüpfung zukünftiger Ereignisse mit Gegenwärtigem zu harmonisieren ist (vgl. ebd., 391); zum anderen ergibt sich das Problem, wie die von Augustinus beanspruchte „Welthaftigkeit und Intersubjektivität der Zeit“ (ebd., 223) damit vereinbart werden kann, dass der individuelle menschliche Geist und nicht – wie vor allem in der neuplatonischen Spekulation – eine Weltseele die Zeitmodi konstituiert. Vgl. QUINN, Time, 834f.; FLASCH, Was ist Zeit?, 384f. – er verwies dabei auf Conf. XI, 27, 36 [CC.SL 27, 213, Z. 46]: In te, anime meus, tempora metior (Unterstreichung von mir). Dass sich im animus Augustins dennoch „ein Restbestand älterer Geistphilosophien und Weltseelenspekulationen“ erhalten hat, betonte (und problematisierte) FLASCH, Was ist Zeit?, 223f. Das hatte etwa Anneliese MAIER, Die Subjektivierung der Zeit in der scholastischen Philosophie, in: Philosophia naturalis 1 (1950) 361–398, hier 364, behauptet; kritisch bereits DUCHROW, Der sogenannte psychologische Zeitbegriff, 267: „Seit Heideggers ‚Sein und Zeit‘ … ist fast allen Publikationen die Tendenz gemeinsam Augustin als den Vater eines subjektivistischen oder … existential-ontologischen Zeitbegriffs zu verstehen.“ Er hielt gleichwohl an einer „Lokalisierung der Zeit allein in der Seele“ (ebd., 287) durch Augustinus fest. Dagegen QUINN, Time, 834a sowie FISCHER, Confessiones 11, 521 („… verdecken alle Interpretationen den Sinn der Zeitabhandlung, die ihr eine Psychologisierung oder Subjektivierung der Zeit zuschreiben“). Vgl. ROBERT GROSSETESTE, Commentarius in VIII libros Physicorum Aristotelis IV, ed. Richard C. Dales, Boulder (Colorado) 1963, 95: Quidam autem, ut invenirent tempus esse aliquod, putaverunt quod tempus esset affeccio relicta in anima ex transitu rerum mobilium. Et sic videtur velle Augustinus … Albertus Magnus urteilte bereits in De IV coaequaevis 2, 5, 1 [Ed. Paris. 34, 365b]: His rationibus consentit Augustinus dicens, quod tempus non nisi in anima est …; ebenso in Physica IV, 3, 3 [Ed. Colon. IV.1, 264, Z. 51–68]. Für das Verhältnis von Robert Grosseteste zur augustinischen Zeitspekulation vgl. ferner JECK, Aristoteles contra Augustinum, 210f.; entsprechend zu Albertus Magnus ausführlich ebd., 222–228.231 sowie 235–266 passim, bes. 243–245; 340 resümierte er, dass „die scharfe Verurteilung durch Albert … dem Ansehen der Zeitphilosophie des Augustinus doch erheblich geschadet“ hatte. Vgl. ferner bei FLASCH, Was ist Zeit?, 165–173. JECK, Aristoteles contra Augustinum, 340.

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dann gerade die Pariser Verurteilung von 1277, in deren 200. Artikel eben jene These eines rein innerseelischen Seins der Zeit verurteilt wurde,158 die die Auseinandersetzung mit Augustinus erneut anregte.159 Da die Philosophen gegen Ende des 13. Jahrhunderts dieses Verdikt mehr oder weniger einhellig auf Augustinus und Averroes bezogen,160 wandte man sich – angeführt von Heinrich von Gent mit einem an Ostern 1278/9 vorgetragenen Quodlibet161 – erneut den Quellen zu, wobei auch Heinrich zu dem Schluss kam, dass für Augustinus die Zeit nirgendwo anders als in der Seele zu finden ist.162 Nun gibt es zweifellos Stellen in Confessiones XI, die in Richtung eines Zeitsubjektivismus interpretiert werden könnten,163 ein genauerer Blick offenbart jedoch, dass es Augustinus hier nicht um das Sein der Zeit an sich geht, sondern er vielmehr auf die „subjektiven Bedingungen der Zeitmessung, die ohne die einheitsstiftende Zusammenfügung der Seele unmöglich ist“,164 abhebt. Dies wiederum darf weder als transzendentalphilosophischer Ansatz missverstanden werden, bei dem die Zeit als eine apriorische Form der Anschauung konzipiert würde, noch sollte man hier eine quasi-neuzeitliche Trennung von Innen- und Außenwelt unterstellen und Confessiones XI als eine Abhandlung über die „innere Zeiterfahrung“ lesen.165 Augustinus zweifelte vielmehr keinen 158 159 160

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DENIFLE / CHATELAIN, Chartularium universitatis Parisiensis I, 554 (a. 200): Quod evum et tempus nichil sunt in re, sed solum in apprehensione. Vgl. JECK, Aristoteles contra Augustinum, 339: „Das Verbot steigerte vielmehr die Qualität des Diskurses mit einer bis dahin unbekannten Intensität des Quellenstudiums.“ So JECK, Aristoteles contra Augustinum, 409f.; PORRO, Forme e modelli di durata, 10–14 diskutierte weitere mögliche Adressaten der Verurteilung in a. 200; so kann sie unter anderen auch in Verbindung mit der These von der Ewigkeit der Welt gesehen werden. Dass dieser Zusammenhang durchaus nicht konstruiert ist, zeigt etwa Raimundus Lullus, der unter ausdrücklichem Bezug auf den genannten Artikel feststellte: … probatum est, quod mundus creatus est et inceptus de novo. Cuius initium esset impossibile, si tempus non esset ens reale (Declaratio Raimundi, per modum dialogi edita contra aliquorum philosophorum et eorum sequacium opiniones erroneas et damnatas a venerabili patre domino episcopo Parisiensi, c. 200 [CC.CM 79, 391, Z. 4–6]). – Eine weitere Möglichkeit, um Augustinus von der Verurteilung des Jahres 1277 auszunehmen, bestand auch im Hinweis auf die außerhalb von Conf. XI vertretenen Zeittheorien, die die Realität der Zeit stärker betonen; vgl. hierzu FLASCH, Was ist Zeit?, 395 sowie den Abschnitt unten über die Zeit als Naturbestand (ab S. 141). Vgl. HEINRICH VON GENT, Quodlibet 3, q. 11 Utrum tempus possit esse sine anima – kritisch ediert in JECK, Aristoteles contra Augustinum, 463–476, ausführliche Diskussion des Textes ebd., 339– 398. Vgl. Quodlibet 3, q. 11 [Ed. cit., 468, Z. 2–5]: Ecce plane, quid de proposita quaestione sensit Augustinus, videlicet, quod non esset nisi in anima et nihil aliud quam affectio seu conceptus transitus rerum pertranseuntium manens in anima … Z. B. Conf. XI, 20, 26 [CC.SL 27, 207, Z. 5]: Sunt enim haec [scil. praesens de praeteritis, praesens de praesentibus, praesens de futuris] in anima tria quaedam et alibi ea non video. Oder ebd. 27, 36 [CC.SL 27, 213, Z. 51f.], wo es von den im Geist hinterlassenen Eindrücken (affectiones) hieß: Ergo aut ipsa sunt tempora, aut non tempora metior. Kurt FLASCH, Augustin. Einführung in sein Denken, Stuttgart 1980, 279; Hervorhebung von mir. Vgl. hierzu auch FLASCH, Was ist Zeit?, 220–222; ähnlich QUINN, Time, 834b.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Augenblick an dem außerseelischen Ursprung der Zeit:166 Die tempora praetereuntia sind eine von der menschlichen Seele unabhängige Gegebenheit, genauso wie das unteilbare Jetzt der Gegenwart.167 Dem Urteil von der Subjektivierung der Zeit wird man also entgegenhalten, dass der Kirchenvater den „Objektivismus der stoischen Erkenntnislehre“ teilte:168 Die natürlichen Prozesse existieren demnach unabhängig vom Menschen, und auch der Zusammenhang zwischen dem Prozess selbst und den von ihm bewirkten Eindrücken (affectiones) wird nicht problematisiert.169 Zeit ist insofern nicht weniger objektiv gegeben als Bewegung auch. Die eigentliche Schwierigkeit, mit der Augustinus rang, besteht darin, dass zeitliches Sein nicht mit sich selbst identisch bleibt. Weil dessen vergangene und zukünftige Zustände nicht gegenwärtige Wirklichkeit sind, muss der Bischof von Hippo auf das Bleiben der Eindrücke in der memoria ausweichen, um den zeitlichen Prozess in seiner Totalität erfassen zu können und dadurch die Zeitmessung zu ermöglichen. Vor allem im Blick auf die zeitkonstituierenden seelischen Akte des Erinnerns, Anschauens/Erfassens und Erwartens (memoria, contuitus/attentio, expectatio) wurde gern von einer „psychologischen Zeit“ oder von einer „psychologisierenden Zeittheorie“ Augustins gesprochen.170 Wenn man bei diesem Ausdruck bleiben möchte,171 ist es nötig, sich darüber klarzuwerden, was mit diesem „Etikett“ ausgesagt werden soll. Das eben Ausgeführte steckt dabei bereits einen gewissen Rahmen ab: So ist klar, dass, wenn die Zeit ein vom Geist unabhängiger Naturbestand ist, sie als solche nicht von ihm konstituiert werden kann.172 Aus ontologischer Perspektive mag die Zeit ein schwaches Sein haben, weil sie ständig in einer Vielzahl vorbeigehender Fristen verfließt173

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Vgl. auch FISCHER, Confessiones 11, 522. Zu den praetereuntia tempora, vgl. Conf. XI, 16, 21; 21, 27; 26, 33; 27, 34 [CC.SL 27, 205.207. 211.211f.]; zum „Jetzt“: ebd. 15, 20 [CC.SL 27, 204, Z. 49f.] (siehe oben S. 116, Anm. 129). Man vgl. ferner das ohne Bezug auf den menschlichen Geist Gesagte: … longum tempus non nisi ex multis praetereuntibus morulis, quae simul extendi non possunt (ebd. 11, 13 [CC.SL 27, 201, Z. 8f.]). Vgl. FLASCH, Augustin, 279. Siehe oben S. 117. So QUINN, Time, 833–835 (unter der Überschrift “Psychological Time”); zur Kritik vgl. FLASCH, Was ist Zeit?, 218–220. Kurt Flasch möchte (ebd.) – sicherlich richtiger, auch im Blick darauf, dass Augustinus selbst den Ausdruck animus (statt anima) vorzieht – vom geistphilosophischen Aspekt der augustinischen Zeitlehre sprechen. In diesem Sinn spreche auch ich hier zumeist von Geist anstatt von Seele. Anders etwa SCHULTE-KLÖCKER, Das Verhältnis von Ewigkeit und Zeit, 108f.: „Zeit findet sich nicht in der Außenwirklichkeit, sondern nur in der einen Zeitraum konstituierenden Innerlichkeit des Geistes. Nur durch die Aktivität des Geistes, die sich manifestiert in seiner ‚distentio‘, seiner Ausdehnung, wird ein Zeitraum geschaffen.“ Conf. XI, 11, 13 [CC.SL 27, 201, Z. 8f.]: … et videat longum tempus nisi ex multis praetereuntibus morulis, quae simul extendi non possunt …; was das Sein der Zeit im Vergleich zum Sein der Ewigkeit angeht, vgl. etwa Conf. VII, 11, 17 (zitiert unten S. 132, Anm. 227).

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und ihr somit das semel, simul et semper der Ewigkeit Gottes fehlt,174 aber sie ist ebenso weit davon entfernt, ein reines Produkt unseres Geistes zu sein. In dieser Hinsicht war für Augustinus allein Gott der Wirker und Gründer aller Zeit,175 und die Aufgabe und Leistung des menschlichen Geistes ist es nicht, die Zeit zu begründen, sondern sie zu erfassen.176 Und gerade dazu bildet der Geist die Zeiten, das heißt, die Zeitmodi Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft.177 Indem er in sich das Vergangene als Erinnerung und das Zukünftige als Erwartung gegenwärtig setzt, kann er zeitliche Vorgänge in ihrer Gesamtheit ergreifen und auf diese Weise der verfließenden Zeit habhaft werden. Fasst man den „psychologischen“ Zug der Zeitlehre in diesem Sinn auf, dass der menschliche Geist die Zeiten im besagten Sinn konstituiert, so wird man weiter darauf hinweisen, dass im Verständnis Augustins der animus in dieser Rolle nicht frei ist: Trotz der aktiven Funktion, die er bei der Bildung der Zeiten in seinem Inneren hat, ist er nicht – oder nur in sehr eingeschränktem Sinn – der Herr der Zeit(en).178 Dies ergibt sich bereits aus dem strikten Bezug auf die Eindrücke (affectiones) als Bindeglied zwischen „Außen“-Welt und den im Inneren daraus gebildeten Zeiten.179 Am deutlichsten aber zeigt es sich darin, dass der Geist in diesem Tun der Zeitenbildung selbst „zerdehnt“ wird: So wahr es ist, dass der Geist den zeitlichen Dingen in sich eine, wenn auch vorläufige, Beständigkeit gibt und sie dadurch in sich zu einer Ganzheit führt, die sie außerhalb seiner nicht besitzen,180 so wenig nahm Augustinus dies zum Anlass, die 174 175 176

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Vgl. Conf. XII, 15, 18 [CC.SL 27, 224f., bes. Z. 5]; zum ontologischen Aspekt insgesamt vgl. FLASCH, Was ist Zeit?, 212–216. Vgl. Conf. XI, 13, 15 [CC.SL 27, 202, Z. 7–11]: Aut quae tempora fuissent, quae abs te condita non essent? … Cum ergo sis operator omnium temporum, … Id ipsum enim tempus tu feceras. Vgl. auch FLASCH, Augustin, 285: „… erschiene es als Selbstüberhebung, sollte das menschliche Denken die Zeitlichkeit seiner Erfahrungsinhalte selbst konstituieren wollen“; und ders., Was ist Zeit?, 386: „Es ist nicht der Geist allein, in freier Tätigkeit, der die Zeiten setzt. Es ist die Einwirkung der Dinge auf den Geist auf dem Wege über die Sinne, die Zeiten zu messen erlaubt.“ Vgl. FLASCH, Was ist Zeit?, 22 („Es bildet sie, jedenfalls was die Zeitmodi angeht“), 220 („der die Zeitdimensionen bewirkt“), 382f. („das Erinnern, das aktuelle Anschauen und die Erwartung als Tätigkeiten der Zeitbildung“), 386 („Die Eindrücke im Geist sind die Zeiten. Von Zeit im Singular ist nicht die Rede …“). Vgl. FLASCH, Was ist Zeit?, 224: „Obgleich die Zeit vom animus gebildet wird, erliegt der Mensch der Zeit; er beherrscht sie nicht.“ – In diesem Sinn erscheint es mir eher unglücklich, von einer „Zeitmächtigkeit des Geistes“ (etwa SCHULTE-KLÖCKER, Das Verhältnis von Ewigkeit und Zeit, 108) zu sprechen. Der Geist mag Herr über seine Handlungen und Vollzüge sein, die Zeit selbst hat er dadurch nicht im Griff. Für die memoria und die attentio ist dies wohl unmittelbar einsichtig, schwieriger – wie Augustinus selbst zugab (vgl. Conf. XI, 18, 23 [CC.SL 27, 205, Z. 13–15]) – ist diese Bindung für die expectatio einzusehen. Ansatzweise kann man hier auf folgende Aspekte verweisen: (1) Die expectatio ist ihrerseits in gewisser Weise an die memoria zurückgebunden (vgl. das Beispiel der Erwartung des Sonnenaufgangs aufgrund der Morgenröte in Conf. XI, 18, 24) und (2) Augustinus stellte sich die expectatio auch als eine Art Wahrnehmungsprozess vor, wie der Gebrauch der Vokabel praesensio nahelegt (ebd. 18, 23f. [CC.SL 27, 205f., Z. 15.22]). Zu diesen beiden Aspekten vgl. auch FISCHER, Confessiones 11, 532–534.

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vom Geist hierin erbrachte Syntheseleistung zu bewundern oder darin gar einen Aspekt seiner Gottebenbildlichkeit zu erkennen.181 Die distentio bedeutet ihm nicht ein Sichausstrecken-Können, sondern ein Ausgestreckt-Sein,182 eine Spannung, die den menschlichen (und von daher endlichen) Geist in bestimmter Hinsicht sogar „zerreißt“.183 Bei aller Freiheit der (Selbst-)Vollzüge des Geistes wird man sein Verhältnis zur Zeit also kaum als Herrschaft beschreiben können, viel eher ist es ein Der-Zeit-Erliegen, eine Verlorenheit an die Zeit,184 auf deren Hintergrund „die Sehnsucht nach dem Bleiben des Zeitlichen“185 nur um so stärker hervortritt.186 c) Die Vollendung des Menschen als Überwindung von distentio und Vergänglichkeit Wie gesagt, erreichte die Analyse der Zeit mit Confessiones XI, 28, 38 einen vorläufigen Zielpunkt. Mit dem Übergang zum folgenden Kapitel (29, 39) und der vor Gott gebrachten Erkenntnis Ecce distentio est vita mea187 wurden dann die vorausgehenden Überlegungen sowohl zusammengefasst wie auch auf eine andere Ebene gebracht: … et me suscepit dextera tua in domino meo, mediatore filio hominis inter te unum et nos multos, in multis per multa, ut per eum apprehendam, in quo et apprehensus sum, et a veteris diebus conligar sequens unum, praeterita oblitus, non in ea quae futura et transitura sunt, sed in ea quae ante sunt, non distentus, sed extentus, non secundum distentionem, sed secundum intentionem sequor ad palmam supernae vocationis, ubi audiam vocem laudis et contempler delectationem tuam nec venientem nec praetereuntem.188

Der Text nimmt Elemente der vorausgegangenen Zeitanalyse auf und gibt ihnen in Form einer Paraphrase von Phil 3, 12–14 eine theologische Deutung.189 Im Folgenden soll zunächst die sich hier auftuende eschatologische Perspektive in ihrem Bezug zur 181 182 183 184

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Vgl. auch FLASCH, Was ist Zeit?, 22f. Man beachte die passiven Wendungen distenditur, distentus in Conf. XI, 28, 38; 29, 39; 31, 41 [CC.SL 27, 214, Z. 17; 214, Z. 7; 216, Z. 15]. Vgl. Conf. XI, 29, 39 [CC.SL 27, 215, Z. 12–14]: ego in tempora dissilui, quorum ordinem nescio, et tumultuosis varietatibus dilaniantur cogitationes meae, intima viscera animae meae. Vgl. auch FLASCH, Was ist Zeit?, 24: „… erscheint die soeben noch mächtige Seele als postmodernes Trümmerfeld. Ihre Zeiterschaffung ist nicht ihr Krafterweis, sondern ihr Selbstverlust“, ähnlich auch ebd., 224. FISCHER, Confessiones 11, 533. Vgl. auch unten den Abschnitt über die Bewertung der Zeitlichkeit ab S. 132. Conf. XI, 29, 39 [CC.SL 27, 214, Z. 2]. Ebd. [CC.SL 27, 214f., Z. 2–10]. In der späteren Vulgatafassung lautete Phil. 3, 12–14: non quod iam acceperim aut iam perfectus sim; sequor autem si conprehendam in quo et conprehensus sum a Christo Iesu. Fratres, ego me non arbitror conprehendisse, unum autem quae quidem retro sunt obliviscens, ad ea vero quae sunt in priora extendens me, ad destinatum persequor: ad bravium supernae vocationis Dei in Christo Iesu. Die Paulusstelle wurde auch im Rahmen der Ostia-Vision (Conf. IX, 10, 23 [CC.SL 27, 147, Z. 7f.]) zitiert, um deren ekstatischen Charakter deutlich zu machen; ferner wurde sie in Conf. XI, 30, 40; XII, 16, 23; XIII, 13, 14 [CC.SL 27, 215, Z. 10; 227, Z. 10; 249, Z. 5–7] erneut aufgenommen; zur Bedeutung vgl. KIENZLER, Gott in der Zeit berühren, 278f.

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Zeitlichkeit näher betrachtet werden. Dies bildet zugleich die Grundlage für den nächsten Abschnitt, in dem gefragt wird, wie Augustinus Zeit und Zeitlichkeit insgesamt bewertete. Zunächst bemerkt man dabei, dass der Neueinstieg in Confessiones XI, 29, 39 mit dem Übergang zu einem weiteren Zeitbegriff verbunden ist. Dies wird etwa daran deutlich, dass distentio hier nicht mehr nur im Sinn einer neutralen Feststellung verwendet wird (wie noch in 28, 38), sondern eindeutig einen zu überwindenden Zustand kennzeichnet, der mit Hilfe einer Reihe von Gegensatzpaaren beschrieben wird, deren erstes Element jeweils die gegenwärtige conditio beschreibt, während das zweite Element das Ziel benennt. Man rückt damit in die Nähe dessen, was John M. Quinn “moral time” nannte.190 Er sah in der „moralischen Zeit“ einen äquivoken Begriff von Zeit gegeben,191 wobei die Verbindung mit dem „physikalischen“ Zeitbegriff auf einer metaphorischen Ebene hergestellt wird: Sie besteht in der mutabilitas als Veränderlichkeit der körperlichen Gegenstände beziehungsweise des Menschen, die beide Male die Voraussetzung für die Zeitlichkeit darstellt. „Zeit“ und „Zeitlichkeit“ werden dabei in hohem Maße mit dem Menschen selbst identifiziert192 und fungieren als Symbol sowohl für dessen Geschöpflichkeit wie auch für dessen Situation nach dem Sündenfall. – Verfolgt man den Text etwas weiter, so spricht Augustinus von der gegenwärtigen „Zersplitterung“ seines Seins in die Zeiten, die eine ihm unbekannte Ordnung besitzen. Hier scheint mir als weiteres, den ursprünglichen Zeitbegriff ausweitendes Element der Aspekt einer geschichtlichen Zeit mindestens angedeutet.193 In einer konsequent heilsgeschichtlichen Perspektive, die das Leben des Individuums in den Lauf der Welt als ganzer einbettet, liegen die beiden von Augustinus vorgenommenen Erweiterungen des Verständnisses von Zeit schließlich gar nicht so weit auseinander, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.194 190 191 192 193

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QUINN, Time, 836f.; FLASCH, Was ist Zeit?, 204–212 behandelte den „moralisch-religiösen Aspekt“ der Zeit. Time, 836a: „Strictly, as no more than a measure of change, it is only equivocally associated with moral time, understood as disorder“. Man vgl. etwa das bekannte Diktum aus Sermo 80, 8 [PL 38, 498]: Bene vivamus et bona sunt tempora. Nos sumus tempora: quales sumus, talia sunt tempora. Conf. XI, 29, 39 [CC.SL 27, 215, Z. 12f.]: … at ego in tempora dissilui, quorum ordinem nescio, et tumultuosis varietatibus dilaniantur cogitationes meae, intima viscera animae meae. – Als weiteren Aspekt des augustinischen Zeitverständnisses behandelte dies QUINN, Time, 837. – Gegen eine ausschließliche Deutung des ordo temporum auf die geschichtliche Zeit vgl. etwa Sol. I, 4 [CSEL 89, 8, Z. 1–9], wo er ausdrücklich auf die Gestirnsbewegungen, Tage, Monate und Jahreszeiten bezogen wird. Ähnliches dürfte für Conf. XII, 12, 15 [CC.SL 27, 223, Z. 18f.] gelten, siehe unten S. 133, Anm. 234. In Trin. II, 5, 9 [CC.SL 50, 91f., Z. 89–95] (teilweise zitiert unten S. 144, Anm. 301) hingegen hat der ordo temporum einen klar geschichtlichen Bezug, indem in ihm der Zeitpunkt der Inkarnation festgelegt ist. Man mag hier auch noch einmal an Conf. XI, 28, 38 [CC.SL 27, 214, Z. 25–27] denken, wo Augustinus schon einmal die Perspektive von einer einzelnen Handlung auf das Leben des Einzelnen und schließlich auf die Weltgeschichte als ganze ausgezogen hatte.

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Der hier skizzierte, im folgenden Abschnitt noch näher zu untersuchende heterogene Zeitbegriff bildet die Negativfolie, auf der Augustinus die im obigen Text als „himmlische Berufung“ (superna vocatio) bezeichnete Vollendung des Menschen darstellte.195 Das wesentliche Element dieses Vollendungszustandes ist die weithin als Schau vorgestellte Ausrichtung auf Gott. Mit dieser sind im Hinblick auf die Zeitlichkeit des Menschen zwei Folgen verbunden, nämlich die Aufhebung der distentio und die Überwindung seiner Vergänglichkeit. Diese drei Aspekte sollen im Folgenden etwas näher ausgeführt werden. Das endgültige Ziel des Menschen besteht nach Confessiones XI, 29, 39 im Hören des Gotteslobes und in der Schau der unvergänglichen himmlischen Freude.196 Wie dies näherhin vorzustellen ist, erfährt man in Confessiones XII, wo die Erreichung dieses Zieles als Aufnahme in das Haus Gottes beschrieben wird.197 Bei diesem Haus Gottes handelt es sich nicht eigentlich um einen Ort, sondern es ist die geistige Schöpfung selbst,198 die ihre Seligkeit daher bezieht, dass sie unablässig das Angesicht Gottes schauen darf (contemplatio/visio).199 In einem anderen Bild beschrieb Augustinus dies auch als Anhangen an Gott (se tenere, cohaerere, inhaerere),200 wobei die Liebe das

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Dabei ist noch anzumerken, dass Augustinus ursprünglich – später, in Retr. I, 14 (13), 2 [CC.SL 57, 42f., Z. 40–47] wollte er den genauen Sachverhalt lieber offen stehen lassen – zwei „Stufen“ der Seligkeit für den Menschen kannte: Die Seelen der verstorbenen Heiligen ruhen zunächst im Schoß Abrahams, wo sie bereits Christus als Gott schauen dürfen, aber noch auf die Erlösung ihres Leibes warten (vgl. Conf. IX, 3, 6 [CC.SL 27, 136, Z. 28]; Div. qu. 67, 5 [CC.SL 44a, 168–170]); nach dem Jüngsten Gericht dann werden die Seligen den Engeln gleich sein und in Ewigkeit Gott von Angesicht zu Angesicht schauen; vgl. En. Ps. 36, 1, 10 [CC.SL 38, 345, Z. 33f.]: … securus expectas iudicii diem, quando recipias et corpus, quando immuteris ut angelo aequeris; ähnlich Civ. XXII, 1 (zitiert unten S. 152, Anm. 347). Vgl. dazu auch QUINN, Eternity, 320a. – Im Folgenden geht es nur um die letztere, vollendete Form der Seligkeit. Siehe den angeführten Text oben S. 124: … audiam vocem laudis et contempler delectationem tuam nec venientem nec praetereuntem. Conf. XII, 15, 21 [CC.SL 27, 226, Z. 59–62]: O domus luminosa et speciosa, … Tibi suspiret peregrinatio mea, et dico ei, qui fecit te, ut possideat et me in te … Vgl. auch ebd. 11, 12 [CC.SL 27, 222, Z. 24]. Vgl. Conf. XII, 2, 2 [CC.SL 27, 217, Z. 4]: Sed ubi est caelum caeli? – Für die Realität des caelum caeli kannte Augustinus in Confessiones XII viele Namen und Bezeichnungen: creatura intellectualis (9, 9), mens pura, domus [Dei], civitas [Dei] (11, 12), caelum intellectuale (13, 16), sublimis creatura, sapientia, mens rationalis et intellectualis (15, 20), Hierusalem, patria mea, mater mea (16, 23), caelum intelligibile (21, 30). Vgl. Conf. XII, 15, 21 [CC.SL 27, 226, Z. 55] (faciem tuam semper videre) und ebd. 17, 24 [CC.SL 27, 228, Z. 4f.] (semper faciem Dei contemplantem); ähnlich ebd. 9, 9; 11, 12; 12, 15; 15, 19; ferner ebd. XI, 22, 28; XIII, 14, 15. Vgl. Conf. XII, 11, 12 [CC.SL 27, 222, Z. 18f.] (te sibi semper praesente, ad quem toto affectu se tenet), ferner ebd. 9, 9; 11, 13; 15, 19. Andere Vokabeln, um diese besondere Verbindung des Geschöpfes mit seinem Schöpfer zu beschreiben, sind haurire (Conf. XII, 11, 12) oder (per)frui (Conf. XII, 12, 15; XIII, 9, 10).

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verbindende Band ist, das dieses Anhangen ausmacht.201 Zur Eigenart der Gottesschau gehört weiter, dass zwar bereits in dieser Zeit eine anfanghafte Erfahrung davon möglich ist, sie sich aber andererseits in ihrer vollendeten Form – eben als Erfahrung der Fülle – in unausdenkbarer Weise von dieser, ihrem Vorgeschmack, unterscheidet.202 So kann sich der gläubige Mensch zwar durchaus bereits im Hier und Jetzt als einer, der Gott gefunden hat, verstehen,203 gleichwohl ist dieser „Besitz“ partiell, vorläufig, angefochten und immer wieder entgleitend.204 Im vorliegenden Zusammenhang ist dabei besonders der letzte Aspekt von Bedeutung, da er besagt, dass in der gegenwärtigen Zeit eine dauerhafte Erfahrung der Fülle nicht möglich ist.205 201

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Vgl. z. B. Conf. XII, 15, 21 [CC.SL 27, 226, Z. 58]: amore grandi tibi cohaerens …; man vgl. auch die Aussage in Conf. XIII, 9, 10 [CC.SL 27, 246f., Z. 16f.]: Pondus meum amor meus; eo feror, quocumque feror. Vgl. (im Kontext des in Anm. 204 Zitierten) Conf. X, 40, 65 [CC.SL 27, 191, Z. 22f.]: … dulcedinem, quae si perficiatur in me, nescio quid erit, quod vita ista non erit. Conf. XII, 13, 16 [CC.SL 27, 223f., Z. 5–9]: schilderte die Schau der rein geistigen Kreatur, deren Elemente im wesentlichen auch auf die visio beatifica des Menschen übertragen werden können: … illud caelum caeli, caelum intellectuale, ubi est intellectus nosse simul, non ex parte, non in aenigmate, non per speculum, sed ex toto, in manifestatione, facie ad faciem; non modo hoc, modo illud, sed … nosse simul sine ulla vicissitudine temporum. Vgl. Conf. X, 24, 35 passim [CC.SL 27, 174]; ebd. 26, 37 [CC.SL 27, 174, Z. 1] (Ubi ergo te inveni …); ebd. 40, 65 [CC.SL 27, 190, Z. 8] (inventor). Dies wurde in Conf. X auf vielerlei Weise beschrieben: 27, 38 [CC.SL 27, 175, Z. 7f.]: gustavi, et esurio et sitio, tetigisti me, et exarsi in pacem tuam; 28, 39 [CC.SL 27, 175, Z. 1–7]: Cum inhaesero tibi ex omni me … quoniam tui plenus non sum, oneri mihi sum. Contendunt laetitiae meae flendae cum laetandis maeroribus, et ex qua parte stet victoria nescio; 36, 58 [CC.SL 27, 186, Z. 3]: quoniam coepisti mutare nos …; 37, 60 [CC.SL 27, 187, Z. 1]: Temptamur his temptationibus cotidie … Am eindrücklichsten wohl in 40, 65 [CC.SL 27, 191, Z. 18–21]: Neque in his omnibus … invenio tutum locum animae meae nisi in te, quo conligantur sparsa mea nec a te quidquam recedat ex me. … Sed recido in haec aerumnosis ponderibus et resorbeor solitis et teneor … Schließlich kann man hier auch noch einmal auf die Ostia-Vision Conf. IX, 10, 23 [CC.SL 27, 147] verweisen. Man beachte hier vor allem die Schilderung in Conf. X, 40, 65 (vgl. Anm. 204). Denselben Sachverhalt (im Kontext der Möglichkeit einer Erkenntnis der Ewigkeit) sprach Conf. XI, 11, 13 [CC.SL 27, 200f.] an; vgl. besonders den Hinweis auf das stare und videre (Quis tenebit cor hominis ut stet et videat …? [Z. 14]). – Anders als Norbert Fischer, der im Anschluss an Martin Heidegger die oben formulierte Erkenntnis „als Appell zu entschlossener Übernahme seiner selbst als Suchenden, der das Gesuchte nur im Vollzug des Suchens findet, ohne sein letzterstrebtes Ziel zu erreichen, so daß ihm das menschliche Leben, solange es währt, als stete Versuchung begegnet“ (Confessiones 11, 537), möchte ich die Situation des glaubenden Augustinus dabei eher weniger als eine Suche denn als ein Finden verstehen, das allerdings noch nicht abgeschlossen und bei dem das Gefundene noch nicht fester Besitz geworden ist, so dass zu ihm notwendig auch die Haltungen des Hoffens und des Ausharrens in Geduld gehören. Man kann dabei etwa an Conf. XI, 9, 11 [CC.SL 27, 200, Z. 12–16] denken: … redimes de corruptione vitam meam … quoniam renovabitur iuventus mea sicut aquilae. Spe enim salvi facti sumus et promissa tua per patientiam expectamus (Vgl. Rom. 8, 24f.).

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Betrachtet man die Stellen, an denen Augustinus in Confessiones XI–XIII von der Schau Gottes sprach, so fällt auf, dass innerhalb dieser sehr oft auf die Überwindung von Elementen der Zeitlichkeit, nämlich der distentio, mutatio und variatio,206 hingewiesen wird, ja, dies scheint geradezu eine Wirkung oder Folge des Schauens oder des Anhangens an Gott zu sein. Insbesondere im Blick auf Confessiones XI, 29, 39 wird man dabei sagen dürfen: Solange der Mensch sich auf Zeitliches ausrichtet, bleibt er notwendig zerrissen, während die Ausrichtung auf Gott, den Einen,207 seine Zerrissenheit heilt und ihm – entgegen der Flüchtigkeit seines Seins – Beständigkeit und Festigkeit verleiht.208 Dabei zeigt sich erneut der Aspekt, dass die Überwindung der distentio bereits im irdischen Sein des Menschen ihren Anfang nimmt, wobei sie zum einen durch die notwendige Zuwendung Gottes zu seinem Geschöpf (durch den Mittler Jesus Christus), zum anderen durch die ebenfalls notwendige Umkehr des Menschen

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Vgl. Conf. XI, 29, 39 (zitiert S. 124 oben), dem man Conf. XII, 11, 12 [CC.SL 27, 222, Z. 18–21] unmittelbar gegenüberstellen kann: [illa creatura] te sibi semper praesente, ad quem toto affectu se tenet, non habens futurum quod expectet nec in praeteritum traiciens quod meminerit, nulla vice variatur nec in tempora ulla distenditur; ferner ebd. 9, 9 [CC.SL 27, 221, Z. 5–8]: particeps tamen aeternitatis tuae valde mutabilitatem suam prae dulcedine felicissimae contemplationis tuae cohibet et … inhaerendo tibi excedit omnem volubilem vicissitudinem temporum; 12, 15 [CC.SL 27, 223, Z. 4–7]: … ut sine ullo defectu contemplationis, sine ullo intervallo mutationis, quamvis mutabile, tamen non mutatum tua aeternitate atque incommutabilitate perfruatur; 15, 21 [CC.SL 27, 226, Z. 55f.]: … est idonea faciem tuam semper videre nec uspiam deflectitur ab ea; quo fit, ut nulla mutatione varietur. Indirekt auch in Conf. XI, 22, 28 [CC.SL 27, 208, Z. 12–15] und XIII, 14, 15 [CC.SL 27, 250, Z. 11f.] (Mane astabo et contemplabor, semper confitebor illi). Ähnlich für die Stellen an denen von cohaerere gesprochen wird Conf. XII, 11, 13 [CC.SL 27, 222, Z. 36f.]: tamen indesinenter et indeficienter tibi cohaerendo nullam patitur vicissitudinem temporum, 15, 19 [CC.SL 27, 225, Z. 22–25]: sublimem … creaturam tam casto amore cohaerentem deo … ut … in nullam tamen temporum varietatem et vicissitudinem ab illo se resolvat et defluat, sed in eius solius veracissima contemplatione requiescat; 19, 28 [CC.SL 27, 230, Z. 7–9]: Verum est nulla tempora perpeti quod ita cohaeret formae incommutabili, ut, quamvis sit mutabile, non mutetur. Die Aussage von Conf. XI, 29, 39 [CC.SL 27, 214, Z. 5] a veteris diebus conligar sequens unum schlägt dabei eine gedankliche Brücke zur Gegenüberstellung von Zeit und Ewigkeit in Conf. XI, 13, 16 [CC.SL 27, 202, Z. 23], wo es von den „Jahren Gottes“ heißt: Anni tui dies unus, et dies tuus non cotidie, sed hodie. Man setze der in Conf. XI, 28, 38 geschilderten distentio durch die Ausrichtung auf die Zeit das Et stabo et solidabor in te (vgl. auch unten S. 136, Anm. 256) gegenüber. A fortiori zeigt sich die in der Ausrichtung auf Gott gewonnenen Beständigkeit auch bei der rein geistigen Kreatur, vgl. Conf. XII, 11, 12 [CC.SL 27, 222, Z. 16–21]: [illa creatura] cuius voluptas tu solus es teque perseverantissima castitate hauriens mutabilitatem suam nusquam et numquam exerit et te sibi semper praesente, ad quem toto affectu se tenet, … nulla vice variatur nec in tempora ulla distenditur. Vgl. auch ebd. 15, 22 [CC.SL 27, 226f., Z. 68–70]: Supergreditur enim omnem distentionem et omne spatium aetatis volubile, cui semper inhaerere Deo bonum est. Ähnlich auch ebd. 9, 9; 11, 13; 15, 19 [CC.SL 27, 221, Z. 5–8; 222, Z. 36f.; 225, Z. 22–25]. Vgl. ferner Conf. IV, 10, 15 [CC.SL 27, 48] (siehe unten S. 131, Anm. 222).

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bedingt ist.209 Insgesamt bedeutet sie eine der Zerstreuung durch die Zeit entgegengerichtete Sammlungsbewegung,210 so dass dem Zerfließen in der Zeit das „Zusammenfließen“ in Gott gegenübersteht.211 Die Aufhebung der distentio ist für Augustinus eine Folge der Abwendung vom Vergänglichen und der Hinwendung zum Ewigen. Der sich daraus ergebende neue Zustand ist nach Confessiones XI, 29, 39 durch die extentio und die intentio gekennzeichnet, worin das gemeinsame Element des tendere als bleibende Perspektive aufscheint. Erinnert man sich daran, dass zuvor die Zeit durch das tendit non esse bestimmt worden war,212 so kann man hierin eine neue Form der „Zeitlichkeit“ erkennen, die sich dadurch auszeichnet, dass die Tendenz, die Bewegungsrichtung umgekehrt wird: Statt in die Zerstreuung führt sie in die Sammlung, statt zum Nicht-Sein tendiert sie zum Sein. Dass dies nicht selbst nur eine zeitliche (d. h. für das irdische Leben gültige) Perspektive ist und dieses tendere im Vollendungszustand schließlich aufgehoben sein wird, mag man an den Ausführungen in Confessiones XIII, 9, 10 erkennen, wo die Liebe als dasjenige „Gewicht“ beschrieben wird, das den Menschen an den ihm eigenen Ort der Ruhe in Gott zieht213 und auch dann erhalten bleibt, wenn dieser Ruhezustand erreicht ist.214 – Dem entspricht, dass die dem Geschöpf qua Geschöpf (das heißt als einer eine bestimmte Form besitzenden, endlichen Wirklichkeit) eigene mutabilitas auch im Zustand der Schau Gottes nicht aufgehoben sein wird,215 sie wird lediglich „überdeckt“ durch 209 210 211

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Das Zueinander beider Bewegungen drückt die Wendung ut per eum apprehendam, in quo et apprehensus sum (vgl. Phil. 3, 12) des oben, S. 124, zitierten Abschnitts aus Conf. XI, 29, 39 aus. Conf. XI, 29, 39 [CC.SL 27, 214, Z. 4f.7f.]: ut … conligar … non distentus, sed extentus, non secundum distentionem, sed secundum intentionem … Vgl. Conf. XI, 2, 2 [CC.SL 27, 194, Z. 8f.]: Et nolo in aliud horae diffluant … und ebd. 29, 39 [CC.SL 27, 215, Z. 14]: … donec in te confluam … Wenn auch nicht primär zeitlich verstanden, so vergleiche man doch die Aussage von Conf. X, 29, 40 [CC.SL 27, 176, Z. 5f.]: Per continentiam quippe colligimur et redigimur in unum, a quo in multa defluximus. Ähnlich ebd. XII, 10, 10 [CC.SL 27, 221, Z. 2f.]: Defluxi ad ista et obscuratus sum, sed hinc, etiam hinc adamavi te. Für die Schöpfung und die Zeit insgesamt kann Augustinus von einem ex- bzw. recurrere sprechen, vgl. Conf. XI, 11, 13 [CC.SL 201, Z. 13f.] (… omne praeteritum ac futurum ab eo [scil. Deo] … creari et excurrere) und ebd. XII, 28, 38 [CC.SL 27, 238, Z. 10f.] ([temporalis creatura] quae formaretur per similitudinem tuam recurrens in te unum pro captu ordinato, quantum cuique rerum in suo genere datum est) – eine Figur, die hier zwar mehr angedeutet als ausgeführt ist, die aber im Denken Bonaventuras später eine besondere Rolle spielen sollte. Conf. XI, 14, 17 [CC.SL 27, 203, Z. 19]. Conf. XIII, 9, 10 [CC.SL 27, 246f., Z. 8–17]. Auch wenn diese Tendenz dann nicht mehr mit einer Bewegung verbunden ist. Von daher mag sich umgekehrt auch erhellen, warum Augustinus bei seiner Analyse in Confessiones XI die Zeit von der Bindung an die Bewegung (23, 29) abkoppelte und ihm wichtig war, dass auch die Ruhe (23, 30) und die Stille (27, 36) von der Zeit gemessen werden. Vgl. Conf. XII, 15, 21 [CC.SL 27, 226, Z. 56–58]: inest ei tamen ipsa mutabilitas, unde tenebresceret et frigesceret, nisi amore grandi tibi cohaerens … und ebd. 1, 25 [CC.SL 27, 228, Z. 28f.]: inest quaedam mutabilitas omnibus, sive maneant, sicut aeterna domus dei, sive mutentur, sicut anima hominis et corpus.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

die in dem Anhangen an Gott erreichte Festigung (confirmatio, solidatio).216 Die bleibende Notwendigkeit des besagten Strebens (tendere) ist so im Letzten der Ausdruck dessen, dass das Geschöpf sein Sein nicht aus sich selbst hat, sondern bleibend auf seinen Schöpfer angewiesen ist.217 Die zweite wichtige Perspektive, die sich mit der Vollendung des Menschen verbindet, ist die Überwindung der Vergänglichkeit des Menschen. In Confessiones XI, 30, 40 drückte Augustinus dies durch das Et stabo atque solidabor in te aus. Die dahinter stehende Problematik hatte er bereits im zehnten Buch beschrieben: Die Liebe zu Gott erscheint dort als etwas, das uns die Zeit nicht nehmen kann.218 Doch dazu genügt nicht, dass das geliebte Gut ein ewiges ist, auch das eigene Sein muss von der Sterblichkeit befreit sein, denn sonst begrenzte der Tod die Dauer dieses Besitzes und der Mensch könnte niemals selig sein.219 Die Sterblichkeit des Menschen ist dabei in zwei Kontexten zu sehen. Zum Ersten im Rahmen seiner Geschöpflichkeit: Dass der Mensch sein Sein nicht aus sich selbst hat, bedeutet hier, dass sein Bestehen vom erhaltenden Willen Gottes abhängig ist, der sich selbst in seiner Freigebigkeit als die Quelle unvergänglichen Lebens erweist. Anders ausgedrückt: Wenn Gott nicht um sein Geschöpf wüsste, wenn er sich der Zeit nur auf Zeit angenommen hätte,220 so wäre das menschliche Mühen aus der Vergänglichkeit auszubrechen und festen Stand zu gewinnen vergeblich. Dem oben skizzierten Streben (tendere) entspricht damit umgekehrt die als Erbarmen, als Gnade zu verstehende Tat

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Vgl. vor allem Conf. XII, 11, 12 [CC.SL 27, 222, Z. 17f.]: [illa creatura] mutabilitatem suam nusquam et numquam exerit, ähnlich ebd. 9, 9: mutabilitatem suam … cohibet; 12, 15: quamvis mutabile, tamen non mutatum; 19, 28: ita cohaeret formae incommutabili, ut, quamvis sit mutabile, non mutetur [CC.SL 27, 221, Z. 6f.; 223, Z. 5f.; 230, Z. 8f.]. Auch hier scheint mir ein kurzer Verweis auf Bonaventura angebracht: Auf den Einwand, dass die Seligen in ihrem vom aevum gemessenen Sein keinerlei zeitliche Abfolge mehr kennen sollten, da sie ja nichts mehr zu erwarten haben, sondern bereits alles besitzen, antwortete er II Sent. 2, 1, 1, 3, ad 7 [II, 63]: sicut est successio non per novi acquisitionem, sed per prius dati continuationem, ita etiam est exspectatio non novi habendi, sed continuationis prius habiti, quod quia iam habent, et certi sunt se habituros, ideo potius dicitur tentio et comprehensio quam exspectatio. Vgl. Conf. X, 6, 8 [CC.SL 27, 158f., bes. Z. 16] (quod non rapit tempus); man mag dabei auch an Conf. IV, 9, 14 [CC.SL 27, 47, Z. 6–8] denken, wo er die Bedeutung dieses festen Besitzes angesichts des Todes seines Freundes hervorgehoben hatte: Beatus qui amat te [scil. Deum meum] et amicum in te … Solus enim nullum carum amittit, cui omnes in illo cari sunt, qui non amittitur. Vgl. Conf. VI, 16, 26 [CC.SL 27, 90f.], deutlicher in Trin. XIII, 8, 11 [CC.SL 50a, 396, Z. 6f.]: immo vero [scil. beatitudo in hac vita] fingitur, dum immortalitas desperatur sine qua vera beatitudo esse non potest. Man beachte dazu auch die Überlegungen von Trin. V, 4, 5 (zitiert unten S. 158, Anm. 384). Vgl. ferner Div. qu. 35, 2 [CC.SL 44a, 52, Z. 43f.58f.]: Aeternum est enim, de quo solo recte fiditur, quod amanti auferri non potest; … Quocirca ea demum vita beata quae aeterna est. Vgl. die Eingangsfrage von Conf. XI, 1, 1 [CC.SL 27, 194, Z. 1f.]: Numquid … ignoras, quae tibi dico, aut ad tempus vides quod fit in tempore?

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Gottes, die sich dem Menschen zuwendet und ihn auf die eine Ewigkeit hin „sammelt“.221 Der zweite Kontext, in dem die Vergänglichkeit des Menschen zu sehen ist, ist die Sünde: Das Bestehen-Bleiben des Menschen ist nicht allein vom Willen Gottes abhängig, sondern ebenso von seiner Hinkehr zu Gott. Im Gegensatz zu der übrigen vergänglichen Schöpfung hat die Seele die Wahl, wohin sie sich ausrichtet: Sie kann sich auf die vergänglichen Dinge ausrichten, denen sie im Letzten – trotz der Verstetigung in ihrem Inneren durch die Dreiheit von expectatio, contuitus, memoria – keinen Halt zu geben vermag und in denen sie selbst keine Ruhe, keinen Stand findet,222 oder sie kann sich auf den ewigen Gott ausrichten, in dem sie zu der gesuchten Beständigkeit kommt.223 Es liegt in der Logik der Sache, dass Sünde als Abwendung von Gott hier gleichbedeutend wird mit Sterben-Müssen, Vergehen-Müssen. Umgekehrt herum betrachtet heißt das aber, dass die Vergänglichkeit an sich nicht zur Natur des Menschen gehört, sondern in dessen gegenwärtigem Zustand die Folge der Sünde ist,224 die aber durch die – in Christus Wirklichkeit gewordene – erneute Zuwendung Gottes und die Umkehr des Menschen überwunden wird.225 Versucht man nun aus dem Gesagten das Fazit zu ziehen, so wird man zunächst festhalten, dass Augustinus die Vollendung des Menschen unbestreitbar nach dem Vorbild der beständigen Ewigkeit (stans aeternitas) denkt: In Angleichung an die rein geistige 221

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Vgl. das conligar der oben, S. 124, zitierten Passage, die eingeleitet wird durch Sed quoniam melior est misericordia tua super vitas … (Conf. XI, 29, 39 [CC.SL 27, 214, Z. 1f.]); ähnlich in Conf. XI, 16, 23 [CC.SL 27, 227, Z. 17–19]: … conligas totum quod sum a dispersione et deformitate hac et conformes atque confirmes in aeternum, deus meus, misericordia mea; vgl. auch Conf. I, 3, 3 [CC.SL 27, 2, Z. 6–8]: Et cum effunderis super nos, non tu iaces, sed erigis nos nec tu dissiparis, sed conligis nos. Vgl. Conf. IV, 10, 15 [CC.SL 27, 48], ebd. [Z. 15–23] hieß es von den vergänglichen Dingen: [anima mea] non in eis infigatur glutine amore … Eunt enim quo ibant, ut non sint, et conscindunt eam desideriis pestilentiosis, quoniam ipsa esse vult et requiescere amat in eis, quae amat. In illis autem non est ubi, quia non stant: fugiunt … [Sensus carnis] ad illud autem non sufficit, ut teneat transcurrentia ab initio debito usque ad finem debitum. Vgl. entsprechend Conf. IV, 11, 16 [CC.SL 27, 48f., Z. 6–13]: Ibi fige mansionem tuam … et non perdes aliquid, … et sanabuntur omnes languores tui et fluxa tua reformabuntur et renovabuntur et constringentur ad te et non te deponent, quo descendunt, sed stabunt tecum et permanebunt ad semper stantem ac permanentem deum. Vgl. auch unten S. 136, Anm. 251. Dass diese Zuwendung bereits Wirklichkeit geworden ist, zeigt das me suscepit (Perfekt!) der S. 124 zitierten Passage aus Conf. XI, 29, 39 und der Hinweis auf Christus, den Augustinus in neuplatonisch gefärbter Sprache als den notwendigen Mittler vorstellt, der allein den Einen und das Viele, den Ewigen und die Zeitlichen, Schöpfer und Geschöpf zusammenbringen kann. Dass diese Mittlerfunktion in beiden genannten Kontexten eine Rolle spielt, zeigte Conf. XI, 7, 9 – 9, 11, wo Christus als jener „Anfang“ gedeutet wurde, in dem Gott Himmel und Erde schuf, bzw. Conf. X, 42, 67 – 43, 68, wo Christus als der Mittler zwischen den sterblichen Sündern und dem unsterblichen Gerechten (vgl. ebd. 43, 68 [CC.SL 27, 192]) betrachtet wurde.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Schöpfung hat er darin teil an der Ewigkeit und ist so auf seine Weise selbst „ewig“.226 Ganz im Rahmen der antiken Metaphysik bleibend, galt für Augustinus die Ewigkeit als das eigentliche, wahre Sein gegenüber dem veränderlichen und vergänglichen zeitlichen Sein.227 Dabei ist ohne weiteres klar, dass die Ewigkeit selbst allein dem Schöpfer eignet und für jegliches Geschöpf unerreichbar bleibt.228 Strenggenommen steht die Vollendung also zwischen Zeitlichkeit und Ewigkeit: Aufgehoben sind insbesondere all jene Aspekte der Zeitlichkeit, die mit Sünde und Tod assoziiert werden (die distentio und die Vergänglichkeit), während die durch Geschöpflichkeit bedingten Charakteristika (hingewiesen wurde auf die Elemente der mutabilitas und des tendere) erhalten bleiben. Das geistige Geschöpf ist so in keiner Weise gleichewig mit Gott, aber es erreicht einen Zustand, in dem es in der Verbindung mit Gott als seinem Ursprung ein gefestigtes, beständiges Sein besitzt, in dem die in dieser Zeit nur momenthaft erfahrbare Glückseligkeit als vita aeterna zu einem dauerhaften Besitz wird. d) Die Bewertung der Zeitlichkeit Im vorigen Abschnitt wurde deutlich, dass Augustinus sich den Vollendungszustand so vorstellte, dass in ihm die negativen Aspekte der Zeitlichkeit – im Kern sind das die mit dem tendit non esse verbundene Vergänglichkeit und die distentio als Hinwendung zu Nichtigem – überwunden sein werden. Dies legt die Frage nahe, wie Augustinus die Zeitlichkeit des Menschen insgesamt beurteilte. Die möglichen Antworten darauf fielen sehr unterschiedlich aus. Kurt Flasch etwa beurteilte die Haltung des Bischofs von Hippo zur Zeitlichkeit als durchweg negativ;229 so ist die Vollendung zu verstehen als eine „Entzeitlichung“ im Sinn einer Flucht aus der Zeit, worin sich zeigt, dass „Zeit für 226

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Vgl. (auf die geistige Schöpfung bezogen) Conf. XII, 9, 9; 15, 19 [CC.SL 27, 221, Z. 5; 225, Z. 28] (particeps aeternitatis) bzw. ebd. 15, 22 [CC.SL 27, 226, Z. 67] (secundum modum suum aeterna). Vgl. z. B. Conf. XI, 13, 16 [CC.SL 27, 202, bes. Z. 26f.]: … et ante omnia tempora tu es …; umgekehrt heißt es Io. ev. tr. 38, 10 [CC.SL 36, 343, Z. 19–22]: res enim quaelibet, prorsus qualicumque excellentia, si mutabilis est, non vere est; non enim est ibi verum esse ubi est et non esse. Ähnlich Conf. XI, 14, 17 (zitiert unten S. 134, Anm. 239) sowie Conf. VII, 11, 17 [CC.SL 27, 104, Z. 1–4]: Et inspexi cetera infra te et vidi nec omnino esse nec omnino non esse: esse quidem, quoniam abs te sunt, non esse autem, quoniam id quod es non sunt. Id enim vere est, quod incommutabiliter manet. – FLASCH, Was ist Zeit?, 226 sprach von der „Prävalenz der aeternitas“. Den Unterschied schärfte Conf. XI, 30, 40 [CC.SL 27, 215, Z. 11–13] ein: … et intellegant te ante omnia tempora aeternum creatorem omnium temporum neque ulla tempora tibi esse coaeterna nec ullam creaturam, etiamsi est aliqua supra tempora. Vgl. auch ebd. 7, 9; 14, 17 sowie Conf. XII, 9, 9; 11, 12f.; 12, 15; 15, 19.22; 22, 31. Am deutlichsten wurde die Begründung wohl in Conf. XII, 15, 19 [CC.SL 27, 225, Z. 30f.] ausgesprochen: Nec tamen tibi coaeterna, quoniam non sine initio: facta est enim. – In Conf. XI, 11, 13 [CC.SL 27, 201, Z. 5–17] lotete Augustinus überdies die erkenntnistheoretische Konsequenz dieser radikalen Differenz aus: Wenn das Herz des Menschen aus der Unruhe und dem Verfließen der Zeit nicht zur Ruhe gebracht wird, dann kann es die allzeit stehende Ewigkeit auf keine Weise erfassen. Vgl. auch unten ab S. 152. FLASCH, Was ist Zeit?, 227 betonte Augustins „durchgängig negative Bewertung der Zeit“.

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Augustin doch nur den einen Sinn haben kann, daß die wenigen Auserwählten ihr für immer entgehen“.230 Ganz anders etwa Norbert Fischer, er interpretierte den Vollendungszustand als „Entflüchtigung des Zeitlichen, worunter das Ende der Flüchtigkeit der für kostbar gehaltenen Zeit zu verstehen ist“.231 Den Grund für die starke Divergenz der Urteile mag man unter anderem in dem heterogenen Zeitbegriff erkennen, der verschiedene, von Augustinus nicht immer klar getrennte Bedeutungen in sich vereinigt (psychologische Zeit, physikalische Zeit, moralische Zeit, historische Zeit); eine zusätzliche Komplikation ergibt sich dadurch, dass Augustinus die Sünde als eine Wirklichkeit ansah, die alle Bereiche des gegenwärtigen Lebens beeinflusst. Nimmt man also die Identifikation der Zeit mit dem Menschen ernst,232 so heißt das insbesondere, dass die Zeit, wie sie ist, nicht unbedingt so sein muss, wie sie sein soll; es gilt also, die faktischen und die normativen Anteile getrennt zu sehen und zu beurteilen. Vor allem dieser letzte Aspekt soll die folgende Darstellung leiten; die Zeit soll dazu in den drei Dimensionen als von Gott geschaffene, als von Sünde affizierte und als in der Vollendung aufgehobene angeschaut werden. Beginnt man bei der ursprünglichen Verfasstheit der Zeit, so stößt man zunächst auf die grundlegende, von Augustinus niemals in Zweifel gezogene Aussage, dass die Zeit von Gott geschaffen ist und mithin etwas Gutes darstellt.233 Mag zeitlich-vergängliches Sein so auch einen größeren Abstand von der Ewigkeit besitzen als bleibendes Sein, so eignet der Zeitlichkeit damit doch eine nicht zu übersehende Positivität. Diese manifestiert sich vor allem in den beiden Aspekten der Ordnung,234 zu der auch gehört, dass Gott selbst über ihren Lauf verfügt,235 und der Schönheit.236 Beide Gedanken baute 230

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Ebd., 222; ähnlich 227 „es geht [scil. für den Menschen] darum, daß sein überzeitlicher Kern in seine zeitfreie Heimat hinübergerettet werde“; ebd. zur Vision von Ostia als Muster dafür, dass wir uns „in der Zeit aus der Zeit heraus bewegen sollen oder vielmehr durch die Gnade herausreißen lassen sollen.“ FISCHER, Confessiones 11, 506. Siehe oben S. 125 mit Anm. 192. So in Gen. adv. Man. I, 2, 4 [CSEL 91, 70, Z. 9–11]: … deus est ante tempora qui fabricator est temporum; sicut omnia quae fecit deus bona sunt valde, sed non sic bona sunt, quomodo bonus est deus … Vgl. ferner Conf. XI, 13, 15 (cum ergo sis operator omnium temporum); 14, 17 (ipsum tempus tu feceras) [CC.SL 27, 202, Z. 9; 202, Z. 1f.] und öfter. In Conf. XI, 29, 39 (siehe oben S. 125, Anm. 193) beklagte Augustinus ja gerade die Unkenntnis der Ordnung der Zeiten. Conf. XII, 12, 15 [CC.SL 27, 223, Z. 18f.] wurde die Zeitlichkeit aller Geschöpfe auf die ordinatas commutationes motionum atque formarum zurückgeführt. Siehe auch unten Anm. 236. – Die Feststellung von Helmut ECHTERNACH, Ewigkeit, in: Joachim Ritter u. a. (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 2, Darmstadt 1972, 838–844, für Augustin sei die Zeit insgesamt „undurchschaubar, unerklärlich, irrational wie alles Böse und Nichtige“ (841), bedarf von daher einer Korrektur. Vgl. Conf. XI, 11, 13 [CC.SL 27, 201, Z. 14f.]: … et videat, quomodo stans [scil. aeternitas] dictet futura et praeterita … Etwa in Conf. XII, 28, 38 [CC.SL 27, 238, Z. 12–14]: … et fierent omnia bona valde, sive maneant circa te, sive gradatim remotiore distantia per tempora et locos pulchras variationes faciant aut

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Augustinus in anderen Schriften, z. B. in De Genesi ad litteram noch wesentlich weiter aus.237 Alles zusammen läuft darauf hinaus, dass – wie es in De Genesi adversus Manichaeos liber imperfectus hieß – die Zeit selbst eine Art Zeichen oder Spur der Ewigkeit ist.238 Im Blick auf den Menschen fällt weiter auf, dass bei Augustinus Zeitlichkeit und Vergänglichkeit nicht so eng verbunden sind, wie es zunächst – immerhin wird in Confessiones XI der Begriff der Zeit(lichkeit) ausdrücklich mit Vergehen und mit Streben zum Nicht-Sein assoziiert239 – scheinen mag, denn im Gegensatz zur Vergänglichkeit gehört die Zeitlichkeit zur ursprünglichen Natur des Menschen,240 das Junktim ist, was den Menschen angeht, erst eine Folge des Sündenfalls. Dies verbietet, die Zeitlichkeit in einem ausschließlich negativen Licht zu sehen, und verlangt nach einer positiven Würdigung, ganz zu schweigen davon, dass die Zeitlichkeit ja sogar die Voraussetzung dafür ist, dass der Mensch aus der Gefallenheit wieder zur Seligkeit aufstehen kann.241 Dies schließt freilich nicht aus, dass in der Vollendung die Zeitlichkeit des Menschen erneut eine Wandlung erfährt, die nicht einfach als Zurückversetzung in den ursprünglichen Zustand zu verstehen ist.242 Gegenüber dieser ursprünglichen Gutheit erscheint die gegenwärtige Zeit in den Confessiones als etwas Ambivalentes.243 Die positive Seite scheint dabei auf, wenn

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patiantur. Vergleiche ferner (auch zu weiteren positiven Aspekten der Zeit) unten S. 134; in De Genesi ad litteram und in De civitate Dei (z. B. XII, 4f. [CC.SL 48, 358f.]) trat der Aspekt der Schönheit der zeitlichen Ordnung – trotz ihrer Vergänglichkeit – noch wesentlich deutlicher hervor, vgl. hierzu FLASCH, Was ist Zeit?, 102 und 106f. (dort auch weitere Stellenangaben). Vgl. hierzu FLASCH, Was ist Zeit?, 102f., Augustinus ging hier sogar so weit, die Zeit „als die erfahrbare Schönheit der vorherbestimmten Weltordnung“ (ebd., 102f.) zu verstehen. Vgl. Gen. litt. imp. 13, 38 [BA 50, 466] zu Gen 1, 14: Haec enim nunc dicit tempora, quae intervallorum distinctione aeternitatem incommutabilem supra se manere significant, ut signum, id est quasi vestigium aeternitatis, tempus appareat. – FISCHER, Confessiones 11, 533 verwahrte sich dabei gegen die „Behauptung eines Gegensatzes zwischen der Zeitauslegung des elften Buches und der sogenannten ersten, platonisch gefärbten Zeittheorie Augustins“. Conf. XI, 14, 17 [CC.SL 27, 203, Z. 14–19]: Praesens autem si semper esset praesens nec in praeteritum transiret, non iam esset tempus, sed aeternitas … ut scilicet non vere dicamus tempus esse, nisi quia tendit non esse? Dies gegen Kurt Flasch, der in Was ist Zeit?, 222 konstatierte, dass „Zeitlichkeit und Vergänglichkeit nicht zur Natur des Menschen gehören“. Vgl. Trin. XIV, 15, 21 [CC.SL 50a, 449, 2–5]: Quod ideo certe non dubitat quoniam misera est et beata esse desiderat, nec ob aliud fieri sperat hoc posse, nisi quia est mutabilis. Nam si mutabilis non esset, sicut ex beata misera sic ex misera beata esse non posset. Auch wenn Conf. IV, 11, 16 (vgl. im Kontext unten S. 139, Anm. 273) mit der Feststellung fluxa tua reformabuntur et renovabuntur die Verbindung von Ursprungs- und Finalzustand betonte. In einer anderen als der im Folgenden dargelegten Perspektive zeigt sich das auch an dem Begriff der distentio animi selbst: Zu dem in Conf. XI, 21, 27 – 28, 38 entwickelten Gedankengang bemerkte FISCHER, Confessiones 11, 535: „Die gefundene Antwort ist also unbefriedigend, weil sie eine Zweideutigkeit des Sinnes der Zeit mit sich bringt, aus der Augustinus sowohl den Impuls zur Überwindung als auch zur Bewahrung der Zeit gewinnt.“ Ähnlich SCHULTE-KLÖCKER, Das Ver-

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Augustinus seine persönliche Zeit durchaus als etwas Kostbares ansehen kann,244 die ihm Gutes gebracht hat und die sein Leben Gestalt gewinnen ließ.245 Mit „Zeit“ verknüpften sich für ihn aber auch andere, eindeutig negative Assoziationen: Die distentio bedeutet nicht nur eine Aufspaltung der verschiedenen Zeitdimensionen, sie kennzeichnet zugleich einen inneren Zustand des Zerrissenseins durch das Viele und des Abgezogenseins von der Ausrichtung auf den einen Gott;246 und schließlich ist Zeitlichkeit in der gegenwärtigen Situation immer auch mit der Flüchtigkeit und der Vergänglichkeit des Seins verbunden.247 Konzentriert man sich auf die negativen Aspekte, so erscheint die Zeitlichkeit eng verbunden mit der gegenwärtigen, von Tod und Sünde geprägten conditio humana. Das zuvor konstatierte tendit non esse alles Zeitlichen248 bekommt dabei ein bedrohliches Gewicht, indem es die Todesverfallenheit des Menschen ausdrückt und sein Leben als ein Leben zum Tod charakterisiert.249 Die Sünde wiederum korrespondiert mit der distentio, insofern sie als Abwendung von Gott, dem Einen, und als Unordnung zu verste-

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hältnis von Ewigkeit und Zeit, 387: „Es gilt, die Ambivalenz der Zeit, ihre Wahrheit und ihre Unwahrheit, zu sehen.“ Vgl. Conf. XI, 2, 2, [CC.SL 27, 194, Z. 5]: … caro mihi valent stillae temporum. Vgl. auch ebd. [Z. 8–11]. Für FISCHER, Confessiones 11, 506 war der „Gedanke der Kostbarkeit der ständig verrinnenden Zeit“ ein „Leitmotiv, das bis zum Ende der Confessiones immer wieder aufgenommen wird.“ Vgl. FISCHER, Confessiones 11, 535f.; von den dort angeführten Stellen sei hier nur auf Conf. IV, 8, 13 [CC.SL 27, 46, Z. 1f.] hingewiesen, wo es hinsichtlich des Schmerzes über den Tod des Freundes heißt: Non vacant tempora nec otiose volvuntur per sensus nostros: faciunt in animo mira opera. Vgl. Conf. XI, 29, 39 (zitiert oben S. 124) das nos multos, in multis per multa; in Conf. VIII, 10, 24 [CC.SL 27, 128, Z. 59] verwendete Augustinus die Bezeichnung distentio auch für den Widerstreit der verschiedenen Willensstrebungen in der Seele. Das Zerrissensein schilderte er vor Conf. XI, 29, 39 (vgl. oben S. 124, Anm. 183) bereits Conf. IV, 6, 11 [CC.SL 27, 45, Z. 2–4]: miser est omnis animus vinctus amicitia rerum mortalium et dilaniatur, cum eas amittit, et tunc sentit miseriam, qua miser est et antequam amittat eas. Die Gegenperspektive entwickelte der Bischof von Hippo für die himmlische Schau Conf. XII, 11, 12 [CC.SL 27, 222, Z. 24]: … contemplantem delectationem tuam sine ullo defectu egrediendi in aliud … Vgl. Conf. XII, 9, 9 [CC.SL 27, 221, Z. 7f.]: [caelum caeli] inhaerendo tibi excedit omnem volubilem vicissitudinem temporum; sowie Conf. XI, 7, 9 [CC.SL 27, 198f., Z. 4f.8–10]: alioquin iam tempus et mutatio et non vera aeternitas nec vera immortalitas … novimus, quoniam in quantum quidque non est quod erat et est quod non erat, in tantum moritur et oritur; den Zustand vor seiner Bekehrung kennzeichnete Augustinus schließlich als devorans tempora et devoratus temporibus (Conf. IX, 4, 10 [CC.SL 27, 139, Z. 85f.]); weitere negative Aspekte zählte FISCHER, Confessiones 11, 536 auf. Conf. XI, 14, 17 [CC.SL 27, 203, Z. 19]. Vgl. etwa Conf. I, 6, 7 [CC.SL 27, 4, Z. 5f.]: nescio, unde venerim huc, in istam dico vitam mortalem an mortem vitalem. – Sehr deutlich wurde dies auch in den En. Ps. 101, 2, 10 [CC.SL 40, 1445, Z. 17–19] ausgedrückt: Omnis enim dies in hoc tempore ideo venit, ut non sit; omnis hora, omnis mensis, omnis annus: nihil horum stat. Antequam veniat, erit; cum venerit, non erit.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

hen ist.250 Beides erscheint schließlich dadurch verbunden, dass die Sterblichkeit – im Sinn von Sterben-Müssen – selbst eine Folge der (Erb-)Sünde ist.251 Nebenbei bemerkt bekommt das Nachdenken über Zeit durch die Verbindung mit dem Bewusstsein der eigenen Sündhaftigkeit (oder mindestens des Angefochtenseins) und der Sterblichkeit bei Augustinus einen sehr persönlichen Bezug. Existentiell ist diese Weise der Darstellung in dem Sinn, dass es sich hier nicht um einen „abstrakten Traktat“ handelt, der „mit der Person des Verfassers nichts zu tun hätte“,252 sondern dass Augustinus hier insbesondere die Zeitlichkeit des eigenen Seins auslotet. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine modern-existentialistische Sicht der Dinge, so als ob es hier darum ginge „die erfahrene Problematik des eigenen Lebens“253 wiederzuerkennen, sehr wohl aber bedeutet es ein Einschwenken in die auch für die Bücher XI–XIII gültige Gesamtperspektive der Confessiones, die darin besteht, dass der Verfasser sich selbst und sein Leben im Licht Gottes betrachtet. Der Aufbau der Confessiones hat so die Gestalt,254 dass Augustinus in den ersten neun Büchern seine Vergangenheit, die Wege und Umwege seiner Gottsuche, reumütig und dankbar bekannte, im zehnten Buch seine Gegenwart, das heißt seine „innere Situation zur Abfassungszeit“,255 schilderte, während er in Confessiones XI–XIII eine (eschatologische) Zukunftsperspektive seiner Gottesbeziehung entwickelte, wobei diese Zukunft in dem Sinn eine „absolute“ Zukunft ist, als sie für den Bischof von Hippo gerade darin besteht, sich nicht einer selbst wieder vergänglichen Zukunft zuzuwenden, sondern der Ewigkeit als dem quae ante sunt, das heißt der unvergänglichen Ursache allen Seins.256 250

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Conf. I, 12, 19 [CC.SL 27, 11, Z. 15] kennzeichnete Augustinus den Sünder als einen inordinatus animus; vgl. auch Sermo 125, 7 [PL 38, 694], besonders: Non enim potest amare quod aeternum est, nisi destiterit amare quod temporale est. – QUINN, Time, 836a bezeichnete entsprechend die „moralische Zeit“ selbst als „source of disorder“. Zum Zusammenhang mit Tod und Sünde vgl. ebd., 836b. Vgl. z. B. Civ. XIV, 12 [CC.SL 48, 433, Z. 4–6]: … et per hanc subiaceret et morti ac tot et tantis tamque inter se contrariis perturbaretur et fluctuaret affectibus. FLASCH, Was ist Zeit?, 206 wies darauf hin: „Diese Theorie hat Augustin kurz vor der Abfassung der Confessiones entwickelt; sie klingt im Text immer wieder an.“ – Vgl. ferner Conf. I, 1, 1 [CC.SL 27, 1, Z. 3f.]: et homo circumferens mortalitatem suam, circumferens testimonium peccati sui … FLASCH, Was ist Zeit?, 205. Vgl. auch ebd., 208f. Richard SCHAEFFLER, Die Struktur der Geschichtszeit (= Philosophische Abhandlungen 21), Frankfurt am Main 1963, 199. Vgl. für das Folgende auch die Ergebnisse von FISCHER, Confessiones 11, bes. 498–508. Annemarie C. MAYER, Confessionum libri tredecim, in: Michael Eckert u. a. (Hrsg.), Lexikon der theologischen Werke, Stuttgart 2003, 124–126, hier 125b. Vgl. Conf. X, 4, 6 [CC.SL 27, 157, Z. 1f.]: Hic est fructus confessionum mearum, non qualis fuerim, sed qualis sim, ut hoc confitear … Vgl. Conf. XI, 29, 39 (zitiert oben S. 124) und ebd. 30, 40 [CC.SL 27, 215, Z. 10]. Zur Interpretation der Stelle vgl. Ernst A. SCHMIDT, Zeit und Geschichte bei Augustin (= Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse), Heidelberg 1985, 41–47; er betonte zu Recht den Gegensatz von zeitlicher Zukunft und absoluter Zukunft der Ewigkeit, die ja gerade eine Aufhebung der Zeit bedeutet. Dennoch war die Ewigkeit für Augustin eine Art „Zukunft“, und in diesem Sinn konnte er, ohne sich selbst zu widersprechen,

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Damit gelangt man zum Dritten der oben angeführten Aspekte der Zeitlichkeit, nämlich als in der Vollendung aufgehobener. Auf den ersten Blick präsentiert sich hier ein sehr klares Bild: So verstand Augustinus den Vollendungszustand weitgehend als Negation der Zeitlichkeit. Es fehlen hier gerade die wesentlichen Momente der Zeitlichkeit – die mutatio, die variatio, die distentio und die Vergänglichkeit257 – und die unablässige Schau und das Ruhen in Gott treten an die Stelle der vicissitudo temporum.258 Darüber hinaus kann man darauf verweisen, dass Augustinus in anderen Schriften die Vollendung des Menschen als Befreiung von der Zeit charakterisierte.259 In dieselbe Richtung geht es schließlich, wenn der Bischof von Hippo das Leben in dieser Zeit als Entfremdung, als Pilgerschaft in der Fremde (peregrinatio) verstand,260 während das Ziel dieser Wanderungen, das „Haus Gottes“, der „Himmel des Himmels“, als ein zeitfreier, ja „ewiger“ Raum aufgefasst wurde.261 Sieht man den Vollendungszustand so an, so scheint es ein Leichtes, zu einem grundsätzlich negativen Urteil über die Zeitlichkeit zu kommen262 und der guten Ewigkeit eine ausschließlich schlechte Zeit gegenüberzustellen.

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in En. Ps. 101, 2, 4 [CC.SL 40, 1440, Z. 9–11] feststellen: … extendentes nos non ad praesens quod est, sed ad id quod futurum est. Man kann ferner auch in Conf. XI, 30, 40 [CC.SL 27, 214, Z. 1] auf die futurische Wendung Et stabo et solidabor in te hinweisen. – FISCHER, Confessiones 11, 502f. interpretierte die letzten drei Bücher der Confessiones als Frage „nach einem bleibenden Sinn des dargestellten zeitlichen Geschehens angesichts der nur negativ antizipierten Ewigkeit Gottes.“ Vgl. den vorausgehenden Abschnitt ab S. 124 insgesamt sowie besonders S. 128, Anm. 206. Dieses immer wieder angesprochene Ziel nennen bereits die ersten Zeilen der Confessiones: inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te (Conf. I, 1, 1 [CC.SL 27, 1, Z. 7]). Z. B. Io. ev. tr. 31, 5 [CC.SL 36, 296, Z. 18–21]: Denique ubi venit plenitudo temporis, venit et ille, qui nos liberaret a tempore. Liberati enim a tempore, venturi sumus ad aeternitatem illam ubi non est tempus. Ähnlich Sermones Guelf. 32, 5 in: Sancti Augustini sermones post Maurinos reperti, studio ac dilig. D. Germani Morin, Bd. 1, Rom 1930, 439–585, hier 567, Z. 16–19: Venit humilis creator noster, creatus inter nos: qui fecit nos, qui factus est propter nos: deus ante tempora, homo in tempore, ut hominem liberaret a tempore. Vgl. Conf. XII, 11, 13; 15, 21 [CC.SL 27, 222.226]. Vgl. insgesamt Conf. XII, 11, 13 [CC.SL 27, 222, bes. Z. 36f.]: [domus tua] tamen indesinenter et indeficienter tibi cohaerendo nullam patitur vicissitudinem temporum. – Das Haus Gottes ist seinerseits nichts anderes als die geistige Schöpfung, die in Conf. XI, 30, 40 [CC.SL 27, 215, Z. 13] als überzeitlich (supra tempora) und in Conf. XII, 12, 15 [CC.SL 27, 223, Z. 3] als zeitfrei (carens temporibus) beschrieben wird. Vgl. oben S. 133 mit Anm. 230, vgl. ferner z. B. FLASCH, Was ist Zeit?, 214 und 399, wo er dezent andeutete, dass für Augustinus Zeit etwas sei, das allenfalls für die Hölle taugt. Er verwies dabei auch auf das Verdikt des Thomas In Inferno non est vera aeternitas, sed magis tempus (S. th. I, 10, 3, ad 2 [Ed. Leonina IV, 98]). Ganz anders urteilte etwa WILHELM VON AUVERGNE, De universo I, 2, 7 [Ed. cit. I, 690b E–F]: … status iste indubitanter non est status temporalitatis, quin potius multum similis statui aeternitatis, sicut et foelicitas sanctorum, et hoc est omnibus opinionibus magis congruens doctrinae Christianorum. Zum weiteren Kontext vgl. unten S. 192, besonders Anm. 122.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Doch hält dieses rigorose Urteil einer genaueren Überprüfung stand? Sowohl die unter den vorigen beiden Aspekten dargestellten positiven Beurteilungen der Zeitlichkeit als auch die Beobachtung, dass Augustinus in anderen Schriften die Vollendung (sicherlich in einem übertragenen Sinn, aber immerhin) auch als eine „Zeit“ darstellen kann,263 sind geeignet, hieran Zweifel aufkommen zu lassen. In Form von zwei Anfragen soll daher ein erneuter Blick auf die entsprechenden Stellen in den Confessiones geworfen werden. Die erste Anfrage knüpft sich an jene Stelle, wo es als Idealzustand der Bewohner des Himmels dargestellt wird, dass sie keine Zukunft und keine Vergangenheit haben (non habens futurum quod expectet nec in praeteritum traiciens quod meminerit).264 Beachtet man den Kontext, so erkennt man, dass hier das Anhangen der himmlischen Wesen an Gott beschrieben wird. Es geht also um nichts anderes als die auch an anderen Stellen beschriebene unablässige Schau Gottes,265 die sich in einer bleibenden Gegenwart vollzieht.266 Speziell dieser eine Akt ist es, der keine Zukunft und keine Vergangenheit kennt, und es ist nicht selbstverständlich, dass dadurch jede andere Art von Veränderung ausgeschlossen wird. In den Confessiones wird dies nicht weiter thematisiert (und insofern ist es schwierig hier zu einem abschließenden Urteil zu kommen), aber für De civitate Dei und De Genesi ad litteram kann man auf das Konzept des motus spiritalis als einer den Engeln eigenen Form der – in De civitate Dei sogar ausdrücklich als zeitlich vorgestellten – Bewegung verweisen.267 Das Hauptgewicht der augustinischen Argumentation scheint mir überdies – was den Vollendungszustand angeht – auf der Überwindung nicht der Zeitlichkeit, sondern der Vergänglichkeit zu liegen,268 was nicht zuletzt für das obengenannte Peregrinatio-Motiv gilt: Eigentliche Ursache der „Fremdheit“ ist das Entbehren der Schau Gottes, dessen Auswirkung darin besteht, dass der Mensch mit seiner leib-seelischen Verfasstheit – entgegen seiner ursprünglichen Bestimmung – in eine vergängliche (zeitliche) Ordnung eingebunden ist.269 263

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So En. Ps. 101, 2, 10 [CC.SL 40, 1444, Z. 6f.]: et perfice mihi dies exiguos, ut dones mihi postea dies aeternos; oder Sermo 254, 1, 1 [PL 38, 1182]: Sic se habet, … ut tempus moestitiae tempus laetitiae praecedat: id est ut … prius sit tempus laboris, posterius quietis; prius sit tempus calamitatis, posterius felicitatis. Und ebd. 4, 5 [PL 38, 1184] Significantur enim nobis duo tempora: unum ante resurrectionem Domini, alterum post resurrectionem Domini; unum in quo sumus, alterum in quo nos futuros esse speramus. Tempus moeroris, quod significant dies Quadragesimae, et significamus et habemus; tempus autem laetitiae et quietis et regni, quod significant dies isti [scil. paschales]. Vgl. Conf. XII, 11, 12 [CC.SL 27, 222, Z. 18–21] (zitiert S. 128, Anm. 206). Vgl. oben S. 126 mit Anm. 199f. Vgl. Conf. XII, 11, 12 [CC.SL 27, 222, Z. 18] das vorausgehende te sibi semper praesente. Vgl. unten S. 147 sowie SORABJI, Time, 31 und FLASCH, Was ist Zeit?, 100f. Was natürlich die oben, S. 134, ausgeführte Trennung von Zeitlichkeit und Vergänglichkeit voraussetzt; vgl. ferner oben ab S. 130. Gegen FLASCH, Was ist Zeit?, 210: „Wenn die Zeitlichkeit und Sterblichkeit des Menschen eine Folge der Sünde ist, erscheinen Zeit und Zeitlichkeit als das Fremde: Die Zeit ist einer unsterblichen Seele prinzipiell unangemessen“. – Auch hier äußerte sich Augustinus in De civitate Dei

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Eine zweite Anfrage betrifft den oben (S. 124) zitierten Passus aus Confessiones XI, 29, 39, dass man die Vergangenheit vergessen (oblitus praeterita) und sich nicht nach der vergänglichen Zukunft ausstrecken soll (non in ea quae futura et transitura sunt … extentus).270 Muss man hier das oblitus in einem wörtlichen oder absoluten Sinn verstehen, so als ob der Mensch seine gesamte zeitliche Existenz verleugnen solle und sie in der Vollendung schließlich ausgetilgt sein werde? – Selbstverständlich ging es Augustinus um die (oben bereits geschilderte) Hinwendung zu Gott, dem Ewigen, was insbesondere bedeutet, dass der Mensch sein Herz nicht an Zeitliches hängen soll (insbesondere nicht an jenes, das Unordnung und Sünde darstellt) und diesem nicht eine Zielhaftigkeit zuschreiben soll, die es von sich aus nicht besitzt.271 Daraus folgt aber noch nicht, dass alles Zeitliche per se wertlos ist, vielmehr ist die Perspektive in diesem Leben, Gott in den zeitlichen Dingen zu lieben,272 und im kommenden Leben wird die zeitliche Existenz in einer erneuerten, bleibenden Form aufgehoben sein, was etwa daran sichtbar wird, dass auch im ewigen Leben eine Erinnerung an das zeitliche Leben und damit zumindest Vergangenheit existiert.273 Über diese beiden Anfragen hinaus lässt sich noch auf weitere Sachverhalte aufmerksam machen – ich will sie im Folgenden nur kurz andeuten –, die der von Augustinus konstatierten „Zeitlosigkeit“ des Vollendungszustandes entgegenlaufen. So kann man fragen, wie (ewiges) Leben ohne eine, wenn auch sublime, Form der Zeitlichkeit vorzustellen ist, insbesondere da der Begriff „Leben“ ja gerade in der platonisch-neuplatonischen Tradition – neben den Aspekten des Denkens und der Glückseligkeit – auch das

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deutlicher als in den Confessiones, vgl. etwa Civ. XII, 4 (zitiert unten S. 149, Anm. 331); vgl. aber Conf. XIII, 21, 30 [CC.SL 27, 259, Z. 43–45]: … discedendo a fonte vitae moritur atque ita suscipitur a praetereunte saeculo et conformatur ei. Vgl. den oben, S. 124, zitierten Text. Das oblivisci entspricht so in der Negation dem extendere. In diesem Sinn bedeutet es einen Willensakt des Sich-Ausrichtens auf das, was allem Zeitlichen vorausliegt (ea, quae ante sunt). Vgl. Conf. IX, 10, 25 [CC.SL 27, 148, Z. 43], wo es in Bezug auf die (zeitliche) Schöpfung hieß: ipsum [scil. Deum], quem in his amamus; ähnlich Conf. XI, 8, 10 [CC.SL 27, 199, Z. 12f.]: Quia et per creaturam mutabilem cum admonemur, ad veritatem stabilem ducimur; umgekehrt konnte er (im Hinblick auf seinen kurz zuvor verstorbenen Freund) den seligpreisen, der seinen Freund in Gott liebt: Beatus, qui amat te et amicum in te … (Conf. IV, 9, 14 [CC.SL 27, 47, Z. 6f.]) In diesem Sinn würde ich die oben angesprochene Sammlungsbewegung (das colligor von Conf. XI, 29, 39) verstehen: Es ist das Zeitliche, das nicht mehr ins Nichts strebt, sondern auf Gott hin gesammelt wird (was freilich auch eine gewisse Wandlung bedeutet). Vgl. auch Conf. XII, 16, 23 [CC.SL 27, 227, Z. 17–19]: conligas totum quod sum a dispersione et deformitate hac … (Unterstreichung von mir), sowie Conf. IV, 11, 16 [CC.SL 27, 48f., Z. 8–12], wo zur Seele gesprochen wird: non perdes aliquid … et fluxa tua reformabuntur et renovabuntur et constringuntur ad te et … stabunt tecum. Noch konkreter kann man an die Schilderung in Trin. XIV, 9, 12 [CC.SL 50a, 440, Z. 42–50] denken, wo es hieß, dass die (auf Erden begangenen) Werke der Tugenden im kommenden Leben im Gedächtnis erhalten bleiben werden.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Moment der (Selbst-)Bewegung beinhaltet.274 Ähnliches gilt für die fortbestehende Leiblichkeit/Materialität des Menschen.275 Insgesamt bleibt die grundsätzliche Frage, bis wohin die Negation der verschiedenen Aspekte der Zeitlichkeit getrieben werden kann, ohne den Rahmen der Geschöpflichkeit zu verlassen, man denke dabei etwa an das bleibende Element des Sich-Ausstreckens (tendere) nach Gott oder an die Ausführungen in Civ. XIV, 9,276 wonach bestimmte Affekte ([Ehr-]furcht, Freude, Liebe) auch im ewigen Leben erhalten bleiben werden. Anders ausgedrückt, wird man fragen, ob Augustinus, wenn er in Confessiones XII dem „Himmel der Himmel“ die vicissitudo temporum, mutatio und variatio abspricht, jeweils in voller Allgemeinheit spricht oder ob er nicht den Wechsel von guten und schlechten Zeiten bzw. jeweils bestimmte mutationes/variationes im Blick hat; entsprechend muss auch das zukünftige „Stehen“ (stare) des Menschen nicht gegen jede Form der Dynamik gewendet werden, sondern wird eher als Antonym von „Fallen“ zu verstehen sein. In summa bleibt festzuhalten: Wenn Augustinus davon spricht, dass Gott den Menschen in seiner Zeitlichkeit zur Ewigkeit beruft,277 so möchte er damit herausstellen, dass Gott sich selbst dem Menschen in der Vollendung auf eine nicht mehr verlierbare Weise schenkt, wobei insbesondere dessen Todesverfallenheit zugunsten eines ewigen Lebens überwunden wird. Die in der gegenwärtigen Situation des Menschen als ambivalent erfahrene Zeitlichkeit wird dabei in einem positiven Sinn aufgehoben – im Sinn einer Befreiung von deren negativen Aspekten und Auswirkungen (etwa der distentio, der Unordnung und der Vergänglichkeit). Im Einzelnen bleiben dabei noch viele Fragen offen, wo genau zwischen der Zeitlichkeit dieser Welt und der Ewigkeit Gottes der Vollendungszustand des Menschen anzusiedeln ist. – Und nebenbei bemerkt, waren es genau diese offenen Fragen, die nachfolgende Kommentatoren herausforderten und zum Weiterdenken anregten.278 – Klarheit scheint mir jedoch insofern zu bestehen, dass für 274

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Vgl. Pierre HADOT, Leben I. Antike, in: Joachim Ritter u. a. (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 5, Darmstadt 1980, 52–56, hier besonders 53f. – Dasselbe Problem stellt sich auf einer anderen Ebene auch im Blick auf Gottes Ewigkeit, die ja ebenfalls als Leben vorgestellt wird (siehe unten S. 156, besonders Anm. 377), wobei man in einem – auf Augustinus freilich nur bedingt anzuwendenden – neuplatonischen Denkhorizont beachten muss, dass die Begriffe Bewegung und Leben in der Sphäre der Seele (ψυχή) und in der des Geistes (νοῦς) je anders konnotiert sind. Ausführlich in Civ. XXII passim dargestellt, vgl. z. B. c. 26 [CC.SL 48, 854, Z. 34f.]: Non ergo, ut beatae sint animae, corpus est omne fugiendum, sed corpus incorruptibile recipiendum. – Man denke außerdem an die Charakterisierung der materia prima als mutabilitas rerum mutabilium ipsa (Conf. XII, 6, 6 [CC.SL 27, 219, Z. 26]). CC.SL 48, 425–430. Vgl. etwa den auf S. 124 zitierten Passus aus Conf. XI, 29, 39; sehr pointiert auch in En. Ps. 101, 2, 10 [CC.SL 40, 1446, Z. 58–60]: O Verbum ante tempora, per quod facta sunt tempora, natum et in tempore, cum sit vita aeterna, vocans temporales, faciens aeternos! DUCHROW, Der sogenannte psychologische Zeitbegriff, 286 sah es gerade „als das Fruchtbarste an der Beschäftigung mit Augustins Zeitbegriff“ an, „daß er Aporien nicht verdeckt, sondern sich lange bei ihnen aufhält und sein Scheitern auch zugesteht.“

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Augustins Beschreibung der Vollendung zwar die Ewigkeit das Vorbild lieferte, dass damit aber keine prinzipielle und umfassende Verneinung der Zeitlichkeit intendiert war,279 so dass man statt von „Entzeitlichung“ besser von einem Zur-Ruhe-Kommen der Zeitlichkeit280 oder von einer „Entflüchtigung des Zeitlichen“ spricht.281 3.2.1.2

Die Zeit als Naturbestand

Im vorigen Abschnitt stand das Verhältnis der Zeit zum menschlichen Geist im Mittelpunkt der Untersuchung, dabei wurde bereits deutlich, dass Augustinus kein Vertreter einer rein subjektivistischen Zeittheorie ist, der die Zeit völlig ins Innere der menschlichen Seele verlegt, sondern dass er sie vielmehr als eine zunächst von der menschlichen Seele unabhängige Gegebenheit betrachtet. Dieser Aspekt soll im Folgenden noch einmal etwas genauer betrachtet werden. Einiges wurde dabei im vorigen Abschnitt bereits angesprochen, so dass hier Verweise darauf genügen; die Betrachtung beschränkt sich jetzt jedoch nicht mehr auf die Confessiones allein, sondern es werden auch die zeittheoretischen Passagen aus anderen Schriften (insbesondere den Genesiskommentaren und De civitate Dei) herangezogen. Innerhalb der Zeittheorie Augustins kommt dem elften Buch der Confessiones ein besonderes Gewicht zu, da es sicherlich die umfangreichste und geschlossenste Darstellung der Thematik innerhalb des umfangreichen Œuvres Augustins darstellt. Gleichwohl sollte man nicht vergessen, dass der dort fokussierte Zusammenhang von Zeit und menschlichem Geist lediglich eine mögliche Perspektive auf die Zeitproblematik ist und die dort beschriebene „Psychologisierung“ der Zeit ein Spezifikum dieses Textes darstellt.282 Der Ausgangspunkt war bereits dort der „Objektivismus der stoischen Erkenntnislehre“,283 der auf der Zeit als einem vom Menschen unabhängigen Naturbestand aufruht. Erst die Problematisierung des Seins der Zeit machte es erforderlich auf den menschlichen Geist als Zeiten-„Bildner“ zurückzugreifen, denn nur durch das Bleiben der Eindrücke in der memoria wird es möglich, einen zeitlichen Prozess in seiner Totalität zu erfassen, wird Zeit (gewissermaßen) sichtbar, greifbar und messbar. – Außerhalb von Confessiones XI erklärte Augustinus die Zeit unmittelbar aus der Bewegung (aus dem motus oder der mutabilitas der Geschöpfe), ohne die zeitbildende Tätigkeit des Geistes überhaupt zu erwähnen. Bereits in Confessiones XII & XIII ist von einem Ursprung der Zeit in der Seele nicht mehr die Rede, vielmehr hieß es lapidar: rerum muta-

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Vgl. auch FISCHER, Confessiones 11, 536. Man kann hier an das Bild der Welt als Meer denken, vgl. Civ. XX, 16 [CC.SL 48, 727, bes. Z. 32–34]: Iam enim tunc non erit hoc saeculum vita mortalium turbulentum et procellosum, quod maris nomine figuravit. Vgl. noch einmal oben S. 133. Siehe den Abschnitt oben ab S. 120. Vgl. FLASCH, Augustin, 279.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

tionibus fiunt tempora.284 Und mit aller nur wünschenswerten Klarheit stellte De civitate Dei später fest, dass das Phänomen „Zeit“ bereits existierte, als es den Menschen noch gar nicht gab: erat tempus, quando non erat homo.285 Durch die genannten Beobachtungen tritt auch die Richtung des Abhängigkeitsverhältnisses von „psychologischer“ Zeit und „physikalischer“ Zeit286 noch einmal klar zutage: Die psychologische Zeit beruht auf der physikalischen Zeit, sie ist die durch die affectiones vermittelte Repräsentation der physikalischen Zeit, auch da, wo der Geist nicht nur einen äußeren Vorgang beobachtet (wie bei dem Beispiel des Sonnenaufgangs in Conf. XI, 18, 24), sondern sich auf sein eigenes Tun (wie den Vortrag eines Liedes, Conf. XI, 27, 34 – 28, 38 passim) zurückbeugt.287 Weder stehen also die physikalische Zeit und die psychologische Zeit unverbunden nebeneinander,288 noch kann man die psychologische Zeit als die eigentliche Zeit einem an sich zeitlosen Weltgeschehen – das gleichwohl eine objektive Abfolge von Bewegungen kennen mag – gegenüberstellen.289 Im Blick auf den ontologischen Status der Zeit wird dabei auch deutlich, dass 284

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Conf. XII, 8, 8 [CC.SL 27, 220, Z. 24f.]; anders gesagt, ist die Zeit durch den Übergang von einer Form in eine andere bedingt. Vgl. ebd. 12, 15 [CC.SL 27, 223, Z. 7–9], wo es umgekehrt von der materia prima heißt: quod ita informe erat, ut ex qua forma in quam formam vel motionis vel stationis mutaretur, quo tempori subderetur, non haberet. Vgl. ausführlich bei FLASCH, Was ist Zeit?, 92–98, besonders 93, ferner ebd., 394–396. Civ. XII, 16 [CC.SL 48, 371, Z. 60f.]. Einige weitere Beispiele: Gen. adv. Man. I, 2, 4 [CSEL 91, 70, Z. 5–7]: Mundum quippe deus fecit, et sic cum ipsa creatura quam fecit deus, tempora esse coeperunt. Ähnlich Gen. litt. V, 5, 12 [BA 48, 390]: Factae itaque creaturae motibus coeperunt currere tempora. Zur Zeittheorie in De Genesi ad litteram und in De civitate Dei vgl. FLASCH, Was ist Zeit?, 99–108. Mit diesem Begriffspaar möchte ich die beiden Aspekte einer von der Seele durch memoria, intuitus, expectatio vergegenwärtigten Zeit und einer als Naturbestand von der Seele unabhängigen Zeit auseinanderhalten, wobei es schwierig scheint, sie jeweils durch ein einziges Adjektiv zu beschreiben, denn man hat bei der „physikalischen“ Zeit ja nicht nur an die Bewegung von (Himmels-)Körpern zu denken. Wenn ich mich hier der Terminologie etwa von DUCHROW, Der sogenannte psychologische Zeitbegriff oder von QUINN, Time anschließe, so nur in Ermangelung einer besseren (die eigentlich nötigen Anführungszeichen werden im Folgenden deshalb weggelassen). Die Begriffspaare innere Zeit – äußere Zeit, subjektive Zeit – objektive Zeit oder die von SCHMIDT, Zeit und Geschichte, 54–56 vorgenommene Unterscheidung von personaler Zeit und Zeit der Kreatur erscheinen mir mindestens genauso problematisch (vgl. etwa auch FLASCH, Was ist Zeit?, 49f.). In diesem Sinn verstehe ich es, wenn Augustinus auch ein nur in Gedanken vorgetragenes Lied oder Gedicht an dem „tatsächlichen“, mit der Stimme vollzogenen Vortrag maß (Conf. XI, 27, 36 [CC.SL 27, 213, Z. 53f.]: cogitationem tendimus ad mensuram vocis, quasi sonaret). So DUCHROW, Der sogenannte psychologische Zeitbegriff, 281f.: „Diese ordo-Zeit der physikalischen Abläufe läßt sich nun aber nicht mit der Zeit in der Seele verbinden, die ja gerade unter der Voraussetzung gewonnen war, daß die Zeit außerhalb der Seele im Nichtsein versinkt.“ – Dagegen schon SCHMIDT, Zeit und Geschichte, 55. So WEIS, Zeitontologie, 98: „… daß auch das Weltgeschehen in seiner Dauer, Bewegung und Folge vom Anfang bis zum Ende an sich zeitlos ist.“ Dem korrespondiert, dass Augustinus nach Weis

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Augustinus im Letzten nicht so weit von Aristoteles entfernt war, wie es auf den ersten Blick scheinen mag290 (auch wenn er den entscheidenden Text Physica IV, 14 [223a 21– 29] wohl nicht kannte).291 Die zentrale Aussage, um die herum sich alle übrigen Erwägungen Augustins zur Zeit in der Natur gruppieren lassen, ist die, dass Gott die Zeiten erschaffen hat.292 Mit diesem Satz wollte er zunächst aussagen, dass Zeit etwas ist, das allein die geschöpfliche Wirklichkeit betrifft: Ohne Geschöpfe gibt es auch keine Zeit, sondern nur die über den Zeiten stehende, unwandelbare Ewigkeit Gottes.293 Liest man dies zunächst als Aussage über Gott, so ist darin enthalten, dass es sinnlos ist, an die Handlungen und den Willen Gottes einen zeitlichen Maßstab anzulegen. Zeit lässt sich nicht über den Augenblick der Schöpfung hinaus „zurück“-verlängern: Weder kann man daher fragen, was Gott vor der Schöpfung getan habe,294 noch bedeutet es eine Veränderung im Willen Gottes, wenn die Schöpfung zu einem bestimmten Augenblick ins Dasein trat.295 In dem Gedanken von der Schöpfung der Zeit durch Gott ist für Augustinus weiter enthalten, dass der Ablauf der Zeiten insgesamt präformiert ist.296 Dies wird auf verschiedene Art und Weise zum Ausdruck gebracht: So erscheint Gott nicht nur als der „Ordner der Zeiten“ (ordinator temporum)297 – wobei etwa in De Genesi ad litteram die

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„in der Seele sozusagen die primäre Bedingung des Entstehens und Seins der Zeit, in der Bewegung die sekundäre“ (ebd., 147) sieht. Zur Kritik vgl. FLASCH, Was ist Zeit?, 394. So auch das Ergebnis des Vergleichs von WEIS, Zeitontologie, 146. Vgl. hierzu DUCHROW, Der sogenannte psychologische Zeitbegriff, 271. Zum Verhältnis von Zeit und Seele bei Aristoteles vgl. oben S. 102. Das ergibt sich auch daraus, dass Augustinus seine Zeittheorie stets im Rahmen der Genesisauslegung darlegte. Als Belege siehe etwa Gen. litt. IV, 20, 37 [BA 48, 330]: … si tempus est, quis creavit, nisi omnium temporum creator oder Civ. XII, 16 [CC.SL 48, 371, Z. 54]: Neque enim et ipsa tempora creata esse negabimus …; für die Conf. vgl. oben S. 133, Anm. 233. Vgl. z. B. Civ. XI, 6 [CC.SL 48, 326, Z. 1–4]: Si enim recte discernuntur aeternitas et tempus, quod tempus sine aliqua mobili mutabilitate non est, in aeternitate autem nulla mutatio est: quis non videat, quod tempora non fuissent, nisi creatura fieret, quae aliquid aliqua motione mutaret …, sowie Conf. X, 25, 36 [CC.SL 27, 174, Z. 13f.]: et commutantur haec omnia, tu autem incommutabilis manes super omnia …, oder Conf. XII, 11, 13 [CC.SL 27, 222, Z. 34f.]: Hinc ergo intellegat anima, quae potest, quam longe super omnia tempora sis aeternus … Vgl. Conf. XI, 10, 12 – 14, 17; 30, 40 [CC.SL 27, 200–203.215]; Civ. XI, 4f. [CC.SL 48, 323– 326]; vgl. auch Gen. adv. Man. I, 2, 3 [CSEL 91, 69, Z. 14–16]: Deus enim fecit et tempora, et ideo antequam faceret tempora, non erant tempora. Vgl. Conf. XI, 10, 12; 31, 41 [CC.SL 27, 200.215f. ]; Civ. XII, 15 [CC.SL 48, 369f.]. Vgl. FLASCH, Was ist Zeit?, 102: „Gottes Erschaffen legt fest, was die Dinge zu sein und wie sie sich zu bewegen haben; es präformiert folglich auch den Ablauf der Zeiten.“ – „Zeit“ wird in diesem Kontext in einem weiten Sinn gebraucht: Man hat sowohl an Vorgänge in der Natur, als auch an die geschichtliche Zeit zu denken. Civ. XI, 6 [CC.SL 48, 326, Z. 9]: creator sit temporum et ordinator … – dies ist lediglich die andere Seite der Feststellung, dass die Zeiten Ordnung und Schönheit in der Welt repräsentieren, vgl. oben S. 133 mit Anm. 234 und S. 133, Anm. 236.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Zahl das herausragende Mittel dieser Ordnung darstellt298 –, vielmehr ist alles, „was in den Zeiten geschieht, … vorgegeben und vorgeformt im genauen Plan des göttlichen Denkens“.299 Baut dies auf den Vorstellungen Augustins auf, dass die Urgründe (causae, origines) der zeitlichen Schöpfung auf nicht-zeitliche Weise in Gott aufgehoben sind300 und dass ihm die gesamte Zeit zugleich und beständig gegenwärtig ist,301 so scheint dabei stellenweise ein voluntaristisches Gottesbild durch, in dem das, was in der Natur der Dinge noch nicht eindeutig als Entwicklung festgelegt ist, durch den Willen Gottes näher bestimmt wird.302 Schließlich kommt hier auch der – bei Augustin vor allem für die Gnadenlehre wichtige – Prädestinationsgedanke ins Spiel: Die zeitlichen Ereignisse erscheinen als eine Durchführung des von ihm Vorausbestimmten oder – aus der Perspektive des Menschen gesehen – als ein Offenbarwerden der verborgenen Ratschlüsse Gottes.303

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Als Beispiel vgl. nur Gen. litt. IV, 33, 52 [BA 48, 360]: Hos enim numeros tempora peragunt, quos cum crearentur, non temporaliter acceperunt. Ferner ebd. V, 4, 9f. [BA 48, 384–388] (ähnlich auch Civ. XI, 30 [CC.SL 48, 350]), Näheres bei FLASCH, Was ist Zeit?, 102. FLASCH, Was ist Zeit?, 103. Vgl. etwa Civ. X, 12 [CC.SL 47, 287, Z. 28f.]: … in cuius dispositione iam tempora facta sunt quaecumque futura sunt. In Ag. chr. 27, 29 [BA 1, 420] wurde dadurch auch die Ausdrucksweise der Heiligen Schrift erklärt, zukünftige Ereignisse in der Zeitstufe der Vergangenheit zu berichten: Non intellegunt sic loqui Scripturas ut praeteritum tempus pro futuro tempore insinuent: … quia certissime est futurum, ita dictum est quasi jam factum sit. Vgl. Conf. I, 6, 9 [CC.SL 27, 4f., Z. 34–40]: Tu autem, domine, qui et semper vivis et nihil moritur in te, … et deus es dominusque omnium, quae creasti, et apud te rerum omnium instabilium stant causae et rerum omnium mutabilium immutabiles manent origines et omnium inrationalium et temporalium sempiternae vivunt rationes … – Z. B. Io. ev. tr. 1, 16f. [CC.SL 36, 9f.] wurden diese rationes speziell in Christus, das Wort und die Weisheit Gottes, gelegt (dies entsprach der mittelplatonischen Tradition, die Ideen in der divina intelligentia zu verorten – vgl. O’DALY, Aeternitas, 161). Vgl. z. B. Civ. XI, 21 [CC.SL 48, 339, Z. 14–22]: non enim more nostro ille vel quod futurum est prospicit, vel quod praesens est aspicit, vel quod praeteritum est respicit … Ille quippe non ex hoc in illud cogitatione mutata, sed omnino incommutabiliter videt; ita ut illa quidem, quae temporaliter fiunt, et futura nondum sint et praesentia iam sint et praeterita iam non sint, ipse vero haec omnia stabili ac sempiterna praesentia comprehendat. – Die Verbindung mit dem vorausgehenden Gedanken zeigt sich etwa in Trin. II, 5, 9 [CC.SL 50, 92, Z. 94f.]: Ordo quippe temporum in aeterna dei sapientia sine tempore est. Vgl. Gen. litt. VI, 15, 26 [BA 48, 486]: manifestum est etiam sic non factum esse hominem contra quam erat in illa prima conditione causarum, quia ibi erat etiam sic fieri posse, quamvis non ibi erat ita fieri necesse esse. Hoc enim non erat in conditione creaturae, sed in placito creatoris, cuius voluntas rerum est necessitas. Conf. XIII, 34, 49 [CC.SL 27, 271, Z. 5f.]: Ubi autem coepisti praedestinata temporaliter exequi, ut occulta manifestares …, vgl. auch Civ. XII, 17 [CC.SL 48, 373, Z. 15f.]: praedestinatione fixum erat, quod suo tempore futurum erat. – Gegen eine allzu rigorose Deutung des Prädestinationsgedankens wird man darauf hinweisen, dass Augustinus den freien Willen des Menschen aus der von Gott vorausverfügten Ordnung der Zeiten ausdrücklich ausnimmt – so zumindest in den um 387 entstandenen, also sehr frühen Sol. I, 4 [CSEL 89, 8, Z. 12f.] (zitiert unten S. 151, Anm. 344).

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Der Bischof von Hippo präzisierte seine Ausdrucksweise, wenn er die Zeit näherhin als „mit-geschaffene“ (concreatum) bezeichnete.304 Mit dieser Bezeichnung, die er sonst für die formlose materia prima und die Form als die allen Dingen zugrundeliegenden Seinsprinzipien verwendete,305 wollte er ausdrücken, dass es die Zeit gibt, seit es Geschöpfe gibt und vice versa, weswegen die Zeit selbst auch „ewig“ (in Sinn von immer-bestehend) heißen kann.306 Oder noch einmal anders mit den Worten von De civitate Dei XI, 6: Die Welt ist mit der Zeit (cum tempore) und nicht in der Zeit (in tempore) erschaffen worden.307 Zugleich ist damit ausgesagt, dass die Zeit ontologisch nicht selbständig ist, sondern akzidentellen Charakter besitzt; in einer kausalen Ordnung gebührt daher den geschaffenen Substanzen, von deren Bewegung ja die Zeit abhängt,308 der Vorrang vor der Zeit.309 Wie bereits gesehen gründet die Zeitlichkeit in der mit der Geschöpflichkeit verbundenen mutabilitas,310 die ihren letzten Grund darin findet, dass die geschaffenen Dinge nicht gleichewig mit Gott oder aus göttlicher Substanz sind, sondern sie aus Nichts (de 304 305

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So in Gen. litt. IV, 20, 37 [BA 48, 330]: Sed etiam temporis spatium creaturae temporali concreatum est. Vgl. Gen. litt. I, 15, 29 [BA 48, 120]: Non quia informis materia formatis rebus tempore prior est, cum sit utrumque simul concreatum …; ähnlich ebd. II, 15, 31 [BA 48, 198] sowie Conf. XIII, 33, 48 [CC.SL 27, 271, Z. 6–12]: [Opera tua] de concreata, id est simul a te creata materia, quia eius informitatem sine ulla temporis interpositione formasti … simul tamen utrumque [scil. mundi speciem et informem materiam] fecisti, ut materiam forma nulla morae intercapedine sequeretur. Z. B. Gen. adv. Man. I, 2, 4 [CSEL 91, 70, Z. 5–7]: mundum quippe deus fecit, et sic cum ipsa creatura quam fecit deus, tempora esse coeperunt, et ideo dicuntur aeterna tempora. – Der Ausdruck aeterna tempora ist die eine mögliche Übersetzung von χρόνοι αἰώνιοι (im Neuen Testament in Röm 16, 25, 2 Tim 1, 9, Tit 1, 2), die andere ist tempora saecularia; vgl. hierzu auch Div. qu. 72 [CC.SL 44a, 208] und Civ. XII, 17 [CC.SL 48, 373, Z. 3–11] sowie unten S. 151. Civ. XI, 6 [CC.SL 48, 326, Z. 16–22]: Procul dubio non est mundus factus in tempore, sed cum tempore. Quod enim fit in tempore, et post aliquod fit et ante aliquod tempus … Cum tempore autem factus est mundus, si in eius conditione factus est mutabilis motus … – An dieser Stelle sei auch noch auf den dritten Ausdruck dieser Art hingewiesen, die Bezeichnung ex tempore (z. B. Conf. XIII, 33, 48 [CC.SL 27, 270, Z. 2]; Civ. X, 31 [CC.SL 47, 309, Z. 21]; Trin. II, 5, 9.10; IV, 20, 28; V, 15, 16; V, 16, 17 [CC.SL 50, 91, Z. 84; 93, Z. 119; 198f., Z. 74.77.84; 224, Z. 11f.; 224, Z. 2] und öfter): Sie stellt das Antonym zu ab (ex) aeterno dar und kennzeichnet einen Begriff oder eine Aussage – insbesondere über die göttlichen Personen – als zeitlich (konnotiert) im Gegensatz zu einem nicht-zeitlich, insofern „von Ewigkeit her“ geltenden Verständnis. Z. B. in der angegebenen Stelle aus Conf. XIII wird damit deutlich gemacht, dass initium hier als Anfang in einem zeitlichen Sinn zu verstehen ist und nicht ein kausales oder ein Ursprungsverhältnis bedeutet. Vgl. Civ. XI, 6 [CC.SL 48, 326, Z. 3–8]: quis non videat, quod tempora non fuissent, nisi creatura fieret, quae aliquid aliqua motione mutaret, cuius motionis et mutationis cum aliud atque aliud, quae simul esse non possunt, cedit atque succedit, in brevioribus vel productioribus morarum intervallis tempus sequeretur? Vgl. Gen. litt. V, 5, 12 [BA 48, 390]: Potius ergo tempus a creatura quam creatura coepit a tempore, utrumque autem ex Deo. Siehe oben S. 129.

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

nihilo) erschaffen wurden.311 Ist die mutabilitas grundsätzlich allen Geschöpfen zu eigen, so bietet Augustinus durchaus unterschiedliche Konzepte, wo tatsächlich Bewegung und damit Zeit zu finden ist. Im Hintergrund stehen hier die beiden Fragen, wie die sechs Tage der Schöpfung insgesamt zu interpretieren sind und mit welchem der darin genannten Werke die Zeit begonnen hat, ob mit der geistigen Schöpfung (den Engeln), mit der körperlichen Schöpfung oder mit der Bewegung des Himmels. In De Genesi adversus Manichaeos vertrat der Kirchenlehrer dabei noch ein einigermaßen wörtliches Verständnis der sechs Schöpfungstage,312 so dass der Beginn der Schöpfung und der Beginn der Zeit wie selbstverständlich zusammenfielen.313 Der nächste Anlauf zur Interpretation des Sechstagewerkes in De Genesi ad litteram liber imperfectus brachte zwei wichtige neue Gedanken ein: zum einen, dass die gesamte Schöpfung – gemäß Sir. 18, 1: qui vivit in aeternum creavit omnia simul – in einem einzigen Augenblick stattgefunden hat,314 und zum anderen, dass nicht nur körperliche, sondern auch geistige Bewegungen innerhalb der Zeit stattfinden.315 Falls sich diese am 311

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Vgl. v. a. Civ. XII, 1 [CC.SL 48, 356, Z. 37–39]: ea vero, quae fecit, bona quidem esse, quod ab illo, verum tamen mutabilia, quod non de illo, sed de nihilo facta sunt, sowie Gen. litt. imp. 1, 2, 1 [BA 50, 398]: … ita ut creatura omnis sive intellectualis sive corporalis, … non de Deo nata, sed a Deo sit facta de nihilo … Quapropter creaturam universam neque consubstantialem Deo neque coaeternam fas est dicere aut credere. Im Blick auf Sonne und Mond hieß es ebd. 12, 36, 2 [BA 50, 462]: possunt deficere, quia de nihilo facta sunt, et in quantum non deficiunt, non est eorum materiae, quae ex nihilo est, sed eius qui summe est et illa facit esse in genere atque ordine suo. Vor allem deutlich in Gen. adv. Man. I, 14, 20–22 [CSEL 91, 86–89], wo er die Schöpfung der Gestirne behandelte; der Morgen und der Abend der Tage davor besagt dann jeweils den zeitlichen Anfang bzw. das Ende des entsprechenden Werkes; vgl. ebd. 14, 20 [CSEL 91, 87f., Z. 26–29]: … in ipsa quidem mora temporis ipsas distinctiones operum sic appellatas: vesperam propter transactionem consummati operis et mane propter inchoationem futuri operis; sowie das Argument aus 14, 21 (zitiert oben, S. 116, Anm. 135). Gen. adv. Man. I, 2, 4 (zitiert oben S. 145, Anm. 306). – Gen. adv. Man. I, 23, 35–41; 25, 43 [CSEL 91, 104–111; 112–114] bot darüber hinaus noch zwei allegorische – und deswegen hier nicht auszuwertende – Interpretationen der sechs Schöpfungstage: Zum einen wurden sie auf die (etwa auch in Civ. XXII, 30 [CC.SL 48, 865f.; Z. 124–148] dargestellten) sechs Weltalter (aetates) gedeutet, zum anderen auf den geistigen Weg des einzelnen (ein Konzept das sich, wenn auch in abgewandelter Form, ebenso in Bonaventuras Hexaëmeron erkennen lässt): Er beginnt mit dem Empfang des Glaubenslichtes (1. Tag) und über die Unterscheidung der Geister (2. Tag) und verschiedene Erleuchtungen (spiritales intelligentiae; 4. Tag) fortschreitend führt er schließlich zur ewigen Ruhe in Gott. Prägnant in Gen. litt. imp. 9, 31, 3 [BA 50, 454]: … significat morarum intervalla non esse in operatione Dei, quamvis in ipsis inveniantur operibus; ausführlicher ebd. 7, 28 [BA 50, 444–446]. Gen. litt. imp. 3, 8, 4f. [BA 50, 406]: Quod si admittimus, quaerendum est utrum praeter motum corporum possit esse tempus in motu incorporeae creaturae, veluti est anima vel ipsa mens: quae utique in cogitationibus movetur et in ipso motu aliud habet prius, aliud posterius, quod sine intervallo temporis intellegi non potest. Quod si accipimus, etiam ante coelum et terram potest intellegi tempus fuisse, si ante coelum et terram facti sunt Angeli. Erat enim iam creatura quae motibus incorporeis tempus ageret, et recte intellegitur cum illa etiam tempus esse, ut in anima quae per

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menschlichen Denken gewonnene Beobachtung auf die Erkenntnisweise der rein geistigen Kreatur übertragen lässt – was Augustinus allerdings für nicht entscheidbar hielt –, so ist Zeit bereits mit der Erschaffung der Engel und nicht erst mit der Bewegung des Himmels verbunden. Diese letztere Überlegung wurde allerdings in den Confessiones wieder zurückgedrängt,316 und der Kirchenlehrer bemühte sich, der (rein) geistigen Schöpfung – die er hier unter dem Begriff des caelum caeli sehr stark als eine Einheit sah, möglichst keine aktuelle Bewegung zuzuschreiben: Sie ist mutabile non mutatum317 und von daher zeitfrei (carens temporibus).318 Entsprechend dieser Konzeption betonte er dabei ebenfalls, dass der Erkenntnisvollzug des caelum caeli alles gleichzeitig (simul) erfasst.319 In De Genesi ad litteram stellte Augustinus die Dinge noch einmal etwas anders dar: Zur Gleichzeitigkeit des Geschaffenwerdens durch Gott kommt jetzt hinzu, dass das durch die Genesiserzählung vorgestellte prius und posterius eine nicht zeitlich, sondern im weitesten Sinn kausal aufzufassende Ordnung der Kreatur bedeutet.320 Die mit dem Lauf der Zeiten wahrnehmbare zeitliche Ordnung ist dann zu verstehen als Explikation und als Offenbarwerden des im Schöpfungsakt Empfangenen.321 Der Beginn der Zeit fällt dann mit dem Beginn der Bewegung zusammen, wobei Augustinus sich ausdrücklich sowohl auf körperliche wie geistige Bewegung (motus vel corporalis vel spiritalis) bezog.322 Unter „körperlicher Bewegung“ ist dabei die Ortsbewegung zu verstehen, die per se mit Zeit verbunden ist, während umgekehrt die „geistige Bewegung“ keines

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corporeos sensus corporeis motibus assuefacta est. Sed fortasse non est in principibus et creaturis supereminentibus. Der andere Gedanke, dass Gott alles zugleich schuf, wurde in Conf. XIII, 33, 48 [CC.SL 27, 270f.] wiederholt. Vgl. Conf. XII, 12, 15; 19, 28 (zitiert bereits oben S. 130, Anm. 216), vgl. auch S. 128, Anm. 206. Vgl. Conf. XII, 12, 15, siehe oben S. 137, Anm. 261. Vgl. Conf. XII, 13, 16 [CC.SL 27, 223f., Z. 5–9]: … ubi est intellectus nosse simul … non modo hoc, modo illud, sed, quod dictum est, nosse simul sine ulla vicissitudine temporum. Vgl. Gen. litt. V, 5, 12 [BA 48, 392]: quemadmodum operatus est omnia simul, praestans eis etiam ordinem, non intervallis temporum, sed conexione causarum, ut ea, quae simul facta sunt, senario quoque illius diei numero praesentato perficerentur. Sowie ebd. IV, 35, 56 [BA 48, 368]: … quo ordine scientiae, qua et in verbo Dei facienda praenosceret et in creatura facta cognosceret non per intervallorum temporalium moras, sed prius et posterius habens in conexione creaturarum, in efficacia vero creatoris omnia simul. Sic enim fecit, quae futura essent, ut non temporaliter faceret temporalia, sed ab eo facta currerent tempora. Augustinus sprach hier einmal von rationes seminales, etwa Gen. litt. IV, 33, 51 [BA 48, 360]: … ut hoc, quod nunc videmus temporalibus intervallis ea moveri ad peragenda, quae suo cuique generi competunt, ex illis rationibus insitis veniat, quas tamquam seminaliter sparsit Deus in ictu condendi, ein andermal waren es empfangene „Zahlen“, die mit den Zeiten offenbar werden, vgl. ebd. V, 5, 14 [BA 48, 394]: accipiens omnes numeros eorum, quos per tempora exereret secundum suum genus. Ähnlich ebd.: … quorum numeros tempus postea visibiliter explicaret. Siehe Gen. litt. V, 5, 12 [BA 48, 390]: Motus enim si nullus esset vel spiritalis vel corporalis creaturae, quo per praesens praeteritis futura succederent, nullum esset tempus omnino.

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Ortes bedarf.323 Als Beispiele für „geistige Bewegungen“ galten für Augustinus einerseits die geistigen Akte des Erinnerns, des Lernens und eventuell auch des Erkennens, andererseits die Willensbewegungen.324 Ziemlich eindeutig äußerte sich der Kirchenlehrer in De civitate Dei XIf.: Ohne das Zugleich der Schöpfung aufzugeben,325 stellte er fest, dass den geistigen Kreaturen eine Form von Bewegung zu eigen ist, die Zukunft und Vergangenheit kennt und insofern zeitlich genannt werden kann.326 Im Vergleich zu den Confessiones hat Augustinus also eine Kehrtwende vollzogen; damit korrespondiert die Beobachtung, dass sich auch der Blick auf die geistige Kreatur insgesamt gewandelt hat: Stellten die Confessiones noch deren Einheit heraus, so dominiert in De civitate Dei die Vorstellung von den Engeln als 323

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Gen. litt. VIII, 20, 39 [BA 49, 68.70]: … quod spiritalis [scil. creatura] tantummodo per tempora mutari posset, corporalis autem per tempora et locos. … Omne autem, quod movetur per locum, non potest nisi et per tempus simul moveri; at non omne, quod movetur per tempus, necesse est etiam per locum moveri. Vgl. Gen. litt. VIII, 20, 39 [BA 49, 68]: Exempli enim gratia per tempus movetur animus vel reminiscendo, quod oblitus erat, vel discendo, quod nesciebat, vel volendo, quod nolebat. FLASCH, Was ist Zeit?, 101 wies in diesem Zusammenhang allgemein darauf hin: „Spiritalis heißt alles, was die Engel betrifft.“ Ebd., Anm. 6 (ähnlich SORABJI, Time, 31) führte er die Engelserkenntnis als einen (weiteren) solchen motus spiritalis ein, wobei FLASCH und SORABJI auch die damit verbundene Problematik sahen: So kennt die Engelserkenntnis auf zwei Weisen ein prius et posterius, nämlich einerseits im Bezug auf das, was der Bericht der Genesis mit Tag, Abend und Morgen (dies, vespera, mane) bezeichnete und was Augustinus als die dreifache Erkenntnis, die die Engel von allen Dingen besitzen, auslegte: (1) in den ewigen Gründen im Wort Gottes (Tag), (2) in der je eigenen Natur (Abend) und (3) im Rückbezug dieser Natur auf das Lob Gottes (Morgen) – vgl. z. B. Gen. litt. IV, 22, 39 – 24, 41 [BA 48, 334–342] – und andererseits in der genannten Ordnung der Dinge (oder der connexio creaturarum), die in den Werken der einzelnen sechs Schöpfungstage zum Ausdruck kommt, wobei sich die dreifache Engelerkenntnis in den verschiedenen Werken jeweils wiederholt (vgl. z. B. Gen. litt. IV, 26, 43 [BA 48, 344]). Die Schwierigkeit besteht darin, dass Augustinus ebenso das simul dieser Erkenntnis herausstellte (vor allem Gen. litt. IV, 29, 46 – 32, 49 [BA 48, 350–356]) und er das prius et posterius ausdrücklich als nicht zeitlich, sondern kausal verstanden wissen wollte, z. B. Gen. litt. IV, 32, 49 [BA 48, 354]: An etiam tunc simul omnia, quoniam non secundum temporum moras, … sed secundum potentiam spiritalem mentis angelicae cuncta quae voluerit simul notitia facillima conprehendente? Nec ideo tamen sine ordine, quo adparet conexio praecedentium sequentiumque causarum. Von daher erscheint es eher unwahrscheinlich, dass diese Engelserkenntnis ein Beispiel für die in Gen. litt. V, 5, 12 [BA 48, 390] genannte geistige Bewegung aufzufassen ist, denn dort heißt es ja gerade: Factae itaque creaturae motibus coeperunt currere tempora. – Bonaventura, der die Morgenerkenntnis der Engel als cognitio in Verbo deutete, behandelte die beiden Formen der Engelserkenntnis ausführlich in II Sent. 4, 3, 1–2 [II, 138–142]. Vgl. Civ. XI, 30 [CC.SL 48, 350, Z. 2–5]. Vgl. Civ. XII, 16 [CC.SL 48, 372, Z. 85–89]: Ac per hoc etiamsi inmortalitas angelorum non transit in tempore, nec praeterita est quasi iam non sit, nec futura quasi nondum sit: tamen eorum motus, quibus tempora peraguntur, ex futuro in praeteritum transeunt. Vgl. auch ebd. [CC.SL 48, 371, Z. 43–45], wo er (etwas vorsichtiger formulierend) die Möglichkeit einer zeitlichen (!) Bewegung in Betracht zog: si ergo ante caelum in angelicis motibus tale aliquid fuit et ideo tempus iam fuit atque angeli, ex quo facti sunt, temporaliter movebantur.

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himmlischen Scharen.327 – Daneben gestand der Bischof von Hippo auch zu, dass die Zeiten sich in ihrem gewöhnlichen und eigentlichen Sinn (usitate ac proprie) – das heißt, wenn man von Stunden, Tagen, Jahren spricht – von der Bewegung der Sterne ableiten.328 Schließlich gehörte für Augustinus zu der gegenwärtigen zeitlichen Ordnung der körperlichen Welt auch, dass sie insgesamt vergänglich (transiturus) ist.329 So wie ihm als ausgemacht galt, dass die Welt vor einer endlichen Zeit (er geht von knapp 6.000 Jahren aus) geschaffen wurde,330 so wird die gegenwärtige Ordnung des Entstehens und Vergehens, in die auch der Mensch eingebunden ist,331 nach dem Jüngsten Gericht in einen neuen Zustand, eine neue Gestalt hinübergehen (transire), in der auch die Elemente – deren stetes Sich-ineinander-Verwandeln der Vergänglichkeit zugrunde liegt – neue,

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Das Problem, dass Augustinus hier offenbar seine Meinung geändert hat, musste auch Bonaventura bewältigen, er tat es freilich auf ganz andere Weise: Die beiden zeitfreien Wirklichkeiten aus Conf. XII, 12, 15 sind bei ihm einerseits das Empyreum, als caelum caeli, das als die Engel aufnehmender Raum unbewegt und in diesem Sinn zeitfrei ist (vgl. den Abschnitt über das Empyreum oben ab S. 52 und Tabelle 2, S. 40) und andererseits als die im Sinn des metaphysischen Konstitutionsprinzips verstandene materia prima, die als abstraktes Seinsprinzip natürlich ebenfalls „zeitfrei“ ist (in dem speziellen Sinn, dass zwar das Wesen der Zeit an die materia prima gebunden ist, dass jedoch ihr Sein an eine konkret verwirklichte, also bereits geformte Materie gebunden ist); vgl. den Abschnitt über Zeit und Materie unten ab S. 257. Civ. XII, 16 [CC.SL 48, 371, Z. 37–39]: nam istae dimensiones temporalium spatiorum, quae usitate ac proprie dicuntur tempora, manifestum est, quod a motu siderum coeperint. – QUINN, Time, 835b, nannte die sich aus der Himmelsbewegung ableitenden Zeiten ein „quasi-natürliches“ Maß; man vgl. hiermit insbesondere auch das proprie in den Zeitdefinitionen Bonaventuras (unten ab S. 165). Vgl. etwa Conf. XIII, 35, 50; 36, 51 [CC.SL 27, 272, Z. 3–5 & Z. 1f.]: Omnis quippe iste ordo pulcherrimus rerum valde bonarum modis suis peractis transiturus est: et mane quippe in eis factum est et vespera. Dies autem septimus sine vespera est nec habet occasum, quia sanctificasti eum ad permansionem sempiternam. – Von dieser Vergänglichkeit hebt sich die Unvergänglichkeit der geistigen Schöpfung (Engel, Seelen) ab. Vgl. z. B. Civ. XII, 15 [CC.SL 48, 369, Z. 5f.]: cum ipse sit aeternus et sine initio, ab aliquo tamen initio exorsus est tempora et hominem. In Civ. XII setzte sich Augustinus mit den verschiedenen Fragen der Schöpfungslehre, die insbesondere die Erschaffung des Menschen und die Geschichte betreffen, auseinander. Dabei verwarf er unter anderem den Gedanken einer Welt, die schon immer (semper) existiert hat (c. 10.16), die eine vieltausendjährige Geschichte hat (c. 11), die immer wieder entsteht und vergeht (c. 12) oder in der sich immer das Gleiche wiederholt (c. 14.18.21). Auch die im Mittelalter häufig diskutierte Frage, ob Gott eine ältere Welt als die bestehende hätte schaffen können (vgl. z. B. BONAVENTURA, I Sent. 44, 1, 4 [I, 787–789]), hat hier ihre Vorlage (c. 13). Vgl. Civ. XII, 4 [CC.SL 48, 358, Z. 9–14]: Cum ergo in his locis, ubi esse talia competebat, aliis alia deficientibus oriuntur et succumbunt minora maioribus atque in qualitates superantium superata vertuntur, rerum est ordo transeuntium. Cuius ordinis decus nos propterea non delectat, quoniam parti eius pro condicione nostrae mortalitatis intexti … Ähnlich auch Conf. IV, 10, 15 [CC.SL 27, 48].

Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

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dem unsterblichen Auferstehungsleib angepasste Qualitäten besitzen werden.332 Diese Zeitordnung war für Augustinus prophetisch vorausbedeutet in den sechs Schöpfungstagen von Gen 1, die jeweils einen Morgen und einen Abend, das heißt einen Anfang und ein Ende, besitzen333 und die den Lauf der Welt vom Beginn der Schöpfung bis zum Jüngsten Gericht bedeuten. Wenn sie vollendet sind, gehen sie in den siebten, abendlosen, unvergänglichen Tag über.334

3.2.2

Gottes Ewigkeit

Die vorausgehenden Überlegungen sollten zur Genüge gezeigt haben, dass Augustinus Zeit fast immer im Horizont der Ewigkeit betrachtete. Mit dem Vollendungszustand des Menschen wurde auch schon eine Form von Ewigkeit behandelt, die aber nicht den Inbegriff dessen darstellt, was Augustinus unter „ewig“ verstanden wissen wollte. Im Folgenden sollen die verschiedenen Aspekte und Bedeutungen des Begriffs Ewigkeit bei Augustinus herausgearbeitet werden. Da das deutsche Wort „ewig“ im Lateinischen (und im Griechischen) mehrere Entsprechungen besitzt, lohnt zunächst ein Blick auf die Vokabeln, die Augustinus im Sinn von ewig bzw. Ewigkeit verwendete: Es sind die Adjektive aeternus, sempiternus, perpetuus samt der entsprechenden Substantive sowie das Nomen aevum.335 Aeternus/aeternitas ist dabei die mit Abstand am häufigsten verwendete Bezeichnung, während der Ausdruck aevum nur ganz selten vorkommt. Die Differenzierung in der Bedeutung ist dabei nicht so ausgeprägt, wie man vielleicht erwarten würde, denn sempiternus336 und perpetuus337 können im gleichen Sinn und mit dem gleichen Bedeutungs332

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Vgl. Civ. XX, 16 [CC.SL 48, 726f., Z. 15–19]: Illa itaque, ut dixi, conflagratione mundana elementorum corruptibilium qualitates, quae corporibus nostris corruptibilibus congruebant, ardendo penitus interibunt, atque ipsa substantia eas qualitates habebit, quae corporibus immortalibus mirabili mutatione conveniant. Zu Morgen und Abend als „Sinnbild für die Vergänglichkeit der Welt“ vgl. auch SCHULTE-KLÖCKER, Das Verhältnis von Ewigkeit und Zeit, 364. Dabei scheint es mir die bewusste Hereinnahme der leiblich-materiellen Dimension zu sein, die Augustinus dazu brachte, das etwa in Conf. XIII, 35, 50 – 37, 52 (vgl. oben Anm. 329) vertretene Schema der sieben Tage in Civ. XXII, 30 um einen achten, ewigen Tag zu erweitern, in den der siebte übergeht: haec tamen septima erit sabbatum nostrum, cuius finis non erit vespera, sed dominicus dies velut octavus aeternus, qui Christi resurrectione sacratus est, aeternam non solum spiritus, verum etiam corporis requiem praefigurans. Ibi vacabimus et videbimus, videbimus et amabimus, amabimus et laudabimus. Ecce quod erit in fine sine fine (Civ. XXII, 30 [CC.SL 48, 866, Z. 142–147]). Vgl. (auch für das Folgende) O’DALY, Aeternitas, hier besonders 159, sowie QUINN, Eternity. Z. B. für Gott (Sermo 261, 4, 4 [PL 38, 1204]: [Deus] fecit temporalia sempiternus; fecit mutabilia, qui nescit mutari; Trin. V, 1, 2 [CC.SL 50, 207, Z. 42–44]: [Deum] sine tempore sempiternum, sine ulla sui mutatione mutabilia facientem); für die ewigen Urgründe der Dinge (sempiternae rationes) in Conf. I, 6, 9 [CC.SL 27, 5, Z. 37–40], für das ewige Leben (sempiterna vita) in Conf. IX,

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spielraum (insbesondere sowohl für das göttliche Sein als auch für geschöpfliche Wirklichkeiten) verwendet werden. Im Rahmen der bereits beschriebenen Absetzung der (hier in einem weiten Sinn zu verstehenden) Zeitlichkeit der Geschöpfe von der Ewigkeit Gottes kann semper von aeternus abgesetzt werden, indem sich semper auf die nicht anfangslose Dauer der Schöpfung bezieht und aeternus auf die dieser verursachend vorausliegende Ewigkeit Gottes.338 Das Bedeutungsspektrum von aevum schließlich entspricht ziemlich genau dem griechischen αἰών,339 obwohl der biblische Terminus nicht mit aevum, sondern abwechselnd entweder mit aeternitas oder mit saeculum übersetzt wurde.340 In diesem Sinn kann aevum zunächst sowohl das Leben341 wie das Lebensalter342 bedeuten (hier ergibt sich zudem eine Bedeutungsüberschneidung mit aetas);343 für die Bedeutung im Sinn von „ewig“ gibt es bei Augustinus nur zwei eindeutige Belege, wobei beide Male die (von da wohl in die mittelalterlichen Diskussionen übernommene) Eigenschaft der stabilitas im Gegensatz zur Veränderlichkeit (mutabilitas) der Zeit betont wird.344

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10, 25 [CC.SL 27, 148, Z. 48] oder Civ. X, 14 [CC.SL 47, 288, Z. 26], ebenso für die ewige Seligkeit (sempiterna felicitas) Civ. XXII, 30 [CC.SL 48, 862, Z. 9], aber auch für den ewigen Tod und die ewigen (Höllen-)Strafen (Civ. XXI, 3.4 [CC.SL 48, 760, Z. 28; 761, Z. 9]). – QUINN, Eternity, 318a wies darauf hin, dass sempiternus auch so viel wie „ohne Ende“ bedeuten kann, doch dadurch wird kein Unterschied zur Bedeutung von aeternus konstituiert (aeternus erscheint in diesem Sinn etwa ausdrücklich in Civ. XXII, 1, (zitiert unten S. 152, Anm. 347), vielmehr ist beides hier als Gegensatz zu temporalis (im Sinn von zeitlich begrenzt) zu verstehen. Z. B. Io. ev. tr. 1, 8 [CC.SL 36, 5, Z. 31f.]: … quando cogitas [Deum esse] quamdam substantiam vivam, perpetuam, omnipotentem, infinitam …; Civ. XII, 16 [CC.SL 48, 372, Z. 96f.]: [Deus creaturam] manente perpetuitate praecedens; ebd. XXI, 23 [CC.SL 48, 788, Z. 45–47]: [supplicium aeternum et vita aeterna] aut utrumque cum fine diuturnum aut utrumque sine fine perpetuum debet intellegi. Ag. chr. 26, 28 [BA 1, 418]: beatitudo perpetua … miseria perpetua; Conf. XI, 2, 3 [CC.SL 27, 195, Z. 35f.]: … usque ad regnum tecum perpetuum sanctae civitatis tuae. Civ. XII, 16 [CC.SL 48, 371, Z. 31–33] hieß es zur Frage, ob die Engel – obwohl nicht gleichewig (coaeternus) mit Gott – immer existiert haben: Quo modo non semper, cum id, quod est omni tempore, non inconvenienter semper esse dicatur? – Semper kann außerdem auch in nicht-zeitlicher Bedeutung verwendet werden („immer“ im Sinn von „in jedem Fall“), vgl. Civ. XII, 13 [CC.SL 48, 367, Z. 44]. – Zum Verhältnis von Zeitlichkeit und Ewigkeit vgl. oben S. 132 mit Anm. 228. Siehe oben ab S. 110 und unten S. 293. Vgl. oben S. 145, Anm. 306. So in Trin. XIV, 9, 12 [CC.SL 50a, 438, Z. 10f.] (wenn auch innerhalb eines Cicero-Zitates): Si nobis, inquit, cum ex hac vita migraverimus, in beatorum insulis immortale aevum, ut fabulae ferunt, degere liceret, … Etwa in Civ. XXII, 8 [CC.SL 48, 822, Z. 286f.]; das Adjektiv coaevus kann sowohl „gleichalt“ (Conf. IV, 4, 7 [CC.SL 27, 43, Z. 3]) wie „gleichewig“ (Gen. adv. Man. I, 2, 4 [CSEL 91, 70, Z. 3– 5]) bedeuten. Vgl. Bernhard KÖTTING / Wilhelm GEERLINGS, Aetas, in: Cornelius P. Mayer (Hrsg.), AugustinusLexikon, Bd. 1, Basel u. a. 1994, 150–158, hier 150. Sol. I, 4 [CSEL 89, 8, Z. 9–13]: Deus, cuius legibus in aevo stantibus motus instabilis rerum mutabilium perturbatus esse non sinitur frenisque circumeuntium saeculorum semper ad similitudinem

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Nach diesem kurzen Blick auf das Vokabular kann nun der Begriffsinhalt von aeternus geklärt werden. Dabei zeichnen sich drei Verwendungsweisen ab: Erstens und im eigentlichen Sinn ist aeternus ein Attribut Gottes oder der göttlichen Personen.345 In einem zweiten, vom ersten deutlich unterschiedenen Sinn346 können auch geschaffene Wirklichkeiten ewig genannt werden. Schließlich kann aeternus in einem uneigentlichen Gebrauch auch einen langen, aber endlichen Zeitraum bezeichnen und ist dann gleichbedeutend mit diuturnus.347 Interessant sind vor allem die ersten beiden Bedeutungen. Bevor wir uns der Ewigkeit Gottes als dem Hauptthema dieses Abschnittes zuwenden, sollen – bereits Gesagtes zusammenfassend – noch einige Worte über die zweite Bedeutung von aeternus gesagt werden. Diese „geschaffene Ewigkeit“ (um einen späteren Ausdruck zu gebrauchen)348 ist nur aufgrund der Teilhabe an der Ewigkeit Gottes als ewig zu begreifen,349 denn an sich schließen sich Geschöpflichkeit und Ewigkeit aus.350 Die Intention dieser Unterscheidung lag darin, sich dem manichäischen Prinzipiendualismus entgegenzusetzen, vor allem im Hinblick auf ein gleichewiges böses Prinzip.351 Anders gesagt, die göttliche und die geschaffene Ewigkeit unterscheiden sich

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stabilitatis revocatur. , cuius legibus arbitrium animae liberum est …, sowie sehr prägnant in Div. qu. 72 [CC.SL 44a, 208, Z. 8–10] zu dem Ausdruck tempora aeterna aus Tit. 1, 2: An aeterna tempora aevum significavit, inter quod et tempus hoc distat, quod illud stabile est, tempus autem mutabile. – Als Eigenschaft Gottes wurde stabilis z. B. in Conf. I, 4, 4 [CC.SL 27, 2, Z. 5] aufgeführt. Die Verbindung von aevum und aeternitas zeigt sich, wenn man an die Charakterisierung der Ewigkeit als semper stans aeternitas (Conf. XI, 11, 13 [CC.SL 27, 201, Z. 6]) denkt. Vgl. z. B. nur Conf. XI, 1, 1 [CC.SL 27, 194, Z. 1] (tua sit aeternitas); XII, 11, 11 [CC.SL 27, 221, Z. 2] (quia tu aeternus es); XII, 15, 18 [CC.SL 27, 224f., Z. 8f.] (deus autem noster aeternus est). Vgl. Gen. adv. Man. I, 2, 4 [CSEL 91, 70, Z. 3–5]: non enim coaevum deo mundum istum dicimus, quia non eius aeternitatis est hic mundus, cuius aeternitatis est Deus. Vgl. hierfür z. B. Civ. XXII, 1 [CC.SL 48, 805f., Z. 2–12], wo zugleich verschiedene Auffassungen von aeternus diskutiert wurden: … de civitatis Dei aeterna beatitudine continebit, quae non propter aetatis per multa saecula longitudinem tamen quandocumque finiendam aeternitatis nomen accepit, sed quem ad modum scriptum est in evangelio, regni eius non erit finis; nec ita ut aliis moriendo decedentibus, aliis succedentibus oriendo species in ea perpetuitatis appareat, sicut in arbore, quae perenni fronde vestitur, eadem videtur viriditas permanere, dum labentibus et cadentibus foliis subinde alia, quae nascuntur, faciem conservant opacitatis; sed omnes in ea cives inmortales erunt, adipiscentibus et hominibus, quod numquam sancti angeli perdiderunt. Ähnlich auch En. Ps. 101, 2, 10 [CC.SL 40, 1446, Z. 61–68]. Vgl. etwa BONAVENTURA, II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56b]. Die geistigen Kreaturen sind particeps aeternitatis oder secundum modum suum aeterna, vgl. oben S. 132, Anm. 226. Vgl. Conf. VII, 15, 21 [CC.SL 27, 106, Z. 6] (qui solus aeternus es), entsprechend ist kein Geschöpf gleichewig (coaeternus) mit Gott, vgl. oben S. 132, Anm. 228 sowie S. 146, Anm. 311. Vgl. z. B. C. Iul. I, 5, 17 [PL 44, 651]: Dictum est enim adversus Manichaeos, putantes atque affirmantes, de gente tenebrarum, quam malam naturam dicunt Deo bono coaeternam, habere originem corpora, et esse etiam ipsa immutabilia mala. Vgl. auch ebd. I, 8, 36.38; 9, 42; V, 6, 24 [PL 44, 666.667.670.799]. – Ähnlich machte Augustinus in Conf. XII, 12, 15 [CC.SL 27, 223, Z. 3f.]

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eben darin, dass letztere immer einen durch die Schöpfung aus dem Nichts gegebenen Anfang besitzt,352 während erstere als Ursache allem Geschaffenen vorausliegt.353 Die Gemeinsamkeit der beiden ersten Bedeutungen von aeternus besteht im Hinblick auf das Ende, das in beiden Fällen fehlt.354 Für Engel und Menschen sind darin zwei – ebenfalls von der ungeschaffenen Ewigkeit abgeleitete – Aspekte mitbedeutet: zum einen die Negation der Vergänglichkeit (immortalis, incorruptibilis), zum anderen die Negation der Veränderung (mutatio).355 Auch hier bleibt ein Unterschied zwischen der geschaffenen und ungeschaffenen „Endlosigkeit“ bestehen. Er zeigt sich in dem nur im Lateinischen möglichen Wortspiel, dass Gott in seiner „Endlosigkeit“ zugleich das „Ende“, das heißt Ziel (finis), der Kreatur ist.356 Wie aber sieht Augustinus die Ewigkeit Gottes, von der nun schon so viel gesprochen wurde? Die Unmöglichkeit das Wesen Gottes zu begreifen,357 erlegt diesem Ansinnen

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darauf aufmerksam, dass weder die geschaffene geistige Natur, noch die ungeformte materia – obwohl zeitfrei (carens temporibus) – gleichewig mit Gott ist. Vgl. noch einmal Conf. XII, 15, 19 [CC.SL 27, 225, Z. 30f.]: Nec tamen tibi coaeterna, quoniam non sine initio: facta est enim. Umgekehrt C. Iul. I, 8, 36 [PL 44, 666]: … catholica fides, Dei tantummodo sine initio naturam praedicat. Vgl. das ea, quae ante sunt (Conf. IX, 10, 23; XI, 29, 39; 30, 40 [CC.SL 27, 147, Z. 8; 214, Z. 6f.; 215, Z. 10]), in diesem Sinn (und zur Abwehr eines zeitlichen Verständnisses des ante) hieß es von Gott auch, er sei ante omnia tempora (z. B. Gen. litt. V, 16, 34 [BA 48, 420]; Conf. XI, 13, 16 [CC.SL 27, 202, Z. 26f.]). Für Gott vgl. Trin. XV, 5, 7 [CC.SL 50a, 469, Z. 29–31]: Ipsa est etiam vera aeternitas qua est immutabilis deus sine initio, sine fine, consequenter et incorruptibilis. Im Bezug auf die ewige Seligkeit des Menschen vgl. z. B. En. Ps. 101, 2, 8 [CC.SL 40, 1443, Z. 27f.]: Non a te quaero illos dies aeternos: illi sine fine sunt, ubi ero. – Sermo 254, 6, 8 [PL 38, 1185]: Videbimus, amabimus, laudabimus. Nec quod videbimus deficiet, nec quod amabimus peribit, nec quod laudabimus tacebit; sempiternum totum erit, sine fine erit. – Civ. X, 31 [CC.SL 47, 309, Z. 25–29]: Illa igitur omnis argumentatio dissoluta est, qua putatur nihil esse posse sine fine temporis, nisi quod initium non habet temporis. Inventa est enim animae beatitudo, quae cum initium temporis habuerit, finem temporis non habebit. Genauer müsste man sagen: Die Ewigkeit Gottes ist nicht nur unbewegt (immutatum), sondern auch unbeweglich (immutabilis) – bei der der Kreatur eigenen Ewigkeit wird nur die erstere Bestimmung aufgehoben (vgl. oben S. 129 und S. 128 mit Anm. 206), wobei gleichzeitig nachzufragen ist, wie weit die Negation der Veränderung für eine geschöpfliche Wirklichkeit bei Augustinus tatsächlich geht oder gehen kann (siehe oben S. 140). Vgl. Civ. XXII, 30 [CC.SL 48, 863, Z. 33–35]: Ipse finis erit desideriorum nostrorum, qui sine fine videbitur, sine fastidio amabitur, sine fatigatione laudabitur. – Ebd. [CC.SL 48, 866, Z. 147f.]: Ecce quod erit in fine sine fine. Nam quis alius noster est finis nisi pervenire ad regnum, cuius nullus est finis? Vgl. oben S. 14, Anm. 2; in Trin. IV, 20, 28 [CC.SL 50, 198f.] wurde daraus ein Grund für die Inkarnation gewonnen, in diesem Zusammenhang hieß es dann Z. 87–89: Quia et nos secundum quod mente aliquid aeternum quantum possumus capimus, non in hoc mundo sumus …

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

von vorneherein Grenzen auf.358 Da es unmöglich erscheint, den positiven Gehalt von aeternitas als „totale Seins- und Wertfülle“359 adäquat zu erfassen, wird man sich ihrer Bedeutung zunächst durch Negationen annähern, die aus der Abgrenzung gegen die Zeitlichkeit gewonnen werden. Erschwert wird dieser Zugang dadurch, dass nicht eindeutig auszumachen ist, ob und inwieweit Augustinus vermittelnde Zwischenstufen zwischen Zeitlichkeit und Ewigkeit annahm; die Konzeption in den Confessiones legt dies nahe, wenn dort von zeitfreien (carens temporibus) oder überzeitlichen (supra tempora), aber nicht ewigen (aeterna) Entitäten die Rede ist; andere Darstellungen, etwa in De civitate Dei, insinuieren dagegen einen kontradiktorischen Gegensatz von Zeit und Ewigkeit.360 Unabhängig davon ist jedoch klar, dass dem Ewigen die Trichotomie von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in jeder Hinsicht fremd ist;361 es kennt weder ein Gewesen-Sein, noch ein Wird-Sein, sondern nur das Sein schlechthin, was für Augustinus auch in der Offenbarung des Gottesnamens als Sum qui sum oder Qui est (Ex. 3, 14) zum Ausdruck kommt.362 „Ewigkeit“ ist damit – wie das Sein selbst – als Gegenwart (praesens) zu verstehen.363 In diesem Gegenwärtig-Sein ist unter anderem beinhaltet, dass das Ewige ein ausdehnungsloses, unteilbares Ganzes darstellt.364 Während jedoch die zeitliche Gegenwart ständig verfliegt (transvolat) und niemals still-

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Nachdem Augustinus auf die Unvergleichbarkeit von Zeit und Ewigkeit hingewiesen hatte (vgl. oben S. 115, Anm. 125) bekannte er Conf. XI, 11, 13 [CC.SL 27, 201, Z. 16f.]: Numquid manus mea valet hoc aut manus oris mei per loquellas agit tam grandem rem? ECHTERNACH, Ewigkeit, 840. Man denke etwa an Civ. XII, 16 [CC.SL 48, 370–373, bes. Z. 88f.], wo den Engeln eine zeitliche Bewegung zugeschrieben wurde, siehe oben S. 148, Anm. 326; auch Div. qu. 19 [CC.SL 44a, 24, Z. 2–4] (Quod imcommutabile est aeternum est; … Quod autem commutabile est tempori obnoxium est) kannte keine Zwischenstufen. Vgl. z. B. Conf. IX, 10, 24 [CC.SL 27, 147, Z. 26f.]: … nam fuisse et futurum esse non est aeternum oder ebd. XI, 11, 13 [CC.SL 27, 201, Z. 15f.]: … nec futura nec praeterita aeternitas. Ferner Io. ev. tr. 38, 10 [CC.SL 36, 43, Z. 40–44]: in veritate quae manet praeteritum et futurum non invenio, sed solum praesens, et hoc incorruptibiliter, quod in creatura non est. Discute rerum mutationes, invenies fuit et erit; cogita deum, invenies est, ubi fuit et erit esse non possit. Sowie Div. qu. 19 [CC.SL44a, 24, Z. 15–18]: Aeternum enim, cum proprie dicitur, neque quidquam praeteritum quasi transierit, neque quidquam futurum quasi nondum sit, sed quidquid est tantummodo est. Ähnlich En. Ps. 101, 2, 10 [CC.SL 40, 1445, Z. 27–31]. Vgl. etwa Gen. litt. V, 16, 34 [BA 48, 420] (zitiert unten S. 157, Anm. 381) oder Trin. I, 1, 2; V, 2, 3 [CC.SL 50, 29, Z. 57; 208, Z. 6f.], ferner Sermo 6, 3, 4 (zitiert unten Anm. 366). Interessanterweise wird dabei das alle Zeitstufen vereinigende Dominus Deus qui est et qui erat et qui venturus est aus Apc. 1, 8 zwar für die rationes aeternae geltend gemacht (Trin. XII, 14, 23 [CC.SL 50, 376, Z. 46–48]: et propter eam aeternitatem in qua sunt et fuisse et esse et futura esse dicuntur sine ulla mutabilitate temporum), aber für Gott selbst – soweit ich sehe – nicht aufgenommen. Vgl. Conf. XI, 11, 13 [CC.SL 27, 201, Z. 9f.] (non autem praeterire quidquam in aeterno, sed totum esse praesens) sowie erneut S. 115 mit Anm. 125 und S. 116 mit Anm. 133. So der Gedankengang von Conf. XI, 15, 18 – 15, 20, vgl. oben S. 116, Anm. 129.

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steht,365 ist es das Bleiben (manere)366 oder Stehen (stare, stabilis esse),367 das die ewige Gegenwart auszeichnet. Und weiter bedeutet es, dass sich die aeternitas Gottes ohne jede Sukzession vollzieht; ihr semel, simul et semper368 ist nicht ein sich ohne Ende wiederholendes „Täglich“, sondern ein bleibendes „Heute“.369 Dementsprechend schließlich besitzt Gott das Wissen um seine Schöpfung und den Lauf der Zeiten nicht auf die zeitliche Weise des Vorauswissens der Zukunft und des Erinnerns der Vergangenheit, sondern alles steht vor ihm in einer einzigen ungeteilten Gegenwart.370 Blickt man auf die übrigen, die Zeitlichkeit verneinenden Attribute der Ewigkeit, wie unsterblich (immortalis), unvergänglich (incorruptibilis) und unveränderlich (in[com]mutabilis),371 so zeigt sich auch hier hinter den formalen Negationen der eminent positive Gehalt des Ewigkeitsbegriffs. Die Unsterblichkeit (immortalitas) Gottes ist so nur ein anderer Ausdruck für sein Leben,372 ein Leben, das die höchste Form des Lebens darstellt, weil es sich selbst besitzt und Quelle des Lebens für alles andere Lebendige ist;373 und mehr noch, alles, was in ihm ist, ist selbst Leben – gedacht ist dabei einerseits an die göttlichen Personen, besonders den Sohn als Wort und Weisheit Gottes, andererseits an die rationes aeternae alles geschaffenen Seins.374 Man denkt hier fast unmit365

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Vgl. Conf. XI, 15, 20 [CC. SL 27, 204, Z. 51]: … raptim a futuro in praeteritum transvolat. Die Zeiten insgesamt sind deshalb flüchtig (volubilis), siehe Conf. XII, 9, 9 [CC.SL 27, 221, Z. 8]. Vgl. auch oben S. 115, Anm. 125. Vgl. z. B. Div. qu. 19 [CC.SL 44a, 24, Z. 5f.] (Quod enim mutatur non manet; quod non manet non est aeternum) oder Conf. IV, 11, 16 (zitiert oben S. 131, Anm. 223); Sermo 6, 3, 4 [PL 38, 61] hieß es in Bezug auf den Gottesnamen: Quid est, «Est» vocor? Quia maneo in aeternum, quia mutari non possum. Ea enim quae mutantur, non sunt, quia non permanent. Quod enim est, manet. Vgl. oben S. 151, Anm. 344. In Conf. XII, 15, 18 [CC.SL 27, 224, Z. 5] wurde der göttliche Wille als ewiger mit diesen Attributen belegt. Vgl. Conf. XI, 13, 15 [CC.SL 27, 202, Z. 20–25] an Gott gerichtet: Anni tui omnes simul stant. … Anni tui dies unus, et dies tuus non cotidie, sed hodie, quia hodiernus tuus non cedit crastino; neque enim succedit hesterno. Vgl. oben S. 144 mit Anm. 301, ähnlich Div. qu. 17 [CC.SL 44a, 22, Z. 3–5]: Apud Deum autem nihil deest, nec praeteritum igitur nec futurum, sed omne praesens est apud Deum. Von den vielen möglichen Belegen sei hier nur Trin. XV, 5, 7 [CC.SL 50a, 469, Z. 31–33] angeführt: Una ergo eademque res dicitur sive dicatur aeternus deus sive immortalis sive incorruptibilis sive immutabilis … Vgl. Div. qu. 19 [CC.SL 44a, 24, Z. 7]: omne aeternum immortale est. Vgl. (z. B.) Io. ev. tr. 48, 6 [CC.SL 36, 416, Z. 42f.]: … sic habet vitam, ut sit ipse vita faciatque viventes. Hoc est quod maius est omnibus; sowie Conf. III, 6, 10 [CC.SL 27, 32, Z. 42f.]: … sed tu vita es animarum, vita vitarum, vivens te ipsa et non mutaris, vita animae meae; ferner ebd. X, 6, 10 [CC.SL 27, 160, Z. 60]: Deus autem tuus etiam tibi vitae vita est; und Vera rel. 11, 21 [CC.SL 32, 200, Z. 1f.]: … quia deus utique summa vita est et ipse fons vitae. Den Unterschied zwischen dem ewigen Leben Gottes und dem der geistigen Geschöpfe betonte etwa Trin. I, 6, 10 [CC.SL 50, 39, Z. 27–36]. Sehr prägnant etwa in Gen. litt. II, 6, 12 [BA 48, 164]: … haec ipsa dictio verbum est patris, unigenitus filius, in quo sunt omnia, quae creantur, etiam antequam creantur, et quidquid in illo

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

telbar auch an die berühmte Definition des Boethius der Ewigkeit als Besitz des Lebens, deren gemeinsame Quelle – ob unmittelbare, sei dahingestellt – Plotins Enneade III, 7 sein dürfte, in der die Ewigkeit als das Leben des Seins dargestellt wurde (während die Zeit das Leben der Seele ist).375 Sowohl Augustinus wie Plotin betonten dabei den Zusammenhang dieses Lebens mit dem Denken,376 wobei diese höchste Form des Denkens – anders als das diskursive Denken, das eine Bewegung vom einen zum anderen darstellt – ohne jede Veränderung im Selben verharrt.377 Damit aber ist man bei der immutabilitas als weiterem Kennzeichen der aeternitas angelangt. Wenn Augustinus auch bisweilen schwankte, ob immortalitas und aeternitas koextensiv gebraucht werden, so waren ihm die Begriffe Ewigkeit und Unveränderlich-

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est, vita est; quia quidquid per eum factum est, in ipso vita est, et vita utique creatrix, sub illo autem creatura? Aliter ergo in illo sunt ea, quae per illum facta sunt, quia regit et continet ea; aliter autem in illo sunt ea, quae ipse est. Ipse enim vita est, quae ita in illo est, ut ipse sit … Vgl. ferner besonders Io. ev. tr. 1, 16f. [CC.SL 36, 9f.] unter dem schönen Bild der göttlichen Kunst (ars) und auch Conf. I, 6, 9 [CC.SL 27, 5, Z. 40] (beides siehe oben S. 144, Anm. 300). So das Fazit von Enn. III, 7, 3 [PhB 214a, 312, Z. 36–38]: γίνεται τοίνυν ἡ περὶ τὸ ὂν ἐν τῷ εἶναι ζωὴ ὁµοῦ πᾶσα καὶ πλήρης ἀδιάστατος πανταχῇ τοῦτο, ὃ δὴ ζητοῦµεν, αἰών. – Zur Zeit als Leben der Seele vgl. Enn. III, 7, 11 [PhB 214a, 338, Z. 43f.]: … χρόνον … ψυχῆς ἐν κινήσει µεταβατικῇ ἐξ ἄλλου εἰς ἄλλον βίον ζωὴν εἶναι. Es ist die klassische neuplatonische Triade von Sein, Leben und Denken; über deren Zusammenhang mit dem Ewigkeitsbegriff handelte Werner BEIERWALTES, Einleitung, in: Ders. (Hrsg.), Plotin. Über Ewigkeit und Zeit (Enneade III 7) (= Quellen der Philosophie 3), Frankfurt am Main 1967, 7–88, hier 39–43 (besonders 40). Für Augustinus vgl. etwa Trin. VI, 10, 11 [CC.SL 50, 241, Z. 16–22]: ubi est prima et summa vita cui non est aliud vivere et aliud esse, sed idem et esse et vivere, et primus ac summus intellectus cui non est aliud vivere et aliud intelligere, sed id quod est intelligere, hoc vivere, hoc esse est, unum omnia tamquam verbum perfectum cui non desit aliquid et ars quaedam omnipotentis atque sapientis dei … Für Plotin vgl. Enn. III, 7, 3 [PhB 214a, 310, Z. 16–18]: … ζωὴν µένουσαν ἐν τῷ αὐτῷ ἀεὶ παρὸν τὸ πᾶν ἔχουσαν, ἀλλ’ οὐ νῦν µὲν τόδε, αὖθις δ’ ἕτερον, ἀλλ’ ἅµα τὰ πάντα, καὶ οὐ νῦν µὲν ἕτερα, αὖθις δ’ ἕτερα, αλλὰ τέλος ἀµερές … – Was das Problem angeht, Leben und Denken mit Unveränderlichkeit des Seins zusammenzubringen, so wies BEIERWALTES, Einleitung, 39 auf die Dialektik hin, die in der „unscheidbaren Einheit von Sein, Bewegung, Ständigkeit, Andersheit und Selbigkeit“ die Dynamik der Ewigkeit ausmacht. In der Vorstellung Plotins war dieses Leben und Denken eine Bewegung, die sich „in und durch Ständigkeit“ vollzieht (ebd., 40). Für Augustinus boten solche Überlegungen eine Steilvorlage zur Entfaltung seiner Trinitätstheologie (insbesondere des Verhältnisses von Vater und Sohn); vgl. etwa Trin. XV, 14, 23 [CC.SL 50a, 496f., Z. 24–31]: Sciunt ergo invicem pater et filius, sed ille gignendo, ille nascendo. Et omnia quae sunt in eorum scientia, in eorum sapientia, in eorum essentia unusquisque eorum simul videt, non particulatim aut singillatim velut alternante conspectu hinc illuc et inde huc et rursus inde vel inde in aliud atque aliud ut aliqua videre non possit nisi non videns alia, sed ut dixi simul omnia videt quorum nullum est quod non semper videt. – Die incommutabilitas des Lebens Gottes wurde etwa Trin. I, 12, 26; II, 1, 3; III, 8, 15 [CC.SL 50, 66, Z. 115f.; 83, Z. 45; 143, Z. 113] und öfter herausgestellt; die Verbindung von immortalitas und incommutabilitas betonte Trin. XV, 5, 7 [CC.SL 50a, 469, Z. 27–29].

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keit jedenfalls austauschbar;378 insbesondere verwendete er sie gerne zur Unterscheidung der geschöpflichen und der ungeschaffenen Ewigkeit,379 denn das kontingente Sein kann auch dann, wenn es keine reale Veränderung aufweist, nicht dieselbe reine Aktualität besitzen wie das göttliche Sein. – Der in der immutabilitas erkennbare positive Gehalt, lässt sich als Selbstidentität380 fassen, die ihrerseits in der Selbsthabe gründet:381 Denn Gott bleibt nicht nur stets derselbe, während die zeitliche Kreatur in ihren Bewegungen je eine andere wird,382 sondern – weil er das Sein in sich hat – leidet er auch nicht wie das sich wandelnde geschaffene Sein an der Diastase von Wesen und Sein, von Essenz und Existenz, die ja ein mögliches Nicht-Sein und damit ein Nichtmit-sich-selbst-identisch-Sein bedeutet. Auf der (onto)logischen Ebene folgerte Augustinus dann aus der immutabilitas den Satz, dass alle von Gott ausgesagten Qualitäten in die Kategorie der Substanz oder der Relation fallen müssen,383 denn im Begriff des „Akzidens“ ist bereits die Möglichkeit des Verlustes und damit der Veränderung des

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So Div. qu. 19 [CC.SL 44a, 24], wo die menschliche Seele als immortalis, aber eben nicht als aeterna erkannt wurde; anders in Trin. XV, 5, 7 [CC.SL 50a, 469, Z. 28–31] (und öfter in Trin.), wo die vera immortalitas ihrerseits mit der incommutabilitas (und damit mit der aeternitas) gleichgesetzt wurde; vgl. das sich anschließende Fazit oben S. 155, Anm. 371. Vgl. oben S. 153, Anm. 355; zur mutabilitas der Geschöpfe vgl. vor allem S. 129, Anm. 215 und S. 128 mit Anm. 206. Vgl. auch Trin. V, 2, 3 [CC.SL 50, 208, Z. 12–17], wo die Verbindung mit dem Seinsbegriff betont wird: Quod enim mutatur non servat ipsum esse, et quod mutari potest, etiamsi non mutetur potest quod fuerat non esse, ac per hoc illud solum quod non tantum non mutatur verum etiam mutari omnino non potest sine scrupulo occurrit quod verissime dicatur esse. Vgl. auch Trin. I, 1, 1.2; II, 8, 14 [CC.SL 50, 27, Z. 12f.; 29, Z. 62–64; 99, Z. 12f.] und öfter. Vgl. das Tu autem idem ipse es aus Ps. 101 (102), 28, das Augustinus etwa in Conf. XI, 13, 16; XII, 11, 13; XIII, 18, 22 [CC.SL 27, 202, Z. 18f.; 222, Z. 33; 254, Z. 23] hierzu anführte. Vgl. ferner Div. qu. 19 [CC.SL 44a, 24, Z. 9f.]: … tamen si mutabilitatem patiatur, non proprie aeternum appellatur, quia non semper eiusdem modi est. Vgl. Gen. litt. V, 16, 34 [BA 48, 420]: Quamvis ergo illa aeterna incommutabilisque natura, quod Deus est, habens in se, ut sit, sicut Moysi dictum est [Ex. 3, 14]: «Ego sum qui sum», longe scilicet aliter, quam sunt ista, quae facta sunt, quoniam illud vere ac primitus est, quod eodem modo semper est nec solum non commutatur, sed commutari omnino non potest, nihil horum, quae fecit, existens et omnia primitus habens, sicut ipse est. Vgl. Civ. XI, 6 [CC.SL 48, 326, Z. 5–8]: … cuius [scil. creaturae] motionis et mutationis cum aliud atque aliud, quae simul esse non possunt, cedit atque succedit, … tempus sequeretur; oder Gen. litt. V, 5, 12 [BA 48, 390]: … cum sit [scil. tempus] creaturae motus ex alio in aliud … Und andererseits etwa Conf. VII, 20 26 [CC.SL 27, 109, Z. 6f.] über Gott: … vere te esse, qui semper idem ipse esses, ex nulla parte nulloque motu alter aut aliter; sowie Trin. XV, 14, 23 (zitiert oben S. 156, Anm. 377). Vgl. Trin. V, 5, 6 [CC.SL 50, 210, Z. 3f.]; man beachte, dass Augustinus im Rahmen seiner Trinitätsspekulation die Kategorie Relation nicht zu den Akzidenzien zählte. – Zum Zusammenfall von Substanz und Qualität vgl. z. B. auch Civ. XI, 10 [CC.SL 48, 330–332, bes. Z. 68–70]: Secundum hoc ergo dicuntur illa simplicia, quae principaliter vereque divina sunt, quod non aliud est in eis qualitas, aliud substantia …

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Subjektes, dem es inhäriert, enthalten.384 Daraus wiederum ergab sich schließlich, dass auch die Ewigkeit selbst als die Substanz Gottes aufzufassen ist, denn der Zusammenfall von Substanz und (nicht-relationalen) Eigenschaften Gottes gilt auch für sie.385 Wurde bis hierher Gottes Ewigkeit in sich betrachtet, so soll abschließend ihr Verhältnis zur Schöpfung thematisiert werden. Dabei ist zunächst festzustellen, dass Augustinus sehr stark die Transzendenz der Ewigkeit gegenüber der Zeit und der Schöpfung allgemein betonte:386 Als in die Reihe jener Begriffe gehörend, die das Wesen Gottes beschreiben,387 ist die Ewigkeit in ihrer zeitlosen Selbstpräsenz in keiner Weise von der Zeit oder den der Zeit unterworfenen Geschöpfen abhängig, während umgekehrt die Zeit als Abbild der Ewigkeit bleibend auf diese bezogen und von ihr abhängig ist, was sich nicht zuletzt im Konzept der creatio continua zeigt.388 Ist Letzteres bereits ein Beleg dafür, dass Augustinus sich nicht einen Gott vorstellte, der sich selbstgenügsam-deistisch von seiner Schöpfung zurückzieht, so gibt es noch weitere Weisen, wie sich die aeternitas auf die Zeit bezieht: Gottes Leben als Denken besteht nicht allein darin, dass es sich selbst denkt,389 in den rationes aeternae, den „transzendenten Formalprinzipien aller geschaffenen Erscheinungen“390 ist ihm vielmehr die gesamte Schöpfung auf nicht-zeitliche Weise präsent. Inniger noch verbindet sich Ewigkeit mit der Zeit in der Inkarnation des Sohnes391 und in der Sendung (missio) des 384

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Vgl. Trin. V, 4, 5 [CC.SL 50, 209, Z. 1–17]: Accidens autem dici non solet nisi quod aliqua mutatione eius rei cui accidit amitti potest. Nam etsi quaedam dicuntur accidentia inseparabilia, … sicuti est plumae corvi color niger; amittit eum tamen, non quidem quamdiu pluma est, sed quia non semper est pluma. … Nihil itaque accidens in deo, quia nihil mutabile aut amissibile. En. Ps. 101, 2, 10 [CC.SL 40, 1445, Z. 27–29]: aeternitas, ipsa Dei substantia est; quae nihil habet mutabile; ibi nihil est praeteritum, quasi iam non sit; nihil est futurum, quasi nondum sit. Non est ibi nisi: Est. Siehe etwa auch Trin. XV, 5, 8 [CC.SL 50a, 470, Z. 45–52]. Vgl. dazu auch QUINN, Eternity, 318b sowie KIENZLER, Gott in der Zeit berühren, 281. Z. B. in Conf. XI, 13, 16 [CC.SL 27, 202, Z. 15–17]: Nec tu tempore tempora praecedis: alioquin non omnia tempora praecederes. Sed praecedis omnia praeterita celsitudine semper praesentis aeternitatis et superas omnia futura … Vgl. z. B. die Aufzählung Trin. XV, 5, 8 [CC.SL 50a, 470, Z. 45–47]: Aeternus, immortalis, incorruptibilis, immutabilis, vivus, sapiens, potens, speciosus, iustus, bonus, beatus, spiritus. Vgl. Gen. litt. IV, 11, 21 – 12, 22, besonders 12, 22 [BA 48, 308]: Creatoris namque potentia et omnipotentis atque omnitenentis virtus causa subsistendi est omni creaturae: quae virtus ab eis, quae creata sunt, regendis si aliquando cessaret, simul et illorum cessaret species omnisque natura concideret. Neque enim, sicut structor aedium, cum fabricaverit, abscedit, atque illo cessante atque abscedente stat opus eius, ita mundus vel ictu oculi stare poterit, si ei Deus regimen sui subtraxerit. Ein Vorwurf, den etwa Bonaventura zu Recht Aristoteles und seinem Konzept des höchsten Wesens als νόησις νοήσεως machte (vgl. Metaphysica XII (Λ), 9 [1074b 15 – 1075a 11] bzw. Hex. I, 3 (6), 2f. [Ed. Delorme, 91]). O’DALY, Aeternitas, 161 (eigene Übs.); zu den rationes aeternae vgl. auch oben S. 144 mit Anm. 301. Vgl. z. B. En. Ps. 101, 2, 10 (zitiert oben S. 140, Anm. 277) sowie die auf S. 137, Anm. 259 zitierten Stellen.

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Heiligen Geistes;392 die Zuwendung des Ewigen zum Zeitlichen – die vom Geschöpf aus gesehen ihren höchsten Ausdruck in der Schau Gottes findet – bedeutet dabei stets zugleich eine in Gnade geschenkte „Verewigung“ des Zeitlichen.393 Doch wie sieht die umgekehrte Relation der Zeit zur Ewigkeit aus? Gibt es nicht nur in der Vollendung, sondern bereits im gegenwärtigen Zustand des Menschen eine Brücke aus der Zeit in die Ewigkeit? Dass der Mensch Gott hier und jetzt nicht zur Gänze erfassen kann,394 dass sein vom Strom der Zeiten mitgerissenes Herz nichts hat, womit es die stehende Ewigkeit in Beziehung setzen und sie so begreifen könnte,395 wurde bereits gesagt. Die Gegenwart der Ewigkeit mag so für ihn eine verborgene Gegenwart sein;396 und doch kann er mit seinem Geist etwas davon erfassen,397 indem er sich auf das Gute und das Wahre ausrichtet. Es ist die Wahrheit selbst, die sich Augustinus im Rahmen seiner Illuminationslehre als ein über dem veränderlichen menschlichen Geist stehendes unveränderliches Licht (incommutabilis lux) vorstellte398 und die diesem die rationes aeternae als Kriterien (Regeln, Gesetze) für Urteile im theoretischen und praktischen Bereich einprägt.399 Die in Confessiones XI, 29, 39 gezeichnete400 Umkehr von der distentio durch die Zeit zur Ausrichtung (extentio) auf die Ewigkeit ist so nichts anderes als die bewusste Hinwendung zu diesem Licht, das der Mensch zuerst anteilhaft in sich, dann aber in Wahrheit über sich erkennt.401 392

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Vgl. z. B. Trin. II, 5, 10 [CC.SL 50, 93, Z. 126–131]: … missio spiritus sancti dicta est; non ut appareret eius ipsa substantia qua et ipse invisibilis et incommutabilis est sicut pater et filius, sed ut exterioribus visis hominum corda commota a temporali manifestatione venientis ad occultam aeternitatem semper praesentis converterentur. Vgl. noch einmal S. 137, Anm. 259; die Gnadenhaftigkeit betonte Trin. XV, 23, 43 [CC.SL 50a, 521, Z. 39–42]: Et quando inter se aequalia fuerint ab omni languore sanata, nec tunc aequabitur rei natura immutabili ea res quae per gratiam non mutabitur quia non aequatur creatura creatori, et quando ab omni languore sanabitur mutabitur. Siehe oben S. 153. Vgl. noch einmal Conf. XI, 11, 13 [CC.SL 27, 201, Z. 5–8]: Quis tenebit illud [scil. cor] et figet illud, ut paululum stet et paululum rapiat splendorem semper stantis aeternitatis et comparet cum temporibus numquam stantibus et videat esse incomparabilem. Vgl. Trin. II, 5, 10 (zitiert oben Anm. 392). Vgl. Div. qu. 35, 2 [CC.SL 44a, 52, Z. 45–50]: Omnium enim rerum praestantissimum est quod aeternum est; et propterea id habere non possumus nisi ea re qua praestantiores sumus, id est, mente. Quidquid autem mente habetur, noscendo habetur; nullumque bonum perfecte noscitur, quod non perfecte amatur. Vgl. z. B. Trin. XIV, 15, 21 [CC.SL 50a, 449–451]; Conf. VII, 10, 16; 17, 23; XII, 25, 35 [CC.SL 27, 103f.107.235f.]. Z. B. Trin. XIV, 15, 21 [CC.SL 50a, 451, Z. 49–53]: Ubi ergo scriptae sunt [scil. illae regulae immutabiles], nisi in libro lucis illius quae veritas dicitur unde omnis lex iusta describitur et in cor hominis qui operatur iustitiam non migrando sed tamquam imprimendo transfertur, sicut imago ex anulo et in ceram transit et anulum non relinquit? Weitere Stellen vgl. O’DALY, Aeternitas, 162. Vgl. noch einmal oben S. 124. Vgl. Conf. X, 24, 35 [CC.SL 27, 174, Z. 4–7]: Ubi enim inveni veritatem, ibi inveni deum meum, ipsam veritatem … Itaque ex quo te didici, manes in memoria mea, et illic te invenio. Und dann

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Erster Teil: Zugänge zum Thema „Zeit und Ewigkeit“

Erlösung erscheint in dieser Perspektive zunächst als ein Erkenntnisprozess,402 der von Christus als dem Wort Gottes, der ewigen Wahrheit initiiert wird403 und der den Menschen zu seinem ewigen Ursprung zurückführt.404 Dabei ist es gerade die Unwandelbarkeit, das Bleiben der sich darbietenden Wahrheit, das inmitten der im Fluss befindlichen Welt den Rettungsanker darstellt, um zur Ewigkeit zurückzufinden.405 Weil aber die höchste Wahrheit auch das höchste Gut ist, vollendet sich dieses Erkennen in der Liebe als der gegenüber dem Guten einzig angemessenen Haltung.406 Im Letzten ist es die caritas (oder dilectio)407 als mit dem Erkennen verbundene Kraft – denn sie setzt einerseits Erkenntnis voraus und andererseits führt sie auch zu immer tieferem Erkennen des Geliebten408 –, die bis zur aeternitas vordringt, so dass Augustinus erklären kann: Caritas novit eam!409 Dieses liebende Erkennen, dieses erkennende Lieben schafft eine Verbindung zwischen der Seele und Gott, die stark genug ist, um den Menschen aus der unglücklichen Vergänglichkeit heraus in die beseligende Ewigkeit zurückzureißen und dort zu halten.410 Am Anfang dieses Kapitels wurde auf die Wertschätzung hingewiesen, die Bonaventura für Augustinus empfand. Ich denke jetzt, am Ende, lassen sich die Bezüge zwischen beiden noch einmal etwas klarer sehen. Aus dem Gesagten sollte hervorgegangen

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ebd. 26, 37 [CC.SL 27, 174f., Z. 1–3]: Neque enim iam eras in memoria mea, priusquam te discerem. Ubi ergo te inveni, ut discerem te, nisi in te supra me? Vgl. Conf. XI, 8, 10 [CC.SL 27, 199, Z. 16–18]: Cum autem redimus ab errore, cognoscendo utique redimus; ut autem cognoscamus, docet nos, quia principium est et loquitur nobis. Oder Div. qu. 35, 2 [CC.SL 44a, 52, Z. 42f.]: Quae cum ita sint, quid est aliud beate vivere, nisi aeternum aliquid cognoscendo habere? Vgl. ebd. [CC.SL 44a, 52f., Z. 60–67] und Conf. VII, 18, 24 [CC.SL 27, 108, bes. Z. 9–11]: Verbum enim tuum, aeterna veritas, … subditos erigit ad se … Vgl. Conf. XI, 8, 10 [CC.SL 27, 199, Z. 11–15]: Quis porro nos docet nisi stabilis veritas? Quia et per creaturam mutabilem cum admonemur, ad veritatem stabilem ducimur, … reddentes nos, unde sumus. Vgl. Conf. XI, 8, 10 [CC.SL 27, 199, Z. 15f.]: Et ideo principium quia nisi maneret, cum erraremus, non esset quo rediremus. Vgl. Civ. XI, 28 [CC.SL 48, 347, Z. 8f.]: Neque enim vir bonus merito dicitur qui scit quod bonum est, sed qui diligit. Vgl. Div. qu. 35, 2 [CC.SL 44a, 52, Z. 61f.]: Amor autem rerum amandarum caritas vel dilectio melius dicitur. Vgl. Io. ev. tr. 96, 4 [CC.SL 36, 571, Z. 9–12]: Non enim diligitur quod penitus ignoratur. Sed cum diligitur quod ex quantulacumque parte cognoscitur, ipsa efficitur dilectione ut melius et plenius cognoscatur. Im Kontext von Conf. VII, 10, 16 [CC.SL 27, 103, Z. 11–13]: Qui novit veritatem, novit eam [scil. incommutabilem lucem], et qui novit eam, novit aeternitatem. Caritas novit eam. O aeterna veritas et vera caritas et cara aeternitas! Tu es deus meus, tibi suspiro die ac nocte. Div. qu. 35, 2 [CC.SL 44a, 52, Z. 56–58]: Et quoniam id quod amatur afficiat ex se amantem necesse est, fit ut sic amatum quod aeternum est aeternitate animum afficiat. Quocirca ea demum vita beata quae aeterna est. Quid vero aeternum est quod aeternitate afficiat animum nisi deus? Vgl. auch oben S. 127.

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sein, dass die meisten Themen, die Bonaventura (und die Zeitgenossen) im Rahmen der Zeitreflexion aufnahmen, von Augustinus bereits angedacht waren. Vermittelt dann vor allem durch die Sentenzen des Petrus Lombardus gab der Bischof von Hippo zudem die Schöpfungslehre und innerhalb ihrer noch einmal besonders die Engellehre als den systematischen Ort vor, an dem die Zeitfrage behandelt wird, wobei Fragen der Eschatologie (in der Frage nach der Zeitlichkeit des Vollendungszustandes) und der Christologie (in der Frage nach der coaeternitas der zweiten göttlichen Person und in der Frage nach Christus als dem Mittler zwischen Zeit und Ewigkeit) ebenfalls eine gewisse Rolle spielen. Der exegetische Kontext – im Wesentlichen die Erklärung des ersten Schöpfungsberichtes – ist dabei in den Ausführungen des Bischofs von Hippo noch deutlich präsenter als in den scholastischen Abhandlungen. Weder bei Bonaventura noch bei Augustinus wurde die Frage nach Zeit und Ewigkeit in einem strikten Sinn systematisch abgehandelt, vielmehr muss ihr Standpunkt aus verschiedenen, unterschiedlich ausführlichen Äußerungen rekonstruiert werden. Bei Augustinus kommt dabei die Schwierigkeit hinzu, dass seine Ausführungen – trotz einer gewissen durchgehaltenen Grundlinie411 – nicht immer kohärent sind. Hinsichtlich der von ihm verwendeten Begrifflichkeit fällt außerdem auf, dass der Begriff des aevum als einer Zwischenstufe zwischen Zeit und Ewigkeit noch nicht vorhanden ist und dass von einer möglichen Bedeutungsdifferenzierung zwischen den Bezeichnungen aeternus, sempiternus, perpetuus kein Gebrauch gemacht wird. Auf der inhaltlichen Ebene bemerkt man, dass Bonaventura sich unter der Vorgabe tempus est dispositio rei extra, non fictio animae412 in seinen Ausführungen ganz auf den objektiven Charakter der Zeit einschwor; auf die bei Augustinus durch die distentio animi gegebene innere Repräsentation der Zeit ging er nicht ein. Seinen deutlichsten Ausdruck findet dieser unterschiedliche Blickwinkel auf die empirische Zeit wohl darin, dass Augustinus sie durch das tendit non esse bestimmte,413 während Bonaventura sie aus dem Streben der Materie nach Form (und damit nach Vervollkommnung) erklärte.414 Was die beiden Theologen bei allen Divergenzen schließlich wieder verbindet, ist das Grundanliegen, die Zeitlichkeit aus der Geschöpflichkeit heraus zu verstehen.415 – Doch wenden wir den Blick auf Bonaventura selbst und seine Gedanken zu Zeit und Ewigkeit.

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Man mag dabei etwa an den platonischen Gedanken des Urbild-Abbild-Verhältnisses zwischen Zeit und Ewigkeit und die durch die Geschöpflichkeit vorgegebene mutabilitas als Grundlage der Zeitlichkeit denken. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]. Vgl. oben S. 115, 129 und 135. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]: Tempus autem habet esse ex hoc, quod materia tendit ad formam. Das Urteil von Klaus KIENZLER, Gott in der Zeit berühren, 287 über das elfte Buch der Confessiones („Wer Schöpfung radikal als Schöpfung Gottes denkt, der versteht auch, was Zeit ist.“) ließe sich genau so auch über Bonaventuras Zeittheorie sprechen.

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

1

Verschiedene Begriffe von Zeit

Die Komplexität des Phänomens „Zeit“ sollte bereits in der Zielbestimmung am Anfang dieser Arbeit deutlich geworden sein,1 entsprechend vielfältig ist das, was mit dem Begriff „Zeit“ gemeint sein kann. Daraus resultiert eine doppelte Problematik bei der Behandlung des Zeittraktates: einerseits ihn nach außen hin abzugrenzen und dadurch seinen Umfang zu bestimmen, andererseits ihm eine geeignete innere Struktur zu geben. Bei Bonaventura kommt eine weitere Schwierigkeit hinzu: Er hat weder eine eigene zusammenhängende Abhandlung De tempore (oder Ähnliches) noch einen Kommentar zu einem Zeittraktakt – z. B. dem vierten Buch der Physik des Aristoteles2 – verfasst. Seine Position ist vielmehr aus verstreuten Aussagen hauptsächlich innerhalb des Sentenzenkommentars zu rekonstruieren.3 Als pragmatische Lösung für die erste Schwierigkeit bietet sich an, Bonaventuras Definition aus II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 64f.] zugrunde zu legen, in der insgesamt vier verschiedene Begriffe von Zeit unterschieden werden.4 Der Zeitbegriff erscheint hier innerhalb des Gesamtrahmens der quasikanonischen Trias tempus – aevum – aeternitas der im weitesten Sinn zeitlichen Maße.5 Der Vorteil ist dabei die Vergleichbarkeit mit 1 2

3 4 5

Siehe oben ab S. 13. Oben, S. 74, wurde dabei schon darauf hingewiesen, dass Aristoteles-Kommentare im franziskanischen Orden nicht üblich waren – ganz im Gegensatz zur dominikanischen Praxis, man denke nur an Thomas von Aquin oder Albertus Magnus. Vgl. hierzu auch oben S. 23; die zweitwichtigste Quelle ist De mysterio Trinitatis. Ausführlich unten in dem Abschnitt über die verschiedenen Bedeutungen von Zeit ab S. 173. Bei Bonaventura ergibt sich das, wie gesagt, nur aus dem Kontext, man kann aber etwa auf die nach 1240 entstandene Schrift Alberts des Großen De IV coaequaevis hinweisen. Deren zweiter Traktat De tempore behandelt ebendiese drei Größen (vgl. die Einleitung von De IV coaequaevis 2, 3 [Ed. Paris. 34, 338]: Deinde quaeritur de secundo coaequaevo quod est tempus. Sed quia quibusdam creatis adjacet tempus, et quibusdam aevum, et quibusdam aeternitas, ut dicunt Sancti, et hoc per eandem rationem mensurae in genere, ideo disputandum est de his tribus). Ähnlich existieren aus der Mitte der 1230’er Jahre von Alexander von Hales Quaestiones disputatae de aeternitate, aevo et tempore; zum Inhalt des unveröffentlichten Textes vgl. Richard C. DALES, Time and Eternity in the Thirteenth Century, in: Journal of the History of Ideas 49 (1988) 27–45, hier 29–31; vgl. auch Palémon GLORIEUX, Répertoire des maîtres en théologie de Paris aux XIIIe siècle, 2 Bde., Paris 1933–1934, hier Bd. 2, 15. Die Summa Halensis I–1, 1, 2, 4 (56–71) [Ed. cit.

166

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

anderen zeitgenössischen Konzepten von Zeit. So können auf dieser Basis auch die im Rahmen anderer Zeittraktate üblichen Fragen beantwortet werden: etwa die Frage nach der Einheit der Zeit und die Frage nach der Objektivität der Zeit, bei der es im Wesentlichen um das Verhältnis von Zeit und Seele geht. In der besagten Definition des Franziskaners wird die Grundfrage „Was ist Zeit?“ dabei – gut aristotelisch – im Blick auf das Phänomen des Werdens, der Bewegung und der Veränderung erklärt; es geht hier also um einen abstrakten, überwiegend quantitativen Begriff von Zeit, der sowohl in seinen kosmologischen wie in seinen anthropologisch-theologischen Bezügen zu entfalten ist.6 Weitgehend außen vor – weil von dieser Definition nicht unmittelbar erfasst – bleibt dagegen ein „qualitatives“ Verständnis, das unter tempus eine geschichtliche Zeit versteht:7 Diese wird nicht zuerst von ihrer Begrenzung oder Definition her begriffen – so wie man ein Zeitintervall von den es begrenzenden Zeitpunkten her erfasst –, vielmehr wird Zeit dabei von dem her verstanden, was sie erfüllt und was ihr eine bestimmte, charakteristische Prägung gibt (wie man etwa von der Zeit König Salomos sprechen mag). Die Verfolgung dieser Linie liefe auf die Geschichtstheologie Bonaventuras hinaus, doch sie soll hier nicht unser Thema sein.8 Auch das zweite Unterfangen, dem Zeittraktat eine systematische Struktur zu geben, erweist sich als schwierig. Gerade weil das Thema „Zeit“ so häufig diskutiert wurde und eine Vielzahl an klassischen Vorlagen existierte,9 hatte sich der Zeittraktat zu einem Konglomerat verschiedener heterogener Fragestellungen ausgewachsen.10 Allein schon

6

7 8 9 10

I, 84–111] schließlich ging in der Behandlung der aeternitas Gottes ähnlich vor, wenn sie aevum und tempus als Vergleichspunkte nahm. – Die spätere „Zeit“-Diskussion verstieg sich zum Teil zu noch komplexeren Systemen, so kannte der Dominikaner Dietrich von Freiberg in seinem Tractatus de mensuris eine Hierarchie von fünf zeitlichen Maßen von der superaeternitas über aeternitas, aevum und aeviternitas bis hinab zur Zeit (tempus) der vergänglichen Dinge, wobei das Gemessene jeweils durch ein geringeres Potential an Gegenwärtigkeit (praesentialitas) gekennzeichnet war. Siehe hierzu DIETRICH VON FREIBERG, Tractatus de mensuris 2, nr. 7–32, ed. Rudolf Rehn, in: Schriften zur Naturphilosophie und Metaphysik, hrsg. v. Jean-Daniel Cavigioli u. a. (= Opera omnia 3), Hamburg 1983, 203–240, hier 218–222; vgl. ferner auch DALES, Time and Eternity, 42–44. Die von Joseph RATZINGER, Der Mensch und die Zeit im Denken des Heiligen Bonaventura, in: L’Homme et son Destin d’après les penseurs du Moyen Âge. Actes du premier congrès international de philosophie médiévale, Louvain – Bruxelles, 28 août – 4 septembre 1958, Paris – Louvain 1960, 473–483, getroffene Abgrenzung von (aristotelischer) kosmologischer Zeit und (augustinischer) anthropologischer Zeit verläuft also innerhalb des hier vorgestellten naturphilosophischen Zeitbegriffs. Diesen Begriff der Zeit findet man etwa im Hex. III, 3f. (15f.) [V, 400–408; Ed. Delorme, 172– 193]. Siehe aber weiter unten den Abschnitt ab S. 370. Vgl. oben ab S. 95. Ein gutes Beispiel dafür liefert der Aufbau der Abhandlung des Dominikaners Robert Kilwardby De tempore. Sie stammt aus der Zeit Kilwardbys als Leiter der Theologischen Fakultät in Oxford, Ende der 1250’er Jahre (Datierung nach Franco VOLPI, Robert Kilwardby, in: Ders. (Hrsg.), Großes Werklexikon der Philosophie, Bd. 1, Stuttgart 1999, 834f.).

Verschiedene Begriffe von Zeit

167

die Komplexität der bei Bonaventura – ähnlich aber auch in der Summa Halensis oder bei Albertus Magnus – zu findenden11 Definitionen des Begriffs „Zeit“ zeugt von der fehlenden Einheit des Zeittraktates. Am ehesten lässt sich in diesem noch eine Unterscheidung philosophischer und theologischer Fragestellungen erkennen. Diese Unterscheidung findet ihre institutionelle Entsprechung darin, dass die Zeitfrage sowohl an der Artistenfakultät als auch an der theologischen Fakultät behandelt wurde (grob gesagt geht es dann um die Auslegung des Corpus Aristotelicum auf der einen Seite, um die Auslegung der Sentenzen des Petrus Lombardus auf der anderen). Dem entspricht es, wenn etwa Albertus Magnus (aber auch andere) einen philosophischen und einen theologischen Zeitbegriff kannten.12 Der theologische Zeitbegriff wurde als mensura cuiuscumque mutationis bestimmt, Albert verstand ihn als eine Verallgemeinerung des naturphilosophischen („aristotelischen“) Zeitbegriffs mit dem Ziel, dass auch die affektiven und intellektiven Bewegungen der Engel dadurch erfasst werden. Bei Bonaventura fällt demgegenüber auf, dass er zwar ähnliche Definitionen verwendete, aber nicht ausdrücklich zwischen einer philosophischen und einer theologischen Sichtweise unterschied. Das dürfte so zu erklären sein, dass Bonaventura sich in dieser Frage ganz als Theologe verstand, der philosophische Überlegungen zwar mit einbezog, diese aber nicht zum Zielpunkt seiner Darstellung machte.13 Anders gesagt, Bonaventura ging es um theologische, nicht um philosophische Systematik; dies sollte man nicht vergessen, wenn im Folgenden die theologischen und die philosophischen Fragen dennoch getrennt behandelt werden, denn auf der sachlichen Ebene lassen sich die Frage nach dem Wesen der Zeit (und dem, was damit zusammenhängt) und deren theologische Implikate und Voraussetzungen ja durchaus trennen. Damit ergibt sich der Aufbau der folgenden Darlegungen: Die Vorstellung der Zeitdefinitionen soll den Rahmen abstecken, innerhalb dessen Bonaventura die Zeitfrage behandelte. In dem folgenden philosophischen Teil wird dann einerseits die in den Definitionen enthaltene Begrifflichkeit vertieft, andererseits wird Bonaventuras Standpunkt zu einigen zeitphilosophischen Grundfragen dargelegt. Auch wenn es nicht jedes Mal betont wird, so geht man sicher nicht fehl in der Auffassung, dass seine Ausführungen dabei im Wesentlichen von der (theologischen) Absicht getragen sind, die Schöpfung in ihren Details zu verstehen. Die Schöpfungstheologie ist die Klammer, die den philosophischen und den theologischen Teil verbindet. Letzterer zeichnet sich dabei dadurch aus, dass es nicht mehr um Einzelfragen, sondern um das große Ganze geht: die Frage nach der zeitlichen Grundstruktur der Schöpfung. Geschaffenes Sein ist immer auch zeitlich strukturiertes Sein und umgekehrt, diese Grundannahme prägte die Überlegun11 12 13

Vgl. Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 1 (68), resp. [Ed. cit. I, 105f.] und ebd. 2 (69), sol. & ad 5 [Ed. cit. I, 107.108]; ALBERTUS MAGNUS, De IV coaequaevis 2, 5, 2, sol. [Ed. Paris. 34, 369b]. Siehe unten S. 167 und S. 179. In diesem Sinn wird man dann auch die Bewertung der aristotelischen Zeitdefinition als coarctata temporis acceptio (II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 65a]) verstehen. – Vgl. auch was oben (ab S. 81) über das Verhältnis von Theologie und Philosophie bei Bonaventura gesagt wurde.

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

168

gen des Franziskaners. Von dieser Identität ausgehend ergibt sich nicht nur die Abgrenzung von Zeit und Ewigkeit, sondern auch das theologische Bild der Zeit, das über die inhaltlich-philosophische Bestimmung hinausgeht und die Zeit als habitudo concreata, das heißt als intrinsisches Maß, als mit der Geschöpflichkeit gegebene Disposition versteht.14

1.1

Tempus multipliciter accipitur – Zeitdefinitionen bei Bonaventura

Dicendum, quod tempus accipi consuevit quadrupliciter in scripturis Sanctorum, scilicet communissime, communiter, proprie et magis proprie.15 – Mit diesen Worten leitete Bonaventura seine komplexe, insgesamt vier verschiedene Zeitbegriffe unterscheidende Definition der Zeit ein. Die einzelnen Bedeutungen, die er im Rahmen eines Vergleichs von Zeit und aevum in II Sent. 2, 1, 2, 1 herausarbeitete, differenzierte er dabei wie folgt:16 1) communissime

mensura cuiuslibet durationis creatae

2) communiter

mensura mutationis cuiuscumque, sive illius quae est de non-esse in esse, sive alterius, quae est de uno esse in aliud esse

3) proprie

mensura variationis successivae, sive sit successiva successione regulari et continua sive non

4) magis proprie

mensura motus sive variationis successivae et continuae et regulatae secundum regulam motus octavae sphaerae

Dabei entspricht es guter scholastischer Manier, eine Frage zunächst mit einer Definition zu beantworten und diese im Folgenden in ihrer ganzen Tragweite zu erschließen. Auch für die Erforschung von Bonaventuras Zeitbegriff bietet sich ein solches Vorgehen an, erlaubt es doch, einen Überblick über den Zugang des Franziskaners zur Frage nach der Zeit zu geben. Die Situation ist allerdings verwickelter, als es auf den ersten Blick scheint, denn die hier gegebene Definition ist nicht die einzige, die sich bei ihm findet. 14 15

16

Vgl. die beiden Abschnitte unten ab S. 276 und ab S. 284. II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 64b]; in der folgenden Quaestio 2, resp. [II, 66] wurde diese Unterscheidung ausdrücklich noch einmal aufgegriffen: [scil. tempus] dupliciter potest accipi, aut scilicet prout dicit mensuram cuiuslibet durationis variae sive variationis successivae; … Aliter vero accipitur tempus prout est mensura variationis, in qua est successio habens continuationem et regulationem a motu orbis primi. Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 64f.].

Verschiedene Begriffe von Zeit

169

So bietet allein der Sentenzenkommentar noch zwei weitere Definitionen. Die eine steht fast unmittelbar vor der bereits angegebenen in den Dubia der Distinctio 1; der – bereits von Augustinus her bekannte – Hintergrund ist die Deutung von Gen 1, 1, näherhin die von der Glossa interlinearis gegebene Erklärung: In principio, id est in principio temporis.17 Sie verlangte eine differenzierte Betrachtung des Zeitbegriffs, die Bonaventura mit der Unterscheidung von drei Bedeutungen des Zeitbegriffs leistete:18 a) communissime

mensura exitus de non-esse in esse

b) communiter

mensura cuiuslibet mutationis, maxime illius quae fuit ante primum mobile

c) proprie

mensura motus primi mobilis

Eine weitere Definition ist im ersten Buch des Sentenzenkommentars enthalten. Sie steht – wie die erste Definition – im Kontext der Engellehre. Näherhin geht es um die Frage, ob die Bewegungen der Engel von der Zeit gemessen werden. Hier wurden zwei Zeitbegriffe unterschieden:19 a) proprie dictum

mensura rei mutabilis in quantum mutabilis, tamen sub ratione continui

b) alio modo

mensura cuiuslibet rei mutabilis, secundum quod mutabilis, sive moveatur instantanee sive continue

In dem aus seiner Magisterzeit (1254–57) stammenden Kommentar zum Koheletbuch schließlich veranlasste die zu Beginn des dritten Kapitels getroffene Feststellung Omnia

17

18 19

Ebenso die Glossa ordinaria [PL 113, 68B] aus BEDA, In Genesim I, i, 1 [CC.SL 118a, 3, bes. Z. 4]; vgl. auch PETRUS LOMBARDUS, Sent. II, 1, 3, 5 [SpicBon 4, 331, Z. 26]; die Feststellung scheint weiter auf AMBROSIUS, Hexaëmeron I, 6, 20 [CSEL 32.1, 16, Z. 18] zurückzugehen. In II Sent. 1, 1, dub. 2 [II, 36f.] diskutierte Bonaventura die Alternativen zu diesem Verständnis: (1) Das in principio in einem Ordnungssinn zu verstehen, d. h. als Anfang einer Aufzählung, die nicht notwendig zeitlich zu verstehen ist. „Als Erstes“ bedeutet dann, dass die gesamte Welt unmittelbar von Gott geschaffen wurde und nicht durch ein Mittelwesen, z. B. die Engel. (2) Man könnte ihm alternativ einen metaphysisch-kausalen Sinn geben. Der Ursprung, in dem die Welt erschaffen wurde, ist dann das Wort Gottes, der Sohn als die zweite göttliche Person. Bereits Augustinus ging in seinen Kommentaren zu der Stelle ausführlich auf die verschiedenen Interpretationen ein; z. B. Gen. adv. Man. I, 2, 3f. [CSEL 91, 68–71]; Conf. XI, 9, 11 [CC.SL 27, 199f.]; Civ. XI, 4.6.9.32f. [CC.SL 48, 323–325.326.328–330.351–354]; sehr klar war auch AMBROSIUS, Hexaëmeron I, 4, 12 [CSEL 32.1, 10, Z. 2f.]: … principium aut ad tempus refertur aut ad numerum aut ad fundamentum. – Schließlich wird man noch auf das IV. Laterankonzil (1215) verweisen, das im Cap. 1 (Firmiter credimus) [DS 800] festgestellt hatte: … qui sua omnipotenti virtute simul ab initio temporis utramque de nihilo condidit creaturam, spiritualem et corporalem … II Sent. 1, 1, dub. 4 [II, 38]. I Sent. 37, 2, dub. 3 [I, 665].

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

170

tempus habent (Ecl. 3, 1) Bonaventura zu der Frage, ob dies auch für die Engel gilt. Er antwortete mit einer weiteren dreigeteilten Zeitdefinition:20 a) communiter

secundum quod dicit mensuram exitus de nonesse ad esse

b) proprie

prout importat variationem sive in substantia sive in affectione

c) magis proprie

prout est mensura excellens

Schließlich bleibt noch auf eine Bestimmung in I Sent. 14, 1, 121 hinzuweisen, in der geklärt wurde, was unter „zeitlich“ (temporale) zu verstehen ist. Dabei handelt es sich nicht eigentlich um eine Zeitdefinition, vielmehr setzt sie einen bestimmten Zeitbegriff voraus und unterscheidet aufgrund dessen verschiedene Arten von zeitlichem Sein: a) quod habet initium et variationem et actum in tempore …[et] quod est corruptibile et variabile b) quod habet initium essendi in tempore, sed non variationem, ut anima c) quod habet initium in tempore, sed actum extra tempus … [scil.] temporalis processio vel gratiae donatio

Nimmt man diese letzte, aus der Reihe fallende Bestimmung heraus, so zeigt bereits der erste Blick auf die verschiedenen Definitionen, dass sie zwar strukturell ähnlich aufgebaut sind, dass aber insgesamt keine einheitliche Terminologie vorliegt, vielmehr wurde sie an die Erfordernisse der jeweiligen Problemlage angepasst. Betrachtet man die drei ersten Definitionen zunächst insgesamt und vergleicht sie mit anderen Autoren, so findet man in der Summa Halensis eine Vorlage, die Bonaventuras Ausführungen, insbesondere der Definition aus II Sent. 1, 1, dub. 4 ziemlich nahe kommt.22 Auch dort wurde ein allgemeiner (communiter) und ein eigentlicher (proprie) Gebrauch des Zeitbegriffs unterschieden:23

20 21 22 23

In Eccl. III, qq. ad v. 1, resp. [ VI, 28b]. ad 5 [I, 246]. In der Bemerkung zu der Einteilung in II Sent. 1, 1, dub. 4 [II, 38] (ut communiter consuevit distingui) bezog sich Bonaventura auf Vorgänger. Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 1 (68) [Ed. cit. I, 105b]; die Fragestellung dieses Artikels (Quomodo se habeant aevum et tempus secundum extensionem durationis) schlägt dagegen eine Verbindung zu Bonaventuras Zeitdefinition aus II Sent. 2, 1, 2, 1 (Utrum aevum praecedat aliquo modo tempus). Im folgenden Artikel der Summa Halensis (Utrum sit aliqua mensura durationis media inter aevum et tempus) werden in der Solutio [Ed. cit. I, 107b] die zweite und dritte Bedeutung noch vertieft, indem auf die Kontinuität bzw. Diskontinuität der jeweils zugrundeliegenden Bewegung eingegangen wird. Ebd., ad 4 [Ed. cit. I, 108a] wird noch einmal tempus communiter als mensura cuiuslibet variationis und alio modo als mensura secundum determinationem motus caeli unterschieden.

Verschiedene Begriffe von Zeit a) communiter et improprie

171 respicit primam mutationem a non esse in esse

b) communiter et minus proprie respicit mutationem quae est de uno esse in aliud sine continuo c) proprie

respicit mutationem quae determinatur secundum magnitudinem primi mobilis et spatii, secundum quam est motus, quae est de uno in aliud continue et successive

Blickt man in den dominikanischen Bereich, so findet man eine ähnlich aufgebaute Definition auch bei Albertus Magnus in De IV coaequaevis,24 während sich Thomas von Aquin an den einschlägigen Stellen ganz an die aristotelische Bestimmung der Zeit als numerus motus secundum prius et posterius hielt.25 Freilich konnte auch Thomas an den anderen „Arten“ von Zeit nicht einfach vorbeigehen,26 er ging aber dabei so vor, dass er 24

25

26

De IV coaequaevis 2, 5, 6, sol. [Ed. Paris. 34, 379–380] wurden drei Zeitbegriffe unterschieden: [1] accipitur tempus generaliter pro mensura cujuscumque mutationis vel fieri … [2] Aliter accipitur tempus pro mensura mutationis quae est super materiam, sive sit subito, sive non subito … [3] Aliter autem dicitur tempus mensura motus primi mobilis et per consequens aliorum motuum qui causantur ab illo (Nummerierung von mir eingefügt). Weiter kann man auf De IV coaequaevis 2, 5, 2, sol. [Ed. Paris. 34, 369b–370a] verweisen, wo ein theologischer und ein philosophischer Zeitbegriff unterschieden wurden (vgl. unten S. 179, und oben S. 167): Secundum Theologos dicitur mensura cujuscumque mutationis, sive divisibilis, sive indivisibilis: sive corporalis, sive spiritualis … Secundum alium modum dicitur tempus mensura motus vel mutationis continuae: et sic consideratur a Philosophis tempus, et de hoc tempore datur diffinitio Aristotelis supra dicta [scil. quod est numerus motus secundum prius et posterius]. Eine (unvollständige) Liste der Stellen, an denen die aristotelische Definition bei Thomas vorkommt, bot Friedrich BEEMELMANS, Zeit und Ewigkeit nach Thomas von Aquino (= Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters. Texte und Untersuchungen 17, 1), Münster i. W. 1917, 14, Anm. 2. – Auffällig ist, dass bei Bonaventura diese Bestimmung der aristotelischen Zeit als Zahl nur sehr selten vorkommt (nur in II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b] und indirekt auch ebd. 2, 1, 1, 1, sc. 4 & ad 4 [II, 55.57]). Eine zweigeteilte, ebenfalls eine philosophische und eine theologische Zeit unterscheidende Definition, die sich aber gleichwohl sehr stark an der aristotelischen Bestimmung orientiert, findet man in I Sent. 8, 3, 3, ad 4 [Ed. cit. I, 216]: tempus dupliciter dicitur: uno modo numerus prioris et posterioris inventorum in motu caeli; et istud tempus continuitatem habet a motu, … Et hoc modo tantum accipitur a philosophis. Alio modo, ut IV Phys., text. 101 et 102, dicitur tempus magis communiter numerus ejus quod habet quocumque modo prius et posterius: et sic dicimus esse tempus mensurans simplices conceptiones intellectus, quae sunt sibi succedentes: et istud tempus non oportet quod habeat continuitatem, cum illud secundum quod attenditur motus, non sit continuum. Et sic accipitur hic tempus, et frequenter a theologis. Auf jene letztere, diskrete Zeit ging Thomas insbesondere in I Sent. 37, 4, 3, resp. [Ed. cit. I, 888–890] näher ein. Im Rahmen des erwähnten Diktums der Glosse zu Gen 1, 1 (in principio, id est in principio temporis) und der Frage nach einer sukzessiven oder instantanen Schöpfung ging Thomas in II Sent. 1, 1, 6, ad 3 [Ed. cit. II, 42] auch kurz auf die „Schöpfungszeit“, d. h. die mutatio de non-esse ad esse, ein. Er stellte sie dabei lediglich als eine Meinung vor: Sed secundum aliam opinionem, quae ponit res formatas per tem-

172

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

sie (wenigstens zum Teil) in die aristotelische Definition aufnahm, indem er deren Bestandteile (motus, prius et posterius) in einem weiten Sinn verstand. Im Blick auf den Inhalt der verschiedenen Definitionen erkennt man, in welchem Horizont ein Theologe um die Mitte des 13. Jahrhunderts die Zeitfrage behandelte. Der Zusammenhang der Größen tempus, aevum, aeternitas lieferte zunächst gewissermaßen den Gesamtrahmen, wobei das aevum je nach Autor einmal mehr auf der Seite der Zeit und einmal mehr auf der Seite der Ewigkeit stand. Auf diesem Hintergrund wurden dann mit „Zeit“ folgende Größen verbunden: (1) Die (wenn man so will) physikalische Zeit oder Weltzeit, die sich auf die Ortsbewegung der Körper gründete, wobei hier stets der kontinuierlichen Bewegung des primum mobile eine herausragende – im Einzelnen jedoch unterschiedlich bestimmte – Stellung zukam. Von dieser Definition ausgehend konnte der Zeitbegriff in verschiedenen Hinsichten verallgemeinert werden. (2) Ein Zeitbegriff, der nicht an die Bewegung des primum mobile gebunden war; dessen Notwendigkeit ergab sich daraus, dass die Bewegung der äußersten beweglichen Sphäre einerseits erst mit dem zweiten oder vierten Schöpfungstag begonnen hatte und sie andererseits mit der Vollendung der Welt beim Jüngsten Gericht enden sollte.27 (3) Eine andere, der aristotelischen Definition inhärierende Beschränkung wurde gelöst, indem man auch die Bewegung (Veränderung) nicht-körperlicher Substanzen wie der Engel und der menschlichen Seele in die Betrachtung einbezog, wodurch man zu der „diskreten Zeit“28 der intellektiven und voluntativen geistigen Akte gelangte. (4) Das grundsätzlichste Problem freilich bestand darin, die Schöpfung selbst einerseits als einen Akt Gottes – der nur ewig sein kann – zu sehen und sie andererseits als eine passio des Geschöpfes in ihrer Zeitlichkeit zu begreifen. Die Geschöpflichkeit der Welt, ihr Geschaffen-worden-Sein beinhaltet so in sich einen Bezug zu einer die obengenannten Bedeutungen übersteigenden Form von Zeit, insofern hierin eine ganz eigene Form des Werdens – in der Terminologie Bonaventuras eine supernaturalis mutatio de non-esse ad esse – ausgesagt ist. Die letzteren beiden Ansätze beinhalten dabei zugleich den Versuch, das aristotelische Zeitkonzept nicht nur auf Ortsbewegung anzuwenden, sondern es konsequent auf

27

28

porum successionem, non intelligitur de tempore quod est mensura illius motus, sed de tempore quod est numerus illius vicissitudinis, qua esse mundi succedit ad non esse ejusdem. Vgl. dazu auch unten Anm. 79 auf S. 182, S. 197 und S. 279 mit Anm. 21. Vgl. etwa Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 2 (69), ad 5 [Ed. cit. I, 108a]: Primo modo tempus, secundum theologos, coepit ante motum caeli, sicut et variatio, quae facta est ante quartam diem in materia, et erit cessante motu caeli; ähnlich bei Bonaventura (in Zusammenhang mit dem saeculum-Begriff) in II Sent. 2, 1, 2, 2, resp. [II, 66], vgl. ebd. auch sc. 1 (ante quartum diem non erat tempus …) und sc. 2 (post diem iudicii non erit tempus …); vgl. hierzu oben S. 62; zur Frage nach dem Beginn der Zeit am zweiten oder vierten Schöpfungstag vgl. unten S. 175. Ich gebrauche hier den Ausdruck von PORRO, Forme e modelli di durata, 267–383 – Bonaventura ging zwar auf den Sachverhalt ein, er gab dieser „Zeit“ aber keinen eigenen Namen, sondern fasste sie unter dem Oberbegriff der „eigentlichen Zeit“ mit der kontinuierlichen Zeit zusammen.

Verschiedene Begriffe von Zeit

173

alle sechs bekannten Bewegungsarten auszudehnen.29 Bereits an dieser Stelle fällt dabei auf, dass der „psychologische“ Zeitbegriff Augustins aus dem elften Buch der Confessiones im gegebenen Kontext bei keinem der hier betrachteten zeitgenössischen Autoren eine herausragende Rolle spielt.30 Dagegen fanden in diesem Zusammenhang dessen Aussagen über die Materie und die Engel – also just jene Größen, die er in Confessiones XII als zeitfrei (carentia temporibus) eingestuft hatte31 – intensive Beachtung.

1.2

Die Bedeutungen von „Zeit“ im Einzelnen

Im Folgenden sollen die verschiedenen Bedeutungen, die Bonaventura mit dem Zeitbegriff verband, genauer betrachtet werden. Als Grundlage soll dabei die vierteilige Definition aus II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 64f.] dienen.32 Sie bietet sich schon deswegen als Richtschnur an, weil sie die ausführlichste der von Bonaventura gegebenen Bestimmungen ist. Die in den übrigen Definitionen vorgestellten Bedeutungen von Zeit sollen dabei nicht unterschlagen werden, sie werden vielmehr in den Rahmen der dort getroffenen Unterscheidungen eingeordnet. Wie sich aus der Bezeichnung der einzelnen Zeitbedeutungen in II Sent. 2, 1, 2, 1 (communissime, commune, proprie, magis proprie) ergibt, ging Bonaventura bei seiner Definition so vor, dass er den Zeitbegriff schrittweise einengte,33 wobei er zuletzt bei dem aristotelischen Verständnis anlangte. Da dieses letztere nach den vorausgehenden 29 30 31 32

33

Zu den Bewegungsarten vgl. unten S. 182, besonders Anm. 78 und 79. Zum Zusammenhang mit dem Urteil des Albertus Magnus über die augustinische Zeittheorie siehe oben S. 120. Vgl. Conf. XII, 12, 15 [CC.SL 27, 223]. BIGI, La dottrina della temporalità, 438–442 ging ähnlich vor – eine Kurzfassung des ausführlichen Artikels bietet Vincenzo Cherubino BIGI, Tempo e temporalità in San Bonaventura, in: Doctor Seraphicus 39 (1992) 65–74; vgl. auch den Artikel «Tempus» in BOUGEROL, Lexique Saint Bonaventure, 126f. Wenn im Folgenden von Zeit im allgemeinen (communiter) oder eigentlichen (proprie) Sinn (und ähnlichem) die Rede ist, so wird dabei – sofern nicht ausdrücklich auf eine andere Definition hingewiesen wird – die Einteilung von II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. zugrunde gelegt. Einen orientierenden Überblick über das Verhältnis zu den anderen Zeitdefinitionen gibt die Tabelle in Anm. 132 auf S. 194 unten. Die Überlegung von GHISALBERTI, La concezione del tempo, 747 (vgl. auch 745f.), ob die Reihe auch als ein schrittweises Vordringen zum Wesenskern der Zeit (die dann, wohlgemerkt, in der aristotelischen Definition gegeben wäre) verstanden werden kann, scheint mir – vor allem wegen der Qualifizierung des letzteren Zeitbegriffs als coarctata temporis acceptio – wenig für sich zu haben. Vgl. dagegen auch Luciano COVA, Tempus non erit amplius. Moto e temporalità nei corpi gloriosi secondo Bonaventura, in: Guido Alliney / Luciano Cova (Hrsg.), Tempus, Aevum, Aeternitas. La concettualizzazione del tempo nel pensiero tardomedievale, Firenze 2000, 37–66, hier 41: «Bonaventura teorizza un quadruplice senso di ‹tempus› secondo un ordine di generalità decrescente».

174

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

Darlegungen das vertrauteste ist, soll es im Folgenden als Ausgangspunkt genommen werden.

1.2.1

Mensura motus sive variationis successivae et continuae

Die vierte der in II Sent. 2, 1, 2, 1 vorgestellten Arten und Weisen, Zeit zu verstehen, gab Bonaventura an als mensura motus sive variationis successivae et continuae et regulatae secundum regulam motus octavae sphaerae. Allein schon die Länge der Definition zeigt an, dass es sich hierbei um einen durch zahlreiche Nebenbedingungen eingeschränkten Zeitbegriff handeln muss. Der Franziskaner verband ihn expressis verbis mit der Auffassung des Aristoteles.34 Genauer müsste man sagen, dass die hier gegebene Definition aus verschiedenen in Physica IV, 14 [223b 12–21] genannten Elementen zusammengesetzt ist. Auf die wichtigsten Begriffe dieser Definition, den Maßbegriff, die successio und die Kontinuität, soll im Folgenden kurz eingegangen werden (genauere Erörterungen folgen noch an späterer Stelle).35 Der so verstandene aristotelische Zeitbegriff kommt in allen oben aufgeführten Definitionen als der jeweils engste (proprie bzw. magis proprie) vor, wobei aber jeweils andere Aspekte hervorgehoben werden und keine der übrigen Definitionen so viele Nebenbedingungen kennt.36 Zunächst fällt auf, dass Bonaventura „Zeit“ in fast allen Bestimmungen als Maß (mensura) einführte, während er es offenbar vermied, sie unter dem engeren Begriff der Zahl einzuordnen, obwohl er diese – gewissermaßen klassisch aristotelische – Definition z. B. sowohl in der Summa Halensis37 als auch in den ansonsten von ihm gern herangezogenen Auctoritates Aristotelis38 lesen konnte. Die Gründe dafür kann man nur vermuten. Sei es, dass er die verschiedenen Arten von Zeit unter einem einheitlichen Begriff sammeln wollte, sei es, dass er (wie es in anderer Weise die Summa Halensis tut) die Verbindung der kontinuierlichen Zeit mit der diskontinuier34

35 36 37

38

Wenn im Folgenden von der „aristotelischen Definition der Zeit“ die Rede ist, so soll damit die hier behandelte Definition der magis proprie verstandenen Zeit bezeichnet werden, wohl wissend, dass diese eine Interpretation Bonaventuras darstellt. Siehe unten ab S. 205 zum Maßbegriff und unten ab S. 245 zu den Begriffen continuum und successio; zum motus-Begriff vgl. S. 182. II Sent. 1, 1: mensura motus primi mobilis; I Sent. 37: mensura rei mutabilis in quantum mutabilis, tamen sub ratione continui; In Eccl. III: mensura excellens. Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 1 (68), resp. [Ed. cit. I, 105b] und ebd. 2 (69), sol. [Ed. cit. I, 107b], wobei diese Definition von Alexander nicht auf die kontinuierliche physikalische Zeit, sondern auf die diskontinuierliche Engelszeit bezogen wurde. Auctoritates Aristotelis, Physica IV, nr. 137 [PhMed 17, 151]: Tempus est numerus motus secundum prius et posterius …; ebd., nr. 139 bot eine alternative, auf den Maßbegriff bezogene Definition: Tempus est mensura motus rerum mobilium. Die erste Definition entsprach ziemlich genau Physica IV, 12 [220a 24f.]: ὁ χρόνος ἀριθµός ἐστιν κινήσεως κατὰ τὸ πρότερον καὶ ὕστερον; die zweite hat ihre sinngemäße Entsprechung ebd. [220b 32f.]: … ἐστὶν ὁ χρόνος µέτρον κινήσεως καὶ τοῦ κινεῖσθαι.

Verschiedene Begriffe von Zeit

175

lichen Größe „Zahl“ vermeiden wollte, oder sei es, dass er im Hinblick auf die weiter gefassten Zeitbegriffe den quantitativen Aspekt des Zählens (oder der mensura determinata) zugunsten einer auf die qualitativen Merkmale der Zeit ausgerichteten Sichtweise zurückdrängen wollte. Als definitorische Merkmale der aristotelischen Zeit nannte Bonaventura die successio und die Kontinuität der zugrundeliegenden Bewegung.39 Mit ersterer wird allgemein die Zeit (und bei Bonaventura auch das aevum) gegen die als einfach (simplex) vorzustellende Ewigkeit Gottes abgegrenzt. Die Kontinuität dagegen unterscheidet die vor allem an der Ortsbewegung orientierte „physikalische“ Zeit40 von der auf die affektiven und voluntativen Akte geistiger Substanzen bezogenen Zeit, wie sie die dritte Bestimmung der Definition von II Sent. 2, 1, 2, 1 vorstellte. Zugleich wird dadurch auf das Mittel zur Bestimmung der Zeit vorausverwiesen, denn allein die Kreisbewegung des Firmamentes41 erfüllt im strengen Sinn die Bedingung der Kontinuität (jede geradlinige Bewegung besitzt ja notwendig einen Anfang und ein Ende).42 In der dritten Bestimmung der hier betrachteten Definition verband Bonaventura die aristotelische Zeit expressis verbis mit der Bewegung der achten Sphäre, d. h. mit der Fixsternsphäre. Bei genauer Betrachtung erweist sich dies als nicht ganz konsistent mit der entsprechenden Definition in II Sent. 1, 1, dub. 4. Dort ist das primum mobile das Maß der aristotelischen Zeit,43 und dieses ist im Weltbild des Doctor seraphicus nicht die achte, sondern die sternlose neunte Sphäre.44 Auch bei der Definition von In Eccl. III, qq. ad v. 1 kann man sich entsprechend fragen, was genau die dort genannte mensura excellens ist: Ist es die Bewegung des primum mobile, die Bewegung des Fixsternhimmels oder etwa die Bewegung der Sonne (d. h. der vierten Sphäre, die den natürlichen Rhythmus von Tag und Jahr vorgibt)? Bonaventura entschied sich nicht eindeutig für eine dieser drei Bewegungen, eine Erklärung für diese Ungenauigkeit wurde bereits oben gegeben.45 39

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Vgl. hierzu auch THOMAS VON AQUIN, I Sent. 8, 3, 3, resp. [Ed. cit. I, 216], der – im Anschluss an die beim Lombarden zitierte Augustinus-Stelle aus Gen. litt. VIII, 20, 39 [BA 49, 68–70] (teilweise zitiert oben S. 148, Anm. 323) – continuitas und successio als die grundlegenden Merkmale der Ortsbewegung vorstellte. Vgl. oben S. 97, besonders Anm. 15. Eigentlich „des primum mobile“, doch dazu im folgenden Absatz. Vgl. schon ARISTOTELES, Physica VIII, 8 [262a 13]: ἀδύνατον εἶναι συνεχῆ τὴν ἐπὶ τῆς εὐθείας κίνησιν. Ebenso hieß es in I Sent. 37, 2, dub. 3 [I, 665]: tempus per prius est mensura motus primi mobilis und im zugehörigen Responsum wurde dies dann explizit mit der Definition von tempus proprie dictum in Verbindung gebracht; in II Sent. 7, 2, 1, 2, ad 3.4 [II, 193] wurde Zeit im engeren Sinn ebenfalls als motus primi mobilis mensura bestimmt; ferner vgl. die in Anm. 48, S. 214 zitierten Stellen, wo stets die Bewegung des primum mobile als der entscheidende Zeitmaßstab angegeben wurde. Vgl. oben den Abschnitt zum „Kristallhimmel“ ab S. 43. Auf S. 50 werden die Gründe genannt, warum es so schwer fiel, die neunte Sphäre anstelle der achten als primum mobile zu akzeptieren. Im hier betrachteten Zusammenhang dürfte dabei beson-

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

Welche Funktion hat diese dritte Bestimmung (d. h. das regulatae secundum regulam motus octavae sphaerae) innerhalb der Definition der aristotelischen Zeit? Mit ihr wird der Maßstab dieser Zeitform angegeben. Der Begriff der regula (oder an anderen Stellen regulatio)46 ist genau in diesem Sinn zu verstehen. Er bezeichnet ein vorzügliches, ja ein vollkommenes Maß (und nicht etwa eine irgendwie geartete Kausalität hinsichtlich der Bewegungen im irdischen Bereich).47 Der Idee nach denkt man dabei zunächst an eine ideale, vollkommen gleichmäßige Kreisbewegung, wie sie nur das primum mobile aufweist.48 Doch in gewissem Sinn kann es sich der Franziskaner leisten, in diesem Punkt etwas ungenau zu sein und statt auf das primum mobile auf andere, nicht in gleichem Maße (aber doch hinreichend) reguläre, dafür aber deutlich wahrnehmbare Bewegungen wie den Lauf der Sterne oder der Sonne zurückzugreifen: Die aristotelische Zeit zeigt sich für ihn zwar am primum mobile, sie wird aber durch dieses weder verursacht noch ins Dasein gesetzt.49 Dennoch sollte die Bedeutung dieses Maßstabes auch bei Bonaventura nicht unterschätzt werden. So betonte er zwar in II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59], dass die Zeit un-

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ders ins Gewicht fallen, dass die Bewegung der neunten Sphäre wegen ihrer Sternlosigkeit nicht sichtbar ist und sie deswegen kaum als Zeitmaß dienen kann. – Ergänzend ist Folgendes zu bemerken: Die Konfusion von solarem Tag (24 h, die Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Meridiandurchgängen der Sonne) und der Bewegung des primum mobile (die ja – von der Präzession abgesehen – dem siderischen Tag von 23 h 56 min, der Zeit zwischen zwei Meridiandurchgängen eines beliebigen Sterns, entspricht) findet sich auch noch an anderen Stellen, etwa in II Sent. 2, 1, 1, 2 resp. [II, 59a] (anima omnes motus et mutationes numeret aspiciendo ad mensuram motus primi mobilis, scilicet per diem, annum et horam) oder in II Sent. 14, 2, 1, 3, ad 4 [II, 357] (Sic etiam non percipimus revolutionem octavae sphaerae ab oriente in oriens manifeste nisi per solem et alia luminaria. Per hunc modum uniformitas quantum ad spatium horarum nobis motum caeli uniformis expresse indicat; hunc tamen percipimus per varietatem diei et noctis). II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b] hieß es: omnia numerantur et mensurantur per mensuram motus regularis et certi et nobis notissimi, scilicet motus mobilis primi. Die Definition von tempus proprie in II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 65] sprach von successione regulari et continua, die folgende Quaestio 2, resp. [II, 66] von successio habens continuationem et regulationem a motu orbis primi. In II Sent. 14, 2, 1, 3 schließlich sprach arg. 4 [II, 355] vom motus caeli als perfectissimus omnium motuum und omnium motuum regula und desgleichen in ad 4 [II, 357] (regula aliorum motuum). Vgl. dazu oben S. 41 zur influentia und unten S. 270 zur Kausalität; wobei Bonaventura unter der Bezeichnung influentia/influere sehr wohl eine Einwirkung der Himmelssphäre(n) auf den irdischen Bereich kannte, dieser ist aber kein kausaler, sondern ein dispositiver. Vgl. II Sent. 14, 2, 1, 3, arg. 4 [II, 355]: Motus caeli est perfectissimum omnium motuum, et ideo est omnium motuum regula: ergo si per regulam mensurantur omnia quae sunt in genere illo, anima mensurat omnes motus per motum primi mobilis. – Dies verweist weiter auf das von Averroes im Anschluss an Aristoteles’ Metaphysica X (I), 1 [1052a 15 – 1053b 8] aufgestellte Axiom, dass das erste Seiende einer jeden Gattung das Maß für alle anderen darstellt (vgl. Anm. 4 zu II Sent. 3, 1, 1, 2, arg. 2 [II, 94] sowie unten S. 205). Zur maßgebenden Bedeutung des primum mobile vgl. einerseits die Diskussion in Physica IV, 14 [223b 12–21], andererseits die Frage nach der Einheit der Zeit (besonders die Position des Averroes) ab S. 266. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59]. In der unten dargestellten Diskussion um die Einheit der Zeit (ab S. 266, hier besonders S. 267) wird dies noch ausführlich besprochen werden.

Verschiedene Begriffe von Zeit

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abhängig von der Bewegung des primum mobile existiert, doch an anderen Stellen wies er auf den engen Zusammenhang hin, der zwischen der aristotelischen Zeit und der Bewegung dieser Sphäre besteht. Dieser zeigt sich etwa darin, dass es besagte Zeitform im Empyreum „oberhalb“ des primum mobile nicht gibt,50 das primum mobile stellt die Scheidegrenze des Gültigkeitsbereichs der aristotelischen Zeit dar. Das galt nicht nur in räumlicher Hinsicht. Tempus coepit cum motu primi mobilis,51 diese Aussage verband den Anfang der aristotelischen Zeit mit der Erschaffung der ersten beweglichen Sphäre. Ebenso endet sie am Jüngsten Tag, wenn auch die Bewegung der neunten (und aller darunter liegenden Sphären) aufhören wird.52 Bonaventura vermied eine eindeutige Festlegung, wo genau der Anfang der aristotelischen Zeit liegt, (ähnlich wie bei der Frage, ob nun die Bewegung der vierten, der achten oder der neunten Sphäre ihr eigentlicher Maßstab ist). Zur Auswahl stehen der erste, der zweite und der vierte Schöpfungstag. Dies war ein Problem der Exegese von Gen 1, das – wie die Frage nach dem Kristallhimmel als der neunten Sphäre – bereits eine längere Tradition hatte. Näherhin ging es um die Interpretation von drei Punkten: (1) Was ist in v. 1 mit dem Satz In principio creavit Deus caelum et terram mit caelum gemeint? Bezeichnet es eine bestimmte Himmelssphäre? Im 13. Jahrhundert war diese Frage so weit geklärt, dass man darunter entweder im Anschluss an Augustinus die gesamte immaterielle (geistige) Schöpfung verstand,53 oder man es auf das am ersten Tag geschaffene, unbewegliche Empyreum bezog.54 Der erste Schöpfungstag schied damit als Beginn der aristotelischen Zeit aus. Damit deckt sich auch die Beobachtung, dass das aevum früher beginnt als die magis proprie verstandene Zeit.55 – (2) Was ist dann in v. 6 mit dem am zweiten Schöpfungstag geschaffenen firmamentum gemeint? In aller Regel verstand man darunter die zum Zeitpunkt ihrer Erschaffung noch nicht mit dem Schmuck der Sterne ausgestattete achte Sphäre alleine oder das Gesamt der ersten acht Sphären.56 Die durch das Firmament geleistete Scheidung der Wasser bedeutete dabei 50

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Das liegt nicht zuletzt an der besonderen Raumstruktur des Empyreum: Es ist kein „Ort“ im üblichen Sinn des Wortes. Vgl. hierzu oben den Abschnitt zum Empyreum (ab S. 52, besonders S. 60 mit Anm. 191). Da die Vollkommenheit der Sphären wächst, je höher man „hinaufsteigt“, kann zudem die niedrigere Sphäre auf die höhere keinen Einfluss ausüben oder in irgendeiner Weise als Maßstab fungieren (vgl. hierzu unten S. 185 mit Anm. 94). Vgl. II Sent. 1, 1, dub. 4 [II, 38]; 2, 1, 2, 1, arg. 4 [II, 64], sinngemäß auch in II Sent. 2, 1, 2, 2, sc. 1 & resp. [II, 66]. Dies zeigte sich in der Frage nach dem saeculum, II Sent. 2, 1, 2, 2, resp. [II, 66]: haec mensura [scil. temporis magis proprie dicti] habet finem et desinet esse … qualis erit in inferno post diem extremum. Vgl. auch ebd., sc. 2 [II, 66]: … post diem iudicii non erit tempus. So etwa die Sentenzen des Petrus Lombardus (Sent. II, 2, 1 (7), 2.4 [SpicBon 4, 336f.]). Vgl. oben S. 45, Anm. 123. Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 65] über die vier verschiedenen Zeitbegriffe: Si autem quarto modo, sic aevum praecedit tempus et duratione et dignitate. Man bedenke, dass Bonaventura sich ja das Gesamt der beweglichen Himmelssphären als einen kontinuierlichen Körper vorstellte, vgl. oben S. 38.

178

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

zugleich die Entstehung des Wasser- oder Kristallhimmels als der neunten Sphäre.57 Einerlei, welche Sphäre man nun als Maßstab für die Zeit im aristotelischen Sinn zugrunde legt, der zweite Schöpfungstag ist ein möglicher Beginn für die magis proprie verstandene Zeit. 58 – (3) Die in v. 14f. berichtete Erschaffung von Sonne, Mond und Sternen, die „zur Bestimmung von Zeiten, Tagen und Jahren“ dienen, gehört zum Werk des vierten Schöpfungstages. Schon die explizite Nennung der Zeit legt es nahe, den eigentlichen Beginn der (aristotelischen) Zeit hierher zu setzen. Da aber, wie gesehen, sowohl die achte als auch neunte Sphäre bereits am zweiten Tag geschaffen wurden, muss man sich dies wohl so vorstellen, dass die Zeit dadurch begann, dass die Bewegung der Sphären am vierten Tag einsetzte.59 Und in der Tat schien Bonaventura diese letzte Variante etwas zu favorisieren. Wenn sich in die Ausführungen des Doctor seraphicus zum aristotelischen Zeitbegriff in den Details manche Ungenauigkeit eingeschlichen hat, so zeigt das nicht nur, dass Bonaventura hier als Theologe und nicht als Naturphilosoph oder Astronom spricht, ihren tieferen Grund mögen sie darin haben, welche Bedeutung er der so verstandenen Zeit beimaß. Einerseits scheint sie ja in praktischen Belangen das wichtigste Zeitmaß zu sein – das magis proprie, das diesen Zeitbegriff qualifiziert, ist auch in diesem Sinn durchaus ernst zu nehmen –,60 andererseits wird in seiner Bewertung dieser Zeit als coarctata temporis acceptio61 ein theoretisches Defizit deutlich, das – wie im Folgenden ersichtlich werden wird – dessen Anwendung und damit auch dessen Relevanz in theologischen Fragen stark einschränkt. Die folgenden Zeitdefinitionen sollen genau diesem Mangel abhelfen. Der Feststellung Joseph Ratzingers, „dass die eigentliche Zeit des Menschen die Zeit des vierten Tages, d. h. die auf dem primum mobile gründende Zeit ist, während es sich in den anderen Fällen um Massverhältnisse handelt, 57

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Vgl. auch II Sent. 2, 2, 1, 1, resp. [II, 71], wo auf die Meinung „Strabos“ (d. h. der Glossa ordinaria, die hier aus Ps.-Remigius von Auxerre genommen ist; vgl. den Kommentar in der Ausgabe der Sentenzen, SpicBon 4, 340, Anm. 1) hingewiesen wird, dass das Firmament und der Wasserhimmel am zweiten Tag erschaffen wurden. II Sent. 1, 1, dub. 4 [II, 38] stellte deshalb fest: … tempus coepit cum primo mobili, et illud coepit in secundo die. Die Bewegung der Sphären ergibt auch erst mit der Erschaffung der Gestirne (der „Lichter“) einen Sinn (vgl. oben S. 49 mit Anm. 143). Die in Bezug auf den Beginn der Zeit noch zögerliche Feststellung in II Sent. 2, 1, 2, 1, arg. 4 [II, 64] (tempus coepit cum motu primi mobilis, qui incepit, ut dicitur, die quarto, vel saltem ante secundum diem non potuit incipere) kann man in diesem Sinn interpretieren. In II Sent. 2, 1, 2, 2 äußerte sich Bonaventura dann eindeutig (vgl. sc. 1 [II, 66]: Ante quartum diem non erat tempus; im Responsum [II, 66] bemerkte er entsprechend, dass in triduo conditionis rerum die regulatio primi motus noch fehlte). – Zu der Feststellung, dass die aristotelische Zeit erst mit dem Beginn der Bewegung des primum mobile begann, vgl. man auch II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 4 [II, 23] (zitiert in Anm. 65, S. 218). Vgl. auch die Feststellung in I Sent. 37, 2, dub. 3 [I, 665]: tempus per prius est mensura motus primi mobilis (Unterstreichung von mir). II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 65a].

Verschiedene Begriffe von Zeit

179

die den Menschen nicht unmittelbar betreffen“,62 wird man so nur bedingt zustimmen: Von einer empirischen und auf die sinnliche Wahrnehmung bezogenen Warte aus betrachtet, mag dies korrekt sein, doch Bonaventura wollte dabei nicht stehenbleiben, ihm ging es um die schrittweise zu enthüllenden Tiefendimensionen des Zeitbegriffs – gerade diese aber betreffen den Menschen,63 und zwar im Kern seiner Existenz als Geschöpf.

1.2.2

Mensura variationis successivae

Der Übergang von der vierten zur dritten Bedeutung von Zeit markiert auch den Schritt von der physikalischen zur „theologischen“ Zeit. Diese Unterscheidung, auf die oben bereits hingewiesen wurde,64 begegnete im Ansatz bereits in der Summa Halensis.65 Im Sentenzenkommentar des Thomas von Aquin wurde sie eher beiläufig erwähnt,66 während sie bei Albertus Magnus ein wichtiges, sich durchhaltendes Element seines Zeitkonzeptes darstellte.67 Roger Bacon benutzte diese Unterscheidung hauptsächlich dazu, um sich in seinen Darlegungen auf die naturphilosophische Sichtweise beschränken zu können.68 Vor diesem Hintergrund erscheint es um so auffälliger, wenn Bona62 63 64 65

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68

RATZINGER, Der Mensch und die Zeit, 478. Auch wenn vielleicht der gegebene Rahmen der Engellehre, in dem diese weitergehende Zeitspekulation vorgetragen wird, dies zunächst nicht so scheinen lassen mag. Siehe oben S. 167. Vgl. Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 2 (69), ad 5 [Ed. cit. I, 108a]: tempus duplicem habet radicationem et secundum hoc duplex esse, prout tempus dicitur mensura variationis corporalis. Una est in variatione materiae … alia vero radicatio est in motu caeli. … Primo modo tempus, secundum theologos, coepit ante motum caeli. Siehe oben S. 171, Anm. 26. Vgl. De IV coaequaevis 2, 5, 2, sol. [Ed. Paris. 34, 369b]: Dicimus, quod tempus multipliciter accipitur. Uno modo secundum Theologos, alio modo secundum physicos. VINCENT VON BEAUVAIS, Speculum naturale III, 62 [Ed. cit. I, 200B] schloss sich dieser Unterscheidung an und gab diesen Passus wörtlich wieder. – Zu dem doppelten Zeitkonzept Alberts vgl. auch die beiden Artikel: Henryk ANZULEWICZ, Aeternitas – aevum – tempus. The Concept of Time in the System of Albert the Great, in: Pasquale Porro (Hrsg.), The Medieval Concept of Time. Studies on the Scholastic Debate and its Reception in Early Modern Philosophy (= Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 75), Leiden u. a. 2001, 83–129, besonders 118–123 (“An Integrated Theologico-philosophical Conception of Time”) sowie Ralf BLASBERG, Duplex tempus. Il duplice concetto di tempo in Alberto Magno, in: Guido Alliney / Luciano Cova (Hrsg.), Tempus, Aevum, Aeternitas. La concettualizzazione del tempo nel pensiero tardomedievale, Firenze 2000, 241–251. Ebenso unterschied auch Roger Bacon in seinem älteren Physikkommentar (der mit dem jüngeren in die Zeit 1241–1245 zu datieren ist, vgl. JECK, Aristoteles contra Augustinum, 212) zwischen der theologischen und „physikalischen Sicht“, vgl. Questiones supra libros quatuor Physicorum Aristotelis IV, ed. Ferdinand M. Delorme & Robert Steele (= Opera hactenus inedita Rogeri Baconi VIII), Oxford 1928, hier 240, Z. 6–16: … duplex est tempus; quoddam est tempus quod est tempus et est mensura cujuslibet tam spiritualis quam corruptibilis, et tale est mensura

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

ventura zwar den aristotelischen Zeitbegriff als coarctata temporis acceptio einführte, ihn aber nicht ausdrücklich als philosophischen Zeitbegriff bezeichnete und entsprechend von den anderen drei Bedeutungen von Zeit absetzte.69 Das heißt doch, dass es ihm in der Frage nach der Zeit offenbar darauf ankam, nicht zwei unverbunden nebeneinanderstehende Zeitbegriffe zu etablieren, denn im Letzten liefe das auf eine Trennung der Bereiche der materiellen und der geistigen Wirklichkeit hinaus. Sein Anliegen war vielmehr – durchaus im Sinn des von ihm vertretenen Gesamtkonzepts einer sapientia christiana70 – den naturphilosophisch-physikalischen Zeitbegriff im theologischen aufgehoben sein zu lassen oder umgekehrt diesen als eine Ausweitung von jenem zu sehen. Vergleicht man nun die in diesem Abschnitt betrachtete Zeitdefinition mit der des vorausgehenden Abschnitts, so fällt auf, dass sich erstere bereits in ihrer äußeren Gestalt als Verallgemeinerung der letzteren zeigt, indem nämlich die Restriktion auf kontinuierliche und „reguläre“ Bewegungen ausdrücklich wegfällt: 3) mensura variationis successivae, sive sit successiva successione regulari et continua sive non 4) mensura motus sive variationis successivae et continuae et regulatae secundum regulam motus octavae sphaerae

Jede der vier in II Sent. 2, 1, 2, 1 vorgestellten Bedeutungen von Zeit wurde mit dem Namen einer Autorität verknüpft (Aristoteles, Augustinus, Richard von Sankt Viktor und Beda Venerabilis). Dies ist – vielleicht mit Ausnahme von Aristoteles – nicht so zu verstehen, dass die einzelnen Personen auf den jeweiligen Zeitbegriff (gar als den einzig von ihnen vertretenen) festgelegt werden sollen; vielmehr ist das jeweils beigefügte Zitat als Beispiel zu verstehen, das den jeweiligen Zeitbegriff illustriert und dessen „Notwendigkeit“ aufzeigt.71 Für die hier betrachtete Definition beruft sich der Doctor

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affectionum substantiarum angelicarum et omnium operationum earum … et tale tempus est tempus creationis quod est theologice considerationis … et de hujusmodi tempore hic ad presens non intendimus; aliud est tempus physice considerationis vel physicum, de quo hic intendimus. Hujusmodi autem tempus numerus est vel mensura primo et principaliter motus localis, qui prior est aliis motibus et est secundum prius et posterius … – Schließlich kann auch noch auf Robert Kilwardby hingewiesen werden, der in De tempore 2, 10 [ABMA 9, 8, Z. 23–27] den metaphysischen Zeitbegriff Augustins vom physikalischen Zeitbegriff des Aristoteles (wörtlich: secundum phisicam considerationem Aristotelis) unterschied. Hinzu kommt: Bei der Frage nach der Materie (und ihrem Verhältnis zur Zeit) trennte Bonaventura durchaus die naturphilosophische („physikalische“), die metaphysische und die theologische Perspektive voneinander (vgl. II Sent. 3, 1, 1, 2, resp. [II, 97]; siehe auch unten ab S. 261); dies wäre eine passende Gelegenheit gewesen, bei der Zeit selbst entsprechend zu verfahren. Vgl. oben den Abschnitt zum Verhältnis von Philosophie und Theologie ab S. 81, besonders S. 83. „Notwendigkeit“ soll hier bedeuten: Der jeweilige Zeitbegriff wird gebraucht, weil es in der theologischen Literatur Belegstellen gibt, wo „Zeit“ in dieser Bedeutung verwendet wird.

Verschiedene Begriffe von Zeit

181

seraphicus dabei auf den pseudoaugustinischen Dialogus quaestionum LXV Orosii.72 Das „Zitat“ Affectiones variae Angelorum mensurantur tempore et omnis variatio rerum macht dabei deutlich, in welche Richtung die neue Bedeutung von Zeit zielt und welche Bandbreite sie besitzt. Demnach geht es zunächst um die Regungen (affectiones) der einfachen Substanzen, d. h. in erster Linie der Engel.73 Man erkennt dahinter unschwer eine verfeinerte Version des augustinischen Konzepts der „geistigen Bewegungen“, das dieser in De Genesi ad litteram an verschiedenen Stellen behandelt hatte.74 Als Bewegungen, die nur in der Zeit stattfinden (moveri per tempora) setzte er sie dabei in VIII, 20, 39 von der sowohl Raum als auch Zeit beanspruchenden Ortsbewegung (moveri per loca et tempora) ab. Bereits Petrus Lombardus hatte in seinen Sentenzen darauf Bezug genommen, und das moveri per tempora als per affectiones mutari gedeutet.75 Bonaventura (und den anderen Kommentatoren der Sentenzenbücher) bot dies Anlass, ein ausgefeiltes Konzept der Engelsbewegungen vorzulegen. Zum Verständnis dieses Konzeptes ist auf zwei entscheidende Punkte hinzuweisen: Als Erstes ist zu betonen, dass die so verstandene Zeit nur die affectiones der Engel messen soll; um das esse, d. h. die auf die Substanz zu beziehende unendliche (Lebens-)Dauer der Engel, zu messen, steht mit dem aevum ein eigenes Maß zur Verfügung.76 Letzteres lässt sich nur in einem sehr allgemeinen Sinn (communissime) als „Zeit“ verstehen, denn das Sein der Engel zeichnet sich gegenüber den affectiones ja gerade durch Unveränderlichkeit (im Sinn von Unvergänglichkeit) aus. Dem entspricht auch, dass in der vorliegenden Definition – wie auch 72

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Vgl. Dialogus quaestionum, qu. 40f. [CSEL 99, 388–392], dort wurde festgestellt, dass die Gedanken der geschaffenen Geister, sowohl der Engel, wie auch der Menschen der Zeit unterliegen; das „Zitat“ Bonaventuras fasste den Inhalt der beiden Abschnitte zusammen. – Hier ergibt sich auch eine Querverbindung zu der Zeitdefinition in I Sent. 37, 2, dub. 3 [I, 665], denn die dort behandelte Frage (Utrum spiritualis creatura per tempus moveatur) ist genau die der pseudoaugustinischen Quaestio 41. Aus dem Kontext der Distinctio 2 dürfte sich dabei erklären lassen, dass die menschliche Seele als weitere einfache Substanz hier nicht ausdrücklich genannt wird, obwohl sie sicherlich mitgemeint ist, vgl. hierzu etwa die obige Bestimmung b) von „zeitlich“ (S. 170). Vgl. oben S. 147, wobei ergänzend auch auf Civ. XI, 6 [CC.SL 48, 326f.] verwiesen werden kann. Die genannten beiden Quaestiones des Dialogus quaestionum stellen ihrerseits einen Kommentar zu AUGUSTINUS, Gen. litt. VIII, 20, 39 [BA 49, 68–70] dar. So in Sent. I, 8, 2 (22), 2 [SpicBon 4, 97] (Per tempora moveri est per affectiones commutari); die Stelle hängt ihrerseits von der Summa sententiarum I, 5 [PL 176, 50B; vgl. PL 171, 1076B, dort c. 3] ab: Moveri per tempus, est moveri per affectiones, ut de tristitia in gaudium, discendo etiam quae nescit, ut in angelis, in hoc enim prius et posterius consideratur. Vgl. auch Sent. I, 37, 6f. (169f.) [SpicBon 4, 271f.], besonders c. 7 (170) [SpicBon 4, 271, Z. 20–23]: Mutari autem per tempus est variari secundum qualitates interiores vel exteriores quae sunt in ipsa re, quae mutatur, ut quando suscipit vicissitudinem gaudii, doloris, scientiae, oblivionis, vel variationem formae sive alicuius qualitatis exterioris. Bonaventura nahm vor allem in I Sent. 37, 2, 2, 2, sc. 1 & ad 1 [I, 660f.] und ebd. 37, 2, dub. 2 [I, 664f.] dazu Stellung. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56a]: distinguendum est, quia aut loquimur de mensura spiritualium secundum esse, quod non mutatur, aut secundum affectiones.

182

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

in dem Pseudo-Augustinus-Zitat – nur noch der Begriff variatio (statt motus sive variatio) verwendet wird, denn er besagt eine mutatio secundum accidens, d. h., ein Werden oder Vergehen der Substanz fällt nicht darunter.77 Der Begriff motus – als Übersetzung des aristotelischen κίνησις-Begriffs78 – hingegen ist mehrdeutig, er kann (1) im weitesten Sinn auf jede Art von natürlicher Veränderung (mutatio) beziehen – wobei dieser Gebrauch bei Bonaventura eher selten zu sein scheint –,79 oder er kann sich (2) auf eine Veränderung hinsichtlich der Form (motus ad formam) oder der Lage beziehen (Ortsbewegung, motus ad situm),80 wobei in diesem Falle der Unterschied zur variatio zwar gering, aber doch vorhanden ist. So verbindet man mit dem Begriff motus eher eine sukzessive und kontinuierliche Veränderung81 und er steht mehr als die variatio unter dem

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Vgl. I Sent. 8, 1, 2, 2, resp. [I, 160a], wobei sich Bonaventura nicht immer an diese Bestimmung hielt, so sprach er In Eccl. III, qq. ad v. 1, resp. [VI, 28b] von Werden und Vergehen als variatio in substantia. Vgl. etwa die Übersetzung von Categoriae 14 [15a 12f.] durch Boethius [Aristoteles latinus I.1.5, 39], wo die sechs Arten von Bewegung/motus (γένεσις, φθορά, αὔξησις, µείωσις, ἀλλοίωσις, κατὰ τόπον µεταβολή – generatio, corruptio, crementum, diminutio, commutatio et secundum locum translatio) aufgezählt wurden. – Man beachte dabei allerdings, dass Aristoteles in Physica V, 1 [224b 35 – 225b 5] anders urteilte und die γένεσις und die φθορά aus dem κίνησις-Begriff herausnahm. Am eindeutigsten in diese Richtung dürfte II Sent. 1, 1, 1, 2, arg. 2 [II, 19] gehen (Omne quod exit in esse, exit per motum vel mutationem), wobei die Formulierung motus vel/et mutatio noch öfter vorkommt. In II Sent. 1, 1, 3, 1, resp. [II, 32] werden dagegen motus und mutatio voneinander abgehoben: Motus verlangt eine vorausgehende dispositio, die man mit der Materie verbinden wird, während mutatio sich auf die Vermittlung einer neuen Form bezieht – Bonaventura wollte hier darauf hinaus, dass man die creatio ex nihilo als eine (supernaturalis) mutatio beschreiben kann, bei der es per se kein sich durchhaltendes Subjekt geben kann (vgl. auch unten S. 197). Andersherum gesagt, beschränkt sich die Verwendung des Begriffs motus (wie oben gesagt) auf den natürlichen Bereich. Hier mag auch der größte Unterschied in der „Bewegungslehre“ zwischen Bonaventura und Aristoteles liegen. Er unterschied bei den aristotelischen Veränderungsformen γένεσις und φθορά noch einmal: Es gibt generatio und corruptio, die innerhalb des natürlichen Rahmens bleiben (d. h. innerhalb des Akt-Potenz-Schemas, in dem ein mögliches Seiendes in Wirklichkeit überführt wird bzw. umgekehrt), und es gibt creatio und (con)versio, die einen übernatürlichen Akt darstellen, bei dem die gesamte Substanz (tota rei substantia) betroffen ist (vgl. I Sent. 8, 1, 2, 2, resp. [I, 160a] sowie IV Sent. 11, 1, 1, 3, resp. [IV, 246]). – Eine andere Unterscheidung traf III Sent. 4, 3, 1, resp. [III, 111b]: motus enim est transmutatio successiva; mutatio instantanea. Es handelt sich dabei um ein verkürztes Zitat aus den Auctoritates Aristotelis, Physica V, nr. 150 [PhMed 17, 152] (motus enim est transmutatio successiva quae fit in tempore, sed mutatio est transmutatio subitanea quae fit in instanti); der Text findet sich allerdings so nicht in Physica V. Vgl. I Sent. 37, 2, dub. 2 [I, 664b], wo der motus ad situm als motus secundum locum von den übrigen fünf aristotelischen Bewegungsarten als motus ad formam abgegrenzt wird. Vgl. ferner II Sent. 1, 1, 3, 1 [II, 30–33], Trin. 6, 1, resp. [V, 99a]. Vgl. oben Anm. 79 sowie II Sent. 14, 2, 1, 3, arg. 2 [II, 354]: ubicumque est motus, ibi est continuitas et variatio (unter Bezug auf Physica III, 1 [200b 16f.]).

Verschiedene Begriffe von Zeit

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Vorbild einer örtlichen Veränderung; deswegen meint motus (3) in der engsten Bedeutung nur die Ortsbewegung als die „vollkommenste“ Form der Bewegung.82 Die Unterscheidung von motus und variatio ist auch insofern von Belang – und das ist der zweite wichtige Punkt in der Lehre von den Bewegungen der Engel – als die Veränderung der affectiones auch gegenüber der Ortsbewegung abzugrenzen ist, denn sie gehört in dem obengenannten, im weiteren Sinn aristotelischen Schema83 zum motus ad formam.84 Dabei ist zunächst daran zu erinnern, dass im scholastischen Denken die Ortsbewegung der Engel separat abgehandelt wurde: Ein Engel kann sich sowohl mit Körper (corpore assumpto) als auch ohne Körper bewegen.85 Für die erstere Bewegung gelten die allgemeinen Bedingungen der Bewegung von Körpern, d. h., sie ist sukzessiv und kontinuierlich, wobei sie als Bewegung per accidens eingestuft wurde, denn die Verbindung eines Engels mit dem von ihm angenommenen Körper trägt gleichfalls nur akzidentellen Charakter (so wie ein Matrose sich bewegt, wenn das Schiff, auf dem er steht, in Bewegung ist).86 Doch auch ohne Körper sollen (um nicht zu sagen müssen) Engel zu Ortsbewegungen fähig sein, denn ihr Wirken, ihre Kraft (virtus) ist endlich und deswegen an einen Ort gebunden.87 Diese Rückbindung des Ortes an die Kraft trägt dabei dem Verständnis Rechnung, dass die Engel als einfache, geistige Substanzen auf andere Weise einen Ort einnehmen als ein Körper: Ein Körper wird – gemäß der aristotelischen Bestimmung88 – von einem Ort „umfasst“, während die endliche geistige Sub82

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Vgl. I Sent. 37, 2, 1, 2, sc. 1 [I, 654]: perfectissimus motuum est motus secundum locum. – Das scheint sich an ARISTOTELES, Physica VIII, 7 [261a 27] anzulehnen, wo es heißt, dass die Ortsbewegung die erste von allen Bewegungsarten ist (vgl. auch die Anm. 83). Die Einteilung der Bewegungsarten, die die Ortsbewegung von den übrigen fünf Bewegungsarten absetzt, war von Physica VIII, 7 [260a 20 – 261b 26] inspiriert, wo der Vorrang der Ortsbewegung aufgezeigt wird. Vgl. I Sent. 37, 2, dub. 2 [I, 664f.]. Vgl. etwa bei BONAVENTURA, I Sent. 37, 2, 2, 1, resp. [I, 658] – Parallelstellen bei anderen Autoren gibt das folgende Scholion an; die Lehre Bonaventuras war in dieser Frage sehr stark an die Summa Halensis II, 2, 3, 2, 2, 2 (177–193) [Ed. cit. II, 229–247] (De actu potentiae motivae exterioris angeli) angelehnt. Vgl. I Sent. 37, 2, 2, 1, ad 2 [I, 658]. Woran Bonaventura konkret dachte, wurde in I Sent. 37, 2, 2, 2, resp. [I, 660] deutlich: Certum enim est, quod Angelus, qui est custos hominis, potest ita custodire, quod non deserat ipsum, et sine corpore custodire potest: ergo potest inseparabiliter comitari eum. Auf einer abstrakteren Ebene wurde das Konzept des Ortes eines Engels in II Sent. 2, 2, 2, 1–4 [II, 75–84] behandelt; vgl. dort etwa die Argumentation von II Sent. 2, 2, 2, 1, fund. 4 [II, 75]: nulla substantia operatur, nisi ubi est eius virtus; sed nulla virtus potest elongari a substantia nisi distantia proportionali. … Ergo cum [scil. angelus] operatur in loco corporali, ut patet in corpore, quod movet, ergo ibi est, vel in loco proximo est. Thomas von Aquin betonte diesen letzten Aspekt noch wesentlich stärker: Während der Ort für einen Körper eine quantitas dimensiva darstellt, ist er für den Engel eine quantitas virtualis (S. th. I, 52, 1, resp. [Ed. Leonina V, 20]). I Sent. 37, 3, 1, resp. [Ed. cit. I, 870] stellte fest: Relinquitur ergo quod Angelus definiri vel determinari non potest ad locum aliquem, nisi per actionem et operationem. Vgl. oben S. 56, besonders Anm. 175 zum „Gefäßcharakter“ des Ortes.

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

stanz von ihm lediglich „begrenzt“ wird; terminologisch unterschied man dies als esse in loco circumscriptive bzw. esse in loco definitive,89 wobei Letzteres einen uneigentlichen Gebrauch (minus proprie) des Ortsbegriffs darstellte.90 Auf der Grundlage dieser Unterscheidung erfolgte bei Bonaventura die Untersuchung der zugehörigen Bewegung; er kam dabei zu dem Schluss, dass auch diese besondere Form der Bewegung einer geistigen Substanz kontinuierlich und sukzessiv erfolgt.91 – Es bleibt schließlich zu fragen, zu welcher Zeitdefinition dieser motus gehört, zu der hier betrachteten „augustinischen“ oder zu der aristotelischen. Bonaventura äußerte sich dazu nicht direkt, im Rahmen der in I Sent. 37, 2, dub. 3 [I, 665] vorgetragenen Zeitdefinitionen ließ er jedoch durchblicken, dass der motus der Engel nicht der Bewegung des primum mo89

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Vgl. BONAVENTURA, I Sent. 37, 2, 2, 1, resp. [I, 658]; THOMAS VON AQUIN, I Sent. 37, 3, 1, resp. und ad 5 [Ed. cit. I, 869–871.872] sowie S. th. I, 52, 2, resp. [Ed. Leonina V, 25]; Summa Halensis II, 2, 3, 2, 2, 2, 1, 2, 3 (182), sol. [Ed. cit. II, 237b] – Dem entsprechen bei Bonaventura zwei (von insgesamt drei) Funktionen des Ortes, nämlich lediglich zu enthalten (continens ut vas) oder auch zu bemessen (mensurans ut quantitas); siehe II Sent. 2, 2, 2, 1, resp. [II, 76b] und vgl. I Sent. 37, 1, 1, 2, resp. [I, 641]. Bonaventura gab dabei keine eigene Definition der Begriffe circumscriptive bzw. definitive, die Bemerkung der letztgenannten Stelle (Spiritualia autem minus proprie [scil. sunt in loco]; nam non sunt commensurative respectu partium, sunt tamen definitive respectu totius) und in II Sent. 2, 2, 2, 3 [II, 81b] (est in loco corporali, sed intelligibiliter, non figuraliter, quia hoc solum capit intellectus, quomodo videlicet substantia tota sit in partibus et tota in toto) legt nahe, dass das esse in loco circumscriptive eines Körpers bedeutet, dass der entsprechende Raum von ihm so ausgefüllt wird, dass den Teilen des Körpers auch die Teile des Raumes entsprechen. Das esse in loco definitive hingegen besagt dann, dass die geistige Substanz unteilbar (tota in partibus et tota in toto) an einem bestimmten Ort gegenwärtig ist, ohne ihn im eigentlichen Sinn auszufüllen (vgl. II Sent. 2, 2, 2, 4, resp. [II, 84a]: per praesentiam Angeli nulla removetur indigentia loci), aber so dass dadurch die gleichzeitige Gegenwart an einem anderen Ort ausgeschlossen ist. Vgl. auch das Scholion bei Bonaventura (Opp. I, 641) sowie Ludwig SCHÜTZ, ThomasLexikon, Stuttgart 1958 (Neudruck der 2. Aufl.), 450. Ähnliche Bestimmungen findet man sowohl in dem anonymen (früher Thomas zugeschriebenen) Traktat De sacramento eucharistiae 8, in: Doctoris angelici divi Thomae Aquinatis … opera omnia, ed. Stanislaus Eduard Fretté, Bd. 28: Opuscula varia, Paris 1875, 242–253, hier 249b, Z. 8–14: corpus quod est in aliquo loco, definitur et circumscribitur illo loco, et ei commensuratur, ita quod totum corpus superficialiter toti loco, et partes corporis partibus loci commensurantur, ita quod singulae partes locati, singulis partibus loci assignantur. Vgl. ähnlich THOMAS VON AQUIN, IV Sent. 10, 1, ad 5 [Ed. cit. 2IV, 405] und S. th. I, 52, 2, resp. [Ed. Leonina V, 25] (Nam corpus est in loco circumscriptive: quia commensuratur loco. Angelus autem non circumscriptive, cum non commensuretur loco, sed definitive: quia ita est in uno loco, quod non in alio. Ähnlich auch I Sent. 37, 3, 1, resp. [Ed. cit. I, 869–871]. Vgl. noch einmal BONAVENTURA, I Sent. 37, 2, 2, 1, resp. [I, 658]. Siehe I Sent. 37, 2, 2, 2f. [I, 659–664], wo die beiden Fragen der Kontinuität und der Sukzessivität der Reihe nach behandelt wurden. Nach der Angabe des Scholions (Opp. I, 661a) favorisierte Bonaventura, was die Frage der Kontinuität der Bewegung anlangt, die allgemeine Meinung, während Thomas von Aquin eine Sonderposition einnahm, wenn er an der entsprechenden Stelle (I Sent. 37, 4, 2 [Ed. cit. I, 882–885]) lehrte, dass die Bewegung eines Engels – immer unter der Voraussetzung, dass er nicht einen Körper angenommen hat – sowohl kontinuierlich als auch „sprunghaft“ (non pertranseundo medium) erfolgen könne.

Verschiedene Begriffe von Zeit

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bile unterliegt,92 obwohl sukzessiv und kontinuierlich wird er demnach – da nicht der regulatio primi mobilis unterliegend – nicht von der aristotelischen Zeit gemessen.93 Nach diesem Exkurs über die örtliche Bewegung der Engel wenden wir den Blick wieder auf Veränderungen der affectiones. Beinahe selbstverständlich erscheint hier die Feststellung, dass sie nicht der regulatio octavae sphaerae unterliegen, für die Engel folgt das schon deswegen, weil sie ihren eigentlichen Ort in der übergeordneten Sphäre des caelum empyreum haben.94 Der tiefere Grund aber ist ein anderer: Wie gesehen, sind hier affectiones in einem weiten Sinn zu verstehen, es geht nicht nur um das, was man sich für gewöhnlich unter Empfindungen vorstellt, sondern auch um die Akte des freien Willens und des Denkens.95 Die betrachteten Akte der Engel (und der menschlichen Seele) weisen nicht dieselbe Struktur wie die körperlichen Veränderungen oder Bewegungen auf: Zwar sind auch sie nicht zeitlos, insofern sie eine eindeutige VorherNachher-Ordnung (successio) aufweisen, doch hat man es dabei nicht unbedingt mit kontinuierlichen Abläufen zu tun, sondern (worauf die Zeitdefinition hinweist) es sind

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Vgl. unten Anm. 94. Man könnte höchstens einwenden, dass Bonaventura an der bezeichneten Stelle bei motus nur an die affectiones denkt, wobei motus dann in seiner weiten Bedeutung gebraucht wäre. Das erscheint mir jedoch eher unwahrscheinlich, da es ja im vorausliegenden Teil der Distinctio 37 gerade um die örtliche Bewegung der Engel ging). Vgl. hierzu auch (trotz der Unterschiedenheit des Bewegungskonzeptes) THOMAS VON AQUIN, S. th. I, 53, 3, resp. [Ed. Leonina V, 35] zu der mit der Bewegung der Engel verbundenen Zeit: Sed istud tempus, sive sit tempus continuum sive non, non est idem cum tempore quod mensurat motum caeli, et quo mensurantur omnia corporalia, quae habent mutabilitatem ex motu caeli. Motus enim Angeli non dependet ex motu caeli. Zum Ort der Engel vgl. II Sent. 2, 2, 2, 1, resp. [II, 76f.]. Vgl. ferner I Sent. 37, 2, dub. 3 [I, 665]: tempus per prius est mensura motus primi mobilis: ergo illud solum mensuratur tempore, quod subiacet illi motui; sed tale non est Angelus nec eius motus. Ferner II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59a]: tempus est in affectionibus et cogitationibus liberi arbitrii, quod non subest motui caelesti. Vgl. auch Anm. 95. Vgl. die Aufzählung in den Sentenzen oben S. 181, Anm. 75. Anders gesagt, als Übersetzung des griechischen πάθος zielt affectio hier auf den gesamten Umfang des menschlichen „Leide“-Vermögens. – Insbesondere die natürliche Erkenntnis der Engel wurde ausführlich in II Sent. 3, 2, 2, 1–2 [II, 117–124] behandelt; auf deren zeitliche Strukturiertheit ging II Sent. 11, dub. 2 [II, 290b] ein: … etsi cognitio beatitudinis tempori non subiaceat, tamen cogitationes et affectiones et etiam cognitiones Angelorum circa haec creata nihil impedit variari per tempora. Auch die Erkenntnis der Dämonen wird in II Sent. 7, 2, 1, 2, ad 3.4 [II, 193] ausdrücklich unter den im vorliegenden Abschnitt behandelten Zeitbegriff gestellt: Ad illud quod obiicitur, quod intelligere cadit in tempore; dicendum, quod cadit in tempore, extenso nomine temporis, non prout est motus primi mobilis mensura, quia nec daemonum esse nec intelligere pendet ex illo. – ALBERTUS MAGNUS, De IV coaequaevis 2, 5, 6, sol. [Ed. Paris. 34, 379] differenzierte dabei sogar noch etwas feiner, indem er nur die auf die eigene Natur der Dinge ausgerichtete „Abenderkenntnis“ der Engel (vgl. oben S. 148, Anm. 324) als zeitlich einstufte: quod Angeli … intelligunt in tempore secundum discursum angelicae intelligentiae super res intelligibiles in cognitione vespertina, quia secundum matutinam cognitionem attingunt aeternitatem.

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

auch instantan vollzogene qualitative Sprünge möglich.96 Das aristotelische Paradigma, das in der Bewegung zuallererst eine Raumbewegung sieht, und diese von ihrem Anfangspunkt und ihrem Endpunkt aus in beliebige Teilstücke zerlegt, (was sich dann auf die Zeit überträgt) versagt bei der Betrachtung immaterieller (geistig-psychischer) Vorgänge. Ja, die Diskretheit erscheint hier geradezu als ein charakteristisches Merkmal dieser Art von Bewegung.97 Bonaventura legte jedoch Wert darauf, dass sich nicht alle Eigenschaftsveränderungen plötzlich (subito) vollziehen, es kommen auch allmähliche (paulative), d. h. über Zwischenstufen verlaufende, Prozesse vor.98 Am Rande bemerkte Bonaventura außerdem, dass diese Diskretheit der Veränderungen nicht nur bei den affectiones beobachtet werden kann. In dem Pseudo-Augustinus-„Zitat“ in II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 65] Affectiones variae Angelorum mensurantur tempore ergänzte er et omnis variatio rerum. Dahinter dürfte die Überlegung stehen, dass sich diskrete Veränderungsprozesse natürlich nicht nur bei geistigen Substanzen finden, sondern überall dort, wo eine nicht teilbare Eigenschaft angenommen wird.99 Das hier gewonnene Bild von dem, was unter „Zeit im eigentlichen Sinn“ zu verstehen ist, wird noch etwas differenzierter, wenn man die an den anderen drei Stellen gegebenen Zeitdefinitionen Bonaventuras zum Vergleich heranzieht. Obwohl anders formuliert, besagt die im Koheletkommentar gegebene Definition von tempus proprie dictum100 nichts anderes als in II Sent. 2, 1, 2, 1. Auch dort umfasst sie die mit den affectiones der geistigen Substanzen verbundene Zeit und die aristotelische Zeit. Letztere wird hier durch das Werden und Vergehen der Substanzen (variatio in substantia) charakterisiert und dadurch deutlich vom aevum abgesetzt. – Die Definition aus I Sent. 37, 2, dub. 3 zieht die Grenzen dagegen etwas anders: Zeit im eigentlichen Sinn ist dort nur die aristotelische Zeit,101 die durch die Kontinuität der zugrundeliegenden Bewegung definiert wird. Dagegen fällt das, was in II Sent. 2, 1, 2, 1 proprie unter Zeit verstanden wird, hier gerade mit jener anderen Bedeutung (alio modo) von Zeit zusammen.

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Vgl. auch I Sent. 37, 2, dub. 3 [I, 665]: aevum est mensura Angelorum quantum ad esse substantiale, quod est invariabile et incorruptibile; sed tempus quantum ad proprietates, quae variantur, et quaedam subito, quaedam successive, sicut patet in Angelis per naturam paulative intendi aliqua affectio. Was wiederum zu der aristotelischen Erkenntnis aus Physica VIII, 7 & 8 [261a 31f; 264b 28 – 265a 2] passt, dass nur die Ortsbewegung kontinuierlich sein kann; vgl. auch die Auctoritates Aristotelis, Physica VIII, nr. 220 [PhMed 17, 158]: Solus motus localis est continuus vere …; vgl. auch noch einmal I Sent. 37, 2, dub. 3 [I, 665] (zitiert oben Anm. 96). Vgl. noch einmal Anm. 96. Als Beispiel par excellence könnte man hier die Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi anführen, die in IV Sent. 11, 1, 1, 5 [IV, 248–250] diskutiert wurde (vgl. dazu den Abschnitt ab S. 250). Die Beschreibung lautete: importat variationem sive in substantia, sive in affectione. Also genau jenes Verständnis, das in den Definitionen von II Sent. 2, 1, 2, 1 und In Eccl. III als magis proprie qualifiziert wurde.

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Für diese Definition ist die Unterscheidung von continuus und instantaneus leitend,102 die ihrerseits auf die unter dem Vorbild des primum mobile stehende Ortsbewegung bzw. die Veränderung der affectiones (der Engel) zurückverweist.103 Während es in I Sent. 37, 2, dub. 3 also gerade um die Unterscheidung von aristotelischer Weltzeit und augustinischer Engelszeit geht (das sind die beiden eigentlichen Bedeutungen von Zeit im Sinn von II Sent. 2, 1, 2, 1), stehen schließlich bei der Definition in II Sent. 1, 1, dub. 4 die mit der Frage nach der Schöpfung verbundenen verallgemeinerten Bedeutungen (communiter, communissime) von Zeit im Vordergrund. Deswegen wird dort auch Zeit im eigentlichen Sinn (proprie) nicht weiter differenziert, sondern als mensura motus primi mobilis schlichtweg mit der aristotelischen Zeit identifiziert. Betrachtet man den hier vorgestellten Zeitbegriff noch einmal insgesamt, so ergibt sich ein Dreifaches: Zum einen erkennt man deutlich die – in einem weiten, nicht-exklusiven Sinn zu verstehende – augustinische Wurzel, die diese Art der Zeit mit den (akzidentellen) Bewegungen der Engel verband und sie als theologische Zeit von dem aristotelisch-physikalischen Zeitbegriff abgesetzte. Zum anderen wird umgekehrt das Bemühen sichtbar, eine Strukturgleichheit der beiden Zeitbegriffe aufzudecken, indem beide als Maß der Bewegung und letzterer als Erweiterung des ersteren verstanden wird. Das Mittel dazu ist die aristotelische Bewegungslehre selbst: Zeit wird jetzt nicht mehr nur im Hinblick auf die Ortsbewegung betrachtet, sondern sie wird auf die anderen Bewegungsarten (ausgenommen das Werden und Vergehen) ausgedehnt. Neben der kontinuierlichen Zeit der Ortsbewegung enthält dieser Zeitbegriff damit auch eine auf Eigenschaftsveränderungen bezogene diskrete Zeit. Als Drittes ist auf den immer wieder betonten Unterschied zwischen dieser Zeitform und dem aevum zu verweisen: Die Zeit im engsten Sinn (die aristotelische Zeit) ist das Maß der körperlichen Dinge,104 und zwar sowohl ihrer substantiellen als auch ihrer akzidentellen Veränderungen, sie hat keine Gemeinsamkeit mit dem aevum. Der hier behandelte weitere Zeitbegriff ist mit dem aevum insofern verbunden, als er auch die Veränderungen geistiger Substanzen einschließt, doch während letzteres das Sein (d. h. die Dauer) der geistigen Substanzen misst, betrifft ersterer lediglich deren akzidentelle Veränderungen (affectiones). Ersterer ist Zeit in einem eigentlichen Sinn, denn die affectiones sind vergänglich, das aevum dagegen ist nur in einem weiten Verständnis Zeit, denn das hier betrachtete Sein ist unvergänglich.

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Wobei mit dem Scholion zu I Sent. 37, 2, 2, 3 (Opp. I, 664a) darauf hinzuweisen ist, dass „kontinuierlich“ nicht das Gegenteil von „instantan“, sondern von „diskret“ ist. In Zusammenhang mit dem Dubium I Sent. 37, 2, dub. 2 [I, 664f.] ergab sich daraus eine sehr elaborierte Deutung der augustinischen Unterscheidung von per tempus et locum moveri und per tempus moveri. Vgl. oben S. 148 mit Anm. 323 sowie S. 181 mit Anm. 75. Vgl. II Sent. 2, 1, 2, prol. [II, 64]: Consequenter quaeritur de mensura substantiae spiritualis in comparatione ad mensuram rei corporalis.

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1.2.3

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

Exkurs: Das saeculum als Zeitmaß zwischen tempus und aevum

In Verbindung mit den beiden zuvor betrachteten Bedeutungen von Zeit führte Bonaventura im Sentenzenkommentar in einer eigenen kurzen Quaestio das saeculum als ein weiteres zeitliches Maß ein.105 Unter der Fragestellung, ob das saeculum zwischen tempus und aevum anzusiedeln ist, charakterisierte er dieses Zeitmaß näherhin dadurch, dass darin zwar Verschiedenheit (variatio) auftritt, diese jedoch nicht notwendigerweise mit einem Aufhören (desitio) oder der regulatio des primum mobile verbunden ist.106 Die in der sed-contra-Reihe aufgeführten Anwendungsfälle erlauben es, eine genauere Vorstellung davon zu gewinnen, was er darunter verstanden wissen wollte; die völlig parallele, und zugleich ausführlichere Behandlung in der Summa Halensis hilft zusätzlich, die Hintergründe weiter aufzuhellen.107 Dabei wird deutlich, dass der Doctor seraphicus den Begriff nicht in seinem allgemeinen, sondern in einem recht speziellen technischen Sinn verwendet wissen wollte.108 105 106 107

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II Sent. 2, 1, 2, 2 [II, 65f.]. Ebd., resp. [II, 66]: … est ponere mediam mensuram, in qua est variatio, nec oportet quod sit desitio, vel primi motus regulatio. Vgl. Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 2 (69) [Ed. cit. I, 106–109] (Utrum sit aliqua media mensura durationis inter aevum et tempus) – die besondere Nähe zeigt sich darin, dass die Pround Contra-Argumente von Bonaventura fast eins zu eins übernommen werden (wenn auch knapper und in vertauschter Reihenfolge), nur das letzte Contra-Argument der Summa Halensis wird weggelassen und das erste Pro-Argument wechselt die Seite (arg. 2 bei Bonaventura, er folgte dabei der Erwiderung in der Summa Halensis). Einen weiteren wichtigen Vergleichstext stellt ROBERT KILWARDBY, De tempore 19 [ABMA 9, 39f.] dar. Er behandelte dieselbe Frage und stützte sich dabei ebenfalls auf die Summa Halensis. Der Bedeutungsspielraum von saeculum ist gewaltig, neben verschiedenen begrenzten Zeiträumen (33, 50, 100 Jahre) kann es (insbesondere als biblischer Begriff) auch die Weltzeit und die Welt oder das irdische Leben insgesamt bezeichnen. Vgl. auch Karl Ernst GEORGES, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bde., Darmstadt 1998 (Unv. Nachdruck d. 8. verb. u. verm. Auflage von Heinrich Georges), Bd. 2, 2447f. Besonders zu erwähnen ist außerdem die Überschneidung mit dem aetas-Begriff in der Bedeutung „Zeitalter“ – schon ISIDOR VON SEVILLA, Etymologiae V, 38, in: Etimologie o Origini, a cura di Angelo Valastro Canale, Bd. 1: Libri I–XI, Torino 2006, hier 446f. behandelte beide Begriffe zusammen, dasselbe tat WILHELM VON AUVERGNE, De universo I, 2, 7 [Ed. cit. I, 689f.], die bei ihm zu findende Einteilung der Weltgeschichte in saecula entspricht dabei genau der sonst (etwa bei Augustinus und Isidor) üblichen aetates-Gliederung. Weiter war dem Mittelalter bewusst, dass saeculum neben aevum, aeternitas und sempiternitas auch eine der verschiedenen möglichen Übersetzungen des αἰών-Begriffes darstellt (woher auch die Verbindung zu der Bedeutung „Lebenszeit“ und den damit verknüpften Zeiträumen kommen dürfte); vgl. hierzu bereits oben S. 145, Anm. 306 sowie S. 151, ferner ISIDOR VON SEVILLA, ebd. sowie THOMAS VON AQUIN, In De caelo et mundo I, c. 9, lect. 21, 9 [Ed. Leonina III, 86f.]; De potentia 3, 17, ad 23 [Ed. cit. VIII, 470] und S. th. I, 10, 2, ad 2 [Ed. Leonina IV, 96]. Bei Thomas entsprach dem auch, dass er in II Sent. 2, 2, 3, exp. [Ed. cit. II, 78] den saeculum-Begriff anstelle von aevum verwendete: Praeterea. In quo differt saeculum, tempus, et aeternitas? Ad hoc dicendum, quod in angelo est tria considerare: scilicet esse ejus, cujus mensura dicitur saeculum –

Verschiedene Begriffe von Zeit

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Insgesamt vier verschiedene Situationen stellte er vor, deren Zeitlichkeit weder durch den aevum-Begriff noch durch den tempus-Begriff abgedeckt zu sein schien:109 (1) die Veränderungen an Körpern vor dem vierten Schöpfungstag, (2) die der Höllenstrafen nach dem Jüngsten Gericht, (3) die der affectiones der Engel und schließlich (4) die der Hinwendung der Engel zu Gott (conversio ad Deum) mit der darin empfangenen Erkenntnis, die sie einerseits über die Zeit erhebt, andererseits aber zugleich etwas enthält, das mindestens möglicherweise ein Ende hat.110 – Die Gemeinsamkeit dieser ansonsten ja recht disparat erscheinenden Sachverhalte besteht darin, dass die in den einzelnen Situationen vorauszusetzenden Veränderungen nicht von der Zeit im eigentlichsten Sinn (magis proprie) gemessen werden können, da diese an die Bewegung der Himmelssphäre gebunden ist und somit begrenzt wird durch den Beginn dieser Bewegung am vierten Schöpfungstag und durch deren Ende beim Jüngsten Gericht.111 Geht man dagegen von der Zeit im eigentlichen Sinn (proprie) als mensura variationis successivae aus, so stellte Bonaventura fest, dass das saeculum demgegenüber kein neues, anderes Maß darstellt. Mit Blick auf die ähnlichlautenden Begriffsbestimmungen von saeculum und tempus proprie sowie auf die unter (3) aufgeführten affectiones der Engel wird man dies kaum als eine Überraschung bezeichnen können. Dennoch besteht ein Bedeutungsunterschied zwischen den beiden Größen, denn das saeculum betrifft – mindestens vorzugsweise – Substanzen, deren Sein über der Zeit steht,112 die Zeit im

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ansonsten sprach er in dieser Distinctio nur vom aevum (vgl. besonders II Sent. 2, 1, 1, resp. [II, 63]: Esse autem angeli, quod aevo mensuratur …). II Sent. 2, 1, 2, 2, sc. 1–4 [II, 66], das Responsum verwies insbesondere noch einmal auf die erste und zweite Situation: … cuiusmodi fuit in triduo conditionis rerum, et qualis erit in inferno post diem extremum. Et haec ab antiquis doctoribus appellata est saeculum. Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 2, sc. 4 [II, 66]: Angelus cum convertitur ad Deum, elevatur supra tempus: ergo illa conversio, et illud quod in illa conversio accipit, supra tempus est; et mensura supra tempus debet mensurari; sed Angelus ibi aliquid cognoscit quod potest desinere cogitare. – Bei der conversio ad Deum wird man zunächst allgemein an die contemplatio denken, näherhin an die cognitio matutina, die Bonaventura in II Sent. 4, 3, 1, resp. [II, 139] als ad Deum conversio bezeichnete (mit deren Zeitlichkeit hatte ja bereits Augustinus gerungen, vgl. oben S. 148, Anm. 324). – Die Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 3 (67), ad 3 [Ed. cit. I, 105f.] äußerte sich präziser über die Art der in der contemplatio möglichen Veränderungen, sie schloss mit der Feststellung: Et hanc durationem voluerunt quidam appellare saeculum. – Ebd. I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 2 (69), ad 3 [Ed. cit. I, 108a] hieß es ausdrücklich, dass diese Veränderungen von der Zeit (tempus) gemessen werden: Quantum vero ad operationem contemplationis intensae vel remissae vel contemplationis huius rei desinentis esse, si respiciatur essentia actus qui non mutatur, mensurabitur aevo; si respiciatur circumstantia sive materia actus, mensurabitur tempore. Dies stellte auch das Responsum ausdrücklich fest. Zu der Problematik, ob die aristotelische Zeit wirklich am vierten Schöpfungstag begann, vgl. die Ausführungen oben S. 175. Die Eindeutigkeit, mit der sich Bonaventura hier äußerte, dürfte wenigstens teilweise auf die Vorlage der Summa Halensis zurückzuführen sein (vgl. a. a. O. besonders arg. 4 und ad 5 [Ed. cit. I, 107a.108a]). Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 2, resp. [II, 66]: … sic inter aevum et tempus non est medium re, sed solum ratione; non, inquam, est medium differens ab utroque in genere mensurae, sed medium in genere mensuratorum, participans utrumque, ut est illa substantia, quae est in confinio aeternitatis et

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

eigentlichen Sinn enthält dagegen auch die aristotelische Zeit (tempus magis proprie). – Ob das saeculum dabei genau jenen Raum zwischen tempus magis proprie und tempus proprie ausfüllt,113 wird offenbleiben müssen, denn es zeichnet sich nach Bonaventura zwar durch die fehlende regulatio des primum mobile aus, doch hinsichtlich der zweiten Bedingung, die er an tempus magis proprie gestellt hatte, nämlich die Kontinuität der zugrundeliegenden Veränderungen, machte er keinerlei Aussage über das saeculum.114 Sieht man die Ausführungen Bonaventuras noch einmal im Licht der Fragestellung der Quaestio, so erkennt man, wie diplomatisch seine Antwort ausfiel,115 der eigentliche Ertrag ist der, dass das saeculum in der Zeit im eigentlichen Sinn aufgeht. Aufgrund dieses Inklusionsverhältnisses wird auch klar, warum der saeculum-Begriff in dem hier vorliegenden technischen Sinn für die weiteren Zeitspekulationen des Doctor seraphicus keine Rolle mehr spielte. Nicht zuletzt verrät auch die Kürze der Quaestio das geringe Interesse des Baccalaureus an diesem Zeitbegriff. Es scheint geradezu, dass er ihn nur aus einer gewissen Reverenz gegenüber den antiqui doctores, die ihn gebrauchen, aufnahm – auch wenn er die wichtigste auctoritas, die zum saeculum in der Regel ange-

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115

temporis. – D. h., es gibt zwar real (re) kein viertes zeitliches Maß (neben tempus, aevum, aeternitas), es gibt aber eine Substanz, die gewissermaßen zwischen Zeit und aevum steht, weil sie an beidem teilhat (und zwar auf substantielle Weise und nicht nur akzidentell wie die Engel), nämlich die menschliche Seele. Mit dem Ausdruck in confinio aeternitatis griff er dabei die Propositio II, 22 aus dem Liber de causis [PhB 553, 6] auf: Esse vero quod est post aeternitatem et supra tempus est anima, quoniam est in horizonte aeternitatis inferius et supra tempus. Gegen eine strikte Beschränkung auf „ewige“ Substanzen kann man sc. 1 anführen, wo unter den vor dem vierten Tag geschaffenen Körpern auch Gräser und Sträucher genannt werden. Im Hintergrund der Bindung des saeculum an „ewige“ Substanzen/Zustände scheint mir die Autorität des Johannes Damascenus (vgl. unten Anm. 116) zu stehen, denn er betonte, dass das saeculum dieselbe Erstreckung wie die ewigen Dinge hat (protenditur cum aeternis) und sich zu ihnen so verhält, wie die Zeit zu den zeitlichen Dingen. Davon scheint etwa RATZINGER, Der Mensch und die Zeit, 477, Anm. 19 auszugehen. Bemerkenswert ist diese Leerstelle vor allem deswegen, da die Vorlage der Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 2 (69), ad 5 [Ed. cit. I, 108b] ausdrücklich eine auf die Diskontinuität abhebende Definition des saeculum bot: consequenter est duratio, in qua aliquid consequitur, sed tamen sine continuatione, et hanc dicunt saeculum, et est iterum duratio, in qua aliquid antecedit et sequitur secundum continuitatem motus, et haec est tempus. – Man beachte dabei, dass der eben zitierte Passus nicht die eigentliche Meinung der Summa Halensis wiedergibt, sondern eine fremde Meinung (Aliquibus autem aliter visum est quod esset ponenda mensura inter aevum et tempus media …) als alternative Sichtweise zitiert wird. – Ganz ähnlich berichtet ROBERT KILWARDBY, De tempore 19, 122 [ABMA 9, 40, Z. 1–5] als Meinung, dass es drei geschaffene Maße gibt: das aevum, das keine successio kennt, das saeculum, in dem es successio sine continuatione gibt, und schließlich das tempus, worin successio cum continuatione begegnet. – Auf einen weiteren unklaren Aspekt machte COVA, Tempus non erit amplius, 45f. aufmerksam: Ist das saeculum ein Zeitmaß, das nur eine unendliche Dauer misst, oder darf es auch ein Ende (ein Aufhören, eine desitio) geben? Bonaventura legte sich auch in diesem Punkt nicht eindeutig fest (auch wenn Letzteres vielleicht etwas wahrscheinlicher ist, vgl. Anm. 112 oben). Nämlich: Ob das saeculum ein Mittleres zwischen Zeit und aevum ist, hängt davon ab, in welchem Sinn man Zeit versteht (proprie oder magis proprie).

Verschiedene Begriffe von Zeit

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führt wurde, nämlich Johannes Damascenus, De fide orthodoxa II, 1 (15), gar nicht erwähnte.116 Relativ schweigsam verhielt sich Bonaventura übrigens, was die Höllenqualen als den (in der obigen Zählung) zweiten Anwendungsfall des saeculum angeht.117 Dass die Dauer dieser Strafen kein Ende kennt, darin bestand für Bonaventura wie für jeden anderen Theologen dieser Zeit, keine Frage,118 die in II Sent. 2, 1, 2, 2, sc. 2 angesprochene variatio (und successio) kann sich also nur auf deren Akzidenzien beziehen. Doch in den einschlägigen eschatologischen Passagen kam Bonaventura darauf nicht mehr zurück: Die Frage, welches zeitliche Maß dort gelten wird, blieb offen, er vermied dort nicht nur den Begriff saeculum,119 sondern auch den Begriff Zeit (in Frage käme dabei – wie gesehen – nur tempus proprie und nicht tempus magis proprie); im Widerspruch zu der Darstellung in II Sent. betonte er dabei zumeist, dass die beiden „positiven“120 Strafen der Verdammten, der geistige (Gewissens-)Wurm und das körperliche Feuer ihre beständige Wirkung ohne jede Veränderung entfalten.121 An der Spekulation über die 116

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Vgl. PTS 12, 43f.; PG 94, 861.864; die Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 2 (69), ad 5 [Ed. cit. I, 108f.] zitierte den entsprechenden Passus, bei dem insgesamt vier Bedeutungen von saeculum unterschieden wurden; zur letzten Bedeutung hieß es: dicitur rursus saeculum, non tempus nec temporis aliqua pars, a solis motu et cursu mensuratum, scilicet per dies et noctes consistens, sed quod simul protenditur cum aeternis, velut quidam temporalis motus et spatium: quod enim est iis quae sunt sub tempore tempus, hoc est aeternis saeculum … Ante vero mundi constitutionem, cum neque sol erat dividens diem a nocte, non erat saeculum mensurabile, sed quod simul protenditur cum aeternis, velut temporalis motus et spatium. – Denselben Text bot auch ALBERTUS MAGNUS, De IV coaequaevis 2, 6, 4 [Ed. Paris. 34, 394b], er merkte zu jener letzten Bedeutung von saeculum außerdem an: et omnes plani sunt praeter ultimum. Der Doctor universalis entschied sich dafür, das saeculum als Ersatzbegriff für aevum oder aeternitas zu verstehen (ebd.: et ibi accipitur saeculum pro aeternitate et aevo secundum quod protenditur cum tempore). In seinem relativ knapp gehaltenen Kommentar zur zweiten Distinctio des zweiten Buches der Sentenzen [Ed. Paris. 27, 42–58] ging Albert auf die Frage nach dem saeculum gar nicht ein. Der biblische Beleg dafür, dass sie unter dem Maß des saeculum stehen, wurde aus Apc. 14, 11 genommen: … et fumus tormentorum eorum in saecula saeculorum ascendit. Vgl. z. B. Brev. VII, 6 [V, 288a]: … poena debet esse perpetua; weiter unten im Text [V, 288b] gebrauchte er dafür auch die Ausdrücke aeternitas, aeternaliter. Vgl. auch IV Sent. 44, 2, 1, 1, resp. [IV, 921f.]. Zumindest – so muss man einschränkend ergänzen –, wenn man von der technischen Bedeutung ausgeht; wenn z. B. in Brev. VII, 6 [V, 287f.] die Fundierung und die angegebene Ratio jeweils mit tormentorum fumus ascendat in saecula saeculorum (vgl. Apc. 14, 11) enden, so gehe ich hier von einem nicht-technischen Gebrauch aus, d. h., es wird lediglich auf die ewige Dauer der genannten Qualen hingewiesen. D. h. im Gegensatz zu der privativen, nämlich der Entbehrung der Anschauung Gottes. Zu den drei Strafen vgl. z. B. Brev. VII, 6 [V, 287b]; hierzu auch STOEVESANDT, Die letzten Dinge, 114f. Die invariabilitas des Gewissenswurmes wurde in IV Sent. 50, 2, 2, 3 [IV, 1053] eigens untersucht und bejaht, denn fiet, ut mali simul omnia peccata memorentur, ut de omnibus continue torqueantur. In ad 3 wurde dabei auf das Bild des Lichtstrahls im Gegensatz zum Wasserstrahl verwiesen (Bonaventura gebrauchte es sonst für das aevum, vgl. unten S. 200 mit Anm. 163). Zu dem Höllenfeuer vgl. Brev. VII, 6 [V, 288b]: Quoniam autem illa peccati distinctio et reatus … in eodem

192

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

Frage, ob es im infernum in irgendeiner Form „Zeit“ gibt, wollte sich der Doctor seraphicus also offenbar nicht beteiligen. Darin unterschied er sich sowohl von der Vorlage der Summa Halensis als etwa auch von Thomas von Aquin.122 Insgesamt entspricht diese Zurückhaltung einer bei Bonaventura zu beobachtenden Tendenz, wesentlich ausgiebiger über die eschatologische Herrlichkeit als über die Verdammnis zu spekulieren,123 hinzukommen mag eine grundsätzliche Wertschätzung der Zeit (in einem

122

123

est uniformis et nunquam crescit nec decrescit nec mutatur; hinc est, quod [scil. ille ignis] divino imperio ordinante, ille sic agit, quod semper urit et non consumit, semper affligit et non interimit. In IV Sent. 44, 2, 3, 1, ad 2 [IV, 930] hieß es – wiederum nach einem Hinweis auf das Bild des Lichtstrahls: Sic ignis dicitur semper damnatos affligere, non quia novam dispositionem de novo afferat, sed quia continue agendo a priori afflictione non cessat. – Es gibt allerdings auch einen Hinweis in die andere Richtung, so hieß es zu dem von der Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 2 (69), arg. 5 [Ed. cit. I, 107a] für die Veränderung (variabilitas) der Höllenstrafe angeführten Bibelwort ad calorem nimium transeat ab aquis nivium (Iob 24, 19) in IV Sent. 44, 2, 2, 2, ad 1.2 [IV, 928]: … patet, quia simul utrumque [scil. ignis et aqua] affliget secundum diversas partes [scil. corporis] aut si successive secundum easdem, … sentietur maior acerbitas quam contemperetur. Das „Zugleich“ der Wirkung von Wasser und Feuer entspricht dabei auch dem Umstand, dass die irdischen Elemente nach dem Jüngsten Gericht nicht mehr geschieden sein werden, sondern vermischt (confusa) vorliegen (ebd., resp.), es wird aber immerhin zugestanden, dass möglicherweise auch eine sukzessive Einwirkung (und damit natürlich variatio) stattfindet. Ihren Ausgang nahm die Spekulation hierüber von den beiden widersprüchlich scheinenden Schriftstellen Ps. 80 (81), 16, Et erit tempus eorum [scil. inimicorum Dei] in saeculo, und Apc. 10, 6, iuravit [scil. angelus] … tempus amplius non erit. WILHELM VON AUVERGNE, De universo I, 2, 7 [Ed. cit. I, 690b E] hatte deswegen die Frage nach Zeit im infernum noch offengelassen: In inferno quippe, si erit ibi vicissitudo tormentorum, … erit et ibidem veri nominis tempus. Si vero non fuerit ibi vicissitudo hujusmodi, sed omnia tormenta simul cruciabunt illos, et hoc absque fluxu ullo, et transitu ipsorum, forte multis non videri possit esse apud infernum veri nominis tempus. Man vgl. aber auch den oben (S. 137, Anm. 262) zitierten, wenig später folgenden Passus, der vor allem den Ewigkeitsaspekt betonte. – Die Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 2 (69), ad 5 [Ed. cit. I, 108a] antwortete deutlich: de poenis inferni dicendum quod quantum ad perpetuitatem mensurabuntur aevo, quantum vero ad variationem tempore, wobei sie unter Zeit ausdrücklich die nicht an die Bewegung gebundene theologische Zeit (siehe oben S. 179 mit Anm. 65) verstanden wissen wollte (während Offb 10, 6 auf die „physikalische“ Zeit zu beziehen ist). – ROBERT KILWARDBY, De tempore 19, 127 [ABMA 9, 40] folgte der Summa Halensis. – Auch THOMAS VON AQUIN, S. th. I, 10, 3, ad 2 [Ed. Leonina IV, 98] vertrat eine entsprechende Meinung, wenn er erklärte: Ad secundum dicendum quod ignis inferni dicitur aeternus propter interminabilitatem tantum. Est tamen in poenis eorum transmutatio, secundum illud Iob XXIV [v. 19], ad nimium calorem transibunt ab aquis nivium. Unde in inferno non est vera aeternitas, sed magis tempus; secundum illud Psalmi [80 (81), 16]: erit tempus eorum in saecula. Vgl. etwa STOEVESANDT, Die letzten Dinge, 130f.: „Doch zeigt sie, daß Bonaventuras theologisches Interesse nun doch nicht eigentlich an diesem düsteren Kapitel haftet, sondern daß er es mehr um der unerläßlichen Vollständigkeit willen absolviert, um dann die Hände frei zu haben für das, was in der Eschatologie die Hauptsache ist.“ Er verwies dabei auf II Sent. 27, 2, 3, resp. [II, 667b]: gloria multo plus excellit in bono quam poena in malo. Man mag ferner auch an den Dialog von Mensch und Seele in Sol. III, 10f. [VIII, 55] denken. Er zeugt von Bonaventuras optimistischem Menschenbild: Anima: … dic quaeso, o homo, ad quid valet tam lamentabilis meditatio? –

Verschiedene Begriffe von Zeit

193

Sinn, der auch das saeculum umfasst),124 die vor allem die positiven Konnotationen dieses Begriffs herausstreicht.125

1.2.4

Mensura mutationis cuiuscumque

Kehrt man zu der vierteiligen Zeitdefinition von II Sent. 2, 1, 2, 1 zurück, so ist die nächste zu behandelnde Bedeutung von Zeit die der mensura mutationis cuiuscumque, sive illius quae est de non-esse in esse, sive alterius quae est de uno esse in aliud esse. Worauf sich dieser neue Sinn von Zeit bezieht, zeigt sich an den beiden Belegstellen, die Bonaventura dafür heranzog: Es ist zum einen der bereits mehrfach zitierte Kommentar der Glossa ordinaria zu Gen 1, 1 In principio, id est in principio temporis, zum anderen das bei Richard von Sankt Viktor, De trinitate gefundene Diktum omne quod coepit, ex tempore coepit.126 In beiden Fällen geht es um den Schöpfungsakt und darum, den in ihm gegebenen Beginn als einen (ex parte creati) zeitlichen Beginn aufzuweisen. Die Absicht Richards war dabei, den bereits bei Augustinus anzutreffenden Gegensatz von ex tempore und ab aeterno127 für seine Trinitätsspekulation auszuwerten (wobei ihn, seinem Thema entsprechend, eher der letztere Ausdruck interessierte). Indem er esse ab aeterno / ex tempore mit esse a semetipso bzw. esse ab alio gleichsetzte,128 stellte er es in den Horizont der Differenz von göttlicher und geschaffener Substanz. Mit dem esse a se verband er die beiden Aspekte der immutabilitas und der Anfangslosigkeit, aus denen sich als Drittes die Endlosigkeit und somit die (wahre) Ewigkeit Gottes ergab.129 – Spielen sich diese trinitätstheologischen Überlegungen ganz auf der Ebene

124 125 126

127 128 129

Homo: O anima, puto, quod praedictorum continua et devota meditatio est peccatorum medela et ad quaeque bona agenda et mala sustinenda salutifera excitatio. … Anima: … Attende ergo, homo, quam generosus est animus hominis; saepe enim facilius ducitur lenis et blandis quam terribilibus et adversis; saepe magis allicitur promissis consolatoriis quam cogatur minis et terroribus. Vgl. dazu auch unten S. 341 und S. 344. Saeculum („Weltzeit“) konnte ja auch in einem sehr abschätzigen Sinn verwendet werden, dies begegnet, so weit ich sehe, bei Bonaventura nicht. Vgl. Trin. II, 9 [TPMÂ 6, 115]: Omne itaque creatum ex tempore esse cepit; quod autem increatum est, omne tempus precessit; ebd. I, 6 [TPMÂ 6, 91]: Omne quod est vel esse potest, aut ab eterno habet esse, aut esse cepit ex tempore; … Quicquid enim ex tempore esse cepit, fuit quando nichil fuit; ebd. V, 3 [TPMÂ 6, 197]: quod quicquid esse cepit aliquando non fuit, quod quicquid est, quod aliquando non fuit, hoc ipsum ex tempore esse cepit; vgl. auch ebd. I, 7 [TPMÂ 6, 93]. Vgl. oben S. 145, Anm. 307. Vgl. Trin. I, 6 [TPMÂ 6, 91]. Vgl. Trin. II, 9 [TPMÂ 6, 116]: Quod autem est incommutabile, sicut non potest mutari de esse ad non esse, sic non potest mutari de esse ad aliud esse. Quod vero non potest mutari de esse in non esse, durat sine fine. Quod non potest mutari de esse in aliud esse, manet sine omni mutatione. Itaque quod increatum est non solum initio caret, verum etiam sine fine et omni mutabilitate manet. Carere autem initio, et fine, et omni mutabilitate, dat eternum esse. Vgl. auch ebd. I, 11 [TPMÂ 6, 95f.]. Bei Bonaventuras Zeitdefinition ist dieser Ursprung in II Sent. 2, 1, 2, 1 [II, 64f.]

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

194

der göttlichen Substanz ab, so ist für die personale Ebene darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen der Ursprungsbeziehungen sehr wohl ein esse ab alio geben kann, welches freilich in keiner Weise zeitlich oder als ein Werden aufgefasst werden kann.130 Die Differenz des esse ab aeterno und des esse ex tempore markiert in diesem Kontext, wie sich die generatio der zweiten göttlichen Person von der creatio der Welt unterscheidet. Als unmittelbare Vorlage für Bonaventura wurde oben bereits die Zeitdefinition der Summa Halensis ausgemacht.131 Dies zeigt sich auch bei dem hier betrachteten Verständnis von Zeit, das die dort vorkommenden beiden Bedeutungen communiter et improprie (respicit primam mutationem a non esse in esse) und communiter et minus proprie (respicit mutationem quae est de uno esse in aliud sine continuo) zu einem einzigen Zeitbegriff zusammenführt.132 Dabei werden verschiedene Punkte deutlich: Erstens erkennt man noch einmal den Aufbau der bonaventurianischen Reihung der Zeitbegriffe, dem eine schrittweise Einschränkung des Begriffsumfangs zugrunde liegt. Die beiden folgenden Zeitbegriffe (proprie und magis proprie) sollen dabei unter der Bestimmung

130

131 132

noch sichtbar in den beiden aus Trin. II, 9 genommenen Bestimmungen der mutatio de non esse in esse bzw. de uno esse in aliud esse. Die Unterscheidung der beiden Ebenen ist bei der Einführung der beiden Seinsweisen des esse ab aeterno et a semetipso und des esse ab aeterno nec a semetipso in Trin. I, 6 [TPMÂ 6, 91f.] noch nicht besonders deutlich, der Bezug letzterer auf die zweite (und dritte) göttliche Person wurde in I, 9 [TPMÂ 6, 94] hergestellt, die theoretische Aufarbeitung erfolgte in IV, 11 [TPMÂ 6, 173f.], wo zwischen den Eigenschaften der göttlichen Substanz als „Seinsqualitäten“ (ratio essendi; consideratio circa modum essendi) und „Herkunftsbestimmungen“ (ratio obtinentiae; consideratio circa modum obtinendi) unterschieden wurde. – Das oben zitierte Buch II handelte ausschließlich und ausdrücklich von den Attributen Gottes und nicht von personalen Bestimmungen. Siehe S. 170 – es zeigt sich auch daran, dass dieselben auctoritates (Richard von Sankt Viktor, Boethius, Glossa ordinaria) herangezogen wurden. Blickt man noch etwas genauer auf das, was die Summa Halensis communiter et minus proprie unter Zeit versteht, so erkennt man, dass der dort betonte Aspekt der Diskretheit (sine continuo) sich in dem wiederfindet, was bei Bonaventura in II Sent. 2, 1, 2, 1 in die Bestimmung von Zeit im eigentlichen Sinn (proprie) eingegangen ist. Die Entsprechungsverhältnisse der verschiedenen Zeitbegriffe gibt dann in etwa die folgende Übersicht wieder: Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 1 (68)

Bonav., II Sent. 2, 1, 2, 1, resp.

Bonav., II Sent. 1, 1, dub. 4

Bonav., I Sent. 37, 2, dub. 3

Bonav., In Eccl. III

proprie

magis proprie

proprie

proprie

magis proprie

comm. & minus proprie

(proprie)

communiter

(alio modo)

(proprie)

comm. & improprie

communiter

communissime



communiter



communissime







Dabei gibt diese Tabelle nur an, welche Zeitbegriffe in etwa vergleichbar sind (nicht berücksichtigt ist z. B., dass in I Sent. 37, 2, dub. 3 der Zeitbegriff alio modo nicht als Überbegriff zu Zeit im eigentlichen Sinn gedacht ist, er enthält nur die diskrete Engelszeit).

Verschiedene Begriffe von Zeit

195

der mutatio de uno esse in aliud esse subsumiert sein, während das Proprium des hier betrachteten Zeitbegriffs in der Betrachtung der mutatio de non-esse in esse besteht. Daraus erklärt sich zweitens, warum dieser weitere Zeitbegriff überhaupt notwendig ist: Bei dem Schöpfungsakt geht es in keiner Weise um akzidentelle Veränderungen, sondern um ein substantielles Werden. Er weist eine ganz besondere Struktur auf, denn hier findet nicht ein Übergang von einem Sein zu einem anderen Sein statt,133 sondern es entsteht etwas aus dem Nichts (ex nihilo). Besondere Beachtung verdient dabei, drittens, der Augenblick der Schöpfung selbst, denn dieses erste nunc ist zwar ebenfalls eine Grenze,134 es unterscheidet sich von jedem anderen aber dadurch, dass es nicht zugleich Anfang und Ende, d. h. Anfang des Zukünftigen und Ende des Vergangenen, ist.135 Es ist allein Anfang, nämlich der Anfang der Zeit (principium temporis)136 – in diesem Sinn ist dann auch der genannte Kommentar der Glossa zu verstehen. Aus dem bisher Gesagten wird außerdem deutlich, warum die Definition hier von Zeit in einem allgemeinen Sinn (communiter) spricht: Die Wahl der Bezeichnungen in II Sent. 2, 1, 2, 1 gliedert die vier verschiedenen Zeitbegriffe ja in zwei Gruppen, wobei dem eigentlichen Verständnis von Zeit (proprie, magis proprie) die beiden allgemeinen Bedeutungen (communiter, communissime) gegenüberstehen. Den ersten beiden Bestimmungen ist dabei gemeinsam, dass Zeit als Akzidens der geschaffenen Substanzen begriffen wird; in den folgenden beiden Bedeutungen dagegen wird Zeit als eine essenzielle, die Substanz betreffende Bestimmung jedes geschaffenen Seins begriffen.137 Diese Form der Zeit ist also „allgemein“, denn jedes Geschöpf ist von ihr betroffen,138 andererseits ist es gerade keine Zeit im eigentlichen Sinn. Ähnlich wie die Einheit (die Eins) keine Zahl, sondern das Prinzip der Zahl ist,139 und wie man sich den Punkt als Prinzip der Linie140 vorstellte, so stellt jenes nunc primum das Prinzip der Zeit dar und fällt gerade deswegen aus ihrer gewöhnlichen Bedeutung heraus.141 133 134 135 136 137 138 139 140

141

In II Sent. 1, 1, 3, 2, resp. [II, 34b] wurde dies als mutatio ad esse der natürlicherweise vorkommenden mutatio in esse gegenübergestellt; vgl. auch unten S. 279. So hatte ARISTOTELES, Physica IV, 10 [218a 24] das nunc bestimmt: τὸ δὲ νῦν πέρας ἐστίν. Vgl. ARISTOTELES, Physica IV, 13 [222a 33 – 222b 2]: ἐπεὶ δὲ τὸ νῦν τελευτὴ καὶ ἀρχὴ χρόνου, … τοῦ µὲν παρήκοντος τελευτὴ, ἀρχὴ δὲ τοῦ µέλλοντος. Vgl. auch oben S. 109, besonders Anm. 91. Vgl. II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 3 [II, 23]: et in ipsa productione temporis fuit nunc primum, ante quod non fuit aliud, quod fuit principium temporis, in quo omnia dicuntur esse producta. In diesem Sinn konstatiert In Eccl. III, qq. ad v. 3, resp. [VI, 28b]: et hoc modo [scil. «communiter»] est in omnibus, quia omnia initum habuerunt. Vgl. ebd.: Et hoc videtur littera innuere, quia ipse dicit, quod omnia tempus habent, … Vgl. z. B. I Sent. 2, 1, 4, resp. [I, 57b]: unitas, quae est principium et completio omnis numeri; dazu etwa ARISTOTELES, Metaphysica V (∆), 6; X (Ι), 1 [1016b 17f.; 1052b 23f.]. Vgl. I Sent. 27, 1, 1, 2, ad 3 [I, 471a]: … quod prima in generibus sunt principia aliorum, … sicut punctus respectu linearum, et unitas respectu numerorum; speziell zum Vergleich von Punkt und zeitlichem nunc vgl. Trin. 5, 1, sc. 14 & ad 14 [V, 89.92]. Bereits HUGO VON SANKT VIKTOR, De sacramentis christianae fidei I, 1, 10 [CV.TH 1, 45, Z. 12– 14] konstatierte (mit Bezug auf die Schöpfungstage von Gen 1): Ergo illud primum momentum temporis quando creata est omnium uisibilium inuisibiliumque natura nec nox fuit nec dies. Et

196

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

Es dürfte ohne weiteres klar sein, dass der hier behandelte Zeitbegriff, eine eminente theologische Bedeutung besitzt; auf die entsprechenden Implikationen ist weiter unten ausführlich einzugehen.142 An dieser Stelle soll nur der in der entsprechenden Definition neu auftretende Begriff der mutatio noch etwas näher betrachtet werden. An ihm wird zunächst deutlich, dass Bonaventura auch bei diesem Verständnis von Zeit versuchte, es in einen aristotelischen Kontext einzubetten. So erschien in den Auctoritates Aristotelis die mutatio als Überbegriff für die beiden Bewegungsarten der generatio und corruptio – also just jene beiden, die in den oben erörterten Bedeutungen von Zeit noch außen vor gelassen wurden – und weiter wird die generatio ihrerseits als mutatio de non esse ad esse bestimmt.143 Anders gesagt, die drei bisher behandelten Verständnisse von Zeit decken zusammen das gesamte Spektrum der aristotelischen Bewegungsarten ab. – Ein an den mutatio-Begriff gebundenes Verständnis von Zeit im angestrebten Kontext anzuwenden setzt voraus, dass der Doctor seraphicus die Schöpfung (genauer die creatiopassiva, das Geschaffenwerden) selbst als mutatio versteht;144 in diesem Sinn war sie in einer vorausgehenden Quaestio als supernaturalis mutatio beschrieben worden.145 Bonaventura äußerte sich hier überraschend eindeutig, während sich etwa die Summa Ha-

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tamen tempus fuit quia mutabilitas fuit. – In derselben Absicht ist sprach die Zeitdefinition der Summa Halensis hier von einem uneigentlichen Verständnis von Zeit (communiter et improprie) und verdeutlichte: Primo modo tempus non est tempus, sed temporis initium (a. a. O., siehe oben S. 170 mit Anm. 23). Siehe den Abschnitt über geschaffenes Sein als zeitliches Sein ab S. 276. Siehe Auctoritates Aristotelis, Physica V, nr. 151 [PhMed 17, 152]: Mutationes proprie dictae sunt duo species, scilicet generatio et corruptio; die Bestimmung der generatio findet sich in der folgenden Nummer. Die Bestimmungen sind angelehnt an Physica V, 1 [224b 35 – 225b 5], wo allerdings als dritte Form von mutatio (µεταβολή) der Wandel aus Zugrundeliegendem in Zugrundeliegendes angeführt wird; das entspricht den bei BONAVENTURA, II Sent. 1, 1, 3, 2, resp. [II, 34b] vorgestellten drei Formen der mutatio ad esse, mutatio ab esse und der mutatio in esse. Zu weiteren Bestimmungen vgl. S. 182, Anm. 79; dort wird auch die nr. 150 der Auctoritates Aristotelis zur Physik zitiert mit der bei Aristoteles nicht nachzuweisenden Bestimmung der mutatio als einer – im Gegensatz zum motus – instantanen Veränderung; dies passt ebenfalls zu dem Bild einer Einbettung des vorliegenden Zeitbegriffs in einen „aristotelischen“ Kontext. Siehe auch unten S. 279. In II Sent. 1, 1, 3, 1, resp. [II, 32] ging es um die Frage, ob die Schöpfung als mutatio verstanden werden kann, dazu wurden drei Arten von productio unterschieden: (1) ex materiali principio (die natürliche Weise des Hervorbringens), (2) ex nihilo (die Schöpfung) und schließlich (3) die einzigartige Weise, wie Gott-Vater seinen Sohn von Ewigkeit her gezeugt hat. Nur die ersten beiden Weisen haben dabei den Charakter einer mutatio. Verständlich wird dies, wenn man den Blick auf das „Produkt“ der Hervorbringung richtet, dieses verhält sich nämlich entsprechend den drei obigen Weisen: (1) aliter nunc et prius (oder: prius sub una dispositione, et nunc est sub alia), (2) omni modo nunc et nullo modo prius, (3) aeque omnino nunc et prius; vgl. auch oben S. 182, Anm. 79.

Verschiedene Begriffe von Zeit

197

lensis146 und Thomas in dieser Frage vorsichtiger gaben.147 Der Unterschied zu Bonaventura war dabei jedoch nicht so groß, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, denn der Doctor seraphicus betonte ja seinerseits die Übernatürlichkeit dieser mutatio.148 Dies zeigt sich nicht zuletzt auch in der parallelen Zeitdefinition von II Sent. 1, 1, dub. 4, die nur scheinbar der in diesem Abschnitt behandelten Bestimmung von II Sent. 2, 1, 2, 1 gleicht: Wenn an der ersteren Stelle communiter von Zeit als mensura cuiuslibet mutationis gesprochen wird, so beschränkt sich die Bedeutung von mutatio dort auf im weitesten Sinn natürliche Veränderungen, wie der Vergleich mit der dort allgemeinsten (communissime) Bedeutung von Zeit als mensura exitus de non-esse in esse zeigt.

1.2.5

Mensura cuiuslibet durationis creatae

Die Erörterung des vorausgehenden Zeitbegriffs hat die zeitliche Grundstruktur alles Geschaffenen aufgedeckt. „Zeit“ wurde dabei mit dem Beginn der Schöpfung selbst verbunden. Versteht man die Reihung der einzelnen Bedeutungen von Zeit so, dass nicht nur die Begriffe immer allgemeiner werden, sondern dass „Zeit“ immer weiter in Richtung des Ursprungs aller Dinge rückt, scheint man mit dem allgemeinen Begriff (communiter) bereits am äußersten Punkt angelangt zu sein, an den man dieses Maß noch anlegen kann. Um so mehr verwundert es, wenn Bonaventura selbst diesen Zeitbegriff noch einmal übersteigt. Der Grund für diese nochmalige Erweiterung liegt in dem Verhältnis der vorausgehenden Zeitbegriffe zum aevum, das in der in Frage stehenden Quaestio II Sent. 2, 1, 2, 1 ja ausdrücklich behandelt wird, denn keines der drei bisherigen Verständnisse von Zeit beinhaltet das aevum.149 Für die aristotelische Zeit ist dies unmittelbar klar, denn

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Vgl. Summa Halensis II, 1, 1, 2, 2, 1, 1 (41) [Ed. cit. II, 50f.]; sie behandelte dieselbe Frage wie II Sent. 1, 1, 3, 1 und kam zu dem Schluss, dass hier nur in allgemeinem (communiter), nicht im eigentlichen Sinn (proprie) eine mutatio vorliegt. Vgl. bei Thomas von Aquin zum einen II Sent. 1, 1, 2 [Ed. cit. II, 17–20], wo zwar implizit (im Responsum) der mutatio-Begriff für die Schöpfung akzeptiert wurde, aber in ad 2 [Ed. cit. II, 19] betont wurde creatio non est factio quae sit mutatio proprie loquendo; deutlicher war dann S. th. I, 45, 2, ad 2 [Ed. Leonina IV, 466], wo es hieß: creatio non est mutatio nisi secundum modum intelligendi tantum (Unterstreichung von mir). – Albertus Magnus hatte in De IV coaequaevis 2, 5, 2, sol. & 2, 5, 6, sol. [Ed. Paris. 34, 369f.379f.] sein Verständnis der theologischen Zeit ebenfalls auf den mutatio-Begriff aufgebaut (als mensura cuiuscumque mutationis, oben S. 171, Anm. 24 zitiert) – ohne allerdings den mutatio-Begriff eigens zu bedenken –; auch bei ihm war der mutatioBegriff so weit, dass er damit auch den Schöpfungsakt als zeitlich begreifen konnte, vgl. z. B. ebd. 2, 5, 6, sol. [Ed. Paris. 34, 379b]: Hoc modo etiam dicimus, quod fieri creationis, quod nihil aliud est quam creaturam nunc esse et ante nihil fuisse, est in tempore. Vgl. vor allem II Sent. 1, 1, 3, 1, ad 4.5.6 [II, 32f.] (zitiert unten S. 279, Anm. 25). So wie es umgekehrt von dem hier verhandelten Zeitverständnis II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 65] hieß: si tempus accipiatur primo modo, sic includit aevum. Und II Sent. 2, 1, 1, 1, ad 2 [II, 57] hieß

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

sie misst nur vergängliche Dinge, bei der Zeit im eigentlichen Sinn (proprie) wurde ausdrücklich festgestellt, dass sie nur das Maß für die affectiones der geistigen Substanzen ist, während deren Sein (esse) – d. h. die unendliche Dauer ihrer Existenz – vom aevum gemessen wird.150 Für die Zeit communiter dictum scheint die Situation zunächst nicht so klar, denn man kann ja mit Recht darauf hinweisen, dass die mutatio ad esse das Sein der Engel genauso bestimmt, wie das jeder anderen Kreatur. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Begriff aevum immer eine Zeitspanne, eine Dauer, bedeutet und niemals einen Zeitpunkt. Demgegenüber ist „Zeit“ zunächst für beide Bedeutungen offen. Der allgemeine Zeitbegriff des vorigen Abschnitts allerdings fokussierte im Begriff der mutatio gerade das punktuelle Verständnis, deswegen ist er ungeeignet, das aevum mit zu beinhalten.151 Der allgemeinste Zeitbegriff dagegen ermöglichte die Inklusion, weil hier die Zeit als das Maß der Dauer (duratio) erscheint, während die drei anderen Zeitarten sich jeweils auf einen Bewegungsbegriff (mutatio, variatio, motus) bezogen.152 Die Notwendigkeit eines Zeitbegriffs, der nicht nur die bisher erklärten Zeitarten enthält, sondern auch noch das aevum einschließt, gründet wiederum auf einer auctoritas, nämlich dem Beda oder der Glosse zugeschriebenen Diktum von den quatuor primo creata. Diese Aufzählung umfasst das Empyreum, die Engel, die materia (prima) und die Zeit.153 In dieser Reihe wurde das aevum vermisst, das ja mit den Engeln als Maß für deren Sein erschaffen worden sein musste und somit ebenfalls an den Anfang der Schöpfung heranreichte.154 Es blieb also nur der Ausweg, „Zeit“ hier so zu verstehen, dass sie das aevum umfasst. In der Deutung dieser Sentenz „Bedas“ wies Bonaventura auf die Konsequenzen hin, die mit einem solchen weiten Zeitbegriff verbunden sind:155 Zunächst beobachtete er dabei, dass in der genannten Aufzählung die Zeit als Maß neben drei Substanzen (res) angeführt wird.156 Das verweist auf ein Verständnis der Zeit

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es vorausgreifend: … nomen temporis extenditur ibi ad omnis durationis mensuram, cuius est ponere principium; unde valde large accipitur et comprehendit aevum. Siehe oben S. 181. Zugleich ist damit plausibel, dass keines der beiden Maße – aevum und tempus proprie dictum – dem anderen in der Dauer vorangeht, denn sie sind ja auf dieselben Substanzen bezogen (vgl. II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 65]: simul sunt duratione). Genau in diesem Sinn konnte Bonaventura auch feststellen, dass die Zeit in ihrer allgemeinen Bedeutung dem aevum (und natürlich auch den anderen engeren Zeitbegriffen) dem Verständnis nach vorangeht, so wie das Geschaffen-Werden dem Geschaffen-Sein vorausliegt. Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 65]: si autem secundo modo, sic tempus praecedit aevum secundum rationem intelligendi, sicut creatio esse creatum. – Anzumerken ist dabei, dass die „Zeit im allgemeinen Sinn“ an dieser Stelle nicht als Übergriff für die anderen beiden Zeitbegriffe genommen wird, sondern von dem her verstanden wird, was in diesem Verständnis neu ist (nämlich die Betrachtung der mutatio ad esse). Zum Begriff der Dauer vgl. unten S. 199 mit Anm. 161 und S. 217 mit Anm. 60. Siehe oben S. 56 mit Anm. 172 sowie S. 60, Anm. 191. Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 1, sc. 1 [II, 64] sowie ebd. 2, 1, 1, 1, sc. 2 & ad 2 [II, 55.57]. Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 3, resp. [II, 68]. Man beachte hier auch noch einmal: Es ist der Maßbegriff, der bei Bonaventura die verschiedenen Bedeutungen von Zeit eint und dem insofern grundlegende Bedeutung zukommt.

Verschiedene Begriffe von Zeit

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als habitudo concreata, das heißt, sie ist nicht selbst Substanz, sondern eine der Substanz inhärierende und mit ihr zusammen geschaffene Disposition.157 Als erstgeschaffenes Maß ist sie das erste aller Maße überhaupt.158 Der Doctor seraphicus begründete diese Sonderstellung an dieser Stelle ausdrücklich damit, dass sie mensura egressionis ist. Dabei bezog er sich auf die bereits im vorausgehenden Zeitbegriff (d. h. communiter) enthaltene „Schöpfungszeit“ des exitus de non-esse in esse. Im Hinblick auf die körperliche Substanz wird dieser besondere Rang der so verstandenen Zeit auch darin deutlich, dass die Zeit aus den anderen Größen als unmittelbar mit der Materie verbundene herausgehoben wird.159 In Übereinstimmung mit der gegebenen Definition betonte Bonaventura weiter, dass Zeit in ihrem weitesten Sinn sowohl das Maß der Entstehung der Dinge (mensura egressionis) als auch das Maß ihrer Dauer (mensura durationis) ist.160 Bedenkt man, dass Bonaventura die duratio als continuatio in esse verstand,161 so wird der Zusammenhang der beiden Bedeutungen von Zeit deutlich: Erstere blickt auf den Zeit-Punkt der Schöpfung, die creatio ex nihilo als jenen Moment des Umschlags vom Nicht-Sein zum Sein, der als mutatio ad esse begriffen wird, die Zeit im letzteren Sinn hingegen schließt durch die Betrachtung der Zeit-Dauer auch die creatio continua ein. Anders gesagt: Erstere betont den Aspekt des Ins-Dasein-Tretens, letztere den des Im-Daseingehalten-Werdens. Auch aus dieser Perspektive wird verständlich, warum die Zeit im ersten Sinn dem aevum (logisch) vorausgeht, während es in dem zweiten Sinn dieses enthält. Und es wird klar, dass die Definition der Zeit communissime dictum tatsächlich eine Verallgemeinerung der Zeit communiter dictum ist (auf den ersten Blick fällt ja eher auf, das es sich um verschiedene Aspekte der Zeit handelt): „Dauern“ enthält nämlich, vom Geschöpf ausgesagt, implizit auch den Anfang des Dauerns,162 einerlei, ob die Dauer selbst so beschaffen ist, dass am Ende etwas irgendwie anderes steht (tempus), oder ob der einmal gesetzte Anfang sich bis zum Ende durchhält (aevum). Die letztere 157 158

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Vgl. den Abschnitt unten ab S. 284. II Sent. 2, 1, 2, 3, resp. [II, 68a]: prima inter mensuras est tempus, quia non tantum dicit mensuram durationis, sed etiam egressionis. – Mensura ist im engeren Sinn zu verstehen, d. h., die aeternitas als ungeschaffenes, uneigentliches Maß wird hier nicht betrachtet. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]: Si autem quaeras, quare non sic est in aliis quantitatibus, cum omnes respiciant materiam; dicendum, quod omnes aliae, etsi esse incompletum habeant in materia … tamen esse completum ipsarum est a materia existente sub forma. – Hierbei ist vorausgesetzt, dass der Maßbegriff seinerseits vom Begriff der quantitas abhängt, vgl. hierzu I Sent. 24, 2, 2, ad 1 [I, 427]: quantitatis est mensurare oder II Sent. 2, 1, 1, 3, sc. 4 [II, 62]: sed mensura secundum veritatem est in genere quantitatis. Vgl. noch einmal oben Anm. 158; in dem letzteren Sinn, als mensura durationis, wurde Zeit etwa auch in II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b] verstanden, wenn es hieß: tempus autem respicit ipsam durationem variam et successivam … Vgl. II Sent. 37, 1, 2, fund. 2 [II, 864]: Si ergo creatura continue est, et continuatio in esse non est aliud quam duratio, cum esse eius non possit esse nisi a Deo, omnis rei conservatio est a Deo. Vgl. hierzu auch die Umschreibung der mensura durationis creatae als omnis durationis mensuram, cuius est ponere principium in II Sent. 2, 1, 1, 1, ad 2 [II, 57].

200

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

Charakterisierung des Unterschieds von Zeit und aevum brachte Bonaventura auch in ein sehr sprechendes Bild: Das unter dem Maß der Zeit stehende Existieren gleicht einem Bach, der von der Quelle her stets mit neuem Wasser versorgt wird. Eine vom aevum gemessene Existenz ist dagegen einem Sonnenstrahl vergleichbar; das Licht, aus dem er besteht, durchströmt ihn nicht, sondern ist während der Zeit seines Bestehens einfach gegenwärtig.163 In beiden Fällen ist es dabei die Quelle, an der die gesamte Existenz des Strahls hängt. Als letzter Punkt in diesem Abschnitt ist zu betrachten, wie Bonaventura in dem allgemeinsten Zeitbegriff tempus (im engeren Sinn) und aevum aufgehoben lassen sein konnte und doch beides zugleich von der aeternitas absetzte.164 Fragt man, worin die Gemeinsamkeit der drei „zeitlichen“ Größen besteht, so stellt man fest: Alle drei sind Maße165 und alle drei bezeichnen eine duratio,166 deren Wesen (essentia durationis) im 163

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II Sent. 2, 1, 1, 3, resp. [II, 62b]: … rivulus sic egreditur a fonte, quod nova aqua semper exit, non eadem; radius a sole continue egreditur, non quia semper novum aliquid emittatur, sed quia quod emissum est continuatur; unde solis influentia non est aliud quam continuatio dati. Similiter in motu, et in esse rei mobilis aliqua proprietas habita amittitur, vel non habita acquiritur; sed in esse rei aeviternae quod primo datum est per continuam Dei influentiam continuatur. – RICHARD VON SANKT VIKTOR, Trin. I, 9 [TPMÂ 6, 94] gebrauchte dasselbe Bild des Strahls um die coaeternitas von erster und zweiter göttlicher Person zu verdeutlichen. – Ein modernes Verständnis, das um die endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichtes weiß, kann den Unterschied zwischen Lichtstrahl und Wasserstrahl nicht erfassen; Bonaventura dagegen verstand die Ausbreitung des Lichtes als einen instantan zu denkenden Fortpflanzungsprozess, bei dem das Licht den ihm zur Verfügung stehenden Raum auf einmal und zugleich mit seiner Quelle ausfüllt; vgl. hierzu I Sent. 37, 2, 2, 3, ad 1 [I, 663]: … aliter potest dici, quod lux subito movetur, quia motus lucis in medio non est motus localis tantum, sed est motus diffusionis, qui est generatio, sicut generatur idolum ab obiecto; et quia lux simul est et lucet, simul cum est, generat splendorem, et ita in eodem instanti; similiter de illo intelligi potest, et sic deinceps. Unde si simul esset homo et generaret, in primo instanti fuisset mundus plenus hominibus. Erhellend ist hierzu auch I Sent. 9, 1, 4, resp. [I, 186]: Quaedam sunt, in quibus est idem fieri et esse et factum esse, ut sunt illa, quae habent esse permanens et totaliter dependent a principio producente, existente in sua actualitate per eundem modum, per quem in principio, non tantum in se, sed etiam respectu producti, ita quod consimilis modus actualitatis attendatur quantum ad utrumque; et talia sunt influentiae sive coporales sive spirituales. Unde Augustinus octavo super Genesim ad litteram dicit, quod lumen semper nascitur et, dum nascitur, est, unde aër semper est illuminatus et semper illuminatur. Er zitierte hier frei AUGUSTINUS, Gen. litt. VIII, 12, 26 [BA 49, 48]. Darum sprach Bonaventura bei dem hier vorliegenden Zeitbegriff von der mensura cuiuslibet durationis creatae. Für die Zeit dürfte dies hinreichend klargeworden sein, für das aevum vgl. z. B. II Sent. 2, 1, 1, 1; 2, 1, 1, 3, sc. 4 [II, 55–57.62]; für die aeternitas vgl. Trin. 5, 1, sc. 1 & ad 1 [V, 88.90] (wobei die Ewigkeit nicht in einem univoken Sinn „Maß“ ist). Vgl., was bereits oben S. 165, Anm. 5 zu der Trias tempus – aevum – aeternitas gesagt wurde, vgl. ferner S. 207 über die immensitas Gottes und S. 299. Für das aevum vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, fund. 4 & ad 2 & ad 6 [II, 55.57]; für die aeternitas Trin. 5, 1, ad 1 [V, 90] (significat divinum esse per modum durationis, quae quidem duratio, etsi omnem creaturam in infinitum excedat).

Verschiedene Begriffe von Zeit

201

nunc besteht.167 Ihr Unterschied besteht in dem je verschiedenen modus durandi der göttlichen Substanz, der geschaffenen geistigen Substanzen und der vergänglichen körperlichen Substanzen.168 Lässt sich dieser Unterschied im modus durandi noch etwas genauer fassen? Man mag ja versucht sein anzunehmen, die die Inklusion ermöglichende Gemeinsamkeit von tempus im engeren Sinn und von aevum beruhe auf dem nunc, d. h., das nunc aevi und das nunc temporis wären wesentlich dasselbe169 und der Unterschied bestünde in einer endlich dauernden Folge von Augenblicken hier und in einer unendlichen dort. Bei näherem Hinsehen erweist sich dies jedoch als Irrweg,170 schon allein deswegen, weil sich auf diese Weise die aeternitas nicht vom aevum trennen ließe. Die die Dauer konstituierenden „Jetzte“171 sind keineswegs dieselben:172 Das nunc 167 168 169

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Vgl. Trin. 5, 1, ad 14 [V, 92b]: nunc autem est tota essentia durationis. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, fund. 6 [II, 55]: mensura durationis respicit modum durandi; vgl. auch BIGI, La dottrina della temporalità, 112f. Bonaventura diskutierte II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56] zwei Meinungen, die er ablehnte: (1) idem est nunc aevi et temporis und (2) nunc temporis et aevi idem est per essentiam, non sicut individuum, sed ad modum materiae idem per essentiam, differens autem solum quantum ad esse. Bonaventura hob dagegen die wesentliche Verschiedenheit sowohl der nunc als auch der Maße heraus: … quod spiritualia habent mensuram diversam a tempore, non solum in genere mensurae, verum etiam in genere entis; et hoc non solum comparatione, sed etiam secundum substantiam et formam. – Ähnlich äußerte sich Bonaventura hinsichtlich der Ewigkeit in III Sent. 8, 2, 1, ad 6 [III, 193a]: Aeternitas enim et tempus sunt diversae mensurae per essentiam. – Die gegenteilige Position der wesentlichen Gleichheit der beiden (oder aller drei) Maße wurde auch bei anderen Autoren als (abgelehnte) Meinung zitiert, etwa bei WILHELM VON AUVERGNE, De universo I, 2, 1 [Ed. cit. I, 683a AB]: opinati sunt quidam aeternitatem aliud non esse in essentia, quam tempus (vgl. hierzu auch Anna RODOLFI, Tempo e creazione nel pensiero di Bonaventura da Bagnoregio, in: Studi Medievali, 3. Ser. 37 (1996) 135–169, hier 145f., Anm. 25); oder THOMAS VON SUTTON (?), De instantibus 2, 321, in: Divi Thomae Aquinatis Opuscula philosophica, cura et studio P. Fr. Raymundi M. Spiazzi, Turin – Rom 1954, 111–117, hier 114: Et quidam referunt hoc ad instans aevi dicentes ipsum esse idem secundum rem cum instanti temporis, differens tamen ratione. Eine interessante Begründung dieser Position findet sich bei ALBERTUS MAGNUS, De IV coaequaevis 2, 6, 1, sol. [Ed. Paris. 34, 390b]: Sunt tamen qui dicunt, quod … idem est nunc istorum trium [scil. temporis, aevi et aeternitatis]. Dicunt enim, quod tempus substantiam non habet a motu, sed quod sit numerus, et ideo volunt, quod idem nunc est stans in comparatione ad aeternum et aeviternum, et numeratum in comparatione ad temporalia … Ähnlich wie schon bei Aristoteles die ewig dauernde Bewegung der Planeten und des Fixsternhimmels nicht nur als eine Perpetuierung der irdischen Vorgänge verstanden werden konnte. Das Problem besteht beide Male darin, dass Zeit nicht so sehr unter dem quantitativen, als vielmehr unter qualitativen und teleologischen Aspekten betrachtet wurde. «Nunc» ist in diesem übergreifenden Zusammenhang schwer zu übersetzen. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56b]: Nam, sicut dicit Augustinus in libro Octoginta trium Quaestionum, hoc, scilicet nunc aevi, est stabile, illud, scilicet nunc temporis, est fluxibile; sed impossibile est, quod unum et idem et secundum idem simul moveatur et stet. Bonaventura zitierte hier frei AUGUSTINUS, Div. qu. 72 [CC.SL 44a, 208], siehe Anm. 344, S. 151. Vgl. auch II Sent. 2, 1, 2, 1, ad 1 [II, 65b]: [Tempus] defluit continua deperditione; sed in aevo est fixio sine deperditione et novi acquisitione. Man vgl. weiter das Scholion nr. 1 zu I Sent. 39, 2, 3 [I, 697a] Aliud est nunc

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

temporis fließt, es kann nicht gehalten werden und bewirkt, dass das von ihm gemessene Sein stets ein neues, stets anders wird; das nunc aevi dagegen ist stabil, die dadurch geschenkte Existenz ist eine dauerhafte, dem Wandel entzogene, mit sich selbst identische. Das nunc aeternitatis schließlich ist mit der Ewigkeit real identisch und teilt sowohl deren Einfachheit und Gleichzeitigkeit wie auch deren Unendlichkeit (interminabilitas).173 Zeit und aevum vergleichend konstatierte Bonaventura: … in aevo est ponere prius et posterius, et est ponere aliquam successionem, aliam tamen successionem quam in tempore. In tempore enim est successio cum variatione, et prius et posterius cum inveteratione et renovatione. In aevo vero est prius et posterius, quod dicit durationis extensionem, quod tamen nullam dicit variationem nec innovationem.174

Hier wird nicht nur deutlich, was für Bonaventura aevum und tempus miteinander verbindet, sondern auch, was sie trennt: Es ist die im prius et posterius bestehende Abfolge (successio), die beiden gemeinsam ist und die sie von der aeternitas trennt. Die variatio hingegen macht den Unterschied des Dauerns von Zeit und aevum aus.175 Nach diesem Überblick über die verschiedenen Bedeutungen, die der Zeitbegriff bei Bonaventura annimmt, dürfte man eine Idee davon bekommen haben, wie weit das Areal ist, das hier mit dem Begriff „Zeit“ abgesteckt wurde. Insbesondere jener letzte, allgemeinste Zeitbegriff geht über die Vorgaben der vergleichbaren Definitionen bei Alexander von Hales und Albertus Magnus hinaus.176 Auch Bonaventura selbst ging in keiner der an anderen Stellen gegebenen Bestimmungen von Zeit so weit, die „Schöpfungszeit“ als mensura mutationis ad esse noch einmal zu übersteigen.177 Man mag da-

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(sive instans praesens) temporis, aliud nunc aevi, aliud nunc aeternitatis mit dem Hinweis auf die Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 3 (70) [Ed. cit. I, 109f.]. Siehe Trin. 5, 1, ad 13 [V, 92], besonders: secundum rem nihil quidem addit, sed solum secundum rationem intelligendi. Ferner I Sent. 5, dub. 8, resp. [I, 121f.] (zitiert Anm. 166, S. 239). – Selbstverständlich ist auch das nunc aeternitatis ein „stehendes“ nunc. Das hatte bereits Boethius festgestellt, vgl. Quomodo trinitas unus deus 4 [LCL 74, 22]: … nostrum «nunc» quasi currens tempus facit et sempiternitatem, divinum vero «nunc» permanens neque movens sese atque consistens aeternitatem facit. II Sent. 2, 1, 1, 3, resp. [II, 62b], man denke auch noch einmal an das unmittelbar auf diese Ausführungen folgende Bild vom Wasserstrahl und vom Lichtstrahl. Sehr klar führte Bonaventura dies auch in I Sent. 8, 1, dub. 7, resp. [I, 163] über den Gebrauch der grammatikalischen Zeitstufen aus: … quod verba diversorum temporum aliter dicuntur de aeterno, aliter de aeviterno, aliter de temporali. Nam respectu temporalis important mutabilitatem et successionem et durationem. Secundum vero quod de aeviternis dicuntur, duo tantum important, successionem et durationem, sicut vult Hieronymus, Augustinus et Anselmus. Secundum vero quod dicuntur de Deo, important solum durationem. Siehe oben S. 170 mit Anm. 23 und 24. Man vgl. auch noch einmal die Tabelle in Anm. 132, S. 194. Ergänzend ist zu bemerken, dass der Doctor universalis in De IV coaequaevis 2, 3, prooem. [Ed. Paris. 34, 339] den Traktat De tempore in die Abschnitte aeternitas, aevum und tempus im engeren Sinn untergliederte, wobei er alle drei Begriffe unter den gemeinsamen Blickpunkt des allgemein zeitlichen Maßes stellte (per eandem rationem mensurae in genere); vgl. oben S. 165, Anm. 5. Damit legte er zwar für den Gesamttrak-

Verschiedene Begriffe von Zeit

203

hinter die dezidierte Absicht erkennen, einerseits das aevum näher an die Zeit heranzuführen und stärker von der Ewigkeit zu trennen und andererseits im Zeitbegriff auch die creatio continua noch einzuholen. Es sind die theologischen Vorgaben – insbesondere die Lehre von der Schöpfung und von dem Sein und der Bewegung der Engel – die den aristotelischen Rahmen des Zeitbegriffs sprengten und ihn letztlich als eine coarctata temporis acceptio erwiesen. Die Grundentscheidung des Doctor seraphicus, die geschaffenen zeitlichen Maße tempus und aevum, zusammen zu betrachten (in strikter Absetzung von der aeternitas Gottes) schränkte die Möglichkeiten, die Zeitphilosophie des Stagiriten in seine eigenen Darlegungen zu übernehmen, deutlich ein, obwohl der Doctor seraphicus sich auch darum erkennbar bemühte. Thomas von Aquin fiel es vergleichsweise leichter einen systematisch aristotelischen Ansatz zu verfolgen, denn er stellte das aevum mehr auf die Seite der aeternitas.178 Im Blick auf die Bestimmung der aristotelischen Zeit als coarctata temporis acceptio erscheint es mir schließlich nicht angebracht, diese als den eigentlichen Zeitbegriff Bonaventuras anzusehen, der von ihm favorisiert würde.179 Der „eigentlichste“ (magis proprie) Zeitbegriff ist er in dem Sinn, dass er der natürlichste, d. h. zuerst auf die physische Welt bezogene Zeitbegriff ist, doch eben darin liegt auch seine Beschränktheit; es ist der jeweilige Kontext, der schließlich vorgibt, welcher Zeitbegriff der angemessene ist.180 Die verschiedenen Zeitbegriffe stellen damit keine der Freude an distinctiones entsprungene scholastische Spielerei dar, vielmehr entsprechen sie einer sachlichen Notwendigkeit; nicht umsonst wiederholte Bonaventura die Definition an verschiedenen Stellen seines Werkes.

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tat einen noch weiteren „Zeit“-Begriff als der Doctor seraphicus zugrunde, dieser wurde aber nicht in einer eigenen Definition eingefangen. Die Zeitdefinitionen Alberts fanden sich vielmehr in dem Unterabschnitt über die Zeit im engeren Sinn, sind also klar der Unterscheidung von aeternitas, aevum und tempus untergeordnet (was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass keine der in den beiden Definitionen vorgestellten Bedeutungen von Zeit das aevum enthält). Vgl. auch unten den Abschnitt ab S. 306, insbesondere S. 308 mit Anm. 53. Vgl. RATZINGER, Der Mensch und die Zeit, 476f. mit Bezug auf die Zeit magis proprie: „Man muss indes fragen, ob es nicht doch sein eigentlicher Zeitbegriff ist, zumal er anderwärts die angegebenen weiteren Verwendungen des Wortes tempus nur mit Einschränkungen gestattet.“ Vgl. bereits oben S. 178. Und darum wird, wenn von der Bewegung der Sphären die Rede ist (etwa in der von Ratzinger im Zusammenhang der vorigen Anmerkung angegebenen Stelle II Sent. 14, 2, 1, 3, resp. [II, 355f.]), der aristotelische Zeitbegriff zugrunde gelegt, während die Diskussion der Erkenntnis der Dämonen (vgl. oben S. 185, Anm. 95) explizit den weiteren Zeitbegriff (proprie im Sinn der Definition) erfordert und die Schöpfung (creatio-passio) nur unter Zugrundelegung des allgemeinen Zeitbegriffs als zeitlich verstanden werden kann (vgl. unten S. 278).

2

Philosophische Klärungen

Der Überblick über die verschiedenen Bedeutungen, die der Zeitbegriff bei Bonaventura annimmt, hat gewissermaßen das Feld geöffnet für die Fragestellungen, die sich mit dem Phänomen Zeit verbinden. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich Bonaventura als Theologe verstand, wenn er von Zeit sprach;1 gemäß dem Verständnis, das er von dem Verhältnis der beiden Wissenschaften hatte, sollte dabei ebenso klar sein, dass dies die Behandlung der (natur)philosophischen Aspekte des Zeitproblems nicht aus- sondern einschloss. Die Art seines Zugangs wirkte sich dabei weniger auf der materialen Seite aus (d. h. auf die Frage, welche Themen im Rahmen der Erörterung der Frage nach der Zeit behandelt werden) als vielmehr auf der formalen, nämlich unter welcher Systematik das Zeitproblem angegangen wurde. Die so verstandene Prävalenz des Theologischen hat zur Folge, dass die Rekonstruktion seiner philosophischen Positionen immer wieder an Grenzen stoßen wird. Dennoch erscheint sie als notwendig (damals wie heute), allein schon, um sich im Rahmen des komplexen mit Zeit verbundenen Begriffsapparates verständlich machen zu können. Die Klärung der mit „Zeit“ verbundenen Begrifflichkeit soll dabei auch in den folgenden Darlegungen am Anfang stehen, bevor die komplexeren Probleme wie die Frage nach der Bedeutung des nunc, nach dem Bezug der Zeit zur Materie und nach der Einheit der Zeit angegangen werden.

2.1

Die Zeit als Maß

Eine erste Antwort auf die Frage „Was ist Zeit?“ könnte lauten: Die Zeit ist ein Maß. Bei Bonaventura findet man diese Antwort insofern, als die oben vorgestellten verschiedenen Bedeutungen von Zeit allesamt unter dem Maßbegriff stehen, der dann im Einzelnen näher bestimmt wird. Schon ein oberflächlicher Blick auf die Inhalte der einzelnen Zeitbedeutungen zeigt dabei, dass der Maßbegriff hier nicht in seiner heutigen technisch-quantitativen Bedeutung verstanden werden kann.

1

Siehe oben S. 167.

Philosophische Klärungen

2.1.1

205

Der Maßbegriff

Fragt man, was Bonaventura und seine Zeitgenossen unter mensura verstanden, so ist man sicherlich nicht schlecht beraten, sich zunächst die Merkmale ins Gedächtnis zu rufen, die Aristoteles mit dem Maßbegriff verband.2 Die grundlegendste Bestimmung, die den Zugang zu dessen Verständnis eröffnet, findet man in Metaphysica X (Ι), 1, wo „Maß“ als das definiert wird, „wodurch als Erstes ein jedes [Ding] erkannt wird“.3 In diesem allgemeinen erkenntnistheoretischen Sinn kann dann etwa auch die Wissenschaft oder die Sinneswahrnehmung als das jeweilige Maß ihrer Gegenstände bezeichnet werden.4 Das principium (die ἀρχή) einer Sache wurde so in einem hervorragenden Sinn als „Maß“ verstanden. Dies setzte sich fort in dem Gedanken, dass es das Erste (Ding) in jeder Gattung ist, das innerhalb dieser Gattung das Maß für alle übrigen darstellt. Insofern besaß jede Gattung ihr eigenes Maß und so konnte z. B. das Weiße als das Maß aller Farben angesehen werden.5 So weit die allgemeine Bestimmung des Maßbegriffs. Im eigentlichen Sinn des Wortes findet man das Maß in der Kategorie der Größe (quantitas): Maß ist das, wodurch die quantitas einer Sache erkannt wird.6 Da jede quantitative Größe als solches aber durch die Zahl und damit durch das Eine als

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Man vgl. für das Folgende die Zusammenfassung bei Wolfgang BREIDERT, Zum maßtheoretischen Zusammenhang zwischen Indivisibile und Kontinuum, in: Albert Zimmermann (Hrsg.), Mensura. Maß, Zahl, Zahlensymbolik im Mittelalter, 1. Halbband (= Miscellanea Mediaevalia 16/1), Berlin u. a. 1983, 145–152, bes. 145f. – ein (stark auf Metaphysica X (Ι), 1 bezogenes) Konzentrat zum Maßbegriff findet man auch bei THOMAS VON AQUIN, I Sent. 8, 4, 2, ad 3 [Ed. cit. I, 223]. 1052b 25: λέγεται µέτρον τε ᾧ ἕκαστον πρώτῳ γιγνώσκεται. Vgl. ebd. [1053a 31–33]; unmittelbar darauf erklärte Aristoteles den berühmten Satz des Protagoras „Der Mensch ist das Maß aller Dinge“ so, dass dies dem Menschen aufgrund seiner Erkenntnis- und Wahrnehmungsfähigkeit zukommt. – Von da eröffnet sich auch ein weiteres (hier allerdings nicht angesprochenes) Anwendungsfeld des Maßbegriffes in der (antiken) Ethik und Tugendlehre: Auch dort geht es – in Verbindung mit dem delphischen „Erkenne dich selbst“ – um die Erkenntnis des rechten Maßes. Vgl. Metaphysica X (Ι), 1 [1052b 18f.31f.], in den Auctoritates Aristotelis, Metaphysica X, nr. 239 [PhMed 17, 135] wiedergegeben als: In unoquoque genere est dare aliquod primum et minimum quod fit metrum et mensura omnium illorum quae sunt in illo genere. Ähnlich in Metaphysica (transl. media) 5 (∆), 6 [Aristoteles Latinus XXV.2, 93, Z. 10f.; 1016b 18–20]: … prima namque mensura principium, nam quo primo cognoscimus, hoc est prima mensura cuiusque generis. – Bei Bonaventura ist dies z. B. II Sent. 3, 1, 1, 2, arg. 2 & sc. 6 [II, 94.96] zu finden; sc. 6 betont dabei außerdem, dass dieses erste Maß zugleich das vollkommenste Seiende in der betrachteten Gattung ist (illud unum, quod est mensura generis, debet esse perfectissimum in genere illo). Vgl. Metaphysica X (Ι), 1 [1052b 20]; THOMAS VON AQUIN, In Metaph. X, 2, 1938 (2) [Ed. cit. III, 166]: Mensura autem nihil aliud est quam id quo quantitas rei cognoscitur; ähnlich I Sent. 8, 4, 2, ad 3 [Ed. cit. I, 223]. – Im genannten Kontext machte Aristoteles auch darauf aufmerksam, dass die vorgenannten allgemeinen Bestimmungen des Maßbegriffs durch Übertragung von diesem eigentlichen Verständnis des Maßes zustande kommen.

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

206

Prinzip der Zahl erkannt wird, stellt dieses gewissermaßen das Urbild des Maßes dar.7 Die übrigen quantitativen Maße ergeben sich aus dem weiteren Aufbau der Kategorie quantitas, die die diskreten Größen Zahl und „Rede“ sowie die kontinuierlichen Größen Strecke, Oberfläche, Raum(inhalt), Ort und Zeit enthält.8 Als grundlegende Bestimmung des Quantitativen wird dessen Teilbarkeit (im Sinn von Zerlegbarkeit in mehrere Teile) verstanden, wobei Aristoteles die Menge (multitudo) als das Zählbare von der Größe (magnitudo) als dem Messbaren unterschied.9 Tabelle 5: Aufbau der Kategorie quantitas discreta

quantitas

numerus oratio linea superficies

continua

corpus locus tempus

Aus diesen allgemeinen Bestimmungen des Maßbegriffes ergaben sich weitere Eigenschaften und Forderungen an ein (quantitatives) Maß: Das Maß muss in der gleichen Gattung wie das Gemessene sein, d. h., es muss ihm gleichartig sein (Homogenitätsforderung).10 Weiter müssen Maß und Gemessenes in einem ganzzahligen Verhältnis zu-

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Vgl. Metaphysica X (Ι), 1 [1052b 22f.]: ὥστε πᾶν τὸ ποσὸν γιγνώσκεται ᾗ ποσὸν τῷ ἑνί, καὶ ᾧ πρώτῳ ποσὰ γιγνώσκεται, τοῦτο αὐτὸ ἕν. Vgl. Categoriae (transl. Boethii) 6 [Aristoteles latinus I.1.5, 13; 4b 22–25]: Est autem discreta quantitas ut numerus et oratio, continua vero ut linea, superficies, corpus, praeter haec vero tempus et locus. – Im Folgenden wird außerdem zwischen den Größen unterschieden, deren Teile eine Lage (positio) besitzen, nämlich Strecke, Fläche, Raum und Ort, und denen, deren Teile eine Ordnung (ordo) aufweisen, das sind die verbleibenden: Zahl, Zeit und Rede (als kleinste Teile der Rede wurden die Silben angesehen). – Die Parallelstelle in Metaphysica V (∆), 13 [1020a 7–32] teilte die Kategorie des ποσόν nur in die Größen Zahl, Strecke, Fläche, Raum. Zeit und Bewegung werden dort nur in einem akzidentellen, d. h. nicht eigentlichen Sinn Größen genannt, denn Zeit lässt sich auf Bewegung zurückführen und diese wiederum auf den Ort. Metaphysica V (∆), 13 [1020a 7–10]: ποσὸν λέγεται τὸ διαιρετὸν εἰς ἐνυπάρχοντα, … πλῆθος µὲν οὖν ποσόν τι ἐὰν ἀριθµητὸν ᾖ, µέγεθος δ’ ἐὰν µετρητὸν ᾖ. – Bonaventura nahm den Bezug zwischen Maß, Größe (quantitas) und Teilbarkeit z. B. in II Sent. 2, 1, 1, 3, sc. 4 [II, 62] auf: … mensura secundum veritatem est in genere quantitatis, et talis est divisibilis, ergo habens partes … Vgl. Metaphysica X (Ι), 1 [1053a 24f.]: αἰεὶ δὲ συγγενὲς τὸ µέτρον.

Philosophische Klärungen

207

einander stehen (Kommensurabilitätsforderung).11 Aus Letzterem ergab sich insbesondere, dass ein Maß endlich sein muss, denn das Unendliche steht zum Endlichen in keinem Verhältnis, es ist unerkennbar.12 Schließlich soll gelten: Das Maß ist (a) eine gewisse Einheit, näherhin die erste (oder kleinste) in der betrachteten Gattung;13 (b) als Anfang oder Prinzip (principium) ist es damit auch unteilbar (indivisibile).14 Die Unteilbarkeit ist der entscheidende Unterschied zwischen Maß und Gemessenem. – Da die beiden Bedingungen insbesondere bei kontinuierlichen Größen ein Problem darstellen, präzisierte Aristoteles, in welchem Sinn er hier „Unteilbarkeit“ verstanden wissen wollte:15 nämlich entweder (a) schlechthin (indivisibile simpliciter) oder (b) für die Wahrnehmung (indivisibile secundum sensum, ununterscheidbar) oder (c) gemäß Konvention (indivisibile secundum institutionem).16 Auch in allen diesen weiteren Bestimmungen ist es das Verhältnis der Eins (Einheit) zu den Zahlen, das Modellcharakter besitzt und in dem die vorgestellten Forderungen am besten erfüllt sind.17 Die Vorstellung Bonaventuras vom Maßbegriff folgte über weite Strecken der aristotelischen Vorgabe, er setzte aber durchaus auch einige eigene Akzente. Ein Maß zu besitzen ist demnach ein Kennzeichen des Geschaffenen, während die immensitas gerade

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Vgl. Metaphysica X (Ι), 1 [1053a 14–18]; die Kommensurabilität ergibt sich dabei nicht schon aus der Homogenität, wie die bekannten Beispiele des irrationalen Verhältnisses von Quadratseite und Quadratdiagonale, von Kreisdurchmesser und Kreisumfang zeigen – in beiden Fällen wird also das eine jeweils nicht durch das andere gemessen. Vgl. z. B. De caelo I, 6 [274a 7f.]: λόγος δ’ οὐθείς ἐστι τοῦ ἀπείρου πρὸς τὸ πεπερασµένον; ebd. (transl. Guillelmi de Moerbeke) [ALD2 ]: Proportio autem nulla est infiniti ad finitum; ferner Physica I, 4 [187b 7f.]: … ἄπειρον ᾗ ἄπειρον ἄγνοστον; sowie die Ausführungen in Metaphysica II (Α ἐλ.), 2 [994b 20–31]. Das ganze erste Kapitel von Metaphysica X steht unter dem Anspruch, die Bedeutungen des „Einen“ zu erfassen. Aus dieser Forderung der Einheit des Maßes wird bei Bonaventura etwa der (innerhalb einer Gegenargumentation vorgetragene) Gedankengang verständlich, die Einheit der Materie daraus zu begründen, dass sie das Maß in der Gattung der Substanzen ist (vgl. II Sent. 3, 1, 1, 2, sc. 6 & ad 6 [II, 96.98]); vgl. auch unten S. 271. Vgl. Metaphysica X (Ι), 1 [1052b 31f.]: ἐν πᾶσι δὴ τούτοις µέτρον καὶ ἀρχὴ ἕν τι καὶ ἀδιαίρετον. Vgl. ebd. [1052b 33 – 1053a 14]. Der Text des Aristoteles scheint mir die beiden letzteren Aspekte (indivisibile secundum sensum oder secundum institutionem) nicht deutlich zu trennen; dass er aber durchaus in diesem Sinn verstanden wurde, zeigt AVERROES, In Metaphysicam X, 1 [Ed. cit. VIII, fol. 252v H]: Et intendit declarare, quod in ista non invenitur aliquod unum, scilicet indivisibile per naturam; sed, cum homines voluerint mensurare in istis rebus, posuerunt unum per institutionem, et inspexerunt, quod esset valde simile uni numerali. – THOMAS VON AQUIN, I Sent. 8, 4, 2, ad 3 [Ed. cit. I, 223] unterschied im Blick auf die Maße ein minimum simpliciter und ein minimum secundum positionem. Ähnlich ROBERT KILWARDBY, De tempore 11, 50 [ABMA 9, 21, Z. 19f.] zu der Aristotelesstelle: … dicit quod in continuis non est minimum simpliciter set positione. In diesem Sinn nannte Aristoteles das Maß der Zahl auch das genaueste (ἀκριβέστατον); vgl. Metaphysica X (Ι), 1 [1053a 1].

208

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

zu den Attributen Gottes gehört.18 Die Gott zukommende immensitas schließt dabei weder aus, dass Gott sich selbst Maß ist,19 noch dass er für die Geschöpfe (in supereminenter Weise) Maß ist, da ihm als Prinzip sowie aufgrund seiner Einheit, Einfachheit und Vollkommenheit alle Kennzeichen eines Maßes zukommen.20 Die Verbindung des Maßbegriffs mit dem geschaffenen Sein zeigt sich darin, dass dieses als begrenztes (d. h. von anderem Seienden verschiedenes, in mannigfacher Weise zusammengesetztes) immer zugleich ein gemessenes ist, wobei das Maß nichts anderes ist als das Erkenntnismittel, das diese Begrenztheit offenbart.21 Darin drückt sich die göttliche Ordnung aus, denn er hat alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet (Weish 11, 20 [21]),22 so dass diese, durch das Maß angezeigte Begrenztheit, nicht einen Defekt darstellt, sondern vielmehr auf ihre Weise auf die Vollständigkeit (completio) und Vollkommenheit (perfectio) alles Geschaffenen hindeutet.23 18

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Vgl. z. B. Brev. I, 2 [V, 211a]; Itin. V, 7 [V, 309] und besonders Trin. 4, 1 [V, 79–84], z. B. ad 10 [V, 83]: unitas divina … nec limitata est nec mensurata, sed potius immensa, quia nec coarctans nec coarctata, nec ab alio nec a se ipsa; im Responsum [V, 81a] werden infinitas und immensitas gleichgesetzt (infinitatem sive immensitatem), aufgrund der absoluten Einfachheit Gottes gilt dies in jeder Hinsicht (ebd. [V, 81b]: quia simpliciter summum, necesse est esse omnino immensum). Allerdings weicht dieser Gebrauch etwas von der Verwendung in I Sent. ab, denn dort wurde bisweilen die immensitas auf die Privation des örtlichen Maßes bezogen (im Gegensatz zur aeternitas im Hinblick auf zeitliche Ungemessenheit); vgl. z. B. I Sent. 37, 1, 2, 2, resp. [I, 645]: et sic idem est Deum esse ubique quod Deum esse immensum; ebd. 8, 1, 2, 1, resp.; 19, 1, 1, 2, resp. [I, 157. 345a]; ferner Itin. V, 8 [V, 310a]: Quia perfectissimum et immensum, ideo est intra omnia, non inclusum, extra omnia, non exclusum, supra omnia, non elatum, infra omnia, non prostratum. Z. B. in der aeternitas, vgl. Trin. 5, 1, ad 1.2 [V, 90]: non per conterminationem, quia immensum non habet terminum, sed per mutui excessus privationem. Vgl. z. B. II Sent. 1, 2, 1, 1, resp. [II, 40]. Vgl. besonders II Sent. 2, 1, 1, 1, fund. 5 [II, 55]: omne quod habet esse limitatum actu, habet mensuram, per quam potest cognosci eius limitatio; sed tale est esse omnis creati. Ferner I Sent. 24, 2, 2, ad 1 [I, 427]: Distinctio in creaturis est per alicuius proprietatis vel qualitatis appositionem, et ita per additionem; ubi autem additio, ibi limitatio; ubi limitatio, ibi unius ab alio divisio, et ubi haec sunt, ibi aggregatio diversorum et mensuratio. Et quia quantitatis est mensurare, ad distinctionem in inferioribus sequitur numerus et est modus essendi consequens materiam cum forma. – Dass insbesondere die zeitliche Messbarkeit zur Geschöpflichkeit hinzugehört, besagte Serm. temp., De Trinitate [IX, 353b]: Impossibile enim est, aliquid esse immensum, quod habet esse post non esse; et ideo nulla creatura est immensa secundum durationem, sed mensurata. Vgl. dazu auch John A. Wayne HELLMANN, Ordo. Untersuchung eines Grundgedankens in der Theologie Bonaventuras (= Veröffentlichungen des Grabmann-Institutes zur Erforschung der mittelalterlichen Philosophie und Theologie. Neue Folge 18), München u. a. 1974, 97f. Itin. I, 11 [V, 298b]: … res in se ipsis considerans, videt in eis pondus, numerum et mensuram: pondus quoad situm, ubi inclinantur, numerum, quo distinguuntur, et mensuram, qua limitantur. Ist die (recht verstandene) infinitas für Gott eine Vollkommenheit (vgl. Trin. 4, 1, resp. [V, 81a]: Infinitum vero per abnegationem termini circa quantitatem virtutis non dicit aliquam imperfectionem, sed summam perfectionem; vgl. auch ebd., ad 1 [V, 82]), so stellt sie für das Geschöpf – in seiner Hinordnung auf Gott – einen gefährlichen Mangel dar, vgl. III Sent. 13, 1, 2, sc. 3 [III, 279]: … infinitas in creatura tollit bonum et perfectionem, quia quod est infinitum caret fine et termino,

Philosophische Klärungen

209

Auch für den Doctor seraphicus war dabei „Messen“ mit Quantität verbunden (mensura est in genere quantitatis),24 wobei er diese quantitas im engeren Sinn als eine quantitas molis auffasste, im Gegensatz zur ungemessenen quantitas virtutis Gottes.25 Deswegen ist das geschöpfliche Gemessen-Sein auch verbunden mit der compositio aus Form und Materie.26 Näherhin hält sich die quantitas dabei an die (je nach der betrachteten Größe) unter einer bestimmten Form existierende Materie – ausgenommen allein die Zeit, die ihr Sein aus dem Streben der Materie nach der Form empfängt und keiner bestimmten vorhandenen Form bedarf.27 Von daher wird verständlich, dass für Bonaventura jedes einem Seienden eigene Maß durch ein bestimmtes Entsprechungsverhältnis (proportio) gegeben ist.28 In dieser Sichtweise ist eingeschlossen, dass jedes Maß zunächst eine intrinsische Disposition (habitudo) des betrachteten Seienden darstellt, denn es wird aufgrund einer Betrachtung dieses Seienden an sich (in se) erkannt.29 Bonaventura war sich indes be-

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ergo bonitate et complemento. Umgekehrt gilt (ebd., resp. [III, 279]): Finitas enim et mensuratio circa creaturam potius dicit complementum quam imperfectionem. – Brev. II, 1 [V, 219a] sagte am Ende der Fundierung: Quae quidem [scil. pondus, numerus et mensura] reperiuntur in omnibus creaturis tanquam vestigium Creatoris, sive corporalibus, sive spiritualibus, sive ex utrisque compositis. Vgl. bereits oben S. 206, Anm. 9 (nebenbei bemerkt: Die Teilbarkeit weist dort auch auf die kreatürliche Zusammensetzung hin) sowie Anm. 21 und öfter. Vgl. z. B. I Sent. 19, 1, 1, 1, resp. [I, 343]: Quantitas autem dicitur dupliciter: proprie, scilicet quantitas molis, et translative, quantitas virtutis. … Haec autem quantitas virtutis ponitur in spiritualibus et summe reperitur in divinis, quia haec quantitas non repugnat simplicitati, sed consonat. Ferner ebd., qu. 2, resp. [I, 345a]: Quia enim in divinis non est extensio molis nec aggregatio multitudinis, ideo non est ibi quantitas continua intrinseca nec discreta, sed loco eius est quantitas virtutis, quae tangitur per hoc membrum, quod est potentia. Vgl. oben Anm. 21: Et quia quantitatis est mensurare, … est modus essendi consequens materiam cum forma. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59f.]: Si autem quaeras, quare non sic est in aliis quantitatibus, cum omnes respiciant materiam; dicendum, quod omnes aliae, etsi esse incompletum habeant in materia – nam sunt in materia dimensiones infinitae – tamen esse completum ipsarum est a materia existente sub forma. Tempus autem habet esse ex hoc, quod materia tendit ad formam, propter hoc quod causatur a motu, qui est «entelechia entis in potentia», et ideo tenet se maxime ex parte materiae et ideo minime distinctum. Vgl. I Sent. 3, 1, dub. 3, resp. [I, 78f.]: … dicendum quod res creata habet tripliciter considerari: aut (1) in se, aut (2) in comparatione ad alias creaturas, aut (3) in comparatione ad causam primam. Et secundum hos omnes modos contingit reperire trinitatem dupliciter. Si enim consideretur (1) quantum in se vel (a) quantum ad se, hoc est, aut quantum ad substantiam principiorum; et sic est illa trinitas; materia, forma, compositio, quae ponitur in libro de Regula fidei; aut (b) quantum ad habitudines; et sic est illa, Sapientiae undecimo [v. 21 (20)]: Omnia in numero, pondere et mensura disposuisti. In numero enim intelligitur principiorum distinctio, in pondere propria ipsorum inclinatio, in mensura eorum ad invicem proportio. … (Gliederungsnummern sind von mir eingefügt). Vgl. die vorausgehende Anmerkung und Anm. 22; zur Bedeutung von habitudo vgl. unten S. 286, Anm. 73.

210

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

wusst, dass diese Perspektive die Bandbreite der Bedeutungen von „Maß“ nicht voll ausschöpft, er unterschied daher zusätzlich zwischen intrinsischem und extrinsischem Maß (mensura intra/intrinseca bzw. extra/extrinseca).30 Den Ansatz zu dieser Unterscheidung bietet die Beobachtung, dass mit „Maß“ sowohl die bestimmte, in einem Seienden verwirklichte Quantität bestimmter Art gemeint sein kann (z. B. die Körpergröße eines Menschen) als auch der in der Regel außerhalb des so gemessenen Seienden liegende, der Messung zugrundeliegende Maßstab (etwa die Elle, mit der die Größe des Menschen gemessen wird). In dem ersteren Fall ist das Maß ein dem einzelnen Seienden inhärierendes Akzidens und es vervielfältigt sich entsprechend dem Axiom accidens multiplicatur ad multiplicationem subiecti31 zusammen mit dem Gemessenen, letzteres dagegen ist als Maß im Normalfall ein einziges innerhalb der betrachteten Gattung, wenn es mehrere geben muss, dann nur aufgrund einer in den gemessenen Gegenständen liegenden Notwendigkeit oder Inkompatibilität (incompossibilitas).32 Außer an der bereits zitierten Stelle ging Bonaventura nirgends näher auf die Unterscheidung zwischen mensura intrinseca und mensura extrinseca ein, von daher scheint ein kurzer Seitenblick auf den Gebrauch bei Thomas von Aquin hilfreich. Auch er betonte zunächst, das unterschiedliche Verhältnis von Maß und Gemessenem,33 das er vor allem im Hinblick auf die Zeit als Maß alternativ durch die Ausdrücke sicut accidens ad subiectum bzw. sicut mensura ad mensuratum beschrieb34 und das sich am 30

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Vgl. IV Sent. 49, 2, 2, 3, 1, ad 3 [IV, 1029] … dicendum, quod duplex est mensura, scilicet intra et extra. Mensura intra est propria et multiplicatur secundum multiplicationem mensurati, quia est unigenea mensurato; mensura extra non oportet, quod multiplicetur in quantum mensura; sed si multiplicatur, hoc est propter indigentiam vel incompossibilitatem mensuratorum. Vgl. unten S. 266 mit Anm. 288 (bei der Frage nach der Einheit der Zeit). Vgl. IV Sent. 49, 2, 2, 3, 1, ad 3 [IV, 1029] (zitiert in Anm. 30). Die von Bonaventura genannte Notwendigkeit (indigentia) zur Vervielfachung kann sich aus verschiedenen Sachverhalten ergeben: Im vorliegenden Fall ging es darum, dass zwar jeder Körper seinen eigenen Ort (als intrinsisches Maß) hat, dass aber daraus nicht schon folgt, dass zwei Körper nicht denselben Ort (als extrinsisches Maß) einnehmen können, dies ergibt sich vielmehr erst aus der besonderen zusätzlichen Eigenschaft der materiellen Körper, sich nicht gegenseitig durchdringen zu können. Weiter konnte die Vervielfältigung des Maß(stab)es durch die Inkommensurabilität zweier Größen in derselben Gattung erzwungen werden (vgl. oben Anm. 11). Und schließlich konnte man auch an das Nebeneinander von aristotelischer Zeit und aevum denken, die zwar beide die Dauer eines Seins messen, wo sich aber dieses Sein eben dadurch unterscheidet, dass es einmal ein „verfließendes“, das andere Mal ein stabiles Sein ist (vgl. z. B. II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56f.]). Vgl. II Sent. 2, 1, 2, ad 1 [Ed. cit. II, 67]: dicendum, quod mensura est duplex. Quaedam intrinseca, quae est in mensurato sicut accidens in subjecto; et haec multiplicatur ad multiplicationem mensurati; sicut plures lineae sunt quae mensurant longitudinem plurium corporum aequalium. Est etiam quaedam mensura extrinseca; et hanc non est necesse multiplicari ad multiplicationem mensuratorum, sed est in uno sicut in subjecto ad quod multa mensurantur, sicut multi panni mensurantur ad longitudinem unius ulnae. Vgl. S. th. I, 10, 6, resp. [Ed. Leonina IV, 104]: Sic ergo tempus ad illum motum [scil. primi mobilis] comparatur non solum ut mensura ad mensuratum, sed etiam ut accidens ad subiectum; et sic ab eo recipit unitatem. Ad alios autem motus comparatur solum ut mensura ad mensuratum. Unde

Philosophische Klärungen

211

augenfälligsten in der Vervielfältigung bzw. der Einheit des Maßes zeigt. Als vom Gemessenen verschiedenes Seiendes ist das extrinsische Maß außerdem eine mensura separata, als zum gleichen Genus wie das Gemessene gehörend und alle in diesem Genus vorfindbaren Seienden (inklusive sich selbst) messendes ist es mensura communis.35 – Für Thomas bedeutete mensura intrinseca und mensura extrinseca ein je verschiedenes Verständnis von Maß (ratio mensurae), nach dem sich die in der Kategorie quantitas vorliegenden (kontinuierlichen) Maße einteilen lassen: So gehören linea, superficies und profunditas (im Sinn von räumlicher Tiefe) zu den intrinsischen Maßen, während Zeit und Ort extrinsische Maße darstellen.36 Die Funktion der Terminologie besteht also darin, eine Typologie der Maße zur Verfügung zu stellen. Dagegen kommt der Aspekt, dass man grundsätzlich jedes Maß unter diesen beiden Hinsichten (Maßstab bzw. im Einzelseienden verwirklichte Quantität) betrachten kann, bei ihm so nicht vor, auch wenn der Doctor angelicus im Bezug auf den eine Strecke begrenzenden geometrischen Punkt feststellte, dass er sowohl intrinsisches als auch extrinsisches Maß der Linie sein kann.37 Nachfolgende Magistri, die die Unterscheidung von mensura extrinseca und

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secundum eorum multitudinem non multiplicatur, quia una mensura separata multa mensurari possunt; ähnlich II Sent. 2, 1, 2, resp. [Ed. cit. II, 67]; IV Sent. 11, 1, 3, 2, ad 2 [Ed. cit. 2IV, 449, nr. 91]. Vgl. Quodlibet 2, 3, resp. [Ed. Leonina XXV, 219, Z. 40–44]: Cum autem mensura sit homogenea mensurato, ut dicitur in X Metaphisice; manifestum est quod omnia que sunt unius generis possunt habere mensuram communem, non autem que sunt generum diversorum. Hier wie bei BONAVENTURA, IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250], ging es dabei um die Bewegung des primum mobile als Maß aller übrigen kontinuierlichen und regulären Bewegungen. – Die Unterscheidung von mensura propria (als mensura intrinseca) und mensura communis (als mensura extrinseca) begegnete ebenfalls bei BONAVENTURA, IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250]; obwohl die Konnotation dieser beiden Unterscheidungen (intrinseca/extrinseca – propria/communis) je eine verschiedene ist, möchte ich sie – mit BIGI, La dottrina della temporalità, 119f. – doch sachlich weitgehend miteinander identifizieren. Dies legt sich im Übrigen auch von daher nahe, da Thomas bei exakt derselben Frage (IV Sent. 11, 1, 3, 2, ad 2 [Ed. cit. 2IV, 448, nr. 89]; S. th. III, 75, 7, ad 1 [Ed. Leonina XII, 175b]) die Terminologie der mensura extrinseca/intrinseca gebrauchte. Man beachte ferner, dass die Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 3 (67), ad 2 [Ed. cit. I, 104b] oder ROBERT KILWARDBY, De tempore 15, 84 [ABMA 9, 31] die Unterscheidung von eigentlichem und allgemeinem Maß in einem anderen Sinn gebrauchten, wenn sie für einen bestimmten Prozess (z. B. das Tun eines Engels oder die Schöpfung) die Zeit als die mensura propria, die Ewigkeit dagegen als die mensura communis (transcendens) bestimmten (hier geht es um die Frage einer Hierarchie der zeitlichen Maße, sofern sie denselben Vorgang messen). Vgl. De veritate 1, 5, resp. [Ed. Leonina XXII.1, 18, Z. 188–192]; ferner auch S. th. III, 75, 7, ad 1 [Ed. Leonina XII, 175b]; In Metaph. V, 15, 986 (10) [Ed. cit. II, 208]. – BONAVENTURA, II Sent. 2, 1, 1, 2, sc. 3 [II, 58] berichtete dieselbe Ansicht, ohne sie zu teilen: Positio enim multorum est, quare tempus unum potest esse: quia, quamvis sit accidens, tamen est mensura extrinseca, sicut locus. Vgl. IV Sent. 11, 1, 3, 2, ad 2 [Ed. cit. 2IV, 448, nr. 89]: Sed illud non potest stare: quia cum punctum sit terminus lineae, quae potest esse mensura et intranea et extranea, possibile est puncta assignare et intrinseca et extrinseca; sed instans est terminus temporis quod nunquam est nisi mensura extrinseca. – De veritate 1, 4, ad 1; 1, 5, resp; 1, 6, resp. [Ed. Leonina XXII.1, 14, Z.

212

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

mensura intrinseca aufnahmen, interpretierten sie jedoch zum Teil genau in der letztgenannten Richtung.38 Ob wiederum Bonaventura jedes Maß unter dieser doppelten Perspektive sah, muss (meines Erachtens) aufgrund der zu geringen Textbasis offenbleiben. Da es hier aber in erster Linie um die Frage nach der Zeit als Maß geht, lohnt sich für diesen Fall durchaus eine Untersuchung.

2.1.2

Die Zeit als extrinsisches und intrinsisches Maß

Bei Thomas von Aquin fällt auf, dass es bei den meisten Stellen, an denen er von der Unterscheidung von intrinsischem und extrinsischem Maß sprach, um die Zeit und insbesondere um ihr Verhältnis zur Bewegung des primum mobile ging.39 Näherhin lautete seine Frage, ob die Zeit unterschiedslos alle Formen von Bewegung misst oder ob ein besonderer Bezug zur Bewegung der Himmelssphäre besteht. Thomas’ Position war dabei denkbar klar: Per se misst die Zeit die Bewegung des primum mobile40 und ist so deren Akzidens (und damit mensura intrinseca); im Bezug auf die übrigen Bewegungen

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210–226; 18, Z. 184–255; 23, Z. 54 – 24, Z. 168] legte dar, dass die Wahrheit sowohl mensura intrinseca (als den Dingen inhärente ontologische Wahrheit) als auch mensura extrinseca (im Sinn Gottes als der maßgebenden prima veritas) verstanden werden kann; dies ist insofern kein besonders treffendes Beispiel, als hier ein je verschiedener Wahrheitsbegriff zugrunde gelegt wird. Vgl. z. B. GOTTFRIED VON FONTAINES, Quodlibetum XV, 9, resp., in: Le Quodlibet XV et trois Questions ordinaires de Godefroid de Fontaines, éd. par Odon Lottin (= Les philosophes belges 14), Louvain 1937, hier 48: Sciendum est quod mensura alicuius potest duobus modis accipi. Uno modo pro quantitate sua formaliter sibi inhaerente quae facit ipsum formaliter quantum, sicut si longitudo corporis qua formaliter est longum dicitur eius mensura. Alio modo dicitur mensura magis usitate illud quod ex sua applicatione ad alterum facit certitudinem de quantitate alterius, sicut si dicatur quod ulna est mensura panni. (Unterstreichung von mir). – RICHARD VON MEDIAVILLA, II Sent. 2, 2, 1, resp. [Ed. cit. II, 41f.] griff beide Aspekte auf. In einer umfangreichen Tafel unterschied er sechs Arten ein Wesen (essentia) zu betrachten und wies diesen Arten jeweils drei Maße zu: eine mensura intrinseca, eine mensura extrinseca in genere und eine mensura extrinseca extra genus (Letzteres ist immer das göttliche Wesen in einer bestimmten Hinsicht); in dieser Tafel traten dann (unter anderem) die Größen aus der Kategorie quantitas auf. Z. B. dem Ort als mensura extrinseca (in genere) entsprechen die räumlichen Größen Strecke, Fläche, Körper (als continuae quantitates permanentes) als mensurae intrinsecae. Die Zeit im eigentlichen Sinn ist extrinsisches Maß, in einem uneigentlichen Sinn (als propria continuatio eines Seienden) ist sie intrinsisches Maß. Dasselbe gilt für das aevum. – Man erkennt, dass hier bereits eine deutlich ausgearbeitetere Terminologie vorlag als im Vergleich zu der Zeit, da Bonaventura seinen Sentenzenkommentar schrieb. Ausgangspunkt für die gesamte Fragestellung war die entsprechende Zeitaporie bei Aristoteles, Physica IV, 14 [223a 29 – 223b 12], vgl. auch oben S. 102 mit Anm. 48. Vgl. I Sent. 19, 2, 1, ad 4 [Ed. cit. I, 469]: tempus per se est mensura motus primi; unde esse rerum temporalium non mensuratur tempore nisi prout subjacet variationi ex motu caeli. Ebenso II Sent. 2, 1, 2, ad 1 [Ed. cit. II, 67]: hoc modo [scil. mensurae extrinsecae] multi motus mensurantur ad numerum unius primi motus, qui numerus est tempus.

Philosophische Klärungen

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dagegen ist sie mensura extrinseca.41 Wenn auch in etwas anderer Begrifflichkeit, so ist seine Antwort damit im Grundzug genau die des Averroes, der auf diese Weise die Allgegenwart und die Einheit der Zeit zum Ausgleich bringen wollte:42 Für den arabischen Philosophen misst die Zeit primo et essentialiter die Bewegung des primum mobile (und von daher ist sie eine einzige);43 per accidens dagegen kann sie auch die übrigen Bewegungen messen.44 Seine Überlegung wurde dabei durch die oben bereits vorgestellte Überzeugung geleitet,45 dass es in jedem Genus genau ein (sich durch seine Einheit und Vollkommenheit auszeichnendes) Erstes gibt, das das Maß für alle übrigen Seienden in diesem Genus ist. Im Falle der Bewegungen wurde dies auf die vollkommene Kreisbewegung des primum mobile angewandt, so dass sich die mit ihr verbundene Zeit auch als das erste Maß der übrigen Bewegungen erwies.46 – Nun sind bei Thomas und Averroes die Verhältnisse relativ einfach, da sie die Zeit ganz von der aristotelischen Definition des numerus motus secundum prius et posterius verstanden. Doch wie sieht die Situation bei Bonaventura aus? Hier hat man die verschiedenen Bedeutungen von Zeit einzeln zu untersuchen.

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Vgl. S. th. III, 75, 7 ad 1 [Ed. Leonina XII, 175b]: Quia instans et tempus particularibus motibus non est mensura intrinseca, sicut linea et punctus corporibus: sed solum extrinseca, sicut corporibus locus. Ausführlicher und differenzierter unten in dem Abschnitt zur Einheit der Zeit ab S. 266, besonders ab S. 267. Auch ROBERT KILWARDBY, De tempore 8, 35 [ABMA 9, 16, Z. 15–17] verstand Averroes genau in diesem Sinn: … dicit Auerroes quod motus circularis primus diurnus est subiectum temporis, et ipse sumitur in sua diffinitione. Er problematisierte anschließend ebd. 10, 39 [ABMA 9, 18, Z. 4–6]: … videtur esse contra sermonem Aristotilis. Dicit enim in capitulo de tempore, quod tempus est simul et ubique apud omnes. Vgl. In Phys. IV, comm. 132 [Ed. cit. IV, fol. 203v G]: … quod secundum hoc, quod in definitione temporis accipitur motus, sequitur unum motum, et est numerus illius primo et essentialiter, et secundum quod mensurat omnes motus, est numerus cuiuslibet motus. Vgl. hierzu auch unten S. 269, Anm. 300. Vgl. z. B. In Phys. IV, comm. 133 [Ed. cit. IV, fol. 204v K]: … quod tempus mensuratur per motum, licet sit mensuratio accidentalis … – ALBERTUS MAGNUS, Physica IV, 3, 17 [Ed. Colon. IV.1, 291, Z. 55–64] erklärte die Unterscheidung von mensurare per se / per essentiam / essentialiter und mensurare per accidens / accidentaliter so: Mensuratur enim unumquodque non univoca mensura, et hoc dupliciter, scilicet quando per quantitatem mensurae accipimus quantitatem mensurati, sicut mensuramus per ulnam pannum et cado oleum et lagena vinum; mensuratur etiam aliquando accidentaliter, sicut quando per mensuratum accipimus quantitatem mensurantis, sicut per quantitatem vini, cuius quantitas est nobis nota, accipimus quantitatem lagenae. Vgl. oben S. 205. Vgl. AVERROES, In Phys. IV, comm. 133 [Ed. cit. IV, fol. 204v L]: Cum manifestum est, quod prima mensura et indivisibilis in aliquo genere est illud, per quod mensurantur omnia, quae sunt in illo genere, dignius motuum, ut suum tempus sit primum tempus, est motus circularis aequalis … – Entscheidend ist dann freilich, wie weit man das Genus „Bewegung“ fasst.

214 2.1.2.1

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit Tempus magis proprie dictum und tempus proprie dictum

Beginnt man bei der Zeit im engsten Sinn (magis proprie), so findet man erwartungsgemäß zunächst eine gewisse Nähe zur Position des Aquinaten, denn hier bewegt man sich ja gerade auf dem Boden der aristotelischen Zeitdefinition. Die aristotelische Zeit Bonaventuras ist Maß der Bewegung (mensura motus), sofern dieser motus den oben näher spezifizierten Bedingungen (sukzessiv, kontinuierlich und unter der regulatio des primum mobile) genügt.47 Die durch das primum mobile vorgegebene Zeit war dabei auch für Bonaventura ein allgemeines Maß (mensura communis – im Sinn eines für alle zugänglichen Maßstabes) durch das alle Bewegungen der beschriebenen Art gemessen werden,48 und insofern wird man nicht fehlgehen, diese Zeit als extrinsisches Maß für die von ihr gemessenen Zeiten anzusehen. 49 Gleichzeitig jedoch distanzierte sich Bonaventura von der Lösung des Averroes, denn per se ist das primum mobile nicht das Subjekt der Zeit, es ist nicht einmal dasjenige, an dem sie zuerst erscheint (apparet).50 Die Regularität der Bewegung der Himmelssphäre und ihre allgemeine Zugänglichkeit (nobis notissimum)51 mögen ihr zwar in praktischer Hinsicht als Maß einen gewissen Vorrang einräumen, zum eigentlichen Träger der Zeit wird sie dadurch jedoch nicht. Wenn Bonaventura statt dessen auf die Materie als das Einheitsprinzip der Zeit zurückgriff, so zeigt sich darin auch, dass für ihn Zeit in glei47 48

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Vgl. oben den Abschnitt zu tempus magis proprie ab S. 174; kurz in II Sent. 2, 1, 2, 1, ad 3 [II, 65]: nam sicut tempus mensurat motum, sic nunc temporis mensurat mobile inquantum mobile. Vgl. IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250b]: Si autem accipiatur instans secundum communem mensuram, quae est tempus continuum, non intercisum, ut est mensura motus primi mobilis, … – In demselben Sinn ist die Argumentation von II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59] zu verstehen: quia etsi omnia habeant proprias periodos, tamen omnia numerantur et mensurantur per mensuram motus regularis et certi et nobis notissimi, scilicet motus mobilis primi. – Das „alle“ ist dabei auf die nach Stunden, Tagen und Jahren gemessenen Zeiten (siehe den unmittelbar vorausliegenden Text) zu beziehen. Der extrinsische Maßstab (die Bewegung des primum mobile) ist also zu unterscheiden von den von ihm gemessenen Zeiten, gleichwohl ist beides Zeit im engsten Sinn des Wortes. Das sind die beiden Thesen, die in II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59] sukzessive als falsch bzw. ungenügend abgelehnt werden. Der Abschnitt über die Einheit der Zeit geht hierauf ab S. 267 ausführlich ein. – Bonaventuras (aus Aristoteles selbst genommenes) Argument, dass es zwei prima mobilia geben könnte, erweist die daraus abgeleitete Einheit der Zeit als eine rein zufällige (vgl. dazu auch unten S. 270 mit Anm. 305). Im Hintergrund dieses Gedankenexperiments mag die Überlegung stehen, dass nicht nur die Bewegung der Sonne, sondern auch die des Mondes als ebenbürtiges zeitliches Maß dienen kann. Augenscheinlich wird das z. B. am jüdischen Kalender (vgl. II Sent. 14, 2, dub. 4 [II, 369b]). Auf das Schwanken Bonaventuras, welche Sphäre mit ihrer Bewegung nun genau das herausragende Zeitmaß ist (Sonnenbewegung, Sternbewegung oder die Bewegung des primum mobile) wurde oben (S. 175) bereits hingewiesen: Die Bewegung des primum mobile übertrifft zwar an Gleichförmigkeit die übrigen, da sie aber im Gegensatz zum täglichen Umlauf der Sonne und der Sterne für Bonaventura nur indirekt wahrnehmbar ist, wird man sie höchstens theoretisch als notissimum oder als mensura communis bezeichnen können, bei diesen Bestimmungen denkt Bonaventura insofern wohl eher an die achte Sphäre als an das primum mobile.

Philosophische Klärungen

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cher Weise mit allen Bewegungen verbunden ist. Da dies aber insbesondere auch für jene Bewegungen gilt, die nicht der regulatio des primum mobile unterliegen, wird man weiter fragen, wie die Verhältnisse bei der Zeit im eigentlichen Sinn liegen. Den Schlüssel zu der Frage, ob die Zeit im eigentlichen Sinn (proprie dictum) extrinsisches oder intrinsisches Maß ist, findet man in der Aussage Bonaventuras, dass die zu verschiedenen Bewegungen gehörige Zeit zwar in ihrem Wesen eine ist, sie sich in ihrem Sein aber mit diesen vervielfältigt.52 Noch einmal deutlicher gesagt: Blickt man auf das Sein der Zeit, so gilt: «unumquodque propria periodo mensuratur», quae quidem cum re incipit et desinit.53 Das heißt aber nichts anderes, als dass jede Bewegung und jedes Ding seine eigene Zeit, sein eigenes Maß hat, das in der ihm je eigenen Dauer besteht.54 In ihrem Sein betrachtet ist die eigentliche Zeit (tempus proprie) damit zweifellos ein intrinsisches Maß. Dies steht in bester Übereinstimmung mit der aristotelischen Vorstellung von der Zeit als Akzidens der Bewegung. Sieht man weiterhin – wie in der Definition von II Sent. 2, 1, 2, 1 geschehen – die „eigentlichste“ Zeit (tempus magis proprie) als einen Spezialfall der eigentlichen Zeit (tempus proprie), so ist auch diese als intrinsisches Maß anzusehen. Anders gesagt: das tempus magis proprie hat einen extrinsischen Maßstab in der Bewegung des primum mobile, gleichwohl ist die einzelne davon gemessene Dauer – nicht als abstrakte Größe (z. B. 80 Jahre), sondern als Dauer eines Seins (z. B. die Lebenszeit dieses oder jenes Menschen) – ein intrinsisches Maß. Ein Unterschied zwischen tempus proprie und tempus magis proprie besteht dann insofern, als bei ersterem durch die Ausweitung auf beliebige, nicht notwendig unter der regulatio des primum mobile stehende Bewegungen kein herausragender Maßstab mehr existiert.

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Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]: Et si quaeras, unde est hoc, quod tempus est unum, cum tamen motus sint varii; … ideo tempus non tantum est unum specie in omnibus temporalibus, immo etiam quantum ad essentiam unum numero, differens per esse. – Ausführlich dazu in dem Exkurs ab S. 217. Den Zusammenhang zwischen tempus proprie, Sein der Zeit und intrinsischem Maß betonte auch RODOLFI, Tempo e creazione, 162; vgl. aber bereits BIGI, La dottrina della temporalità, 120f. IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250]; Bonaventura zitierte hier eine Sentenz des Stagiriten aus De generatione et corruptione II, 10 [336b 10–15] – vgl. auch Auctoritates Aristotelis, De generatione, nr. 46 [PhMed 17, 170] –, die er bereits in II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59] verwendet hatte (siehe oben Anm. 48). Der Kontext des eben zitierten Satzes aus IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250] lautet (es geht dabei um die Frage, ob die Transsubstantiation eine sukzessive oder instantane Veränderung ist): Et ideo dicendum est ultimo, quod tempus sive instans mensura ultimi esse panis et primi esse corporis, potest dupliciter accipi: vel in duratione propria uniuscuiusque, sicut dicit Philosophus, quod «unumquodque propria periodo mensuratur», quae quidem cum re incipit et desinit; et sic sunt diversae mensurae discontinuae et diversa instantia consequenter se habentia sicut sunt duo esse, esse scilicet panis et corporis … – Was hier für die zwei Zustände (Brot bzw. Leib Christi) gesagt ist, beschrieb II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b] im Hinblick auf verschiedene Bewegungen (Kontext vgl. oben Anm. 52): tempus autem respicit ipsam durationem variam et successivam.

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

Von einer etwas anderen Richtung her gedacht, löst diese Bestimmung der Zeit als intrinsisches Maß auch die aristotelische Frage, ob sie – als Zahl der Bewegung – konkrete gezählte Zahl (numerus numeratus) oder abstrakte, zählende Zahl (numerus numerans) ist:55 Als dispositio rei extra, non fictio animae ist sie die in der Sache selbst gegebene gezählte Zahl.56 Die regelmäßige Bewegung des primum mobile ermöglicht dabei für die im strengen Sinn „aristotelische“ Zeit (tempus magis proprie) die Zählung. Bei den anderen Zeitformen dagegen kann „Zahl“ nur mehr in einem weiten Sinn verstanden werden, das heißt als eine die Vergleichbarkeit der Sukzession und der Dauer der betrachteten Bewegungen repräsentierende Größe. Diese Aufweitung des Zahlbegriffs ergibt sich als notwendige Konsequenz aus Bonaventuras Sicht der Zeit als eines intrinsischen Maßes aller natürlichen Bewegungen. Von daher wird aber auch verständlich, warum der Doctor seraphicus für seine zahlreichen Zeitdefinitionen den Maßbegriff gegenüber dem Zahlbegriff bevorzugte:57 Der Maßbegriff – der, wie gesehen, die Begrenzung (limitatio) einer Sache deutlich macht – umfasst den Zahlbegriff und ist deutlich weiter als dieser.58 Gleichwohl dachte Bonaventura auch die eigentliche Zeit als quantitas (Größe).59 Innerhalb der kontinuierlichen Größen der Kategorie quantitas, ergibt sich dabei eine 55 56

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Zu Aristoteles vgl. oben ab S. 101. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]: … quia tempus non est numerus numerans, sed numeratus, ut Philosophus vult, et tempus est dispositio rei extra, non fictio animae. – Bonaventura bezog sich dabei auf ARISTOTELES, Physica IV, 11.14 [219b 5–9; 223a 29 – 224a 15] (zu der bereits bei Aristoteles gegebenen Unklarheit vgl. oben S. 101 und S. 105); was die Konsequenzen hinsichtlich des Verhältnisses von Zeit und Seele anlangt, siehe unten S. 267 und S. 339. Vgl. dazu bereits oben S. 171, Anm. 25. Auch im Vergleich mit ROBERT KILWARDBY, De tempore 6 [ABMA 9, 13–15] wird dies deutlich. Er lehnte sich enger an die aristotelische Zeitdefinition an und verstand die Zeit als Zahl und nicht (so sehr) als Maß der Bewegung; mit zwei Argumenten begründete er seine Position: (1) in nr. 26 [ABMA 9, 13, Z. 24–29]: Ratio enim mensure conuenit omni quantitati; mensurare autem numerabiliter conuenit soli quantitati discrete aut quantitati continue suscipienti aliquo modo discretionem. Sic autem est tempus mensura, ut iam patebit, scilicet ut continuum et discretum, et ideo ponitur «numerus» in sua definitione et non «mensura», quia nomen «numeri» importat idem quod «mensura» et amplius; und (2) in nr. 27 [ABMA 9, 14, Z. 1–3]: Item, «mensura» nichil aliud dicit absolute nisi manifestationem determinate quantitatis; «numerus» autem et idem dicit et modum numerosum circa hoc. – So wie Robert für den zahlhaften Aspekt der Zeit plädierte und dabei ihre Bedeutung einengte, so wollte umgekehrt Bonaventura den Zeitbegriff – und hier ist die Rede von der Zeit im eigentlichen Sinn – von vorneherein in einem weiteren Rahmen sehen, der gewissermaßen eine natürliche Ausrichtung auf die beiden allgemeinen Zeitbegriffe (communiter, communissime) besitzt. Man vgl. hierzu auch noch einmal I Sent. 24, 2, 2, ad 1 [I, 427] (zitiert oben S. 208, Anm. 21), wo die numeratio als ein die mensuratio voraussetzendes Moment beschrieben wird; ähnlich I Sent. 43, 1, 3, resp. [I, 772a]: Quoniam igitur ordo praesupponit numerum, et numerus praesupponit mensuram, quia non ordinantur ad aliud nisi numerata, et non numerantur nisi limitata; ideo necesse fuit, Deum facere omnia in numero, pondere et mensura. Vgl. oben S. 209 mit Anm. 26; der weite quantitas-Begriff Bonaventuras zeigte sich auch dort, wo er das aevum als eine quantitas ansah; vgl. z. B. II Sent. 2, 1, 1, 1, ad 6 [II, 57].

Philosophische Klärungen

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Zweiteilung, bei der die räumlichen Größen (linea, superficies, corpus, locus) als durch ihre Ausdehnung (extensio) gemessene, der Zeit als durch ihre Dauer (duratio) gemessener gegenüberstehen.60 Der Unterschied zwischen den beiden Größen ist fundamental, denn extensio bedeutet immer eine Zusammensetzung aus zugleich und nebeneinander liegenden Teilen, während die Dauer nichts anderes besagt als ein ununterbrochenes Sein (esse non intercisum), das keine gleichzeitig bestehenden Teile besitzt.61 Diese im Begriff der Dauer selbst implizierte Einfachheit war nebenbei bemerkt für Bonaventura auch der Grund, warum die Engel als einfache Substanzen zwar eine Dauer, aber keine räumliche Ausdehnung besitzen.62 Die Sonderstellung der Zeit innerhalb der kontinuierlichen quantitates spiegelt sich darin wider, dass sie den geringsten „Abstand“ zu der alle Größen verursachenden Materie besitzt: Zwar ist auch sie nicht in der völlig formlosen materia prima zu finden, doch anders als die räumlichen Größen setzt sie keine bestimmte Formung der Materie voraus, sondern bezieht ihr Sein allein aus dem Streben der Materie nach der Form.63 2.1.2.2

Exkurs: tempus secundum esse und tempus secundum essentiam

Zeit kann sowohl als extrinsisches wie auch als intrinsisches Maß verstanden werden, ersteres ist ein einziges, letzteres vervielfältigt sich mit dem von ihm Gemessenen. Im Hinblick darauf erscheint hier der geeignete Ort eine weitere grundlegende Unterscheidung Bonaventuras in den Blick zu nehmen. Wie oben bereits angesprochen64 kann Zeit sowohl in ihrem Sein (secundum esse) als auch in ihrem Wesen (secundum essentiam) angeschaut werden. Die gemeinsame Linie aller Stellen, an denen der Doctor seraphi-

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Bonaventura betonte dabei eigens, dass die Dauer gerade keine Ausdehnung besitzt; vgl. Trin. 5, 1, ad 10 [V, 91b]: extensio semper dicit partem extra partem, ac per hoc corporeitatem, quantitatem et partibilitatem; duratio autem dicit esse non intercisum, quod quidem non solum reperitur in compositis, verum etiam in simplicibus. Vgl. erneut Anm. 60 sowie S. 199, Anm. 161 (Dauer als continuatio in esse) und Trin. 5, 1, ad 14 [V, 92]; schließlich II Sent. 2, 1, 1, 3, ad 4 [II, 63]: Quod obiicitur, quod substantiae simplicis proprietas non potest esse composita; dicendum, quod verum est, si illa proprietas habeat compositionem partium simul entium; nunc autem non est sic, immo de aevo nunquam est nisi nunc, sicut et de tempore dicitur. Et ita bene potest esse in simplici, ut in composito; unde tantam extensionem habet duratio unius grani milii, sicut et unius montis. In diesem Sinn auch II Sent. 2, 1, 1, 1, ad 3 [II, 57] (auf das aevum bezogen): … dicendum, quod Angelus vere habet durationem, sed non habet extensionem; et ideo habet mensuram durationis, non extensionis. Vgl. oben S. 209, Anm. 27, der dort zitierte Text aus II Sent. 2, 1, 1, 2 [II, 59f.] fuhr fort: Nec dico, quod tempus sit in materia ipsa, omni forma circumscripta, quia hoc esset contra Augustinum duodecimo Confessionum, quia non est vicissitudo aliqua in materia, nisi cum in ea est aliqua forma; sed quamvis sit in materia, quae est sub forma et ab ipsa causetur, magis tamen causatur a materia ut tendit ad formam, et hoc est in materia ratione suae potentiae. Siehe S. 215.

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

cus diese Differenzierung gebrauchte,65 besteht dabei in der Feststellung: Secundum essentiam ist die Zeit eine einzige, während es dem Sein nach betrachtet viele Zeiten gibt.66 Um Missverständnissen vorzubeugen, wird dabei eigens hervorgehoben, dass es sich dabei nicht nur um eine spezifische Einheit (unum specie, d. h. so, wie die Individuen einer Art durch ein gemeinsames Wesen verbunden sind), sondern um eine numerische Einheit (unum numero) handelt.67 Weitere Beobachtungen ergänzen dieses Bild: Die nach ihrem Wesen verstandene Zeit stellt für Bonaventura ein einziges, ununterbrochenes Kontinuum dar, in dem das nunc eine besondere Rolle spielt, denn in ihm ist das ganze Wesen (tota essentia) der so verstandenen Zeit gegeben.68 Bei diesem nunc, welches das Wesen der Zeit ausmacht, wird dabei nicht an ein beliebiges nunc gedacht, sondern an das allererste, das Schöpfungs-nunc, das das principium alles Geschaffenen und ebenso der Zeit ist. Die genannten Aspekte machen deutlich, in welchem Sinn hier von essentia die Rede ist: Man hat sich dieses „Wesen“ nicht als ein rein abstraktes, nur im Denken gegebenes Allgemeines vorzustellen, sondern es ist als ein in einem Sein verwirklichtes Wesen zu verstehen.69 Eindrucksvoll kam dies etwa in einer (frühen) Marginalie zu IV Sent. 11, 1,

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So in II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 4 [II, 23]: Potest tamen et aliter dici, quod dupliciter est loqui de tempore: aut secundum essentiam, aut secundum esse. Si secundum essentiam, sic nunc est tota essentia temporis, et illud incepit cum re mobili, non in alio nunc, sed in se ipso, quia status est in primis, unde non habuit aliam mensuram. Si secundum esse, sic coepit cum motu variationis, scilicet nec coepit per creationem, sed potius per ipsorum mutabilium mutationem, et maxime primi mobilis. – Dann in II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]: Sicut igitur materia una est per essentiam, differens per esse, una non unitate universalitatis nec singularitatis, sed medio modo, sic et tempus in omnibus temporalibus; … ideo tempus non tantum est unum specie in omnibus temporalibus, immo etiam quantum ad essentiam unum numero, differens per esse, sicut posuerunt omnes sapientes, qui circa hanc materiam locuti sunt. Ferner ebd., ad 1 [II, 60]: … cum tempus, quantum est de se, respiciat variationem et motum, consequitur ipsa, quorum est mensura, ratione illius principii, per quod sunt entia in potentia; et quia illud unicum dicitur esse per essentiam, ideo et tempus. Und schließlich IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250b] (zitiert Anm. 226, S. 254). Bei den Stellen in II Sent. wird dies ausdrücklich hervorgehoben, in IV Sent. kommt deren Einheit darin zum Ausdruck, dass die secundum essentiam verstandene Zeit kontinuierlich und ununterbrochen ist und dass sie den vielen verschiedenen Eigenzeiten gegenübergestellt wird. Vgl. hierzu außerdem S. 215 mit Anm. 52 und Anm. 54. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b] (zitiert z. B. Anm. 52, S. 215). Die beiden Vorstellungen, dass die Zeit secundum essentiam sowohl ein continuum darstellt als auch mit einem nunc zusammenfällt, lassen sich aus heutiger Sicht schwer zusammendenken, vgl. dazu aber den Abschnitt ab S. 231. So auch BIGI, La dottrina della temporalità, 125. Für diesen Gebrauch des Begriffs essentia, der sich dem der substantia annähert, kann man auf Hex., princ., 2 (2), 22 [V, 340] verweisen: Opus autem Dei tripliciter dicitur: primo modo essentia, quodcumque illud sit et in quocumque genere, sive substantiae, sive accidentis; alio modo essentia completa, scilicet sola substantia; tertio modo essentia ad imaginem Dei facta ut spiritualis creatura. Die Reportatio A [Ed. Delorme, 27] spricht an derselben Stelle von substantia completa.

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1, 5, ad 4 zum Ausdruck.70 Sie bemühte den Vergleich mit dem Lichtstrahl, der in seinem Wesen ein einziger ist, aber beim Durchgang durch verschiedenfarbige transparente Körper ein – in der Farbe deutlich sichtbares – je anderes Sein annimmt. In dem Gedanken vom nunc als tota essentia temporis wird darüber hinaus auch der Unterschied zwischen den Verhältnissen im Raum und in der Zeit, zwischen extensio und duratio augenfällig: Weil die Zeit keine gleichzeitig existierenden Teile besitzt, sondern nur in dem einen unteilbaren Augenblick gegenwärtig ist, darum stellt das nunc das ganze Wesen, die gesamte Substanz der Zeit (tota essentia temporis) dar, während der Punkt zwar auch principium und insofern mensura71 der von ihm erzeugten räumlichen Größe ist,72 er ist aber – im Hinblick auf die übrigen, gleichzeitig existierenden Punkte – nicht ihr ganzes Wesen und er stellt auch keinen konstitutiven Teil von ihr dar.73 Die Unterscheidung von essentia und esse temporis stellt ein Novum in der Behandlung der Zeit dar, das der Doctor seraphicus nicht von Aristoteles lernen konnte.74 Fragt man sich, welche Vorstellungen ihn bei diesem Konzept geleitet haben, so wird man zuerst an die bei Anselm von Canterbury vorgetragenen Ausführungen über die Einheit der Zeit denken, die bei diesem parallel zu der durch sich subsistierenden Wahrheit gesehen wurde.75 Er zeichnete dort das Bild einer einzigen, die verschiedenen Zeiten 70 71

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Vgl. die Anm. 3 der Quaracchi-Edition (Opp. IV, 250b). Bonaventura sagte genauer, der Punkt ist principium mensurae; vgl. II Sent. 2, 1, 1, 3, sc. 4 [II, 62]: Si tu dicas, quod [scil. aevum] est quantitatis principium sicut punctus; contra: punctus non habet complete rationem mensurae, sed est principium mensurae … In erster Linie wird man hier an den (Anfangs-)Punkt einer Linie denken, in erweitertem Verständnis gilt dies dann auch für (begrenzte) Flächen und Körper. Vgl. Trin. 5, 1, ad 14 [V, 92]: Ad illud, quod obiicitur, quod licet punctus sit principium et medium et terminus extensionis, impossibile est intra ipsum intelligere extensionem; dicendum, quod non est simile: quia licet punctus sit principium extensionis, non tamen est tota extensionis essentia nec etiam pars constitutiva; nunc autem est tota essentia durationis … Et ratio huius est: quia extensio habet omnes partes simul, et quia «punctus est substantia posita» … ideo, cum sit indivisibile non potest esse totius divisibilis essentia nec pars constitutiva, cum quaelibet pars continui sit continua. Secus autem est de duratione, quia de ipsa nunquam est nisi praesens et indivisibile, etiam in duratione successiva. Et ideo non est mirum, si in nunc claudi potest essentia durationis et potissime illius, in qua non differt essentia et esse, sicut est in aeternitate. Vgl. hierzu auch unten S. 233 samt der vorausgehenden Erörterung. Vgl. GHISALBERTI, La concezione del tempo, 755 sowie RODOLFI, Tempo e creazione, 159 («La distinzione tra essenza ed essere del tempo … costituisce senz’altro l’elemento di maggiore novità della trattazione bonaventuriana della temporalità»). De veritate 13 [PhB 535, 74f.]: [Veritas] improprie «huius vel illius rei» esse dicitur, quoniam illa non in ipsis rebus aut ex ipsis aut per ipsas in quibus esse dicitur habet suum esse. Sed cum res ipsae secundum illam sunt, quae semper praesto est iis quae sunt sicut debent: tunc dicitur «huius vel illius rei veritas», ut veritas voluntatis, actionis, quemadmodum dicitur «tempus huius vel illius rei», cum unum et idem sit tempus omnium quae in eodem tempore simul sunt; et si non esset haec vel illa res, non minus esset idem tempus. Non enim ideo dicitur tempus huius vel illius rei, quia tempus est in ipsis rebus, sed quia ipsae sunt in tempore. Et sicut tempus per se consideratum non dicitur tempus alicuius, sed cum res quae in illo sunt consideramus, dicimus «tempus huius

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

dieses oder jenes Einzelseins umgreifenden Zeit. Ein zweiter Leitgedanke bestand darin, dass die Unterscheidung von Sein und Wesen der Zeit auf das entsprechende Verhältnis von Sein und Wesen der Materie gegründet wird.76 Wie weiter unten noch näher auszuführen ist,77 kommt dieses Entsprechungsverhältnis dadurch zustande, dass nicht mehr die Bewegung (motus), sondern die Materie als das Subjekt der Zeit verstanden wird. Die Materie, wie sie hier angeschaut wird, nämlich ut mutabilis oder ut ens in potentia, ist durch ihr Wesen eine einzige. Wiederum wird dabei das Wesen nicht als ein abstraktes aufgefasst – auf diesem Wege käme man zu einer materia informis, die zwar ein metaphysisches Seinsprinzip darstellt, aber zu keiner Veränderung fähig und damit der Zeit enthoben wäre.78 Ebenso falsch wäre es aber, dieses Wesen der Materie einfach als eine individuelle Substanz zu konzipieren, denn so gelangt man genau wieder zur materia secundum esse, die eine je verschiedene ist.79 Der Mittelweg besteht darin, die Materie nicht nur in ihrem Entblößtsein von der Form (ihrer informitas) zu sehen, sondern auch ihre Hinordnung auf die Form (als potentia suscipiendi formam) zu beachten. Diese Hinordnung, die Bonaventura als ein aktives Streben nach Formung (materia ut tendit ad formam) verstand, macht die Potentialität, das Potential der Materie aus und ist die eigentliche Ursache der Zeit. Die „numerische“ Einheit dieser Essenz der Materie wird verstanden als unitas homogeneitatis,80 das soll heißen, die so verstandene essentia ist gleichermaßen und ununterscheidbar in allen geschaffenen Dingen anwesend (simul in diversis) – ähnlich wie ein einziger Barren Gold nach der Verar-

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vel illius rei»: ita summa veritas per se subsistens nullius rei est … – Dieses Vorbild liegt deswegen nahe, weil in II Sent. 2, 1, 1, 2, sc. 1 [II, 58] ausdrücklich darauf Bezug genommen wurde: Sicut se habet tempus ad temporalia, ita aevum ad aeviterna; sed tempus est unum, quod mensurat omnia temporalia, sicut Anselmus dicit et Philosophus. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59] (zitiert oben Anm. 65, S. 218). Im Abschnitt über die Einheit der Zeit (ab S. 266). Vgl. erneut II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 60a]: Nec dico, quod tempus sit in ipsa materia, omni forma circumscripta, quia hoc esset contra Augustinum, duodecimo Confessionum, quia non est vicissitudo aliqua in materia, nisi cum in ea est aliqua forma; sed quamvis sit in materia, quae est sub forma et ab ipsa causetur, magis tamen causatur a materia, ut tendit ad formam, et hoc est in materia ratione suae potentiae. Ferner I Sent. 8, 1, 2, 2, sc. 1 & ad 1 [I, 159.160]: Im Argument war hier darauf hingewiesen worden: invariabilitas conveniat creaturis, utpote principiis. Nam Augustinus ostendit in duodecimo Confessionum, quod materia informis est invariabilis; quia quod caret forma, caret ordine, et quod caret ordine, caret vicissitudine, ergo variatione. Die Antwort darauf unterschied: Ad illud ergo quod obiicitur in contrarium, quod principia rerum sunt invariabilia; dicendum, quod verum est, si considerentur secundum essentiam abstractam; sed si considerentur secundum esse naturae, sic de necessitate habent accidentia coniuncta et possunt variari … (Unterstreichung von mir). In diesem Sinn hieß es in II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59]: … materia una est per essentiam, … non unitate universalitatis nec singularitatis, sed medio modo, wobei diese „mittlere Art“ die im Folgenden beschriebene unitas homogeneitatis ist. Vgl. unten zur Einheit der Zeit, besonders S. 272.

Philosophische Klärungen

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beitung in verschiedenen Gefäßen aufgeht.81 Entsprechendes wird man dann für die secundum essentiam genommene eine Zeit veranschlagen: Sie ist ein homogener, mit der res mobilis und deren mutabilitas gegebener Zeitfluss, der den gesamten Bereich des Geschaffenen einschließt. Sie ist Zeit „an sich“, insofern sie nur an eine ebenfalls als homogen zu denkende Materie gebunden ist, nicht aber an eine bestimmte Bewegung oder an die Dauer eines bestimmten Gegenstandes – im Gegensatz zu den vielen secundum esse verstandenen „Eigen“-Zeiten der Dinge, die auf die verschiedenen mutationes mutabilium bezogen sind.82 Insofern das beschriebene Wesen der Zeit auf ein metaphysisches Grundprinzip – die Materie – zurückgeführt wird, kann es sicherlich zu Recht als „metaphysische“ Zeit charakterisiert werden.83 Diese metaphysische Zeit begründet die in den verschiedenen Bewegungen gegebene „physische“ Zeit, das tempus secundum esse. Bei Bonaventura findet man einen Rückhalt für diese Bezeichnungen darin, dass er Entsprechendes für die Materie gelten lässt: Der Physiker betrachtet sie secundum esse, während das Geschäft des Metaphysikers in der Untersuchung des Wesens der Materie besteht.84 Die entscheidende Frage ist freilich, wie sich dieses „neue“ Zeitkonzept zu den vier Zeitdefinitionen in II Sent. 2, 1, 2, 1 verhält. Ein Vorschlag dazu, wie er sich so ähnlich auch bei Anna Rodolfi findet, verbindet auf der einen Seite die physische Zeit, das Sein der Zeit und die Zeit im eigentlichen Sinn (proprie) sowie auf der anderen Seite die metaphysische Zeit, das – durch das (primum) nunc repräsentierte – Wesen der Zeit und die allgemeine Bedeutung (communiter) von Zeit.85 Die Zusammengehörigkeit von tempus secundum esse und tempus proprie lässt sich dabei relativ einfach erkennen: Beide messen die aktuelle Veränderung und Bewegung eines Seins und vervielfältigen sich (als intrinsisches Maß) mit dem Gemessenen.86 Unter diesem Blickwinkel erkennt man dabei auch die Zusammengehörigkeit von tempus proprie und magis proprie: Insofern letzteres lediglich einen Spezialfall des ersteren darstellt, verbindet sich das Sein der Zeit auch mit der aristotelischen Zeit.87 81

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Vgl. II Sent. 3, 1, 1, 3, resp. [II, 100f.], besonders [II, 100b]: Haec autem unitas simul manet in diversis, sicut patet: si de eodem auro fiant multa vasa, illa sunt de eodem auro per homogeneitatem; sed aurum, quod est in uno, differt ab auro, quod est in alio adeo, ut non sint unum per continuitatem. Vgl. noch einmal II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 4 [II, 23] (zitiert Anm. 65, S. 218). So etwa RODOLFI, Tempo e creazione, 142f. und bes. 168 sowie GHISALBERTI, La concezione del tempo, 754. Siehe unten S. 261. Vgl. RODOLFI, Tempo e creazione, 162 & 168. Zur Definition der „metaphysischen Zeit“ bei ihr, vgl. ebd., 142f. Vgl. vor allem noch einmal II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59f.]. Dies wird insbesondere deutlich in Bonaventuras Bemerkung über den Beginn des tempus secundum esse in II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 4 [II, 23]. Er fällt nicht mit dem ersten nunc der Schöpfung zusammen, sondern: [tempus secundum esse] coepit cum motu variationis, scilicet nec coepit per creationem, sed potius per ipsorum mutabilium mutationem, et maxime primi mobilis (Unter-

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

Etwas differenzierter muss das Verhältnis von tempus secundum essentiam und tempus communiter dictum angeschaut werden. Gemeinsam ist beiden Konzepten vor allem der Blick auf das nunc (primum) der Schöpfung.88 Sowohl das Wesen der Zeit als auch die im allgemeinen Sinn verstandene Zeit sind nur zu verstehen, wenn man die Zeit selbst als Geschaffene, ja – um mit Beda zu sprechen – als Erstgeschaffene versteht. Allerdings sind die Akzente in beiden Konzepten durchaus etwas verschieden: Beim tempus communiter dictum ist es vor allem der als supernaturalis mutatio verstandene Übergang vom Nicht-Sein zum Sein, der die Begründung für dieses Zeitverständnis liefert, bei der secundum essentiam verstandenen Zeit steht dagegen die Parallele zur Materie als Begründungsinstrument im Vordergrund. Das Verständnis des Wesens der Zeit geschieht so über eine metaphysische Begründung, während für die allgemeine Zeit ein theologischer Zugang gewählt wurde. Das sind freilich Nuancen, die die Konvergenz der beiden Zeitbegriffe nicht verdecken sollen.89 Wie oben bei tempus proprie und tempus magis proprie kann auch hier die Zusammengehörigkeit der beiden Verständnisse von tempus communiter und tempus communissime betrachtet werden. Vor allem im Schöpfungsbezug der im allgemeinsten Sinn genommenen Zeit als mensura egressionis wird dies überdeutlich.90 In Verbindung mit der secundum essentiam genommenen Zeit könnte man die beiden Zeitbegriffe dann als ein Vordringen zum Wesen der Zeit91 (nämlich als geschaffene) begreifen. Dabei sollte man allerdings die Verschiebung der Perspektive zwischen dem allgemeinen und dem allgemeinsten Verständnis von Zeit nicht aus dem Blick verlieren, denn das eine Mal steht eher der Aspekt des Entstehens der Dinge (egressio) und das andere Mal steht mehr der ihres (Fort-)Dauerns (duratio) im Vordergrund.92 Zwar sind beide Perspektiven dadurch verbunden, dass das nunc sowohl das Wesen der Zeit als auch das Wesen

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streichung von mir). Ferner kann man auf IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250b] hinweisen, wo das mit verschiedenen Eigenzeiten verbundene esse panis und esse corpus schließlich unter das Maß des primum mobile gestellt wird (ausführlich diskutiert in dem Abschnitt ab S. 250). Nimmt man dieses primum nunc als Verständnisschlüssel, so erscheint auch die Einheit dieser Zeit noch einmal in einem neuen Licht. Es fällt auch nicht schwer, die Brücken zwischen den beiden Zugängen zu erkennen: Im Materiebegriff verbinden sich die metaphysische Spekulation über die Seinprinzipien und die Schöpfungsgeschichte. Als Mittleres zwischen Sein und Nichts kann die Materie zudem selbst als ein sprechender Hinweis auf den in der Schöpfung erfolgten Übergang von Nicht-Sein zu Sein gesehen werden. Vgl. den Abschnitt oben ab S. 197. Bei einer Zusammennahme der Zeitbegriffe magis proprie und proprie einerseits sowie communiter und communissime andererseits ist allerdings schon deswegen etwas Vorsicht geboten, weil die Grenze zwischen tempus proprie und tempus communiter nicht zu den sich durchhaltenden Konstanten der bonaventurianischen Zeitdefinitionen gehört; man vgl. dazu nur noch einmal die Tabelle in Anm. 132 auf S. 194. Für diese Sichtweise vgl. auch die Anfrage bei GHISALBERTI, La concezione del tempo, 747, ob das Schema der vier Zeitdefinitionen in II Sent. 2, 1, 2, 1 nicht verstanden werden könnte als «progressiva rigorizzazione, che va alla ricerca del nucleo essenziale del tempo». Vgl. oben S. 199.

Philosophische Klärungen

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der Dauer verkörpert93 – vom Wesen der Zeit aus hat man also Zugang zu beiden Perspektiven, sowohl der des tempus communiter als auch der des tempus communissime –, dennoch muss hier eine klare Grenze zwischen dem Konzept des tempus secundum essentiam und des tempus communissime dictum gezogen werden. Sie liegt in der Besonderheit der allgemeinsten Form von Zeit, auch das aevum noch zu enthalten. So weit geht der Begriff vom Wesen der Zeit nicht: Dessen Bedeutungsspielraum endet bei den Zeitformen, die ein fließendes nunc besitzen. Die für die Einheit des Wesens der Zeit konstitutive essenziale Einheit der Materie kann nicht herangezogen werden, um das nunc aevi und nunc temporis unter einem gemeinsamen Wesen zusammenzuführen.94 Zusammenfassend wird man Folgendes festhalten: Die für Bonaventura eigentümliche Unterscheidung von essentia und esse temporis deckt sich im jeweiligen Begriffsumfang großenteils mit der von tempus proprie dictum und tempus communiter dictum. Dabei möchte ich nicht so weit gehen, eine völlige Deckungsgleichheit zu behaupten. Schon die unterschiedliche Zielsetzung (der Hinweis auf die essentia temporis soll vor allem die Einheit der Zeit erklären) ließ Bonaventura die Akzente anders verteilen. Auch darf man nicht vergessen, dass die vier Zeitdefinitionen von II Sent. 2, 1, 2, 1 gedacht sind als eine aufsteigende Reihe von Zeitbegriffen, bei der jeweils der allgemeinere den weniger allgemeinen enthält. Das Begriffspaar von Sein und Wesen der Zeit hingegen ist gekennzeichnet durch die Entgegensetzung der Begriffe. Die Zusammenschau der beiden Konzepte bringt gleichwohl eine neue Qualität in die Unterscheidung von tempus proprie und tempus communiter, insofern sich das Geschaffensein der Zeit als ihr eigentlicher Wesenskern herausstellt. 2.1.2.3

Tempus communiter dictum und tempus communissime dictum

Zur Frage nach dem Maßcharakter der Zeit zurückkehrend steht noch die Betrachtung der beiden verallgemeinerten Bedeutungen von Zeit (communiter, communissime) aus. Die im vorigen Abschnitt herausgearbeiteten Gemeinsamkeiten des allgemeinen Ver93 94

Vgl. oben Anm. 73, S. 219 sowie unten S. 235. Im Argumentationsgang von II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56] (Utrum angelica natura habeat mensuram propriam diversam a tempore) wurde gerade folgende These abgelehnt [II, 56b]: Sicut igitur materia in omnibus est eadem per essentiam, differens per esse; sic nunc temporis et aevi idem est per essentiam, non sicut individuum, sed ad modum materiae idem per essentiam, differens autem solum quantum ad esse. Zwar haben auch die Engel eine metaphysische Materie, doch diese begründet nur, dass die affectiones der Engel von der Zeit (nämlich dem tempus proprie dictum) gemessen werden, das aevum dagegen ist eine Zeitform, die nicht von der Materie, sondern von der Form her verstanden werden muss – entsprechend ist auch die wesentliche Einheit des aevum auf die einer abstrakten Allgemeinheit beschränkt. Vgl. ebd.: quod aevum non possit sic accipi ex parte materiae, quidquid sit de tempore; ähnlich II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 60b]: sicut unitas temporis conformatur materiae, sic unitas aevi conformatur formae sowie ebd., ad 1: et ideo [aevum] magis respicit formam; et ideo non habet unitatem nisi universalitatis sive conformitatis, sicut et alia accidentia. Vgl. auch oben S. 201.

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

ständnisses von Zeit mit der secundum essentiam genommenen Zeit, lassen einerseits die hier vorgestellten Ergebnisse für beide Zeitbegriffe gültig sein, andererseits helfen sie bei der Frage, ob ein intrinsisches oder ein extrinsisches Maß vorliegt. Im Blick auf die allgemeine Bedeutung (communiter) wird vor allem die besondere Dignität dieses Zeitmaßes deutlich. Bonaventura betonte hier: et prima inter mensuras est tempus, quia non tantum dicit mensuram durationis, sed etiam egressionis.95 „Zeit“ gewinnt hier den Rang des Maßes schlechthin. Begründet wird dies dadurch, dass der im ersten Moment der Schöpfung gegebene Umschlag von Nicht-Sein zu Sein bereits als eine Form von Zeit verstanden wird und diese mutatio jeder weiteren innerhalb des Schöpfungsprozesses stattfindenden Formung mindestens verständnismäßig (secundum rationem intelligendi) vorangeht.96 In der durch diesen Umschlag gesetzten Grenze (zum Nichts hin) wird außerdem die Bedeutung des Maßes als eines die Begrenztheit (limitatio) aufzeigenden Prinzips in vollem Umfang deutlich.97 Seine konkrete Gestalt besitzt diese, allem geschaffenen Sein innewohnende limitatio, die sich in dem nunc primo esse98 ausdrückt, in dem (primum) nunc. Auch dieses nunc ist Zeit, doch wiederum nicht in einem eigentlichen, sondern nur im hier betrachteten verallgemeinerten Sinn. Insofern es der erste Augenblick, das principium alles Geschaffenen inklusive der Zeit im eigentlichen Sinn ist, ist es das allererste Maß.99 Das so beschriebene nunc misst die egressio des Seins aus dem Nichts, die jedes geschaffene Sein betrifft. Durch diesen exitus de non-esse in esse wird die dem Wesen alles Geschaffenen inhärente Beweglichkeit offenbar. Während die Zeit im eigentlichen Sinn (proprie) die aktuelle Bewegung misst, obliegt es dem (primum) nunc, das zugleich das Wesen der Zeit verkörpert, die Beweglichkeit des Seins als solchem (das mobile in quantum mobile) zu „messen“, das heißt bekanntzumachen.100 Für die Zeit im 95 96

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II Sent. 2, 1, 2, 3, resp. [II, 68a]. Bonaventura erklärte dies am Beispiel des aevum in II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 65]: sic tempus praecedit aevum secundum rationem intelligendi, sicut creatio esse creatum. – Secundum rationem intelligendi, denn im Blick auf das im ersten Moment Geschaffene könnte man auch von einer Gleichzeitigkeit sprechen. Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 3, resp. [II, 68a] im Bezug auf die drei erstgeschaffenen Substanzen (Empyreum, Engel und Materie): … quia omnis productio est in aliqua mensura, haec tria de necessitate consequitur tempus. Vgl. unten S. 280 (auch für das Folgende). Vgl. II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 4 [II, 23] (zitiert in Anm. 65, S. 218) sowie den vorausgehenden Abschnitt über Sein und Wesen der Zeit (ab S. 217) und unten S. 287. Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 1, ad 3 [II, 65]: nam sicut tempus mensurat motum, sic nunc temporis mensurat ipsum mobile in quantum mobile. – Dies entspricht auch der Vorstellung, dass das nunc, der instans, gerade die Grenze der Bewegung darstellt, indem es einen Zustand markiert (z. B. den terminus a quo oder den terminus ad quem), so dass innerhalb eines einzigen nunc keine (kontinuierliche) Bewegung stattfinden kann. Vgl. dazu etwa bei Bonaventura die Argumentation zur Bewegung eines Engels in I Sent. 37, 2, 2, 3, arg. 1 [I, 662]: In aliquo instanti est in termino a quo, et in alio instanti est in termino ad quem; sed inter quaelibet duo instantia cadit tempus medium, et in medio illorum instantium est moveri. In diesem Sinn kann man auch die Auctoritates Aristotelis,

Philosophische Klärungen

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eigentlichen Sinn bedeutet dies weiter, dass in diesem Wesen bereits das (Ver-)Fließen alles Zeitlichen – sei es in der Dauer und Bewegung der körperlichen Dinge, sei es in den affectiones der Engel – angelegt ist. Das nunc aevi ist von dem nunc temporis zwar wesentlich verschieden – in diesem nunc gründet die Stabilität des aevum, die zwar ohne ein stetes Neu- und damit Anderswerden auskommt, aber in der Erhaltung des einmal Gegebenen ebenfalls eine successio kennt101 – doch im Hinblick auf den Anfang erweisen sich beide als vergleichbar, denn beide Male wird ein durch das nunc primo esse gekennzeichnetes Sein gemessen. Die (jetzt communissime zu verstehende) „Schöpfungszeit“ ist in beiden Fällen dasjenige Maß, durch das diese je verschiedene dynamische Komponente des Seins bekannt wird. Weiter ergibt sich die Frage, ob Bonaventura die communiter verstandene Zeit – die wie gesehen mit der secundum essentiam verstandenen Zeit ungefähr identisch ist – als ein extrinsisches oder ein intrinsisches Maß ansah. Die behauptete Einheit dieser Zeit spricht dabei zunächst für ein extrinsisches Maß. Dennoch möchte ich bezweifeln, dass der Doctor seraphicus hier diesen Terminus gebrauchen würde,102 dagegen spricht die besondere Art dieser Einheit als unitas homogeneitatis. Sie bezeichnet ja nicht die Einheit eines Individuums – welches als selbständiges Sein einem anderen Sein „äußerlich“ sein kann –, sondern es ist die Einheit eines in den Dingen verwirklichten Seinsprinzips. Und die hier als Vorbild fungierende Materie wurde nicht als extrinsisches, sondern als intrinsisches Prinzip verstanden.103 Dementsprechend wird man auch das Wesen der

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Physica VI, nr. 173 [PhMed 17, 154; zu 232b 20] verstehen: Omnis motus est in tempore. Noch deutlicher war Aristoteles selbst in Physica VI, 3 [234a 24–31, hier 31]: οὐκ ἄρα ἔστιν κινεῖσθαι ἐν τῷ νῦν. Darum heißt es II Sent. 2, 1, 2, 1, ad 1 [II, 65]: neutra enim harum mensurarum est ab alia, sed a Deo producente utrumque indivisibile, scilicet nunc aevi et nunc temporis. Unde quod dicitur, quod tempus exit ab aevo, hoc dicitur, quia deficit ab illo et defluit continua deperditione; sed in aevo est fixio sine deperditione et novi acquisitione. Vgl. auch II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56b]: nunc aevi, est stabile, illud, scilicet nunc temporis, est fluxibile und ferner II Sent. 2, 1, 1, 3, resp. [II, 62f.]. – Bei dem Vergleich von Zeit und aevum beachte man, dass es sich (genau wegen der oben beschriebenen verschiedenen Eigenschaften) um verschiedene Maße und um ein substantiell und formell verschiedenes nunc handelt (vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56]). Anders etwa BIGI, La dottrina della temporalità, 125, wobei er selbst einschränkend anmerkte: «si dice misura estrinseca non perché sia esteriore alla pluralità degli esseri misurati, ma perché è anteriore e posteriore a tale pluralità, la antecede e la trascende.» Auch RODOLFI, Tempo e creazione, 162 sprach sich dafür aus, die Zeit im allgemeinen Verständnis als extrinsisches Maß anzusehen. Insbesondere denke ich an jene Stelle, wo Bonaventura nach dem einheitlichen ersten Maß in der Gattung „Substanz“ suchte und argumentierte (II Sent. 3, 1, 1, 2, fund. 2 [II, 94]): ergo in genere substantiae est unum aliquod, quo mensurantur omnia in illo genere. Sed illud non potest esse principium extrinsecum, cum secundum huius maiorem et minorem participationem intrinsecam res illius generis magis et minus sint: ergo cum principium intrinsecum non sit nisi forma, vel materia, erit vel materia, vel forma. Im Blick auf IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250] wird man betonen, dass Bonaventura hier zwei verschiedene Wege aufzeigte, um aus den zu zwei verschiedenen Zuständen gehörigen, je eigenen nunc zur Einheit zu gelangen: (1) indem man die beiden Eigen-nunc auf das extrinsische Maß der Bewegung des primum mobile bezieht und sie mit dessen

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

Zeit in den Dingen suchen, anders als das äußerlich gegebene allgemeine Maß der Bewegung des primum mobile. Wenn überhaupt, wird man also in der secundum essentiam genommenen Zeit ein intrinsisches Maß sehen, ich halte allerdings für wahrscheinlicher, dass Bonaventura die Unterscheidung intrinsisch oder extrinsisch für diese Art von Maß mit seiner besonderen Form der Einheit abgelehnt hätte. Schließlich ist der Blick noch auf die Zeit im allgemeinsten Sinn (communissime) zu richten. Deren Besonderheit bestand vor allem darin, dass in ihr auch das aevum noch enthalten ist.104 Es gilt also unter dem Aspekt des Maßes auf das aevum zu blicken. Die erste Feststellung ist dabei: Bonaventura verstand es ohne Einschränkung als Maß.105 Und weil es ein wahres Maß ist, stellt es auch eine Größe (quantitas) dar,106 die sich aber – als ein Maß (des Seins) geistiger Wesen – einerseits zusammen mit der Zeit von den übrigen Größen der Kategorie quantitas spezifisch unterscheidet und andererseits auch von der Zeit im eigentlichen Sinn noch einmal abhebt.107 Ausdrücklich wird dabei festgestellt, dass der Unterschied zwischen tempus und aevum nicht nur auf der Ebene des Maßes, sondern auch auf der Ebene des Seins liegt:108 Die Maße müssen verschieden sein, denn der endlichen Dauer alles Zeitlichen steht die endlose Dauer der vom aevum gemessenen Substanzen gegenüber. Doch dieser Unterschied liegt für den Doctor seraphicus gewissermaßen nur an der Oberfläche, in ihm tritt zutage, dass sich das Sein der vergänglichen und der unvergänglichen Substanzen grundlegend unterscheidet. So ist die Unvergänglichkeit nur der Ausdruck eines esse stabile et quietum, das heißt eines Seins, das eben deswegen stabil und unbewegt ist, weil es im Gegensatz zu dem im Fluss befindlichen zeitlichen Sein nicht von Potentialität, sondern von Aktualität geprägt ist.109 Oder anders gesagt, während die Zeit von der Materie und ihrer Unvollkommenheit her zu verstehen ist – was sich im Hunger der Materie nach der Form sehr deutlich zeigt110 –, wird man umgekehrt das aevum aus der Formvollendetheit der von ihm gemessenen Substanz erklären.111

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nunc in Beziehung setzt oder (2) indem man gewissermaßen den Weg nach innen geht und auf das gemeinsame Wesen der Zeit blickt. Vgl. oben S. 197. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56f.]; vgl. auch II Sent. 2, 1, 1, 3, sc. 4 [II, 62]: aevum autem vere et proprie est mensura. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 3, sc. 4 [II, 62]: sed mensura secundum veritatem est in genere quantitatis. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, ad 6 [II, 57]: quod sicut tempus ponitur in substantiis spiritualibus quantum ad affectiones … sic et [scil. aevum] mensura ponitur differens specie ab aliis quantitatibus, … Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56b]: Et ideo est tertia positio, quod spiritualia habent mensuram diversam a tempore, non solum in genere mensurae, verum etiam in genere entis; et hoc non solum comparatione, sed etiam secundum substantiam et formam. Wobei dies jeweils im Sinn eines „mehr“ zu verstehen ist, denn weder ist das Sein der geschaffenen geistigen Substanzen reine Aktualität, noch ließe sich ein körperliches Sein auf reine Potentialität reduzieren. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59f.] (zitiert oben S. 209, Anm. 27) oder z. B. auch I Sent. 37, 1, 3, 1, arg. 3 [I, 646]: Item, unicuique rei intima est materia et forma; sed forma non unitur materiae nisi mediante appetitu, appetitus autem ortum habet ab essentia … Man beachte dabei insbeson-

Philosophische Klärungen

227

Obwohl also beide Maße, die Zeit im eigentlichen Sinn und das aevum, im allgemeinsten Begriff von Zeit aufgehoben sind, lassen sie sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Eigenschaften nicht aufeinander zurückführen.112 Gleichwohl ist ein Bezug zwischen den beiden Maßen möglich, insofern über die Grenzen von tempus und aevum (und auch noch der aeternitas) hinweg, von Gleichzeitigkeit (simultas) gesprochen werden kann.113 Auf diese Weise lassen sich etwa die Existenz eines Menschen, eines Engels und Gottes in zeitlicher Hinsicht aufeinander beziehen, wobei jedoch zu beachten ist, dass dieser Bezug (im Gegensatz zu der Gleichzeitigkeit innerhalb der Zeit im eigentlichen Verständnis) sich nur auf das jeweilige nunc, nicht aber auf die von diesem begründete Dauer erstreckt. Anders gesagt, das simul esse von zeitlichem nunc und nunc aeternitatis bedeutet nicht, dass die zeitlichen Geschöpfe die unendliche Dauer Gottes teilen.114 Bonaventura sprach in diesem Zusammenhang davon, dass das nunc temporis, das nunc aevi und das nunc aeternitatis koexistieren oder dass die verschiedenen zeitlichen Maße einander „begleiten“ (concomitantia). Da andererseits das nunc aeternitatis zugleich mit der ganzen Dauer der Ewigkeit zusammenfiel,115 konnte diese

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dere auch das folgende Scholion nr. 1 (Opp. I, 647). – In diesem Sinn konnte RODOLFI, Tempo e creazione, 160 die bonaventurianische Materie als «un principio reale di imperfezione delle creature» bezeichnen. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56b]: Cum enim aevum esse stabile et quietum respiciat, quod quidem habet materia a forma perfecta, et haec mensura non respiciat nisi esse actuale et modum essendi completum; videtur, quod aevum non possit sic accipi ex parte materiae, quidquid sit de tempore. Cum ergo modus durandi essentialiter et formaliter differat hinc inde, patet etiam, quod mensura propria. Ähnlich II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 60b]: tamen aevum respicit esse actuale et esse stabile, sed tempus materiam ut in potentia, sowie ebd., ad 1: Aevum autem de sui ratione propria respicit esse completum et stabile, et ideo magis respicit formam … Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 1, ad 1 [II, 65] (zitiert oben S. 225, Anm. 101). Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, ad 4 [II, 60]: Quod ergo obiicitur: ergo in eodem nunc; dicendum, quod esse simul in duratione est dupliciter: aut per mensurae concomitantiam, aut per mensurae unitatem et indifferentiam. Cum autem dicitur Deus, homo et Angelus esse simul; dicendum, quod hoc dicitur per mensurae concomitantiam. Cum autem dicitur: Petrus et Paulus simul sunt vel currunt, hoc potest dici per mensurae unitatem et indifferentiam … Ähnlich II Sent. 2, 1, 2, 3, resp. [II, 68]: Concedendum igitur, quod quatuor sunt primo creata, et quod angelica natura et corporea simul sunt creatae quantum ad mensurarum concomitantiam, quia simul incepit duratio materiae et intelligentiae, sicut probatum est. Vgl. auch Trin. 5, 1, ad 13 [V, 92]. Vgl. Trin. 5, 1, ad 13 [V, 92]: sic non sequitur, quodsi aliquid coëxistit cum nunc aeternitatis, quod coëxistat cum aeternitate interminabili. His enim, quae in Deo idem sunt, correspondent in creatura varia et diversa … Eine ausführlichere Darstellung dieses Konzeptes der concomitantia fand sich in der Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 3 (70), resp. [Ed. cit. I, 109b]. In der Hauptthese dieses Artikels wird noch einmal die eigentliche Problematik der hier diskutierten Frage deutlich: Propterea dicendum quod in eodem nunc dicitur esse motus et angelus et Deus, non tamen ex hoc sequitur idem esse nunc temporis et aevi et aeternitatis (Unterstreichungen von mir). – Zur Frage der coexistentia der nunc vergleiche man außerdem das Scholion der Quaracchi-Ausgabe zu I Sent. 39, 2, 3, hier nr. I/3 (Opp. I, 697). Trin. 5, 1, ad 13 [V, 92]: nunc aeternitatis nominat illam durationem quantum ad simplicem simultatem, aeternitas vero quantum ad interminabilem immensitatem … Et sicut non sequitur, quod

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

228

Koexistenz auch so gedeutet werden, dass sowohl das nunc temporis als auch das nunc aevi im nunc aeternitatis enthalten sind.116

2.1.3

Fazit

Fasst man die Erkenntnisse dieses Abschnitts über die Zeit als Maß zusammen, so sind folgende Punkte im Verständnis Bonaventuras festzuhalten: Der Maßbegriff ist ein wesentliches Element der Zeitdefinition Bonaventuras, wobei die verschiedenen Bedeutungen von „Zeit“ in unterschiedlicher Weise auf diesen Maßbegriff Bezug nehmen. Die wichtigste Beobachtung ist dabei wohl die, dass die eigentliche Zeit (proprie) ein intrinsisches Maß darstellt und sich mit den von ihr gemessenen Entitäten vervielfacht. Für die Zeit im eigentlichsten Sinn (magis proprie) gilt zunächst dasselbe, da sie ein Spezialfall der proprie verstandenen Zeit ist. Allerdings steht hier mit der Bewegung des primum mobile ein herausragender allgemeiner Maßstab zur Verfügung, der ein extrinsisches Maß darstellt. Mit dem Fehlen eines solchen Maßstabes für die eigentliche Zeit geht einher, dass diese zwar als quantitas verstanden wird, aber nur in einem weiten, nicht strikt numerischen Sinn. Die Besonderheit der Zeit gegenüber den anderen kontinuierlichen Größen der Kategorie quantitas lässt sich auch in anderen Zusammenhängen erkennen. Sie besteht erstens in einer größeren Einfachheit, insofern die Dauer (duratio) als esse non intercisum im Gegensatz zur räumlichen Ausdehnung (extensio) keine gleichzeitig existierenden Teile besitzt, so dass das gegenwärtige, allein existierende nunc das ganze Wesen der Zeit ausmacht. Damit hängt zweitens ihre enge Verbindung zur Materie zusammen, denn die übrigen räumlichen Größen setzen eine bestimmte Formung der Materie voraus, nicht so die Zeit, sie hat ihr Sein aus dem allgegenwärtigen Streben der Materie nach der Form. Bei der Betrachtung der beiden eigentlichen Bedeutungen von Zeit geht es – entsprechend der von Bonaventura eingeführten Unterscheidung von essentia und esse temporis – immer um das Sein der Zeit. Die beiden verallgemeinerten Bedeutungen, vor allem das tempus communiter dictum nehmen dagegen das Wesen der Zeit in den Blick. Dieses Wesen besitzt seine konkrete Gestalt im primum nunc. Als principium limitationis scheint an ihm auf, inwiefern auch die verallgemeinerte Zeit ein Maß darstellt, ja sogar das erste Maß überhaupt ist. Während die Zeit im eigentlichen Sinn die Bewegung misst, obliegt es dem nunc die grundsätzliche Beweglichkeit des geschaffenen

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creatura capit Deum simplicissimum: ergo capit Deum ut immensum; sic non sequitur, quodsi aliquid coëxistit cum nunc aeternitatis, quod coëxistat cum aeternitate interminabili. His enim, quae in Deo idem sunt, correspondent in creatura varia et diversa … Vgl. III Sent. 8, 2, 1, ad 6 [III, 193b] (una clauditur in altera), ferner I Sent. 41, 2, 1, ad 4 [I, 738b]: … quia nunc aeternitatis, quod est semper praesens, complectitur omnia temporalia; ähnlich I Sent. 39, 2, 3, resp. [I, 696b].

Philosophische Klärungen

229

Seins bekanntzumachen. Auch wenn das tempus communiter dictum und mit ihm das Wesen der Zeit ein einziges ist, kann man es nicht als ein extrinsisches Maß verstehen, da es sich hier um eine besondere Form der Einheit handelt: Es ist die unitas homogeneitatis oder indifferentiae, die sich von der zugrundeliegenden entsprechenden Einheit der Materie (in der Bonaventura die Ursache der Zeit erkannte) herleitet.117 Wenn man die Unterscheidung von extrinsischem und intrinsischem Maß auf diesen Zeitbegriff anwenden möchte (ich bezweifle allerdings, dass man damit Bonaventura entspricht), dann wird man diese Zeit unter die intrinsischen Maße einordnen.

2.2

Die Bedeutung des nunc

Der vorige Abschnitt hat unter anderem gezeigt, dass auch der Augenblick, das nunc,118 in einem verallgemeinerten Sinn Zeit darstellt. Versteht man Zeit dagegen im engeren Sinn, so treten die beiden Größen tempus und nunc einander gegenüber; im Folgenden soll es darum gehen, das Verhältnis zwischen Zeit und Augenblick näher in den Blick zu nehmen. Auch in dieser Frage waren es die aristotelischen Ausführungen,119 die seinerzeit als maßgeblich angesehen wurden und den Ausgangspunkt für weitergehende Reflexionen darstellten.120 Von dem Stagiriten lernte man insbesondere die elementaren Eigenschaften des nunc. Dazu gehört Folgendes: (1) Wie der geometrische Punkt ist auch das nunc unteilbar.121 (2) Anders als etwa der Tag oder die Stunde stellt es keinen Teil der Zeit dar, denn es lässt sich zu keiner gegebenen Zeitspanne ins Verhältnis setzen.122 Allgemeiner gesprochen gilt: Ein ausgedehntes Kontinuum wie die Zeit123 lässt 117 118

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Vgl. hierzu unten S. 271. Zur Übersetzung von nunc mit „Augenblick“ vgl. oben S. 100, Anm. 37. So weit ich außerdem sehe, wird gewöhnlich auch nicht deutlich zwischen nunc und instans (oder gelegentlich auch momentum) unterschieden, vgl. aber z. B. ALBERTUS MAGNUS, Physica IV, 3, 12 [Ed. Colon. IV.1, 284, Z. 9–12]: Sciendum etiam, quod quidam distinguunt inter instans et nunc dicentes, quod nunc dicit substantiam temporis, instans autem dicit id quod est sub forma praesentialitatis, et hoc est idem, quod nunc, licet differat ratione ab ipso. Alii autem dicunt, quod instans dicitur quasi non stans, et ideo dicit ipsum nunc, prout est sub fluxu, et sic iterum idem est cum ipso nunc in substantia, licet differat ratione. Namentlich in Physica IV, 10f. [217b 29 – 220a 26] und VI, 3.10 [233b 33 – 234b 9; 240b 8 – 241b 20]. Als Hintergrund kann ferner auf Physica III, 6f. [206a 9 – 208a 4] verwiesen werden. Rezipiert wurden außerdem die Ausführungen Avicennas in Sufficientia II, 12f. [Ed. cit., 333–369] sowie die Kommentare des Averroes zu den genannten Stellen. Vgl. oben S. 100 sowie die Ausführungen bei PORRO, Forme e modelli di durata, 28–36. Siehe Physica VI, 3 [233b 33 – 234a 24, z. B. 233b 33f.]: Ἀνάγκη δὲ καὶ τὸ νῦν … ἀδιαίρετον εἶναι. Vgl. z. B. Physica IV, 10.11 [218a 6–8; 220a 19f.]; bei BONAVENTURA, II Sent. 7, 1, 1, 1, ad 2 [II, 177b]: … sicut linea improportionabiliter excedit punctum et tempus instans sowie I Sent. 37, 2, 2, 3, arg. 3 [I, 662].

230

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

sich nicht als (endliche) Summe von unteilbaren, ausdehnungslosen Punkten verstehen. (3) Das nunc ist vielmehr als Grenze (terminus) aufzufassen und zwar sowohl im Hinblick auf den Anfang oder das Ende eines (endlichen) Zeitabschnittes als auch bei der Betrachtung der Trichotomie der Zeit, in der das gegenwärtige Jetzt den Anfang der Zukunft und das Ende der Vergangenheit darstellt.124 Im letzteren Kontext kommt dem nunc als Grenze hinsichtlich der beiden disjunkten Teile der Zeit eine doppelte Funktion zu, denn einerseits trennt es Vergangenheit und Zukunft, doch andererseits verbindet es sie auch (nunc continuans).125 Diese kontinuierende Wirkung des nunc zeigt sich unter anderem darin, dass das Zeitkontinuum von dem Jetzt als dem einzig existierenden Teil der Zeit gebildet oder begründet wird (obwohl es, wie gesagt, kein Teil der Zeit ist).126 Auf dem Hintergrund dieser Aussagen gilt es nun zu entfalten, welche Vorstellung Bonaventura von dem nunc besaß. Dabei ist zunächst zu bedenken, dass sich bei ihm nirgends eine zusammenhängende Ausführung – etwa in Form einer Quaestio innerhalb des Sentenzenkommentars – über das nunc findet. Seine Position ist vielmehr aus verschiedenen Einzelbemerkungen zu rekonstruieren.127 Da sich daraus kein vollständiges Bild gewinnen lässt, beschränke ich mich auf zwei Themenkreise, die das Grundgerüst für die folgenden Darlegungen bilden:128 Den ersten Komplex bildet die Grundfrage nach dem Wesen des nunc. Der zweite Abschnitt befasst sich mit einem speziellen Pro123 124 125

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Wie auch die geometrischen Größen Linie, Fläche und Raum, die ein ähnliches Verhältnis zu den in ihnen enthaltenen Punkten besitzen. Vgl. Physica VI, 3 [233b 35 – 234a 6]; bei BONAVENTURA, II Sent. 1, 1, 1, 2, arg. 3 [II, 20]: … omne instans temporis ita est principium futuri, quod terminus praeteriti. Vgl. oben S. 100 mit Anm. 38 sowie die Ausführungen Alberts des Großen in Physica IV, 3, 12 (siehe unten S. 238, Anm. 162); vgl. auch BONAVENTURA, IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 249b]: Et praeterea, si praeteritum in sui termino esset, et futurum esset in sui initio; nunquam continuarentur per unum instans, sed essent simul. – Man vgl. ferner die Bemerkungen bei ARISTOTELES, Categoriae (transl. Boethii) 6 [Aristoteles latinus I.1.5, 14; 5a 1f.6–8]: Linea vero continua est; namque est sumere communem terminum ad quem partes ipsius coniunguntur, hoc est autem punctum, … Sunt autem talium et tempus et locus; praesens enim communis est terminus ad quem coniunguntur praeterita vel futura. Vgl. Physica IV, 11 [220a 4f.]: καὶ συνεχής τε δὴ ὁ χρόνος τῷ νῦν, καὶ διῄρηται κατὰ τὸ νῦν; und ebd. 13 [222a 10]: Τὸ δὲ νῦν ἐστιν συνέχεια χρόνου, der folgende Abschnitt [222a 10–20] legte dies dann näher dar. Der dort angestellte Vergleich mit den Verhältnissen von Punkt und Linie zeigt die andere Möglichkeit, die kontinuierende Eigenschaft des nunc zu verstehen: Das Ende der Vergangenheit und der Anfang der Zukunft sind nicht zwei verschiede Zeitpunkte, sondern sie fallen in dem einen Jetzt der Gegenwart zusammen. Die Textbasis besteht im Wesentlichen aus folgenden Stellen: I Sent. 37, 2, 2, 3, arg. 1 & arg. 3 & ad 1 [I, 662f.]; II Sent. 1, 1, 1, 2, arg. 3 & ad 3 [II, 19f.23]; 2, 1, 1, 1, arg. 4 & resp. [II, 55–57]; 2, 1, 1, 3, ad 4 [II, 63]; 2, 1, 2, 1, ad 1 & ad 3 [II, 65]; IV Sent. 11, 1, 1, 5, passim [IV, 248–250]; Trin. 5, 1, sc. 13.14 & ad 13.14 [V, 89.92]. Dies entspricht – nebenbei bemerkt – auch den beiden Grundfragen, denen Albertus Magnus in De IV coaequaevis 2, 5, 3 [Ed. Paris. 34, 372–375] hinsichtlich des nunc nachging, nämlich ebd. [Ed. Paris. 34, 372b]: Utrum ipsum sit substantia temporis? et consequenter, Utrum sit unum nunc vel plura? Zur letzteren Frage vgl. auch Physica IV, 3, 7 [Ed. Colon. IV.1, 272, Z. 5–83].

Philosophische Klärungen

231

blem, das Aristoteles aufgeworfen hatte und das die zeitgenössische Diskussion in diesem Zusammenhang bewegte.129 Die Frage lautete: Bleibt dieses nunc, das das Zeitkontinuum aufspannt, die ganze Zeit über dasselbe, oder wird es je ein anderes? Anders formuliert: Ist Zeit zu verstehen als der Fluss eines einzigen Augenblicks oder vielmehr als successio unendlich vieler verschiedener Augenblicke? Oder noch einmal anders: Ist das nunc – nicht spezifisch, sondern real und numerisch – ein einziges, oder gibt es zahllose verschiedene nunc? – Bevor solche Fragen beantwortet werden können, muss zunächst klar sein, was das nunc überhaupt ist, deshalb soll zuerst eine Wesensbestimmung des nunc vorgenommen werden.

2.2.1

Das nunc als ganzes Wesen der Zeit

Was ist das nunc? Bonaventura hatte hierauf eine eindeutige Antwort: Das nunc ist die ganze essentia der Zeit.130 Im Hintergrund dieser Position steht der Vergleich zwischen den Verhältnissen in Raum und Zeit: Die verbreitete Aussage sicut punctus se habet ad lineam, ita se habet nunc ad tempus131 bedarf dabei einer sorgfältig differenzierenden Betrachtung.132 Richtet man den Blick zunächst auf das Verhältnis von Punkt und Linie, so bemerkt man, dass im zeitgenössischen Diskurs zwei Sichtweisen – eine dynamische und eine statische – sorgfältig auseinandergehalten wurden.133 Das erste Bild beruht auf

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Vgl. hierzu ARISTOTELES, Physica IV, 10 [218a 8–30]; 11 [219b 9–33], wobei erstere Stelle das nunc als Grenze von Vergangenheit und Zukunft behandelte, während letztere auf die Analyse des Bewegungsablaufes ausgerichtet war und das nunc auf die jeweilige Grenze der Bewegung (Initial- und Finalzustand) bezog. Darauf wurde oben bereits hingewiesen, vgl. S. 219 mit Anm. 73, wo auch der entscheidende Passus aus Trin. 5, 1, ad 14 [V, 92] zitiert wird. Man vgl. auch II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 4 [II, 23]: … sic nunc est tota essentia temporis (ausführlich zitiert in Anm. 65, S. 218). Hier zitiert nach THOMAS VON SUTTON (?), De instantibus 2, 320 [Ed. cit., 113]; der Vergleich wurde dort im Folgenden näher ausgeführt und dabei sehr klar dargestellt; vgl. ähnlich ALBERTUS MAGNUS, De IV coaequaevis 2, 5, 3, arg. 1 [Ed. Paris. 34, 372] (hier wird der Satz als Argument dafür verwendet, dass das Jetzt nicht die Substanz der Zeit darstellt) sowie THOMAS VON AQUIN, In Physic. VIII, c. 1, lect. 2, 13 [Ed. Leonina II, 370]. Thomas bezog diese Erkenntnis dabei ausdrücklich auf die Darlegungen bei ARISTOTELES, Physica VI (sinngemäß zu finden in VI, 1 [231a 21 – 232a 22]). Bei Bonaventura ist der Satz in dieser prägnanten Form nicht zu finden. Dies bemerkte bereits Albert, De IV coaequaevis 2, 5, 3, ad 1 [Ed. Paris. 34, 374a] … dicimus quod punctum ad lineam et nunc ad tempus in quibusdam similiter se habent, in quibusdam dissimiliter. In terminando enim et continuando quodammodo similiter se habent: sed in essentiando, ut ita dicam, sive substantificando non habent se similiter: quia punctum non facit lineam nec fluens neque non fluens, sed nunc fluxu suo facit tempus et ideo punctum non est substantia lineae … Eine Aufnahme dieser beiden Perspektiven (wenn auch in anderem Kontext) kann man bei Bonaventura in der Unterscheidung von II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 3 [II, 23] wiederfinden (vgl. unten S. 289, Anm. 89): Er unterschied dort bei einem Kreis die Situation der Entstehung des Kreises (durch die Bewegung eines Punktes) und den Blick auf das fertige Gebilde und einen darin enthalten Punkt.

232

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

der Vorstellung einer Linie, die durch die Bewegung eines einzigen Punktes entsteht.134 Der Punkt erzeugt auf diese Weise das ausgedehnte, in diesem Falle eindimensionale Kontinuum der Linie: punctus facit lineam, hieß es, und von daher konnte der Punkt als principium oder causa lineae bezeichnet werden.135 Unter Zugrundelegung des oben dargestellten weiten Maßbegriffs konnte man auch sagen, dass der Punkt die Linie misst.136 In diesem Bild tritt real nur ein einziger Punkt auf und die Linie wird verstanden als die durch die Bewegung erzeugte und durch den Verstand erfassbare Verschiedenheit dieses einen Punktes. Kurz gesagt: Secundum rem handelt es sich um einen einzigen Punkt, secundum rationem dagegen lassen sich verschiedene Punkte bezeichnen, die insgesamt die Linie bilden.137 134 135

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137

Noch konkreter könnte man an eine mit dem Finger in die Luft gezeichnete Linie oder an die durch die Bewegung eines Fahrzeugs von A nach B entstehende Linie denken. Vgl. bereits ARISTOTELES, De anima I, 4 [409a 3–5]. So dann auch z. B. bei THOMAS VON AQUIN, In De caelo et mundo I, c. 1, lect. 2, 9 [Ed. Leonina III, 7f.] (Et utitur modo loquendi quo utuntur geometrae, imaginantes quod punctus motus facit lineam …) oder Sententia libri De anima I, 11, 3 [Ed. Leonina XLV.1, 54, Z. 63f.] (Set dicunt Platonici, motus puncti facit lineam …); ähnlich THOMAS VON SUTTON (?), De instantibus 2, 320 [Ed. cit., 113]: Geometrae autem imaginantur punctum per motum suum causare lineam … Albert der Große hingegen lehnte zwar in De IV coaequaevis – wie gesehen (vgl. oben Anm. 132) – die Sprechweise punctus facit lineam ab, in Physica IV, 3, 7 [Ed. Colon. IV.1, 272, Z. 44f.] hingegen ließ er sie als Aussage der Geometer unwidersprochen stehen. BONAVENTURA sprach I Sent. 13, dub. 8 [I, 241a] vom defluxus lineae a puncto. Zum Punkt als causa oder principium der Linie äußerte er sich im Hexaëmeron eher vorsichtig (vgl. unten Anm. 142, S. 233), während er sie für das Verhältnis von nunc und Zeit uneingeschränkt akzeptierte. Allgemein zu dieser Sichtweise vgl. PORRO, Forme e modelli di durata, 28. Vgl. etwa THOMAS VON SUTTON (?), De instantibus 3, 328 [Ed. cit., 116], man beachte hier besonders die Bemerkung, die auf das hier vorliegende weite (auch von Bonaventura geteilte) Maßverständnis hinweist: Ubi considerandum est quod duobus modis aliquid potest esse mensura alterius. Uno modo quando ipsa mensura semel vel pluries accepta aequiparatur mensurato, sicut trinarius alium trinarium mensurat, vel novenarium. Alio modo quando unum est ratio cognoscendi aliud; unde de isto cognitio non habetur nisi secundum quod aliud ducit intellectum in cognitionem ipsius … – Der Punkt kann selbstredend nur im letzteren Sinn Maß der Linie sein, und dasselbe gilt für das Verhältnis von nunc und Zeit. Man vgl. ferner THOMAS VON AQUIN, In Physic. IV, c. 11, lect. 18, 2 [Ed. Leonina II, 205] und die Aussage bei Bonaventura in II Sent. 2, 1, 1, 3, sc. 4 [II, 62]: punctus … est principium mensurae. Vgl. hierfür und für das Folgende: THOMAS VON SUTTON (?), De instantibus 2, 320 [Ed. cit., 113]: Geometrae autem imaginantur punctum per motum suum causare lineam: … Si vero imaginemur ipsum moveri, licet in ipso nulla sit dimensio nec aliqua divisio per consequens, per naturam tamen motus sui relinquitur aliquid divisibile. … et tale necessario erit linea. Ille tamen punctus nihil est de ipsius lineae essentia, quia nihil unum et idem realiter omnibus modis indivisibile potest simul in diversis partibus eiusdem continui permanentis esse. Necessario tamen si esset de essentia lineae constitutae per suum motum, foret de essentia cuiuslibet partis suae: quia qua ratione pertineret ad unam partem eiusdem, eadem ratione pertineret ad omnes, cum aequaliter ad omnes se habeat. Nec potest esse terminus eius vel continuatio aliqua, cum ille punctus sit aliquid unum realiter: unde non possunt esse plures puncti realiter. In linea tamen sunt plures puncti et realiter ab invicem divisi, ut duo eius termini, et similiter in eius continuatione: linea enim est quantitas positionem habens et manens, nec cum puncto moto transiens. Punctus ergo mathe-

Philosophische Klärungen

233

Das zweite Vorstellungsbild fasst die Linie als eine fest vorgegebene, bleibende (permanens) Entität auf, in der mehrere, real voneinander verschiedene Punkte unterschieden werden können: der Anfangs- und der Endpunkt sowie die unendlich vielen Zwischenpunkte. Dem mittelalterlichen wie dem antiken Denken – dem die Vorstellung eines nicht mit Gott identischen aktual Unendlichen fremd war – entsprach es dabei, wenn die Linie auch in diesem Bild nicht als eine Menge oder Kollektion von unendlich vielen, aktuell gegebenen Punkten verstanden wurde:138 Nur die Endpunkte, die die Linie definierend begrenzen, wurden als in actu verstanden, die Zwischenpunkte dagegen als nur potentiell gegebene (nämlich insofern sie Anfangs- oder Endpunkte einer möglichen Teilung der Linie sind).139 Die Frage, ob der Punkt die Substanz der Linie darstellt, wurde dabei für beide Bilder verneint, denn im letzteren ist die Reduktion auf einen einzelnen Punkt unmöglich (es bleiben mindestens der Anfangs- und der Endpunkt als gleichzeitig existierende, real verschiedene Punkte), während der Mangel des ersteren darin besteht, lediglich eine mathematische Vorstellung zu sein, die das bleibende Sein der Linie nicht zutreffend erfasst.140 Mit den beiden auf die Raumverhältnisse bezogenen Bildern im Hintergrund kann nun an die Bestimmung der entsprechenden Beziehung von Zeit und Jetzt herangegangen werden. Dabei erkennt man sowohl die Gemeinsamkeiten als auch den Unterschied von räumlicher extensio und zeitlicher duratio: Zwar kann auch bei der Betrachtung eines durch eine Bewegung oder einen Vorgang bestimmten Zeitraumes ein Anfangsund ein Endpunkt unterschieden werden, jedoch existieren diese beiden Punkte gerade nicht gleichzeitig;141 das dynamische Bild, also die Vorstellung, dass der bestimmte Zeitraum durch den „Fluss“ eines einzigen nunc entsteht, besitzt hier den Vorzug gegenüber der statischen Perspektive.142 Von daher wird auch die Aussage Bonaventuras ver-

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matice imaginatus, qui motu suo causat lineam, necessario nihil lineae erit, sed erit unum secundum rem, et diversum secundum rationem; et haec diversitas quae consistit in motu suo, realiter est linea, non identitas sua secundum rem. In hac ergo linea constituta per diversitatem puncti, erunt puncta: puncta quaedam actu, ut duo eius termini, qui cadunt in eius definitione; et infinita alia in potentia, secundum quod ipsa est in infinitum divisibilis potentialiter. Vgl. z. B. Auctoritates Aristotelis, Physica VI, nr. 166 [PhMed 17, 153 zu 231a 24]: Nullum continuum potest esse ex indivisibilibus, unde linea non potest componi ex punctis. Vgl. auch unten S. 243 mit Anm. 189. In diesem Punkt treffen sich auch die beiden Argumentationen von Thomas von Sutton und Albertus Magnus wieder, vgl. Anm. 137 und Anm. 132; bei beiden Autoren wird deutlich, dass das dynamische Bild lediglich eine Vorstellung des Mathematikers ist (vgl. Thomas von Sutton: geometrae autem imaginantur …). Auf diesem Hintergrund wird man dann auch die identische Position Bonaventuras in Trin. 5, 1, ad 14 [V, 92] verstehen (vgl. Anm. 73, S. 219), dass der Punkt weder als die ganze essentia extensionis noch als deren pars constitutiva angesehen werden kann. Vgl. etwa II Sent. 2, 1, 1, 3, ad 4 [II, 63] (zitiert oben S. 217, Anm. 61). In dem obengenannten Sinn heißt es dann etwa Hex., princ., 3 (3), 5 [Ed. Delorme, 35f.]: … sicut ab unitate originantur omnes numeri, a puncto omnes dimensiones. Unde si unitas cognosceret suum posse, cognosceret se esse causam omnium numerorum, et nunc temporis causam omnium du-

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

ständlich, dass das eine, die Zeit konstituierende nunc die ganze essentia der Zeit ausmacht:143 Oder noch einmal etwas anders betont: Die Zeit besitzt wesentlich nur ein einziges nunc.144 Es ist ja auch nur dieser eine und einzige Teil der Zeit, der gegenwärtig

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rationum, ut in libro Physicorum [IV, 11] dicit Philosophus. Quantum ad punctum tamen non est omnino simile, quia non est causa nec pars lineae sed tantum terminus. – Hinsichtlich der Beurteilung des Punktes gibt die Reportatio B (ebd. [V, 344]) allerdings eine andere Einschätzung: unitas tamen magis est principium quam punctus, quia unitas est pars essentialis numeri, punctus autem principium et non pars. Zu Bonaventura vgl. oben S. 231, Anm. 130; er sprach von der essentia temporis, während ALBERTUS MAGNUS, De IV coaequaevis 2, 5, 3, sol. [Ed. Paris. 34, 373f.] sachlich gleichbedeutend (vgl. oben S. 218 mit Anm. 69) von der substantia temporis sprach: Dicimus cum Philosopho, quod nunc est substantia temporis: quia tempus nihil aliud est quam nunc fluens, fluxu suo suscipiens esse continui. Et qualiter hoc sit, potest videri per motum, motus enim qui dicitur loci mutatio, nihil aliud est quam ubi fluens, cujus substantia est unum ubi secundum esse diversificatum: ita tamen, quod illud unum ubi non sit unum numero: quia in hoc differt a tempore. In Alberts S. th. II-I, 11, 47, qc. 2, 1 [Ed. Paris. 32, 521a] hieß es ebenfalls: Nunc autem, ut dicit Aristoteles, non est tempus, nec pars temporis, sed substantia, quae eadem est in toto tempore. Albert dürfte sich hier auf ARISTOTELES, Physica IV, 11 [220a 18–22] beziehen, dort finden sich zumindest die beiden ersten Aussagen wieder, hinsichtlich der dritten hieß es da allerdings nicht, dass das nunc die Substanz der Zeit darstellt, sondern dass – gerade umgekehrt – der als Grenze aufgefasste Augenblick (das nunc wird also hier in anderer Bedeutung verwendet, vgl. unten S. 238 mit Anm. 163) ein Akzidens darstellt. Vgl. hierzu auch die bei AVERROES, In Phys. IV [Ed. cit. IV, fol. 185v M] zu findende Wiedergabe von 220a 21f.: … instans, secundum quod est finis, non est tempus, sed accidens. RODOLFI, Tempo e creazione, 143 mit Anm. 18 brachte die bonaventurianische Sprechweise vom nunc als essentia temporis ebenfalls mit diesem Absatz aus Aristoteles’ Physica IV, 11 [219b 33 – 220a 26] in Verbindung. Zu Albert zurückkehrend findet man eine ähnliche Aussage auch in Physica IV, 3, 8 [Ed. Colon. IV.1, 275, Z. 23–27]: Nunc vero unum est in toto tempore secundum substantialem acceptionem suam, et hoc est, secundum quod est numerus eius quod fertur, numerans ipsum existens in toto motu, et sic est ipsum agens numerum, qui est tempus. Vgl. schließlich Physica IV, 3, 12 [Ed. Colon. IV.1, 284, Z. 9–12] (zitiert S. 229, Anm. 118). Bei THOMAS VON SUTTON (?), De instantibus 2, 320 [Ed. cit., 113] hieß es in demselben Sinn: Per quem modum de instanti temporis est agendum: nisi quod instans est de substantia temporis. – In seinem Physikkommentar sprach Thomas von Aquin, so weit ich sehe, im Bezug auf das nunc weder von substantia noch von essentia (man vgl. aber die folgende Anm. 144), er bezeichnete es allgemein als ein Seiendes, vgl. In Physic. IV, c. 11, lect. 18, 3 [Ed. Leonina II, 205] (zu Physica IV, 11 [219b 13–15]): Deinde cum dicit [scil. Aristoteles]: ipsum autem nunc etc., exponit quod dixerat: et dicit quod ipsum nunc quodammodo semper est idem, et quodammodo non idem. Inquantum enim semper consideratur ut in alio et alio secundum successionem temporis et motus, sic est alterum et non idem. Et hoc est quod supra diximus, quod ipsi est esse alterum. Nam hoc est esse ipsi nunc, idest secundum hoc accipitur ratio ipsius, ut consideratur in decursu temporis et motus. Sed inquantum ipsum nunc est quoddam ens, sic est idem subiecto. Vgl. auch die folgende nr. 4 von In Physic. IV, c. 11, lect. 18 [Ed. Leonina II, 205f.]. Vgl. GHISALBERTI, La concezione del tempo, 754: «nella sua essenza, il tempo conosce un solo istante». – In seinem Sentenzenkommentar (IV Sent. 11, 1, 3, 2, ad 2 [Ed. cit. 2IV, 448f., nr. 90]) – also deutlich vor dem 1268/69 entstandenen Physikkommentar – konnte Thomas von Aquin noch genau dieses als Quintessenz von Aristoteles’ Physica IV (näherhin wohl in c. 10 [218a 8–13] und

Philosophische Klärungen

235

existiert.145 Wenn Bonaventura dabei an anderer Stelle das nunc auch die essentia durationis (statt temporis) nannte, so machte er damit darauf aufmerksam, dass derselbe Zusammenhang wie zwischen nunc temporis und tempus auch für die beiden anderen Weisen des Dauerns, aevum und aeternitas, gilt, die entsprechend von dem nunc aevi bzw. dem nunc aeternitatis konstituiert werden.146 Da es sich dabei um ein jeweils wesentlich verschiedenes nunc handelt147 – das nunc temporis (ver)fließt, während die beiden anderen „stabil“ sind148 –, bleibt zugleich die Verschiedenheit der spezifischen Arten des Dauerns gewahrt. Um keine Irritationen hervorzurufen, ist hier darauf hinzuweisen, dass Bonaventura den Begriff essentia für das nunc in einer Weise gebrauchte, der nicht auf das abstrakte Wesen abzielt, sondern auf das in einem Sein verwirklichte Wesen.149 Das bedeutet, dass er ihn sehr stark dem Substanzbegriff annäherte. Insofern verwundert es auch nicht, wenn Bonaventuras Vorlagen (z. B. Albert) an vergleichbaren Stellen vom nunc als „Substanz der Zeit“ sprachen.150 Im Rahmen dieses substantialen Verständnisses kann dann auf zwei weitere Bezüge verwiesen werden, die allerdings mit einer gewissen Vorsicht behandelt werden müssen, da sie eher assoziative, denn strikt begründende Verbindungen herstellen. Der erste Hinweis betrifft eine weitere Parallele zwischen den Verhältnissen in Raum und Zeit: Die bekannte aristotelische Definition des geometrischen Punktes verstand diesen als substantia posita, d. h. als eine durch eine bestimmte Lage (positio) gekennzeichnete Substanz im Gegensatz zu der positionslosen Substanz der „Zahl“ Eins.151 Das nunc war im damaligen Verständnis demnach die dritte substan-

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in c. 11 [219b 12–33]) festhalten: sicut probatur 4 Phys. in toto tempore non est accipere nisi unum «nunc» secundum substantiam … Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 3, ad 4 [II, 63]: … Quod obiicitur, quod substantiae simplicis proprietas non potest esse composita; dicendum, quod verum est, si illa proprietas habeat compositionem partium simul entium; nunc autem non est sic, immo de aevo nunquam est nisi nunc, sicut et de tempore dicitur. Vgl. auch Trin. 5, 1, ad 14 [V, 92] (zitiert oben S. 219, Anm. 73). Vgl. auch Auctoritates Aristotelis, Physica IV, nr. 138 [PhMed 17, 151] (Nihil habemus de tempore, nisi nunc et praesens tempus), dies ist so allerdings nicht in Physica IV zu finden, man beachte jedoch Physica VI, 3 [233b 33–35] und THOMAS VON AQUIN, In Physic. IV, c. 11, lect. 18, 7 [Ed. Leonina II, 206]: quod nihil est temporis nisi nunc. Vgl. erneut Trin. 5, 1, ad 14 [V, 92] (S. 219, Anm. 73). Vgl. oben S. 201. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56b] (zitiert oben S. 201, Anm. 172), ähnlich II Sent. 2, 1, 2, 1, sc. 3 [II, 64]. Dies wurde im Zusammenhang mit der secundum essentiam verstandenen Zeit bereits bemerkt, vgl. S. 218 und die dortige Anm. 69. Vgl. hierzu oben die Anm. 143. Vgl. Analytica posteriora (transl. Iacobi Venetici) 27 [Aristoteles latinus IV.1, 60, Z. 18; 87a 36]: … unitas substantia est sine positione, punctum autem substantia posita. – Substantia ist hier Übersetzung von οὐσία. Vgl. auch De anima (transl. Iacobi Venetici) I, 4 [ALD2 ; 409a 6]: Punctum enim unitas est positionem habens. – Man vgl. hierzu auch die Ausführungen in Categoriae 6 [5a 15–37], dass die Teile von Zahl und Zeit zwar keine (räumli-

236

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

tielle Größe, die eine potentielle Unendlichkeit innerhalb der Kategorie der quantitas aufspannt. Des weiteren – und das ist der zweite Punkt – konnte das nunc auch im Bezug zur (gleich)bleibenden Substanz eines bewegten Gegenstandes gesehen werden.152 Im Kern geht dies zurück auf das damals vielzitierte aristotelische Diktum id autem quod fertur sequitur ipsum nunc, sicut tempus motum;153 Thomas von Aquin formulierte daraus eine Proportionalitätsanalogie, die er in der Formel nunc ad tempus sicut mobile ad motum ausdrückte.154 Das dynamische Bild des einen und einzigen, immer gleichbleibenden, die Zeit erzeugenden nunc (temporis) korrespondiert damit der „substantiellen Selbstidentität“155 eines bewegten Gegenstandes während einer (Orts-)Bewegung. Zugleich wird dadurch ein Verständnis der Zeit als Maßzahl der Bewegung und des nunc als Maßzahl des Beweglichen (mobile) etabliert.156 Bei Bonaventura findet sich dies in der Feststellung, dass das nunc das mobile in quantum mobile misst.157

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che) Lage (positio) zueinander haben, wohl aber eine durch das Früher und Später des Zählens bzw. der Zeitabschnitte bestimmte Anordnung (ordo) besitzen. Darum konnte es etwa II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56a] heißen: Nunc enim respicit substantiam rei. – Vorsicht gilt hier insofern, als diese Beziehung nicht unbedingt ein Verständnis des nunc als einer Substanz voraussetzt (wie etwa an Thomas von Aquin deutlich wird). Vgl. Physica IV, 11 [219b 22f.]: τῷ δὲ φεροµένῳ ἀκολουθεῖ τὸ νῦν, ὥσπερ ὸ χρόνος τῇ κινήσει; der lateinische Text ist der translatio vetus des Jakob von Venedig [Aristoteles Latinus VII.1.2, 176] entnommen. Siehe THOMAS VON AQUIN, In Physic. IV, c. 11, lect. 18, 4 [Ed. Leonina II, 205f.] (zitiert in Anm. 156). Vgl. auch ebd., nr. 9, wo das Verhältnis von motus zu mobile bzw. von tempus zu nunc weiter ausgeführt wird. Ähnlich bei THOMAS VON SUTTON (?), De instantibus 2, 321 [Ed. cit., 113f.]: Sciendum est ergo, quod mobile est causa motus non efficiens, sed materialis: motus enim est in mobili ut in subiecto, sicut dicitur tertio Physic. Mensura autem ipsius mobilis est instans, quia instans sequitur id quod fertur, ut dicitur quarto Physic. … Daraus ergab sich für ihn im folgenden Kapitel 3, 323 [Ed. cit., 114]: … Ergo a commutata proportione, sicut se habet tempus ad motum, ita se habet «nunc» temporis ad mobile: unde videtur philosophum velle «nunc» temporis sequi ipsum mobile, ita quod idem «nunc» sit mensura mobilis et continuans partes temporis adiuncti. Idem etiam «nunc» dicit primo mensurare tempus ipsum, quia unumquodque mensuratur per id quod est notius in suo genere, unde «nunc» illud de genere temporis est. De eodem etiam «nunc» subiungitur, quod nihil temporis est, nisi ipsum «nunc». Ex quibus patet quod instans quod sequitur mobile sit de substantia temporis, … Vgl. PORRO, Forme e modelli di durata, 30: «… l’identità dell’istante per l’intera durata del movimento sembra corrispondere all’autoidentità sostanziale del mobile». Vgl. THOMAS VON AQUIN, In Physic. IV, c. 11, lect. 18, 4 [Ed. Leonina II, 205f.]: Sic igitur se habet nunc ad tempus, sicut mobile ad motum: ergo secundum commutatam proportionem, sicut tempus ad motum, ita et nunc ad mobile. Unde si mobile in toto motu est idem subiecto, sed differt ratione, oportebit ita esse et in nunc, quod sit idem subiecto et aliud et aliud ratione: quia illud quo discernitur in motu prius et posterius, est idem subiecto, sed alterum ratione, scilicet mobile; et id secundum quod numeratur prius et posterius in tempore est ipsum nunc. – Vgl. auch THOMAS VON SUTTON (?), De instantibus 3, 324 [Ed. cit., 115] (in Fortsetzung des in Anm. 154 Gesagten): sicut loci mutatio et ipsum mobile sunt simul, sic numerus mobilis simul est cum numero motus localis. Sed tempus est numerus loci mutationis. Ergo numerus ipsius mobilis semper erit cum tempore. Hoc autem nihil aliud est quam «nunc». Ähnlich ALBERTUS MAGNUS, Physica IV, 3, 8 [Ed.

Philosophische Klärungen

2.2.2

237

Einheit und Vielheit des nunc

Fasste man wie Bonaventura das nunc als die Substanz der Zeit, so stand es dabei vor allem als ein eines und einziges vor Augen. Doch allein dabei konnte man es nicht belassen, denn, wie bereits Aristoteles bemerkt hatte, Zeit und Bewegung werden nur dadurch erfasst, dass das Bewusstsein zwei verschiedene, dem (Zustand des) Vorher und Nachher entsprechende „Jetzte“ anspricht.158 Bereits der Stagirite stand also vor der Aporie, dass das Jetzt einerseits die ganze Zeit ein und dasselbe bleibt und dass es andererseits immer wieder ein anderes wird.159 Zugespitzt formuliert geht es um die Alternative, ob es nur ein einziges nunc gibt oder ob viele verschiedene nunc existieren. Zugleich wird damit die zunächst bestechende Klarheit des im vorigen Abschnitt vorgestellten dynamischen Bildes von dem einen, sich bewegenden Punkt wieder in Frage gestellt. Der Komplexität des Problems entspricht es dabei, wenn zeitgenössische Antworten auf diese Frage nicht eine einfache Entweder-Oder-Lösung in den Blick nahmen. Vielmehr versuchte man zu bestimmen, in welcher Hinsicht jeweils von der Einheit oder der Vielheit der Jetzte zu sprechen ist. Diese Bestimmung wurde dabei sowohl von der ontologischen als auch von der gnoseologischen Seite angegangen:160 In letzterer Hinsicht kam man etwa mit Thomas von Aquin zu dem Ergebnis, dass das nunc zwar dem Zugrundeliegenden nach ein einziges ist, der Hinsicht nach aber je ein anderes (idem subiecto, alterum et alterum ratione).161 In der ontologischen Perspektive lautete die

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Colon. IV.1, 274, Z. 4–6], der das nunc nicht nur als Maß, sondern sogar als Zahl auffassen konnte: tempus nihil aliud est nisi numerus loci mutationis, et nunc nihil aliud est nisi numerus eius quod fertur, … So auch THOMAS VON AQUIN, In Physic. IV, c. 11, lect. 18, 5 [Ed. Leonina II, 206] (nunc temporis intelligitur ut numerus mobilis). Zu diesen Stellen vgl. auch ARISTOTELES, Physica IV, 11 [220a 1–4]. Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 1, ad 3 [II, 65]: nam sicut tempus mensurat motum, sic nunc temporis mensurat ipsum mobile in quantum mobile. Vgl. die Definition von Physica IV, 11 [219a 26–29] (zitiert oben S. 100 mit Anm. 33). Vgl. oben S. 231, mit den Stellen in Anm. 129. Beide Perspektiven – sowohl die ontologische wie auch die gnoseologische – sind dabei bereits im Text des Stagiriten in Physica IV, 11 bezeichnet, wo er das nunc einmal als dem Sein nach je verschiedenes bezeichnet (τὸ γὰρ νῦν τὸ αὐτὸ ὅ ποτ’ ἦν – τὸ δ’ εἶναι αὐτῷ ἕτερον [219b 10f.; vgl. auch 26f.]) und ein andermal als ein dem Verständnis nach verschiedenes (τοῦτο δὲ µέν ὃ µέν ποτε ὂν τὸ αὐτό … τῷ λογῷ δὲ ἄλλο [219b 18–20]). Vgl. In Physic. IV, c. 11, lect. 18, 4 [Ed. Leonina II, 205a]: … quod nunc est idem subiecto, sed alterum et alterum ratione; Ebd., nr. 2 hieß es ähnlich: Quod quidem secundum id quod est, idem est: sed ratione est alterum, secundum quod est prius et posterius: et sic nunc mensurat tempus, non secundum quod est idem subiecto, sed secundum quod ratione est alterum et alterum, et prius et posterius. – THOMAS VON SUTTON (?), De instantibus 3, 325 [Ed. cit., 115] bringt dieses Verhältnis auf die Formel idem re, alterum et alterum ratione: Patet enim ex parte motus et mobilis mobile esse idem in toto motu realiter, sed alterum et alterum ratione. Sed haec eius alteritas consistit in quibusdam indivisibilibus motus, quae dicuntur mutata esse, … Mobile autem nihil est horum, cum quodlibet horum accidat sibi; simul tamen sunt haec mutata esse cum mobili, quia eius sunt

238

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

entsprechende Formulierung, dass das nunc zwar der Substanz nach ein einziges ist, sein konkretes Sein aber je ein anderes (unum secundum substantiam, alterum et alterum secundum esse).162 In der Folge unterschieden manche Autoren dann verschiedene Bedeutungen oder Auffassungsweisen des nunc:163 Den obigen Vergleich mit der Bewe-

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ut subiecti. Sicut autem a parte mobilis, ita et a parte instantis, quod sequitur mobile, est accipere diversa et diversa esse. Et haec eius diversitas consistit in ipsis indivisibilibus temporis, quae et dicuntur mensurata esse; et ista mensurata esse sine interpolatione sunt instantia quae continuant tempus: et haec nihil aliud sunt nisi diversa et diversa ratio eiusdem instantis, quod idem est realiter in toto tempore sequens mobile inquantum est idem re in toto motu. Bei beiden stehen diese Bestimmungen in unmittelbarer Verbindung zu dem dynamischen Bild des die Linie erzeugenden Punktes, vgl. THOMAS VON AQUIN, In Physic. IV, c. 11, lect. 18, 4 [Ed. Leonina II, 205]; THOMAS VON SUTTON (?), De instantibus 2, 320 [Ed. cit., 113] (zitiert oben S. 232, Anm. 137). – Die Sprechweise des Aquinaten dürfte dabei von AVERROES, In Phys. IV, comm. 104 [Ed. cit. IV, fol. 183r–184r] inspiriert sein, dort hieß es fol. 183r F: Instans est in aliquo existente in dispositionibus diversis. Et quod est tale, est unum secundum subiectum, et duo secundum rationem. Ebd. [fol. 183v M – 184r A]: … instans est idem secundum subiectum, et plura secundum definitionem, id est secundum prioritatem, et posterioritatem. – Bei ALBERTUS MAGNUS, Physica IV, 3, 7 [Ed. Colon. IV.1, 272, Z. 71–77]: … et numerus partium motus est tempus, et unitas eius in toto motu est nunc, quod est idem in substantia propter incorruptibilitatem et invariabilitatem mobilis sive eius quod fertur, secundum subiectum, et est secundum esse diversum, inquantum fluit a priore in posterius, cuius causa est renovatio situs in eo quod fertur, uno existente secundum subiectum (Unterstreichungen von mir). Bei THOMAS VON AQUIN, In Physic. IV, c. 11, lect. 18, 3 [Ed. Leonina II, 204] findet sich zumindest der zweite Teil der Aussage: Inquantum enim [scil. nunc] semper consideratur ut in alio et alio secundum successionem temporis et motus, sic est alterum et non idem. Et hoc est quod supra diximus, quod ipsi est esse alterum. Nam hoc est esse ipsi nunc, idest secundum hoc accipitur ratio ipsius, ut consideratur in decursu temporis et motus. Ähnlich THOMAS VON SUTTON (?), De instantibus 3, 325 [Ed. cit., 115] (zitiert oben Anm. 161). Sehr klar äußerte sich ALBERTUS MAGNUS, De IV coaequaevis 2, 5, 3, ad qu. 1 [Ed. Paris. 34, 375]: … distinguendum est, quod tempus potest considerari secundum suam naturam, vel secundum comparationem ad nos et ad motus terminatos in ipso. Si ultimo modo consideratur, tunc in ipso significabilia sunt plura nunc, hoc est, quod secundum esse plura sunt nunc. Si autem primo modo consideratur, tunc tota substantia temporis est unum nunc manens semper secundum substantiam unam et idem, sed secundum esse habet pluralitatem. Man beachte hierzu auch die vorausgehenden Ausführungen in ad 3 [Ed. Paris. 34, 374b–375a]. Vgl. ferner Physica IV, 3, 12 [Ed. Colon. IV.1, 283, Z. 43–70]; dort wird die Linie weiter ausgezogen und die Einheit mit dem (Vergangenheit und Zukunft) verbindenden Aspekt des aktuell existierenden nunc zusammengebracht, wohingegen die Vielheit sich mit der potentiell trennenden Eigenschaft des nunc verbindet, indem der Verstand die nacheinander realisierten Bewegungszustände erfasst. Im Fazit [ebd., Z. 65–70]: Inquantum autem huiusmodi est dividens … aliud et aliud est in tempore propter hoc, quod partes temporis non permanent. Inquantum autem copulat, semper est idem in toto tempore sicut et unitas ipsius quod fertur, quae semper una est in toto motu. ALBERTUS MAGNUS, De IV coaequaevis 2, 5, 3, ad 3 [Ed. Paris. 34, 374] sprach unter Berufung auf Avicenna (vermutlich Sufficientia II, 12 [Ed. cit., 333–349], besonders die Abschnitte 341, Z. 10 – 343, Z. 35 sowie 345, Z. 63 – 346, Z. 83) von zwei Weisen (modi) das nunc aufzufassen. Die Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 3 (70), resp. [Ed. cit. I, 109] berichtete sogar von drei verschiedenen Bedeutungen des nunc: Ad hoc dixerunt quidam, quod sicut est accipere in mutabili substantia

Philosophische Klärungen

239

gung bemühend, entsprach das nunc dabei einmal dem einen mobile als die ganze Zeit (gleich)bleibendem und mit sich identischem, das andere Mal war es mit den vielen, die verschiedenen Bewegungszustände repräsentierenden mutata esse vergleichbar.164 Im Extremfall ging man dabei sogar so weit, diese Bedeutungsverschiedenheit als Äquivokation zu verstehen.165 Nach diesem allgemeinen Überblick soll nun die Situation bei Bonaventura betrachtet werden. Auch der Doctor seraphicus kannte beide Vorstellungen: die eines einzigen nunc und die von (unendlich) vielen verschiedenen „Jetzten“.166 Wie verband er die beiden unterschiedlichen Perspektiven miteinander? Die Antwort auf diese Frage ist komplex, denn sie hängt davon ab, in welchem Sinn von verschiedenen nunc gesprochen wird: Mit der Aussage „Es gibt nicht nur einziges, sondern viele verschiedene Jetzte“ konnten unterschiedliche Sachverhalte bezeichnet werden (nicht nur bei Bonaventura, auch bei anderen Autoren), je nachdem ändert sich aber auch die Antwort, inwiefern dennoch von einer Einheit des nunc gesprochen werden kann. Im Folgenden sollen diese verschiedenen Ebenen der Vielheit des nunc betrachtet werden. 2.2.2.1

Das kontinuierlich fließende nunc

In einem ersten, wenn auch noch eher schwachen Sinn beinhaltet bereits die Vorstellung des kontinuierlich dahinfließenden (zeitlichen) Augenblicks den Gedanken der Vielheit

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motum et quod movetur et quod est, ita «nunc» tripliciter. [1] Est enim «nunc» quod multiplicatur in tempore, sicut ipsa sucessio motus … [2] Item est «nunc» quod est idem in tempore nec multiplicatur nisi secundum accidens … [Et est] «nunc» unum quod fluit et fertur in tempore. [3] Item est «nunc» quod non fluit, quemadmodum id quod est, inquantum huiusmodi, intelligitur manens (Nummerierung von mir eingefügt). Vgl. THOMAS VON SUTTON (?), De instantibus 3, 325 [Ed. cit., 115] (zitiert oben Anm. 161). Das Beispiel, mit dem man diesen Sachverhalt gern verdeutlichte, stammt aus ARISTOTELES, Physica IV, 11 [220b 20f.], wo „Koriskos im Lykeion“ und „Koriskos auf der Agora“ als Anfangs- und Endzustand der Bewegung dem dem Subjekt (ὅ ποτε ὄν) nach gleichbleibenden „Koriskos“ gegenübergestellt wurden. Vgl. z. B. THOMAS VON SUTTON (?), De instantibus 2, 322 [Ed. cit., 114], wo von der aequivocatio instantis berichtet wird; ein Vertreter dieser Auffassung war Aegidius Romanus (vgl. PORRO, Forme e modelli di durata, 31). So I Sent. 5, dub. 8, resp. [I, 121f.] zu der Aussage Deus semel genuit Filium: … semel potest dicere nunc temporis, vel nunc aeternitatis. Et si dicat nunc temporis, cum tempus habeat diversa nunc, notat intercisionem; si autem nunc aeternitatis, et illud nunc semper est et invariabile et unum, …; ähnlich I Sent. 44, 1, 4, resp. [I, 788b]: Ratio autem istius malae imaginationis est: cum enim imaginamur, aeternitatem in infinitum ante tempus fuisse, intelligimus eam quasi durationem extensam, in qua sunt diversa nunc, in quorum quolibet potuisset fieri tempus. In III Sent. 8, 2, 1, ad 6 [III, 193] wurden ordo sive distinctio als Eigenschaften des nunc temporis aufgezählt; IV Sent. 17, 2, 2, 2, sc. 2 [IV, 444] wurde nebenbei bemerkt: … pari ratione in alio nunc, et cum sint nunc infinita in tempore … (vgl. ARISTOTELES, Physica VI, 6 [237a 15f.]); schließlich ging die ganze Diskussion um die Transsubstantiation in IV Sent. 11, 1, 1, 5 [IV, 248–250] darum, wie die beiden Jetzte des ultimum esse panis und des primo esse corpus zu verstehen sind.

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

der nunc. Diese Vorstellung steht unter dem Paradigma der Ortsbewegung als einer kontinuierlichen Bewegung, die in gleicher Weise wie die durch einen Punkt erzeugte Linie verstanden wurde. Der genannten Einheit des mobile steht dort die Verschiedenheit der mutata esse gegenüber.167 Letztere ergeben sich dadurch, dass man jeweils einen bestimmten Moment aus der kontinuierlich zu denkenden Bewegungsfolge herausgreift (den Anfangs-, den End- oder einen beliebigen Zwischenpunkt).168 In dieser Situation, die die Analyse der Bewegung auf die Verhältnisse in der Zeit übertrug, konnte Bonaventura sowohl von der wesenhaften Einheit des nunc169 als auch von den unendlich vielen in der Zeit enthaltenen nunc sprechen.170 Wie aber ist eine so verstandene Vielheit der nunc näherhin vorzustellen? Der Sache nach befindet man sich hier in der oben beschriebenen „dynamischen Perspektive“171 auf das Verhältnis von Jetzt und Zeit. Doch zunächst gelangt man dabei nur zu zwei negativen Feststellungen: Zum einen vermisst man bei Bonaventura die bei den Zeitgenossen begegnenden polaren Formulierungen. So wird zwar die Einheit des nunc als eine Einheit secundum essentiam beschrieben, die Verschiedenheit aber wird (jedenfalls in diesem Kontext) nicht weiter charakterisiert als Verschiedenheit secundum rationem oder secundum esse.172 Zum anderen sprach der Doctor seraphicus in diesem Zusam-

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Vgl. oben S. 239; den Bezug zwischen nunc und mobile findet man bei Bonaventura in der bereits zitierten Bemerkung von II Sent. 2, 1, 2, 1, ad 3 [II, 65] wieder: nunc temporis mensurat ipsum mobile in quantum mobile. Vgl. z. B. noch einmal ALBERTUS MAGNUS, De IV coaequaevis 2, 5, 3, sol. [Ed. Paris. 34, 373] (zitiert oben S. 234, Anm. 143). Vgl. IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250a]: … quia unum est [scil. instans] secundum suam essentiam, cuius fluxus est continuus. IV Sent. 17, 2, 2, 2, sc. 2 [IV, 444]. – Sehr sprechend war in dieser Hinsicht auch die in Anm. 161, S. 237 zitierte Beschreibung bei ALBERTUS MAGNUS, Physica IV, 3, 7 [Ed. Colon. IV.1, 272, Z. 71–77]. Vgl. oben ab S. 231. In IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 249f.] tauchen diese Interpretationsmöglichkeiten zwar im Zusammenhang mit dem nunc auf (man beachte insbesondere die zweite, die vierte und die fünfte der dort vorgestellten positiones), jedoch ist der Zusammenhang ein anderer, denn es geht ja gerade nicht um eine kontinuierliche Bewegung, sondern um eine substantielle Veränderung, bei der Bonaventura gerade die Diskontinuität der beiden Zustände betonte. Dies möchte ich insbesondere auch für den Kontext des in Anm. 169 zitierten Satzes geltend machen. Dort heißt es [IV, 250a]: Propterea est quarta positio, quod est in alio et alio instanti secundum rem, eo modo, quo in tempore est ponere instantia multa; quia unum est secundum suam essentiam, cuius fluxus est continuus; unde non est ponere plura instantia, ut consequenter se habentia secundum se; sed tamen, secundum quod mensurat duas actiones discontinuas, est in eo duo signare. Die hier reklamierte reale Verschiedenheit der betrachteten zwei Augenblicke gegenüber der essenzialen Einheit des kontinuierlich fließenden Augenblicks ergibt sich hier ja (gemäß der Begründung) gerade aus der Diskontinuität; die hier angesprochene Weise, wie es in der Zeit viele (verschiedene) Augenblicke gibt, ist also gerade nicht mit dem Fluss des nunc zu verbinden, sondern mit der in der folgenden positio angesprochenen Vervielfältigung der nunc durch das zugrundeliegende verschiedene Sein.

Philosophische Klärungen

241

menhang auch nicht ausdrücklich davon, dass es verschiedene Bedeutungen oder Begriffe des nunc gibt (obwohl es der Sache nach seiner Darstellung der Verhältnisse sehr nahe liegt).173 Zu positiven Aussagen über das Verhältnis von Einheit und Vielheit des nunc gelangt man erst, wenn man den Begriff des Kontinuum betrachtet.174 Oben wurde ja bereits festgestellt, dass die Zeit zu den kontinuierlichen Größen innerhalb der Kategorie quantitas gezählt wurde.175 Im vorigen Abschnitt wurde zudem deutlich, dass das nunc als tota essentia temporis mit diesem Kontinuum wesentlich identisch ist.176 Insofern verwundert es in keiner Weise, wenn beide Größen, nunc und Kontinuum, dieselbe Polarität von Einheit und Vielheit aufweisen. Auch beim Kontinuum fällt zunächst der Einheitsaspekt ins Auge: So ist das Kontinuum als eine intrinsische Einheit zu begreifen, die im Hinblick auf die Zeit deren „kontinuierlichen“, d. h. ununterbrochenen, Fluss modelliert.177 Den Charakter dieser intrinsischen Einheit des Kontinuums begreift man, wenn man ihn im Gegensatz zu der lediglich extrinsischen Einheit des „Sich-Berührenden“ (contiguum/tangens) versteht:178 Von der räumlichen Vorstellung ausgehend sind es beim contiguum lediglich die Oberflächen zweier Körper (oder in einer Dimension: die Endpunkte zweier Linien), die in der Berührung eins werden179 – die Unterschiedenheit der

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Auf diese Art der Vervielfältigung des nunc wird in dem entsprechenden Abschnitt ab S. 250 näher eingegangen. Auch hier ist sehr genau abzugrenzen, denn sowohl in IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250a] als auch in II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 3 [II, 23] hieß es, dass das nunc auf zwei verschiedene Weisen begriffen werden kann (dupliciter accipi). In beiden Fällen aber geht es nicht um den hier betrachteten Kontext einer kontinuierlichen Bewegung. Im ersten Fall lautet die Alternative vielmehr in duratione propria – secundum communem mensuram. Bei dem zweiten Fall darf man sich durch die von Bonaventura gewählte Veranschaulichung (nämlich den Kreis und einen Punkt, während bzw. nachdem er gezeichnet wurde) nicht in die Irre führen lassen: Es geht um den Unterschied zwischen dem ersten nunc (im Moment der Erschaffung der Welt), das vor sich kein anderes nunc hat, und allen späteren nunc (nach der Schöpfung), die alle eine Zeit davor und danach kennen. Zum Verhältnis von Zeit, nunc und continuum vgl. auch die Überlegungen bei BIGI, La dottrina della temporalità, 103–111. Vgl. oben S. 206 mit Anm. 8 und Tabelle 5. Vgl. den Abschnitt ab S. 231; zum nunc als tota essentia temporis (II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 4 [II, 23b]) vgl. auch oben ab S. 219, besonders Anm. 65 und 73; ähnlich BIGI, La dottrina della temporalità, 112: «la durata, come tale, è essenzialmente nunc». In diesem Sinn ist es auch zu verstehen, wenn die Dauer als esse non intercisum (vgl. oben Anm. 60, S. 217, aber auch Anm. 48, S. 214) und als continuatio in esse (vgl. S. 199, Anm. 161) begriffen wird. Vgl. hierzu auch BIGI, La dottrina della temporalità, 103f. Entsprechende Ausführungen finden sich bei ARISTOTELES, Physica V, 3 [227a 17 – 227b 2]; VI, 1 [231a 21–23]; das Gegensatzpaar von „kontinuierlich“ und „diskret“ wurde in Categoriae 6 [4b 20 – 5a 14] behandelt. Bonaventura zitierte hier öfters die aristotelische Sentenz contigua sunt, quorum ultima sunt simul (II Sent. 2, 2, 2, 4, arg. 2 [II, 82]; IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 249]; IV Sent. 49, 2, 2, 3, 1, resp. [IV, 1028b]), es handelte sich um die Definition aus Physica VI, 1 [231a 22f.]; die Auctoritates

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

Körper bleibt trotz der Berührung bestehen. Umgekehrt setzt das continuum gerade ein im Ganzen einheitliches, d. h. ununterschiedenes Sein voraus.180 Dabei weist freilich das Kontinuum – und hier liegt der Schlüssel zur Vielheit – keinen so hohen Grad von Einfachheit auf, dass innerhalb seiner überhaupt keine Teile unterschieden werden könnten.181 Es ist gerade die Teilbarkeit, die das Kontinuum auszeichnet. Bonaventura (und andere) unterschieden dabei zwischen natürlicher und mathematischer Teilbarkeit:182 Während die im Denken vorgenommene mathematische Teilung bis ins Unendliche fortschreiten kann,183 kommt jeder tatsächlich vorgenommene natürliche Teilungsprozess nach endlich vielen Schritten an seine Grenze.184 Der natürlichen Teilung als aktueller, steht damit die mathematische Teilung als lediglich potentielle Teilung gegenüber.185 Doch weder bei dem einen noch bei dem anderen Teilungsprozess kommt man zu der das Kontinuum erzeugenden unteilbaren Einheit (z. B. des Punktes oder des Augenblickes).186 Dennoch kommt die Einheit der jeweiligen Größe auch im Rahmen der Teilbarkeit ins Spiel, allerdings in einer veränderten Perspektive: Man stellt sich nicht mehr (z. B.) den Punkt vor, der eine gegebene Linie erzeugt, sondern nimmt umgekehrt die Linie (das heißt das entsprechende Kontinuum) als gegeben und versteht den Punkt als die mögliche Grenze einer Teilung der Linie, an der die beiden Teile zusammenstoßen und dadurch sowohl getrennt als auch verbunden werden.187 Da nun die Anzahl der (mathematice) möglichen Teilungsstellen unendlich

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Aristotelis, Physica V, nr. 158f. [PhMed 17, 153] gaben sie folgendermaßen wieder: Continua sunt, quorum ultima sunt unum, ut cutis et caro. Contigua sunt, quorum ultima sunt simul, ut cutis et camisia. – Bonaventura selbst erklärte in IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250a] zur Berührung der Endpunkte von zwei Linien: … in illa contiguatione punctus substratus non fit duo, sed duo puncta uniuntur in uno, nec tamen cedunt in unum propter distinctionem corporum, in quibus sunt; ähnlich auch IV Sent. 49, 2, 2, 3, 1, resp. [IV, 1028b]. Vgl. hierzu bei BONAVENTURA, II Sent. 12, 2, 1, sc. 4 [II, 303]: … continuitas venit ab unitate materiae secundum esse (es geht in diesem Fall um die Frage, ob himmlische und irdische Materie ein einheitliches Sein besitzen und sie zusammen ein Kontinuum bilden können). Und insofern konnte BONAVENTURA, Trin. 3, 2, ad 7 [V, 77] feststellen, quod punctus semper simplicior continuo, et unitas numero. Vgl. IV Sent. 49, 2, 2, 1, 2, ad 3 [IV, 1024]: Quod ergo dicitur: omne continuum divisibile; intelligendum est de divisione mathematica, non de divisione naturali, de qua hic opponitur. Sic enim exponit Anselmus, quod illud intelligitur secundum intellectum, non secundum actum. Vgl. II Sent. 35, 2, 3, resp. [II, 833b]: Nam quamvis continuum sit divisibile in infinitum … Vgl. IV Sent. 10, 1, 1, 5, ad 2 [IV, 225]: … in divisione continui est status naturalis, quantum ad partes secundum formam. Vgl. II Sent. 34, 2, 1, ad 3 [II, 811]: … dicendum, quod status est secundum actum, sed non oportet, quod sit status secundum potentiam, ut non possit esse ultra progressus. Nam etsi in rebus creatis non contingat invenire actu infinitum, contingit tamen reperire infinitum in potentia, sicut patet in numero per appositionem et in continuo per divisionem. Vgl. hierzu auch noch einmal die oben (ab S. 229) beschriebenen elementaren Eigenschaften des nunc. Vgl. hierzu Anm. 125, S. 230, besonders das Zitat aus ARISTOTELES, Categoriae 6. Den entscheidenden Unterschied zum contiguum sehe ich darin, dass im Fall des continuum die Teile später

Philosophische Klärungen

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groß ist, kommt man zu der Idee von den unendlich vielen in dem Kontinuum enthaltenen unteilbaren Einheiten (d. h. Punkten in der Linie, Augenblicken in einem gegebenen Zeitraum).188 Wie aber die Teilung eine rein gedankliche ist, so ist die hier betrachtete Vielheit der Punkte und der nunc ebenfalls eine potentielle (anderenfalls wäre man wieder bei dem Problem eines aktuell Unendlichen).189 Wie sich das nunc zu dem von ihm erzeugten Zeitkontinuum verhält, wird noch einmal deutlicher, wenn man kurz auf den nach diesem Exkurs folgenden Abschnitt (ab S. 250) vorausblickt. Dort findet man nämlich ein Beispiel, wo die Kontinuität gerade nicht gegeben ist und deswegen nach damaligem Verständnis nicht nur von verschiedenen Zeiten, sondern auch von verschiedenen nunc gesprochen werden musste.190 Dies ist der Fall bei einer substantiellen Veränderung, die Bonaventura im Zusammenhang mit der Wandlung der eucharistischen Gaben beschrieb:191 Die Zeit des Brot-Seins (esse panis) und des Leib-Christi-Seins (esse corpus) bilden hier zwar jeweils für sich ein Kontinuum, aber – obwohl sie unmittelbar aufeinanderfolgen – lassen sie sich zusammengenommen gerade nicht als ein einziges Kontinuum begreifen und folglich bezeichnen die beiden nunc des ultimum esse panis und des primum esse corpus zwei nicht nur virtuell (secundum virtutem) oder dem Verständnis nach (secundum rationem),

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sind als der die Teile abgrenzende Punkt, denn sie ergeben sich erst durch die Wahl dieses oder jenes Punktes (bzw. Augenblicks). Beim contiguum hingegen sind von vorneherein zwei verschiedene Teile gegeben und der Berührungs- oder Teilpunkt kann nicht frei gewählt werden: Er liegt dort, wo die beiden verschiedenen Teile zusammenkommen. Vgl. IV Sent. 17, 2, 2, 2, sc. 2 [IV, 444] (zitiert in Anm. 166, S. 239). Man vgl. S. 232, besonders den Schluss der in Anm. 137 zitierten Stelle aus THOMAS VON SUTTON (?), De instantibus 2, 320 [Ed. cit., 113]. Bonaventura stellte in I Sent. 37, 2, 2, 2, ad 3.4 [I, 661b] nebenbei fest: … cum continuum sit finitum actu et infinitum in potentia … Dasselbe ausführlicher in I Sent. 43, 1, 3, ad 6 [I, 773]; ähnlich auch III Sent. 14, 2, 2, sc. 5 [III, 310]. – Albertus Magnus betrachtete diesen Aspekt systematischer und brachte in Physica IV, 3, 12 [Ed. Colon. IV.1, 283, bes. Z. 44–70] den kontinuierenden Aspekt des nunc mit dessen Aktualität in Verbindung, den divisiven dagegen mit seiner Potentialität. Diese verband er schließlich mit der Einheit und Vielheit des nunc: … quia cum sint duo actus ipsius nunc, unus, qui est continuare, et alius, qui est dividere, continuat quidem ipsum nunc, prout accipitur actu existens in tempore … Actus autem, qui est dividere non est ipisus nunc nisi in potentia accepti, et hoc duobus modis, aut in comparatione ad nostrum intellectum, scilicet inquantum nos per ipsum dividimus tempus, aut in comparatione ad aliquem motum inferiorem, qui est in tempore et terminatur ad nunc aliquod temporis. … Inquantum autem huiusmodi est dividens, … aliud et aliud est in tempore, propter hoc, quod partes temporis non permanent. Inquantum autem copulat, semper est idem in toto tempore sicut et unitas ipsius quod fertur … – Zum nunc als continuans bei Bonaventura vgl. oben S. 230, insbesondere IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 249b] (zitiert in Anm. 125, S. 230). Wobei eigens noch einmal zu betonen ist, dass diese Verschiedenheit der nunc anders zu begreifen ist, als die – wenn man so will intrinsische – Verschiedenheit des einen nunc, das durch seinen kontinuierlichen Fluss eine bestimmte Dauer erzeugt (entsprechend dem dynamischen Bild des Punktes, der durch seine Bewegung eine Linie erzeugt). Es geht allgemeiner gesprochen darum, dass sich etwas instantan, d. h. abrupt und ohne sukzessiven Übergang, in etwas anderes verwandelt.

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

sondern real verschiedene nunc, die jeweils der eigenen Dauer des Brot-Seins bzw. des Leib-Seins angehören.192 Derselbe Grundgedanke zeigt sich bei jedem Entstehen oder Vergehen einer Sache: Es markiert einen Einschnitt (intercisio), der das kontinuierliche Sein dieser Sache in der einen oder anderen Richtung unterbricht und so auch deren Eigen-Zeit und das ihr zugrundeliegende „Eigen“-nunc begrenzt.193 – Zum Zweiten ergibt sich eine solche Unterbrechung des Zeitkontinuums auch, wenn die zugrundeliegende Bewegung absetzt oder unterbrochen wird. Umgekehrt heißt das: Die Besonderheit des mit dem primum mobile verbunden Zeitmaßes ergibt sich aus dessen niemals absetzender, absolut kontinuierlicher Kreisbewegung. Diese steht im Gegensatz zu den in aller Regel nicht-kontinuierlichen Bewegungen des sublunaren Bereichs und garan-

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Vgl. IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 249f.], besonders die Feststellungen in der Opinio 4 (… in nullo continuo nec esse nec intelligi nec signari possunt vere duo indivisibilia, ipso manente continuo, quae se habeant consequenter, alioquin intelligitur de necessitate ut multiplicatum) und in der Opinio 5 (zitiert in Anm. 54, S. 215) den Passus dort: non est signare duo instantia consequenter se habentia in continuo, manente continuo; unde quodlibet horum per se signari potest, sed duo simul impossibile est signare. Et sic patet, quod in alio et alio instanti habet esse panis et corpus secundum rem, et secundum quod est mensura realis et propria; licet secundum mensuram communem duo instantia immediate signare non contingat. Die letzte Bemerkung des eben zitierten Passus geht dabei darauf ein, dass man sehr wohl ein die beiden Zustände des Brot-Seins und des Leib-Seins übergreifendes, „paralleles“ Kontinuum finden kann (er nennt unter anderem das durch die Himmelsbewegung vorgegebene Zeitkontinuum). Dieses stellt aber gegenüber den beiden anderen ein drittes Kontinuum dar (dessen nunc sich in dem Beispiel mit der Bewegung des primum mobile verbindet); dort entsprechen die beiden Augenblicke des ultimum esse panis und des primum esse corpus dann einem einzigen Augenblick, und die wesentliche Eigenschaft des Unmittelbar-aufeinander-Folgens (consequenter se habere) geht dabei verloren, denn in einem einzelnen Kontinuum – das zeichnet das Kontinuum gerade aus – können niemals zwei verschiedene (Zeit-)Punkte gefunden werden, die unmittelbar aufeinanderfolgen; zwischen verschiedenen Punkten vielmehr liegt immer Zeit (oder im Raum-Kontinuum: eine Strecke). Vgl. den hier sc. 4 [IV, 249a] und in I Sent. 37, 2, 2, 3, arg. 1 [I, 662] von Bonaventura benutzen aristotelischen Satz: inter quaelibet duo instantia cadit tempus medium. – Vgl. dazu ARISTOTELES, Physica (transl. vetus) VI, 1 [Aristoteles latinus VII.1.2, 217, Z. 8f.; 231b 9f.] punctorum autem semper medium est linea et ipsorum nunc tempus est; sowie Auctoritates Aristotelis, Physica VI, nr. 169 [PhMed 17, 154]: Inter quaelibet puncta signata in continuo est dare lineam incontinuam, id est mediam. – Denselben Zusammenhang von Kontinuum und Sein (aber von der entgegengesetzten Richtung her aufgerollt) offenbart auch die Frage nach der Identität von irdischem Leib und Auferstehungsleib in IV Sent. 43, 1, 4, ad 4 [IV, 890b], dort wird gegen die Feststellung der Identität argumentiert: Quomodo potest hoc intelligi? Cum istae operationes [scil. generationis et reformationis] sint discontinuae, et esse rei sit discontinuum … si ergo esse discontinuatur, ergo est aliud et aliud. Vgl. den in Anm. 54, S. 215 zitierten Passus aus IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250]; dasselbe gilt in I Sent. 5, dub. 8, resp. [I, 121f.] (zitiert in Anm. 166, S. 239) hinsichtlich der (zeitlichen) Geburt Jesu. – Umgekehrt wurde bereits festgestellt, dass die Dauer gerade ein esse non intercisum (also ein Kontinuum mit nur potentiell, nicht real verschiedenen nunc) besagt, vgl. hierzu Anm. 60, S. 217.

Philosophische Klärungen

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tiert die Einheit dieses zeitlichen Maßes.194 Alternativ stellt für Bonaventura auch die secundum essentiam genommene eine Zeit – die Zeit „an sich“, unabhängig von einer bestimmten Bewegung oder einem bestimmten Gegenstand, der dauert, im Gegensatz zu den vielen secundum esse verstandenen und mit der Dauer der einzelnen Dinge verbundenen Eigenzeiten – ein vergleichbares einheitliches Kontinuum dar.195 Als Fazit aus dem Gesagten bietet sich folgende Sichtweise an: Unter der Generalvoraussetzung, dass tatsächlich ein einheitliches Zeitkontinuum vorliegt (was in der Regel eine Bedingung an die zugrundeliegende Bewegung darstellt – „Bewegung“ hier im allgemeinen aristotelischen Sinn, d. h. Entstehen und Vergehen einschließend, verstanden), verbindet Bonaventura mit diesem Kontinuum zunächst ein einziges nunc, das die essentia dieses Kontinuums darstellt und das dieses durch seinen Fluss erzeugt. Nimmt man dieses Kontinuum als gegeben so erlaubt dessen intrinsische Einheit dabei zugleich eine (ins Unendliche gehende) gedankliche Teilung. Bei diesem Prozess erscheint das nunc als mögliche Grenze einer solchen Teilung, und man gelangt zu einer potentiellen Vielheit von „Jetzten“, die jeweils einer Momentaufnahme dieses Flusses entsprechen. Der hierin enthaltenen Perspektivenwechsel bedeutet dabei im Grunde genommen den Übergang zu einem anderen Begriff des nunc. Doch dieser Sachverhalt wurde von Bonaventura (so weit ich sehe) im Gegensatz zu anderen zeitgenössischen Autoren nirgends thematisiert. Es muss also offenbleiben, ob er kommentarlos die beiden Begriffe nebeneinander verwendet oder ob er stillschweigend davon ausgeht, dass sie im Letzten dasselbe bezeichnen. 2.2.2.2

Exkurs: continuum und successio

An dieser Stelle bietet es sich an, zur Verdeutlichung des eben Gesagten ein weiteres Kennzeichen der Zeit, die successio, in den Blick zu nehmen. Mit Pasquale Porro ist dabei festzuhalten, dass die Eigenschaften continuus und successivus seit Aristoteles zwei voneinander unabhängige Konzepte darstellten.196 Die Qualität „kontinuierlich“ 194

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Darum verwies Bonaventura in IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250b] auf die communis mensura, quae est tempus continuum, non intercisum, ut est mensura motus primi mobilis. Sehr erhellend ist in dieser Hinsicht auch der oben (in Anm. 189, S. 243) zitierte Gedanke von Albertus Magnus, der auf die divisive Kraft des (mit der Bewegung des primum mobile verbundenen) nunc hinsichtlich eines motus inferior hinwies. Vgl. erneut IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250] (zitiert in Anm. 226, S. 254). – Dadurch wird auch verständlich, dass das nunc nur dann die tota essentia temporis darstellt (vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, ad 4 [II, 23], zitiert in Anm. 65, S. 218, und Trin. 5, 1, ad 14 [V, 92], zitiert Anm. 73, S. 219), wenn man auch die Zeit als eine einzige begreift, dazu aber muss man sie secundum essentiam betrachten. – Zur Einheit der Zeit vgl. den entsprechenden Abschnitt ab S. 266, zur hier vorliegenden Sichtweise der secundum essentiam genommenen Zeit vgl. oben S. 221. Vgl. PORRO, Forme e modelli di durata, 26f. – Die Unabhängigkeit von kontinuierlich und sukzessiv zeigte sich bereits oben im Fall der sukzessiven, aber nicht kontinuierlichen Zeit (tempus proprie versus tempus magis proprie, vgl. die Ausführungen in dem Abschnitt ab S. 179). Weiter kann man an die Linie denken, die im Gegensatz zur Zeit als ein continuum permanens vorgestellt

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

wurde als Gegensatz zu „diskret“ verstanden, während successivus je nach Bedeutungsschattierung zwei verschiedene Gegenüber besaß: So konnte es zum einen als Antinomie zu „instantan“ verstanden werden und kennzeichnete dann einen langsam und in mehreren Schritten erfolgenden Prozess im Gegensatz zu einer keine Zwischenstufen kennenden, sprunghaften Veränderung.197 Das grundlegendere Verständnis jedoch, von dem sich die eben beschriebene erste Bedeutung ableitet, sieht successivus als das Gegenteil von permanens an.198 „Sukzessiv“ bezeichnet so jene, besonders mit der Zeit verbundene Eigenschaft einer Sache, ihr Sein nicht in einem einzigen Akt zu besitzen, sondern es in einem durch prius et posterius geordneten Nacheinander zu verwirklichen. Die durch das prius et posterius geordneten Teile bestehen nicht gleichzeitig (wie bei der logischen Ordnung der Zahlen), sondern der spätere Zustand löst den früheren ab.199 Insofern ist in dem Prädikat „sukzessiv“ eine mindestens potentielle Vergänglichkeit mitbedeutet.200 Zugleich ist die so verstandene Sukzessivität das Gegenteil eines zeitlich – nicht logisch – verstandenen simul.

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wurde (vgl. z. B. THOMAS VON SUTTON (?), De instantibus 2, 320 [Ed. cit., 113] (zitiert in Anm. 137, S. 232). Bei Bonaventura etwa in IV Sent. 11, 1, 1, 5, bes. arg. 2 [IV, 248–250], IV Sent. 16, 1, 3, 1, bes. resp. [IV, 390–392] oder in I Sent. 37, 2, dub. 3, resp. [I, 665] (zitiert in Anm. 308, S. 270); zu der Verbindung mit den Begriffen motus bzw. mutatio vgl. oben Anm. 79, S. 182. Bei ARISTOTELES, Categoriae (transl. Boethii) 6 [Aristoteles latinus I.1.5, 14f.; 5a 15–37] war dies eine weitere Unterscheidung innerhalb der Kategorie der quantitas: Bei der Bestimmung der Größen, die nur eine Ordnung (ordo), aber keine Lage (positio) aufweisen (vgl. oben Anm. 8, S. 206), nämlich Zeit, Zahl und Rede, wies er darauf hin, dass die Teile der Zeit und der Rede schon deswegen keine Lage zueinander haben können, weil ihre Teile keinen Bestand haben. So stellt er diese beiden Größen den „permanenten“ (permanens/ὑποµένων) Größen gegenüber, auch wenn er sie noch nicht ausdrücklich als sukzessive (successivum) Größen bezeichnete. Bei Bonaventura findet man die Entgegensetzung successivus – permanens etwa in II Sent. 2, 1, 1, 3 [II, 61–63] bei der Frage, ob das aevum eine mensura permanens oder eine mensura successiva darstellt. Vgl. auch ebd., arg. 5 [II, 61], wo es heißt: omne successivum reducitur ad permanens (man beachte hier auch die Anm. 4 der Quaracchi-Ausgabe sowie die in ad 5 [II, 63] gegebene Antwort Bonaventuras); ausdrückliche Hinweise auf die Zeit als sukzessive Größe findet man in I Sent. 30, dub. 2, resp. [I, 527] und II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 4 [II, 23] (beide zitiert Anm. 70, S. 286). Vgl. etwa die Feststellung von II Sent. 2, 1, 1, 3, arg. 6 [II, 61]: ubi est prius et posterius, ibi necessario cadit aliquid novum, quod de posteriori fit prius, et per hoc lapsus in praeteritum, et aliquid in vetus. Dies wird besonders im Vergleich mit der aeternitas deutlich, etwa Trin. 5, 1, ad 11 [V, 92]: Ad illud quod obiicitur, quod aeternitas dicit simultatem; dicendum, quod simultas non dicitur ibi per positionem condurationis et coëxistentiae diversorum durabilium, sed potius per privationem successionis in continuitate rei durantis; unde tota simul dicitur aeternitas, quia in ea nihil alteri prorsus succedit, non propter hoc, quod in ea diversa et varia simul existant. Vgl. die unten folgenden Ausführungen über die Sukzessivität als Charakteristikum der geschaffenen Dauer. Die oben gemachte Einschränkung, dass es sich auch um eine nur potentielle Vergänglichkeit handeln könne, ist im Hinblick auf das aevum zu treffen.

Philosophische Klärungen

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Das prius et posterius – das implizit eine Teilbarkeit und insofern auch die ähnlich bereits beim Kontinuum festgestellte intrinsische Vielheit beinhaltet201 – ist für das Sukzessive charakteristisch.202 Dadurch kommen auch bei diesem Zugang die Gegensätze von Aktualität und Potentialität wieder ins Spiel, insofern die von der successio geprägte Dauer etwas Potentielles darstellt im Gegensatz zur Aktualität dessen, was dauert, das heißt, der der Dauer zugrundeliegenden Substanz.203 Beides zusammen (die in der successio mitbedeutete Vielheit und die Potentialität) macht die successio zum Kennzeichen der geschaffenen Dauer.204 Insbesondere ist damit ausgesagt, dass nicht nur die Zeit, sondern auch das aevum als geschaffene Dauer eine successio aufweist. Diese ist allerdings von einer anderen Art als die zeitliche successio, denn im Gegensatz zur zeitlichen successio bedeutet diese Art der Aufeinanderfolge keine Veränderung, kein stetes Neuwerden und Vergehen des zugrundeliegenden Seins. Das aeviterne Sein verändert sich nicht wie das zeitliche Sein und einmal ins Dasein getreten, kennt es auch kein Ende. Als kontingentes Sein bedarf es dennoch einer beständigen Fortsetzung (continuatio, extensio) seines Seins – das heißt seiner Dauer – durch die göttliche Macht.205 201 202

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Wieder im Gegenteil zur simultas, vgl. noch einmal Trin. 5, 1, ad 11 [V, 92]: Unde simultas nihil aliud dicit, quam praesentialitatem summam et simplicem et indivisam. Vgl. die Argumentation von II Sent. 2, 1, 1, 3, arg. 5 [II, 61], die darauf hinauslief: quod caret priori et posteriori … caret et successivo, wobei dort durch den Hinweis auf das prius et posterius permanens auch deutlich wird, dass „sukzessiv“ tatsächlich mehr besagt als den Besitz einer Früher-Später-Ordnung (die beiden Begriffe sind also nicht synonym). Vgl. BIGI, La dottrina della temporalità, 114f., bes. 115: «L’essere della durata creata è possibile, mentre l’essere della realtà durante è attuale». Hierzu BONAVENTURA, I Sent. 8, 1, dub. 5, resp. [I, 163]: Alii dicunt, quod in omni duratione creata, quoniam differt a durante et habet esse possibile, est prius et posterius; sed distinguunt in priori et posteriori [scil. in aevo et in tempore]. Quoddam enim est quod dicit durationis successionem, quoddam successionis durationem cum variatione et innovatione. Primum est in aevo, secundum in tempore; et hoc vult Anselmus expresse, et hoc credo probabilius. – Was den Bezug auf Anselm angeht, siehe Anm. 207 unten. Vgl. erneut I Sent. 8, 1, dub. 5, resp. [I, 163] in Anm. 203, ferner II Sent. 2, 1, 1, 3, sc. 1 [II, 61]: … omnis ergo creatura in sui esse habet praeteritionem sive fuisse et fore: ergo habet in sui duratione successionem, schließlich ebd., resp. [II, 62f.], wo geschlossen wurde [II, 63]: Solus igitur Deus, qui est actus purus, est actu infinitus, et totum esse et possessionem sui esse simul habet. – Die Erkenntnis, dass jede geschaffene Dauer sukzessiv ist, wurde schließlich auch in IV Sent. 16, 1, 3, 1, resp. [IV, 391a] verwendet: Si quantum ad durationem, cum duret longo tempore, sic dico quod est successiva … Anders gesagt: Da es nicht reiner, sondern mit Potentialität vermischter Akt ist, ist ein Ende, eine Auflösung zu jedem Zeitpunkt möglich. Und noch einmal anders gesagt: Im Moment seiner Erschaffung empfing das Geschaffene zwar sein ganzes substantiales Sein, aber nur den Anfang seiner Dauer, deren Fortsetzung ist in der creatio continua ein eigener Akt. Vgl. das Scholion zu II Sent. 2, 1, 1, 3 (Opp. II, 63). – Anders als Bonaventura vertrat der Doctor angelicus in dieser Frage die Mehrheitsmeinung, vgl. noch einmal das Scholion sowie Pasquale PORRO, Aevum, trad. par Olivier Boulnois, in: Claude Gauvard / Alain de Libera / Michel Zink (Hrsg.), Dictionnaire du Moyen Âge, Paris 2002, 12–14, bes. 13 unten. In seinem Konzept kennt das aevum gerade kein prius et posterius und keine successio, es ist unteilbar und tota simul wie die Ewigkeit. Vgl. THOMAS VON AQUIN, II Sent. 2, 1, 1 [Ed. cit. II, 61–65] und S. th. I, 10, 5, resp. [Ed. Leonina IV, 100],

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

Ebendies macht diese besondere Art der successio aus. 206 Es ist ein im Kern auf Anselm zurückgehender Gedanke, der hier die Vorlage für den Doctor seraphicus geliefert haben dürfte:207 Geschaffenes Sein ist nie reiner Akt, es ist immer auch vorstellbar, dass es nicht ist. Die darin zum Ausdruck kommende Vermischung mit Potentialität gilt nicht nur in Bezug auf den Anfang dieses Seins (dass es später oder früher oder gar nicht zum Sein kommt), nein, es ist immer auch das Ende eines solchen Seins denkbar (faktisch

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wobei er in der Summa insofern zu Zugeständnissen bereit war, dass für ihn dort das aevum (genauer: das aeviterne Sein) zwar an sich (in se) kein prius et posterius kennt, aber doch eine gewisse Verbindung dazu aufweist: Quaedam vero recedunt minus a permanentia essendi, quia esse eorum nec in transmutatione consistit, nec est subiectum transmutationis: tamen habent transmutationem adiunctam, vel in actu vel in potentia. Sicut patet in corporibus caelestibus, quorum esse substantiale est intransmutabile; tamen esse intransmutabile habent cum transmutabilitate secundum locum. Et similiter patet de Angelis, quod habent esse intransmutabile cum transmutabilitate secundum electionem, quantum ad eorum naturam pertinet; et cum transmutabilitate intelligentiarum et affectionum, et locorum suo modo. Et ideo huiusmodi mensurantur aevo, quod est medium inter aeternitatem et tempus. Esse autem quod mensurat aeternitas, nec est mutabile, nec mutabilitati adiunctum. – Sic ergo tempus habet prius et posterius: aevum autem non habet in se prius et posterius, sed ei coniungi possunt: aeternitas autem non habet prius neque posterius, neque ea compatitur. – Vgl. hierzu auch unten S. 309 sowie oben S. 199. II Sent. 2, 1, 1, 3, resp. [II, 62b–63a]: in aevo est ponere prius et posterius, et est ponere aliquam successionem, aliam tamen successionem quam in tempore. In tempore enim est successio cum variatione, et prius et posterius cum inveteratione et renovatione. In aevo vero est prius et posterius, quod dicit durationis extensionem, quod tamen nullam dicit variationem nec innnovationem. … Quod si forte quaeratur: quomodo potest esse prius et posterius sine novitate circa esse; dicendum, … in motu, et in esse rei mobilis aliqua proprietas habita amittitur, vel non habita acquiritur; sed in esse rei aeviternae quod primo datum est per continuam Dei influentiam continuatur. Nulla enim aevi creatura est omnino actus, nec aliqua eius virtus, unde continue indiget divina virtute cooperante. Ideo, etsi esse totum habeat, tamen continuationem esse non habet totam simul, et ideo est ibi successio sine aliqua innovatione circa esse vel proprietatem absolutam; tamen ibi est vera continuatio, respectu cuius creatura habet esse quodam modo in potentia, ac per hoc habet successionem. – Vgl. ferner das in diesem Zusammenhang gebrauchte Bild des Licht- bzw. Wasserstrahls (zitiert in Anm. 163, S. 200) und die Erklärung ebd., ad 7 [II, 63] (zitiert Anm. 217, S. 130). Die entscheidenden Passagen bei Anselm – auf die sich I Sent. 8, 1, dub. 5, resp. [I, 163] bezog – findet man in Proslogion 20, in: Monologion. Proslogion, éd. par Michel Corbin (= L’œuvre d’Anselme de Cantorbéry 1), Paris 1986, 56–205, hier 272 [115], Z. 20–25: Qualiter enim [scil. tu, Deus,] es ultra ea, quae finem non habebunt? … An etiam quia illa cogitari possunt habere finem, tu vero nequaquam? Nam sic illa quidem habent finem quodam modo, tu vero nullo modo. Dann ebd. 22 [Ed. cit., 274 [116], Z. 17–20]: Et quod incepit a non esse et potest cogitari non esse, et nisi per aliud subsistat redit in non esse … id non est proprie et absolute. Vgl. schließlich Monologion 28, in: Monologion. Proslogion, éd. par Michel Corbin (= L’œuvre d’Anselme de Cantorbéry 1), Paris 1986, 236–287, hier 122 [46], Z. 16–19: Deinde, cum omnia quaecumque aliud sunt, quam ipse [scil. Deus], de non esse venerint ad esse non per se sed per aliud; et cum de esse redeant ad non esse quantum ad se, nisi sustineantur per aliud: quomodo illis convenit simpliciter aut perfecte sive absolute esse … Gleichzeitig war damit wiederum der Bogen zur creatio continua geschlagen.

Philosophische Klärungen

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kann ein solches Sein trotzdem ohne Ende existieren). Diese Denkmöglichkeit wäre nicht gegeben, wenn geschaffenes Sein sich, nachdem es einmal ins Dasein getreten ist, in einem unteilbaren simul selbst besäße. Um also den besagten gedanklichen Einschnitt setzen zu können, so Bonaventuras Argumentation, muss irgendeine Form von successio gegeben sein, auch wenn sie sich in keinerlei Eigenschaftsveränderungen anzeigt. Kontinuität und Sukzessivität sind beides Eigenschaften der Zeit.208 Ihre Verwandtschaft zeigt sich darin, dass beide auf eine Potentialität der Zeit verweisen, die einen Abfall von der (Selbst-)Identität, die Vielheit und Verschiedenheit bedeutet: Im Falle der Kontinuität sind es die in den verschiedenen Jetzten eingefangenen Momente des Zeitflusses, im Falle der Sukzessivität sind es die einander ablösenden Teile der Zeit. Die successio betont dabei mehr als die continuitas die Vergänglichkeit der Zeit und die implizite Abhängigkeit alles geschaffenen Seins von Gott. Darüber hinaus legt die Vorstellung von der successio vor allem nahe, dass sich die Zeit aus einer Vielzahl von Teilen zusammensetzt, das Einheitsmoment kommt dabei kaum in den Blick. Die letztere Beobachtung verbindet sich mit der Erkenntnis, dass die kontinuierliche Zeit zwar sukzessiv ist, dass sie aber nicht als successio der nunc verstanden werden kann. Es sind nämlich die partes temporis (Jahre, Stunden, Sekunden …), nicht aber die nunc die hier aufeinanderfolgen.209 Dies gilt unabhängig von dem zugrundegelegten Verständnis des nunc, denn entweder man betrachtet es als eine der vielen möglichen Teilungsstellen des Kontinuums, dann lassen sich zwei verschiedene Augenblicke zwar nach Früher und Später anordnen, aber aufgrund der unendlichen Teilbarkeit des Kontinuums folgen diese niemals unmittelbar aufeinander, sondern dazwischen liegt notwendig immer Zeit, und damit unendlich viele andere nunc.210 Die Kontinuität selbst steht hier der Sukzessivität der nunc im Wege. Oder aber, das nunc wird als der eine „Erzeuger“ des Zeitkontinuums gesehen, dann schließt die Einzigkeit des nunc von vorneherein jede successio aus. Die Selbstidentität des mobile verkörpernd, steht das so verstandene nunc über der successio.211 Bei dieser Betrachtungsweise bildet es – obgleich als zeitliches nunc fließend – das sich durchhaltende Moment, Ghisalberti nannte

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Die Kontinuität der Zeit wurde dabei unter den europäischen Gelehrten des 13. Jahrhunderts bis auf wenige Ausnahmen akzeptiert, dass sie bei weitem keine Selbstverständlichkeit war, zeigt ein Seitenblick auf die islamische Tradition, aber auch auf Isidors oder Bedas Vorstellungen von Zeitatomen (vgl. hierzu etwa PORRO, Forme e modelli di durata, 33f.). So, wie seit Aristoteles immer wieder betont wurde, dass sich die Zeit, das Zeitkontinuum nicht aus den nunc zusammensetzt, vgl. oben die elementaren Eigenschaften des nunc, S. 229. Bonaventura wurde nicht müde, diesen schon von Aristoteles festgestellten Sachverhalt zu betonen, vgl. die zitierten Stellen in Anm. 192, S. 244. Vgl. GHISALBERTI, La concezione del tempo, 754: «L’istante, considerato in sé, resta al di sopra della successione perché ne rappresenta l’attualità.»

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

es die „ontologische Persistenz“,212 die als fester Hintergrund notwendig ist, um in der Folge von successio sprechen zu können. 2.2.2.3

Die Vervielfältigung des nunc mit dem Träger

Die bisherigen Überlegungen zum nunc gingen davon aus, dass die Zeit einen kontinuierlichen Fluss bildet, dessen Träger das nunc ist. Im Hintergrund stand dabei das Paradigma der ebenso kontinuierlichen (örtlichen) Bewegung eines Seienden, an dem dieser Zeitfluss sichtbar wurde.213 Im Verständnis des Kontinuums selbst ist dabei die Polarität von Einheit und Vielheit des nunc angelegt. Je nachdem, unter welcher Perspektive man darauf blickte, konnte das nunc sowohl als die eine sich durchhaltende Substanz dieses Flusses wie auch als eine der vielen möglichen Momentaufnahmen von den Zuständen dieses Flusses gesehen werden. Im Folgenden nun wird eine andere Situation in den Blick genommen, die noch einmal zu einem anderen Verständnis der Vielheit der nunc führt. Bonaventura wählte dafür – wie könnte es anders sein – ein theologisches Beispiel, nämlich die eucharistische Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi.214 Die für unseren Zusammenhang interessante Frage Utrum haec conversio sit subita vel successiva betrachtet das Verhältnis der beiden nunc des ultimum esse panis und des primum esse corporis. Handelt es sich dabei um zwei verschiedene, aufeinanderfolgende nunc, oder liegt hier auf irgendeine Weise nur ein einziges nunc vor? Die Antwort des Doctor seraphicus lässt sich, wie oben bereits bemerkt,215 auf jede Form der substantiellen Veränderung, auf jedes Werden und Vergehen anwenden. Entscheidend ist allein der diskontinuierliche Übergang zwischen den Zuständen des Davor und Danach. Das Urteil Bonaventuras fällt zunächst recht lapidar aus, ohne weitere Erklärung heißt es: haec conversio est subito et in instanti.216 Erst in der Erwiderung auf das vierte Contra-Argument wird dem Leser auseinandergesetzt, dass dabei der Moment des ultimum esse panis und der des primum esse corporis nicht einfachhin zusammenfallen, sondern dass es auch hier auf das zugrundegelegte Verständnis der Begriffe und des Bezugsrahmens ankommt: Dementsprechend entscheidet sich nämlich, ob man von zwei verschiedenen (in alio et alio instanti) Augenblicken sprechen wird, oder nur von einem einzigen (in eodem instanti).217 212

213

214 215 216 217

Vgl. ebd.: «Dire prima e poi … significa ammettere una successione, un fluire che però ha senso solo se è in riferimento a qualcosa che permane, e cioè all’istante o durata, alla persistenza ontologica del mobile». Allgemeiner kann nicht nur die Ortsbewegung, sondern jede kontinuierliche akzidentelle Veränderung, ja sogar die Ruhe eines Gegenstandes zugrunde gelegt werden, Letzteres bedürfte freilich zusätzlicher Überlegungen, auf die hier nicht eingegangen werden soll. Siehe IV Sent. 11, 1, 1, 5 [IV, 248–250]. Siehe S. 243. IV Sent. 11, 1, 1, 5, resp. [IV, 249]. Die lateinischen Bezeichnungen sind dem Argument (sc. 4 [IV, 249]) entnommen.

Philosophische Klärungen

251

In seinem Ringen um das rechte Verständnis betrachtete Bonaventura zunächst vier falsche Antworten, bevor er in einem fünften Anlauf die seiner Meinung nach richtige Sicht der Dinge präsentierte. Im Verlauf der Argumentation werden dabei folgende drei Opiniones hinsichtlich des Verhältnisses der beiden nunc des ultimum esse panis und des primum esse corporis abgelehnt (die erste Opinio versucht die Lösung auf einem anderen Weg und wird deswegen hier nicht angeführt):218 2) est in eodem instanti secundum substantiam, differente secundum rationem 3) est in uno instanti secundum rem, sed plura sunt secundum virtutem 4) est in alio et alio instanti secundum rem, eo modo, quo in tempore est ponere instantia multa

Die Meinungen (2) und (3) gehen dabei beide davon aus, dass wir es in dem betrachteten Fall real nur mit einem einzigen nunc zu tun haben, sie unterscheiden sich lediglich in der Erklärung, wie dann die unterschiedliche Bezeichnung dieses einen Augenblickes zustande kommt. In (2) wird dazu auf die bekannte scholastische Unterscheidung von secundum rem (der Sache nach) und secundum rationem (dem Begriff / der Auffassungsweise nach) zurückgegriffen.219 Es sollen hier dieselben Verhältnisse gelten wie bei dem einen gegenwärtigen Augenblick, der sowohl als das Ende der Vergangenheit wie auch als der Anfang der Zukunft angesehen werden kann. Bei (3) steht der realen Einheit die virtuelle Verschiedenheit gegenüber. Ein geometrisches Beispiel diente 218 219

Vgl. IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 249f.]. Wörtlich ist die Entgegensetzung secundum substantiam versus secundum rationem, doch denke ich, dass in diesem Fall kein (signifikanter) Unterschied zwischen res und substantia gemacht werden muss. – Äußerst hilfreich ist, dass Thomas von Aquin sich in IV Sent. 11, 1, 3, 2, ad 2 [Ed. cit. 2 IV, 448–450] mit demselben Einwand auseinandersetzte, sich dabei stark auf Bonaventura bezog und seine Darstellung sogar noch etwas ausführlicher ist als die des Doctor seraphicus. Vor der eigenen Lösung gab Thomas fünf fremde Meinungen wieder: (1) – (3) entsprechen dabei den hier angeführten Opiniones (2) – (4) bei Bonaventura, die fünfte Meinung, die Thomas widerlegte, war gerade die Bonaventuras. Die gerade betrachtete Meinung ([2] bei Bonaventura, [1] bei Thomas) gab Thomas wieder als unum est instans secundum rem … sed differt secundum rationem (ebd. [Ed. cit. 2IV, 448, nr. 85]). Die Summa (S. th. III, 75, 7, ad 1 [Ed. Leonina XII, 175]) gab nur fünf verschiedene Meinungen wieder, kam dabei aber im wesentlichen zu derselben Lösung. Die Nähe zu Bonaventura ist hier nicht mehr so offensichtlich. Die Editoren der Deutschen Thomasausgabe wollten die erste Meinung mit dem Doctor seraphicus verbinden (quidam non simpliciter concedunt quod inter quaelibet duo instantia sit tempus medium. Dicunt enim quod hoc habet locum in duobus instantibus quae referuntur ad eundem motum, non autem in duobus instantibus quae referuntur ad diversa), mir scheint aber eher die dritte Opinio die Meinung des Franziskaners zu treffen (Quidam ergo dicunt quod instans in quo ultimo est panis, et instans in quo primo est corpus Christi, sunt quidem duo per comparationem ad mensurata, sed sunt unum per comparationem ad tempus mensurans … Sed hoc non est simile. Quia instans et tempus particularibus motibus non est mensura intrinseca, sicut linea et punctus corporibus: sed solum extrinseca, sicut corporibus locus).

252

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

ihm hier zur Veranschaulichung: Wenn die Endpunkte zweier Linien sich berühren, so entspricht220 der Berührpunkt – obwohl er ein einziger ist – doch „virtuell“ zwei Punkten, nämlich dem Endpunkt der einen und dem Anfangspunkt der anderen Linie.221 Beide Begründungen wurden von Bonaventura abgeschmettert mit dem Hinweis auf das aristotelische Widerspruchsprinzip: Brot-Sein und Leib-Sein sind einander ausschließende Bestimmungen, sie können einem Gegenstand nicht gleichzeitig zukommen, auf dieses simul läuft aber die Behauptung von der Realidentität der beiden nunc hinaus. Also, stellt die Opinio (4) konsequent fest, müssen in den beiden nunc des ultimum esse panis und der des primum esse corporis real zwei verschiedene Augenblicke vorliegen. Näherhin soll diese reale Differenz auf dieselbe Weise begriffen werden, wie man überhaupt in der Zeit von verschiedenen nunc sprechen kann (eo modo, quo in tempore est ponere instantia multa). Doch hier genau liegt das Problem, denn es kommt nun alles darauf an, wie dieser Modus näher bestimmt wird. Die der nun folgenden Argumentation vorangestellte Prämisse „Was kontinuierlich dahinfließt, das ist wesentlich eines“222 gibt den Rahmen der kontinuierlichen Zeit vor (mit allen Konsequenzen hinsichtlich Einheit und Vielheit der nunc, die in den beiden vorangegangen Abschnitten dargestellt worden sind). Insbesondere wird dann behauptet, dass in diesem Zeitkontinuum zwar an sich keine unmittelbar aufeinanderfolgenden Augenblicke ausgemacht werden können (consequenter se habentia secundum se),223 aber doch insofern durch das eine Kontinuum zwei diskontinuierliche Ereignisse gemessen werden (secundum quod mensurat duas actiones discontinuas).224 Das geometrische Beispiel, das Bona220 221

222 223 224

Wörtlich: aequivalet, d. h. „er ist gleichwertig zu“. Man merkt, wie schwierig es ist, (2) und (3) voneinander abzugrenzen, denn das geometrische Bild, das man sich von der Situation in (2) machen würde, wäre wohl dasselbe, unterschiedlich ist allein die Interpretation. Das (zugegeben einfache) Bild könnte so aussehen:

Im Modell (2) wäre die Interpretation: Der eine Punkt B (dem das Jetzt entspricht) teilt die Linie [AC] und kann so sowohl als Endpunkt des Teilstücks [AB] („Vergangenheit“) wie auch als Anfangspunkt von [BC] („Zukunft“) angesehen werden. Modell (3) dagegen geht von vorneherein von zwei Linien [AB] und [BC] aus, die sich (nachträglich) im Punkt B berühren, der somit für zwei Punkte zu gelten hat. Im Endeffekt laufen die beiden Deutungen wieder auf den oben dargestellten Unterschied von continuum und contiguum hinaus (siehe S. 241). Auch Bonaventura schien hier um eine geeignete Formulierung zu ringen, deswegen schob er in (3) in der (ersten) Widerlegung noch die in Anm. 179, S. 241 zitierte Erklärung nach, dass hier zwei Punkte zu einem einzigen vereinigt werden und doch nicht zusammenfallen, da sie verschiedenen „Körpern“ (gemeint sind die beiden sich berührenden Linien) angehören. IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250a]: unum est secundum suam essentiam, cuius fluxus est continuus. – Das gilt sowohl für die Zeit wie auch für das nunc. Siehe oben S. 244 mit Anm. 192 und S. 249. Thomas erklärte den bei Bonaventura etwas knapp dargestellten Sachverhalt ausführlicher (IV Sent. 11, 1, 3, 2, ad 2, Opinio 3 [Ed. cit. 2IV, 448f., nr. 90]): Demnach kann das Zeitkontinuum – idealerweise etwa die (aristotelische) Zeit der Bewegung des primum mobile – nicht nur an sich

Philosophische Klärungen

253

ventura anführte (sicut si linea secet aliam, signat duo puncta), ist für mich nicht besonders erhellend, der einzige Zweck scheint in dem Beleg zu liegen, dass der Schnittpunkt, der an sich (entsprechend dem secundum se oben) ein einziger ist, auch so betrachtet werden kann, dass er zwei Punkte bezeichnet (nämlich als Punkt der einen Linie und als Punkt der anderen Linie). Das eigentliche Problem – auf das Bonaventura dann ja auch abhebt, nämlich wie man in dem einen Kontinuum zwei real verschiedene Punkte finden kann, die unmittelbar aufeinanderfolgen (das heißt, ohne dass zwischen diesen beiden Punkten wieder Zeit liegt) – wird in dem Beispiel gar nicht berührt. Genau diese Aufgabe aber, so Bonaventura, ist unmöglich zu lösen, denn in dem Ausgangskontinuum repräsentieren die zwei durch die jeweilige Nebenbedingung auseinandergehaltenen Augenblicke entweder real nur ein einziges nunc, oder es sind darin tatsächlich zwei verschiedene Momente, dann greift aber wieder der aristotelische Satz vom tempus medium zwischen den beiden. Wenn man an der Sukzessivitätsbedingung der nunc festhalten möchte, bleibt nur der Ausweg, auf die Kontinuitätsbedingung der Zeit zu verzichten. Das heißt in diesem Fall zuzugeben, dass hier nicht ein einziges, Brot-Sein und Leib-Sein übergreifendes Kontinuum etabliert werden kann;225 die substantielle Wandlung bedeutet vielmehr einen Einschnitt, der zwei continua voneinander trennt, zu denen dann das nunc des ultimum esse panis bzw. das des primum esse corporis gehört. Die weitreichenden Konsequenzen dieser Sichtweise entfaltete der Franziskaner schließlich in der Opinio (5), die seine eigene Meinung darstellt. Die entscheidende Erkenntnis ist dabei, dass die Rede vom nunc in der gegebenen Situation mehrdeutig ist (dupliciter accipitur): Es kann nämlich entweder jenes nunc bezeichnen, das in der je eigenen Dauer der betrachteten Seienden (in duratione propria) vorliegt oder aber es kann von jenem nunc die Rede sein, das durch ein allgemeines Zeitmaß (secundum communem mensuram) vorgegeben ist; als „allgemeine Zeitmaße“ werden dabei zum

225

betrachtet werden, sondern auch im Hinblick auf die Bewegungen (oder die Ruhe) anderer Gegenstände, die davon gemessen werden. Betrachtet man nun nur eine einzige andere Bewegung, so ist nichts gewonnen: Zwischen den beiden Zeitpunkten, die Anfang und Ende dieser letzteren messen, ist notwendig wieder Zeit. Anders soll es dagegen sein, wenn man zwei verschiedene Bewegungen betrachtet: Hier könnten unter Umständen das Ende der einen und der Anfang der anderen als zwei aufeinanderfolgende Augenblicke bezeichnet werden. Anders gesagt: Das, was an sich einen Augenblick darstellt, könnte durch die jeweils verschiedene Zusatzbedingung als real zwei verschiedene Augenblicke angesehen werden (vgl. das oben im Folgenden angeführte geometrische Beispiel Bonaventuras, das Thomas aber bezeichnenderweise nicht in seinen Text aufnimmt). Die andere Möglichkeit wäre die, schlechthin zu bestreiten, dass die Zeit, um die es hier geht, kontinuierlich ist. Thomas von Aquin griff dies in seinem Sentenzenkommentar auf (wieder IV Sent. 11, 1, 3, 2, ad 2 [Ed. cit. 2IV, 449f., nr. 93f.]), indem er als fünfte (falsche) Meinung ein Setting vorstellte, in dem die Wandlung aus der von der Himmelsbewegung gemessenen kontinuierlichen Zeit herausgenommen ist und (wie die Bewegungen der Engel) von einer diskreten Zeit gemessen wird.

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

einen die mit der Bewegung des primum mobile verbundene aristotelische Zeit und zum anderen die secundum essentiam, non secundum esse genommene Zeit genannt.226 Betrachtet man die erste Weise, das nunc zu verstehen, etwas genauer, so erkennt man, dass dieses Verständnis genau dem korrespondiert, was oben über die Vervielfältigung der Zeit secundum esse gesagt wurde. So wie sich das Akzidens Zeit mit seinen verschiedenen Trägern vervielfältigt und wie jeder Gegenstand, jeder Vorgang deshalb seine eigene Zeit besitzt,227 ebenso kommt jedem Sein auch ein je eigenes nunc zu.228 Die parallele Konstruktion für Zeit und nunc zeigt nebenbei auch, wie ernst Bonaventura den Gedanken nahm, dass das nunc als Wesen der Zeit mit dem Zeitkontinuum selbst wesentlich identisch ist.229 Es wird aber auch deutlich, dass die hier vorgestellte Art der Verschiedenheit der nunc von einer ganz anderen Art ist, als diejenige, die dem Zeitkontinuum selbst inhäriert. Letztere entsteht durch das Verfließen der Zeit und die Erfassung verschiedener Bewegungszustände (als Momentaufnahmen des an sich einen Kontinuums) bei einem einzigen Sein, erstere entsteht durch die Unterscheidung verschiedener (individueller) Substanzen als Träger der Zeit.230 So wie jegliches Sein seine eigene Zeit hat, so hat es auch sein eigenes nunc. Das entspricht einer Auffassung sowohl der Zeit als auch des nunc als eines intrinsischen Maßes. Ein je eigenes nunc besitzen daher nicht nur unmittelbar aufeinanderfolgende Zustände, bei denen sich der spätere aus dem früheren durch eine Veränderung der (substantialen) Form ergibt; nein, dasselbe gilt auch für verschiedene gleichzeitig nebeneinander existierende Gegenstände (oder die damit verbundenen, gleichzeitig ablaufenden Bewegungen).231

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BONAVENTURA, IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250]: … quod tempus sive instans … potest dupliciter accipi: [1] vel in duratione propria uniuscuiusque … et sic sunt diversae mensurae discontinuae et diversa instantia consequenter se habentia, sicut sunt duo esse, esse scilicet panis et corporis. [2] Si autem accipiatur instans secundum communem mensuram, quae est tempus continuum, non intercisum, ut est mensura motus primi mobilis, vel etiam ut tempus consideretur secundum essentiam, non secundum esse; tunc accipit determinatum instans secundum nostram signationem (Nummerierung von mir eingefügt). Zum Verständnis der Zeit als eines intrinsischen, sich mit den gemessenen Entitäten vervielfältigenden, als Akzidens zu begreifenden Maßes vgl. oben S. 210 mit Anm. 31 und S. 215 mit Anm. 54 sowie unten den Abschnitt zur Einheit der Zeit ab S. 266. Zu diesem Gedanken bei Aristoteles vgl. S. 104. Vgl. BONAVENTURA, IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250] (erster Teil zitiert in Anm. 54, S. 215, zweiter Teil oben Anm. 226), besonders die Folgerung: et sic sunt … diversa instantia consequenter se habentia, sicut sunt duo esse, esse scilicet panis et corporis. Vgl. oben S. 241 mit Anm. 176. Man beachte auch noch einmal, was oben Anm. 173, S. 241 gesagt wurde: Die Aussage nunc … potest dupliciter accipi reklamierte Bonaventura nur bei der Vervielfältigung des nunc durch ein je verschiedenes Sein, nicht aber für die dem Zeitkontinuum an sich inhärierende Verschiedenheit der nunc. Hinsichtlich der Vervielfältigung der Zeit bei synchronen Vorgängen beachte man die zweite in Anm. 54, S. 215 zitierte Stelle.

Philosophische Klärungen

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Würde man bei dieser Sichtweise allein stehenbleiben, so wäre die ursprüngliche Aussage des Responsum von IV Sent. 11, 1, 1, 5 geradezu ins Gegenteil verkehrt, denn die betrachtete Veränderung erscheint auf zwei sukzessive nunc „verteilt“; der Aspekt, dass es sich um eine instantane (d. h. sich in einem einzigen Augenblick vollziehende) Veränderung handelt wird nicht besonders deutlich. Die zweite Weise das nunc zu verstehen ist so eine notwendige Ergänzung der erstgenannten Sichtweise. Die beiden den verschiedenen Eigenzeiten des Brot-Seins und des Leib-Seins zugehörenden nunc des ultimum esse panis bzw. das des primum esse corporis werden jetzt auf ein drittes Maß bezogen, nämlich die durch die Bewegung des primum mobile vorgegebene Zeit. In diesem dritten Kontinuum aber entsprechen die beiden zuerst betrachteten Eigen-nunc nicht mehr zwei verschiedenen Augenblicken, sondern nur noch einem einzigen bestimmten Augenblick.232 Anders gesagt: Per se lassen sich die beiden Eigen-nunc als real verschiedene begreifen, wenn man sie aber in ein anderes Zeitkontinuum hineinprojiziert, verschwindet der Unterschied.233

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IV Sent. 11, 1, 1, 5, ad 4 [IV, 250b]: Si autem accipiatur instans secundum communem mensuram … tunc accipit determinatum instans secundum nostrum signationem. Signetur ergo unum instans in tempore, in quo ultimo est panis; signetur et aliud instans, in quo primo est corpus? Ego dico, non signetur … unde quolibet horum per se signare potest, sed duo simul impossibile est signare. Et sic patet, quod in alio et alio instanti habet esse panis et corpus secundum rem, et secundum quod est mensura realis et propria; licet secundum mensuram communem duo instantia immediate signare non contingat. Thomas von Aquin präsentierte in IV Sent. 11, 1, 3, 2 ad 2 [Ed. cit. 2IV, 450, nr. 98–100] in dieser Frage eine andere Lösung: Für ihn gibt es diesen letzten Augenblick des Brot-Seins gar nicht, sondern nur die Zeit des Brot-Seins (non est designare ultimum instans, sed ultimum tempus in quo est panis). Das ist seine Weise zu vermeiden, dass der aristotelische Grundsatz „Zwischen zwei verschiedenen Augenblicken liegt immer Zeit“ verletzt wird. Zugleich entspricht dies seiner Sichtweise, dass die Zeit per se nur Akzidens der Bewegung des primum mobile ist, für alle anderen Bewegungen oder Vorgänge ist sie ein extrinsisches Maß (vgl. hierzu die Darstellung oben S. 212; dies wird auch in der Opinio [2] der betrachteten Textstelle noch einmal betont, wobei zugleich der Unterschied zwischen den Verhältnissen im Raum und der Zeit herausgestellt wird [Ed. cit. 2 IV, 448, nr. 89]: quia cum punctum sit terminus lineae, quae potest esse mensura et intranea et extranea, possibile est puncta assignare et intrinseca et extrinseca; sed instans est terminus temporis quod nunquam est nisi mensura extrinseca; unde non est accipere instans nisi quod se habet per modum extra jacentis puncti). Den Gedanken Bonaventuras einer intrinsischen Zeit, eines intrinsischen nunc wollte Thomas nicht nachvollziehen. Weil es für ihn nur eine Zeit gibt, sind die zwei Augenblicke entweder real verschieden oder sie sind es nicht, eine weitergehende Differenzierung ist für ihn ausgeschlossen. Über die Position Bonaventuras urteilte er deswegen ebd. [Ed. cit. 2IV, 450, nr. 95f.]: Et propter hoc alii dicunt, quod non est simul signare duo instantia in quorum uno primo sit corpus Christi, et in alio ultimo sit panis, quia sic de necessitate esset inter ea tempus medium; sed tamen utrumlibet eorum potest per se signari. Sed hoc iterum nihil est; quia designatio nostra nihil facit ad hoc quod tempus intersit vel non intersit; unde si sint duo instantia secundum rem, in quorum uno est panis ultimo, et in alio corpus Christi primo, sive signentur a nobis sive non, oportet esse tempus medium.

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

Nimmt man die aristotelische Zeit als die gewöhnliche Zeit, das heißt als diejenige, nach der in der Regel Zeiten und nunc gemessen werden, so hat man hier in der durch das primum mobile vorgegebenen Zeit ein herausragendes Zeitkontinuum als allgemeinen Maßstab. So wird klar, wieso bei der Wandlung von einer instantanen Veränderung gesprochen werden muss: In diesem Zeitkontinuum geschieht sie in einem einzigen nunc, nämlich dem, das zugleich dem des ultimum esse panis und dem des primum esse corporis entspricht. Darüber hinaus wird man folgende weitere Punkte festhalten wollen: Das nunc des allgemeinen Maßes ist ja auch „nur“ ein Eigen-nunc, nämlich das der kontinuierlichen, ununterbrochenen Bewegung des primum mobile zugeordnete. Außerdem erkennt man, dass die verschiedenen Eigenzeiten und Eigen-nunc nicht beziehungslos nebeneinander herlaufen, vielmehr können sie in eine – ebenfalls zeitliche – Ordnung des Nacheinander oder des Gleichzeitig-Seins gebracht werden. Diese gegenseitige Vergleichbarkeit ist eine Voraussetzung dafür, dass die Zeit, die grundsätzlich ein intrinsisches Maß ist, auch als extrinsisches Maß fungieren kann.234 Neben der durch die Himmelssphäre vorgegebenen Zeit nannte Bonaventura ein zweites kontinuierliches Referenzmaß, auf das die beiden bei der Wandlung zu betrachtenden nunc bezogen werden können: Es ist die secundum essentiam genommene eine Zeit. Sie bietet sich aus zwei Gründen an: Zum einen ist sie „umfassender“ als die strikt aristotelische Zeit, da sie auch Vorgänge, die nicht unter der regulatio des primum mobile stehen, messen kann; zum anderen nimmt sie – als die Schöpfungszeit und als Maximalbegriff dessen, was man in einem allgemeinen Sinn noch Zeit nennen kann235 – in diesem größeren Raum eine herausragende Stellung ein. Nach der Darstellung Bonaventuras liegen die Verhältnisse hier genauso wie bei der durch das primum mobile vorgegebenen Zeit, das heißt, wiederum entspricht den beiden nunc des ultimum esse panis und des primum esse corporis ein einziges nunc in der secundum essentiam verstandenen Zeit. Dabei zeigt sich noch einmal, dass die beiden Ebenen der Vervielfältigung des nunc auseinanderzuhalten sind: die beiden Eigen-nunc entsprechen ja nicht deswegen einem einzigen nunc des tempus secundum essentiam, weil diese Zeit nur ein einziges nunc besäße (eine solche Aussage kommt ja aus der Sichtweise, die ein Zeitkontinuum substantiell auf ein einziges nunc reduziert, das ist aber gerade der falsche Blickwinkel, denn dieses eine nunc repräsentiert den Zeitfluss als ganzen und nicht einzelne Momente daraus), die beiden nunc entsprechen vielmehr deshalb einem einzigen, weil ihr un-

234

235

Vgl. was oben über tempus proprie und tempus magis proprie als intrinsisches bzw. extrinsisches Maß gesagt wurde (im Abschnitt ab S. 212, besonders ab S. 214). – Natürlich sind nicht alle intrinsischen Zeiten gleichermaßen als extrinsische Maße geeignet, gerade darin liegt ja dann die herausragende Stellung der Zeit des primum mobile begründet. Das soll sagen: Die nächstallgemeinere Zeitform, das aevum, ist ja nur noch in einem sehr uneigentlichen Sinn Zeit.

Philosophische Klärungen

257

mittelbares Nacheinander aus der Perspektive der wesentlichen Zeit nicht bezeichnet werden kann.236 Die Frage, auf welche Weise man von verschiedenen nunc in der Zeit sprechen kann, dürfte durch die vorausgegangenen Ausführungen hinlänglich geklärt sein. Zwei grundsätzlich verschiedene Antworten sind das Ergebnis: (1) Das nunc selbst fließt und wird dadurch stets ein anderes. (2) Das nunc ist an einen Träger gebunden und vervielfältigt sich entsprechend mit diesem. Bei letzterem Konzept wird Zeit sehr konkret verstanden als die Zeit eines einzelnen Seienden, die von der Zeit jedes anderen Seienden verschieden ist. Im Hinblick darauf wird freilich die Frage nach der Einheit der Zeit erneut virulent: Wie kommt man von den einzelnen Zeiten wieder zu der einen Zeit?237 Mit einer rein abstrakten spezifischen Einheit (also der Gleichartigkeit aller Eigenzeiten) wollte sich Bonaventura nicht begnügen, er suchte vielmehr danach, wie man die verschiedenen Eigenzeiten in eine (numerisch) einzige Zeit einbetten konnte. Mit seiner Unterscheidung der vielen tempora secundum esse von dem einen tempus secundum essentiam wollte er genau dieses erreichen.238 Im Folgenden gilt es diese Unterscheidung noch einmal genauer in den Blick zu nehmen, und daraufhin zu untersuchen, wie hier die Einheit des Wesens der Zeit begründet wird. Der Blick richtet sich dabei zunächst auf das substantiale Prinzip, das diese Einheit gewährleisten soll, die Materie.

2.3

Zeit und Materie

„Wir sagen ‚Zeit‘, wenn wir mindestens zwei Dinge meinen. Wir meinen Veränderungen. Und wir meinen etwas Unveränderliches. Wir meinen etwas, was sich bewegt. Aber vor einem bewegungslosen Hintergrund. Und umgekehrt. … Sagen wir, ‚die Zeit ist vergangen‘, dann muß sich irgend etwas verändert haben, und wäre es nur die Stellung der Uhrzeiger, sonst wüßten wir nicht, daß etwas vergangen ist. Gleichzeitig muß auch etwas gleichgeblieben sein, und wäre es nur die Zeit selbst, sonst könnten wir die neue Situation nicht als etwas erkennen, was aus der Ausgangsposition hervorgegangen ist. Im Wort ‚Zeit‘ liegt eine Einheit von Bewegung und Unveränderlichkeit.“239 – Diese 236

237

238 239

Ich möchte hier den sich aufdrängenden Begriff des „gleichzeitig“ (simul) vermeiden, weil das sind die beiden nunc aus der Sicht Bonaventuras gerade nicht. Anders gesagt: Betrachtete man zwei Eigen-nunc, die nicht unmittelbar aufeinanderfolgen, so würden diese selbstverständlich auch zwei verschiedenen nunc in dem Kontinuum des tempus secundum essentiam entsprechen. BIGI, La dottrina della temporalità, 102 & 106 stellte die Frage genau anders herum «come dal tempo possono sorgere i tempi?» – Seine Erklärung (106), dass das Kontinuum in seiner realen Einheit zugleich eine potentielle Vielheit enthält, die in den Einzel-Zeiten aktuiert ist, erscheint mir ungenügend, da sie die oben getroffene Grundunterscheidung der beiden Weisen der Vervielfältigung des nunc nicht beachtet. Siehe oben den Abschnitt ab S. 217. Peter HØEG, Der Plan von der Abschaffung des Dunkels, Hamburg 112005, 291.

258

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

Reflexion eines modernen Romans artikuliert ein weiteres Problem, das im Rahmen der Frage nach der Zeit zu lösen ist. Dessen Lösung suchte Bonaventura darin, wie die Zeit sich zur Materie verhält. Allgemeiner gesprochen geht es um den Zusammenhang der Zeit mit der von dem Franziskaner vertretenen Variante des Hylemorphismus. Die entsprechende Verbindung wurde in II Sent. 2, 1, 1, 2 [II, 58–60] hergestellt. Eigentliches Thema der Quaestio ist die Frage nach der Einheit des aevum, die von Bonaventura abgelehnt wurde. In diesem Kontext kam er auf die parallele Frage nach der Einheit der Zeit zu sprechen. Da er sie in der Einheit der Materie begründet sah,240 musste er auch das Verhältnis von Zeit und Materie ansprechen. En passant wurden dabei drei wichtige Feststellungen getroffen: (1) Das eigentliche Subjekt der Zeit ist die Materie, näherhin die materia ut mutabilis oder ut ens in potentia. (2) Im Rahmen der hylemorphen Zusammensetzung jedes Seienden hält sich die Zeit mehr an die Materie als an die Form. (3) Die Ursache für das Sein der Zeit ist das der Materie innewohnende Streben nach Form.241 – Diese drei Aspekte gilt es, im Folgenden etwas näher zu erklären. Es mag zunächst etwas verwundern, wenn hier die Materie als Subjekt der Zeit eingeführt wird, da die akzeptierte aristotelische Definition doch die Zeit als Akzidens der Bewegung ansieht.242 Es ist insofern nicht ganz überraschend, als sich auch bei Alexander von Hales und Albertus Magnus Ansätze finden, die Zeit in der Veränderung der Materie zu begründen.243 Das Novum ist dann vor allem die Eindeutigkeit und die 240 241

242

243

Siehe den folgenden Abschnitt zur Einheit der Zeit ab S. 266. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]: subiectum autem a quo [scil. tempus] causatur est materia ut mutabilis, et ita ut ens in potentia. … et ideo tempus maxime inter omnia accidentia se tenet plus cum materia. … Tempus autem habet esse ex hoc, quod materia tendit ad formam, propter hoc quod causatur a motu, qui est «entelechia entis in potentia», et ideo se tenet maxime ex parte materiae. Zu der Frage nach der Einheit der Zeit werden in der Quaestio drei Meinungen vorgestellt, die ersten beiden – die als non sufficiens verworfen werden – operieren gerade mit dieser Definition, denn die Zeit wird dort als Akzidens der Bewegung des primum mobile vorgestellt. Vgl. Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 2 (69), ad 5 [Ed. cit. I, 108]: … dicendum quod tempus duplicem habet radicationem, et secundum hoc duplex esse, prout tempus dicitur mensura variationis corporalis. Una est in variatione materiae: et secundum hoc tempus est mensura indeterminata; alia vero radicatio est in motu caeli: et secundum hoc est determinata mensura secundum momentum, diem, annum et huiusmodi. Voraus ging hier die Unterscheidung von tempus communiter und alio modo (ihr entspricht bei Bonaventura das tempus magis proprie), die oben in Anm. 23, S. 170 bereits vorgestellt wurde. Die Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 2 (66) [Ed. cit. I, 103b] berichtet von folgender Meinung der in philosophia naturali edocti: proprium subiectum et primum motus est materia prima, quae est subiectum totius transmutationis, cuius mensura propria est tempus. – Bei Albertus Magnus findet man im zweiten der drei Zeitbegriffe in De IV coaequaevis 2, 5, 6, sol. [Ed. Paris. 34, 379–380] (zitiert in Anm. 24, S. 171) die Bestimmung der Zeit als mensura mutationis quae est super materiam. – Noch weiter zurückgehend gibt es auch bei Avicenna Überlegungen, die das Sein der Zeit (allerdings nur mittelbar) auf der Materie gründen lassen wollen; vgl. Sufficientia II, 11 [Ed. cit., 330, Z. 37–44], wo die Zeit auch als mensura possibilitatis bestimmt wurde: Iam enim declaravimus quod ipsum [tempus] per seipsum est mensura possibilitatis desig-

Philosophische Klärungen

259

Grundsätzlichkeit,244 mit der sich Bonaventura für diese Position aussprach. Zum Verständnis dieser neuen Sicht wird man sich bewusstmachen, dass die Bewegung ja selbst keine Substanz ist, sondern nur das Bewegte.245 Bonaventura ging in diesem Sinn also nur einen Schritt weiter zurück, indem er das Akzidens Zeit auf ein substantielles Sein zurückbezog. Dabei kam der Franziskaner zu dem Schluss, dass die (innere) Ursache der Zeit in der Potentialität der res mobilis zu suchen ist,246 denn sie ist die Voraussetzung für jede Veränderung. Da im metaphysischen Denkmodell der Zeit Potentialität mit Materialität gleichzusetzen war, ist man damit bei der ersten der drei obengenannten Feststellungen angekommen: Eigentliches Subjekt der Zeit ist die materia ut ens in potentia. Ich denke es lohnt sich, bei diesem Punkt noch etwas zu bleiben und auf die Verbindung mit der besonderen Gestalt des bonaventurianischen Hylemorphismus hinzuweisen: Im Gegensatz etwa zu Thomas von Aquin sah Bonaventura jedes geschaffene Sein als aus Form und Materie zusammengesetzt an (insbesondere auch die Engel als rein geistige Substanzen), darüber hinaus vertrat er den Standpunkt, dass die genannte Materie in körperlichen und geistigen Substanzen secundum essentiam eine einzige ist.247 Beides setzt voraus, dass „Materie“ hier in einem weiten Sinn verstanden wird:248 Sie

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natae. Et, postquam constat quod tempus non est aliquid existens per se, – quomodo enim existeret per se, cum non habeat essentiam? – tunc est quod fit et desinit esse; sed omne quod est huiusmodi, esse eius pendet ex materia. Erit ergo tempus materiale, et praeter hoc quod est materiale, non habet esse in materia nisi mediante motu. Si enim non esset motus et mutatio, non esset tempus. Die entsprechende Meinung wurde II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59] eingeführt mit et ideo dixerunt tertii profundius. Man vergleiche die epikureische Interpretation der Zeit als „Akzidens der Akzidenzien“ (siehe oben S. 103), oder logisch gesprochen als „Prädikatenprädikat“. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]: tempus autem respicit ipsam durationem variam et succesivam, quae venit ex potentia rei mobilis. So das Fazit aus den Quaestiones 1–3 von II Sent. 3, 1, 1 [II, 89–102]. Zur Position des Thomas vgl. das Scholion zur Quaestio 1, Abschnitt III, bes. nr. 1 (Opp. II, 92f.) sowie Paul BISSELS, Die sachliche Begründung und philosophiegeschichtliche Stellung der Lehre von der materia spiritualis in der Scholastik, in: Franziskanische Studien 38 (1956) 241–295, hier 279–282. Gegenüber diesen Beiträgen scheint mir allerdings noch wichtig hervorzuheben, dass Thomas sehr wohl den Begriff einer materia spiritualis kannte (vgl. etwa Summa contra gentiles II, 16, 9 [Ed. Leonina XIII, 300]: Diversarum rerum diversae sunt materiae: non enim est eadem materia spiritualium et corporalium, nec corporum caelestium et corruptibilium), im Unterschied zu Bonaventura sah er hier aber einen äquivoken Begriff von Materie vorliegen (II Sent. 3, 1, 1, resp. [Ed. cit. II, 88]: … et ita per consequens est ibi [scil. in angelo] compositio ex actu et potentia; et si ista potentia vocetur materia, erit compositus ex materia et forma: quamvis hoc sit omnino aequivocum dictum). Vgl. II Sent. 3, 1, 1, 2, princ. [II, 94a]: … dato quod [scil. angeli] habeant compositionem ex materia et forma, largo sumto nomine materiae ad omne potentiale, quod cum alio venit ad constitutionem tanquam fundamentum rei. – Auf diesem Verständnis baut schließlich die Analogizität des Materiebegriffs auf (ebd., resp. [II, 97a]): Et secundum hanc considerationem proprie est materia in corporibus corruptibilibus, minus proprie in corporibus incorruptibilius, minime in spiritibus.

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

bedeutet dann nichts anderes als die Zusammensetzung jeder geschaffenen Substanz aus zwei verschiedenen Seinsprinzipien, von denen das eine Akt- und das andere PotenzCharakter hat.249 Dieses letztere Prinzip erfüllt dabei für die geistigen Substanzen dieselben Funktionen, die der Materie bei einem körperlichen Seienden zukommen, das heißt, ihr eignet die ratio mutabilitatis, passibilitatis, individuationis.250 Im vorliegenden Zusammenhang ist der erste Punkt der wichtigste,251 denn er besagt, dass die Engel veränderliche Wesen sind – nicht nur hinsichtlich eines möglichen Nicht-Seins, sondern vor allem hinsichtlich ihrer Eigenschaften (proprietates) –, dies wiederum setzt unmittelbar eine Leidefähigkeit (passibilitas, damit aber auch possibilitas) voraus.252 Vorsicht ist dabei insofern geboten, als man die in allen geschaffenen Substanzen gegebene Materialität nicht mit Körperlichkeit ineins setzen darf. Der hier gezeichnete Materiebegriff bestimmt sich vielmehr gerade durch das Absehen von jeder als moles extensa zu denkenden Körperhaftigkeit.253 Auf diesen Materiebegriff ist in einem nächsten Schritt die bereits angesprochene254 Unterscheidung zwischen dem Sein (materia secundum esse) und dem Wesen (materia secundum essentiam) anzuwenden. Die erstere Hinsicht führt zu der Materie, wie sie in der Natur vorliegt, das heißt als in Raum und Zeit verortete und immer schon mit einer gewissen Form behaftete Materie.255 Die Betrachtung der Materie in ihrem Wesen hingegen schließt ein Doppeltes ein: Zunächst nämlich zieht der Verstand entweder eine 249 250 251 252 253

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Vgl. II Sent. 3, 1, 1, 1, arg. 4 [II, 90]: Sed impossibile est, plures naturas concurrere ad constitutionem tertii, quin altera habeat rationem possibilis, altera rationem actualis. Vgl. ebd., resp. [II, 91a]. Vgl. auch II Sent. 3, 1, 1, 1, fund. 1 [II, 89] (zitiert in Anm. 258, S. 261). Ebd., resp. [II, 91]: … cum in Angelo sit ratio mutabilitatis non tantum ad non-esse, sed secundum diversas proprietates, sit iterum ratio passibilitatis … Sonst wäre auch die Einheit, auf die Bonaventura ja hinauswollte, nicht gegeben; vgl. II Sent. 3, 1, 1, 3, ad 4.5.6 [II, 101b]: Quamdiu enim materia ut moles extensa cogitatur, ad unitatem essentiae consideratam nullo modo pertingitur. – Hier liegt denn auch einer der Hauptunterschiede zum Konzept des Aquinaten, bei dem der Zusammenhang zwischen Materie und Körperlichkeit sehr viel enger gesehen wird. Vgl. II Sent. 3, 1, 1, resp. [Ed. cit. II, 87]: oportet quod tota materia sit vestita forma corporeitatis; et ideo si aliquid est incorporeum, oportet esse immateriale. Siehe S. 220. Vgl. II Sent. 12, 1, 1, resp. [II, 294]: … dupliciter est loqui de materia: aut secundum quod existit in natura, aut secundum quod consideratur ab anima. Sic secundum quod consideratur ab anima, sic potest considerari informis, sive per privationem formae distinctae, sive per privationem etiam omnis formae; et sic docet Augustinus, in XII Confessionum, essentiam materiae intelligere. Nam materiam secundum sui essentiam est informis per possibilitatem omnimodam; et dum sic consideratur, ipsa formarum capacitas sive possibilitas est sibi pro forma. – Est iterum loqui de materia, secundum quod habet esse in natura; et sic nunquam est praeter locum et tempus sive praeter quietem et motum; et hoc modo … impossibile est, materiam informem existere per privationem omnis formae. – Das Problem mit Augustinus bestand darin, dass er die materia zusammen mit dem caelum caeli in Conf. XII, 12, 15 [CC.SL 27, 223, Z. 3] als eine der beiden carentia temporibus bezeichnet hatte, siehe oben S. 137 mit Anm. 261 sowie S. 152 mit Anm. 351, die Unterscheidung von physischer und metaphysischer Materie sollte genau dem Rechnung tragen.

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bestimmte oder jede Form von ihr ab – Materialität und Veränderlichkeit besagt in diesem Sinn also immer eine informitas256 –, dann aber erkennt er die Hinordnung auf die Form (dispositio ad formam), die wiederum nichts anderes ist als die potentia suscipiendi formam oder die capacitas formarum.257 Die Materie zeigt sich dadurch zugleich als eine Entität, die ein Mittleres zwischen Etwas und Nichts, eben ein ens in potentia, darstellt.258 Noch einmal etwas anders gesagt, ist das Wesen der Materie durch die allen Geschöpfen gemeinsame Potentialität gegeben, wohingegen mit dem Sein der Materie immer eine durch eine aktuierende Form verursachte Determinierung ausgesagt wird.259 Diese unterschiedliche Betrachtungsweise der Materie in ihrem Sein und in ihrem Wesen verband Bonaventura mit den unterschiedlichen philosophischen Disziplinen:260 Der „Physiker“ betrachtet nämlich die real existierende, immer schon vorgeformte und so in ihrer Potentialität bereits eingeschränkte Materie. Aus diesem Grunde ist er nicht in der Lage die Einheit der Materie zu erkennen (die verschiedenen bereits vorhandenen Formen verhindern das). Die Materie der vergänglichen Körper, der Himmelskörper 256

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Vgl. II Sent. 3, 1, 1, 1, arg. 1 [II, 89]: «Omne mutabile insinuat quandam informitatem, qua forma capitur, vel mutatur, vel vertitur» (Bonaventura zitierte hier AUGUSTINUS, Conf. XII, 19, 28 [CC.SL 27, 230, Z. 5f.]). Vgl. die vorausgehende Anmerkung sowie II Sent. 3, 1, 1, 2, resp. [II, 96]: Materia enim est dupliciter scibilis, scilicet per privationem et per analogiam. Cognitio per privationem est prius removendo formam, deinde disponens ad formam, et considerando ipsam essentiam nudam in se quasi tenebram intelligibilem. – Cognitio autem per analogiam est per consimilem habitudinem; habitudo autem materiae est per potentiam, et ita haec cognitio est per comparationem materiae ad formam mediante potentia. Vgl. auch ebd., sc. 3 [II, 95]: … sicut potentia agendi essentialiter consequitur formam, ita potentia suscipiendi essentialiter, immo essentialius consequitur materiam. II Sent. 3, 1, 1, 1, fund. 1 [II, 89]: cuicumque inest mutatio, inest principium mutabilitatis: sed principium mutabilitatis est materia … Si tu dicas mihi, quod mutabilitas venit rebus, quia sunt ex nihilo, sicut in pluribus locis vult Augustinus; sed constat, quod mutabilitas non est pura privatio, immo dicit aliquam positionem: ergo non habet causam ipsam puram privationem. Necesse est ergo, quod habeat causam dicentem positionem; sed non positionem omnimodam, cum etiam dicat privationem: ergo aliquid, quod non est omnino aliquid, nec omnino nihil, sed quod est medium inter aliquid et nihil; hoc autem dicit Augustinus materiam. – Materialität und Veränderlichkeit werden hier unter Berufung auf Augustinus gleichgesetzt, Bonaventura zeigte sich dabei sehr bemüht, die mutabilitas nicht als eine rein negative Eigenschaft (privatio) erscheinen zu lassen, die Zwischenstellung der Materie zwischen Etwas und Nichts kam ihm hierbei sehr zupass. Vgl. GHISALBERTI, La concezione del tempo, 752. Vgl. II Sent. 3, 1, 1, 2, resp. [II, 96–98]. Diese Unterscheidung eines Materiebegriffs der Physik und der Metaphysik hat übrigens tief reichende Wurzeln. Man kann sie auf die zwei aristotelischen Definitionen der materia prima zurückführen: Die erste Definition, die in Physica I, 9 [192a 31f.] gegeben wird, bestimmt die Materie als „Substrat des Werdens“; die zweite Definition stammt eben aus Metaphysica VII (Ζ), 3 [1029a 20–24], wo die Materie das „letzte Subjekt“ ist, von dem nicht nur alle Eigenschaften, sondern auch das substantielle Wesen ausgesagt werden. – Die Scholastik bemühte sich in verschiedenen Ansätzen, diese verschiedenen Definitionsansätze zu harmonisieren. Vgl. hierzu den Artikel „Materie“ in JOSEF DE VRIES, Grundbegriffe der Scholastik, Darmstadt 21983, 63–67.

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

(corpora superiora) und der geistigen Substanzen ist für ihn je eine andere,261 denn sie besitzt ein jeweils unterschiedliches Vermögen, so tritt sie in den vergänglichen Körpern als principium generationis et corruptionis oder als mutabilis sive ad situm sive ad formam auf,262 während sie in den Himmelskörpern nur zu einer Lageveränderung (ad situm tantum – gemeint ist die Drehung der Sphären) fähig ist; die Materie der Engel dagegen zeigt eine andere Potentialität, nämlich ad receptionem influentiae et habituum.263 – Davon hebt sich die auf das Wesen der Materie ausgerichtete Betrachtungsweise des Metaphysikers ab.264 Im Zusammenspiel von Form und Materie erkennt er die materia als jenes Prinzip, das die Existenz (genauer: die stabilitas per se existendi) verleiht, indem es die Form in der Wirklichkeit des Seins verankert (praebet fulcimentum formae in ratione entis).265 In dieser Perspektive besteht entweder gar kein Unterschied zwischen der Materie geistiger und körperlicher Wesen (nämlich dann, wenn man eine völlig ungeformte, jeglichen Seins entkleidete Materie zugrunde legt)266 oder es lässt sich wenigstens deren analoge Einheit erkennen.267 Welche Schlussfolgerungen ergeben sich nun aus dem so gezeichneten Bild der Materie für den Zusammenhang mit der Zeit? Bonaventura hatte gesagt, das subiectum, a quo causatur der Zeit sei die materia ut ens in potentia. Die eben getroffene Unterscheidung von Sein und Wesen der Materie überträgt sich damit auch auf die Zeit. Insbesondere gilt das im Hinblick auf den eigentlichen Zielpunkt von Bonaventuras Argumentation, nämlich die numerische Einheit der Zeit in ihrem Wesen (quantum ad essentiam), der eine Vielheit der Zeit in ihrem Sein gegenübersteht268 – dieser Punkt wird im 261

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Vgl. II Sent. 3, 1, 1, 2, resp. [II, 97a]: Et hi non posuerunt materiam unam, quoniam materia in Angelis non habet possibilitatem ad transmutationem formarum substantialium nec est possibilis ad recipiendum formas corporales. Vgl. ebd. [II, 97] die Betrachtung des physicus inferior. Ebd. [II, 97a]; weil die Engel nicht körperlich sind, kommt eine Lageänderung nicht in Frage; eine Änderung der substantialen Form (wie sie sich im Werden und Vergehen der irdischen Dinge zeigt) widerspricht ihrem ewigen Sein. Vgl. ebd. [II, 97b]: Metaphysicus vero [materiam] non tantum secundum esse, sed secundum essentiam considerat. Ebd. [II, 96b]: Considerantes autem materiam … in quantum praebet fulcimentum formae in ratione entis … Sicut enim materia corporalium sustinet et dat suis formis existere et subsistere, ita etiam materia spiritualium. Und ebd. [II, 97b]: Metaphysicus considerat naturam omnis creaturae, et maxime substantiae per se entis, in qua est considerare actum essendi et hunc dat forma, et stabilitatem per se existendi, et hanc dat et praestat illud cui innititur forma, hoc est materia. Ebd. [II, 97b]: … abstracto omni esse, non est reperire nec etiam fingere diversitatem in materia, ideo dicit [scil. metaphysicus] esse unam per essentiam. Ebd. [II, 96b]: Considerantes autem materiam secundum analogiam, scilicet sub ratione potentiae, in quantum praebet fulcimentuam formae in ratione entis, dixerunt, esse eandem secundum analogiam, quia est ibi consimilis habitudo. Und II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]: Et quia … natura illa, supra quam fundatur [i. e. materia], est una numero; ideo tempus non tantum est unum specie in omnibus temporalibus, immo etiam quantum ad essentiam unum numero, differens per esse. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]: Sicut igitur materia una est per essentiam, differens per esse … sic et tempus in omnibus temporalibus.

Philosophische Klärungen

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folgenden Abschnitt noch eingehend untersucht werden. Des weiteren wird dadurch das Wesen der Zeit auf das Wesen der Materie zurückgeführt. Die Ursache der Zeit liegt demnach in der grundsätzlichen, im Begriff der Materie gegebenen Hinordnung auf die Form.269 Sie ist der tiefere Grund, warum sich alles in steter Veränderung befindet.270 Man bemerkt dabei, dass in der Materie dieselbe eigentümliche Spannung zwischen Identität und Differenz – sie wurde am Anfang dieses Abschnittes skizziert – vorherrscht wie in der Zeit: Einerseits wird die Materie verstanden als das in der Bewegung Identität stiftende Moment, als der sich durchhaltende und insofern zeitfreie Hintergrund, vor dem allein Zeit wahrnehmbar wird,271 andererseits aber erweist sie sich aufgrund ihres unvollkommenen, unabgeschlossenen, potentiellen Seins gerade als das principium mutabilitatis.272 Diese Spannung muss dabei nicht als Gegensatz interpretiert werden, sondern Ersteres kann man auch als Ermöglichungsbedingung für Letzteres auffassen. Oder andersherum gesagt: Das Reich der Formen ist ja gerade deshalb der Zeit entzogen, weil es dort nur ein Nebeneinander in Differenz ohne Identität gibt – ein prius und posterius findet man dort nur im logischen Sinn, d. h. unter dem Aspekt einer größeren oder geringeren Allgemeinheit. Die Zeit in ihrem Wesen wird durch das eigentümliche Wesen der Materie verursacht (causatur). Dieses Wesen wurde bereits oben beschrieben:273 Es nimmt eine eigentümliche Mittelstellung ein, denn es ist weder ein abstraktes Wesen (die Materie als metaphysisches Seinsprinzip, das absolut formlos zu denken ist, von daher aber auch zu keinerlei Veränderung fähig),274 noch ist es eine vollständige, individuelle Substanz (diese oder jene bestimmte Materie, wie sie als real existierende in der Natur vorkommt). Entsprechendes gilt für die secundum essentiam verstandene Zeit.275 Und wie das Wesen der Materie gegeben ist durch die allem Geschaffenen gemeinsame Potentialität, so ist das Wesen der Zeit gegeben durch die mit dieser Potentialität verbundene mutabilitas. 269 270

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In diesem Sinn gilt auch: est tamen ipsa potentia materiae essentialis ipsi materiae (I Sent. 3, 2, 1, 3, ad 4 [I, 87]). II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]: Tempus autem habet esse ex hoc, quod materia tendit ad formam, propter hoc quod causatur a motu, qui est «entelechia entis in potentia», kurz danach betonte er dass sich dieses Verursachungsverhältnis nicht nur auf das Sein der Materie, sondern mehr noch auf deren Wesen bezieht [II, 60a]: sed quamvis sit in materia, quae est sub forma et ab ipsa causetur, magis tamen causatur a materia, ut tendit ad formam, et hoc est in materia ratione suae potentiae. In diesem Sinn verstehe ich die Charakterisierung der Materie als jenes Prinzips, das die stabilitas per se existendi (s. o.) bzw. das esse fixum (II Sent. 3, 1, 1, 2, ad 6 [II, 98]) verleiht. Vgl. II Sent. 3, 1, 1, 1, fund. 1 [II, 89]: … principium mutabilitatis est materia. Vgl. S. 218 mit Anm. 69 und S. 220 mit Anm. 78. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 60a] und I Sent. 8, 1, 2, 2, ad 1 [I, 160] (beide zitiert in Anm. 78, S. 220). – Der beiden Stellen gemeinsame Hinweis auf Conf. XII, 12, 15 [CC.SL 27, 223, Z. 3–9] bezieht sich auf die parallele Aussage Augustins, dass die formlose Materie außerhalb der Zeit steht. BIGI, La dottrina della temporalità, 125 beschrieb es so: «S. Bonaventura non pensa all’universale concettuale, ma ad un universale reale come la materia, omogeneo ed indistinto e continuo».

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

In beiden Fällen muss man dabei von der je verschiedenen Potenz dieser oder jener real existierenden Materie bzw. von den ebenfalls verschiedenen in dieser oder jener konkreten Bewegung stattfindenden Veränderungen (mutationes) absehen.276 Wie das Wesen der Zeit am Wesen der Materie hängt, so ist auch das Sein der Zeit mit dem Sein der Materie verbunden. Die auf dieser Ebene geltende parallele Aussage «Tempus autem habet esse ex hoc quod materia tendit ad formam, propter hoc quod causatur a motu, qui est entelechia entis in potentia»277 hat dann den Sinn: So wie die Möglichkeiten (im Sinn des Vermögens weitere Formen aufzunehmen) eines Seienden von dem jeweils gegebenen konkreten Sein abhängen, so verhält es sich auch mit dessen Zeitlichkeit. Dementsprechend ist dann die Zeitlichkeit der irdischen und himmlischen Körper und die der Engel je eine andere. Weil Bonaventura die Aufnahme der Form als Vollendung (perfectio, Entelechie) der Materie dachte, kann die Hinordnung der Materie auf die Form auch geradezu als ein Verlangen, ein Hunger nach Form verstanden werden.278 Umgekehrt nimmt diese Potentialität in dem Maße ab, je vollkommener die erreichte Seinsstufe ist.279 Auf zwei Dinge ist hier noch aufmerksam zu machen: (1) Der Zusammenhang zwischen Materie und Zeit ist bei Bonaventura durch ein charakteristisches Modell der Materie vorgezeichnet, bei dem die konkrete Materie nicht nur als ein rein passives Aufnahmevermögen, sondern als ein aktives, zur Verwirklichung drängendes Potential bestimmt wird.280 Hierin findet man auch den Grund, warum etwa Thomas von Aquin im vorliegenden Fragenkomplex andere Lösungswege beschritt: Sein Materiekonzept war 276

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Darum beginnt die Zeit secundum essentiam mit der res mobilis, während die Zeit secundum esse mit der mutatio mutabilium beginnt (II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 4 [II, 23], zitiert oben S. 218, Anm. 65). – Vgl. dazu auch GHISALBERTI, La concezione del tempo, 752; RODOLFI, Tempo e creazione, 162 nannte die secundum essentiam verstandene Zeit deswegen auch „Maß der mutabilitas als solcher“ (eigene Übs.), ähnlich BIGI, La dottrina della temporalità, 125. Siehe Anm. 270. Vgl. etwa I Sent. 1, 3, 2, ad 1 [I, 41a]: appetitus materiae ordinatur ad formam tanquam ad perfectionem substantialem, oder Hex. IV, 1 (20), 19 [V, 428]: sicut sponsa desiderat sponsum, et materia formam. Insbesondere gilt dies für die zuerst geschaffene „ungeformte“ (im Sinn von noch nicht vollständig geformte) Elementarmaterie; vgl. II Sent. 12, 1, 3, resp. [II, 300a]: et ideo non sic formabat, quin adhuc diceretur informis, nec appetitum materiae adeo finiebat, quin materia adhuc alias formas appeteret; et ideo dispositio erat ad formas ulteriores, non completa perfectio. Dieses Verlangen ist überdies ein Zeichen für die allgemeine Sehnsucht nach Gott: Sic cum posset statim perficere materiam, maluit tamen ipsam sub quadam informitate et imperfectione facere, ut ex sua imperfectione quasi materia ad Deum clamaret, ut ipsam perficeret (II Sent. 12, 1, 2, resp. [II, 297a]). Je vollkommener ein Sein ist und je näher es damit Gott steht, desto geringer ist dieser Hunger (sichtbar z. B. im himmlischen Bereich, vgl. II Sent. 17, 2, 2, resp. [II, 422b], zitiert oben Anm. 93, S. 40). Vgl. hierzu auch GILSON, Philosophie des hl. Bonaventura, 303f. Auch hier ist der unmittelbare Zusammenhang mit der Zeitlichkeit deutlich, wenn es heißt: Cum enim aevum esse stabile et quietum respiciat, quod quidem habet materia a forma perfecta … (II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56b]). Hier fügt sich schließlich auch Bonaventuras Lehre von den rationes seminales ein; vgl. etwa II Sent. 7, 2, 2, 1 [II, 197–199]. Für eine konzise Darstellung vgl. LEINSLE, Res et signum, 86–89.

Philosophische Klärungen

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schlichtweg ein anderes. Gilson hat diesen Unterschied treffend mit einem Bild ausgedrückt: „Die Materie des heiligen Thomas ist ein Spiegel, in dem sich Licht fortpflanzen kann – Bonaventuras Materie ist ein Acker mit Körnern, nicht mit Pflanzen, aus dem aber in der Folge Pflanzen gezogen werden können.“281 – (2) Es zeigt sich auch eine gewisse Korrespondenz zwischen dem weiten Zeitbegriff, den Bonaventura im Umfeld der hier vorliegenden Quaestio (II Sent. 2, 1, 1, 2) zugrunde legt, und der von ihm vertretenen Variante des Hylemorphismus:282 Nimmt man den engen Zusammenhang von Zeitlichkeit und Materialität als gegeben, so bedingen sich der universale Hylemorphismus und der weite, auch die Engel erfassende Zeitbegriff gegenseitig. Es bleibt noch auf die zweite der am Anfang dieses Abschnitts gemachten Feststellungen einzugehen, dass die Zeit am meisten von allen Akzidenzien mit der Materie verbunden ist.283 Aus dem eben dargestellten Zusammenhang zwischen Zeit und Materie dürfte ein Gutteil dieser Aussage bereits verstanden sein. Es soll aber noch auf zwei weitere Aspekte hingewiesen werden, die so noch nicht zur Sprache gekommen sind. Zum einen wird mit dieser Aussage die Eigenschaft der Zeit im Gegensatz zum aevum beschrieben: Letzteres nämlich verbindet sich als Akzidens mit der (substantialen) Form des Seienden, dessen Maß es ist.284 Der Materie ut mutabilis wird hier also die Form ut immutabilis gegenübergestellt und daraus das Verhältnis von tempus und aevum erklärt: Das eine Maß misst ein vergängliches, veränderliches Sein, das andere ein bleibendes und unveränderliches. – Zum anderen klärt die oben genannte Aussage auch das Verhältnis der Zeit zu den anderen kontinuierlichen Größen, die man in der Kategorie quantitas (Größe) findet, nämlich Strecke, Fläche, Volumen und Ort.285 Die Erklärung Bonaventuras weist darauf hin, dass die übrigen Größen ihr vollständiges Sein (esse completum) von der materia existente sub forma besitzen, während die Zeit ihr Sein allein aus dem Streben der Materie nach Form erhält. Wie bereits eingesehen, bedeutet das für die Zeit, dass sich ihr Wesen aus dem Wesen der Materie herleitet. Die übrigen Quantitäten dagegen können nicht unmittelbar mit dem als Potentialität verstandenen 281 282

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GILSON, Philosophie des hl. Bonaventura, 329. Im Sinn der oben (im Abschnitt ab S. 173) vorgestellten Zeitdefinitionen von II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 64bf.] liegt hier nicht der im strengen Sinn aristotelische Zeitbegriff (magis proprie), sondern der weitere, sich auch auf die Engel erstreckende Zeitbegriff (proprie) vor. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]: tempus maxime inter omnia accidentia se tenet plus cum materia. Vgl. ebd. [II, 59bf.]: Tempus autem habet esse ex hoc, quod materia tendit ad formam …, et ideo se tenet maxime ex parte materiae. Vgl. oben S. 263, Anm. 270. Vgl. ebd., ad 1 [II, 60b]: Aevum autem de sui ratione propria respicit esse completum et stabile, et ideo magis respicit formam; ferner ebd., resp. [II, 60b]: … tamen aevum respicit esse actuale et esse stabile, sed tempus materiam ut in potentia. Et ideo sicut unitas temporis conformatur materiae, sic unitas aevi conformatur formae, non inquam formae, in quantum haec vel illa, sed in quantum immutabilis. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, sc. 6 [II, 56]: Non nisi in genere quantitatis; non discretae ergo continuae. Sed non est linea neque superficies, nec corpus nec locus: ergo vel est tempus vel nihil. Vgl. auch oben S. 206 mit Anm. 9 und Tabelle 5, S. 206.

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

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Wesen der Materie verbunden werden, sondern setzen noch eine zusätzliche Formung voraus, die Verbindung geschieht hier also nur über das Sein der Materie (als unter bestimmter Form existierender). Hierin zeigt sich einmal mehr Bonaventuras Trennung von Materialität und Körperlichkeit; zugleich erweist sich die Zeit als die am wenigsten Form voraussetzende und insofern abstrakteste Größe, gerade dadurch aber ist sie auch das am tiefsten in allem geschaffenen Sein verwurzelte Maß.

2.4

Die Einheit der Zeit

Die Frage nach der Einheit der Zeit war eine der Schwierigkeiten, die sich aus der aristotelischen Zeittheorie ergaben286 und die in der Scholastik intensiv diskutiert wurden.287 Sowohl die Problemstellung als auch das Ergebnis waren dabei in den Grundlinien durch den Stagiriten in Phys. IV, 14 vorgegeben: Bestimmt man die Zeit als Akzidens (als die Maßzahl) der Bewegung, so gilt der Grundsatz: accidens multiplicatur secundum divisionem subiecti in quo est.288 Wie zwei weiße Wände also je ihr eigenes Weiß haben, müssten insbesondere auch zwei gleichzeitig ablaufende Bewegungen je ihre eigene Zeit haben, wohingegen der Verstand sagt: „Es ist doch eine und dieselbe Zeit, die da gleichlang und gleichzeitig ist.“289 – Die von Aristoteles gegebenen Begründungsansätze (der Vergleich mit der Einheit der Zahl als numerus numerans und der Hinweis auf die Himmelssphäre) konnten dabei insgesamt nicht befriedigen, und so suchten dessen Kommentatoren in dieser Frage nach weiteren Erklärungen. Auch Bonaventura nahm zum Problem der Einheit der Zeit Stellung. Er tat es in Form einer Vorbemerkung (praenotandum) zu der Quaestio über die Einheit des aevum,290 die bereits im vorigen Abschnitt ausgewertet wurde. Der Franziskaner blieb dabei im Wesentlichen innerhalb des aristotelischen Rahmens, indem er weder die entsprechende Zeitdefinition als numerus motus, noch den akzidentellen Charakter der Zeit in Frage stellte, obwohl er dies entweder unter Hinweis auf seine eigenen Zeitdefinitio286 287

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Siehe oben S. 104. Für eine Darstellung der Positionen im 13. und der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts vgl. MAIER, Scholastische Diskussionen, einen aktuelleren Überblick findet man bei PORRO, Forme e modelli di durata, 36–46; vgl. ferner MANSION, La théorie aristotélicienne. Vgl. etwa THOMAS VON AQUIN, I Sent. 9, 1, 2, resp. [Ed. cit. I, 249]. Physica IV, 14 [223b 3f.] (Übs. Zekl I, 233). II Sent. 2, 1, 1, 2 [II, 58–60]. Die Frage nach der Einheit des aevum war für Theologen der vorzügliche Ort, um diese Frage abzuhandeln, vgl. etwa Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 2 (66) [Ed. cit. I, 101–103], THOMAS VON AQUIN, II Sent. 2, 1, 2 [Ed. cit. II, 65–68]; S. th. I, 10, 6 [Ed. Leonina IV, 104f.]; RICHARD VON MEDIAVILLA, II Sent. 2, 1, 2 [Ed. cit. II, 32f.]; PETRUS VON TARENTAISE, II Sent. 2, 2, 2 [Ed. cit. II, 21f.]; daneben kommen auch die Kommentare zu der genannten Aristoteles-Stelle in Frage (z. B. THOMAS VON AQUIN, In Physic. IV, c. 14, lect. 23 [Ed. Leonina II, 222– 225]; ALBERTUS MAGNUS, Physica IV, 3, 13 [Ed. Colon. IV.1, 284–286]).

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nen oder auf die von ihm herangezogene Anselm-Stelle (De veritate 13) leicht hätte tun können. Letztere lieferte ja nicht nur das oft zitierte Schlagwort unum tempus omnium temporalium, in ihrer Begründung stellte sie auch das gewohnte Substanz-AkzidensVerhältnis auf den Kopf, wenn sie behauptete: Von der Zeit einer Sache spricht man nicht, „weil die Zeit in diesen Dingen ist, sondern weil sie in der Zeit sind.“291 Im Corpus der Quaestio stellte Bonaventura drei Meinungen vor, wie die Einheit der Zeit begründet werden kann. Er gliederte sie nach dem dreifachen Verhältnis, in dem ein Akzidens zur zugrundeliegenden Substanz steht: Jenes hat in dieser seinen Seinsgrund (causa), sein Dasein (existentia) und die Grundlage seines Erscheinens (apparentia). Die ersten beiden Lösungen, die verworfen werden, erweisen die Zeit als eine, weil sie sich auf die Bewegung des primum mobile zurückführen lässt. Der Unterschied besteht dabei darin, dass im ersten Fall das Sein der Zeit per se mit der ersten beweglichen Sphäre verbunden wird, cuius motu cessante, cessat et tempus, während im zweiten Fall die Einheit dadurch begründet wird, dass die Seele, alle Bewegungen durch Bezug auf die regelmäßige und allen bekannte Bewegung des primum mobile misst und dadurch die Zeit bestimmt.292 Beide Begründungen hat man im Kontext der arabischen Aristotelesauslegung, näherhin des Averroes, zu verstehen:293 Der Philosoph aus Cordoba verknüpfte dabei die Fragen nach der Einheit der Zeit, ihrem Sein und ihrem Verhältnis zur menschlichen Seele. Wie Bonaventura auch kam es ihm dabei darauf an, dass die Zeit nicht ausschließlich eine innerseelische Größe ist, sondern ein, wenn auch unvollkommenes Sein außerhalb der Seele besitzt: esse eius [scil. temporis] extra mentem est in potentia prop-

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De veritate 13 [PhB 535, 74] (Übs. Enders, 75): [Non enim ideo dicitur «tempus huius vel illius rei»,] quia tempus est in ipsis rebus, sed quia ipsae sunt in tempore (ausführlich zitiert in Anm. 75, S. 219) – Zum Ausdruck in tempore vgl. auch oben zu Augustinus, S. 145 mit Anm. 307. BONAVENTURA, II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59]: Dixerunt ergo aliqui, quod tempus est unum ratione subiecti, in quo primo est et per se, quo remoto, removetur et tempus. Unde dixerunt, quod tempus est unum, quia est in primo mobili, cuius motu cessante, cessat et tempus … Et ideo dixerunt alii, quod tempus est unum ratione subiecti, in quo primo apparet. Cum enim tempus sit numerus sive mensura motuum, et numerus iste secundum essentiam et habitum sit in re mobili vel mota, … secundum actualem vero numerationem sit a parte animae … cum anima omnes motus et mutationes numeret aspiciendo ad mensuram motus primi mobilis, scilicet per diem, annum et horam; voluerunt dicere quod unum est tempus ratione subiecti, in quo primo apparet; quia, etsi omnia habeant proprias periodos, tamen omnia numerantur et mensurantur per mensuram motus regularis et certi et nobis notissimi, scilicet motus mobilis primi. Hier ist ferner auf I Sent. 37, 2, dub. 3 [I, 665] zu verweisen Im Zusammenhang mit dem eigentlichen Begriff der Zeit (proprie) gestand Bonaventura hier zu: tempus hoc modo dicitur proprie esse in primo mobili, sicut in subiecto, in quo primo est et in quo primo apparet. – Dies ist aber genau der zu enge Zeitbegriff (magis proprie, vgl. oben ab S. 174), der die affectiones der Engel nicht berücksichtigt. Vgl. besonders AVERROES, In Phys. IV, comm. 98 [Ed. cit. IV, fol. 178v G].

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ter subiectum proprium, et esse eius in anima est in actu.294 Entsprechend war ihm daran gelegen, auch die Einheit der Zeit nicht als eine Abstraktionsleistung der Seele zu verstehen (wie aus verschiedenen weißen Gegenständen der eine Allgemeinbegriff des Weißen gezogen wird), sondern in der physischen Welt zu verankern. Die Vorlage dazu erhielt Averroes vor allem von Avicenna. Dieser hatte die Einheit der Zeit damit begründet, dass er die Bewegung der Himmelssphäre als die Ursache aller anderen Bewegungen (auch der im sublunaren Bereich) ansah.295 Für Avicenna hing das Sein der Zeit also unmittelbar an dieser einen Bewegung der Himmelssphäre, die zugleich die anderen Bewegungen misst, ohne dass die Zeit auch von diesen letzteren abhängig wäre.296 Averroes ergänzte und erweiterte diesen Ansatz, wobei er ihm zugleich eine andere Wendung gab. Gegenüber der strikt extrinsischen Zeitdefinition Avicennas machte er folgenden Einwand geltend:297 Wenn man die Zeit einzig an einer bestimmten Bewegung, nämlich der des primum mobile, festmacht, dann würde jemand, der diese Bewegung nicht wahrnehmen kann (etwa weil er blind oder unter der Erde eingesperrt ist), auch keine Zeit kennen. Da Averroes den Ausweg, die Zeit ganz als rein innerseelische Größe anzusehen, nicht beschreiten möchte, so bleibt ihm nur, die Zeit als ein Akzidens jeder Bewegung anzusehen. Damit nun die Zeit ihre Einheit bewahrt und nicht in eine Vielzahl von den Bewegungen zugeordneten Zeiten zerfällt, führt er eine Ordnung in der Zeitwahrnehmung ein: Es gibt nämlich eine Bewegung, mit der die menschliche Zeiterfahrung zuerst und wesentlich (primo et essentialiter) verbunden ist, weil sie zur conditio humana gehört und in der Wahrnehmung jeder der anderen Bewegungen mit-

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In Phys. IV, comm. 131 [Ed. cit. IV, fol. 202r E]; bei Bonaventura lautete die entsprechende Bestimmung: tempus est dispositio rei extra, non fictio animae (II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]). Die gegenteilige Ansicht der Zeit als einer rein innerseelischen Vorstellung sah Averroes vor allem von Galen vertreten, dem die christlichen Kommentatoren im 13. Jahrhundert (z. B. Albert) gerne Augustinus zur Seite stellten (Stellen siehe bei PORRO, Forme e modelli di durata, 41f., Anm. 78; zu Galens Zeittheorie und ihrem Verhältnis zu der des Averroes, vgl. JECK, Aristoteles contra Augustinum, 89 & 152–171). Sufficientia II, 13 [Ed. cit., 355f., Z. 84–87]: Auf das Argument, dass das primum mobile stillstehen könnte und es trotzdem Zeit gäbe, da ein anderer Körper sich bewegt, erklärte er: si non esset motus circularis corporis sphaerici, motus recti non haberent loca, nec essent motus recti naturales nec essent motus per vim. Ergo posse esse motum unius corporis tantum absque aliis corporibus est impossibile. Vgl. ebd. [Ed. cit., 356f., Z. 95–102]: Temporis ergo eius esse pendet ex uno motu et mensurat illum, et mensurat etiam ceteros motus, quos impossibile est esse absque motu corporis efficientis tempus suo motu … Sed possibile est, ut pendeat [scil. tempus] ab uno, quod mensurat et mensuret aliud etiam a quo non pendet. Der tiefere Grund, warum die Zeit gerade an dieser einen Bewegung hängt, ist deren Kontinuität (continuitas) im Gegensatz zu den anderen Bewegungen, die Anfang und Ende haben. Vgl. ebd. [Ed. cit., 355, Z. 72f.] (sed ex motibus omnibus qui habent principium et finem non pendet tempus), und ebd. [Ed. cit., 358f., Z. 25–36]. Vgl. In Phys. IV, comm. 98 [Ed. cit. IV, fol. 178r F – 179v I].

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enthalten ist: Das ist die Veränderung des eigenen Seins.298 Diese Bewegung aber führte Averroes schließlich ursächlich auf die Himmelsbewegung zurück.299 Mit diesem „Umweg“ über die Zeitwahrnehmung sind nun alle wesentlichen Eigenschaften der Zeit erhalten: ihre Einheit, ihr außerseelisches Fundament und ihre allgemeine (ausnahmslose) Wahrnehmbarkeit. In Bezug auf die Einheit der Zeit hat diese Lösung aber noch eine besondere Bedeutung:300 Sie ergibt sich in diesem Fall nämlich daraus, dass das Verhältnis der Zeit zur Bewegung des primum mobile und zu den übrigen Bewegungen ein verschiedenes ist: Die Bewegung des primum mobile ist diejenige Bewegung, die die Zeit definiert (iste motus accipitur in definitionem eius), und die Zeit misst diese Bewegung wie eine der Sache selbst inhärierende Form (secundum quod mensurat aliquid, quod est forma in re); die übrigen Bewegungen werden zwar gleichfalls von der Zeit gemessen, aber nur in abgeleiteter Weise. Das Verhältnis von Zeit und Bewegung entspricht dann dem von Zahl und Gezählten, wobei das Gezählte selbst nicht zur Definition dieser Zahl beiträgt.301 In aristotelischen Begriffen würde man also sagen, im Fall des primum mobile entspricht das Verhältnis von Bewegung und Zeit dem von gezähltem Gegenstand und numerus numeratus (konkreter Zahl), in den übrigen Fällen dagegen ist das Verhältnis so wie zwischen gezähltem Gegenstand und numerus numerans (abstrakter Zahl). Doch kehren wir zu den Ausführungen Bonaventuras zurück: Es sollte deutlich geworden sein, dass die erste von ihm dargestellte Lösung, die die seinsmäßige Verbindung von primum mobile und Zeit betont, der Position Avicennas nahesteht, während die zweite Lösung, die auf die Beteiligung der Seele und das Erscheinen der Zeit an der

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Vgl. ebd., fol. 179r AB: motus igitur, qui cum sentitur, sentitur primo, et essentialiter tempus, est motus, ex quo sentimus nos esse in esse transmutabili, et nos transmutari, quia sumus in hoc esse. Nos igitur esse in esse transmutabili sentitur … cum senserimus quemcumque motum. Vgl. ebd., fol. 179r B: manifestum est, quod nos non sentimus nos esse in esse transmutabili, nisi ex transmutatione coeli et si esset possibile ipsum quiescere, esset possibile nos esse in esse non transmutabili. – Averroes gab leider nicht an, wie er sich diesen manifesten Einfluss näherhin dachte. Vgl. ebd., comm. 132 [Ed. cit. IV, fol. 203r B – 204r D], besonders fol. 203v KL: Iam declaravimus prius quod nos percipimus tempus, quando percipimus motum, per quem sentimus nos esse in transmutatione continua, et est motus circularis. Tempus igitur sequitur hunc motum et iste motus accipitur in definitionem eius et ipsum mensurat illum, non secundum quod numerus mensurat numeratum, sed secundum quod mensurat aliquid, quod est forma in re; alios vero motus mensurat secundum quod numerus mensurat numeratum, scilicet quod numeratum non accipitur in definitione numeri. Vgl. ebd. [Ed. cit. IV, fol. 203v K]: dispositio eius [scil. temporis] cum motu uno est dispositio sequentis, in cuius definitione accipitur illud, ad quod sequitur, et cum aliis motibus sicut dispositio numeri cum numerato. Vgl. auch ebd., comm. 133 [Ed. cit. IV, fol. 204v I]: … sequitur ut tempus istius motus sit prius ceteris temporibus et numerans illa.

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

Bewegung der Himmelssphäre Wert legt, den Ansatz des Averroes widerspiegelt.302 Der Doctor seraphicus lehnte beide Begründungen ab. Gegen die erste These verwies er auf das aus Augustinus genommene Beispiel der Töpferscheibe303 und auf die mit dem freien Willen verbundenen Affekte und Gedanken der Seele: Beide Bewegungen waren für ihn nicht ursächlich mit der Bewegung des primum mobile verknüpft. Die tiefere Motivation dürfte dabei die sein, dass Bonaventura als christlicher Theologe zwar einen Einfluss des primum mobile auf die Körperwelt zugestehen konnte,304 aber eine strikte, umfassende Kausalität, die im Letzten auch den freien Willen des Menschen zunichtemachen würde, ablehnen musste – hier scheiden sich christliches und arabisch-muslimisches Denken. Gegen die zweite These argumentierte er mit dem aristotelischen Gedanken, dass die Zeit auch dann eine einzige bliebe, wenn es zwei «prima mobilia» (eigentlich ein Widerspruch in sich) gäbe.305 Dabei scheint mir die angeführte Begründung tiefer zu gehen, als es der Wortlaut alleine ausdrückt: In den von Bonaventura eingeführten Zeitdefinitionen stellt der Zeitbegriff, der über die Bewegung des primum mobile gewonnen wird, jeweils das engste, eingeschränkteste Verständnis von Zeit dar.306 Zeit gab es bereits, bevor das primum mobile erschaffen wurde, und schon insofern kann es kaum als Grund für die Einheit der Zeit angegeben werden.307 Hinzu kommt, dass die Engel – und die ganze Frage steht ja im Kontext der Angelologie – in bestimmter Weise ebenfalls unter dem Maß der Zeit stehen: nicht in ihrem Sein, denn das wird vom aevum gemessen, aber in ihren affectiones.308 Da der angestammte Ort 302

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GHISALBERTI, La concezione del tempo, 751, Anm. 16 identifizierte die zweite Meinung bei Bonaventura auch mit der Alberts in Physica IV, 3, 17 [Ed. Colon. IV.1, 290–293], ich würde hier allerdings eher auf Averroes als gemeinsamer Quelle beharren, zumal das zeitliche Verhältnis von Bonaventuras Sentenzenkommentar (gelesen 1250–1252, Niederschrift 1252/53, vgl. Ignatius BRADY, The Edition of the «Opera omnia» of St. Bonaventure, in: Archivum Franciscanum Historicum 70 (1977) 352–376) zu Alberts Physica (begonnen 1251/2, beendet vor 1257, vgl. die Prolegomena, in Ed. Colon. IV.1, Vf.) nicht klar ist. Vgl. oben Anm. 75, S. 105. Vgl. II Sent. 14, 1, 1, 2, sc. 6 [II, 339]: firmamentum sua influentia facit elementa contraria concurrere ad corpora mixta, oder Brev. II, 4 [V, 221b], insbesondere: Sic tamen sunt [scil. corpora caelestia] in signa temporum et regimen operationum, ut non sint certa signa futurorum contingentium nec influant super liberum arbitrium per vim constellationum, quam dixerunt aliqui philosophi esse fatum. Vgl. auch GILSON, Philosophie des hl. Bonaventura, 320. Vgl. erneut Physica IV, 10 [218b 3–9]; vgl. oben S. 214, Anm. 50. Siehe den Abschnitt oben ab S. 174. Man bedenke dabei, dass Bonaventura das Schöpfungswerk nicht als instantanen Akt (wie Augustinus oder Thomas), sondern als einen sukzessiven Prozess verstand (vgl. etwa II Sent. 12, 1, 2 [II, 295–298]). Vor der Formung des primum mobile gab es Zeit secundum mutabilitatem, quae erat in materiae partibus (II Sent. 12, 2, 2, ad 4 [II, 305]). Man kann hier ferner darauf hinweisen, dass die Zeit zusammen mit dem Empyreum, den Engeln und der materia prima zu den vier erstgeschaffenen Dingen gehört, vgl. oben S. 56, Anm. 172. Vgl. I Sent. 37, 2, dub. 3, resp. [I, 665]: aevum est mensura Angelorum quantum ad esse substantiale, quod est invariabile et incorruptibile; sed tempus quantum ad proprietates, quae variantur,

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der Engel aber im ruhenden Empyreum „oberhalb“ der Fixsternsphäre anzusiedeln ist,309 kann auch die Zeit dieser Bewegungen nicht vom primum mobile gemessen werden. Diese beiden Beispiele zeigen hinlänglich, dass es nicht die Bewegung des primum mobile sein kann, die das erste Maß für die Zeit ist und an der (mit den Worten des Averroes) primo et essentialiter die Zeit aufscheint. Die schließlich präsentierte Lösung für die Frage nach der Einheit der Zeit ging dann einen anderen, weder von Aristoteles noch von seinen antiken oder arabischen Kommentatoren eingeschlagenen Weg: Der Ausgangspunkt war die im vorigen Abschnitt bereits beschriebene Bestimmung der Materie als des eigentlichen Subjektes der Zeit. Näherhin führte Bonaventura die Einheit der Zeit auf das Wesen der Materie ut mutabilis, et ita ut ens in potentia zurück,310 wobei man sich fragen kann, ob diese Lösung des Problems nicht von Avicenna inspiriert war. Dieser hatte in den Sufficientia II, 11 die Zeit als mensura possibilitatis bestimmt; ihr Subjekt war dann jenes, das zuerst die Möglichkeit zu Veränderung aufweist.311 Die so vorgegebene Linie lässt sich dabei nicht nur auf das primum mobile hin weiterverfolgen, wie es Avicenna tat, man kann mit Bonaventura auch in die Richtung weiterdenken, dass die Materie das Erste ist, in dem die besagte Möglichkeit steckt.312 In jedem Falle sollte man sich zunächst der Voraussetzung dieses Ansatzes zuwenden, nämlich wie Bonaventura die Einheit des Wesens der Materie verstanden wissen wollte. In II Sent. 3, 1, 1, 2f. [II, 94–101] klärte er diese Frage in zwei Anläufen: Zunächst (Quaestio 2) zeigte er die Einheit der gemeinsamen Natur auf,313 um dann in Quaestio 3 die numerische Einheit zu beweisen. Diese numerische Einheit bestimmte er näherhin als unitas homogeneitatis.314 Diese Einheit unterscheidet sich sowohl von der Einheit des Individuums (unitas individuationis), die die Materie als ein ens in potentia nicht besitzen kann, als auch von der Einheit eines durch einen Allgemeinbegriff be-

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et quaedam subito, quaedam successive, sicut patet in Angelis per naturam paulative intendi aliqua affectio. Vgl. auch II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56f.] sowie II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 64f.]. Vgl. II Sent. 2, 2, 2, 1, resp. [II, 76]: Dicendum quod caelum empyreum locat Angelos et est locus Angelorum … Vgl. dazu auch oben S. 185 mit Anm. 94 und den Abschnitt zum Empyreum (ab S. 52). II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]. Sufficientia II, 11 [Ed. cit., 326f., Z. 90–96]: Et constat quoniam ipsum [scil. id, quod movetur] est res in qua primo cadit possibilitas permutationum, quemadmodum diximus, et deinde cadit in aliud ab illo propter illud. Erit ergo illud [scil. tempus] mensura, quae mensurat possibilitatem praenominatam per seipsam. … Nos enim non posuimus hoc nomen «temporis» nisi rei quae ex seipsa est mensura possibilitatis, in qua cadit primitus possibilitas predicta. Zu der Stelle vergleiche auch MANSION, La théorie aristotélicienne, 290–292. Man denke an Bonaventuras Bestimmung der Materie als principium mutabilitatis (II Sent. 3, 1, 1, 1, arg. 1 [II, 89]). – Vgl. auch den Hinweis auf Avicenna in Anm. 243, S. 258. II Sent. 3, 1, 1, 2, princ. [II, 94]: loquor secundum identitatem naturae communis, ut sicut omnes anuli de auro dicuntur habere eandem materiam per naturam sive essentiam, cum tamen numeraliter varietur. II Sent. 3, 1, 1, 3, resp. [II, 100f.].

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

zeichneten allgemeinen Wesens (die unitas universalitatis, wie sie der Gattung oder der Art zukommt), denn auch diese setzt eine irgendwie geartete Aktuierung voraus. Letztlich spiegelt sich in dieser besonderen Form der Einheit der ontologische Status der Materie als eines Mittleren zwischen Etwas und Nichts.315 Für Bonaventura bedeutete diese unitas homogeneitatis ein simul in diversis, was nichts anderes heißt, als dass es dieselbe Materie ist, die zugleich in verschiedenen – um nicht zu sagen allen – Dingen anwesend ist. Die so bezeichnete Einheit beruht auf dem Vermögen der Materie, eine beliebige Form aufzunehmen, und kann insofern auch als unitas possibilitatis bezeichnet werden; letztlich kommt sie aus der völligen Unbestimmtheit der Materie.316 Weil aber dieses Wesen der Materie in jeder konkreten Materie zu finden ist, geht diese Einheit durch die Aufnahme der Form auch nicht verloren, sondern bleibt als zugrundeliegende bestehen.317 Diese unitas homogeneitatis reklamierte Bonaventura auch für die Zeit.318 Wohlgemerkt gilt sie nur für das Wesen der Zeit und nicht für ihr Sein. Betrachtet man das Sein, so löst sich (bei der Zeit genauso wie bei der Materie) die Einheit in Verschiedenheit auf: Die in der Natur vorliegende, immer durch eine Form aktuierte Materie ist von jeder anderen Materie verschieden, und ebenso ist die an eine gegebene Bewegung als Akzidens gebundene Zeit verschieden von der Zeit einer anderen Bewegung.319 Auch für die Zeit gilt dabei, dass ihre wesentliche Einheit eine Einheit der Ununterscheidbarkeit ist. Sie kommt dadurch zustande, dass die Zeit von allen Akzidenzien den größten (und dichtesten) Bezug zur Materie hat und deswegen am wenigsten eine Differenzierung zulässt.320 Mit anderen Worten wird hier also die Einheit der Zeit auf die Identität oder besser die wesentliche Ununterschiedenheit der Materie als des Bewegten zurückgeführt. Diese Position hat durchaus einiges für sich, gerade wenn man sie an der Ausgangssituation – der Frage, warum zwei gleichzeitig ablaufende und gleich lange dauernde Bewegungen ein und dieselbe Zeit haben – misst. Im Grunde genommen besagt sie dann nämlich nichts anderes als eine Abstraktion von den konkreten, in der Bewegung sukzessive aufgenommenen akzidentellen Formen. Vermissen mag man allerdings sowohl eine tiefere Reflexion auf den Begriff der Gleichzeitigkeit wie auch auf den Aspekt der Messung der Zeit. Hier mag sich einmal mehr auswirken, dass es Bonaventura 315 316 317 318

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II Sent. 3, 1, 1, 1, arg. 1 [II, 89]: ergo aliquid, quod non est omnino aliquid, nec omnino nihil, sed quod est medium inter aliquid et nihil; hoc autem dicit Augustinus materiam. Vgl. II Sent. 3, 1, 1, 3, resp. [II, 101]: Unde dicitur una numero, quia est una sine numero, quemadmodum ovis, carens signo respectu ovium habentium signum, dicitur esse signata. II Sent. 3, 1, 1, 3, resp. [II, 100b]: haec [scil. unitas] non tollitur per adventum formarum: ita est materia una sub omnibus formis, sicut omnibus formis abstractis. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]: Sicut igitur materia una est per essentiam, differens per esse, una non unitate universalitatis nec singularitatis, sed medio modo, sic et tempus in omnibus temporalibus. Vgl. noch einmal Anm. 318, ferner GHISALBERTI, La concezione del tempo, 751–753. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II 59f.]: … et ideo tenet se maxime ex parte materiae, et ideo minime distinctum.

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nicht um das philosophische Problem an sich ging, sondern er die philosophische Begründung nur anführte, um ein ganz anderes Problem (die Frage nach der Einheit des aevum) zu lösen. Fragt man, welche Rezeption die eben skizzierte Theorie Bonaventuras von der Einheit der Zeit erfahren hat, so kann man einerseits darauf hinweisen, dass der Ansatz Bonaventuras, die Einheit der Zeit auf die Einheit der Materie zurückzuführen, zu seiner Zeit eine gewisse Verbreitung gehabt haben muss, denn Roger Bacon nannte sie eine opinio vulgata apud multos bzw. eine positio famosa;321 obwohl er selbst sie ablehnte, und das schon allein deswegen, weil er die Voraussetzung Bonaventuras von der Einheit der Materie nicht teilte.322 Andererseits stellt man aber auch fest, dass in der Folgezeit praktisch kein Lehrer die Theorie des Franziskaners übernommen hat, führende Gestalten der Scholastik haben sich vielmehr ausdrücklich gegen sie ausgesprochen (neben Roger Bacon auch Thomas von Aquin, Petrus Johannis Olivi, Aegidius Romanus, Duns Scotus).323 Thomas von Aquin beispielsweise, der für seinen Sentenzenkommentar den Bonaventuras vor sich liegen hatte, führte die Meinung Bonaventuras nur an, um sie dann in drei Anläufen zu widerlegen. So wies er erstens darauf hin, dass die Zeit nicht Veränderungen in potentia, sondern Veränderungen in actu misst, diesen fehlt aber gerade die geforderte Einheit.324 Zweitens zweifelte er wie Roger Bacon an der Einheit der Materie in allen beweglichen Körpern, und schließlich entsprach für ihn die Zeit nicht der Materie hinsichtlich ihres Wesens, sondern nur hinsichtlich ihres Seins (d. h., insofern sie sich durch die Bewegung verändert).325 Hier zeigt sich erneut, dass es das grundsätzlich andere Verständnis des Aquinaten von Materie war – sowohl was die Verbindung von Materie und Körperlichkeit als auch was die aktive Hinordnung der Materie auf die Form angeht326 –, das ihn die Position des Franziskaners ablehnen ließ. Auch in späte321

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So in den Communia naturalium I, 3, 6 [Ed. cit. III, 162] (Deinde est alia posicio falsior, quod tempus habet unitatem a materia … et hec est opinio vulgata apud multos, et maxime apud quosdam theologos) bzw. in den Questiones supra libros octo Physicorum Aristotelis IV, ed. Ferdinand M. Delorme & Robert Steele (Opera hactenus inedita Rogeri Baconi XIII), Oxford 1935, hier 279, Z. 10–13 (Alia est positio famosa quod tempus est principium variationis, cum sequitur ad principium unitatis, et materia est una, ideo tempus). Welche Autoren hier angesprochen waren, ist gar nicht so leicht auszumachen. Wenn die vom Herausgeber vorgenommene Datierung richtig ist (Ende der 1250’er Jahre), so kann man wenigstens ROBERT KILWARDBY, De tempore 13, besonders nr. 57, 59 und 62 [ABMA 9, 23–25] dazu zählen. Die hier mit Et diceret forte aliquis eingeführte Position entspricht recht genau dem, was Bonaventura vortrug: Es wird sowohl der Grundsatz unum per essentiam, multa tamen secundum esse (nr. 59) als auch die Rückführung der Einheit auf die wesentliche Einheit der Materie (nr. 57) genannt. Vgl. MAIER, Scholastische Diskussionen, 528. Vgl. ebd., 526f. mit Anm. 16, dort auch entsprechende Quellenangaben. In dieselbe Richtung argumentierte etwa Petrus Johannis OLIVI, II Sent. 10 [BFSMA 4, 191]. Vgl. II Sent. 2, 1, 2, resp. [Ed. cit. II, 67]. Siehe oben S. 264.

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

ren Schriften hat sich Thomas noch des Öfteren mit der Einheit der Zeit befasst,327 seine Lösung war dabei durchweg die averroistische, die Zeit per se als das Maß der Bewegung des primum mobile zu verstehen und daraus deren Einheit abzuleiten.328 In der Zeit vor 1268 (als Thomas seinen Physikkommentar schrieb) deckte sich seine Lehre dabei völlig mit der Alberts des Großen. Dieser hatte die Gedanken des Averroes folgendermaßen auf den Punkt gebracht: Zeit verhält sich zur Bewegung des primum mobile sicut ad subiectum et numeratum, zu allen anderen Bewegungen dagegen verhält sie sich sicut ad numerata solum.329 Ab 1268 äußerte sich Thomas zwar vorsichtiger, das heißt, er ging auf das unterschiedliche Verhältnis der Zeit zu der Bewegung des primum mobile und zu den übrigen Bewegungen nicht mehr näher ein, aber er blieb dabei, die Einheit der Zeit auf die Bewegung der Himmelssphäre zurückzuführen.330 Dennoch konnte sich in der Folgezeit das averroistische Modell – wenn auch in leichter Modifizierung – durchsetzen: Gegen Ende des 13. Jahrhunderts war es für einige Jahrzehnte die allgemein akzeptierte Lösung für das Problem der Einheit der Zeit.331

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So S. th. I, 10, 6 [Ed. Leonina IV, 104f.]; III, 75, 7 [Ed. Leonina XII, 174f.]; De spiritualibus creaturis 9, ad 11 [Ed. Leonina XXIV, 2, 99]; Quodlibet 2, 3 [Ed. Leonina XXV, 219]; nur in der Stelle S. th. I wird dabei Bonaventuras Lehre noch erwähnt. Vgl. hierzu auch Alessandro GHISALBERTI, La nozione di tempo in San Tommaso d’Aquino, in: Rivista di filosofia neoscolastica 59 (1967) 343–371, hier bes. 349–351. So schon in I Sent. 19, 2, 1, ad 4 [Ed. cit. I, 469]: quod tempus per se est mensura motus primi; unde esse rerum temporalium non mensuratur tempore nisi prout subjacet variationi ex motu caeli. Unde dicit Commentator, IV. Physic., quod sentimus tempus, secundum quod percipimus nos esse in esse variabili ex motu caeli. Physica IV, 3, 17 [Ed. Colon. IV.1, 292, Z. 11–16]: Refertur enim tempus ad primum mobile et ad motum eius sicut ad subiectum et numeratum, ad alios autem motus sicut numerus extrinsecus ad numerata solum et in illis non est sicut in subiecto et ideo non multiplicatur multiplicatione eorum. – Vgl. THOMAS VON AQUIN, II Sent. 2, 1, 2, resp. [Ed. cit. II, 67]: tempus est unum ab unitate motus primi mobilis: tempus enim comparatur ad istum motum non tantum ut mensura ad mensuratum, sicut ad alios motus, sed sicut accidens ad subjectum, quod ponitur in definitione ejus. Z. B. In Physic. IV, c. 14, lect. 23, 12 [Ed. Leonina II, 225a]: Sic igitur patet quod tempus primo mensurat et numerat primum motum circularem, et per eum mensurat omnes alios motus. Unde est unum tempus tantum propter unitatem primi motus; et tamen quicumque sentit quemcumque motum, sentit tempus, eo quod ex primo motu causatur mutabilitas in omnibus mobilibus, ut supra dictum est. Vgl. PORRO, Forme e modelli di durata, 44f.; MAIER, Scholastische Diskussionen, 538.

3

Theologische Deutungen

Nach den ausführlichen philosophischen Erwägungen des vorausgegangenen Kapitels sollen nun die theologischen Implikationen aus Bonaventuras Zeitverständnis in den Blick genommen werden. Aus dem Bisherigen sollte dabei bereits eine doppelte Absicht des Franziskaners hervorgetreten sein: Erstens wollte er ein möglichst universales Konzept von Zeit vorlegen. Zeit in einem weiten Sinn „erfüllt“ die ganze Schöpfung, von der minimal geformten Urmaterie bis zu den vollkommensten Wesen und vom ersten Augenblick ihres Daseins an ohne Ende. In diesem weiten Konzept ist zweitens die Zeit in ihrem engem Sinn – die magis proprie verstandene aristotelische Zeit – aufgehoben, aber so, dass ihr Geltungsbereich begrenzt ist auf den Raum unterhalb des primum mobile und auf die Dauer seiner Bewegung (vom zweiten oder vierten Schöpfungstag bis zum Jüngsten Gericht). Im Folgenden wird es vor allem um den erstgenannten weiten Zeitbegriff gehen, der das erste und zweite der obengenannten Zeitverständnisse (communiter, communissime) umfasst.1 Das Ziel, das der Doctor seraphicus mit ihm verfolgte, besteht darin, die Zeit als Grundstruktur des geschaffenen Seins zu erweisen. Die Schritte zu diesem Ziel sind dabei verhältnismäßig einfach: Zunächst gilt es, den Schöpfungsakt selbst zu betrachten und das rechte Verständnis seiner Zeitlichkeit zu erreichen. Schlüsselbegriffe dazu sind die mutatio ad esse und der Hervorgang (egressio) aus dem Nichts, die schon in der Bezeichnung eine zeitliche Konnotation enthalten, die aber noch genauer zu fassen ist. Die Zeitlichkeit des Schöpfungsvorgangs hat weitreichende Konsequenzen, denn einerseits erweist sich darin die Zeit selbst als Schöpfung, andererseits leitet sich daraus die bleibende Prägung des geschaffenen Seins durch Zeitlichkeit ab. Das Verständnis der Zeit als habitudo concreata umfasst beide Aspekte, den Raum der Zeit zugleich maximal ausdehnend und gegenüber der ungeschaffenen, überzeitlichen Wirklichkeit Gottes abgrenzend.

1

Vgl. oben S. 168.

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3.1

Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

Geschaffenes Sein als zeitliches Sein

In einem weiten Sinn umfasst der Schöpfungsbegriff das gesamte Sechstagewerk, das Bonaventura im Breviloquium in drei Phasen einteilte:2 (1) Die creatio im engeren Sinn, (2) die „Unterscheidung“ (distinctio) – im Sinn einer Ausformung und Ausdifferenzierung des Geschaffenen – als das Werk der ersten drei Tage und (3) die weitere Ausschmückung (ornatus) in den folgenden drei Tagen. Ohne die Position des Augustinus zu verurteilen – dieser legte das creavit omnia simul aus Sir. 18, 1 ja so aus, dass sie Schöpfungstage symbolisch zu verstehen seien und die gesamte Schöpfung in einem einzigen Augenblick stattfand3 –, wollte Bonaventura den gesamten Schöpfungsprozess als einen zeitlichen (per successionem temporum) verstehen.4 Im Folgenden wird es um die creatio im engeren Sinn gehen, die in der Heiligen Schrift durch die Worte In principio creavit caelum et terram bezeichnet ist. Dabei sei noch ein kurzer Exkurs erlaubt, um zu klären, was genau denn in jenem ersten Moment – in principio, ante omnem diem, tanquam omnium rerum et temporum fundamentum wie sich das Breviloquium ausdrückte5 – hervorgebracht wurde, sprich, was Bonaventura unter caelum et terram verstand. Die Sentenzen des Lombarden hatten dies mit Augustinus und vermittelt durch die Summa sententiarum auf die Engel bzw. die noch ungeformte Materie der vier Elemente bezogen.6 Der Doctor seraphicus erkannte darin die ersten drei der vier primo creata: die Engel als die geistige Substanz sowie das Em2

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Vgl. Brev. II, 2 [V, 220a]: … triformis fuit operatio divina ad mundanam machinam producendam, scilicet creatio, … distinctio, … et ornatus. Der folgende Text erklärt diese Werke im Einzelnen. Dasselbe auch II Sent. 12, 1, 2, ad 4.5.6 [II, 298]. Ebd., ad 2 [II, 297] zum Unterschied des Sprachgebrauchs von creare und facere (zu Gen 2, 2f.): Nam creationem vocat productionem ex nihilo, factionem vero ipsam distinctionem. Vgl. oben S. 146. Wiederum Brev. II, 2 [V, 220a]: … licet potuerit Deus facere in instanti, maluit tamen per successionem temporum …; eine ausführliche Begründung gab II Sent. 12, 1, 2 [II, 295–298], das die gleichlautende Stellungnahme des Lombarden ausweitete; vgl. Sent. II, 12, 2 (59) & 15, 6 (87) [SpicBon 4, 384f & 402f.]. Das creavit omnia simul wird dementsprechend auf die Hervorbringung im eigentlichen Sinn gedeutet, die in sich die „hauptsächlichen und wichtigsten Teile“ (partes principales sive priores) enthält; vgl. I Sent. 42, dub. 2 [I, 760] sowie II Sent. 12, 1, 2, fund. 2 [II, 296]. Ähnlich auch II Sent. 2, 1, 2, 3, ad 1.2 [II, 68b]: … dicendum, quod ipsi loquuntur secundum illam positionem, quae posuit, creationem tempore praecedere distinctionem. Unde in principio temporis Angelus et materia sunt creata; sed res non fuerunt distinctae usque ad tertium diem. Brev. II, 2 [V, 220a]. Vgl. PETRUS LOMBARDUS, Sent. II, 12, 1 (58), 2 [SpicBon 4, 384, Z. 9–12]: … in principio Deum creasse caelum, id est angelos, et terram, scilicet materiam quatuor elementorum adhuc confusam et informem … et hoc fuit ante omnem diem. Vgl. hierzu weiter AUGUSTINUS, Gen. adv. Man. I, 5, 9 [CSEL 91, 76, Z. 8–17] und (z. B.) Summa Sententiarum III, 1 [PL 176, 89A; PL 171, 1116C – dort c. 23]; etwas anders hieß es ebd. II, 1 [PL 176, 81C; PL 171, 1108B – dort c. 18]: coelum, id est angelos; terram, id est corpoream machinam, in cujus superiori parte facti sunt coeli, id est angeli; unmittelbar zuvor wurde dabei auf das Empyreum als diesen Ort der Engel hingewiesen.

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pyreum und die Elementarmaterie7 als die aktive bzw. passive körperliche Substanz. Die Worte in principio weisen dann auf das vierte der primo creata hin, auf die Zeit, die als Maß mit den drei Substanzen zusammen erschaffen wurde,8 wobei „Zeit“ hier – wie bereits gesehen9 – in ihrem allgemeinsten, das aevum einschließenden Sinn zu verstehen ist. Bereits an dieser Stelle sollte deutlich geworden sein, dass „Zeit“ den Schöpfungsvorgang von Anfang an begleitet; tiefer wird dieser Zusammenhang erfasst, wenn man sich mit Bonaventura die Bedeutung des Begriffs „Schöpfung“ klarmacht. Dazu unterschied der Franziskaner zunächst creatio-actio und creatio-passio:10 Erstere ist das mit der göttlichen Substanz real-identische Handeln Gottes als das principium a quo der Schöpfung,11 letztere bezeichnet das Geschaffenwerden der geschöpflichen Wirklichkeit

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Dass mit terra nicht das Element „Erde“ gemeint sein kann, solange von creatio im engeren Sinn die Rede ist, betonte II Sent. 2, 1, dub. 1 [II, 69], besonders (am Ende der Stelle): Nota tamen, quod aliter accipitur principium, secundum quod nomine terrae intelligitur materia, aliter secundum quod intelligitur elementum terrae. Secundum enim quod nomine terrae intelligitur materia, tunc dicitur esse fundata in principio, id est in primordio productionis rerum; secundum quod terra dicitur elementum, tunc dicitur esse fundata in principio, id est in primis operibus sex dierum. – Andererseits ist mit „Materie“ nicht die abstrakte metaphysische Materie (materia secundum sui essentiam) gemeint, sondern eine real existierende, minimal geformte Materie, die eben deswegen auch von Anfang an der Zeit im eigentlichen Sinn unterliegt (nunquam est praeter locum et tempus) – vgl. II Sent. 12, 1, 1, resp. [II, 294a] (zitiert oben S. 260, Anm. 255) sowie ebd., qu. 2, fund. 4 [II, 296] (in tanta informitate, in quanta materia posset aliquo modo subsistere). Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 3, resp. [II, 68]; zum Empyreum vgl. auch ebd. 2, 2, 1, 1, resp. [II, 71]. Siehe oben den Abschnitt ab S. 197. Eine ähnliche Terminologie hatte auch die Summa Halensis II, 1, 1, 2, 2, 2, 5 (25) [Ed. cit. II, 36] und (z. B.) ebd. II, 1, 1, 2, 2, 1, 1–8 (41–48) [Ed. cit. II, 50–57], wo creatio-actio und creari unterschieden wurden, vgl. auch ebd. I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 1 (68), resp. [Ed. cit. I, 105] (creatio passiva, zitiert S. 280, Anm. 30); auch Thomas von Aquin übernahm diese Terminologie in I Sent. 40, 1, 1, ad 1 [Ed. cit. I, 942f.] und ebd. 47, 1, 4, exp. [Ed. cit. I, 1075]; zuvor trat der Begriff auch in den 1241 von Wilhelm von Auvergne verurteilen Artikeln auf (vgl. oben S. 60, Anm. 192), zitiert bei Bonaventura II Sent. 23, 2, 3 [II, 547], hier a. 8: quod primum nunc et creatio-passio non est Creator nec creatura). Auf Letzteres bezogen sich die Ausführungen in II Sent. 1, 1, 3, 2, resp. [II, 34f.] (und ebenso ebd. 1, 1, 1, 1, ad 6 [II, 18a]), dass die creatio-passio nicht in einem realen Sinn als Mittleres zwischen Schöpfer und Schöpfung aufgefasst werden kann. Das zugrundeliegende Problem hatte – allerdings ohne zu der hier vorliegenden Terminologie zu gelangen – Petrus Lombardus in Sent. II, 1, 3, 1 [SpicBon 4, 330f.] in den Blick genommen, indem er konstatierte: Quod haec verba, scilicet facere et agere et huiusmodi, non dicuntur de Deo secundum eam rationem qua dicuntur de creaturis. Vgl. II Sent. 1, 1, 3, 2, resp. [II, 34a] zur Frage, ob creatio ein Mittleres zwischen Schöpfer und Geschöpf darstellt: Si de creatione-actione loquamur, sic dico, quod non est medium secundum rem, sed solum secundum rationem intelligendi, pro eo quod Deus, cum sit summe simplex, est sua actio.

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als den außerhalb Gottes liegenden terminus ad quem dieses Handelns.12 Was sich dabei vordergründig als die aktive bzw. passive Formulierung desselben Tuns anhört, sind in Wirklichkeit zwei real verschiedene Sachverhalte, die als Ursache und Wirkung miteinander verknüpft sind.13 Dem liegt das Verständnis von „Schöpfung“ als einem Beziehungsbegriff zugrunde, der nur auf Seiten des Geschöpfes eine relatio realis besagt.14 Die Diastase wird besonders deutlich, wenn man die zeitliche Konnotation der beiden Begriffe in den Blick nimmt: Da Gott absolut unveränderlich ist, ist die Schöpfung im Sinn der creatio-actio etwas Ewiges, obwohl darin ein Bezug auf die zeitliche Realität der creatio-passio enthalten ist und creatio insofern von Gott ex tempore ausgesagt wird.15 Die creatio-passio hingegen ist real (wenn auch nicht formal) identisch mit dem geschöpflichen Sein (d. h. der creatura),16 und insofern besagt sie nicht nur einen Bezug zur Zeitlichkeit, sondern sie ist selbst zeitlich (ex tempore, temporale).17

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I Sent. 40, 1, 1, ad 4 [I, 703] betonte das transit extra, das in striktem Gegensatz zu den innertrinitarischen Hervorbringungen zu verstehen ist; diesen Gegensatz hob etwa auch II Sent. 1, 1, 3, 1, resp. & ad 7 [II, 32f.] hervor. Vgl. II Sent. 1, 1, 3, 1, ad 1 [II, 32]: Si ergo obiiciat, quod verbum activum et passivum idem significant; dicendum, quod falsum est, quia actio et passio dicunt diversa genera; und I Sent. 40, 1, 1, ad 2 [I, 703a]: Actioni secundum rem, quae est principium efficiens aliquid, respondet passio differens secundum rem, ut creationi-actioni creatio-passio. Vgl. hierzu I Sent. 30, 1, 3, [I, 524–526] (Utrum nomina, quae de Deo ex tempore dicuntur, importent realem in Deo relationem) im Responsum [I, 526a] erläuterte Bonaventura, was mit dem Ausdruck „reale Relation“ über das geschaffene Sein ausgesagt wird: Creatura autem ad Deum habet ordinem et habitudinem, mediante proprietate accidentali et dependentia essentiali et origine naturali. – Auf die hier genannten drei Arten der relatio realis nahm dann auch II Sent. 1, 1, 3, 2, resp. [II, 34f.] Bezug, wobei es die dependentia essentialis hervorhob. Umgekehrt betonte I Sent. 30, dub. 1, resp. [I, 527a] für die göttliche Substanz: quamvis divina essentia non habeat vere respectum ad creaturam, tamen contingit eam intelligere et significare per modum respectus. – Es liegt auf Seiten Gottes also umgekehrt keine reale Beziehung vor, sondern nur secundum modum intelligendi et significandi. In I Sent. 30, 1, 1, sc. 3 & ad 3 [I, 521.522] ergab sich das aus dem Axiom omne quod praedicatur de Deo, est Deus, et ita aeternum; im Responsum unterschied Bonaventura deswegen: Dicendum, quod aliquid dici ex tempore est dupliciter: aut quia ipsum est temporale, aut quia dicit respectum ad temporale. Die Antwort in ad 3 präzisierte: Aliquid enim, quod est aeternum ratione principalis significati, id est, quod est aliquid aeternum, ratione connotati dicitur temporale. Trin. 5, 1, ad 15.16 [V, 92] hatte entsprechend über die creatio-actio festgestellt: actus intrinsecus est aeternus, sicut et substantia; effectus vero temporalis, quia creatura. – Zur Unterscheidung von Aussagen über Gott, die ex tempore oder ab aeterno getroffen werden, vgl. insgesamt I Sent. 30 [II, 521– 528]; sie begegnete bereits bei Augustin, siehe oben S. 145, Anm. 307. So der Schluss von II Sent. 1, 1, 3, 2, resp. [II, 35]: Et ideo concedendum, quod creatio non est aliud secundum rem a creatura. Die Reihe der Sed-contra-Argumente [II, 33f.] (vgl. besonders sc. 1: ergo creari non est aliud quam esse) läuft auf dasselbe Ergebnis hinaus – im Folgenden ist dann einzusehen, wie Bonaventura dieses Ergebnis im Responsum noch verfeinerte (vgl. unten S. 280 mit Anm. 30). Im Sinn von Anm. 15 ist hier das ex tempore im ersteren Sinn zu verstehen.

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Die durch das ex tempore ausgedrückte Zeitlichkeit des Geschaffenwerdens beinhaltet zwei Aussagen: zum einen, dass die Welt nicht von Ewigkeit her (ab aeterno) existiert hat, sondern vor endlicher Zeit einmal begonnen hat,18 zum anderen, dass dieser Beginn – die creatio im engeren Sinn – selbst eine zeitliche Struktur besitzt. Die Verfolgung des letzteren Aspektes führt dabei zu einem vertieften Verständnis jenes Zeitbegriffs, den Bonaventura als tempus communiter dictum mit der richardschen Sentenz omne quod coepit, ex tempore coepit verbunden hatte.19 Wie bereits gesehen, besteht die Besonderheit dieses Zeitbegriffs in dem Bezug auf die Schöpfung als Bewegung des exitus de non-esse in esse20 oder der mutatio ad esse.21 Das Problem, mit dem der Doctor seraphicus rang, war dabei, ob im Schöpfungsakt wirklich eine Veränderung (mutatio) stattfindet, denn die mutatio als aliter se habere nunc et prius22 setzt ja einen vergleichenden Bezug auf ein prius voraus, das es im Falle der Schöpfung „aus dem Nichts“ auf keine Weise gegeben hat. Anders gesagt: Nicht nur eine Eigenschaftsveränderung, auch das (natürliche) Entstehen und Vergehen, die mutatio secundum substantiam,23 verlangt nach einem sich durchhaltenden Substrat, damit überhaupt ein Bezug zwischen der früheren und der späteren Disposition hergestellt werden kann.24 Als Besonderheit des christlichen Schöpfungsbegriffes wurde aber gerade verstanden, dass hier nicht aus einer vorausliegenden (eventuell ewig existierenden) Materie etwas geschaffen wurde, sondern die gesamte Substanz des zu Schaffenden wurde ohne eine wie immer geartete vorgängige Disposition hervorgebracht.25 Für diese creatio ex nihilo 18 19 20 21 22 23

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Dazu II Sent. 1, 1, 1, 2 [II, 19–24] (Utrum mundus productus sit ab aeterno, an ex tempore); siehe auch die Ausführungen auf S. 17, S. 20 mit Anm. 22, S. 345 mit Anm. 345 sowie S. 402. II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 64f.], siehe den Abschnitt oben ab S. 193. II Sent. 1, 1, dub. 4 [II, 38]; ebd. 2, 1, 2, 3, resp. [II, 68a] hieß es in diesem Sinn von der Zeit: non tantum dicit mensuram durationis, sed etiam egressionis. So II Sent. 1, 1, 3, 2, resp. [II, 34b]. So II Sent. 1, 1, 3, 1, sc. 2 & ad 2 [II, 31.32] mit Bezug auf ARISTOTELES, Physica V, 1; VI, 4.5.8 (wo die Idee aber nicht in dieser Prägnanz formuliert wurde). Um diese geht es hier stets – im Gegensatz zur mutatio secundum accidens, die in dieser Hinsicht keinerlei Schwierigkeiten bereitete; vgl. II Sent. 1, 1, 3, 1, sc. 6 [II, 31f.]. Die Unterscheidung geht auf ARISTOTELES, Physica V, 1 [bes. 224a 21–30] zurück. Dabei ist auch klar, dass der mit der so verstandenen mutatio verbundene Zeitbegriff (tempus communiter dictum) aus dem eigentlichen (proprie) Verständnis von Zeit herausfällt, denn stellt man sich Zeit als eine (Halb-)Gerade mit einem gewissen Anfang vor, so kann man von Zeit im eigentlichen Sinn (proprie) erst ab dem „zweiten“ Augenblick sprechen, denn nur auf den Punkten im Inneren der Geraden gibt es jeweils ein Früher und ein Später, und nur dort kann es Veränderung im eigentlichen Sinn des Wortes geben – genau deswegen war ja die Erweiterung des eigentlichen Zeitbegriffs notwendig. Vgl. in diesem Sinn auch II Sent. 1, 1, dub. 2, resp. [II, 36b]: … sicut idem est facere in principio quod facere ante alia, ita quod connotet privationem respectu alicuius temporalis prioris, et connotet positionem posterioris. In prägnanter Kürze teilte Bonaventura in II Sent. 1, 1, 3, 1, ad 4.5.6 [II, 32f.] mit: … patet responsio, quia omnes procedunt de mutatione naturali, quae praeexigit materiam et ens in potentia, et quae est generatio; tali autem modo creatio non est mutatio, sed supra hanc mutationem; unde potest dici supernaturalis mutatio. Et si quaeras, utrum sit mutatio ad formam aut ad situm; dico,

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prägte Bonaventura den Begriff der mutatio ad esse, deren Eigentümlichkeit darin besteht, dass hier nicht wie bei der mutatio in esse zwei Zustände (prius – posterius) eines Subjektes miteinander verglichen werden,26 sondern nur eine einzige Disposition erfasst wird.27 Diese auf den ersten Blick paradox erscheinende Situation28 klärte Bonaventura so auf, dass Geschaffen-Sein nicht nur und nicht einfachhin Sein (esse) besagt,29 vielmehr ist darin der Gedanke des Zum-Sein-gekommen-Seins, des Jetzt-erst-Seins (nunc primo esse) im Gegensatz zum Immer-schon-Sein enthalten.30 Die beiden Ausdrücke des nunc primo esse und des habere esse post (omnino) non-esse31 drücken dabei zwar sachlich dasselbe aus und verweisen beide auf die Zeitlichkeit des geschöpflichen Seins, das nunc primo esse bringt aber den springenden Punkt der Argumentation Bonaventuras besser zum Ausdruck, insofern es nicht zwei Bezugspunkte suggeriert, so als könnte man als Beobachter von „außen“ auf den Schöpfungsvorgang blicken und diesen in einen umgebenden zeitlichen Rahmen einbetten; in dem nunc primo esse wird vielmehr die Existenz eines Anfangs festgestellt, hinter den nicht zurückgegangen werden kann.32 Es verweist damit auf eine intrinsische Perspektive, bei der für das Geschöpf nichts anderes als seine Endlichkeit – näherhin in zeitlichem Sinn – zu erkennen ist.33 Noch einmal anders gewendet, besagt die creatio-passio ein doppeltes Verhältnis (habitudo): einerseits zu Gott als dem schaffenden Prinzip, andererseits zu dem jeder

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quod est ad totam rei substantiam, et ita ad formam, ac per hoc sub mutatione ad formam potest comprehendi. So II Sent. 1, 1, 3, 2, resp. [II, 34b]: Mutatio vero in esse utrumque extremum habet et subiectum, quod est prius natura quam terminus. Ebd.: Mutatio ad esse nihil ponit nisi a parte termini. Die Frage ist ja, wie man an einem einzigen Zustand eine „Veränderung“ feststellen kann. So hatte es das Fundamentum 1 (ebd., sc. 1 [II, 33f.]) in einem ersten Anlauf verstanden; siehe oben S. 278 mit Anm. 16. Ebd., ad 3 [II, 35]: creari est nunc primo esse; vgl. ebd., resp. [II, 34b]: mutari primo modo nihil aliud est, quam nunc primo esse und ebd. in aller Deutlichkeit: Creari enim non significat esse principaliter, sed exire de non-esse in esse … – Schon in der Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 1 (68), resp. [Ed. cit. I, 105] finden sich in der besagten Zeitdefinition diese Bestimmungen, sie wurden aber dort nicht näher entfaltet: Primo modo secundum improprietatem tempus, immo nunc quod est principium temporis, respicit primam mutationem a non esse in esse, quae est creatio passiva, in qua non ponitur nisi nunc primo esse post non esse. Der Ausdruck wurde von Bonaventura häufig verwendet, siehe etwa I Sent. 5, dub. 11, resp.; 8, 1, dub. 2, resp.; 9, 1, 3, ad 2 [I, 123b.162a.185b]; II Sent. 1, 1, 1, 2, sc. 6; 1, 1, 3, 1, ad 7; 1, 1, 3, 2, resp. [II, 22.33.34]. In dieselbe Richtung geht die Bezeichnung der creatio-passio als exitus de non-esse in esse; vgl. II Sent. 1, 1, 3, 2, resp.; 1, 1, dub. 4; 2, 1, 2, 1, resp. [II, 34b.38b.64]. Dabei ist ebenso klar, dass sich bei diesem Verständnis von Schöpfung ein logischer Widerspruch zu einer von Ewigkeit her (ab aeterno) bestehenden Welt ergibt, von daher verwundert es nicht, wenn die Bestimmung von creatio-passio als nunc primo esse bei Thomas von Aquin nicht vorkommt. Man denke dabei auch an die Bestimmung des Maßes, die Grenzen einer Sache zu offenbaren, siehe oben S. 208 mit Anm. 21.

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geschaffenen Existenz aufgrund ihrer Erschaffung „vorausliegenden“ Nichts.34 Ersteres begriff Bonaventura als eine wesentliche und totale Abhängigkeit;35 Letzteres korrespondiert dem ad extra des Schöpfungshandelns.36 Dabei ist dieses Verhältnis zum Nichts ganz anderer Art als jenes zwischen Schöpfung und Schöpfer, denn auf keinen Fall kann im Nichts so etwas wie eine causa materialis oder causa efficiens gesehen werden.37 Bonaventura verstand es vielmehr als Reihenfolge (ordo): Nicht wie das Messer aus Eisen (materialiter) oder der Sohn aus dem Vater (causaliter), sondern wie der Mittag aus dem Morgen (ordinaliter), so entsteht die Schöpfung aus dem Nichts. Dieses Bild besagt jedoch nichts anderes, als dass diese Reihenfolge eine zeitartige ist.38 Indem das ex zeitlich interpretiert wird, wird im Sentenzenkommentar – den Spuren Richards von Sankt Viktor folgend39 – das ex nihilo der Schöpfung praktisch mit dem ex tempore gleichgesetzt.40 Das konstatierte Verhältnis der creatio-passio zum Nicht-Sein 34

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II Sent. 1, 1, 3, 2, resp. [II, 34b]: Creatio enim dicitur de nihilo esse, creatio nihilominus dicitur esse a Deo; unde habitudinem dicit ipsius ad non esse praecedens et ad suum esse producens, de ratione sui nominis. … Creari enim non significat esse principaliter, sed exire de non-esse in esse, et hoc ab aliquo. Ebd. [II, 35a]: … ipsa creatura essentialiter et totaliter a Creatore dependet. Vgl. oben zur relatio realis S. 278 mit Anm. 14. Siehe oben S. 278, Anm. 12. Vgl. II Sent. 1, 1, 1, 1, ad 6 [II, 18], beides liefe ja auf einen Prinzipiendualismus hinaus und widerspräche der totalen Abhängigkeit des Geschöpfs vom Schöpfer. Ähnlich auch II Sent. 1, 1, 3, 1, ad 7 [II, 33a]. Vgl. hierzu auch BIGI, La dottrina della temporalità, 450f. – I Sent. 8, 1, 2, 2, ad 7.8 [I, 161a] prägte für dieses Verhältnis den Begriff der causa deficiens: Origo autem creaturae et est ex nihilo et est ex suis principiis: secundum hoc dupliciter aliquid ipsi creaturae naturale, vel quia inest ei ex eo, quod est ex nihilo, vel quia inest ei ex eo, quod est ex suis principiis. Et quia nihil nullius est causa efficiens, sed deficiens, ideo proprietates, quae insunt creaturae ratione eius, quod est ex nihilo, non sunt positiones, sed defectus, nec sunt a virtute, sed a defectu virtutis, nec habet causam efficientem, sed deficientem: et tales sunt vanitas, instabilitas, vertibilitas. Man bemerkt, wie schwer es ist, dieses Verhältnis anders zu fassen. In Trin. II, 9 [TPMÂ 6, 115] argumentierte dieser: Quicquid autem ex creatione esse accipit, fuit procul dubio quando omnino nichil fuit, alioquin ex nichilo creari non potuit. Omne itaque creatum ex tempore esse cepit. – Im vorausgehenden c. 8 hatte er in demselben Sinn festgestellt, dass das ab aeterno esse Gottes dem ex nichilo esse der Kreatur sich gegenseitig ausschließend gegenübersteht. Auch im Breviloquium schloss Bonaventura von dem ex nihilo auf das ex tempore; vgl. Brev. II, 1 [V, 219b]: Et quia productio ex nihilo ponit esse post non-esse ex parte producti, … necesse est, quod creatura mundi sit producta ex tempore ab ipsa virtute immensa, agente per se et immediate. Ähnlich auch Hex. I, 1 (4), 13 [V, 351; vgl. Ed. Delorme, 55]: In hoc conveniunt sapientes, quod non possit aliquid fieri de nihilo et sic ab aeterno; quia necesse est, quod sicut, quando res cedit in nihilum, esse desinit; sic, quando fit de nihilo, incipit esse. – Das Hexaëmeron bevorzugte den alternativen Ausdruck de nihilo, vgl. princ., 3 (3), 6f. [V, 344; Ed. Delorme, 36], im Gegensatz zu dem ex nihilo kann man ihn nicht sofort in einem zeitlichen Sinn interpretieren: Beide Redeweisen schließen ein Bilden der Welt aus der Materie aus, im einen Fall (ex) wird die Materie dabei als vorausliegendes Prinzip des zu Schaffenden gesehen, im anderen Fall (de) wird sie als unabhängig und außerhalb von Gott existierendes Konstituens betrachtet. Anders gesagt, befindet man sich mit

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ist dabei nichts anderes als die mutatio selbst,41 ein Verhältnis, das – wie der Doctor seraphicus auch hier betonte – kein wechselseitiges, sondern ein einseitiges ist, da es ganz in der Schöpfung und nicht im Nichts gründet.42 Auch auf diesem Weg kommt man so zu demselben Ergebnis einer dem geschaffenen Sein inhärenten conditio, die über die Abhängigkeit von dem Schöpfer hinaus besagt, dass Schöpfung nicht einfach Dasein, sondern immer auch einen vorausliegenden Übergang von Nicht-Sein zu Sein bedeutet. Interpretiert man dies weiter so, dass das geschaffene Sein die Zeitlichkeit in sich trägt, so gelangt man weiter zu der Einsicht, dass der genannte Übergang nicht nur jenen ersten Schöpfungsmoment betrifft, in dem er geschah, vielmehr ist das geschaffene Sein bleibend von ihm geprägt.43 Damit aber ist man wieder bei dem allgemeinsten Zeitbegriff (communissime) Bonaventuras angelangt, der auch die creatio continua mit einschließt.44 Weiter verbindet sich damit der Aspekt des nunc als tota essentia temporis/durationis.45 In diesem Kontext bedeutet es, dass insbesondere in dem ersten nunc das gesamte, sich durchhaltende Wesen der Zeit mitgegeben ist. Da dieses erste nunc aber durch das unmittelbare Stehen am Abgrund des Nichts geprägt ist, gehört die Nichtigkeit, die vanitas, zum Wesen des geschaffen-zeitlichen Seins.46 Die vanitas ist für

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dem de nihilo in der Reihe einer kausalen Ordnung (im Sinn der causa materialis). Für Bonaventura schließt aber ein kausales principium das temporale principium ein (welches letztere man in dem incipit wiedererkennt). Dies ist einer der wesentlichen Unterschiede zur Interpretation des Aquinaten. Vgl. hierzu BIGI, La dottrina della temporalità, 451f., Anm. 3 (hier 452: «Tutta la divergenza nasce così dalla interpretazione dell’espressione ex nihilo») sowie BALDNER, St. Bonaventure on the Temporal beginning of the world, 228 (“Maimonides, like Bonaventure, regarded ex nihilo as equivalent to ex tempore”). Vgl. II Sent. 1, 1, 3, 2, resp. [II, 34b]: Si ergo quaeratur, quae sit habitudo, quae importatur in comparatione ad non-esse; dicendum, quod illa habitudo dicitur mutatio. Vgl. II Sent. 1, 1, 1, 1, ad 6 [II, 18]: ordo ille totaliter est in re creata, et non in nihilo … In diesem Sinn hieß es etwa in II Sent. 1, 1, 3, 2, ad 3 [II, 35b]: Si enim creari est nunc primo esse, desinit creari non ratione eius quod ponit, sed ratione immediatae collationis ad nihilum. – Das im creari ausgedrückte Faktum des Zum-Sein-gekommen-Seins bleibt ja über den Moment der Entstehung hinaus erhalten. Vgl. oben den entsprechenden Abschnitt zu der allgemeinsten Zeitdefinition Bonaventuras ab S. 197, besonders S. 199. Vgl. II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 4 [II, 23b]: nunc est tota essentia temporis und Trin. 5, 1, ad 14 [V, 92]: nunc autem est tota essentia durationis. Vgl. hierzu vor allem den entsprechenden Abschnitt ab S. 231, (besonders S. 235 mit Anm. 146), ferner S. 201 mit Anm. 167, S. 241 mit Anm. 176. Vgl. auch den Artikel «Vanitas» in BOUGEROL, Lexique Saint Bonaventure, 131. In Eccl. I, ad v. 2 [VI, 10b] wurde dabei eine triplex vanitas, scilicet poenalitatis, iniquitatis, mutabilitatis unterschieden; im hier vorliegenden Kontext ist nur die letztere von Bedeutung, die aber die Grundlage für die beiden anderen darstellt, vgl. ebd. [VI, 11a]: ista triplex vanitas est consequenter se habens, et una ex altera oritur, quia vanitas iniquitatis ex vanitate mutabilitatis, licet illa non sit tota causa; vanitas vero poenalitatis ex vanitate iniquitatis. Vgl. hierzu auch I Sent., prooem. [I, 3b]: … Profundum creationis est vanitas esse creati. Creatura enim quanto magis evanescit, tanto magis in profundum tendit, sive evanescat per culpam sive per poenam. – Bonaventura leitete dabei die

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Bonaventura eine der metaphysischen Signaturen des geschaffenen Seins. In einem allgemeinen Sinn weist sie auf den Gegensatz eines mit Nicht-Sein vermischten Seins zum wahren Sein hin,47 in einem zeitlichen Sinn bedeutet sie (als Konsequenz aus Ersterem) die mutabilitas und die variabilitas alles geschaffenen Seins.48 Deswegen folgt aus ihr eine „Instabilität“ die der bleibenden Gegenwart Gottes bedarf, um nicht wieder ins Nichts zurückzusinken.49 Die aufgrund der vanitas mögliche versio ad non esse ist dabei ein Prozess, der zwar der Natur zuwiderläuft, aber von ihr ohne den gnadenhaften Einfluss Gottes auch nicht aufgehalten werden kann.50 Wendet man diese Erkenntnisse auf die Zeit selbst an, so zeigt sich erneut, dass sie in ihrem allgemeinen und allgemeinsten Sinn nicht irgendein Akzidens neben anderen ist,

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vanitas unmittelbar aus dem creari ex nihilo bzw. dem esse post non-esse ab; vgl. I Sent. 8, 1, 2, 2, arg. 5 [I, 159]: omnis creatura vana, cum sit ex nihilo; ebd. 8, 1, dub. 2 [I, 162a]: Nam creatum, eo ipso quod creatum, habet esse post non esse, et ita esse vanum et possibile; vgl. auch die folgende Anm. 47. Vgl. I Sent. 8, 1, 1, 1, arg. 5 [I, 150]: … veritas et vanitas opponuntur; sed omnis creatura habet vanitatem et permixtionem cum non esse, cum sit ex nihilo. Vgl. auch ebd. das Responsum. So I Sent. 8, 1, 2, 2, arg. 5 [I, 159], Röm 8, 20 deutend: omne vanum est subiectum variabilitati; über die vanitas als mutabilitas handelte ausführlich In Eccl. I [VI, 11–14]; vgl. auch Anm. 50. – Nach I Sent. 8, 1, 2, 2, resp. [I, 160] ist sie dabei nicht mit der corruptio als der (natürlichen) mutatio secundum formam verbunden, sondern mit der versio als übernatürlicher mutatio ab ente in simpliciter non ens oder secundum totam rei substantiam (vgl. auch oben S. 182, Anm. 79). Vgl. I Sent. 37, 1, 1, 1, resp. [I, 639]: quia creatura de nihilo producta est, ideo habet vanitatem; et quia nihil vanum in se ipso fulcitur, necesse est, quod omnis creatura sustentetur per praesentiam Veritatis. Et est simile: si quis poneret corpus ponderosum in aëre, quod est quasi vanum, non sustentaretur. Vgl. ebd., qu. 2, resp. [I, 641b]: … Deus autem per praesentiam replet vanitatem essentiae, et illa quidem sine hac esse non potest. Zur instabilitas vgl. I Sent. 8, 1, dub. 2, resp. [I, 162] und I Sent. 8, 1, 2, 2, ad 7.8 [I, 161]. Vgl. I Sent., prooem. [I, 4a]: Nam vanitas esse creati in duobus consistit, videlicet in mutatione de non esse in esse et rursum in reversione in non esse. Dass die reversio in non esse aber im Gegensatz zur mutatio ad esse nicht in der Natur der Schöpfung liegt, besagt gleich der nächste Satz: Et quamvis nulla creatura omnino cedat in non ens per naturam, … peccator tendit ad non esse per culpam (womit auch der Zusammenhang zu den anderen Formen der vanitas hergestellt wird, vgl. Anm. 46). Den genaueren Zusammenhang klärte I Sent. 8, 1, 2, 2, ad 7.8 [I, 161]: … dicendum, quod quaelibet creatura vertibilis est per naturam, si sibi relinquatur. … Secundum autem quod naturale dicitur quod inest rei per propria et intrinseca principia, sic non dicuntur naturaliter inesse privationes vel defectus, sed habilitates: et ideo hoc modo accipiendo naturale, nulla creatura est vertibilis in non esse; nec tamen dicitur vertibilis naturaliter, quia naturale est in quod potest natura; sed principia rei non possunt in rei conservationem nec conservationem sui; et ideo invertibilitas non est huiusmodi naturalis. Nec tamen est contra naturam, immo est ei consona; quia omnis natura appetit salvari, quamvis ex se non possit, et maxime illa creatura, quae appetit beatificare, et haec est illa quae ad Dei imaginem facta est. Et quia desiderium naturae non est frustra, ubi deficit natura, supplet Dei gratuita influentia. Et sic patet, quod vertibilitas inest per naturam, sed invertibilitas per gratiam.

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

sondern das erstgeschaffene von allen Maßen, mit denen das Seiende gemessen wird.51 Dieser fundamentale Charakter der Zeit, der sich in dieser Qualifikation ausspricht,52 schlägt sich auch in den zwei grundsätzlichen Perspektiven nieder, unter denen das Seiende in den Blick genommen werden kann (und muss), nämlich einerseits hinsichtlich seiner statischen (permanenten) Konstitutionsprinzipien – näherhin Materie und Form – und andererseits hinsichtlich der ihm innewohnenden Dynamik des Vergehens und Dauerns.53 Damit wollte Bonaventura nicht die Zeit als ein weiteres metaphysisches Konstitutionsprinzip des Seienden neben Materie und Form stellen,54 vielmehr wird in ihr deren Zusammenspiel deutlich: Sie ist jene in der Schöpfung grundgelegte Spannung, mit der die Materie nach der Form strebt, die die beiden verbindet und die die Dynamik einer Entwicklung ermöglicht.55

3.2

Die Zeit als habitudo concreata und der Beginn der Zeit

Das Verdikt Richards von Sankt Viktor Omne quod incipit ex tempore incipit diente im vorigen Abschnitt als Ausgangspunkt, um die Zeitlichkeit des Beginns der Schöpfung aufzuweisen.56 Beim Ausloten der Konsequenzen stieß das mittelalterliche Denken dabei auf eine Schwierigkeit, die sich ergab, wenn man diese Aussage auf die Zeit selbst anwandte: Da auch die Zeit eine geschaffene Realität ist – das besagte ja das Diktum von den quatuor primo creata und Augustinus hatte es lange zuvor schon expressis verbis festgestellt57 – müsste sie selbst auch wieder einen zeitlichen Beginn haben. Oder anders gefragt: Wenn das primum nunc das Maß alles geschaffenen Seins ist, von welchem Maß wird es selbst gemessen?58 Die Frage nach dem Beginn der Zeit schien sich 51 52 53

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Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 3, resp. [II, 68a]: … et prima inter mensuras est tempus, quia non tantum dicit mensuram durationis, sed etiam egressionis, vgl. oben S. 199 mit Anm. 158. RODOLFI, Tempo e creazione, 164 nannte sie «uno dei principi costitutivi di ogni creatura, un elemento che la distingue in modo inequivocabile dal Creatore e che ne indica la dipendenza da lui.» Vgl. IV Sent. 43, 1, 4, ad 4 [IV, 890b]: … de esse rei est loqui dupliciter: aut quantum ad defluxum et durationem, aut secundum se, die letztere Perspektive besteht im Blick auf die principia permanentia. Vgl. BIGI, La dottrina della temporalità, 115: «la durata non entra come principio costitutivo dell’ essere di una cosa». So heißt es II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]: tempus autem habet esse ex hoc, quod materia tendit ad formam. Dem entspricht ferner, dass die im Schöpfungsgeschehen vollzogene supernaturalis mutatio in einer subita et nova formae inductio besteht, bei der die aufnehmende Materie zugleich miterschaffen wurde (vgl. II Sent. 1, 1, 3, 1, resp. [II, 32a]); vgl. auch oben zur Gründung der Zeit in der Materie (ab S. 257). Vgl. oben S. 279. Vgl. oben ab S. 143. Vgl. auch BIGI, La dottrina della temporalità, 453.

Theologische Deutungen

285

damit in einem gefährlichen recursus ad infinitum zu verlieren.59 Die Antwort Bonaventuras auf diesen an verschiedenen Stellen vorgebrachten Einwand60 bringt weitere Aufschlüsse über die Natur der Zeit aus theologischer Perspektive. Seine Lösung bestand darin, auf die Unterscheidung von ex tempore, in tempore und cum tempore hinzuweisen.61 Die Distinktion, die sich im Ansatz bereits bei Augustinus findet,62 legte der Doctor seraphicus so aus, dass das ex eine Reihenfolge (ordo), näherhin ein „Früher“ (anterius),63 bezeichnet, während das in ein Enthalten-Sein (continentia) und das cum schließlich die Gleichzeitigkeit besagt.64 Mit dem Lombarden65 kam er dabei zu dem Ergebnis, dass die Zeit weder in der Zeit noch ex tempore geschaffen wurde, denn beides würde bedeuten, dass es Zeit vor der Zeit gegeben haben muss. Die verbleibende Möglichkeit, dass die Zeit cum tempore begonnen hat, scheint zunächst eine Tautologie zu sein. Bei genauerer Betrachtung erweist sie sich als ein Rekurs auf das Prinzip in primis est status.66 In diesem Fall heißt das: Das erste nunc ist selbst das principium temporis und es kann nicht auf ein anderes (früheres) Prinzip zurückgeführt werden.67 Damit ist zugleich geklärt, dass dieses nunc primum sich selbst Maß ist.68 Bonaventura präzisierte das cum tempore weiter dahingehend, dass die Zeit in ihrem Prinzip begonnen hat.69 Das heißt, die Zeit begann zwar mit dem primum nunc, das das We-

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Ausdrücklich beschrieben wird dieser recursus etwa bei ROBERT KILWARDBY, De tempore 15, 80 [ABMA 9, 30]. Die gesamte Quaestio steht unter der Frage Quando vel quomodo exivit tempus in esse und bietet sich als Vergleichstext an. Vgl. I Sent. 30, dub. 2 [I, 527f.]; II Sent. 2, 1, dub. 2 [II, 69f.]; in Verbindung damit sind auch II Sent. 1, 1, dub. 2 [II, 36f.] und II Sent. 1, 1, 1, 2, arg. 3f. & ad 3f. [II, 19f.23] zu lesen; letztere Stelle betrifft die „aristotelische Variante“ desselben Arguments, sie argumentiert mit der „zirkulären“ Struktur der Zeit selbst, das soll heißen, dass jedes nunc in der Zeit gleichwertig ist; vgl. unten S. 288 und oben S. 108 sowie S. 109 mit Anm. 91. Man beachte dabei, dass das ex tempore bezogen auf die obige Unterscheidung von zeitlich bzw. mit zeitlicher Konnotation behaftet (vgl. oben S. 278, Anm. 15) noch einmal weiter präzisiert und die Bedeutung noch weiter eingeschränkt wird, denn versteht man ex tempore in seinem weiten Sinn als zeitlich, so umfasst es alle drei hier aufgezählten Bestimmungen (d. h. das ex, in und cum tempore). Die genannte Sentenz Richards verstand also das ex tempore in einem weiten Sinn. Vgl. oben S. 145, Anm. 307 – II Sent. 2, 1, dub. 2, resp. [II, 69] bezog sich ausdrücklich auf Augustinus. So in I Sent. 30, dub. 2 [I, 527]; die Bedeutung von ex ist also dieselbe wie bei dem ex nihilo. Siehe II Sent. 2, 1, dub. 2 [II, 70a]. Vgl. Sent. II, 2, 2 (8) [SpicBon 4, 338]. Bonaventura formuliert dieses Prinzip in I Sent. 3, 1, dub. 3, resp. [I, 78]: in primis intentionibus et generalibus est reflexio et ideo status, nec est ultra procedendum, d. h., durch den reflexiven Charakter der ersten Begriffe wird der regressus ad infinitum vermieden. II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 3 [II, 23a]: in ipsa productione temporis fuit nunc primum, ante quod non fuit aliud, quod fuit principium temporis, in quo omnia dicuntur esse producta. Vgl. ebd., ad 4 [II, 23]: illud [scil. primum nunc] incepit cum re mobili, non in alio nunc, sed in se ipso, quia status est in primis, unde non habuit aliam mensuram. So II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 4 [II, 23] und I Sent. 30, dub. 2, resp. [I, 527]: coepit in sui principio.

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

sen der Zeit (die tota essentia temporis) darstellt, aber das Sein der Zeit als ganzer ist darin nicht enthalten, da sie sich sukzessiv verwirklicht.70 Wenn die Zeit mit dem Prinzip der Zeit (dem primum nunc) begonnen hat, so gilt damit für sie nichts anderes als für die Schöpfung insgesamt.71 Es besteht aber ein ontologischer Unterschied zwischen der Zeit und den übrigen drei primo creata, und hier gelangt man zu dem entscheidenden Punkt, warum der oben angedeutete regressus ad infinitum nicht eintritt: Die Zeit ist eine geschaffene Wirklichkeit (creatura), doch diese Aussage ist mehrdeutig. In einem engen Sinn steht creatura nur für die im Schöpfungsakt hervorgebrachte Substanz, in einem weiteren Sinn kann es auch jede damit verbundene, nicht selbständig existierende Wirklichkeit bezeichnen.72 Die Zeit fällt in jene letztere Gruppe, sie ist keine Substanz, sondern ein con-creatum, genauer eine habitudo concreata. Sie hat damit – in bester Übereinstimmung mit dem was im vorigen Abschnitt über die Zeitlichkeit der Schöpfung ausgeführt wurde – den ontologischen Status einer Disposition, eines Sich-Verhaltens, eines intrinsischen Maßes des geschöpflichen Seins.73 Oder noch einmal anders gesagt: Den Satz in principio temporis creavit caelum et terram wollte Bonaventura so verstanden wissen, dass damit nicht der Zeitpunkt der Schöpfung ausgesagt wird, sondern das Mit-Gegebensein des Maßes mit dem Gemessenen.74

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Vgl. I Sent. 30, dub. 2, resp. [I, 527]: tempus non fuit in sui initio, cum sit successivum. Und II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 4 [II, 23]: Et non valet illa ratio: [tempus] non fuit in instanti, ergo non coepit in instanti; quia successiva non sunt in sui initio. II Sent. 1, 1, dub. 2 [II, 37b]: [Illud nomen principium] potest etiam supponere pro creatura, utpote pro principio temporis; sed non dicit tunc ordinem, sed concomitantiam mensurae ad mensuratum, scilicet quod caelum et terra cum principio temporis esse coeperunt. Zu den alternativen Deutungen des in principio vgl. oben S. 169, Anm. 17. Vgl. II Sent. 1, 1, 3, 2, resp. [II, 34b]: … quoniam creatura non tantum nominat ipsa creata, sed etiam concreata … Alio modo creatura nominat ipsam substantiam rei ab aliquo productae de nihilo; und ebd., ad 5 [II, 35b]: si autem large dicatur, non solum creatura dicitur quod creatur, sed quod concreatur et quod est creaturae annexum – im Folgenden wird dann auf den Bezug zum regressus ad infinitum aufmerksam gemacht (hier allerdings für die creatio-passio, die ebenfalls ein concreatum ist). – Der Begriff concreatum kam bereits bei Augustinus vor, er bezeichnete damit gerne die materia prima (vgl. z. B. Conf. XIII, 33, 48 [CC.SL 27, 271, Z. 6f.] oder Gen. litt. I, 15, 29 [BA 48, 120–122]); im gegebenen Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung, dass er in Gen. litt. IV, 20, 37 [BA 48, 330] auch die Zeit insgesamt als concreatum bezeichnete: Sed etiam temporis spatium creaturae temporali concreatum est, ac per hoc et ipsum sine dubio creatura est. BIGI, La dottrina della temporalità, 450 wies darauf hin, wie schwer der Ausdruck habitudo als terminus technicus zu übersetzen ist, er sieht in ihm eine Synthese dessen, was die Begriffe „Situation“ und „Disposition“ aussagen. Vgl. auch BIGI, Tempo e temporalità, 68f. Bei Bonaventura siehe I Sent. 3, 1, dub. 3, resp. [I, 78f.] (zitiert oben Anm. 28, S. 209). Vgl. noch einmal Anm. 71 oben.

Theologische Deutungen

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Habitudo concreata bedeutet, dass es sich bei der Zeit um eine Ordnungsstruktur handelt, die ganz innerhalb des geschöpflichen Seins verbleibt.75 Concreatum kann dabei (wie das cum tempore) wieder im Sinn einer Gleichzeitigkeit interpretiert werden:76 Die Zeit begann zusammen mit der substantialen Schöpfung. Dabei muss allerdings die von Bonaventura eingeführte Unterscheidung von Sein (esse) und Wesen (essentia) der Zeit berücksichtigt werden:77 Die so verstandene Gleichzeitigkeit betrifft nur das im (primum) nunc gegebene Wesen der Zeit, auf das auch die beiden allgemeinen Zeitbegriffe des Franziskaners Bezug nehmen. Spricht man dagegen mit den beiden eigentlichen Bedeutungen von Zeit (proprie, magis proprie) vom Sein der Zeit, so gelangt man nicht bis zum allerersten Moment zurück, denn das Sein der Zeit ist an Bewegung gebunden78 und (natürliche) Bewegung kann es wegen des Bezuges auf ein Früher nur im Inneren der Zeit-Halbgeraden geben.79 Anders ausgedrückt: Mitgeschaffen (concreatum) ist nicht das Sein der Zeit, sondern ihr Wesen. Das darf freilich nicht so verstanden werden (und es liefe dem Konzept Bonaventuras völlig zuwider), als ob es zwischen dem primum nunc und dem Beginn der eigentlichen Zeit einen zeitfreien Raum gegeben haben könnte, so wie etwa das Sentenzenbuch die Meinung überliefert, dass die Engel eine „ewige“ Zeit vor der (körperlichen) Welt unwandelbar und insofern zeitlos existiert haben könnten.80 Der Doctor seraphicus betonte ja im Gegenteil, dass die Dauer der eigentlichen Zeit und des aevum dieselbe ist.81 Kein Problem ist dagegen, wenn die Zeit in ihrem engsten Verständnis (magis proprie) – die aristotelische Zeit, die ja an eine bestimmte Bewegung, nämlich die des primum mobile gebunden ist – erst mit dem zwei-

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Vgl. noch einmal I Sent. 3, 1, dub. 3, resp. [I, 78f.]: res creata habet tripliciter considerari: aut in se, aut in comparatione ad alias creaturas, aut in comparatione ad causam primam – die habitudines fallen unter die erste Betrachtungsweise wie der darauf folgende Text klarstellt. Vgl. auch I Sent. 44, 1, 4, resp. [I, 788b]: tempus incipit de necessitate simul cum mundo, sicut situs incipit simul cum loco, et locus cum orbe primo. Vgl. den Abschnitt oben über Sein und Wesen der Zeit ab S. 217. Vgl. II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 4 [II, 23]: Si secundum esse, sic [tempus] coepit cum motu variationis, scilicet nec coepit per creationem, sed potius per ipsorum mutabilium mutationem, et maxime primi mobilis. Vgl. oben S. 279, Anm. 24. PETRUS LOMBARDUS, Sent. II, 2, 3 (9), 2 [SpicBon 4, 339, Z. 3f.] als Deutung von Tit 1, 2: … [quidam] dixerunt cum mundo coepisse tempus saeculare, sed ante mundum exstitisse tempus aeternum sine mutabilitate, et in eo immutabiliter et intemporaliter adstruunt angelos, Deo iubente substitisse eique servisse. Zu den Quellen dieser Theorie, die nicht nur von griechischen Vätern wie Gregor von Nazianz, sondern auch von einigen lateinischen Theologen (Johannes Cassian) vertreten wurde, vgl. die entsprechende Anmerkung in der Edition. Bonaventura überging den Passus in seinem Kommentar völlig; ähnlich Thomas, der ihn nur in S. th. I, 61, 3 [Ed. Leonina V, 107f.] kurz behandelte. Die Frage war ja mittlerweile auch auf dem IV. Laterankonzil lehramtlich geklärt (vgl. oben S. 169, Anm. 17). Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 65a]: tertio modo, aevum et tempus simul sunt duratione, sed aevum prius est dignitate.

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

ten oder vierten Schöpfungstag beginnt, denn die eigentliche Zeit (proprie dictum) füllt die bestehende Lücke aus. Bei dem Problem des Beginns der Zeit, das Bonaventura durch die Reflexion auf das Wesen der Zeit als habitudo concreata löste, wurde bisher als selbstverständlich angenommen, dass die Welt und die Zeit vor endlicher Zeit begonnen haben. In der Konfrontation mit dem aristotelischen Denken erschien aber gerade auch diese Voraussetzung als begründungsbedürftig. Die Frage nach der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer von Ewigkeit geschaffenen Welt tangiert so unmittelbar auch die Frage nach dem Beginn der Zeit. Ein Argument aus der zugehörigen Diskussion soll an dieser Stelle aufgegriffen werden, denn es ist gewissermaßen die in aristotelische Gedanken gekleidete Version des oben82 geschilderten Problems eines sich mit dem Beginn der Zeit ergebenden recursus ad infinitum.83 Es geht um jenes Argument, das die Ewigkeit der Welt aus der Ewigkeit der Zeit ableiten möchte, und das sich in seiner klarsten Form in Physica VIII, 1 findet.84 Der Kern des Arguments besteht dabei in einer Analyse des nunc, das als die Mitte der vergangenen und der zukünftigen Zeit verstanden wird.85 Als Schlussfolgerung daraus ergibt sich, dass vor jedem gegebenen Jetzt eine Zeit liegen muss und damit auch vor jeder Zeit wiederum Zeit liegen muss.86 Damit aber kann die Zeit keinen Anfang besitzen, ihre Struktur gleicht der eines Kreises, bei dem es (im Gegensatz zur geraden Strecke) keinen ausgezeichneten Anfangs- oder Endpunkt gibt, sondern jeder Punkt eine Mitte ist.87 Die Gegebenheit, dass vor jeder Zeit Zeit liegt, die in der theologischen Argumentation als ein (verbotener) recursus ad infinitum auftauchte, scheint hier im Wesen der Zeit selbst zu liegen. Bonaventura, der die Kreisstruktur der Zeit erhalten wollte,88 ant82 83 84

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Siehe S. 285. Vgl. hierzu II Sent. 1, 1, 1, 2, arg. 3 & ad 3 [II, 19f.23]; das arg. 4 benutzte dieselben aristotelischen Argumente für einen Widerspruchsbeweis. Näherhin 251b 10–28; vgl. hierzu (auch für weitere Stellen bei Aristoteles) oben S. 108. – Nebenbei zeigt sich, welche Nähe das mittelalterliche Denken Platon gegenüber empfinden musste; Aristoteles bescheinigte ebd. [251b 17–19] dessen Lehre über die Zeit: Πλάτων δὲ γεννᾷ µόνος· ἅµα µὲν γὰρ αὐτὸν τῷ οὐρανῷ [γεγονέναι], τὸν δ’ οὐρανὸν γεγονέναι φησίν – Platon ist der einzige, der sie [d. h. die Zeit] erzeugt: Zugleich mit dem Himmel (sei) sie, der Himmel aber sei entstanden, sagt er (Übs. H. G. Zekl II, 149; Einfügung in eckigen Klammern von mir). Vgl. oben S. 109, Anm. 91 sowie S. 195, Anm. 135. BONAVENTURA, II Sent. 1, 1, 1, 2, arg. 3 [II, 19] formulierte es als Satz: ante omne tempus est tempus, et ante omne instans est tempus. In diesem Sinn ebd. [II, 20]: tempus est mensura circularis … sed omnis punctus, qui est in circulo, ita est principium, quod finis … ergo ante omne nunc fuit praeteritum. – Als Kreis erscheint die Zeit auch bei ARISTOTELES, Physica IV, 14 [223b 29]: ὁ χρόνος αὐτὸς εἶναι δοκεῖ κύκλος τις – dies ist allerdings auf die Bewegung des primum mobile und (folgend) auf den Kreislauf der Dinge bezogen; bei Bonaventura verband sich die geometrische mit der kosmologischen Vision. Die Gründe hierfür dürften sowohl in der geschichtstheologischen Vision Bonaventuras als auch in seinem egressus-regressus-Schema liegen. Ausführlich stellte dies RATZINGER, Geschichtstheologie, 140–148 dar; er wies auch auf den wesentlichen Unterschied zu dem auf der griechischen

Theologische Deutungen

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wortete, indem er dem Bild eine dynamische Variante hinzufügte. Man muss demnach unterscheiden zwischen dem fertigen Kreis und der Hervorbringung (dem Zeichnen) des Kreises.89 Zwar findet man im fertigen Kreis keinen Anfangspunkt, wohl aber gibt es diesen beim Zeichnen.90 Auf das nunc temporis übertragen bedeutet dies: Es ist zu trennen zwischen der Schöpfung bei der Hervorbringung und der „fertigen“ Schöpfung, zwischen der Hervorbringung der Zeit (in ipsa productione temporis) und der vorliegenden Zeit (in tempore iam perfecto): Bei der Hervorbringung gibt es dieses erste nunc, das sich dadurch auszeichnet, dass es davor kein anderes nunc, keine Zeit gab; blickt man dagegen auf die Welt und die Zeit nach ihrer Erschaffung, so sind alle dort vorfindbaren „Jetzte“ strukturell gleich, jedes ist in sich zugleich Ende des Vergangenen und Anfang des Zukünftigen, jedes hat Zeit vor sich und nach sich, wie es die aristotelische Analyse wollte. – Auf die Frage nach dem Beginn der Zeit angewandt bedeutet dies: Aus der phänomenologischen Untersuchung der Zeit, so wie sie jetzt ist (tempore iam perfecto), kann kein Rückschluss auf ihren Anfang (oder das Fehlen eines Anfangs) gezogen werden, denn das „Innere“ der Zeit (als die Zeitpunkte im Inneren der Zeitlinie) unterscheidet sich strukturell von deren Anfang. Das aristotelische Argument erweist sich somit als petitio principii,91 insofern es voraussetzt, dass die Zeit immer so war, wie sie jetzt ist. Die die Argumentation Bonaventuras abschließende Bemerkung sed hoc modo non fuerunt res productae in tempore iam perfecto verweist dabei erneut auf den Sachverhalt, dass Schöpfung (creatio-passio) nicht so verstanden werden kann, als ob sie sich im Inneren des (eventuell unendlich ausgedehnten) Zeitkontinuums ereignete,92 viel-

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Kreislauf-Vorstellung beruhenden aristotelischen Denken hin: Der Kreis Bonaventuras wird nur ein einziges Mal durchlaufen (ebd., 144f.); dass auch hier das dynamische Bild des Zeichnens eines Kreises (gegenüber dem statischen des bereits vorliegenden Kreises) gewählt wird, dürfte kaum ein reiner Zufall sein. Zum Thema des regressus samt seinen (christologischen) Implikationen vgl. S. 343 mit Anm. 21, S. 346 und den gesamten Abschnitt ab S. 349. II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 3 [II, 23]: dicendum, quod, sicut in circulo est dupliciter assignare punctum, aut cum fit, aut postquam factus est; et sicut, dum fit, est ponere et assignare primum punctum, dum vero iam est, non est ponere primum; sic est accipere in tempore nunc dupliciter: et in ipsa productione temporis fuit nunc primum, ante quod non fuit aliud, quod fuit principium temporis, in quo omnia dicuntur esse producta. Si autem de tempore, postquam factum est, verum est, quod est terminus praeteriti et se habet per modum circuli; sed hoc modo non fuerunt res productae in tempore iam perfecto. Et ita patet, quod rationes Philosophi nihil valent omnino ad hanc conclusionem. – Et quod dicitur, quod ante omne tempus est tempus; verum est accipiendo intus dividendo, non extra anterius procedendo. Hier hat ein Kreis dieselbe Struktur wie eine Linie. Bonaventura löst also doch (zumindest auf das hier zu behandelnde Problem bezogen) die Zirkularität in Linearität auf, denn die Frage, ob der Endpunkt wieder in den Anfangspunkt zurückläuft, liegt auf einer anderen Ebene. Sit venia verbi, denn inhaltlich wird ja genau das Gegenteil gefordert, nämlich dass es keinen zeitlichen Anfang gibt. „Inneres“ in dem Sinn, dass es eine Zeit vor der Schöpfung gegeben hätte (also das, was nach obiger Definition in tempore bedeutet).

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Zweiter Teil: Die Frage nach der Zeit

mehr ist sie nur so erklärbar, dass die Zeit als eine dem geschaffenen Sein inhärente Struktur zusammen (gleichzeitig) mit den Dingen erschaffen wurde; auch auf diesem Weg erweist sich „Zeit“ schließlich als habitudo concreata.

Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

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Vorüberlegungen zum Begriff «aevum»

„Das Wort ‚ewig‘ gehört zu jenen, die der neuzeitliche Sprachgebrauch am tiefsten zerstört hat. Es bedeutet alles mögliche – bis zum einfachen Ausdruck für etwas Wichtiges oder Geheimnisvolles.“1 Wie recht Romano Guardini doch mit dieser Feststellung hatte, mag bereits an der Armut von Vokabeln sichtbar werden, die das Deutsche bereitstellt, um eine in irgendeiner Weise überzeitliche Dauer zu bezeichnen. Einem lateinischsprechenden Theologen des 13. Jahrhunderts stand hier ein ganzes Bündel von Begriffen zur Verfügung, mit denen er feinste Bedeutungsunterschiede differenzieren konnte: Aeternitas, sempiternitas, perpetuitas, perennitas, aeviternitas, aevum, saeculum. Ich weiß nicht, inwieweit diese Reihe vollständig ist, Dietrich von Freiberg jedenfalls, dem dieses Spektrum offenbar immer noch nicht genügte, fügte ihr noch die superaeternitas hinzu.2 Aus dieser Bandbreite der Begriffe für „Ewigkeit“ soll im Folgenden der aevum-Begriff genauer betrachtet werden. Als Ergänzung zu den bisher dargestellten Ausführungen Bonaventuras über die Zeit bietet er sich vor allem deswegen an, weil er – wie gesehen (man denke an die erste der vier Zeitdefinitionen Bonaventuras) – im weiteren Sinn ebenfalls zur Zeit gehört. Als ein duratives Maß geschaffener Substanzen, das speziell von Bonaventura sehr scharf gegen die aeternitas Gottes abgegrenzt wurde, steht das aevum dem Zeitbegriff nahe, als Maß des endlosen Seins der Engel und der Seligen besitzt er zugleich ein eigenes Profil, dem es auf die Spur zu kommen gilt.3 1 2 3

Romano GUARDINI, Die letzten Dinge. Die christliche Lehre vom Tode, der Läuterung nach dem Tode, Auferstehung, Gericht und Ewigkeit, Würzburg 51952, 87. Vgl. oben Anm. 5, S. 165. Zur Verwendung verschiedener Begriffe aus dieser Reihe bei Augustinus vgl. oben ab S. 150. An dieser Stelle scheint mir noch eine kurze Bemerkung zum Sprachgebrauch Bonaventuras angebracht: In II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56b] wandte er sich in einer Bemerkung sowohl gegen die Bezeichnung aeternitas creata wie auch gegen den Ausdruck aevum und wollte ihn stattdessen durch aeviternitas ersetzen (sed quoniam aeternitas proprie accipitur pro increato, et aevum frequenter accipitur pro tempore, ideo proprio nomine potest aeviternitas appellari). In den folgenden Quaestiones mied er dann zwar den Ausdruck aeternitas creata, hinsichtlich des aevum verfuhr er jedoch nicht so konsequent. Erst in II Sent. 12, dub. 1 [II, 307] gebrauchte er erneut das Wort aeviternitas, während er sonst durchgehend vom aevum sprach. Da bei ihm kein Bedeu-

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Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

Die genannte Reihe der Begriffe für Ewigkeit macht dabei die Notwendigkeit der genauen Bestimmung und Abgrenzung der Bedeutung deutlich. Im Falle des aevum ist dabei außerdem zu beachten, dass die Geschichte des Begriffs und die der Vokabel durchaus getrennt verliefen.4 Das lateinische Wort war die Übersetzung des griechischen αἰών und übernahm dessen weiten Bedeutungsspielraum (Dauer, Ewigkeit, Lebenszeit und Leben).5 In diesem ursprünglichen Sinn war eine Absetzung von der Bedeutung von aeternitas noch nicht enthalten,6 und dies sollte auch lange Zeit so bleiben.7 – Betrachtet man demgegenüber die konzeptuelle Entwicklung, so ist vor allem auf die neuplatonische Tradition hinzuweisen, in der die Notwendigkeit auftrat, zwischen der gewöhnlichen Zeit und der dem Leben des νοῦς zukommenden Ewigkeit noch ein Mittleres zu finden.8 Ein besonders wichtiger Beitrag für die nähere inhaltliche Bestimmung schien dabei von Proklos’ Elementatio theologica auszugehen.9 Dort wur-

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tungsunterschied zwischen den beiden Ausdrücken festzustellen ist, wird im Folgenden meist von aevum die Rede sein. Vgl. PORRO, Aevum, 12b («Ici, il faut pourtant distinguer la généalogie du concept de l’histoire du terme.»), auch für das Folgende. Vgl. ferner DALES, Time and Eternity, 27f. Eine sehr viel ausführlichere Darstellung der Begriffsgeschichte bietet PORRO, Forme e modelli di durata, 51–164; eine knappe Zusammenfassung findet sich bereits bei Clemens BAEUMKER, Witelo, ein Philosoph und Naturforscher des XIII. Jahrhunderts, Münster i. W. 1908, 583–589. Dazu bereits oben S. 110. – In der Hochscholastik war man sich dieser Herkunft auch durchaus bewusst; vgl. etwa THOMAS VON AQUIN, Quodlibet 5, 4, resp. [Ed. Leonina XXV, 371, Z. 23–28]: Dicendum quod ex ignorancia lingue Graece provenit quod communiter apud multos evum ab aeternitate distinguitur, ac si distingueretur «antropos» ab «homine»; quod enim in Greco dicitur evon, in Latino dicitur eternitas. Auch hier in gewisser Übereinstimmung mit der griechischen Tradition, bei Platon etwa war αἰών das eigentliche Wort für Ewigkeit und stand als solches der Zeit (χρόνος) gegenüber (vgl. Timaios 10 [37de]). In den lateinischen Kommentaren, z. B. CHALCIDIUS, Timaeus, in: Timaeus. A Calcidio translatus commentarioque instructus, ed. Jan H. Waszink (= Plato latinus 4), London u. a. 1962, hier 29, Z. 25 – 30, Z. 3, oder APULEIUS, De Platone et eius dogmate 10 [Ed. cit., 33] wurde es mit aevum übersetzt. – PORRO, Forme e modelli di durata, 56 stellte sogar fest: «È dunque a partire dal Timeo platonico che il termine [aevum] si specializza nel significato di ‹eternità›». Einen frühmittelalterlichen Beleg für dieses nichttechnische Verständnis des aevum hat man in Alkuins Epistula 163, in: Epistolae Merovingici et Karolini aevi, Bd. 2, ed. Ernst Dümmler (= Monumenta Germaniae historica. Epistolae 4), Berlin 21974, 263–265, hier 263, Z. 23f. und 264, Z. 12f. In ihm werden die Begriffe aeternum, sempiternum, perpetuum, immortale, saeculum, aevum und tempus erklärt. Vom aevum heißt es hier: Inter aevum et saeculum ita discerni potest, quod aevum quiddam aeternum potest intelligi, saeculum vero temporale aliquid. … Inter aevum autem et tempus hoc distat, quod illud stabile est, tempus autem mutabile. – Der letzte Satz zitierte AUGUSTINUS, Div. qu. 72 [CC.SL 44a, 208, Z. 8–10] (siehe oben Anm. 344, S. 151). Vgl. PORRO, Forme e modelli di durata, 61–65; ebd., 69 sprach er von der «necessità tipicamente neoplatonica di una misura intermedia tra il tempo comune e l’eternità propriamente detta». Propositio 55, in: The elements of theology, ed. by Eric R. Dodds Oxford 21963, hier 52f.: ἐκ δὴ τούτων φανερὸν ὅτι διττὴ ἦν ἡ ἀϊδιότης, αἰώνιος µὲν ἄλλη, κατὰ χρόνον δὲ ἄλλη· ἡ µὲν ἑστῶσα ἀϊδιότης, ἡ δὲ γινοµένη· καὶ ἡ µὲν ἠθροισµένον ἔχουσα τὸ εἶναι καὶ ὁµοῦ πᾶν, ἡ δὲ ἐκχυθεῖσα καὶ

Vorüberlegungen zum Begriff «aevum»

295

den zwei Arten von perpetuitas (ἀϊδιότης) unterschieden: eine ewige und eine zeitliche; die eine ist eine fortdauernde Beständigkeit, die andere ein fortdauerndes Werden, die eine hat ihr Sein in einem konzentrierten „Alles zugleich“, die andere diffus und auseinandergefaltet, die eine ist in sich ein Ganzes, die andere besteht aus separaten Teilen, die eine sukzessive Ordnung bilden. – Dem Mittelalter wurden die neuplatonischen Ideen dann vor allem über Pseudo-Dionysius Areopagita und den Liber de causis vermittelt.10 Augustinus spielte hier in zweierlei Hinsicht eine Rolle: Auch wenn der Begriff aevum bei ihm ansonsten praktisch keine Rolle spielte, lieferte er in De diversis quaestionibus LXXXIII 72 – wenn auch mehr oder weniger zusammenhanglos hingeworfen – eine griffige Charakterisierung von aevum und tempus: illud stabile est, tempus autem mutabile.11 Der zweite Beitrag bestand darin, in Confessiones XII in der zeitlosen (carens temporibus) Existenzform des caelum caeli eine „über“-zeitliche und trotzdem nicht im Sinn Gottes ewige Dauer zu etablieren.12 Es dürfte schließlich nicht lange vor Bonaventuras Sentenzenkommentar gewesen sein, dass man den Terminus aevum als technische Bezeichnung einführte, um damit die unvergängliche Dauer eines (substantiellen) Seins zu bezeichnen, das nicht Gott war. Dabei dürfte sich auch die Trias der durativen Maße tempus – aevum – aeternitas herauskristallisiert haben, wie man sie etwa in der Summa Halensis, bei Albert dem Großen oder bei Thomas von Aquin aber eben auch bei Bonaventura findet.13 Das aevum scheint dabei das Adjektiv perpetuus in der älteren Trias temporalis – perpetuus – aeternus abgelöst zu haben.14 Die mit letzterer verbundene simple Kategorisierung der Dinge (1) in solche, die einen Anfang und ein Ende haben, (2) solche, die zwar einen Anfang, aber kein Ende haben, und schließlich (3) solche, die weder Anfang noch Ende haben, wurde dabei ebenfalls durch eine subtilere Sicht ersetzt, die nach der tiefe-

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ἐξαπλωθεῖσα κατὰ τὴν χρονικὴν παράτασιν· καὶ ἡ µὲν ὅλη καθ’ αὑτήν, ἡ δὲ ἐκ µερῶν, ὧν ἕκαστον χωρίς ἐστι κατὰ τὸ πρότερον καὶ ὕστερον. Vgl. PORRO, Forme e modelli di durata, 67–71. Vgl. erneut oben S. 151 mit Anm. 344; die Frage war, wie der in sich widersprüchlich scheinende Ausdruck ante tempora aeterna aus Tit. 1, 2 erklärt werden kann. Zum aevum bei Augustinus vgl. außerdem PORRO, Forme e modelli di durata, 72–83. Als mutabile non mutatum unterschied er sich deutlich von Gottes Ewigkeit. Zum caelum caeli vgl. oben S. 147. Vgl. erneut Anm. 5, S. 165, für Bonaventura wird dies z. B. in Trin. 5, 1, arg. 10 [V, 88] deutlich: cum ens dividatur in aeternum et aeviternum et temporale, … – Die Bemerkung von THAUT, Zeit, Geschichte, Ewigkeit, 22, dass Siger von Brabant den aevum-Begriff in die mittelalterliche Philosophie gebracht hat, dürfte nicht haltbar sein. DALES, Time and Eternity, 27f. belegte sie für einen anonymen Boethiuskommentar aus dem 9. Jahrhundert; ein sehr prominenter Fundort dürfte Hugo von St. Viktors Didascalicon I, 6 [FC 27, 130] sein: Sunt namque in rebus alia quae nec principium habent nec finem, et haec aeterna nominantur, alia quae principium quidem habent, sed nullo fine clauduntur, et dicuntur perpetua, alia quae initium habent et finem, et haec sunt temporalia. – In der Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 1 (65), sc. e [Ed. cit. I, 100] hallten sowohl die Definition als auch die Trias aeternum – perpetuum – temporale noch nach.

296

Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

ren Qualität des entsprechenden Dauerns fragte.15 Um das aevum entwickelte sich in der Folgezeit eine ähnlich komplexe Diskussion wie um die Zeit.16 Dabei entstanden elaborierte Konzepte von dem, was das aevum misst und wie es zu begreifen ist. Im 14. Jahrhundert schieden sich am aevum die Geister: Die skotistische Schule verteidigte es heftig und man versuchte das Konzept nicht nur auf Engel (und die Himmelskörper), sondern auf jedes permanente substantiale Sein auszudehnen. Im nominalistischen Umfeld hingegen findet sich eine vernichtende Polemik gegen das aevum.17 Vor allem Wilhelm von Ockham hielt es für einen überflüssigen, nichtssagenden Begriff. Für ihn gab es nur zwei Maße, die eine Dauer bezeichnen: die Zeit (tempus), der alle geschaffenen Wesen unterliegen, und die Ewigkeit (aeternitas), die allein Gott zukommt.18 Die Ausführungen Bonaventuras zum aevum haben eine verhältnismäßig einfache Struktur, was auch daran liegen mag, dass – anders als bei der Zeit und bedingt durch die dargestellte Geschichte des Wortes – praktisch keine Autoritäten vorhanden waren, die es zu berücksichtigen galt.19 Hinzu kommt, dass sich die Darstellung Bonaventuras 15

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Den Gegenpol zu einer solchen qualitativen Sicht stellt jene Position dar, die in der Zeit einfach einen (quantitativ aufzufassenden) „Teil“ der Ewigkeit sieht, der sich von ihr nicht wesentlich unterscheidet. Als Meinung findet man sie etwa bei WILHELM VON AUVERGNE, De universo I, 2, 1 [Ed. cit. I, 683a AB]. Das Kapitel ist überschrieben mit De aeternitate et contra ponentes tempus partem aeternitatis. Es beginnt: Scito igitur, quia opinati sunt quidam aeternitatem aliud non esse in essentia quam tempus. Vgl. PORRO, Aevum, 12. Vgl. PORRO, Forme e modelli di durata, 247: «… in virtù sopratutto di Enrico di Gand e di Duns Scoto, la storia dell’aevum aveva subito una trasformazione fondamentale, che avrebbe segnato il suo singolare destino ancipite nel XIV secolo: la sua affermazione sorprendente, nella scuola scotista, come misura dell’essere sostanziale di ogni realtà permanente, e non solo degli angeli o dei corpi celesti; la sua definitiva soppressione, in ambito nominalista, come pseudoconcetto superfluo e fuorviante.» Zur Kritik Ockhams vgl. PORRO, Forme e modelli di durata, 262–265. – Vgl. hierzu Ockhams Quaestiones in II Sententiarum 11, in: Quaestiones in II Sententiarum (Reportatio), ed. by G. Gál and R. Wood (= Opera theologica et philosophica. Opera theologica 5), St. Bonaventure – New York 1981, hier 236, Z. 18–20 & 244, Z. 9: … loquendo de mensura durationis, sic dico quod angeli mensurantur per tempus et non per aevum, quia aevum nihil est. … Igitur aevum totaliter superfluit. ROBERT KILWARDBY, Quaestiones in librum secundum Sententiarum 10, ed. Gerhard Leibold, München 1992, hier 40, Z. 39–41 sprach dieses Fehlen von Autoritäten direkt aus und gab eine interessante Begründung dazu: Nec tamen sancti nec philosophi aliquid expresse locuti sunt de aevo. Et causa forte est, quia diu fuit opinio quod non erat spiritus nisi coniunctus corpori excepto Summo Spiritu. THOMAS VON AQUIN, II Sent. 2, 1, 1, resp. [Ed. cit. II, 64] hatte eine andere Begründung: … aevum est quaedam participatio aeternitatis; et propter hoc doctores parum loquuntur de differentia aevi et aeternitatis. – Die wenigen Stellen, wo das aevum ausdrücklich genannt wurde und auf die Bonaventura zurückgreifen konnte, sind dementsprechend schnell aufgezählt: BOETHI2 US, Cons. III, m. IX [CC.SL 94, 51f.]: (Qui tempus ab aevo ire iubes stabilisque manens das cuncta moveri, …); PS.-DIONYSIUS AREOPAGITA, De divinis nominibus 10, 3 und 5, 4f. [PTS 33,

Vorüberlegungen zum Begriff «aevum»

297

auf einen sehr engen Raum beschränkt, nämlich den ersten Teil der zweiten Distinctio von II Sent.,20 die über die Erschaffung der Engel handelte. Dort wird das aevum zunächst an sich und dann im Vergleich zur Zeit betrachtet. Zwei Problemkreise werden dabei angeschnitten, die es im Folgenden zu behandeln gilt:21 (1) Die Frage nach der Existenz (und den wesentlichen Eigenschaften) des aevum als eines mittleren Maßes zwischen Zeit und Ewigkeit. In Zusammenhang damit steht die Frage, ob das aevum eine sukzessive oder eine bleibende (unteilbare) Dauer misst. (2) Die von Bonaventura negativ beantwortete Frage nach der Einheit des aevum. Den Ausschlag gab dabei die Orientierung des aevum an der Form im Gegensatz zu der auf die Materie gegründeten Zeit. – Da die betreffenden Stellen zum Großteil bei der Behandlung der Zeit bereits vorgestellt wurden, ist etliches von dem, was über das aevum zu sagen ist, bereits angesprochen und es gilt nur noch, dieses systematisch zusammenzutragen.

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216, Z. 16 – 217, Z. 4 & 183, Z. 2 – 184, Z. 1; Dionysiaca 1, 488–494 & 331–335] sowie die genannte Stelle aus AUGUSTINUS, Div. qu. 72 (zitiert oben S. 151 mit Anm. 344). Man kann nicht umhin zu bemerken, dass das aevum in den übrigen Schriften Bonaventuras nur geringe Spuren hinterlassen hat: Im Breviloquium ist gar nicht von ihm die Rede, Itin. I, 2 [V, 297] hat als Einziges die Beschreibung des menschlichen Geistes (mens) als imago Dei aeviterna. Auch im Hexaëmeron findet sich wenig, princ., 3 (3), 13 [Ed. Delorme, 39; V, 345b] beschränkte sich auf die Feststellung, dass das Verbum incarnatum eine natura temporalis, aeterna, aeviterna besitzt, Hex. II, 3 (10), 12–14 [Ed. Delorme, 130; V, 378] bemerkte, dass der Aufstieg zur Erkenntnis Gottes als esse primum über die Ordnung erfolgen kann, die zwischen tempus, aevum und aeternitas besteht. Die Reihenfolge der Fragen in II Sent. 2, 1 [II, 55–68] gliederte sich wie folgt: A. 1: De mensura angelicae naturae in se Qu. 1: Utrum spiritualia habeant propriam mensuram Qu. 2: Utrum omnium aeviternorum sit unum aevum Qu. 3: Utrum spiritualia habeant permanentem vel successivam mensuram A. 2: De mensura angelicae naturae in comparatione ad mensuram rei corporalis Qu. 1: Utrum aevum praecedat aliquo modo tempus Qu. 2: Utrum inter tempus et aevum sit aliqua mensura media Qu. 3: Utrum spirituales et corporales substantiae simul creatae sint Abgesehen von der letzten Quaestio entspricht dieser Aufbau ziemlich genau dem der Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 1–4 (65–70) [Ed. cit. I, 99–110] (obwohl die Formulierungen zum Teil abweichen).

2

Das aevum zwischen Zeit und Ewigkeit

Die Frage nach der Existenz des aevum stellte sich für Bonaventura in der Form, ob die geistigen Substanzen, die Engel, ein eigenes Maß ihrer Dauer haben, das dann notwendig ein Mittleres zwischen Zeit (tempus) und Ewigkeit (aeternitas) darstellt. Der Doctor seraphicus bejahte diese Frage und etablierte dabei das aevum als das Maß des Seins geistiger Substanzen (mensura spiritualium secundum esse) – im Gegensatz zu deren affectiones, die von der Zeit gemessen werden.1 Im Gegensatz zu seiner Vorlage, der Summa Halensis, hielt sich Bonaventura weder lange bei der Definition des Begriffs noch bei der Unterscheidung verschiedener Bedeutungen auf. Letzteres mag darauf hinweisen, dass bei ihm der technische Sinn den gewöhnlichen Sprachgebrauch bereits in den Hintergrund gedrängt hatte.2 Die entscheidende Frage ist dann freilich, den Ort dieses Mittleren genauer anzugeben: Was verbindet und was trennt das aevum und Zeit bzw. aevum und aeternitas? Bevor hier auf die Unterschiede eingegangen wird, sollen noch einmal die gemeinsamen Eigenschaften aller drei Größen in Erinnerung gerufen werden, sie ermöglichen ja erst einen Vergleich. So messen tempus, aevum und aeternitas jeweils eine bestimmte Art zu

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II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56a]; vgl. den Abschnitt oben über tempus proprie ab S. 179 sowie S. 197 und S. 270 mit Anm. 308. In der Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 1 (65), sol. [Ed. cit. I, 100b] war dieser gewöhnliche Sprachgebrauch noch deutlich erkennbar: … nomen aevi dicitur multipliciter. [1] Aliquando enim … pro omni duratione quae non est tempus … [2] Aliquando vero pro tota duratione temporis …[3] Aliquando vero pro antiquitate temporis … [4] Aliquando pro magna parte temporis: ab Adam usque ad Noe, unum aevum. [5] Aliquando vero pro periodo sive duratione rei alicuius, secundum quod tota vita alicuius hominis appellatur suum aevum. [6] Aliquando vero accipitur secundum proprium modum, secundum quod aevum est duratio rei habentis esse post non esse, sed non vertibilis in non esse, ut in perpetuis (Nummerierung von mir eingefügt). – Eine ähnliche Bedeutungsvielfalt bot ROBERT KILWARDBY, II Sent. 10 [Ed. cit., 40, Z. 42 – 41, Z. 53], er kam zu dem Schluss (Z. 50–53): Proprie tamen aevum est mensura esse stabilis rerum perpetuarum. Perpetua enim sunt quae incipiunt, se non desinunt. – ALBERTUS MAGNUS, De IV coaequaevis 2, 4, 1 [Ed. Paris. 34, 358b] bot keine solche Bedeutungsvielfalt des aevum, doch er hatte eine ähnliche, auch auf die oben (Anm. 14, S. 295) genannte Dreiteilung der Substanzen aufbauende Bestimmung: aevum est mensura durationis habentium principium et non finem, tota simul.

Das aevum zwischen Zeit und Ewigkeit

299

dauern, einen modus durandi.3 Die Dauer aber hatte Bonaventura als ein esse non intercisum oder als eine continuatio in esse beschrieben.4 Damit verbindet sich die Vorstellung, dass Dauer grundsätzlich etwas Einfaches ist (was eine innere Differenzierung nicht ausschließen soll). Zur duratio gehört deswegen auch ein einziges praesens, ein nunc, das das Wesen dieser Dauer ausmacht,5 als nunc temporis, nunc aevi und nunc aeternitatis ist es strikt der jeweiligen Weise des Dauerns zugeordnet. Wie die jeweils zugehörige Dauer selbst existieren die drei Arten des nunc nebeneinander (coexistentia, concomitantia) und lassen sich demzufolge aufeinander beziehen,6 sie unterscheiden sich aber in ihrem Wesen und genau darauf beruht die Existenz des aevum als einer eigenständigen Form des Dauerns.7 Als principium verstanden ist das nunc außerdem ein Maß.8 Der Maßbegriff verbindet tempus, aevum und aeternitas, wobei sich allerdings tempus und aevum deutlich näher stehen, denn die aeternitas lässt sich nur in einem sehr weiten Sinn als Maß begreifen.9 „Maß“ ist sie als Erstes und als principium, aber nicht in einem quantitativen Verständnis.10 Man erwartet geradezu, dass die aeternitas als transzendente Größe sich noch in vielen anderen Hinsichten von den anderen beiden Maßen unterscheidet; in einer ersten Betrachtung sollen deswegen zunächst das aevum und die aeternitas einander gegenübergestellt werden.

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II Sent. 2, 1, 1, 1, arg. 6 [II, 55]. Zum esse non intercisum vgl. Trin. 5, 1, ad 10 [V, 91b], dazu S. 217 mit Anm. 60 und Anm. 61; zur continuatio in esse vgl. II Sent. 37, 1, 2, fund. 2 [II, 864], dazu S. 199 mit Anm. 161. Den inneren Zusammenhang beider Begrifflichkeiten und ihren Bezug zur aeternitas kann man an einer von ALBERTUS MAGNUS, De IV coaequaevis 2, 3, 2 [Ed. Paris. 34, 340a] überlieferten Ewigkeitsdefinition erkennen. Sich auf Isaak Israeli, De diffinitionibus berufend konstatierte er: aeternitas est spatium continuum non intersectum. Albert ging an dieser Stelle noch auf zwei weitere Definitionen von „Ewigkeit“ ein: die berühmte Definition des Boethius und die bei PS.-DIONYSIUS AREOPAGITA, De divinis nominibus 10, 3 [PTS 33, 216, Z. 8f.; Dionysiaca 1, 490(E)] zu findende: … ἰδιότης αἰῶνός ἐστι τὸ ἀρχαῖον καὶ ἀναλλοίωτον καὶ τὸ καθόλου τὸ εἶναι µετρεῖν – aeternitas est antiquum et immutabile et universale in metiendo. Vgl. hierzu auch ANZULEWICZ, Aeternitas – aevum – tempus, 102–106. Letzteres gilt insbesondere für die aeternitas, in der essentia und esse zusammenfallen (Trin. 5, 1, ad 14 [V, 92], zitiert S. 219, Anm. 73). Vgl. auch oben S. 235 mit Anm. 146. Vgl. oben S. 227 mit Anm. 115. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56]; dazu oben S. 201. Vgl. oben den Abschnitt über das nunc als essentia temporis (ab S. 231). Trin. 5, 1, ad 1.2 [V, 90] betonte aeternitas est mensura, um sofort hinzuzufügen: quod licet aeternitas secundum rationem intelligendi dicat sub ratione mensurae, secundum rem et veritatem nihil aliud dicit quam esse divinae substantiae. Die aeternitas misst dabei in erster Linie sich selbst, freilich nicht auf die Weise, dass sie irgendeine Begrenztheit an Gott aufzeigen könnte, denn das widerspräche der immensitas Gottes. Da die aeternitas mit dem göttlichen Sein selbst identisch ist und beides unendlich, geschieht das „Messen“ vielmehr per mutui excessus privationem (ebd.). Zur immensitas vgl. auch oben S. 207. Zum Maß als quantitas vgl. oben S. 205 und S. 209 mit Anm. 24. In I Sent. 24, 2, 1, ad 4.5 [I, 426] hieß es ausdrücklich: aeternitas non est quantitas.

Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

300

2.1

Aevum und aeternitas

Aeternitas proprie accipitur pro increato.11 Die Ewigkeit im eigentlichen Sinn des Wortes war für Bonaventura und seine Zeitgenossen das Gottesprädikat.12 Als Wesensmerkmal des höchsten Seins war sie das Vorbild für alle anderen, abgeschatteten Formen von Ewigkeit inklusive des aevum. Diese herausragende Stellung lässt es angebracht erscheinen, das bonaventurianische Konzept der aeternitas wenigstens kurz vorzustellen, bevor zum Vergleich mit dem aevum übergegangen wird.

2.1.1

Die aeternitas Gottes

Der Ausgangspunkt für Bonaventuras Bestimmung des Begriffs aeternitas war die berühmte Definition des Boethius Aeternitas igitur est interminabilis vitae tota simul et perfecta possessio.13 Ihr entnahm der Franziskaner die Spannungspunkte für seinen eigenen in De mysterio Trinitatis 5, 1, resp. [V, 89f.] unternommenen Erklärungsversuch: Diese sind die Begriffe der simultas und der interminabilitas. Nimmt man als Ausgangspunkt das geschöpfliche Dauern, so handelt es sich bei beiden zunächst um Negationen der menschlichen Zeiterfahrung: Jeder durchlebte Zeitraum ist bestimmt von seiner Endlichkeit einerseits, andererseits von seiner Nicht-Simultaneität, d. h. er wird nicht in seiner Gesamtheit auf einmal erfasst, sondern empfunden als eine Abfolge (successio) von Augenblicken, die vorübergehen. Genau diese beiden Momente hatten 11 12

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II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56b]. Die Quaestiones von Trin. behandelten ab qu. 2 der Reihe nach folgende Attribute Gottes: unitas, simplicitas, infinitas, aeternitas, immutabilitas, necessitas, primitas; in Itin. V, 7 [V, 309] wurde das göttliche Sein durch polare Eigenschafen charakterisiert als primum et novissimum, aeternum et praesentissimum, simplicissimum et maximum, actualissimum et immutabilissimum, perfectissimum et immensum, summe unum et omnimodum; Brev. I, 2 [V, 211b] wurden die nobilitates divini esse schließlich auf drei grundlegende zurückgeführt: aeternitas, sapientia und beatitudo, unter welchen die Weisheit noch einmal hervorragt. – Wenn der Doctor seraphicus in Trin. 5, 1 [V, 87– 96] trotzdem fragen konnte, utrum divinum esse sit aeternum, so war der Sinn eher der, zu erweisen, dass das göttliche Sein nicht sogar (noch) über der aeternitas steht – für ein neuplatonisch orientiertes Denken war diese Frage dabei durchaus berechtigt, man vgl. etwa den Liber de causis II, 19–22 [PhB 553, 6]: Omne esse superius aut est superius aeternitate et ante ipsam, aut est cum aeternitate, aut est post aeternitatem et supra tempus. Esse vero quod est ante aeternitatem est causa prima quoniam est causa ei. Sed esse quod est cum aeternitate est intelligentia … Esse vero quod est post aeternitatem et supra tempus est anima … Cons. V, 6, 4 [CC.SL 294, 102]. Die Definition selbst scheint dabei in der neuplatonischen Tradition zu stehen: Plotin etwa definierte Ewigkeit in dem berühmten Text Enneades III, 7, 3 [PhB 214a, 310, Z. 16–18] (Über Zeit und Ewigkeit) als „ein Leben, welches immer im Selbigen bleibt und immer das Gesamt gegenwärtig hat, nicht etwa jetzt dies und jetzt jenes, sondern alles zumal“ – ζωὴν µένουσαν ἐν τῷ αὐτῷ ἀεὶ παρὸν τὸ πᾶν ἔχουσαν, ἀλλ’ οὐ νῦν µὲν τόδε, αὖθις δ’ ἕτερον, ἀλλ’ ἅµα τὰ πάντα (Übs. Harder, 311).

Das aevum zwischen Zeit und Ewigkeit

301

Augustinus veranlasst, die Zeit und, tiefer noch, die menschliche Existenz als distentio zu beschreiben,14 in der die Fragmentarität des menschlichen Daseins ebenso sichtbar wird, wie die Notwendigkeit der Heilung.15 Das aber, was beim Menschen auseinanderfällt – man mag es als Gegenwart und Dauer bezeichnen –, muss bei Gott als Einheit gesehen werden. Es ist eine für Bonaventura typische Denkfigur: Um die „Eigenschaft“ Gottes zu erklären, nimmt er den korrespondierenden Begriff aus der menschlichen Erfahrung; die daran aufgefundenen Elemente reinigt er, indem er deren positive Seiten (die perfectiones) herausarbeitet. Zuletzt wagt er den Transfer auf Gott. Dies ist der schwerste Schritt, denn die perfectiones, die beim Menschen Verschiedenes besagen und nur getrennt vorgefunden werden, müssen dabei zusammengedacht werden.16 Dies ist eine konkrete Umsetzung des dionysischen Dreischritts der via positionis, negationis und eminentiae oder der mystischen Stufen von Reinigung, Erleuchtung und Einung. Der Vorteil der eben skizzierten Methode besteht darin, dass der positive Gehalt von aeternitas deutlicher zum Ausdruck kommt, als wenn nur mit Negationen gearbeitet wird wie in manch anderer Definition.17 Ewigkeit wird hier nicht einfach als Negation der Zeit, als Un-Zeitigkeit verstanden; sie ist aber auch nicht eine ins Unendliche gedehnte und damit entleerte Zeit, vielmehr sind beide Spannungspunkte – die simultas als Inbegriff von Gegenwart18 und die interminabilitas zur Bezeichnung einer unendlichen, nicht mehr durch anderes begrenzten Dauer – ins Absolute zu steigern.19 Bonaventuras einleuchtende Zurückführung der beiden die Ewigkeit konstituierenden Eigenschaften interminabilitas und simultas auf die (allgemeinen) Gottesprädikate der infinitas bzw. simplicitas (wobei die simplicitas nicht nur die simultas begründet, sondern auch die Verbindung von simultas und interminabilitas zu einer Einheit) führte schließlich zu einem Schema, bei dem sich in genauer Korrespondenz allgemeine und „durative“ sowie göttliche und kreatürliche Eigenschaften gegenüberstanden:

14 15 16

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18 19

Vgl. den Abschnitt oben ab S. 114. Vgl. den Abschnitt oben ab S. 124. Vgl. Trin. 5, 1, resp. [V, 90a]: Et huiusmodi ratio per duas conditiones praedictas [scil. infinitatem et simplicitatem] simul iunctas necessario syllogizat, quamvis imaginationi nostrae videatur contraria. Beispiele für solche rein negativen Bestimmungen finden sich etwa bei AUGUSTINUS, Io. ev. tr. 23, 9 [CC.SL 36, 239]: Vera enim aeternitas est, ubi temporis nihil est. Oder bei RICHARD VON SANKT VIKTOR, Trin. II, 4 [TPMÂ 6, 111]: Sempiternum namque esse videtur quod caret initio et fine; eternum quod caret utroque et omni mutabilitate. Vgl. Trin. 5, 1, ad 11 [V 92a]: simultas nihil aliud dicit quam praesentialitatem summam et simplicem et indivisam. Diese im aeternitas-Begriff gegebene Spannung wird in Trin. deutlicher als etwa in Itin. V, 7 [V, 309] (zitiert oben Anm. 12, S. 300). Auch dort arbeitete Bonaventura mit polaren Gegensätzen, dabei nahm er aber die aeternitas in der Entgegensetzung zu praesentialitas selbst als einen solchen Pol.

Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

302

Tabelle 6: Die Entsprechung göttlicher und geschöpflicher Eigenschaften Gott allgemein

Geschöpf durativ

durativ

allgemein

simplex

simultas

successio

compositum

infinitus

interminabilitas

terminatum

finitum

Überraschen mag hier lediglich die Verbindung von successio und compositum. Beide Begriffe beinhalten zunächst einen Verlust oder eine Minderung der Selbstidentität: Besagt die successio die Verschiedenheit von prius und posterius und „zerdehnt“ auf diese Weise die Existenz, so sprengt die compositio die essenzielle Einheit des Seins. Letzteres wird deutlich, wenn man auf die dreifache Differenz blickt, die Bonaventura bei den Geschöpfen erkannte:20 (1) die differentia substantiae et accidentis, die sich auf der sprachlichen Ebene als differentia subiecti et proprietatis manifestiert und die Bonaventura gleichgesetzt wissen möchte mit der Differenz von substantia – virtus – operatio oder von quod agit – quo agit – actio, (2) die differentia suppositi et essentiae, die, fasst man materia als principium individuationis, nichts anderes ist als die Differenz von Form und Materie, und (3) die differentia entis et esse, die besagt, dass alles (geschöpfliche) Seiende seinen Seinsgrund in einem anderen, in Gott hat.21 Doch zurück zum Zusammenhang von successio und compositio: Auf der Ebene der Differenzen (1) und (2) liegt es, wenn das Phänomen Zeit von Bonaventura als das Streben der Materie nach der Form begriffen wurde.22 Die Zusammensetzung aus Materie und Form, damit aber auch aus Akt und Potenz, wurde als Ermöglichungsbedingung des Wandels angesehen. Die Unterscheidung von Substanz und Akzidens kann darauf hinweisen, dass es in der Sukzession auch ein sich durchhaltendes Element gibt, die Identität also nicht aufgelöst wird in eine radikale Verschiedenheit des „Vorher“ und „Nachher“. Betrachtet man dagegen die ontologische Differenz von (3), so wird man auf jenen weiteren Begriff von successio bzw. Zeit geführt, der sich in der mutatio ad esse manifestierte.23 20 21

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Für das Folgende vgl. I Sent. 8, 2, 1, 2, resp. [I, 168]; ähnlich auch Trin. 3, 1, resp. [V, 70f.]. Bonaventura legte die Arten von Zusammensetzung beim Seienden auch noch auf zwei andere Weisen aus: Einmal (a) als compositio ex partibus essentialibus (in Substanzen), als compositio ex partibus integrantibus (bei materiellen Körpern) und als compositio ex partibus dissimilibus (bei den aus Seele und Leib zusammengesetzten Wesen). Eine weitere Auslegung (b) in Trin. 3, 1, resp. [V, 70b] unterschied compositum ex aliis (d. h. aus Form und Materie, entspricht also oben der Nummer 2), compositum alii (das meint die einer Substanz „beigemischten“ Akzidenzien, entspricht oben der Nummer 3) und schließlich componibile in aptitudine. Letzteres scheint mir (vgl. I Sent. 8, 2, 1, 2, resp. [I, 168b]) auf die prima principia anzuspielen, die zwar einfach sind in dem Sinn, dass sie sich nicht selbst noch einmal aus anderem zusammensetzen, die sich aber zum Seienden zusammensetzen lassen. Oder nach Formvollendung, vgl. oben S. 209 mit Anm. 27 und S. 226 mit Anm. 110. Greift man weit in die Vergangenheit zurück, so ist es der ursprünglich platonische Gedanke der µίµησις (dass das konkrete, raum-zeitlich Seiende dem Sein der Idee nacheifert), der sich hier ausspricht. Vgl. oben den Abschnitt ab S. 193 sowie ab S. 279.

Das aevum zwischen Zeit und Ewigkeit

303

Die simplicitas Gottes kann umgekehrt als Aufhebung aller oben beschriebenen Differenzen begriffen werden.24 Dies führt dann zu Aussagen wie In Deo idem sunt substantia, virtus et operatio oder Divina substantia est id, quod est oder Deus est suum esse.25 Und während letztere ihrerseits Ansatzpunkt ist, die Ewigkeit Gottes zu begründen,26 so folgt aus den ersten beiden, dass aeternitas nicht irgendeine akzidentelle Eigenschaft ist, die dem Sein Gottes noch hinzugefügt werden kann (oder auch nicht), sondern substantial verstanden werden muss – Gott ist die Ewigkeit. Was aber die im Ewigkeitsbegriff enthaltene simultas betrifft, so zeigt sich an ihr gewissermaßen eine nach außen und eine nach innen gerichtete Komponente, denn einerseits besagt sie die von nichts anderem herkommende Selbstidentität Gottes (wenn man so will also die Weise, wie Gott sich selbst präsent ist), auf der anderen Seite besagt sie auch die Gegenwart Gottes in der Welt zu allen Zeiten – dies freilich, ohne dabei die eigene Identität zu verlieren und ohne selbst der Sukzession des Vorher/Nachher zu verfallen.27 24

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In der Diskussion um die aeternitas traten solche Argumente, die sich auf die Einfachheit Gottes berufen, an vielen Stellen auf, so etwa in Trin. 5, 1, arg. 4.9 & sc. 9.13.14.15.16 [V, 88f.]. Berücksichtigt man zusätzlich die in Trin. 3, 1, resp. [V, 70f.] gegebene Beschreibung der simplicitas, so tun sich weitere Zusammenhänge auf. Das Übergewicht der Contra-Argumente belegt indirekt, dass im Umgang mit dieser Eigenschaft durchaus Vorsicht vor voreiligen Schlüssen geboten ist. Die erste systematische Darlegung dieses Themenkreises (von der sich auch Bonaventura hat inspirieren lassen) findet sich bei Boethius. In seinem Lehrstück Quomodo trinitas unus deus 2 [LCL 74, 10f.] legte er sowohl dar, dass bei Gott nicht zwischen dem substantiellen Träger und dem essenziellen Gehalt unterschieden werden darf, als auch, dass die göttliche Substanz nicht Träger von Akzidenzien sein kann: Sed divina substantia sine materia forma est atque ideo unum et est id quod est. … cum homo terrenus constet ex anima corporeque, corpus et anima est, non vel corpus vel anima in partem; igitur non est id quod est … Neque enim [divina substantia] subiectum fieri potest; forma enim est, formae vero subiectae esse non possunt. Nam quod ceterae formae subiectae accidentibus sunt ut humanitas, non ita accidentia suscipit eo quod ipsa est, sed eo quod materia ei subiecta est. In Form von Axiomen formulierte er dieselben Sachverhalte in seiner Schrift Quomodo substantiae in eo quod sint bonae sint cum non sint substantialia bona [LCL 74, 38–51]. Ansatzpunkte für solche Aussagen finden sich aber auch schon bei Aristoteles, vgl. etwa die Feststellung oben (S. 111 mit Anm. 103), dass Gott die Ewigkeit selbst ist. Denn, was sich selbst ganz besitzt, braucht weder Anfang noch Ende zu haben; vgl. Trin. 5, 1, arg. 4 [V, 88a]. Dasselbe gilt mutatis mutandis für die Ubiquität Gottes. Den von Bonaventura ausgeführten Vergleich von Allgegenwart und Ewigkeit Gottes kann man bei Boethius, Quomodo trinitas unus deus 4 [LCL 74, 20], bereits angedeutet sehen, er fragt sich dort, in welchem Sinn man von Gott aussagt, „er ist überall“ und „er ist immer“. – Die beiden Komponenten der simultas zeigen sich auch deutlich in der Diskussion um die Frage, warum man von Gott nicht sagen kann, „er war morgen“ oder „er wird gestern sein“ (Trin. 5, 1, sc. 6 & ad 6 [V, 89.91]). Bonaventuras Antwort: Nicht weil es in Gott irgendeine Sukzession gibt, die das verbietet, sondern propter connotationem coexistentiae, d. h., weil eben unterschieden werden muss zwischen dem, wie Gott auf seine eigene, ewige Weise existiert, und seiner Gegenwart in der Welt (zu allen Zeiten). Nur in letzterem Sinn kann man überhaupt zeitliche Aussagen über Gott treffen, hier aber verbietet die Zeitstruktur selbst Aussagen wie die obigen.

304

Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

Die radikale Andersheit der Ewigkeit birgt ein spezielles Problem in sich. Bereits Boethius hatte seinen Überlegungen zur Ewigkeit Gottes ja vorausgeschickt: Omne quod scitur non ex sua, sed ex comprehendentium natura cognoscitur.28 Auch Bonaventura machte sich diesen allgemeinen Satz der Erkenntnistheorie zu eigen.29 Im Hinblick auf das Verständnis von aeternitas bedeutet das aber nichts anderes, als dass der Vollsinn von Ewigkeit außerhalb des Horizontes des menschlichen Erkennens liegt, da dieses sich nicht vollständig von zeitlichen Strukturen lösen kann.30 Hier zeigt sich erneut, was es bedeutet, dass Zeit nicht nur als Akzidens der Bewegung, sondern auch von der zugrundeliegenden Substanz her verstanden wird: Dem Menschen in seinem esse mutabile et fluidum bleibt es verwehrt, die aeternitas Gottes, dem ein esse immutabile et fixum zukommt, zu erfassen.31 So heißt es: Balbutimus autem aeternitatem per varia tempora, quia intellectus noster non conscendit ad intelligenda aeterna, nisi manuducatur per tempora, quamdiu sumus in via.32

Ähnlich äußerte sich Bonaventura noch an mehreren Stellen.33 Nimmt man diese Aussagen zusammen und berücksichtigt die verschiedenen Seelenkräfte in ihrer Stufenfolge,34 so ergibt sich daraus folgendes Bild: Das Vorstellungsvermögen ist mit der Bedeutung von aeternitas völlig überfordert; unvorstellbar sind sowohl die einzelnen Momente (simultas, interminabilitas) als auch deren Verbindung. Der schlussfolgernde

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Cons. V, 6, 1 [CC.SL 294, 102]. Eine ausführliche Erklärung samt Beispiel ging in V, 4, 24–39 [CC.SL 294, 97–99] voraus. Der Sache nach kann man auch auf ARISTOTELES, Metaphysica IV (Γ), 6 [1011a 25ff.] zurückverweisen. Er begegnet bei ihm in der Unterscheidung einer Erkenntnis secundum rem (et veritatem) und secundum rationem intelligendi (z. B. Trin. 5, 1, ad 1.2.4.13 [V, 90.91.92]) oder von dispositio rei intellectae und dispositio ipsius intelligentis (z. B. Trin. 5, 1, ad 5 [V, 91a]). Auch in diesem Punkt schloss sich Bonaventura Aristoteles an, der zitierte Satz nostrum intelligere non est sine continuo et tempore (Trin. 5, 1, resp. [V, 90b]) stammte aus De memoria et reminiscentia 1 [450a 7–9]: διὰ τίνα µὲν οὖν αἰτίαν οὐκ ἐνδέχεται νοεῖν οὐδὲν ἄνευ τοῦ συνεχοῦς, οὐδ’ ἄνευ χρόνου τὰ µὴ ἐν χρόνῳ ὄντα … Vgl. Trin. 5, 1, resp. [V, 90b]. Trin. 5, 1, ad 5 [V, 91a]. Trin. 5, 1, resp. [V, 90] hieß es: quia haec duo [scil. immensitas et simplicitas aut interminabilitas et simultas] sunt supra nostram imaginationem et aestimationem; ideo aeternitatis duratio a nullo sane potest intelligi, nisi omni imaginatione postposita. … Et huiusmodi ratio per duas conditiones praedictas simul iunctas necessario syllogizat, quamvis imaginationi nostrae videatur contraria. … «nostrum intelligere non est sine continuo et tempore», ac per hoc valde elongatur ab aeternitate, nisi forte per donum speciale altius sublevetur; ut enim dicit Augustinus, «cum aliquid aeternum mente capimus, in hoc mundo non sumus». Lässt man die erweiterte Einteilung des Itin. I, 6 [V, 297], die sechs Vermögen kennt (sensus, imaginatio, ratio, intellectus, intelligentia, apex mentis), außer Acht – sie versucht ja in drei Zweiergruppen das mystische Aufstiegsschema zu repräsentieren –, so folgte Bonaventura der etwa aus Boethius’ Cons. V, 4, 27–30 [CC.SL 294, 98] bekannten Einteilung sensus, imaginatio, ratio, intelligentia (Vgl. Serm. theol. II, 9 [V, 541]).

Das aevum zwischen Zeit und Ewigkeit

305

Verstand kann zwar (durch Abstraktion) die scheinbaren Widersprüche auflösen,35 eine vollkommene Einsicht bleibt dem Menschen jedoch verwehrt. Man mag hieran ablesen, wie abhängig doch die höheren Seelenkräfte von den Vorgaben der niedrigeren sind36 und dass zu einer umfassenden Erkenntnis (und insbesondere zur Gotteserkenntnis, die die eigentliche „Aufgabe“ der intelligentia ist)37 mehr gehört als logisches Schlussfolgern; außerdem zeigt sich darin ein Spezifikum der bonaventurianischen Erkenntnislehre: jene Trübung des menschlichen Intellektes durch das peccatum originale, die alle Bereiche der Wirklichkeit betrifft.38 Der Verweis auf den status viatoris stellt zugleich in Aussicht, dass der bestehende Mangel an Einsicht in der visio beatifica aufgehoben sein wird. Dies ist nur möglich, weil dem homo beatus im Vergleich zum viator eine andere Art und Weise des Seins (modus essendi) geschenkt ist, die wie jene der Engel vom aevum gemessen wird;39 das esse mutabile et fluidum geht dann über in ein esse stabile et quietum.40 Bonaventura beließ es freilich nicht bei einem „Vertrösten“ auf die ewige Seligkeit. Die Schöpfung bleibt ja vestigium und imago Gottes,41 und wenn auch der liber creaturae für den gefallenen Menschen an Lesbarkeit eingebüßt hat,42 so kann er – durch den liber scripturae wieder aufgeschlossen – doch noch zur Erkenntnis Gottes führen (manuducere). 35

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Mutatis mutandis gilt hier dasselbe, was eine Quaestion vorher über das Verhältnis von infinitas und simplicitas gesagt wurde: Non ergo haec infinitas simplicitati repugnat, immo est ei consona mirabili et inseparabili concordia (Trin. 4, 1, resp. [V, 81b], vgl. auch ebd. 2, 2, resp. [V, 65a]). Vgl. etwa IV Sent. 10, 2, 2, 1, resp. [IV, 235a]: [intellectus ut est humanus] intelligit conversus ad imaginationem et sensum et iudicat secundum causas intrinsecas et inferiores. Vgl. Serm. theol. II, 9 [V, 542]: intelligentia, quae nata est apprehendere Deum. In Fragen des Glaubens, wie etwa der Dreifaltigkeit Gottes (vgl. Trin. 2, 2, resp. [V, 65a]) oder der Gegenwart Christi im Altarsakrament (vgl. IV Sent. 10, 2, 2, 1, resp. [IV, 235]), kommt dem intellectus, ut est humanus der intellectus fidelis zu Hilfe – ein solcher Verweis fehlt in der Frage nach der aeternitas wohl deswegen, weil die Bestimmung des Inhalts von „Ewigkeit“ zum einen eher eine philosophische Frage ist und zum anderen nicht in Opposition zur antik-heidnischen Tradition (Platon, Aristoteles, Plotin, …) vorgenommen wurde, sondern als deren Fortsetzung und Vertiefung. II Sent. 2, 1, 1, 1, ad 5 [II, 57b]: … de homine beato et Angelo, dicendum, quod mensura consimili mensurantur, scilicet aevo, … homo viator non mensuratur consimili mensura, quia, quamvis habeat idem esse, habet tamen modum essendi et durandi alium. II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56b] (zitiert oben in Anm. 111, S. 226). Vgl. Trin. 1, 2, resp. [V, 54b]: Omnis enim creatura vel est ad Dei vestigium tantum, sicut est natura corporalis, vel est ad Dei imaginem, sicut est creatura intellectualis. Die Unterscheidung knüpft an an Gn. 1, 27 parr. (et creavit Deus hominem ad imaginem suam) und an Iob 11, 7 (forsitan vestigia Dei conprehendes et usque ad perfectum Omnipotentem repperies), bereits Augustinus verwendete sie in Trin. XI, 1, 1 [CC.SL 50, 333f.]. Hex. III, 1 (13), 12 [Ed. Delorme, 150]: Et nota quod mundus principaliter servit animae et ex consequenti corpori, et principalius servit mundus ad sapientiam quam ad vitam. Cadente etiam homine, non est qui reducat creaturas ad laudem Dei. Unde mundus erat quasi liber quidam deletus, quem Deus illuminavit et reformavit per librum Scripturae. Vgl. auch Trin. 1, 2, resp. [V, 54– 56].

306

Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

Zeit ist beides, Spur und Abbild, je nachdem in welchem Sinn man sie versteht.43 Die an der Bewegung der Körper ablesbare (aristotelisch verstandene) Zeit ist vestigium aeternitatis.44 Dementsprechend ist die Ähnlichkeit nur eine sehr entfernte und undeutliche. Sie ergibt sich daraus, dass die Zeit in ihren drei Formen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, von denen allein die Gegenwart im strengen Sinn seiend genannt werden kann, zurückverweist auf das zugrundeliegende Sein, in dem die drei Zeitformen ihren gemeinsamen Ursprung haben. Denkt man nun dieses zugrundeliegende esse nicht als vergänglich und wandelbar, sondern als ein (Da-)Sein in seinem eigentlichen Sinn, nämlich als unwandelbar und unaufhörlich gegenwärtig, so mag man erahnen, was Ewigkeit heißt. Imago aeternitatis ist die innere Zeit der Seele. Die Ähnlichkeit wird hier deutlicher, denn der Aspekt der Gleichzeitigkeit tritt besser hervor: Die Seele kann durch ihre Vermögen der memoria, intelligentia und praevidentia das, was in der körperlichen Welt nur als Nacheinander von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auftritt, zu einer (wenn auch begrenzten) Einheit zusammenführen und damit das an der Ewigkeit auftretende Moment der simultas in etwa versinnbilden.

2.1.2

Die Absetzung des aevum von der aeternitas

Mit dem Übergang von der aeternitas zum aevum wird zugleich der Schritt vom ungeschaffenen zum geschaffenen Sein vollzogen. Die allen scholastischen Konzepten des aevum gemeinsame Problematik bestand nun darin, es einerseits von der Ewigkeit Gottes abzusetzen und dabei doch noch einen Unterschied zur Zeit zu wahren. Ansatzpunkte dazu waren die in Tabelle 6, S. 302 genannten Eigenschaften der aeternitas, nämlich die simultas und die interminabilitas. Für letztere schien dabei der Unterschied relativ klar auf der Hand zu liegen, insofern die aeternitas als duratio perfecta weder Anfang noch Ende kennt,45 während jede geschaffene Substanz in der Schöpfung ihren 43

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Vgl. Trin. 5, 1, resp. [V, 90a] (Hoc autem adverti aliquo modo potest et in imagine et in vestigio …). Letztlich ist es die platonische Rede vom εἰκὼ κινητόν αἰῶνος (Timaios 10 [37d]) die hier, wenn auch abgewandelt, nachhallt. Sowohl APULEIUS, De Platone et eius dogmate 10 [Ed. cit., 33] (Tempus uero aeui esse imaginem, si quidem tempus mouetur, perennitatis fixa et inmota natura est), als auch CHALCIDIUS, Timaeus [Ed. cit., 30, Z. 2, zu 37d] (imaginem eius mobilem) – im Kommentar § 23 [Ed. cit., 74, Z. 13] hieß es dann allerdings: simulacrum est enim tempus aevi – übersetzten hier mit imago. Trotz der Nähe in der Terminologie spürt man deutlich den Unterschied, der im Urbild liegt: Im christlichen Sinn ist Zeit nicht das (Ab-)Bild eines abstrakten Prinzips, sondern des personalen Gottes. Vgl. Trin. 5, 1, resp. [V, 90]: In tempore vero, quod est aeternitatis vestigium, est praesens, praeteritum et futurum … quia radicatur super esse mutabile et fluidum sive super ipsum motum. Si igitur praesens intelligatur radicari super esse immutabile et fixum, quod nec habet initium nec terminum, illud intelligitur aeternum. Vgl. (z. B.) bei BONAVENTURA, I Sent. 19, 1, dub. 4, resp. [I, 351]: divina aeternitas est perfecta et durationes ceteras circumplectens … interminata et a parte ante et a parte post, sowie I Sent. 9, 1, 3, ad 4 [I, 185]: Quia ergo quod habet initium est temporale, quod caret est aeternum …

Das aevum zwischen Zeit und Ewigkeit

307

Anfang hat und wenn auch kein tatsächliches, so doch mindestens ein denkmögliches Ende hat.46 Allerdings trat auf dieser Ebene der Unterschied zur Zeit – vor allem wenn man sie unter den allgemeineren Vorgaben betrachtet wie sie bei Bonaventura im tempus proprie gegeben sind – praktisch nicht hervor. Die Berufung auf die reine Faktizität aeternitas principio et fine caret – aevum habet principium, sed non finem – tempus autem habet principium et finem schien dabei doch zu sehr auf der (quantitativen) Oberfläche zu liegen – Thomas nannte sie in der Summa eine differentia per accidens – und konnte deshalb nicht befriedigen.47 Lag der Schlüssel also in der successio? Hier schieden sich in der Tat die Geister. Auf der einen Seite stand dabei jene Fraktion, die das aevum für einfach, unteilbar, bleibend (permanens) und tota simul erklärte, auf der anderen jene, die eine succesio im aevum annahm, es damit aber auch als zusammengesetzt und teilbar zugeben musste.48 Erstere standen in der Not, den Unterschied zur Ewigkeit zu erklären, näherhin, wie es in einem einfachen, unteilbaren Sein noch die Möglichkeit zum Nicht-Sein geben konnte oder wieso eine Dauer, die unendlich und simultan ist, nicht eine aktuale Unendlichkeit darstellte, die doch – ganz im Rahmen aristotelischer Vorstellungen – allein dem höchsten Sein vorbehalten war.49 Wer hingegen eine successio im aevum annahm, der musste sich rechtfertigen, wie sich das aevum denn dann von der Zeit unterscheiden sollte. Das andere Problem war, dass die successio ja einen Unterschied zwischen einem früheren und einem späteren Zustand voraussetzt, das Sein der substantia separata aber als ein unveränderliches gedacht wurde.50 Thomas von Aquin repräsentierte in dieser 46

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Zu Letzterem vgl. oben S. 248; dass Gott die Macht hätte, der an sich endlosen Dauer eines Engels ein Ende zu setzen, wurde auch von anderen Magistri nicht bestritten, vgl. z. B. THOMAS VON AQUIN, II Sent. 2, 1, 1, ad 7 [Ed. cit. II, 65]. Vgl. S. th. I, 10, 5, resp. [Ed. Leonina IV, 100]: Sed horum differentiam aliqui sic assignant, dicentes quod aeternitas principio et fine caret; aevum habet principium, sed non finem; tempus autem habet principium et finem. – Sed haec differentia est per accidens, sicut supra dictum est, quia si etiam semper aeviterna fuissent et semper futura essent, ut aliqui ponunt; vel etiam si quandoque deficerent, quod Deo possibile esset; adhuc aevum distingueretur ab aeternitate et tempore. – Der Einwand des Aquinaten, der nach der Qualität der verschiedenen Arten zu dauern fragt, hat dabei noch den Hintersinn, dass er ja eine ab aeterno existierende Welt für denkmöglich hielt, dort könnte es dann auch ein Sein geben, das schon immer existiert hat. Einen ausführlichen Überblick über einzelne Positionen von der Summa Halensis bis zu Aegidius Romanus gab PORRO, Forme e modelli di durata, 213–247. Zu dem Gegenüber von sukzessiv und permanent vgl. oben den Abschnitt über successio und continuum (ab S. 245). Bei Bonaventura tauchte dieser Gedanke in II Sent. 2, 1, 1, 3, sc. 5 [II, 62] auf. Die aristotelische Philosophie kannte ansonsten nur ein potentiell Unendliches (vgl. auch oben Anm. 185, S. 242) und auch das nur in ganz engen Grenzen (denn was möglich ist, muss auch wirklich sein können), nämlich entweder – so die scholastische Terminologie – per additionem (wie die natürlichen Zahlen, wo zu jeder gegebenen eine größere gefunden werden kann) oder per subtractionem/divisionem (wie beim Raum- oder Zeitkontinuum, das in immer kleinere Teile geteilt werden kann); vgl. ARISTOTELES, Physica III, 7 [207a 33 – 208a 4]. Die Frage, ob das aevum simultan oder sukzessiv ist, war die Hauptalternative entlang der sich die Magistri orientierten, einen anderen Zugang wählte Gerhard von Abbeville – sonst als eine der

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Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

Frage die Mehrheitsmeinung, dass es im aevum kein prius et posterius gibt.51 Bonaventura dagegen stellte sich dezidiert auf die andere Seite: Weil absolute Einfachheit Gott allein vorbehalten ist,52 trat er für eine Sukzession im aevum ein.53

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Hauptfiguren im Mendikantenstreit bekannt: Das aevum ist zwar nicht sukzessiv, aber es gibt in ihm eine variatio, die durch die Nähe zur Zeit (propter confinium quod habet ad tempus) zustande kommt. Vgl. hierzu PORRO, Forme e modelli di durata, 217, Anm. 117. So in II Sent. 2, 1, 1, resp. [Ed. cit. II, 63] (tempus est mensura habens prius et posterius, aevum autem non habens); in S. th. I, 10, 5, resp. [Ed. Leonina V, 100]: aevum autem non habet in se prius et posterius, sed ei coniungi possunt; zuvor hatte er näher erläutert: … habent transmutationem adiunctam, vel in actu vel in potentia. Sicut patet in corporibus caelestibus, quorum esse substantiale est intransmutabile; tamen esse intransmutabile habent cum transmutabilitate secundum locum. Et similiter patet de Angelis, quod habent esse intransmutabile cum transmutabilitate secundum electionem, quantum ad eorum naturam pertinet. Schließlich in Quodlibet 10, 2, resp. [Ed. Leonina XXV, 129, Z. 88–97]: Sic ergo si attribuatur mensura Angelo quantum ad substanciam tantum, illa non habet prius et posterius: sic enim mensuratur eorum esse evo. Et similiter si attribuatur eis mensura durationis quantum ad essencialem operationem beatitudinis: sic enim sunt in participatione eternitatis. Si vero attribuatur eis mensura durationis ratione aliarum operationum vel affectionum, sic eorum mensura habet prius et posterius: ita etiam mensurantur tempore. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 3, sc. 3 [II, 62]: unitas angelica deficit ab unitate divina, ergo simplicitas aeternitatis creatae a simplicitate aeternitatis increatae: si ergo hoc verum est, ergo habet compositionem aliquo modo. Sed compositio in duratione ponit prius et posterius. – Man vgl. dazu auch noch einmal die erste Reihe der Eigenschaften von Tabelle 6, S. 302. Dies bedeutete in der Folge auch: Das aevum ist nicht omnino simplex (II Sent. 2, 1, 1, 3, resp. [II, 62b]), d. h., es ist zusammengesetzt aus Teilen (ebd., ad 4 [II, 63]). – Die Fronten in dieser Frage liefen dabei übrigens keineswegs entlang der Orden: Die Summa Halensis z. B., Bonaventuras Vorlage, vertrat die Einfachheit des aevum; vgl. Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 3 (67) [Ed. cit. I, 103–105]. Ebd., ad 1 [Ed. cit. I, 104a] wurde diese Einfachheit von der der aeternitas abgegrenzt: … aeternitas increata simplex est omnino … De aevo autem potest videri quia alteram compositionum habet, ad minus, quia est componibile alii quod non est ipsum, scilicet suo aeviterno. Der Dominikaner Albertus Magnus hingegen schwankte. In De IV coaequaevis 2, 4, 1 arg. 1 & sc. & ad 1 [Ed. Paris. 34, 358ab.359] vertrat er das tota simul des aevum. Den Unterschied zur aeternitas erklärte er hier (359b) so: Non est totum esse simul a potentia intrinseca, sed extrinseca, quae non est de esse creaturae talis. In der S. th. I, 1, 5, 23, 2 [Ed. Colon. XXXIV.1, 133, Z. 32–45] hingegen vertrat er eine gewisse Sukzession im aevum: Esse autem in angelis … penitus est intransmutabile … Quamvis autem sic sit, tamen principia habent extra se, quibus videntur mutari. Quorum unum est habitudo ad nihil, ex quo facta sunt … Secundum est habitudo ad causam primam, ex qua esse accipiunt; et cum non possint accipere esse totum ut totum, relinquitur, ut accipiant ipsum in fieri secundum partes et partes, et sic videtur, quod non habeant totum esse simul et perfecte possessum. Zu dieser Stelle vgl. auch PORRO, Forme e modelli di durata, 230f. – Noch einmal eine andere Wendung findet sich in Physica IV, 4, 3 [Ed. Colon. IV.1, 296, Z. 57f.63–67]: aevum [se habet] ad ea quorum esse est simul, sed posse et agere sive intelligere non est simul … sicut aeviterna, secundum quod sunt, stant simul et in suo posse et agere sunt non simul, sed acquirunt perfectiones, quas non habuerunt, ita et aevum est mensura, quae secundum quid simul est et secundum quid non simul. Daraus folgerte er schließlich ebd., c. 4 [Ed. Colon. IV.1, 299, Z. 1– 3]: Sed aevum habet non totum esse simul et ideo habet vices numerabiles et incontinuas, quia vicissitudo intellectus non est continua.

Das aevum zwischen Zeit und Ewigkeit

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Die weitere Begründung, die der Franziskaner für seine Position gab, war dabei sicherlich durch Anselm von Canterburys Proslogion 2054 inspiriert. Im Blick darauf, dass bei jedem geschaffenen Sein ein Ende dieses Seins denkbar bleiben muss, hatte der Doctor magnificus geschlossen: Das geschaffene „ewige“ Sein hat in seiner Dauer ein Zukunftsmoment, das sich seiner eigenen Verfügung entzieht. Bonaventura interpretierte dies im Sinn einer successio im aevum, die freilich im Unterschied zur Zeit nicht mit einer Veränderung (variatio) einhergeht, sondern in der fortwährenden continuatio dati besteht.55 Auf der Grundlage der Zusammensetzung jedes geschaffenen Seins aus Akt und Potenz glaubte er, damit den Schlüssel gefunden zu haben, wie das aevum sowohl von der Zeit als auch von der Ewigkeit abzusetzen war: Die successio schied es von der aeternitas, die fehlende variatio von der Zeit. Zur Erklärung verwendete er das Beispiel des Lichtstrahls und des Wasserstrahls.56 An ihm sollte deutlich werden, dass eine ausgedehnte Dauer57 nicht mit einem fortwährenden Neuwerden (innovatio – wie beim Wasserstrahl) verbunden sein muss, sondern auch in der – nicht auf einmal, sondern sukzessive – geschenkten Erhaltung des ursprünglichen Seins bestehen kann.58 Die Vorliebe Bonaventuras für diese beiden Bilder mag auch darin liegen, dass in ihnen die völlige Abhängigkeit des Strahls von der jeweiligen Quelle – mit anderen Worten die dependentia essentialis der Schöpfung vom Schöpfer59 – zum Ausdruck kommt. In die gleiche Richtung wie die beiden Bilder geht auch das Wortspiel von der sukzessiven Dauer (durationis successio) des aevum und der dauernden Sukzession (successionis duratio) der Zeit.60 In der vorausgehenden Begründung zeigt sich noch einmal aus einer anderen Perspektive, was dem Doctor seraphicus ermöglicht, in einem unverändert dauernden Sein eine successio zu behaupten. Es ist die – nur für das geschaffene Sein geltende – Unterscheidung zwischen der Dauer (duratio) einerseits und dem, was dauert, (durans) andererseits: Erstere stellt ein Potential dar, das sich sukzessive ver54

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Ed. cit., 272f. [115f.]: An etiam, quia illa cogitari possunt habere finem, tu [Deus] vero nequaquam? … An hoc quoque modo transis omnia, etiam aeterna, quia tua et illorum aeternitas tota tibi praesens est, cum illa nondum habeant de sua aeternitate, quod venturum est … Vgl. dazu auch oben S. 248 mit Anm. 207. II Sent. 2, 1, 1, 3, resp. & ad 7 [II, 62b.63]; vgl. hierzu oben bereits ausführlicher ab S. 199 sowie S. 225 mit Anm. 101 und S. 247 mit Anm. 203. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 3, resp. [II, 62b], Bonaventura verwendete das Bild des Lichtstrahls auch in anderen Zusammenhängen (IV Sent. 44, 2, 3, 1, ad 2 [IV, 930], IV Sent. 50, 2, 2, 3, ad 3 [IV, 1053], dazu S. 191, Anm. 121), um eine mit invariabilitas verbundene successio zu demonstrieren. Zu dem Ausdruck vgl. II Sent. 2, 1, 1, 3, resp. [II, 62b]: In aevo vero est prius et posterius, quod dicit durationis extensionem, quod tamen nullam dicit variationem nec innovationem. Zur weiteren Erklärung vgl. oben S. 200, Anm. 163. Vgl. oben S. 278, Anm. 14. – Auch und gerade für die aeviternen Substanzen hatte Bonaventura ja in II Sent. 2, 1, 1, 3, resp. [II, 62b] betont: Nulla enim aevi creatura est omnino actus, nec aliqua eius virtus, unde continue indiget divina virtute cooperante. Vgl. I Sent. 8, 1, dub. 5, resp. [I, 163] (zitiert oben S. 247, Anm. 203).

Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

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wirklicht, Letzteres ist ein bleibendes Sein, dessen Aktualität auf die in ihm anwesenden konstitutiven Prinzipien gegründet ist.61 – Die successio zeigt sich schließlich auch in dem quantitativen Aspekt des aevum, der der aeternitas fehlt: 62 Im aevum gibt es eine längere und eine kürzere Dauer sowie einen Zuwachs an Dauer (crementum durationis),63 was nur möglich ist, wenn man die absolute Einfachheit des aevum ablehnt. Fragt man nach der Distanz, die das aevum als Mittleres zu den beiden Extremen tempus und aeternitas hat, so ist für Bonaventura die Antwort sehr klar: Die entscheidende Grenze verläuft zwischen geschaffenem und ungeschaffenem Sein. Dies wollte er auch in der verwendeten Begrifflichkeit deutlich machen, und so lehnte er den Ausdruck aeternitas creata für das aevum ab.64 Dem steht gegenüber, dass das aevum im weitesten Sinn (communissime) Zeit ist.65 Um so wichtiger erscheint es, das Verhältnis zu den engeren Begriffen von Zeit zu klären.

2.2

Aevum und tempus

Auf die verschiedenen Eigenschaften des aevum und der Zeit wurde zum großen Teil bereits eingegangen. Der Hauptunterschied besteht in der je anderen Art der successio: Bei der Zeit ist sie von Veränderung (variatio) begleitet und sie bringt dort immer entweder ein Alt-Werden oder aber ein Neu-Werden mit sich. Beim aevum hingegen besteht die successio in der kontinuierlichen Fortsetzung des einmal gesetzten Anfangs.66 Im Blick auf die Engel wurde deswegen festgestellt, dass deren veränderliche affectiones von der Zeit gemessen werden, ihr bleibendes (substantiales) Sein dagegen vom aevum.67 Diese Grenzziehung war nicht ganz selbstverständlich, im Physikkommentar des Albertus Magnus z. B. ergab sich die Stellung des aevum zwischen tempus und aeternitas gerade daraus, dass es die Maßzahl der (diskontinuierlichen) Veränderungen 61 62 63

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Vgl. BIGI, La dottrina della temporalità, 114f. sowie PORRO, Forme e modelli di durata, 217. Vgl. auch oben S. 299 zur aeternitas als Maß. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 3, ad 6 [II, 63]: … nihil est ibi alterationis, est tamen ibi crementum durationis absque omni alteratione absolutae proprietatis. Verum enim est dicere, quod diutius fuit anima Petri, quam anima Francisci, quando in gloriam introivit, sed non est ita circa Deum; non enim diutius duravit hodie quam ante heri. – Hier zeigt sich auch noch einmal sehr deutlich, dass Bonaventura das aevum (wie die Zeit) als ein in der Kategorie Größe (quantitas) aufgestelltes Maß verstand. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56b]. Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 65]: dicendum, quod si tempus accipiatur primo modo, sic includit aevum; et sic temporis ad aevum nullus est ordo; dazu oben S. 197. Vgl. unter anderem II Sent. 2, 1, 2, 1, ad 1 [II, 65b]: [tempus] defluit continua deperditione; sed in aevo est fixio sine deperditione et novi acquisitione. Vgl. noch einmal oben den Abschnitt über tempus proprie ab S. 179 sowie S. 197 und S. 270 mit Anm. 308.

Das aevum zwischen Zeit und Ewigkeit

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in den geistigen Akten eines bleibenden Seins darstellte,68 doch war diese Sichtweise des Doctor universalis eher die Ausnahme. – Bei Bonaventura reproduzierte sich das Verhältnis von Zeit und aevum auf der Ebene des nunc temporis und des nunc aevi: Das nunc temporis fließt unaufhaltsam dahin, das nunc aevi hingegen ist stabil, dem Wandel entzogen und mit sich selbst identisch.69 Das aevum strahlt insofern etwas von der Ruhe und der Selbigkeit aus,70 die den rein geistigen Naturen aufgrund ihres Anteils an der göttlichen Herrlichkeit zukommt. Unwillkürlich mag man dabei an das berühmte Augustinuszitat denken: inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.71 Es ist sicherlich nicht übertrieben zu behaupten, dass der Unterschied zwischen Zeit und aevum in einer grundlegend anderen Seinsqualität liegt, und Bonaventura sprach deswegen auch von der größeren dignitas des aevum.72 Der quantitative Vergleich73 bestätigte dabei, dass die größere dignitas nicht notwendig mit einer längeren Dauer verbunden sein muss. Allgemein gesprochen gelten folgende Verhältnisse:74 Die Dauer der Zeit im engsten Sinn (magis proprie) wird vom aevum sowohl ex parte ante als auch ex parte post übertroffen, beim Vergleich mit der eigentlichen Zeit hingegen besteht keinerlei Unterschied in der Dauer. Dasselbe gilt auch von der Zeit im allgemeinen Sinn (communiter), wobei Bonaventura ergänzte: Verständnismäßig (secundum rationem intelligendi) geht diese Zeit dem aevum sogar voraus, so wie der Akt des Schaffens (die 68

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Vgl. Physica IV, 4, 3f. (die Stellen werden zitiert in Anm. 53, S. 308); im Letzten geht es bei der Grenzziehung um eine Entscheidung zwischen der Autorität des Augustinus, für den die Affekte der Engel von der Zeit gemessen werden (vgl. oben S. 181), und der des Liber de causis, das die Intelligenzen (worunter man christlicherseits allgemein die Engel verstand) und alle ihre Akte als überzeitlich beschrieb (vgl. z. B. Propositio XXIX (XXX) [PhB 553, 54–58]). Vgl. oben S. 201 mit Anm. 172. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56b] (zitiert oben Anm. 111, S. 226). Conf. I, 1, 1 [CC.SL 27, 1, Z. 7], vgl. oben S. 137 mit Anm. 258. II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 65]: aevum prius est dignitate. Er wird dadurch ermöglicht, dass das aevum ein Maß ist und in die Kategorie quantitas fällt; vgl. oben S. 226. Nach II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 65]. – Blickt man dagegen auf ein einzelnes aeviternes Sein, so gilt (wobei hier erneut der quantitative Charakter des aevum aufscheint): (1) Ad illud quod obiicitur, quod omnis animae duratio a parte post est aequalis durationi Angeli, ergo et a parte ante; dicendum, quod non est simile, quia duratio aeviterni a parte post est infinita, et infinitum infinito non est maius; et ideo nulla substantia spiritualis incorruptibilis potest aliam excedere quantum ad durationem ex parte post. Quantum autem ad durationem ex parte ante est finitas, et ex illa parte potest esse excessus, et excedit duratio Angeli durationem animae propter naturam animae, per quam habet uniri proprio corpori ut perfectibili. (II Sent. 18, 2, 2, ad 3 [II, 450]) Und (2) Ad illud quod obiicitur de comparatione aeviterni ad temporale, dicendum, quod etsi substantia aeviterna ex parte post se plus extendat quam temporalis, utpote quia caret fine; non tamen oportet, quod a parte ante, maxime, si sit talis, quae sui productione appetitum rei temporalis habeat terminare; et sic fuit in anima Adae (II Sent. 17, 1, 3, ad 3 [II, 418]). Es kann also das eine aeviterne Sein früher als ein anderes entstanden sein (z. B. Engel – Seele), und es kann sogar ein im strikten Sinn zeitliches Sein vor einem aeviternen Sein ins Dasein getreten sein (z. B. bei Adam: Leib – Seele).

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Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

creatio) dem Geschaffen-Sein (esse creatum) vorangeht.75 Gen 1, 1 interpretierend76 drückte sich für Bonaventura in den letzten beiden Sachverhalten aus, dass die geistige und die körperliche Natur zusammen erschaffen worden sind und dass nicht etwa die geistige Schöpfung der materiellen vorausging.77 Das aevum ist zusammen mit der Zeit erschaffen, und doch sind beide Größen wesentlich verschieden, sowohl in genere mensurae als auch in genere entis.78 Ersteres beinhaltet, dass hier zwei verschiedene nicht miteinander kommensurable Dauern (die eine endlich, die andere nicht) gemessen werden, Letzteres nimmt auf die einander entgegengesetzten Eigenschaften des nunc aevi und des nunc temporis Bezug, die eine Identifizierung beider secundum rem verbieten. Insgesamt lief dies für Bonaventura darauf hinaus, dass das aevum eine eigene, von der Zeit verschiedene species in der Kategorie quantitas darstellt.79 In dieser Konzeption von tempus und aevum wird noch ein anderes denkbares Abhängigkeitsverhältnis negiert: Die nach der Würde vorgenommene Abstufung des Seienden in aeternum – aeviternum – temporale80 könnte ja dazu verleiten, aevum und tempus in eine Art von Kausalverhältnis zueinander zu stellen. Das bestritt der Doctor seraphicus: Für ihn leiteten sich beide unmittelbar von der Ewigkeit ab und bildeten je für sich selbständige, nebeneinanderstehende Entitäten.81 – Dies

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Man könnte hier wieder an das Bild der Halbgeraden denken (vgl. oben S. 287): aevum und eigentliche Zeit werden durch das Innere der Halbgeraden dargestellt, zum tempus communiter dictum gehört hingegen auch noch der Randpunkt, der Moment der Schöpfung selbst, der in dem nunc primum gegeben ist. Näherhin das caelum et terram, vgl. oben S. 276. Dies ist der Inhalt der Quaestio von II Sent. 2, 1, 2, 3 [II, 67f.], die zu dem Schluss kommt, quod angelica natura et corporea simul sunt creatae quantum ad mensurarum concomitantiam, quia simul incepit duratio materiae et intelligentiae (ebd., resp. [II, 68]). – Dies fand sich (etwas anders formuliert) auch in der Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 4, 1 (68), ad 3 [Ed. cit. I, 106] oder bei ALBERTUS MAGNUS, De IV coaequaevis 2, 4, 1, ad object. 2, sc. [Ed. Paris. 34, 361b] (quod aevum incepit cum tempore et non ante). THOMAS VON AQUIN, II Sent. 2, 1, 3, resp. [Ed. cit. II, 69] stimmte dem ebenfalls zu, betonte aber, dass es sich hier um eine Glaubenswahrheit handelt (ratione investigare non possumus, sed fide tenemus), die sich auf die Autorität des Augustinus, Bedas und Gregors des Großen stützt. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56] (zitiert oben S. 201, Anm. 169). Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, ad 6 [II, 57] und II Sent. 2, 1, 1, 3, fund. 4 [II, 62]. Eine ausführliche Untersuchung der Position Bonaventuras in diesem Punkt findet sich bei PORRO, Forme e modelli di durata, 165–178, besonders 166–169. Vgl. ferner oben S. 226 mit Anm. 106. Vgl. Trin. 5, 1, arg. 10 [V, 88]: Item, cum ens dividatur in aeternum et aeviternum et temporale, nobilius est aeviternum quam temporale, et aeternum nobilius utroque. Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 2, ad 1 [II, 65]: Quod tamen ostenditur, quod praecedat causalitate; dicendum, quod illud non oportet; neutra enim harum mensurarum est ab alia, sed a Deo producente. Und ebd., ad 2: … non oportet, tempus reduci ad aevum sicut ad prius. – Ein hierarchisches Modell bietet dagegen z. B. ALBERTUS MAGNUS, Physica IV, 4, 4 [Ed. Colon. IV.1, 298, Z. 3–7]: Comparabitur ergo aeternitas ad aevum sicut causa exemplaris eius, eo quod aevum imitatur aeternitatem, quantum potest, … et similiter tempus imitatur aeviternum et aeternum. In diesem

Das aevum zwischen Zeit und Ewigkeit

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steht, nebenbei bemerkt, in genauer Entsprechung zu dem, wie Bonaventura das Verhältnis von Engelsnatur und Menschennatur dachte: Er vertrat ja nicht eine Stufenontologie, in der der Mensch nur vermittels der Engel zu Gott aufsteigen könnte, vielmehr sind beide Naturen unmittelbar auf die ewige Seligkeit in Gott hingeordnet.82 Wie lässt sich nun der seinsmäßige Unterschied zwischen beiden Größen erklären? Bonaventura führte es auf das respektive Verhältnis zu den beiden intrinsischen Konstitutionsprinzipien des Seienden zurück. Das Sein der Zeit gründete er – wie gesehen – auf das Streben der Materie nach der Form. Er verstand es als einen Hunger, in dem sich auf einer ganz elementaren Ebene das Streben alles geschaffenen Seins nach Gott ausdrückte.83 Die Materie stand dabei für jenes Prinzip, in dem die Potentialität alles (geschaffenen) Seienden gegeben ist; und die Zeit selbst erweist sich als das entsprechende Maß eines aufgrund dieser Potentialität in steter Veränderung befindlichen Seins.84 – Das aevum dagegen konnte nicht von der Materie her verstanden werden, denn es misst das Sein nicht in seiner Potentialität, sondern in seiner Aktualität.85 Diese Aktualität aber kommt aus der Form. Dem Bezug der Zeit auf die materia ut mutabilis, ut ens in potentia steht so der Bezug des aevum auf die forma in quantum immutabilis gegenüber.86 So erklärte sich auch die Ruhe und Stabilität des zugrundeliegenden Seins,

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Sinn gilt dann auch (ebd., c. 5 [Ed. Colon. IV.1, 299, Z. 60–62]): sicut unitas aeviterni fit ab unitate aeterni et unitas temporis ab unitate prima aeviterni, ita nunc unius fluit a nunc alterius. Vgl. II Sent. 1, 2, 2, 2, resp. [II, 46]: Cum quaeritur de ordine spiritus rationalis sive uniti ad spiritum angelicum vel separatum, de duplici ordine potest intelligi: aut de ordine quantum ad finem, aut quantum ad naturae dignitatem. – Si quantum ad finem; sic dico, quod sunt pares. Nam ad eundem finem, scilicet ad aeternam beatitudinem, immediate ordinantur; et eadem est mensura hominis, quae et Angeli, nec homo propter Angelum, nec Angelus propter hominem. Tamen sicut lex caritatis facit in membris corporalibus et concivibus civitatis, quod unum membrum supplet indigentiam alterius – ut patet, quia oculus videt viam sibi et pedi, et pes fert se ipsum et oculum, et in civibus terrenae civitatis similiter contingit – similiter intelligendum est in homine et Angelo, qui sunt cives civitatis supernae. Nam homo habet habilitatem ad labendum frequenter, et possibilitatem ad resurgendum; Angelus vero stans perpetuitatem in stando, et cadens impossibilitatem in resurgendo: ideo Angelus stans sustentat hominem sive infirmitatem humanam, et homo resurgens reparat ruinam angelicam; ideo quodam modo Angelus propter hominem, et quodam modo homo propter Angelum: et ideo in hoc ordine pares sunt. – Vgl. hierzu ausführlicher GILSON, Philosophie des hl. Bonaventura, 268–271. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 60], dazu oben S. 226 mit Anm. 110 und S. 264 mit Anm. 278. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, ad 1 [II, 60]: … cum tempus, quantum est de se, respiciat variationem et motum, consequitur ipsa, quorum est mensura, ratione illius principii, per quod sunt entia in potentia. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56b]: Cum enim aevum esse stabile et quietum respiciat, quod quidem habet materia a forma perfecta, et haec mensura non respiciat nisi esse actuale et modum essendi completum; videtur, quod aevum non possit sic accipi ex parte materiae, quidquid sit de tempore. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]: subiectum autem, a quo causatur, est materia ut mutabilis, et ita ut ens in potentia. Nam materia ut est in acquisitione formae, mutatur, et sic est ens in potentia; et ideo tempus maxime inter omnia accidentia se tenet plus cum materia. Ebd. [II, 60b] hieß es

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Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

denn eine durch die entsprechende Form vollendete Materie, bedarf nicht der Aufnahme weiterer Formen.87 Als mensura rei perfectae88 ist das aevum eine „verklärte Zeit“, in der das die Zeit bestimmende Streben der Materie zur Erfüllung gekommen ist.

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später: … unitas aevi conformatur formae, non inquam formae, in quantum haec vel illa, sed in quantum immutabilis. – Roger Bacon kritisierte diese Sichtweise heftig, sein Hauptargument war dabei: Stellt man das aevum in der Kategorie quantitas auf, so muss es sich (wie die Zeit) von der Materie herleiten, denn die Quantität beruht immer auf der Materie, während die Form die Qualität eines Seins angibt: evum, cum sit quantitas, debetur materie et non forme; nam quantitas debetur materie, qualitas forme, secundum quod omnes volunt (Communia naturalium I, 3, 8 [Ed. cit. III, 181]). Vgl. dazu auch PORRO, Forme e modelli di durata, 191f. Vgl. noch einmal Anm. 85. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, fund. 4 [II, 58b]: aevum est mensura rei perfectae et multum habentis de specie sive de forma.

3

Einheit und Vielheit des aevum

Parallel zur Frage nach der Einheit der Zeit1 wurde die Frage nach der Einheit des aevum gestellt. Die Alternative lautete: Ist das aevum wesentlich ein einziges, oder muss es heißen quot sunt Angeli, tot sunt aeva?2 Schon bei der Zeit war eine differenzierte Antwort nötig gewesen. Beim aevum war die Situation nicht einfacher, zumal man hier noch mehr auf theologische Spekulationen angewiesen war und die Erfahrung nicht weiterhelfen konnte. Hinzu kam, dass beide möglichen Antworten mit Schwierigkeiten vorbelastet waren:3 Wer mehrere aeva annahm, musste sich fragen lassen, warum die Zeit, obwohl sie ontologisch auf einer niedrigeren Stufe steht, eine größere Einheitlichkeit aufweist als das aevum.4 Betrachtete man umgekehrt das Vorbild der aristotelischen Zeit, so gab es im Bereich der aeviterna keine Instanz, die eine vergleichbare Rolle hätte einnehmen können, wie sie das primum mobile für die Zeit besaß. Unter diesen Vorzeichen entwickelte sich eine sehr kontroverse Diskussion, und entsprechend breit war das Spektrum der Antworten.5 Der Zugang den Bonaventura und in gleicher Weise auch Thomas von Aquin6 wählten, bestand in einem direkten Vergleich von tempus und aevum.7 Bei der entsprechenden Quaestio in Bonaventuras Sentenzenkommentar fällt dabei sofort die Strukturgleichheit der Behandlung auf: In einem ersten Anlauf untersuchte er die Einheit der Zeit und in einem zweiten, parallel aufgebauten Durchgang die Einheit des aevum. Doch dies diente in erster Linie dazu, um die ihm vorliegenden Meinungen zu ordnen. 1 2 3 4 5 6

7

Vgl. den Abschnitt oben ab S. 266. II Sent. 2, 1, 1, 2, fund. 3 [II, 58]. Vgl. für das Folgende vor allem PORRO, Aevum, 13; ausführlicher in PORRO, Forme e modelli di durata, 178–212. In II Sent. 2, 1, 1, 2, sc. 2 [II, 58] nahm Bonaventura auf dieses Argument Bezug. PORRO, Forme e modelli di durata, 178 stellte fest: «il problema dell’unicità costituisce fin dalla Summa Halensis uno degli aspetti in assoluto più dibattuti e controversi.» Und zwar sowohl in S. th. I, 10, 6, resp. [Ed. Leonina IV, 104] (Circa hoc est duplex opinio: … Quid autem horum verius sit, oportet considerare ex causa unitatis temporis …) als auch in II Sent. 2, 1, 2, resp. [Ed. cit. II, 66] (ponendo unitatem aevi oportet eam investigare ad similitudinem temporis). Bei Bonaventura war die entsprechende Quaestio II Sent. 2, 1, 1, 2 [II, 58–60].

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Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

Die dem Aufbau zugrundeliegende Hypothese von der Verhältnisgleichheit von tempus und aevum (sicut se habet tempus ad temporalia, ita aevum ad aeviterna)8 bewahrheitete sich nämlich nicht darin, dass die Einheit des aevum genauso begründet werden könnte wie die der Zeit; der entscheidende Gedanke war vielmehr, dass das aevum wie die Zeit als ein Akzidens zu behandeln ist.9 Das bedeutete: Einheit kann es nur in dem Sinn geben, als ein Akzidens eines genannt werden kann,10 nämlich entweder, (1) insofern es in einem einzigen Sein ist (ratione subiecti, in quo primo est), oder, (2) insofern es in einem einzigen Sein als Erstes aufscheint (ratione subiecti, in quo primo apparet), oder, (3) insofern es von einem einzigen Sein verursacht wird (ratione subiecti, a quo causatur). Der Reihe nach widerlegte Bonaventura im Folgenden die genannten drei Möglichkeiten. Die Einheit im Sinn der ersten beiden Punkte würde einen hervorragenden Träger des aevum voraussetzen, dessen Funktion der des primum mobile für den Bereich der Zeit entsprach.11 Man konnte dabei entweder an ein erstes geistiges Wesen (einen ersten Engel) oder aber an das Empyreum als die alles Geschaffene umfassende Sphäre denken. Letzteres kam für den Doctor seraphicus nicht in Frage, denn das Empyreum war zwar der vornehmste unter den Körpern, doch die wesentlichen Eigenschaften des aeviternen Seins (Unsterblichkeit und Unveränderlichkeit) schienen für ihn zuerst an geistigen Substanzen auf. Insofern war das Empyreum kaum geeignet als Vorbild (Urbild) des aevum zu gelten. Konnte dann ein erster oder oberster Engel nicht diese Aufgabe erfüllen? Thomas von Aquin beschritt genau diesen Weg, um die Einheit des aevum zu begründen.12 Der Franziskaner jedoch wollte den Rekurs auf einen ersten Engel nicht gelten lassen.13 Im Hintergrund stand bei beiden das von Aristoteles formulierte Prinzip, dass das erste und vollkommenste Sein in einer Gattung das Maß für alle anderen darstellt.14 Doch Bonaventura konstruierte seine Angelologie nach anderen Prinzipien als der Aquinate. Zum einen wies er die Ansicht zurück, dass jeder Engel für 8 9

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Ebd., sc. 1 [II, 58]. Das ergab sich näherhin daraus, dass das aevum im eigentlichen Sinn eine quantitas ist und zu den Maßen zählt (vgl. oben S. 312 mit Anm. 79). Zu den damit verbundenen Schwierigkeiten, vgl. PORRO, Forme e modelli di durata, 165f. Die Summa Halensis ordnete das aevum zwar ebenfalls unter die Akzidenzien ein (vgl. I–1, 1, 2, 4, 3, 1 (65), arg. 4 & ad 4 [Ed. cit. I, 99f.101]), in der Frage nach der Einheit des aevum (Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 2 (66) [Ed. cit. I, 101–103]) kam dies aber nicht zum Tragen. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, fund. 2 [II, 58]: unitas accidentis venit ab unitate subiecti. Dies war von Bonaventura im Hinblick auf fremde Konzepte der Zeit gesprochen, denn er selbst bestritt ja gerade die konstitutive Funktion des primum mobile für die Zeit (vgl. oben den Abschnitt ab S. 266, einschränkend aber auch S. 176). Vgl. II Sent. 2, 1, 2, resp. [Ed. cit. II, 66f.] und S. th. I, 10, 6 [Ed. Leonina IV, 104f.]; in Quodlibet 5, 4, resp. [Ed. Leonina XXV, 371f.] wird die Frage nur ganz kurz gestreift (simplicissimum aeviternum est subiectum aevi, Z. 58f.). Ergänzend zum Responsum von II Sent. 2, 1, 1, 2 ist hier das Fundamentum 2 [II, 58] zu beachten. Vgl. dazu oben S. 205.

Einheit und Vielheit des aevum

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sich eine species darstellt (allein die discretio personalis machte für ihn den Unterschied zwischen den Engeln aus),15 zum anderen verstand er die Hierarchie der Engel nicht so, dass hier ein bestimmender Einfluss von oben nach unten ausgeübt würde, entscheidend war für ihn vielmehr die Gottunmittelbarkeit, in der die geistigen Substanzen stehen.16 Der Doctor seraphicus fällte damit eine Entscheidung gegen das strikt gestufte pseudo-dionysische Konzept17 und für das origenistische Modell18 der Angelologie, bei dem die Engel alle in demselben Grad an Vollkommenheit und Würde erschaffen worden sind.19 Die dritte Möglichkeit die Einheit eines Akzidens zu begründen war ex parte causae. Hier diskutierte Bonaventura zwei Varianten, die gewissermaßen die in Frage kommenden Extrempunkte absteckten: Die erste war die von der Summa Halensis vertretene Position.20 Sie erkannte im göttlichen Einfluss (divina influentia) die Einheit stiftende Ursache. Doch dies schien dem Doctor seraphicus nicht stichhaltig, denn als aktives Tun ist der göttliche Einfluss mit Gott selbst identisch und ist dann zwar einer, aber er hat nichts speziell mit dem aevum zu tun (auf diese Weise könnten alle Dinge eines genannt werden); als passives Erleiden der Geschöpfe hingegen vervielfältigt er sich.21 Als 15

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Vgl. II Sent. 3, 1, 2, 1, resp. [II, 103f.]. Die folgende Quaestio (3, 1, 2, 2, resp. [II, 106a]) stellte dabei eine interessante Querverbindung zwischen aevum und personalis discretio her: Letzterer wird ein der Substanz nahestehender Status eingeräumt (dicit per modum accidentis, tamen principaliter dicit quid substantiale). Daher ist nicht die Materie das Individuationsprinzip – auch wenn Bonaventura den Engeln Materialität (vgl. oben ab S. 259) zuschrieb, schien dies hier durchaus unangemessen. Die personale Unterschiedenheit orientiert sich vielmehr (wie die aeviterne Dauer) an der Form [II, 106b]: … importetur quid substantiale, et similiter accidentale consequens – hoc dico in creatura – non tamen importatur accidentale, quod causetur vel ortum habeat ab accidente, sed potius consequitur formam in materia, vel naturam in supposito. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 60a]: conservatio intelligentiarum immediate pendet ex Deo. Ähnlich III Sent. 2, 1, 1, ad 2 [III, 38]: rationalis creatura immediate in Deum ordinatur. Vgl. hierzu auch oben Anm. 82, S. 313. Vgl. De caelesti hierarchia 10 [PTS 36, 40f.]. Vgl. De principiis I, 8, 2 [SChr 252, 222, Z. 34 – 224, Z. 44]; die Rangfolge kam demnach erst durch das Verhalten der Engel (ihre Verdienste, ihren Eifer, ihre Tugend) zustande. Thomas von Aquin (S. th. I, 10, 6, resp. [Ed. Leonina IV, 104]) traf genau die umgekehrte Entscheidung; vgl. PORRO, Forme e modelli di durata, 201 mit Anm. 85. – Neben dieser Grundentscheidung flankierten zwei weitere Argumente Bonaventuras Ablehnung des ersten Geistwesens als des eigentlichen Maßes des aevum: (1) Hinsichtlich der reinen Extension der Dauer gibt es keinen Unterschied zwischen den Engeln (sie sind ja alle zugleich erschaffen worden) und (2) vor seinem Fall war Luzifer der oberste der Engel (vgl. II Sent. 6, 1, 1 [II, 161f.]), mit ihm wäre dann auch das Fundament des aevum zusammengebrochen. – Diese letztere Beobachtung war eines der immer wiederkehrenden Hauptargumente im Diskurs um die Einheit des aevum (vgl. PORRO, Forme e modelli di durata, 190). Vgl. unten Anm. 26. Im Hintergrund steht in diesem Fall ein von Boethius, Cons. IV, 6, 17 [CC.SL 294, 81] genommenes Diktum: Igitur uti est … ad aeternitatem tempus …, ita est fati series mobilis ad providentiae stabilem simplicitatem (oder in der Summa Halensis: Sic se habet fatum ad providentiam divinam,

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Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

zweite Möglichkeit ging Bonaventura auf die zuvor für die Zeit reklamierte Begründung der Einheit in der Materie ein, doch dagegen sprach – wie bereits gesehen22 –, dass der Seinsgrund des aevum für ihn gerade nicht in der mutabilitas der Materie lag, sondern vielmehr in der Unveränderlichkeit der Form. Nachdem Bonaventura für das aevum alle drei Wege, auf denen man die Einheit begründen könnte, ausgeschlossen hatte, blieb nur noch, dass das aevum lediglich eine spezifische Einheit besitzt: Wie die Menschheit eine ist, obwohl es viele Menschen gibt, so ist auch das aevum als abstrakter Begriff ein einziges. Dies ist die unitas universalitatis, die jeder eine Gattung oder Art bezeichnende Allgemeinbegriff besitzt.23 Unter dem Aspekt der mensura entsprach dies der Auffassung des aevum als eines rein intrinsischen Maßes, das sich mit den von ihm gemessenen Seienden vervielfältigt.24 Der Doctor seraphicus dokumentierte damit erneut seine Absicht, das aevum möglichst von der aeternitas abzusetzen. Darin unterschied er sich von der Summa Halensis, denn diese verstand das aevum nach dem (Ur-)Bild der einen aeternitas.25 Deswegen wollte sie auch nicht bei der Vervielfältigung des aevum secundum accidens stehenbleiben, sondern suchte nach weiteren Wegen, die Einheit des aevum zu begründen.26

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ut tempus ad aeternitatem). – Als von Gott ausgehende ist die Vorsehung eine einzige, als dem Individuum zugedachte ist sie vielfältig. Ohne den Satz selbst zu nennen, korrigierte Bonaventura hier sanft den logischen Fehler der in der Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 2 (66), sol. [Ed. cit. I, 102a] gefundenen Begründung: Das Diktum kann nicht auf das Verhältnis des aevum zu sich selbst angewendet werden, sondern höchstens auf das Verhältnis von aevum und aeternitas. Vgl. oben S. 313. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 60b]: Unde sicut linea in corporibus quantumcumque diversis ponitur eadem specie, sic aevum habet unitatem universalis, non unitatem, quam habet tempus. Et sic concedendae sunt rationes probantes, non esse unum aevum aeviternorum, sed multa. Ebd., ad 1 spricht von der unitas universalitatis sive conformitatis (vgl. zur Summa Halensis Anm. 26 unten). Die umgekehrte Sicht, das aevum als mensura extrinseca zu verstehen, wurde zurückgewiesen, vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, sc. 3 & ad 3 [II, 58.60]. Vgl. den Schlusssatz der Quaestio, Summa Halensis I–1, 1, 2, 4, 3, 2 (66) [Ed. cit. I, 103b]: unde proximius [aevum] se conformat aeternitati et magis naturam illius participat quam tempus. Vgl. ebd. per totum; in zwei verschieden Anläufen bemühte sie sich, die Einheit des aevum zu erweisen. Schon in dem diffusen Aufbau der Quaestio mag man hier das Suchen und Ringen um eine geeignete Begründung erkennen. Der erste Ansatz nahm als Vorbild jene Einheit, die die Dinge in der göttlichen Ursache besitzen. Für Zeit und aevum gilt dann: … erit tempus unum, non ab unitate temporalium, quae mensurantur tempore … sed ab unitate causae, quae est influentia seu virtus durationis ab aeternitate, secundum quod res sunt in participatione aeternitatis; simili modo unitas aevi, in quo est primo et principaliter influentia virtutis durationis ab aeternitate [Ed. cit. I, 102a]. – Der zweite Anlauf (der trotz des unterschiedlichen Ergebnisses der Idee Bonaventuras sehr nahe kam) sprach sich in der Frage, ob Einheit oder Vielheit vorliegt, für ein et – et aus, wobei er an die Stelle der unitas essentiae eine in der „Gleichförmigkeit“ bestehende Einheit setzte: Aliter potest dici quod sunt plura aeva, scilicet secundum pluralitatem aeviternorum, nec habent unitatem essentiae nec ab hac unitate unum dicitur aevum. Potest tamen dici unum ab unitate conformitatis, quia omnia aeva, distincta secundum distinctionem aeviternorum, conformitatem habent in imitatione aeternitatis et temporis [Ed. cit. I, 103a].

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Das aevum als die Zeit der Seligen

Drei Dinge werden nach Bonaventura vom aevum gemessen: das Empyreum,1 die Engel2 und die Seligen.3 Vom Empyreum war bereits oben ausführlich die Rede,4 und die Engel als das Modell aeviternen Seins waren bei den vorausgehenden Erörterungen über das aevum sowieso immer im Blick. Es bleibt also, noch einiges über den anthropologischen – und damit auch über den eschatologischen – Horizont der Frage nach dem aevum zu sagen. Die Textbasis ist hier bei weitem nicht so groß, wie man vielleicht erwarten würde: Die im Rahmen des aevum sonst herangezogenen Stellen von II Sent. (d. h. die Distinctio 2, Pars 1) sind ganz auf die Angelologie konzentriert und bieten dazu nur einige knappe Anmerkungen. Im Rahmen des eschatologischen Teils von IV Sent. (ab der Distinctio 43, eingeschlossen die Distinctio 49, die von der Seligkeit handelt) ist das aevum nur indirekt ein Thema.5 Dennoch lohnt sich eine nähere Betrachtung, denn wenn sich auch manches, was über das aevum allgemein oder in Bezug auf die Engel gesagt wurde, ohne weiteres auf den Menschen übertragen lässt, so ergeben sich doch einige Besonderheiten, die der Beachtung wert sind. Die conditio des Menschen ist gegenüber den Engeln vor allem durch zwei Besonderheiten geprägt, die eine liegt in seiner Natur, die andere beruht auf einer freien Wahl. Gemeint sind seine Konstitution als leib-seelische Einheit und der Fall des Menschen in die Sünde. Die tiefgreifenden Auswirkungen des Letzteren können hier nur kurz angerissen werden. Entscheidend ist: Die uranfängliche Abkehr von Gott hat nicht nur für den Menschen selbst fatale Konsequenzen, sondern die Welt als ganze ist davon betroffen. Um diesen Zusammenhang zu verstehen, ist es nötig, die besondere Stellung 1 2 3 4 5

Vgl. II Sent. 12, dub. 1 [II, 307]: … quia caelum empyreum completum erat et immutabile et habebat mensurari aeviternitate cum suis contentis. Vgl. z. B. II Sent. 2, 1, 1, 1 [II, 55–57]. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, sc. 5 & ad 5 [II, 55.57]: … homo beatus et angelus mensurantur eadem mensura, quia omnes beati. Vgl. den Abschnitt ab S. 52. COVA, Tempus non erit amplius untersuchte zwar nicht unmittelbar das aevum, sondern die zeitlichen Aspekte besonders des verherrlichten Leibes, doch auch er musste feststellen: «Bonaventura, per la verità, tematizza il problema appena nell’ultimo articolo della distinzione XLIX, dedicata alla beatitudine …» (49).

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Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

des Menschen im Schöpfungsplan genauer zu bedenken.6 Sie ergibt sich daraus, dass die Schöpfung insgesamt dazu geschaffen ist, um die Macht und Größe des Schöpfers zu loben, die Herrlichkeit des höchsten Lichtes zu zeigen und an seiner überfließenden Güte Anteil zu nehmen. Als Spuren Gottes (vestigium) weisen alle geschaffenen Dinge auf ihren Schöpfer, seine Wahrheit und Güte hin, und loben so Gott.7 Doch auf vollkommene Weise ist dies nur einer geistbegabten Natur möglich, die nicht nur durch ihr Dasein und ihre Ordnung allein Gott lobt, sondern diesem Lob im Herzen zustimmt, seine Größe erkennt und seine Güte dankbar gebrauchend annimmt.8 Mit anderen Worten: Die geistbegabte Kreatur, die nicht nur Spur (vestigium), sondern Bild (imago) Gottes ist, kann dem Schöpfungsziel besser entsprechen, weil sie in ihrem Existenzvollzug einen Willen und Verstand umfassenden Akt der bewussten Zustimmung setzen kann.9 Für das Verhältnis des Menschen zur übrigen Schöpfung bedeutete dies: Die sinnliche Welt (mundus sensibilis) ist ein Spiegel Gottes, der dem Menschen das staunende Lob des Schöpfers entlockt, und gerade darin (d. h. in dem Spiegel-Sein) besteht ihr Sinn, ihre Seligkeit und ihre Vollendung.10 Der Mensch und die sinnliche Welt sind aufeinander verwiesen und brauchen sich gegenseitig, um jeweils den Sinn ihrer Existenz 6 7 8

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Es handelt sich hier um die Sicht Bonaventuras, die viele traditionelle, aber auch sehr originelle Positionen umfasst; diese je für sich herauszuarbeiten, würde an dieser Stelle zu weit führen. Vgl. z. B. Itin. I, 10 [V, 298]: Relucet autem Creatoris summa potentia et sapientia et benevolentia in rebus creatis … Vgl. II Sent. 16, 1, 1, resp. [II, 394]: Deus enim universa propter semetipsum operatus est, ita quod, cum sit summa potestas et maiestas, fecit omnia ad sui laudem; cum sit summa lux, fecit omnia ad sui manifestationem; cum sit summa bonitas, fecit omnia ad sui communicationem. Non est autem perfecta laus, nisi adsit qui approbet; nec est perfecta manifestatio, nisi adsit qui intelligat; nec perfecta communicatio bonorum, nisi adsit qui eis uti valeat. Et quoniam laudem approbare, veritatem scire, dona in usum assumere non est nisi solummodo rationalis creaturae; ideo non habent ipsae creaturae irrationales immediate ad Deum ordinari, sed mediante creatura rationali. Ipsa autem creatura rationalis, quia de se nata est et laudare et nosse et res alias in facultatem voluntatis assumere, nata est ordinari in Deum immediate. – Zum Menschen als Ziel der gesamten Schöpfung vgl. auch GILSON, Philosophie des hl. Bonaventura, 342f. Vgl. Marianne SCHLOSSER, Kommentar, in: Bonaventura, Itinerarium mentis in Deum – Der Pilgerweg des Menschen zu Gott, übs. u. erl. von Marianne Schlosser, Münster 2004, 113–186, hier 122 zur Unterscheidung von imago und vestigium: „Auf welche Weise etwas Geschaffenes den Schöpfer widerspiegelt, ist mit dessen mitwirkender Gegenwart im Existenzvollzug des Geschöpfes verknüpft: Gott ist als Schöpfer allen Geschöpfen gegenwärtig; denn er erhält sie im Sein; den mit Vernunft und freiem Willen ausgestatteten Geschöpfen ist er aber auch als Maßstab der Wahrheit und höchstes Gut gegenwärtig.“ Vgl. Brev. II, 4 [V, 221f.]: … ad quam [scil. animam humanam] ordinatur et terminatur appetitus omnis naturae sensibilis et corporalis, ut per eam quae est forma, ens, vivens, sentiens et intelligens, quasi ad modum circuli intelligibilis reducatur ad suum principium, in quo perficiatur et beatificetur. … Et propterea indubitanter verum est, quod sumus finis omnium eorum quae sunt; et omnia corporalia facta sunt ad humanum obsequium, ut ex illis omnibus accendatur homo ad amandum et laudandum Factorem universorum, cuius providentia cuncta disponuntur.

Das aevum als die Zeit der Seligen

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zu erfüllen.11 Aus dieser Perspektive betrachtet, bestand die Ursünde des Menschen darin, die Schöpfung nicht mehr als einen Verweis auf Gott zu lesen. Indem der Mensch seine Mittleraufgabe nicht wahrnahm, schadete er der gesamten Schöpfung, weil er damit nicht nur sich selbst, sondern auch der übrigen sinnlichen Schöpfung das Ziel nahm.12 Entsprechend wirkte sich der Fall des Menschen nicht nur auf ihn selbst aus, sondern auf das ganze Universum:13 Er selbst fiel von der Höhe der Ebenbildlichkeit (similitudo) herab, sein Erkenntnisvermögen verdunkelte sich, sein Strebevermögen verkehrte sich zur Begehrlichkeit und er verlor die Fähigkeit zur contemplatio in Ruhe ebenso wie seine Rechtheit (rectitudo).14 Als ihres Zieles beraubt, geriet die ganze sinn11

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Vgl. dazu etwa auch FISCHER, De Deo trino et uno, 333–335, bes. 334: „so ergibt sich der überraschende Sachverhalt, daß der Mensch, da er durch Gottes Schöpfung heimgeführt wird, selber erschaffen ist, Gottes Schöpfung heimzuführen.“ – Man kann gegen diese gegenseitige Abhängigkeit nicht einwenden, dass der Mensch ja noch andere Möglichkeiten und Anlässe hat, den Schöpfer zu loben, etwa im Blick auf sich selbst oder auf Gott (gemäß den drei „Perspektiven“ des Itinerarium: extra, intra und supra – vgl. Itin. I, 2 [V, 297], aber etwa auch Tripl. add. 3, 4 [VIII, 20]). Die Welt „außerhalb“ mag die unterste Stufe der Leiter zu Gott sein, aber für den Menschen als sinnliches Wesen ist gerade sie notwendig. Umgekehrt können auch nicht die Engel die originäre Aufgabe des Menschen übernehmen, Gott aus der sinnlichen Schöpfung zu loben. Das liegt daran, dass die Erkenntnis der Engel nicht von den sinnenfälligen Körpern selbst aktuiert wird, sondern durch angeborene species, die sie von Gott selbst empfangen haben. Sie erkennen die sinnlichen Dinge also nicht in ihrem Selbststand, sondern in der göttlichen Kunst (ars aeterna). Vgl. hierzu Brev. II, 11 [V, 229a]: quia primum principium fecit mundum istum sensibilem ad declarandum se ipsum, videlicet ad hoc, quod per illum tanquam per speculum et vestigium reduceretur homo in Deum artificem amandum et laudandum. Et secundum hoc duplex est liber, unus scilicet scriptus intus, qui est aeterna Dei ars et sapientia; et alius scriptus foris, mundus scilicet sensibilis. Cum igitur esset una creatura, quae sensum habebat intus ad cognitionem libri interioris, ut Angelus; et alia, quae totum sensum habebat foris, ut quodlibet animal brutum: ad perfectionem universitatis debuit fieri creatura, quae hoc sensu duplici esset praedita ad cognitionem libri scripti intus et foris, id est Sapientiae et sui operis. – Zur Erkenntnis der Engel vgl. z. B. GILSON, Philosophie des hl. Bonaventura, 283–286. Vgl. Brev. VII, 4 [V, 284f.]: Quoniam ergo Deus secundum sapientiam suam ordinatissimam cunctum mundum istum sensibilem et maiorem fecit propter mundum minorem, videlicet hominem, qui inter Deum et res istas inferiores in medio collocatus est; hinc est, quod ut omnia sibi invicem congruant, et habitatio cum habitatore habeat harmoniam, homine bene instituto, debuit mundus iste in bono et quieto statu institui; homine labente, debuit etiam mundus iste deteriorari; homine perturbato, debuit perturbari; homine expurgato, debuit expurgari; homine innovato, debuit innovari; et homine consummato, debuit quietari. Primo ergo, quoniam mundus iste perturbari debet, homine perturbato, sicut stetit cum stante et quodam modo cecidit cum labente. Serm. temp., Dominica III. Adventus, Sermo 2 [IX, 61b] zählte als letzte Folge der Ursünde auf: Item, discordia fuit inter hominem et universum orbem. Im Blick darauf stellte HAYES, The Hidden Center, 167 fest: “Sin involves both a moral and a cosmic dimension”. Vgl. z. B. Brev. III, 5 [V, 234]: Modus autem, quo genus humanum per originale peccatum corrumpitur, hic est. … Propter cuius [scil. rectitudinis originalis iustitiae] absentiam incurrimus quantum ad animam quadruplicem poenam, scilicet infirmitatem, ignorantiam, malitiam et concupiscentiam; quae quatuor inflicta sunt propter originale peccatum; quas sane poenas spirituales comitatur in corpore multiplex poenalitas, multiplex defectus, multiplex labor, multiplex morbus et

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Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

liche Schöpfung darüber in eine Unruhe und eine Unordnung; mehr noch, als ein Buch, das von seinem Schöpfer erzählt, war sie regelrecht zerstört.15 Daraus ergab sich die Notwendigkeit der Wiederherstellung (reparatio) und Erneuerung (renovatio) nicht nur des Menschen, sondern des ganzen Kosmos. Als Heils- und Erlösungswerk Gottes wird sie im Jüngsten Gericht ihren Abschluss finden.16 Wie lässt sich nun das aevum in den eben gezeichneten Rahmen einordnen? Zunächst bemerkt man, dass die Seligkeit die Gemeinsamkeit ist, durch die die aeviternen Substanzen verbunden sind.17 Seligkeit war für Bonaventura in ihrem objektiven Gehalt mit Gott selbst identisch.18 Als subjektive Seligkeit (das heißt als Zustand des seligen Menschen) umfasste sie für ihn die drei Akte der Schau (visio), der Liebe (dilectio) und des beseligenden Besitzes (comprehensio sive tentio sive fruitio) Gottes.19 Diese waren den

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multiplex dolor. Ad has poenas subsequitur poena mortis et incinerationis, poena carentiae visionis Dei et amissionis gloriae caelestis, … Ähnlich Itin. I, 7 [V, 297f.]: Secundum enim primam naturae institutionem creatus fuit homo habilis ad contemplationis quietem, … Sed avertens se a vero lumine ad commutabile bonum, incurvatus est ipse per culpam propriam, et totum genus suum per originale peccatum, quod dupliciter infecit humanam naturam, scilicet ignorantia mentem et concupiscentia carnem; ita quod excaecatus homo et incurvatus in tenebris sedet et caeli lumen non videt, … – THAUT, Zeit, Geschichte, Ewigkeit, 15 hatte recht, wenn er die obengenannten Auswirkungen der Urschuld auch von der Mittlerfunktion des Menschen her verstand („Seine Rechtheit, die die Ordnung der Welt auf die Ewigkeit vollenden sollte, ist zerstört.“). Vgl. IV Sent. 48, dub. 2 [IV, 995]: … turbulentia est in mundo propter peccatum hominis … und Hex. III, 1 (13), 12 [V, 390]: Cadente autem homine, cum amisisset cognitionem, non erat, qui reduceret eas in Deum, unde iste liber, scilicet mundus, quasi emortuus et deletus erat. Vgl. ebd. [Ed. Delorme, 150]: Cadente etiam homine, non est qui reducat creaturas ad laudem Dei. Unde mundus erat quasi liber quidam deletus … Auch hier kann auf den Unterschied zwischen Engeln und Menschen hingewiesen werden: Der Fall der Engel fand in einer rein geistigen Sphäre statt, zu deren Struktur es auch gehört, dass die getroffene Entscheidung endgültig ist, eine Erlösung war hier von vorneherein ausgeschlossen. Die reparatio konnte hier höchstens darin bestehen, dass die seligen Menschen die gefallenen Engel ersetzen. Vgl. dazu z. B. Brev. II, 5 [V, 223b]: Et quoniam Angeli sic conditi sunt, ut labentes nullatenus reparentur, sicut apparebit in sequentibus; ideo tacetur secundum litteram exteriorem Angelorum lapsus et conditio, quia non debebat subsequi reparatio. Unter diesem Aspekt sei auch noch einmal auf Anm. 82, S. 313 hingewiesen. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, sc. 5 [II, 55]: homo beatus et Angelus mensurantur eadem mensura, quia omnes beati. Das Empyreum besitzt die aeviternitas gewissermaßen als Folge daraus, denn als habitaculum beatorum muss sich seine Form der Zeitlichkeit der ihren angleichen (vgl. oben S. 56). Vgl. IV Sent. 49, 1, 1, 1, resp. [IV, 1000f.]. Vgl. IV Sent. 49, 1, 1, 5, resp. [IV, 1009b]: Et ideo aliter dicendum, quod omnes vires, quae habent per gratiam actum in Deum, habebunt per gloriam actus perfectos, evacuatis imperfectis. Unde rationalis, cuius est modo credere per fidem, tunc videbit aperte; concupiscibilis, cuius est amare, diliget tunc perfecte; irascibilis, cuius est erigi et inniti per spem, tunc tenebit continue et certe. Unde secundum hos tres actus distinguuntur tres dotes scilicet visio, dilectio, comprehensio sive tentio sive fruitio per appropriationem, nam fruitio ista tria complectitur. Man vgl. auch Trin. 7, 2, resp. [V, 111]: … hinc etiam est, quod ipsum [scil. Deus trinus] est summe beatificativum per influentiam: quia affectus noster non quiescit nisi in summe amabili vacando, et intellectus non nisi in

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drei seelischen Vermögen des Verstandes, des mutigen und des begehrenden Wollens (rationalis, concupiscibilis, irascibilis) zugeordnet. Dadurch sollte betont werden, dass der ganze Mensch mit allen seinen Kräften zur Seligkeit berufen ist. Die Verbindung mit dem aevum zeigt sich vor allem in dem grundlegenden Akt der tentio, denn in ihm scheint auf, dass zur Seligkeit der dauerhafte, keinem Ende und keinem Wechsel unterworfene „Besitz“ gehört. Wie Bonaventura sagte: Beatus enim est ille qui omnia optata sine timore amittendi perpetuo possidet … quia in beatitudine nulla est variabilitas, nulla temporalis successio.20

Das aevum aber misst den Menschen gerade als vollkommenen, als einen, der aus der Bewegtheit des diesseitigen Lebens eingetreten ist in die Ruhe des Schauens Gottes; es entspricht dem Verharren eines ans Ziel Gekommenen, der nicht mehr fürchten muss, dass er das Erreichte jemals wieder verliert, und der so der Ewigkeit nahe ist.21 Nimmt man zudem die von Bonaventura gezogene Verbindung der Akte der Herrlichkeit mit den theologischen Tugenden ernst, dann ist der irdischen Zeit die Hoffnung zugeordnet; sie zielt hin auf die mit Ewigkeit verbundene tentio, in der das Erhoffte in einen dauernden Besitz übergeht.22 Zwei weitere in der beatitudo enthaltene Momente zeigen die Verbindung mit dem Konzept des aevum. Es ist erstens der Aspekt der Ruhe (quies): Wie die Seligkeit verstanden wird als Beruhigung in der Schau, in der Liebe und im „Besitz“ Gottes,23 so ist das aevum eine durch Ewigkeit beruhigte Zeit, deren Stabilität der gewöhnlichen fließenden Zeit gegenübersteht.24 Zweitens ist es der Gedanke der Vollkommenheit (perfectio): Aeviternitas ist nach dem Vorbild der göttlichen aeternitas das Maß einer res per-

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summe infallibili et certo; ac per hoc in eo solo beatificari possumus, quod simul est necessarium et voluntarium, quod solum natum est sapidissime amari, certissime cognosci et securissime possideri. Ähnlich auch I Sent. 1, 2, 1, ad 2 [I, 37]. Eine etwas andere Einteilung (visio, fruitio, tentio) bot Brev. VII, 7 [V, 288f.]: Praemium, inquam, substantiale consistit in visione, fruitione et tentione unius summi boni, scilicet Dei, quem Beati videbunt facie ad faciem, hoc est nude et sine velamine; quo fruentur avide et delectabiliter, quem etiam tenebunt sempiternaliter, ut sic verificetur illud Bernardi, quod «Deus futurus est rationi plenitudo lucis, voluntati multitudo pacis et memoriae continuatio aeternitatis». Serm. temp., Dominica II. post Pentecosten, Sermo 1 [IX, 359a]. Vgl. dazu noch einmal die Erklärung der succesio im aevum in II Sent. 2, 1, 1, 3, ad 7 [II, 63]: Quod obiicitur de exspectatione, dicendum, quod, sicut est successio non per novi acquisitionem, sed per prius dati continuationem, ita etiam est exspectatio non novi habendi, sed continuationis prius habiti, quod quia iam habent, et certi sunt se habituros, ideo potius dicitur tentio et comprehensio quam exspectatio. Vgl. die vorausgehende Anmerkung und Anm. 19. Vgl. noch einmal Trin. 7, 2, resp. [V, 111]: quia affectus noster non quiescit nisi in summe amabili vacando, et intellectus non nisi in summe infallibili et certo …; in I Sent. 1, 2, 1, ad 2 [I, 37] wird die Ruhe speziell mit der Liebe verbunden: Nam visio disponit, similiter et tentio, sed amor delicias suggerit. Unde est quasi acumen penetrans, et ideo ei maxime convenit unire et per consequens delectare et quietare. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56b]: Cum enim aevum esse stabile et quietum respiciat …

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fecta.25 Gemäß dem Ziel der Schöpfung, das in der Ausrichtung auf Gott besteht,26 wird eben diese Vollkommenheit in der Seligkeit erlangt.27 Im Umkehrschluss bedeutet dies freilich auch, dass nur der selige Mensch unter der Dauer des aevum steht.28 Der Gedanke, dass das aevum im Gegensatz zur Zeit nicht von der Materie, sondern von der Form abhängt, gewinnt hier konkrete Gestalt. Der Mensch im Pilgerstand, als viator, wird in seinem Sein von der Zeit gemessen, nicht nur aufgrund seiner Vergänglichkeit (die bestehende Einheit von Leib und Seele wird ja zerfallen), sondern auch und vor allem, weil er noch unterwegs ist zu seiner vollkommenen Form, weil er auf der mystischen Stufenleiter vom Zeitlichen zum Ewigen noch nicht zur Spitze gelangt ist.29 Gleichwohl verstand Bonaventura die Geistseele an sich auch in statu viatoris als aeviternes Abbild Gottes.30 Eben dadurch zeigt sich der gegenwärtige Zustand des Menschen als ein eklatantes Missverhältnis, das eine unmittelbare Folge des Sündenfalls darstellt: 31 Die Seele, die dazu berufen ist, Gott zu schauen und die in ihrer Unsterblichkeit und Unvergänglichkeit von Natur aus Anteil an der Ewigkeit Gottes hat, kann jetzt den Leib nicht mehr vor dem Tod bewahren; und da der Mensch als Einheit von Leib und Seele existiert, wird er damit als ganzer sterblich. Für das Verständnis dieser letzten Aussage ist es wichtig, die Aufmerksamkeit noch einmal besonders auf den leiblichen Aspekt der Unsterblichkeit zu richten. Für Bonaventura ist ganz aristotelisch die Seele die Form des Leibes, über Aristoteles hinaus geht dabei die Vorstellung, dass diese Form nicht eine abtrennbare forma separata ist, sondern mit dem Leib eine substantiale Einheit bildet.32 Es ist demnach falsch zu sagen, 25 26 27 28 29

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Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, fund. 4 [II, 58b]: aevum est mensura rei perfectae …, so wie vor allem gilt aeternitas est perfecta (I Sent. 19, 1, dub. 4, resp. [I, 351]). Vgl. II Sent. 16, 1, 1, resp. [II, 394] (zitiert oben Anm. 8, S. 320). Nach IV Sent. 49, 1, 1, 5, resp. [IV, 1009a] bestand die Seligkeit darin, quod anima perfecte gaudeat de Deo, scilicet perfecta visio, perfecta dilectio et perfecta ipsius fruitio. Wie ja auch die gefallenen Engel nicht mehr vom aevum gemessen werden, was sich unmittelbar aus dem Argument II Sent. 2, 1, 1, 2, fund. 3 [II, 58] ergibt. Vgl. Itin. I, 6 [V, 297]: Iuxta igitur sex gradus ascensionis in Deum sex sunt gradus potentiarum animae, per quos ascendimus ab imis ad summa, ab exterioribus ad intima, a temporalibus conscendimus ad aeterna … Vgl. Itin. I, 2 [V, 297]: Oportet, nos transire per vestigium, quod est corporale et temporale et extra nos, et hoc est deduci in via Dei; oportet, nos intrare ad mentem nostram, quae est imago Dei aeviterna, spiritualis et intra nos, et hoc est ingredi in veritate Dei; oportet, nos transcendere ad aeternum, spiritualissimum et supra nos, aspiciendo ad primum principium … Die Unsterblichkeit der Seele wurde außerdem ausführlich in II Sent. 19, 1, 1f. [II, 457–464] behandelt. Vgl. II Sent. 30, 1, 1, fund. 4 [II, 714b]: sed duratio et conservatio corporis secundum statum praesentis miseriae est improportionabilis animae, quae est eius forma, quia hoc est temporale, illud perpetuum. Zu dieser improportionalitas ausführlicher unten S. 326, insbesondere Anm. 39. Aristoteles’ Bestimmung der Seele als Form und Vollendung (Entelechie) des Körpers findet sich etwa in De anima II, 1 [412a 19–21]. Dass die Geistseele entgegen den niedrigeren „Seelenteilen“ abtrennbar ist, vermutete er in De anima II, 2 [413b 24–27]: περὶ δὲ τοῦ νοῦ καὶ τῆς θεωρητικῆς δυνάµεως οὐδέν πω φανερόν, ἀλλ’ ἔοικε ψυχῆς γένος ἕτερον εἶναι, καὶ τοῦτο µόνον ἐνδέχεται χωρίζεσθαι, καθάπερ τὸ ἀΐδιον τοῦ φθαρτοῦ. Diese Vermutung wurde in De anima III, 5 [430a

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dass die Sterblichkeit des Menschen von seinem Körper verursacht ist und der Körper als solcher notwendig zugrunde gehen muss.33 Nach Bonaventura ist es vielmehr so, dass der Körper, obwohl er der schwächere und hinfälligere der beiden Teile ist, durch die leitende, ordnende und bewahrende Kraft der Seele (gestützt von der göttlichen Gnade) sehr wohl vor dem Tod bewahrt werden konnte. Erst als der Mensch durch die Sünde der Gnade verlustig ging, nahm das Unglück seinen Lauf.34 Ursprünglich (und dann wieder in der Glorie) stellt der Mensch ein wohlgeformtes Ganzes in perfekter Harmonie von Leib und Seele dar; die dieser Ausgewogenheit innewohnende Stabilität – die nicht aus der Natur selbst kommt, sondern immer auch der bewahrenden und erhaltenden Kraft Gottes bedarf – hat das aevum als adäquates Maß des Dauerns.35 Indem aber der Mensch versuchte, sich auf sich selbst zu stellen, und die radikale Abhängigkeit von Gott nicht anerkennen wollte, geriet er in eine bedenkliche Schieflage.36 Nicht

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17f.] bestätigt: καὶ οὗτος ὁ νοῦς χωριστὸς καὶ ἀπαθὴς καὶ ἀµιγὴς, … Bonaventura traf, was das Wesen der Seele angeht, zunächst dieselbe Feststellung: consideratur enim anima ut forma et perfectio corporis (Don. VIII, 13 [V, 496b]), er legte dies aber ganz anders aus als Aristoteles: Die (Vernunft-)Seele ist nicht nur locker mit dem Leib verbunden, sondern Seele und Leib sind aufeinander angewiesen und bezogen; der Leib ist förmlich dazu geschaffen und in vielfältiger Hinsicht darauf ausgerichtet eine Seele aufzunehmen. Vgl. dazu Brev. II, 10 [V, 228a]: … corpus primi hominis sic conditum fuit … ut tamen esset animae subiectum et suo modo proportionabile … Ut vero ibidem manifestaretur Dei sapientia, fecit tale corpus, ut proportionem suo modo haberet ad animam. Quoniam ergo corpus unitur animae ut perficienti et moventi et ad beatitudinem sursum tendenti; ideo, ut conformaretur animae vivificanti, habuit complexionem aequalem … quae disponit ad nobilissimum modum vitae. Die Affinität von Leib und Seele ist dabei durchaus eine zweiseitige; nicht nur der Leib sucht nach Überformung und Vollendung durch die Seele, auch die Seele bedarf des Leibes, denn mit ihm konstituiert sie den einen Menschen. Vgl. hierzu II Sent. 19, 3, 1, arg. 4 [II, 468b]: anima habet continuum appetitum ad corpus, et e converso. Schließlich kann die vom Leib getrennte Seele nicht vollkommen selig sein, vgl. Brev. VII, 7 [V, 289b]: … nec naturalis appetitus patitur, quod anima sit plene beata, nisi restituatur ei corpus, ad quod resumendum habet inclinationem naturaliter insertam. So sagte Brev. II, 10 [V, 228a]: [Corpus primi hominis sic conditum fuit, ut] esset etiam immutabile ad omnimodam incorruptionem, non interveniente morte. Andersherum ausgedrückt (wie es die Sichtweise von II Sent. 19, 3, 1 [II, 468–471] war): Die Unsterblichkeit kommt dem Menschen kraft seiner eigenen Natur nur als Möglichkeit oder Tauglichkeit (aptitudo) zu, die tatsächliche Verfassung (dispositio) ist Gnadengeschenk in Form der iustitia originalis, merito cuius erat in anima vis totius corporis contentiva (ebd., ad 3 [II, 470]). Das sieht man vielleicht am besten, wenn man sich noch einmal die Aussage über das aevum aus II Sent. 2, 1, 1, 3, resp. [II, 62b] vor Augen hält: in esse rei aeviternae quod primo datum est per continuam Dei influentiam continuatur. Nulla enim aevi creatura est omnino actus, nec aliqua eius virtus, unde continue indiget divina virtute cooperante. Dem entspricht vollständig, was Bonaventura über die ursprüngliche Unsterblichkeit sagte: Anima autem, etsi sit secundum suam originem idonea ad immortalitatem, non tamen potest sufficienter se continuare in esse, nisi conservetur a summo Auctore (II Sent. 19, 1, 1, ad 1 [II, 460b]). Bonaventura sprach hier selbst von einer obliquitas, die dann die passio des Menschen zur Folge hat. Vgl. II Sent. 30, 1, 1, ad 1 [II, 716a].

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Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

nur das (gesamt-)seelische Leben verlor dabei teilweise seine Ordnung,37 auch die Bestandteile des Körpers wirkten nicht mehr gemeinsam, sondern gegeneinander und gegen die Herrschaft der Seele.38 Im Bild gesagt: Der Mensch hatte das Gleichgewicht verloren. Die Ruhe und Stabilität des aevum waren nun nicht mehr sein Teil, sondern es beginnt eine Bewegung, in der versucht wird, die ursprüngliche Lage wiederzuerlangen, und die das Sein des Menschen der Zeit unterstellt. Auch hier zeigt sich ein Missverhältnis, denn die Zeit – eigentlich das Maß akzidenteller Veränderungen – greift jetzt in einen Bereich hinein, in den sie nach dem Willen Gottes nicht hineingreifen sollte, nämlich in die Substanz des Menschen.39 Die Unsterblichkeit, die der Mensch im Urstand besaß, wird ihm in der Herrlichkeit wieder zuteil:40 Die durch die Sünde verursachte Disproportion zwischen Seele und Leib wird dann beseitigt sein, der Auferstehungsleib ist wiederum unvergänglich.41 Im Grunde gelten hier ähnliche Überlegungen wie für das Empyreum, das als Wohnort der Seligen, dem Zustand der beatitudo entsprechen musste. Bonaventura ging noch einen Schritt weiter, wenn er dem Leib gewissermaßen seine eigene Seligkeit zugestand, die durch die Seele vermittelt wird.42 Das Verständnis des Menschen als eines leib-seelischen Wesens führt hier zu einem intensiven wechselseitigen Bezug beider Größen, denn die Seligkeit, die als Freude über die empfangenen Güter eine geistige Qualität darstellt und deswegen in erster Linie der Seele zukommt, strömt hinüber (redundat) in 37

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In diesem Sinn sagte Bonaventura etwa in den Hex. I, 4 (7), 7 [Ed. Delorme, 101]: Hoc autem non potest fieri per virtutes quomodo Philosophi eas tradiderunt: potest enim cum eis simul inesse timor pusillanimis, dolor iniustus, laetitia inepta, fiducia praesumptuosa, et tunc est obliqua. Vgl. II Sent. 19, 2, 1, ad 2 [II, 466]: Secundum statum enim naturae lapsae [contraria in compositione corporis] non solum agunt in aliquod extrinsecum, sed etiam ad invicem mutuo agunt et patiuntur … Brev. II, 10 [V, 228b] sprach von der pugna rebellionis des Körpers gegen die Seele. Mit BIGI, La dottrina della temporalità, 484: Er sah das bestehende Missverhältnis darin, dass im Menschen die beiden verschiedenen Zeitformen tempus und aevum gleichzeitig gegenwärtig sind («nell’uomo sono intimamente presenti due diverse durate e due diverse misure»), und so die substantiale Einheit des Menschen „zerreißen“. Dabei ist eigens zu betonen, dass nicht allein die gleichzeitige Anwesenheit beider Maße das Problem ist (wie bei den Engeln und beim Menschen vor dem Fall deutlich wird) – die Disproportion besteht vielmehr in einer Verletzung der Ordnung, indem nämlich die Zeit an eine Stelle rückt, die eigentlich dem aevum zusteht. II Sent. 19, 3, 2, resp. [II, 472] stellte fest, dass die Unsterblichkeit, die der Mensch im Anfang besaß, wesentlich dieselbe ist, wie diejenige, die er am Ende besitzen wird, der Unterschied liegt nur in einer verschiedenen Disposition: In der Herrlichkeit ist der Mensch so gefestigt, dass er nicht mehr sündigen und daher die Unsterblichkeit auch nicht mehr verlieren kann. Vgl. Brev. VII, 5 [V, 287a]: Postremo, quia resurrectio debet esse secundum exigentiam perfectionis naturae … Requirit etiam natura animae rationalis et immortalis, quod sicut habet esse perpetuum, sic corpus habeat, cui perpetuo influat vitam; ac per hoc corpus, quod animae unitur, ex ipsa unione ordinationem habet ad incorruptionem perpetuam. Vgl. Brev. II, 9 [V, 226b]: … quia, cum primum principium sit beatissimum et benevolentissimum; ideo sua summa benevolentia beatitudinem suam communicat creaturae, non tantum spirituali et proximae, sed etiam corporali et longinquae. Corporali tamen et longinquae communicat mediate, quia «lex divinitatis haec est, ut infima per media reducantur ad summa».

Das aevum als die Zeit der Seligen

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den Leib,43 und umgekehrt trägt die Verherrlichung des Leibes zur größeren Freude der Seele bei.44 Wie schon bei den Engeln gesehen, bedeutet die aeviterne Dauer nicht, dass dadurch sämtliche zeitlichen Vollzüge ausgeschaltet wären. Was oben über die mit der Seligkeit des aevum verbundene Ruhe gesagt wurde, muss daher vornehmlich in einem existentiellen oder auf die visio beatitudinis bezogenen Sinn verstanden werden.45 In dreierlei Hinsicht zeigt sich die verbleibende Zeitlichkeit:46 Zum Ersten an den vier Gaben (dotes), die dem verherrlichten Leib zu seiner Seligkeit geschenkt werden. Neben dessen strahlender Klarheit (claritas), der feinen Beschaffenheit (subtilitas) und der Leidensunfähigkeit (impassibilitas) führte Bonaventura hier auch dessen leichte Beweglichkeit (agilitas) an.47 Dieser Beweglichkeit entspricht, dass die Seele auch in der Seligkeit nicht nur das Form-, sondern auch das Bewegungsprinzip des Körpers darstellt.48 Als Gegenstück zur vormals dem Körper eigenen Schwerfälligkeit (tarditas) bezeichnet die agilitas die Leichtigkeit und Promptheit, mit der der Leib in seinen Bewegungen dann der Seele gehorcht.49 Dabei wird deutlich, dass es auch im Vollendungszustand eine 43

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Vgl. IV Sent. 49, 1, 1, 3, resp. [IV, 1005b]: … beatitudo, cum sit gaudium de bonis, est in aliquo sicut in subiecto primo per inhaerentiam, et sic dico, quod est in sola anima; et est in aliquo sicut in coniuncto per quandam redundantiam, et sic, quia corpus est coniunctum animae, gaudium redundat in corpus. Concedendae ergo sunt rationes probantes, quod beatitudo non sit in corpore tanquam in subiecto primo, sed tamen est ibi propter coniunctionem per quandam redundantiam et comparticipationem. Vgl. IV Sent. 49, 2, 1, 1, 1, resp. [IV, 1013]: Concedendum est igitur, quod glorificatio corporis facit ad maius gaudium quantum ad extensionem; facit etiam quantum ad intensionem, non augendo habitum, sed removendo impedimentum. Unde non facit ad augmentum praemii essentialis principaliter, sed ex consequenti. – Nach Brev. VII, 7 [V, 289a] vervollkommnet die Herrlichkeit des Leibes, diejenige der Seele: Praemium vero consubstantiale consistit in gloria corporis, quae secunda stola dicitur; qua resumta, perfectius anima beata tendit «in summum caelum». II Sent. 11, dub. 2, resp. [II, 290b] wurde ja ähnlich für die Engel festgestellt: dicendum, quod etsi cognitio beatitudinis tempori non subiaceat, tamen cogitationes et affectiones et etiam cognitiones Angelorum circa haec creata nihil impedit variari per tempora. Für das Folgende vgl. besonders die Ausführungen von COVA, Tempus non erit amplius, 49–64 unter der Überschrift «La successione temporale nella condizione escatologica per il quarto Libro delle Sentenze». Vgl. Brev. VII, 7 [V, 289a] und ausführlich in IV Sent. 49, 2, 1–2 [IV, 1011–1032]. Vgl. IV Sent. 49, 2, 1, 2, 1, resp. [IV, 1016a]: Anima autem in corpus influit dupliciter, scilicet ut perfectio et ut motor. Ut perfectio anima gloriosa influit vivificandi vita immortali, ut motor movendo motu infatigabili. Ebenso Brev. II, 10 [V, 227a]: … non tantum unitur corpori ut perfectio, verum etiam ut motor. Vgl. IV Sent. 49, 2, 2, 4, 2, resp. [IV, 1032]: Unde agilitas … est promptitudo, ut corpus moveatur in omnem locum, ad quem vult movere anima. Vgl. ebd., sc. 1: Corpus illud est per omnia obediens animae. Bereits vorher in IV Sent. 49, 2, 1, 2, 2, arg. 4 [IV, 1017] wurde unter Berufung auf AUGUSTINUS, Civ. XXII, 30 [CC.SL 48, 862, Z. 19] festgestellt: agilius est, quod potest citius moveri; sed «quam cito volet spiritus, ibi protinus erit et corpus». – Zur tarditas vgl. IV Sent. 49, 2, 1, 2, 1, resp. [IV, 1016b]: Aberit a corporibus nostris … omnis tarditas per agilitatem … Für nähere Ausführungen vgl. COVA, Tempus non erit amplius, 54f. und 60f.

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Dritter Teil: Die Frage nach dem aevum

Form kontinuierlicher Bewegung geben wird, die von der Zeit im eigentlichen Sinn (proprie dictum) gemessen wird.50 Ein zweiter Bereich ist die bleibende Tätigkeit der Sinne.51 Die zeitliche Struktur ist hier dadurch bedingt, dass sinnliche Erkenntnis auch in der Herrlichkeit durch die Aufnahme einer species von dem sinnlichen Gegenstand geschieht.52 Als motus ad animam53 ist sinnliche Wahrnehmung nach wie vor ein Prozess, das heißt, in ihr findet Veränderung statt, die ohne Zeit nicht zu denken ist. Ähnliches gilt drittens für die geistige Tätigkeit allgemein, auch wenn sie nicht von außen angestoßen ist: Auch in patria gibt es wechselnde Gedanken (cogitationes volubiles) der Seele. Der Unterschied zur jetzigen Verfassung ist der, dass diese dann nicht mehr unstet umherschweifen, sondern durch die Schau Gottes konzentriert sein werden.54 Gegen all diese zeitlichen Abläufe, die nicht durch das aevum gemessen werden, aber doch mit ihm vereinbar waren, blieb der grundsätzliche Einwand, ob Bewegung (auch die Ortsbewegung) nicht immer eine Unvollkommenheit darstellt, insofern etwas zuvor nicht Gehabtes erlangt wird oder ein vorausgehender Besitz aufgegeben wird.55 Das Ge50

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Vgl. COVA, Tempus non erit amplius, 55; dass es nicht nur um Beweglichkeit, sondern um tatsächliche Bewegung geht, zeigt IV Sent. 49, 2, 2, 4, 1, sc. 1 [IV, 1031] (und die Erwiderung darauf): Frustra est agilitas ad motum, si non decet esse motum … Vgl. hierzu auch Sol. IV, 20 [VIII, 63]: Ibi erunt omnes sensus in actibus suis. Ibi enim oculus videbit decorem speciosissimum, gustus sapiet saporem dulcissimum … Ausführlicher wurde die Thematik in IV Sent. 49, 2, 1, 3, 1–2 [IV, 1018–1021] behandelt, dort in der qu. 1, resp. [IV, 1018f.] äußerte Bonaventura sich allerdings noch etwas vorsichtiger, nämlich dass in der Herrlichkeit nur die höheren Sinne in actu sein werden. IV Sent. 49, 2, 1, 3, 2, resp. [IV, 1020]: … quod sensus glorificati cognoscunt recipiendo speciem ab ipso sensibili. Ebd., arg. 1 [IV, 1020]: Quia omnis cognitio est motus ad animam; sed omnis motus ad animam est in aliquid recipiendo … Ebd., ad 3 [IV, 1021]: Ad illud, quod obicitur, quod cogitationes volvuntur; dicendum, quod cogitationes volvi est dupliciter: uno modo, quia intellectus non habet defixum aspectum in uno, et hoc modo est in via et non erit in patria; alio modo est, quod principaliter et continue videt unum et alia multa propter illud, et inter illa multa modo unum, modo aliud; et hoc bene erit in patria. – Dies dürfte auch das Bild sein, wie sich Bonaventura die Beruhigung (quietatio) der Gedanken und Affekte der Seele vorstellte: nicht als ein völliges Aufhören, sondern als ein Ruhigwerden in der unmittelbaren Nähe Gottes; vgl. IV Sent. 49, 2, 2, 4, 1, sc. 4 [IV, 1031]: … quia anima remuneratur per affectionum et cogitationum quietationem … – Was die Zeitlichkeit insbesondere des menschlichen Erkennens angeht, so kann man schließlich auf das aristotelische Axiom nostrum intelligere est cum continuo et tempore hinweisen. In Scient. 4, sc. 7 & ad 7 [V, 21.25] nahm Bonaventura es für menschliches Erkennen im Allgemeinen in Anspruch. Die Quelle, auf die er sich dabei bezog, war ARISTOTELES, De anima III, 6 [430a 31 – 430b 21], wo dieses Thema aber nur indirekt angesprochen wurde. De memoria et reminiscentia 1 [450a 5–7] (zitiert oben in Anm. 30, S. 304) war zwar deutlicher, sprach aber explizit von zeitlicher Erkenntnis; vgl. die Übersetzung des Jakob von Venedig [ALD2 ]: propter quam quidem igitur causam non contingit intelligere nichil sine continuo, neque sine tempore que sunt in tempore, … Auf den ersten Blick scheint dies ja eine Grundlinie der metaphysischen Tradition insgesamt zu sein. Die von Bonaventura angeführten Argumente gegen die agilitas als Gabe des verherrlichten Leibes zeigen hier Augustinus und Aristoteles in seltener Einmütigkeit; vgl. IV Sent. 49, 2, 2, 4, 1,

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genargument, weshalb für Bonaventura die agilitas vielmehr zur Vollkommenheit und zum Adel des verherrlichten Leibes beiträgt,56 verrät die theologische Perspektive, unter der der Franziskaner auf die Problematik blickte: Demnach lautet das Bewegungsgesetz in der gegenwärtigen Verfassung der Schöpfung, dass sie entweder aus einem Mangel (carentia) heraus erfolgt57 oder aber aufgrund eines natürlichen Bestrebens (inclinatio).58 Dies wird im Vollendungszustand nicht mehr so sein: Die Bewegung wird dann Ausdruck der Freiheit sein.59 Sie besteht darin, dass die Seele den Leib an jeden möglichen Ort, in jede mögliche Position bringen kann und ihn dort auch zu halten vermag.60 Im Gegensatz zu der die sinnliche Welt jetzt beherrschenden Zeit der Natur(notwendigkeit) wird also die Zeit der Vollendung eine Zeit der Freiheit sein.61 Da letztere gemäß der bonaventurianischen Definition zur Zeit im eigentlichen Sinn gehört, zeigt sich hier erneut, warum die aristotelische Zeit (tempus magis proprie) einen allzu engen Zeitbegriff (coarctata temporis acceptio) darstellt. Schlägt man von hier aus noch einmal den Bogen zurück zum aevum, so zeigt das gleichzeitige Anwesendsein beider Maße, dass zur Seligkeit beides gehört: die Beständigkeit und die Freiheit.

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sc. 2 & 3 [IV, 1031]: Item Augustinus de Trinitate: «In habentibus mutationem nonnulla mors est ipsa mutatio». Et ratio huius est, quia in omni motu aliquid deperditur. … Item Philosophus dicit, quod «motus est entelechia entis in potentia»; unde omnis motus imperfectioni attestatur, quia est propter habendum aliquid non habitum; sed omnis imperfectio abest a corporibus gloriosis. Die zitierten Stellen finden sich bei AUGUSTINUS, Trin. II, 9, 15 [CC.SL 50, 100, Z. 29f.] und ARISTOTELES, Physica III, 1 [201a 10f.]. Vgl. IV Sent. 49, 2, 2, 4, 1, resp. [IV, 1031]: ista proprietas est de perfectione et nobilitate corporis et faciens ad expeditionem animae in corpore … Vgl. IV Sent. 49, 2, 2, 4, 1, ad 1 [IV, 1031]: … dicendum, quod motus omnis est propter carentiam alicuius rei … Im Folgenden wurde dies dann noch genauer ausgeführt. Die Übersetzung „Neigung“ für inclinatio erscheint mir in diesen Fall zu schwach. Bonaventura dachte hier einerseits an die Vorstellung, dass jedes Element von Natur aus an den ihm angemessenen Ort strebt (vgl. IV Sent. 49, 2, 2, 4, 2, arg. 1–3 [IV, 1032]), andererseits an das Streben alles Geschaffenen nach Vollkommenheit (vgl. IV Sent. 49, 2, 2, 4, 2, resp. [IV, 1032]: … habilitas ad motum sequitur inclinationem, et inclinatio appetitus est respectu perfectionis …). Vgl. IV Sent. 49, 2, 2, 4, 1, ad 3 [IV, 1031]: … quod obiicitur, quod motus attestatur imperfectioni; dicendum est, quod verum est de motu ad formam, vel ad situm propter indigentiam; hic autem motus est propter libertatem. Ferner ebd., ad 1 [IV, 1031]: … locus ille non est natus assistere per naturam magis quam alius, quia illo non indiget, sed per voluntatem, quia aliquid vult circa illum locum operari; et talis motus non ponit imperfectionem, sed libertatem. Ähnlich IV Sent. 49, 2, 1, 2, 1, resp. [IV, 1016a]: Propter libertatem debet esse corpus agile. – Ich denke nicht, dass Bonaventura diese Freiheit für die gegenwärtige Zeit gänzlich ausschließen wollte, aber sie ist da nicht der Regelfall (vgl. z. B. IV Sent. 49, 2, 2, 4, 1, ad 4 [IV, 1031]). – Vgl. hierzu auch COVA, Tempus non erit amplius, 60–63. Vgl. IV Sent. 49, 2, 2, 4, 2, resp. [IV, 1032]: corpus gloriosum totam suae existentiae et nobilitatis et stabilitatis rationem trahit ab anima, ideo inclinatio eius est ad animam, non ad aliquid extra. … et anima potest movere in omnem differentiam positionis … et corpus habet habilitatem ad omnem situm … Und ebd., ad 3 [IV, 1032]: corpus stabilitur in omni loco per animam, et anima per Deum; et sic non indiget alia inclinatione. Vgl. COVA, Tempus non erit amplius, 63: «il tempo della libertà sostituirà il tempo della natura».

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Fazit

Sammelt man noch einmal die Aussagen, die Bonaventura über das aevum machte, so wird man zunächst festhalten, dass es sich insgesamt um einen relativ knappen, eher vorsichtigen Entwurf handelte. Dies mochte vor allem an der Neuheit des Konzeptes liegen, für das sich Bonaventura kaum auf zeitgenössische Vorgänger oder ältere Autoritäten berufen konnte. Allgemein geteilt wurde dabei die Vorstellung vom aevum als dem Maß des Seins geistiger Substanzen.1 Seine hauptsächliche Bestimmung bekam es bei Bonaventura als mensura media in der Trias tempus – aevum – aeternitas. Nicht zuletzt weil der Doctor seraphicus ein sehr weites Konzept von Zeit zugrunde legte – sowohl der saeculum-Begriff als auch die diskrete Engelszeit stellten ja nicht separate Maße dar, sondern waren in den eigentlichen tempus-Begriff aufgenommen –, war das aevum auch die einzige zwischen Zeit und Ewigkeit stehende Form des Dauerns. Die Zwischenstellung, die sich oberflächlich bereits bei einer quantitativen Betrachtung zeigt,2 ist dabei so zu verstehen, dass das aevum wesentlich näher an der Zeit als an der Ewigkeit steht; im allerweitesten Sinn (communissime) ist das aevum sogar selbst Zeit. Anders gesagt, als geschaffene Dauer steht es wie die Zeit auch der ungeschaffenen Dauer der Ewigkeit gegenüber. Die successio ist das entscheidende Merkmal, das die aeviterne mit der zeitlichen Dauer verbindet und sie von der Ewigkeit trennt. Und auch wenn im aevum eine besondere Art der Abfolge vorliegt, die nicht mit Veränderung oder mit Alterung verbunden ist, so drückt sich darin doch aus, dass geschöpfliches Sein nicht nur immer ein zusammengesetztes, mit Potentialität verbundenes Sein ist, sondern dass es – mag es auch ohne Ende dauern – stets eine Zukunft und eine Vergangenheit besitzt.3 Erneut4 erweist sich dabei die Zeitlichkeit (im weitesten Sinn) als 1

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Vgl. noch einmal II Sent. 2, 1, 1, 1, resp. [II, 56a]: distinguendum est, quia aut loquimur de mensura spiritualium secundum esse, quod non mutatur, aut secundum affectiones – nur ersteres ist das aevum. Vgl. oben S. 295 mit Anm. 14: Die Zeit hat Anfang und Ende, das aevum hat einen Anfang ohne Ende, und die Ewigkeit hat weder Anfang noch Ende. Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 3, sc. 1 [II, 61]: Hieronymus ad Marcellam: «Tantum Deus est, qui non novit fuisse vel futurum esse»: omnis ergo creatura in sui esse habet praeteritionem sive fuisse et fore: ergo habet in sui duratione successionem. Vgl. auch ebd., ad 6 [II, 63] (zitiert S. 310, Anm. 63). Vgl. bereits den Abschnitt oben ab S. 276.

Fazit

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ein Wesensmerkmal des Geschaffenen. Im Blick auf die successio überrascht dabei lediglich, dass Bonaventura in diesem Punkt nur wenige gefolgt sind und stattdessen mehrheitlich die Einfachheit und Unteilbarkeit des aevum vertreten wurde. Seinen Abstand von der Zeit und insofern die Nähe zur aeternitas offenbart das aevum als mensura rei perfectae.5 Anders als die Zeit (im eigentlichen Sinn genommen) wird diese Form des Dauerns nicht von der Potentialität und Veränderlichkeit der Materie – deren Dynamik als ein Streben nach der Form verstanden wird –, sondern von der Aktualität und Unveränderlichkeit der Form bestimmt. Das aevum ist verklärte Zeit, insofern es das Maß eines im Rahmen seiner geschöpflichen Möglichkeiten vollkommenen Seins ist. Es ist diese Vollkommenheit, aus der dem aevum die ihm eigene Ruhe und Stabilität zukommt. Und schließlich ist das aevum die Gnaden-Zeit einer gottgeschenkten Dauer. Weil „alles was durch die Natur hervorgebracht werden kann, dem Vergehen unterliegt“,6 wird im aevum noch einmal besonders deutlich, dass sich die Erhaltung jeden Seins letztlich nicht der Natur, sondern dem steten Mitwirken Gottes verdankt. Geschöpfliches Sein lebt nicht aus sich selbst heraus (a se), sondern aus der wesentlichen Abhängigkeit und Bezogenheit (dependentia essentialis) auf seinen Schöpfer.

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Vgl. II Sent. 2, 1, 1, 2, fund. 4 [II, 58b]. Brev. VII, 5 [V, 287a] (Übs. Schlosser, 305): cum omne per naturam generabile sit corruptibile; vgl. auch Brev. II, 9 [V, 227a]: quia omne naturaliter generabile est naturaliter corruptibile. Es entspricht ARISTOTELES, De caelo I, 10 [279b 20f.], wobei dort nur die Verbindung von generabile und corruptibile gesehen wurde, die entscheidende Beschränkung auf natürliches Hervorbringen fehlte dort (verständlicherweise).

Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

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Bonaventuras Zugang

„Er verlieh mir untrügliche Kenntnis der Dinge, so dass ich den Aufbau der Welt und das Wirken der Elemente verstehe, Anfang und Ende und Mitte der Zeiten …“ (Weish 7, 17.18a) – Nach den Einzeluntersuchungen der vorausgegangenen Kapitel soll in diesem letzten Teil der Arbeit Bonaventuras Zeitkonzept noch einmal als Ganzes betrachtet werden. Um es in seiner Bedeutung richtig einzuschätzen, scheint mir hilfreich, sich den Rahmen bewusstzumachen, in dem dieses Konzept steht. Dieser Rahmen wird vorgegeben durch das erkenntnisleitende Interesse, das den Doctor seraphicus bei der Behandlung der Zeitfrage bewegte. Dieses zeigt sich unter anderem darin, dass man den hauptsächlichen Teil der Materie in die Schöpfungslehre eingebettet findet. Nimmt man diese Beobachtung ernst, so gelangt man zu dem Schluss: Das Ziel Bonaventuras lag nicht in erster Linie bei der Klärung der Frage „Was ist Zeit?“ – schon Augustinus hatte davor ja in gewisser Weise kapituliert1 –, ihm ging es vielmehr darum, inwiefern in der Zeit etwas von der Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf aufleuchtet. Und hier scheint mir denn auch der eigentliche Ertrag von Bonaventuras Zeittheorie zu liegen, nämlich in der Antwort auf die Frage „Was bedeutet Zeit für den Menschen und für seine Beziehung zu Gott?“ Diese Perspektive – nämlich der Zusammenhang zwischen Zeitfrage und theologischer Anthropologie – soll auch die folgende Gesamtschau leiten. Um die angestrebte Synthese leisten zu können, erscheint es sinnvoll, sich zunächst die in der vorausgehenden Untersuchung erarbeiteten Hauptcharakteristika von Bonaventuras Zeitbegriff in Erinnerung zu rufen. An erster Stelle steht dabei sicherlich die für Bonaventura typische Vielgestaltigkeit des Zeitbegriffs. Während etwa Thomas von Aquin um einen möglichst eindeutigen, an der aristotelischen Definition des numerus motus ausgerichteten Zeitbegriff bemüht war, unterschied der Doctor seraphicus zwischen verschiedenen allgemeinen und speziellen Bedeutungen des Zeitbegriffs.2 Diese Unterscheidung besitzt grundlegenden Charakter und ist für alle weiteren Spekulationen des Franziskaners von Bedeutung. Insbesondere wenn es um die Verhältnisbestimmung von tempus und aevum geht – als einem der weiteren Charakteristika von Bonaventuras Zeitkonzept –, spielt es eine entscheidende Rolle, von welchem der verschiedenen Zeit1 2

Vgl. insbesondere oben den Abschnitt ab S. 114. Ausführlich behandelt in dem Kapitel ab S. 165.

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

begriffe man ausgeht. Versteht man unter tempus die Zeit in ihrem allgemeinsten Verständnis (communissime), so findet man ein klares Unterordnungsverhältnis: Die Zeit im allgemeinsten Verständnis (communissime) zählt zu den vier erstgeschaffenen Dingen.3 Sie ist das abbildliche Gegenüber zur ungeschaffenen aeternitas Gottes und damit der Oberbegriff, unter den dann sowohl die spezielleren Begriffe von Zeit (communiter, proprie, magis proprie) als auch das aevum fallen.4 In dieser Einordnung zeigt sich die Grundsatzentscheidung Bonaventuras, das aevum mehr auf die Seite der Zeit als auf die Seite der Ewigkeit zu stellen – trotz seiner unendlichen Dauer und des gewissen Vorranges an Würde, der dem aevum als dem Maß der Seinsdauer der Engel zukam.5 Anders sieht die Situation aus, wenn man mit tempus einen der beiden „eigentlichen“ Zeitbegriffe (d. h. tempus proprie / magis proprie dictum) verbindet. Aevum und tempus stehen dann nebeneinander als zwei verschiedene Zeitformen, als zwei verschiedene Maße innerhalb der Kategorie quantitas.6 Da die Ähnlichkeit der aeternitas mit dem aevum größer ist als die mit der Zeit im eigentlichen Sinn, erhält man jetzt eine Stufenfolge tempus – aevum – aeternitas. Die resultierende Mittelstellung des aevum wollte Bonaventura jedoch nicht so verstanden wissen, dass die Zeit (proprie oder magis proprie) ihrerseits ein Abbild des aevum wäre. Ihm war wichtig, dass beide Größen zwar auf einem unterschiedlichen Niveau, aber doch eigenständig nebeneinanderstehen und je für sich unmittelbar auf die aeternitas bezogen sind. Die Verschiedenheit schließt nicht aus, dass beide Maße demselben Seienden zukommen können: Sowohl bei den Engeln als auch bei den Seligen misst das aevum die Dauer des Seins, während die affectiones (d. h. alle sich wandelnden „Regungen“) der Zeit unterliegen.7 Daraus freilich lässt sich der Schluss ziehen, dass auch die Zeit im eigentlichen Sinn kein Ende kennt, als Ganzes genommen hat sie selbst ein Moment des Ewigen (im Sinn des Endelosen).8 Bonaventura wollte damit nicht die Grenze zwischen tempus und aevum verwischen, er machte jedoch deutlich, dass der Unterschied der beiden Zeitformen nicht – wie in älteren Bestimmungen üblich – zwischen einer endlichen Dauer hier und einer unendlichen Dauer dort besteht. Die beiden Größen stellen vielmehr (wie im Übrigen auch die aeternitas) 3 4 5

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Vgl. den Abschnitt oben ab S. 197, ferner S. 56 mit Anm. 172 sowie S. 60, Anm. 191. Vgl. z. B. oben S. 181. Vgl. II Sent. 2, 1, 2, 1, resp. [II, 65]: Cum igitur quaeritur de ordine, dicendum, quod si tempus accipiatur primo modo, sic includit aevum; et sic temporis ad aevum nullus est ordo; si autem secundo modo, sic tempus praecedit aevum secundum rationem intelligendi, sicut creatio esse creatum. Si autem tertio modo, aevum et tempus simul sunt duratione, sed aevum prius est dignitate. Si autem quarto modo, sic aevum praecedit tempus et duratione et dignitate. Vgl. oben S. 312 mit Anm. 79. Vgl. oben ab S. 181. Diese Beobachtung gilt wohlgemerkt nicht für die Zeit in ihrer engsten Bedeutung (tempus magis proprie), die an der Bewegung des primum mobile hängt und sowohl Anfang wie auch Ende hat. Nebenbei erkennt man: „Aristotelisch“ ist diese Zeitform nur durch ihre Bestimmung als numerus motus, in ihrer radikalen Endlichkeit hingegen stellt sie gerade das Gegenteil des aristotelischen Zeitkonzepts dar.

Bonaventuras Zugang

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einen je verschiedenen Modus des Dauerns dar,9 der sich in erster Linie in der Art der successio und dem Besitz eines fließenden bzw. eines stabilen nunc manifestiert. Dies ist in etwa der Gesamtrahmen, in dem die Begriffe tempus (in seinen verschiedenen Bedeutungen) und aevum stehen. Ich will versuchen, den Ertrag dieses Zeitkonzeptes im Rahmen einer theologischen Anthropologie in drei Themenkreisen zu sammeln. Der Blick richtet sich dabei auf den Anfang, das Ende und die Mitte der irdischen Zeit, denn dies sind die Punkte, an denen das Wesen der Zeit – wie Bonaventura es verstand – besonders deutlich wird. Diese Gliederung bietet sich aus verschiedenen weiteren Gründen an: So wird (erstens) durch sie die Verbindung mit dem Grundkonzept der Metaphysik des Doctor seraphicus deutlich.10 Wie gesehen11 verstand er die Metaphysik als eine Aufstiegsbewegung zu Gott, insofern dieser sich als höchstes Sein (summum esse) erkennen lässt. Dabei waren es die Schlüsselfragen nach dem Menschen und nach der Schöpfung – „Woher kommt sie?“ (de emanatione), „Nach welchem Urbild ist sie geschaffen?“ (de exemplaritate) und „Was ist ihre Endgestalt?“ (de consummatione) –, die ihm das Terrain für diesen Aufstieg bereiteten. Diese Fragen waren für ihn nicht nur ein Zugang oder Ausgangspunkt, der verlassen und überstiegen werden muss, sondern er sah sie ebenso als Strukturprinzipien, die die Richtung und den Weg der Erhebung vorgeben. Zugleich wird in ihnen deutlich, dass sich für den Doctor seraphicus die Frage nach dem absoluten und dem kontingenten Sein nur gemeinsam klären ließ.12 Es war dieser Metaphysikentwurf, der den hermeneutischen Hintergrund für die Frage Bonaventuras nach der Zeit bildete. So war es für ihn auch eine selbstverständliche

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11 12

Vgl. oben S. 201 mit Anm. 168 sowie Anm. 111 auf S. 226. Die wohl prägnanteste Zusammenfassung dessen (die auch hier zugrunde gelegt wird) findet man in Hex., princ., 1 (1), 12–17 [V, 331f.; Ed. Delorme, 5–7]. Für das Folgende vgl. besonders nr. 13 [V, 331]: Metaphysicus autem, licet assurgat ex consideratione principiorum substantiae creatae et particularis ad universalem et increatam et ad illud esse, ut habet rationem principii, medii et finis ultimi, non tamen in ratione Patris et Filii et Spiritus sancti. Metaphysicus enim assurgit ad illud esse considerandum [1] in ratione principii omnia originantis; et in hoc convenit cum physico, qui origines rerum considerat … [2] in ratione ultimi finis; et in hoc convenit cum morali sive ethico, qui reducit omnia ad unum summum bonum ut ad finem ultimum, considerando felicitatem sive practicam sive speculativam … [3] in ratione omnia exemplantis, cum nullo communicat et verus est metaphysicus … (Nummerierung von mir eingefügt). Bonaventura beschloss diesen Abschnitt (nr. 17 [V, 332b]) mit der Bekräftigung: … haec est tota nostra metaphysica: de emanatione, de exemplaritate, de consummatione, silicet illuminari per radios spirituales et reduci ad summum. Vgl. oben den Abschnitt ab S. 81, besonders ab S. 85. Dies gilt aufgrund der im Exemplarismus gegebenen Beziehung beider und unter den konkreten Erkenntnisbedingungen des menschlichen Geistes, der nur über das Bild zum Urbild gelangt. – Für Bonaventura bedeutete dies weiter, dass in der Erkenntnis Christi, der ja das exemplar schlechthin ist, sowohl die Erkenntnis des Schöpfers wie des Geschöpfes stattfindet. Vgl. dazu HELLMANN, Ordo, 78.

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

Prämisse, dass einerseits die Zeit nur von der Ewigkeit her verstanden werden kann13 und dass andererseits eben dadurch offenbar wird, was der Mensch ist. Dementsprechend findet man in seinem Zeitverständnis die genannten Grundfragen nach dem Ursprung (principium), der „vermittelnden Mitte“ (medium) und dem Ziel (finis) der Schöpfung und insbesondere des Menschen exemplarisch wieder. Es wäre untypisch für Bonaventura, wenn nicht – zweitens – die genannte Gliederung auch für eine trinitarische Deutung offen wäre.14 Noch wichtiger erscheint mir an dieser Stelle allerdings der fließende Übergang und die Korrespondenz, die sich mit jenen theologischen Bereichen ergibt, in denen der Franziskaner vor allem die Zeit thematisierte:15 nämlich mit der als „Protologie“ verstandenen Schöpfungslehre, mit der Eschatologie als der Lehre von der Vollendung (auch der Vollendung der Zeit) und schließlich mit der Christologie, hier bonaventurianisch verstanden als der Lehre von Christus, der universalen Mitte, in der sowohl die Erlösungs- wie auch die Gnadengeschichte kulminieren und die noch einmal auf ganz neue Weise aufzeigt, was Menschsein bedeutet. Es wird klar: Die Betrachtung von Anfang, Mitte und Ende der Zeit hat eine implizite theologische Qualität, die es hier ans Licht zu heben gilt. Zugleich bemerkt man, dass es in allen drei Bereichen um eine ideale Sicht auf die Zeit geht: Das reine Erfahrungs- und Beobachtungswissen wird jeweils überstiegen zu einer von der Offenbarung geleiteten Kenntnis dessen, was Zeit für den Menschen bedeutet.

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Auch hier gilt wieder (vgl. die vorige Anm.): Der faktische Gang verläuft als Erfahrungsweg in der umgekehrten Richtung, indem er bei der Zeit ansetzt und zur Ewigkeit voranschreitet – eben deswegen, ist ja alles Reden des Menschen über die Ewigkeit in seinem gegenwärtigen Stand nur ein Stammeln und Stottern, vgl. Trin. 5, 1, ad 5 [V, 91a] (zitiert S. 304). Vgl. dazu Hex., princ., 1 (1), 12 [V, 331; Ed. Delorme, 5f]; ganz ähnlich Brev. II, 1 [V, 219]. Hier zeigt sich auch noch einmal, dass sich für Bonaventura Theologie und Philosophie/Metaphysik nicht so sehr in den Inhalten unterscheiden, sondern darin, wie diese Inhalte gewusst werden (vgl. oben S. 83).

2

Der Anfang der Zeit: Protologische Aspekte

Der erste Blick richtet sich auf die Schöpfung, in der Bonaventura den Anfang und den Ursprung der Zeit erkannte. Das Wesen der Zeit zeigt sich hier vor allem in der Bestimmung als habitudo concreata,1 das heißt, als eine allem Geschöpflichen qua Geschöpf innewohnende Disposition. Das Verhältnis von Geschöpf und Schöpfer ist so – neben anderen möglichen Signaturen – als das Verhältnis von Zeitlichem zu Ewigem beschrieben.2 Bildhaftigkeit und Gegensätzlichkeit, Nähe und Distanz, Ähnlichkeit und Unähnlichkeit sind allgemeine Kennzeichen dieser Relation, entsprechend den Grundlinien des mittelalterlichen metaphysischen Denkens.3 Die Charakterisierung der Zeit als habitudo, als Disposition, macht – insbesondere im Hinblick auf den Menschen – freilich noch ein weiteres deutlich: Zeit ist eine Vorgabe, sie gehört zu den Grundgegebenheiten menschlichen Seins, denen sich niemand entziehen kann. Das soll jedoch nicht heißen, dass sie damit völlig außerhalb der eigenen geschöpflichen Verantwortung gestellt wäre. Zeit ist beides: Vorgabe, aber auch Aufgabe, wie ein Rahmen, den es auszufüllen und dessen Inneres es zu gestalten gilt. Beide Aspekte sind im Folgenden zu bedenken.

2.1

Der objektive Charakter der Zeit

Greift man für den Gesichtspunkt der Vorgabe noch einmal auf die Beschreibung als habitudo concreata zurück, so ergibt sich, dass Bonaventura die Zeit als eine objektive Realität verstand. Tempus est dispositio rei extra, non fictio animae,4 betonte er nachdrücklich. Im Kontext der zeitgenössischen Diskussion um das Sein der Zeit wandte er sich damit gegen Positionen, die in der Zeit überwiegend ein Konstrukt des menschli1 2 3

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Vgl. noch einmal den Abschnitt oben ab S. 284. Dies deckt sich – nebenbei bemerkt – mit dem Anliegen Augustins in Confessiones XI (vgl. dazu oben S. 115, insbesondere Anm. 123). Man denke hier nicht zuletzt an die berühmte Bestimmung des IV. Laterankonzils (DS 806), die in der Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf eine Ähnlichkeit bei je größerer Unähnlichkeit erkannte. II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b].

340

Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

chen Geistes sahen. Er distanzierte sich damit nicht nur von einer Augustinusinterpretation, die die in den Confessiones gefundene Bestimmung der Zeit als distentio animi verabsolutierte und dem objektiveren Zeitbegriff vor allem der Genesiskommentare des großen Kirchenlehrers keine Beachtung schenkte;5 die hier bezogene Frontstellung richtete sich ebenso gegen eine vor allem von Averroes beeinflusste Aristotelesauslegung: Die Bestimmung der Zeit als „Zahl der Bewegung“ wurde dort so verstanden, dass hier mit „Zahl“ der vom Geist gebildete numerus numerans gemeint sei,6 Bonaventura dagegen – so weit er sich diese Definition der Zeit als numerus motus zu eigen machte – interpretierte diese Zahl dagegen als den in der Sache selbst gegebenen numerus numeratus.7 Besonders deutlich zeigt sich der objektive Charakter der Zeit darin, dass die Zeit – die Bonaventura in ihrem weitesten Sinn ja zu den vier erstgeschaffenen Dingen zählte – bereits vor dem Zeit zählenden und messenden Menschen da war. Für den Doctor seraphicus bedeutete dies auch (und besonders sein Gedanke der rationes seminales entfaltete das): Das ganze Universum ist von Anfang an auf Entwicklung hin angelegt, eine Entwicklung, die er als sukzessive Verwirklichung eines anfänglichen Potentials verstand und die schrittweise zu einer immer größeren Vollkommenheit führt.8 Elementarster Ausdruck dessen ist der Hunger der Materie nach der als perfectio, als Entelechie verstandenen Form.9 Er ist die eigentliche Ursache der Zeit und die Zeit ist ihrerseits das Maß der daraus resultierenden Bewegung. Die Zeit tritt damit als wesentliches Verbindungsglied in den Spannungsbogen von Möglichkeit und Wirklichkeit, von Materie 5 6 7

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Vgl. hierzu noch einmal den Abschnitt oben ab S. 141. Für Aristoteles vgl. hierzu oben S. 105, zur Interpretation Bonaventuras siehe S. 216 und zur Deutung des Averroes vgl. ab S. 267. Vgl. erneut II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]: … quia tempus non est numerus numerans, sed numeratus, ut Philosophus vult. – Bereits JECK, Aristoteles contra Augustinum, 278 bemerkte: In der Frage nach dem inner- oder außerseelischen Sein der Zeit können Augustinus, Aristoteles und Averroes durchaus auf einer Linie gesehen werden. Jeck nannte Bonaventuras Sentenzenkommentar „eines der ersten historisch nachweisbaren Zeugnisse“ zum Bestand dieser Allianz. Hierzu gehört auch, dass Bonaventura die Tage des Schöpfungsberichtes nicht nur symbolischprophetisch verstand (wie man es – als eine Deutungsmöglichkeit – bei Augustinus finden konnte), sondern darin eine reale zeitliche Abfolge dargestellt sah. Vgl. dazu oben S. 146 (zu Augustin) und den Anfang des Abschnittes ab S. 276 (zu Bonaventura). Ferner denke man an Bonaventuras Lehre von der Vielheit der Formen; dazu GILSON, Philosophie des hl. Bonaventura, 309: „Gewiß hat die Form Bonaventuras die Mitteilung einer Vollkommenheit zur Hauptaufgabe, aber sie macht die von ihr informierte Substanz für weitere substantielle Vollkommenheiten, die sie selber ihr nicht verleihen kann, aufnahmefähig.“ Zu den Keimkräften und zur Ordnung der natürlichen Formen vgl. ebd., 336: „… so gelangen die natürlichen Wesen durch eine Entwicklung, die jeweils verborgene Virtualitäten weckt, schrittweise zu ihrer vollkommenen Form, wobei die höheren Formen sich immer dann in der Materie entwickeln, wenn die niedrigeren Formen sie zu einer Organisationsstufe gebracht haben, auf der sie sich entfalten können.“ Vgl. noch einmal II Sent. 2, 1, 1, 2, resp. [II, 59b]: Tempus autem habet esse ex hoc, quod materia tendit ad formam, propter hoc quod causatur a motu, qui est «entelechia entis in potentia».

Der Anfang der Zeit: Protologische Aspekte

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und Form. Zugleich offenbart dieser Blick auf die Zeit als dem Maß der Vervollkommnung10 bei Bonaventura einen an Platon, aber auch an Averroes erinnernden Zeitoptimismus, der dem aristotelischen Zeitpessimismus (Zeit als Urheberin von Verfall)11 entgegengesetzt ist. Zeitlichkeit gehört nach Bonaventura zur Grundverfasstheit alles Geschöpflichen. Dies gilt in besonderer Weise auch für den Menschen. Dabei weist dessen Zeitlichkeit eine eigentümliche Struktur auf, die durch seine Zwischenstellung zwischen der rein geistigen und der materiellen Schöpfung bedingt ist. So untersteht er in seiner Leiblichkeit der Zeit im eigentlichen Sinn, während er als geistiges Sein eine aeviterne Dauer besitzt.12 Blickt man hier noch etwas genauer hin, so erkennt man, dass die Geistseele des Menschen ihrerseits sowohl vom aevum wie auch von der Zeit (im eigentlichen Sinn) gemessen wird:13 Als Geist (spiritus), der auch losgelöst vom Körper subsistieren kann, ist sie aevitern, als den Körper belebendes und bewegendes Prinzip ist sie zeitlich. – Ein kurzer Seitenblick auf die Natur der Engel zeigt, welche Bedeutung dem geschilderten Sachverhalt zukommt. Zunächst scheinen ja hier völlig parallele Verhältnisse vorzuliegen, denn auch die Engel werden von beiden Maßen, der Zeit (im engeren Sinn von tempus proprie) und dem aevum gemessen.14 Bonaventura begründete das in diesem Fall mit der für alle Geschöpfe geltenden Zusammensetzung aus Materie und Form.15 Gleichwohl besitzt Zeitlichkeit dieser Geistwesen eine grundsätzlich andere Qualität: Nicht nur, dass sich in der zeitlichen Struktur der Engel in keiner Weise jener engste Zeitbegriff der kontinuierlichen, unter der Maßgabe der Bewegung des primum 10 11 12

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JECK, Aristoteles contra Augustinum, 279 versteht die Zeit bei Bonaventura „als eine nach Perfektion drängende Entität“. Vgl. oben S. 98 mit Anm. 24 und S. 107 mit Anm. 84. Zur Geistseele als „aeviternem Abbild Gottes“ vgl. oben S. 324 mit Anm. 30; auf den Punkt gebracht wird die Zeitlichkeit des Menschen in II Sent. 17, 1, 3, arg. 3 [II, 416] (auch wenn das Argument daraus dann den aus der Sicht Bonaventuras falschen Schluss zieht, die Seele sei nicht im, sondern vor dem Leib erschaffen worden): anima Adae se habet ad corpus sicut aeviternum ad temporale, et sicut aevum ad tempus; allgemeiner formulierte es II Sent. 2, 1, 1, 1, fund. 6 [II, 55]: Item, mensura durationis respicit modum durandi; sed spiritualia habent modum suae durationis differentem a corporalibus, maxime a mutabilibus, cum durent perpetualiter et immutabiliter: ergo per istam mensuram [scil. aevum] habent mensurari. Vgl. schließlich auch die Bestimmungen a) und b) von „zeitlich“ aus I Sent. 14, 1, 1, ad 5 [I, 246] (zitiert oben S. 170). Vgl. II Sent. 17, 1, 3, ad 3 [II, 418]: [anima Adae] sic habet rationem aeviterni, quod etiam temporalis. Anima enim rationalis, etsi in quantum spiritus et ens per se habeat rationem aeviterni in quantum tale, tamen, in quantum animat corpus transmutabile, habet tempore mensurari. Das Sein wird vom aevum gemessen, die affectiones von der Zeit, vgl. ausführlich oben S. 181 (und öfter). Es sei hier noch einmal an das Grundkonzept erinnert, dass die Materie das Fundament der Zeit, die Form aber das Fundament des aevum darstellt. Beachte dazu oben S. 209 mit Anm. 27 sowie S. 226 mit Anm. 110, besonders aber den Exkurs über Sein und Wesen der Zeit ab S. 217. Ferner denke man daran, dass „Materialität“ hier im Sinn von Potentialität gebraucht wird, also nicht notwendig Körperlichkeit einschließt (vgl. oben S. 260).

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

mobile stehenden Zeit findet,16 es gilt auch: „Zeit“ hat bei den Engeln durchweg akzidentellen Charakter, während der Mensch, der eine substantielle Einheit von Leib und Seele darstellt,17 viel tiefer und existentieller dem Lauf und dem Wechsel der Zeit unterworfen ist. Das bedeutet, ein Engel ist in gewisser Weise immer schon das, was er ist (auch wenn dieses Sein stets der sukzessiven Erhaltung durch die Gnade Gottes bedarf),18 der Mensch dagegen ist zutiefst von der der „Geschichtlichkeit“ seiner Existenz geprägt,19 er verwirklicht sich sukzessive in und mit der Zeit. Hier kommt von neuem der Entwicklungsaspekt ins Spiel. Deutlich zeigt er sich in der Art und Weise, wie der Doctor seraphicus den ersten Schöpfungsbericht interpretierte: Der Mensch erscheint hier nicht nur als Zielpunkt, auf den die ganze Schöpfung zuläuft, sondern er erscheint auch als ein Wesen, das selbst von Anfang an auf Zukunft und auf ein Werden hin angelegt ist. Diese Zweiheit legt einerseits Zeugnis vom teleologischen Denken Bonaventuras ab, andererseits findet in ihr die aevitern-zeitliche Struktur des Menschen – mit der in ihr gegebenen Spannung von bleibendem Sein und notwendigem Werden – einen adäquaten Ausdruck. Diese Beschreibung (und zugleich Deutung) der conditio humana spiegelt sich auch wider in einer doppelten Lesart von Gen 1, einerseits als Bericht über den Ablauf und die schrittweise Vollendung des Schöpfungswerkes, andererseits als Prophetie über den Lauf der Heilsgeschichte, in der der Mensch zur Vollendung findet.20 – Welchen Zugang man auch wählt, die Grundidee 16

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Für den Menschen gilt hier ein Teils-Teils: Es gibt Bewegungen, die von dem tempus magis proprie gemessen werden, während andere, nicht-kontinuierliche Vorgänge der Zeitform des tempus proprie unterliegen. Beispiel dafür sind die Ortsbewegung auf der einen Seite und geistig-psychische Prozesse auf der anderen Seite. In II Sent. 17, 1, 3, resp. [II, 417] betonte Bonaventura, dass die Seele zwar ohne den Leib existieren kann, aber der Leib zur natürlichen Vollkommenheit (perfectio naturalis) der Seele gleichwohl notwendig ist. Erinnert sei hier noch einmal an den Vergleich von Lichtstrahl und Wasserstrahl zur Verdeutlichung des Unterschiedes von aeviternem und zeitlichem Sein. Vgl. oben S. 200 mit Anm. 163 sowie S. 309. In etwa im Sinn der Unterscheidung Bonaventuras von IV Sent. 43, 1, 4, ad 4 [IV, 890b]: … de esse rei est loqui dupliciter: aut quantum ad defluxum et durationem, aut secundum se. Vgl. hierzu oben S. 284 mit Anm. 53. Es ist eine klassische Interpretation der Schöpfungsgeschichte, treffend formulierte sie Alexander GERKEN, Theologie des Wortes. Das Verhältnis von Schöpfung und Inkarnation bei Bonaventura, Düsseldorf 1963, 121: „Wie Gott die im Worte geplante Schöpfung in sechs Tagen in immer leuchtenderer Darstellung der Fülle seines Wortes ins Dasein gestellt hat, so vollendet sich das Bild des Wortes, der Mensch, indem er von unten nach oben die Schöpfung als ‚Spur‘ ihres Urbildes in sich aufnimmt und in die ‚similitudo‘ zurückliebt …“. Entsprechende Stellen bei Bonaventura sind Apol. III, 8 [VIII, 246]: ac per hoc senaria perfectio minoris mundi in esse reparationis et gratiae directe correspondet senariae productioni mundialis machinae in esse naturae. Bonaventura sah dies ebenso in Bezug zum mystischen Aufstieg des Menschen, vgl. dazu Itin. I, 5 [V, 297]: sicut Deus sex diebus perfecit universum mundum et in septimo requievit, sic minor mundus sex gradibus illuminationum sibi succedentium ad quietem contemplationis ordinatissime perducatur.

Der Anfang der Zeit: Protologische Aspekte

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ist stets: Der Mensch ist einerseits selbst Ziel, und andererseits hat er immer schon ein von sich selbst verschiedenes Ziel und eine Zukunft. Diese Beobachtung schließt ein, dass der Mensch nicht in einem absoluten Sinn „Ziel der Schöpfung“ ist, das ist alleine Gott. „Ziel“ ist er vielmehr als dasjenige geistige Wesen, das in der Lage ist, in einem bewussten und freien Akt die Schöpfung auf ihren Schöpfer „zurückzuvermitteln“ (reductio).21 Die Zukunft, die dem Menschen bevorsteht, ist in letzter Instanz Gott selbst, der sich seinem Geschöpf in der visio beatifica schenken will. Dass es sich dabei tatsächlich um eine Zukunft handelt, wird bei der näheren Betrachtung des Urstandes und der in ihm gegebenen Gotteserkenntnis erkennbar, denn Adam erkannte Gott nicht von Angesicht zu Angesicht, sondern durch den Spiegel der Geschöpfe (per speculum), der damals freilich noch nicht durch die Sünde getrübt war.22 Dieser noch unvollkommenen Gottesschau entspricht es, wenn der Mensch ins irdische Paradies und nicht ins aeviterne, immer schon vollendete Empyreum hineinerschaffen wurde (wie die Engel).23 Anders gesagt bedeutet das: Die Erschaffung des Menschen war zwar der Höhepunkt und Abschluss des Schöpfungshandelns, doch gleichzeitig kommt damit eine neue, auf weitere Entwicklung und schließlich auf Vollendung zielende Dynamik in Gang.

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Vgl. dazu, was oben über das Schöpfungsziel gesagt wurde (S. 320, bes. Anm. 8). In der reductio deutet sich dabei ebenfalls ein zeitlicher Prozess an, vgl. unten S. 346. In diesem Sinn lässt sich auch sagen: „Wenn der Mensch zu Gott zurückkehrt, bringt er die ganze Schöpfung mit, und so ist der Mensch für alle anderen Geschöpfe der finis sub fine“ (HELLMANN, Ordo, 102). – Oder noch einmal anders gesagt: Der Mensch ist sowohl Ziel und Ende der Schöpfung wie auch Anfang, weswegen Hex., princ., 3 (3), 19 [V, 346; Ed. Delorme, 42, dort nr. 20] mit Iac. 1, 18 den Menschen als initium creaturae ansprechen kann. Dieselbe Ambivalenz von Anfang und Ende zeigt sich auf höherer Stufe noch einmal im verbum incarnatum, vgl. S. 361. Vgl. vor allem I Sent. 3, 1, 1, 3 [I, 74f.]. Arg. 1 [I, 74] stellte fest: Homo in statu innocentiae non cognoscebat Deum facie ad faciem. Im Responsum [I, 74] wird die Gotteserkenntnis des Pilgerstandes als Erkenntnis per creaturam, [id est] elevari a cognitione creaturae ad cognitionem Dei quasi per scalam mediam beschrieben. Sie unterscheidet sich im Urstand und im Stand der gefallenen Natur: Im Ersteren ist sie ein Schauen per speculum clarum, im Letzteren per speculum et aenigma … propter obnubilationem intellectus et peiorationem rerum. – Ergänzend lässt sich hinsichtlich des Glorienstandes bemerken: Er kennt nicht nur die unmittelbare Gottesschau, sondern auch eine Erkenntnis Gottes in creaturas, [id est] cognoscere ipsius [scil. Dei] praesentiam et influentiam in creaturas (die dem Menschen im Pilgerstand nur anfanghaft [semiplene] zuteil wird). Ähnliche Überlegungen finden sich in II Sent. 23, 2, 3, resp. & ad 6 & ad 7 [II, 545–547]: Das Responsum schließt dabei mit der Feststellung: Adam Deum non cognovisse eo genere cognitionis, quam exspectamus in gloria, … Vgl. schließlich auch Scient. 4, resp. [V, 24]. Man denke dabei auch noch einmal an die Auslegung von II Sent. 12, dub. 1 [II, 307], was die Unterscheidung „Himmel und Erde“ in Gen 1, 1 bedeutet: caelum empyreum completum erat et immutabile et habebat mensurari aeviternitate cum suis contentis; materia vero illa incompleta erat et subiecta mutabilitati, tam ipsa, quam ea quae ex ipsa futura erant; et ideo debebat mensurari tempore …

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

Im Hinblick auf Bonaventuras Zeitoptimismus24 ist hier eigens noch einmal zu bemerken, dass „Zukunft zu haben“ von Anfang an zum Wesen des Menschen gehört und nicht etwa eine Folge des Sündenfalls ist.25 Dieses steht damit auch in keiner Weise unter dem Aspekt der reparatio. Gesetzt den Fall, es wäre anders, bliebe die Zeit zwar immer noch Ermöglichungsbedingung und Chance,26 doch stünde sie dann unter dem negativem Vorzeichen des vorausgehenden Absinkens in eine mindere Wirklichkeit. Dies erschien Bonaventura ebenso wenig tolerabel wie eine Soteriologie, die „Erlösung“ lediglich als Rückkehr in den status quo ante deutet und dabei übersieht, dass es hier vielmehr um die Eröffnung eines völlig neuen Weges zum Heil geht.

2.2

Die Zeit als dem Menschen in Freiheit aufgegebene

Die Verbindung von Mensch und Zeit scheint weiter darin auf, dass sich mit der Erschaffung des Menschen eine neue Ebene dessen auftut, was Zeit bedeutet: Sie wandelt sich zur Geschichte und näherhin – in theologischer Perspektive – zur individuellen und universalen Heilsgeschichte. Es ist klar, dass der bisher in dieser Arbeit verwendete Zeitbegriff dadurch überstiegen wird und eine neuen, gefüllteren Inhalt bekommt. Es soll nun hier nicht darum gehen, das reiche geschichtstheologische Konzept Bonaventuras zu entfalten, aber es soll die grundsätzliche Offenheit des ersteren Zeitbegriffs auf Geschichte hin dargestellt werden. Das entscheidende hier neu hinzukommende Moment ist das der Freiheit. Das Fortschreiten der Zeit ist auf dem betrachteten Niveau kein mechanisch-materieller Prozess mehr, der mit zwingender Notwendigkeit auf ein bestimmtes Ziel hinläuft, sondern er ist begleitet von der Zustimmung dessen, der da voranschreitet und der durch sein Handeln mitentscheidet, ob das zuvor gesteckte Ziel erreicht wird. Die neue Qualität der Zeit beruht auf dem personalen Gegenüber von Gott und Mensch. Der eigentliche Initiator und Träger dieser Beziehung ist der liebende Gott. Wenn man so will, ist es das alle zeitlich-geschichtliche Dynamik tragende bibli-

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Vgl. oben S. 341. In Hex., princ., 1 (1), 17 [Ed. Delorme, 7; vgl. V, 332] dachte Bonaventura ausgehend von der Abend- und Morgenerkenntnis der Engel (vgl. dazu oben S. 148, Anm. 324) über den hypothetischen Fall einer Welt ohne Sündenfall nach: Sic Adam, si stetisset in coniunctione sapientiae aeternae, fecisset etiam ipse de vespere et mane diem sibi aeternum et posteris eius. Et nota quod est scientia faciens scire per veritatem inconcussam, infallibilem, incorruptibilem, quae est per contemplationem Creatoris in creaturis iterum rediens in Creatorem. – Der Unterschied, den der Sündenfall macht, liegt also nicht darin, dass durch ihn erst der Weg der reductio nötig wäre, sondern, dass nach dem Fall der erste Teil des Weges (bis zum Erscheinen Christi) im „Dunkel“ zurückzulegen war (vgl. HAYES, The Hidden Center, 214). Vgl. auch, was oben (S. 322, Anm. 16) über die Möglichkeit der reparatio und implizit über die „Zeitlichkeit“ der Engel gesagt wurde.

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sche Aeterna dilectione amavi te (Ier. 31, 3),27 das dabei an die Stelle des „unbewegten Bewegers“ der aristotelischen Metaphysik tritt: Letzterer bewegt zwar ebenfalls alles wie ein Geliebtes, doch bleibt er ein apersonales Prinzip. Wie sehr Gott in die Zeit hineinwirkt, zeigt sich an theologischen Konzepten wie der Vorsehung (providentia) oder der Lenkung der Welt (gubernatio). Immer spielt dort auch die Geistbegabung des Menschen eine Rolle, denn ohne sie würden diese Akte ihren personalen Charakter verlieren. In der Lenkung der Welt zeigt sich das zum Beispiel dadurch, dass sie mittels der göttlichen Weisungen und Gesetze erfolgt.28 Diese Weisungen und Gesetze werden dabei so verstanden, dass sie ihrer Natur nach ein geistiges Gegenüber erfordern, das sie versteht, annimmt und in Freiheit umsetzt. In der Kombination von Entwicklungs- und Freiheitsmoment liegt sicherlich auch einer der Gründe, warum Bonaventura sich so dezidiert gegen die averroistische These von der Ewigkeit der Welt aussprach. Eine immer schon bestehende Welt mit ihrer notwendigen Wiederholung des immer Gleichen bot für ihn keinen Platz für eine zielgerichtete Entwicklung oder für eine den Einzelnen zu einem Ziel führende Vorsehung.29 Anders die durch den Schöpfungsakt in ihrem Anfang begrenzte Zeit, die mit ihrer Suk27

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Oder in der aktuellen Vulgatafassung: in caritate perpetua dilexi te, ideo adtraxi te miserans. Vgl. dazu etwa Bonaventuras Bemerkungen in Hex. IV, 4 (23), 10 [Ed. Delorme, 267; V, 446b], In Luc. 12, 72 [VII, 331b], In Joh. 21, coll. 76, 5 [VI, 625]. Vgl. dazu etwa die Ausführungen von Hex. IV, 2 (21), 6–10 [Ed. Delorme, 236–239; V, 432f.]. Vgl. oben S. 18 sowie S. 70 mit Anm. 236. – Die Situation ist freilich weitaus komplexer als sie in einer knappen Bemerkung dargestellt werden kann (es sei dazu noch einmal auf die in Anm. 22, S. 20 genannte Literatur verwiesen). Nur auf einen einzigen Punkt soll hier klärend eingegangen werden: Die Frage nach der Ewigkeit der Welt wurde von Bonaventura durchweg so verstanden, dass es dabei um die Negation des zeitlichen Beginns geht (die Ewigkeit a parte ante, das esse ab aeterno) und nicht um die Frage des ewigen Fortbestehens (die Ewigkeit a parte post, das esse in aeternum). Letztere Form der Ewigkeit wurde bedingt zugegeben (d. h. in dem Sinn, dass es Geschöpfe gibt – z. B. die Engel und die menschliche Seele – die zwar einen Anfang ihrer Existenz, aber kein Ende kennen; nicht jedoch in dem Sinn, dass deswegen das Jüngste Gericht und damit verbunden das – in endlicher Zukunft eintretende – Ende der Welt in ihrer bisherigen Form geleugnet werden sollten). Es war die Ewigkeit a parte ante, die dem Doctor seraphicus als problematisch erschien, denn sie bedeutete eine aktuale (und nicht nur eine – weil auf Zukunft bezogene – potentielle) Unendlichkeit der Welt in ihrer zeitlichen Dimension. Wollte man an der Anfangslosigkeit der Welt festhalten, ohne das „Verbot“ eines aktual Unendlichen zu verletzen (vgl. dazu oben S. 233 und S. 243 mit Anm. 189), so sah Bonaventura die einzige Möglichkeit darin, im Lauf der Zeit irgendeine Form von Zyklizität anzunehmen, damit aber ist man genau bei der obengenannten Folge, dass eine zielgerichtete Entwicklung nicht mehr möglich ist. Anders gesagt: Eine solche Welt kann weder eine wirkliche – d. h. eben einmalige – Geschichte haben (insbesondere würde eine sich wiederholende Menschwerdung Gottes den Erlösungsgedanken ad absurdum führen, vgl. Praec. II, 25 [V, 514]), noch kann es in ihr einen Weg zur Erreichung der Glückseligkeit geben, vgl. den Schluss von Bonaventuras Stellungnahme zur Frage der Ewigkeit der Welt in II Sent. 1, 1, 1, 2, resp. [II, 23]: Ad vitandum autem infinitatem actualem necesse fuit ponere aut animae rationalis corruptionem, aut unitatem, aut circulationem; et ita auferre beatitudinem. Unde iste error et malum habet initium et pessimum habet finem.

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

zessivität zwar nicht als unmittelbare Voraussetzung der Freiheit auftritt – was an der mit Ewigkeit verbundenen Freiheit Gottes unmittelbar ersichtlich ist –, die aber doch den Raum abgibt, in den hinein sich die spezifisch geschöpfliche Freiheit verwirklicht. Gerken sprach sicherlich im Sinn Bonaventuras, wenn er das Wesen dieser „heilsgeschichtlichen Zeit“ bestimmte als „die der Freiheit des Menschen angebotene Möglichkeit, unter der Macht der Gnade die ‚imago‘ und damit die ganze Schöpfung zur höchstmöglichen Verähnlichung mit dem ewigen Worte zu gestalten.“30 Sehr deutlich zeigt sich hier der Wechsel in der Wahrnehmung von Zeit: Sie erscheint nicht mehr (nur) als eine Vorgabe – nach dem Bild eines Flusses, in den der Mensch hineingestellt ist und gegen dessen Strömung er nicht ankommen kann –; vielmehr tritt jetzt der Charakter der Zeit als eines Angebots, aber eben auch als einer Aufgabe in den Vordergrund. Will man die mit der Zeit verbundene Aufgabe näher beschreiben, so gelangt man bei Bonaventura unweigerlich zum bereits genannten Begriff der reductio.31 So wie der Ausgang der Schöpfung von Gott in gewisser Weise als eine Abstiegsbewegung verstanden werden kann, wird man umgekehrt die reductio als einen Aufstieg zu immer größerer deiformitas begreifen.32 Die reductio beginnt bereits mit dem ersten Moment der Schöpfung und durch sie gelangt die Schöpfung zur Vollendung.33 Für dieses Ausgehen von Gott und die Rückkehr gebrauchte Bonaventura selbst das Bild des Kreises,34 30 31

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GERKEN, Theologie des Wortes, 122. Vgl. S. 343 mit Anm. 21. Zum Konzept der reductio vgl. etwa das entsprechende Kapitel bei GERKEN, Theologie des Wortes, 41f. & 139–151 sowie HAYES, The Hidden Center, 17–19; FISCHER, De Deo trino et uno, 322–336; HELLMANN, Ordo, 35–40; für die erkenntnistheoretische Seite der reductio vgl. Andreas SPEER, Triplex veritas. Wahrheitsverständnis und philosophische Denkform Bonaventuras (= Franziskanische Forschungen 32), Werl i. Westfalen 1987, 60–63 & 194–198. Diese Aufstiegs- und Rückkehrbewegung ist ein Schlüsselelement, das an vielen Stellen des bonaventurianischen Denkens begegnet. Insbesondere verbindet es an dieser Stelle – im Sinn der Analogie zwischen maior mundus und minor mundus (vgl. oben S. 61 mit Anm. 193 sowie HAYES, The Hidden Center, 195) – die Heilsgeschichte der Welt und die persönliche Heilsgeschichte. So ist es kein Zufall, wenn in Itin. I, 5 [V, 297] (vgl. oben S. 342, Anm. 20) der Aufstieg der Seele zu Gott durch die sechs Erleuchtungen gegliedert wurde. Er entsprach damit dem sechstägigen Schöpfungsprozess, der seit der Patristik als Urbild aller heilsgeschichtlichen Zeit galt (man denke etwa an die Entsprechung zwischen den Schöpfungstagen und den Weltzeitaltern, den aetates mundi). Die Zeit des Einzelnen erscheint so in die Zeit als Ganze eingebettet. Insbesondere gilt dabei, was oben (S. 344) betont wurde, und was GERKEN, Theologie des Wortes, 41f. im Bezug auf die reductio feststellte: „für Bonaventura ist die Reductio nicht nur die Zurückführung der gefallenen Schöpfung. … Die Reductio ist also die Heimholung des Geschöpfes in die Gnade, d. h. zu Gott selbst, Heimholung nicht deshalb, weil das Geschöpf vorher aus der Gnade herausgefallen ist, sondern weil es als Bild Gottes in Gott seit je seine Heimat hat.“ Vgl. zum Bild des Kreises noch einmal Brev. II, 4 [V, 221f.] (zitiert oben S. 320, Anm. 10); die Dreifaltigkeit als Ausgangspunkt und Zielpunkt der Schöpfung stellt Trin. 8, ad 7 [V, 115] (zitiert in Anm. 8, S. 351) dar. In dem geschichtstheologischen Resümee von Perf. ev. 2, 2, ad 20 [V, 148a] stellte Bonaventura fest: «omega revolvit ad alpha», id est, finalis status concordavit cum primo. Im Hinblick auf die Inkarnation heißt es III Sent. 1, 2, 1, resp. [III, 20]: Congruum fuit propter divinorum operum excellentem consummationem, quae quidem facta est, cum ultimum

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die Zeit aber ist das Maß beider Bewegungen, sowohl des exitus wie auch des reditus. Dabei bleibt bestehen, dass hier unter dem einen Begriff „Zeit“ zwei unterschiedliche Zeitformen subsumiert werden, die auf verschiedenen Ebenen anzusiedeln sind: Die Schöpfungszeit als „Naturzeit“, die ja nicht mit dem Abschluss der Schöpfung im engeren Sinn (d. h. mit dem siebten Schöpfungstag) endet, sondern die weiterläuft und gewissermaßen das Fundament der geschichtlichen Zeit bildet, und die „Geschichtszeit“, die einen anderen Charakter als die von Notwendigkeit geprägte natürliche35 Zeit besitzt; sie ist eine Zeit der Gnade, 36 geprägt von Freiheit.

2.3

Fazit

Nach diesem Ausblick auf die heilsgeschichtliche Zeit, die mit der Schöpfung ihren Anfang nimmt, hoffe ich, dass in diesem Abschnitt Verschiedenes noch einmal deutlich geworden ist. Erstens im Hinblick auf die Zeit selbst: Was Bonaventura in seiner Protologie vorlegte, war kein empirischer, sondern ein idealtypischer Entwurf der Zeit. Es ging ihm darum, wie die Zeit von ihrem Schöpfer ursprünglich gedacht war, nämlich als eine Zeit des Ins-Dasein-Tretens, des Wachstums und schließlich – was bereits in der Protologie als Zielrichtung erkennbar ist – der Vollendung. Als erstes Maß, das nicht allein im Denken gegeben ist, sondern eine objektive Gegebenheit darstellt, kommt es der Zeit dabei in besonderer Weise zu, die geschöpfliche Begrenztheit (limitatio) zu offenbaren.37 Zugleich ist sie dabei ein Ausdruck der Nichtigkeit (vanitas) alles Geschöpflichen, einer „Nichtigkeit“, die nichts anderes bedeutet als die totale Verwiesenheit auf und die Abhängigkeit von der göttlichen Gnade, ohne die die Geschöpfe (im wahrsten Sinn) nicht sein können.38 – Zweitens im Hinblick auf das Verhältnis des Menschen zur Zeit: Der Mensch steht so in der Zeit, dass er die Ewigkeit berührt, ja in sie hineinragt.39 Dieses Stehen in confinio aeternitatis et temporis40 bedeutete aber für Bonaventura ge-

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36 37 38 39 40

coniunctum est primo. Ibi enim est perfectionis consummatio, sicut apparet in circulo, qui est perfectissima figurarum, qui etiam ad idem punctum terminatur a quo incepit. Vgl. dazu auch oben Anm. 207, S. 248 sowie im folgenden Abschnitt ab S. 388 zur Bedeutung der beiden Symbole Kreis und Kreuz. Die angesprochene „Notwendigkeit“ ist dabei selbstverständlich eine innere Notwendigkeit, d. h. im Hinblick darauf, wie sich im Ablauf der Schöpfung eines aus dem anderen entwickelt – auf Seiten und aus der Perspektive Gottes wird man hier nur Freiheit finden. Vgl. noch einmal das Verständnis von reductio als die „Heimholung des Geschöpfes in die Gnade, d. h. zu Gott selbst“ (GERKEN, Theologie des Wortes, 42). Vgl. dazu oben S. 208 mit Anm. 21 sowie den Abschnitt ab S. 223. Dazu oben S. 282. Vgl. dazu auch THAUT, Zeit, Geschichte, Ewigkeit, 51. Zu dem neuplatonisch geprägten Ausdruck vgl. oben S. 189, Anm. 112.

348

Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

rade nicht, dass es die Aufgabe des Menschen wäre, aus der Zeit „auszusteigen“ und das Zeitliche hinter sich zu lassen. Vielmehr soll er – als ein auf Zukunft hin angelegtes Wesen – durch die Zeit hindurch zur Vollendung gelangen und dabei die gesamte zeitliche Schöpfung41 mitnehmen und „heimführen“ in den Ursprung, aus dem sie gekommen ist. Im Letzten gilt diese Aufgabe der reductio sogar gegenüber der Zeit selbst, die ja im Sinn des concreatum ebenfalls ein Geschöpf ist und die mit der Vollendung der Schöpfung im Eschaton eine tiefgreifende Wandlung (eine Transformation) erfahren wird.42 Im Abschnitt über die Eschatologie wird dies noch einmal zu bedenken sein.

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Nicht zuletzt gilt das für den Leib des Menschen. Gerken spricht im Blick auf die heilsgeschichtliche Zeit von einem Sich-Auflösen: „Die Zeit wird sich also – wenigstens als eine von solcher Aufgabe geprägte – auflösen mit der Erfüllung ihrer Aufgabe: Indem Zeit ist, damit wir und indem wir in der Gnade die Stufenleiter der Schöpfung zu Gott emporsteigen, hört sie als eine solche auf, wenn die letzte Stufe hinter uns liegt“ (Theologie des Wortes, 122). Rein vom Aspekt der Geschichtlichkeit her betrachtet, wird man dem nicht widersprechen können; blickt man dagegen auf das Phänomen Zeit insgesamt, würde ich eher von Transformation und Vollendung als von Auflösung sprechen.

3

Die Mitte der Zeit: Christologische Aspekte

Die Betrachtung der Person Jesu Christi besitzt bei Bonaventura einen sehr hohen Stellenwert. Sie ist in vielerlei Hinsicht Ausgangs- und Zielpunkt seines Denkens. Um so mehr mag es verwundern, wenn in der Betrachtung der Zeit bisher praktisch nicht von Christus die Rede war. Mehrere Gründe können das Fehlen dieses für den Doctor seraphicus so typischen Elements erklären: Die Zeitthematik wurde in dieser Arbeit von der naturphilosophisch-metaphysischen Seite angegangen, während die heilsgeschichtliche und geschichtstheologische Perspektive bewusst ausgeschlossen waren.1 Theologischerseits entspricht dem eine Argumentation auf der Basis schöpfungstheologischer Argumente, wie auch an der im Wesentlichen von II Sent, d. 2 getragenen Textbasis erkennbar ist. Oder von einer anderen Seite her gesehen: Die Diskussion um die angemessene Integration (und damit auch Transformation) des aristotelischen Gedankengutes ins christliche Denken verlief abseits der Christologie, denn deren ansatzweise bereits im Neuen Testament zu findende2 Bezüge zur Zeit setzen einen geschichtlich gefüllten Zeitbegriff voraus, dem man in den aristotelischen Quellen (Physica, Metaphysica, …) so nicht begegnet. Ganz zufrieden wird man mit diesen Antworten dennoch nicht sein, insbesondere dann, wenn man, wie hier, der anthropo-theologischen Relevanz der Zeitfrage bei Bonaventura nachgeht. Wenn Christus als das Urbild des Menschen schlechthin verstanden wird, dann sollte die Bedeutung der Zeit für den Menschen in irgendeiner Weise christologisch fundiert sein. Es ist vor allem die Synthese des Hexaëmeron, die den gesuchten Brückenschlag erlaubt, denn diese zeichnet sich gerade durch eine christologisch vermittelte Konvergenz metaphysischer und geschichtstheologischer Überlegungen aus.3 Von grundlegender Bedeutung sind hierbei die Ausführungen von Hex., 1 2 3

Vgl. die Zielbestimmung in der Einleitung oben S. 20. Vgl. z. B. Mk 1, 15; Gal 4, 4; Eph 1, 9f.; Tit 1, 2f.; 1 Petr 1, 11.20; Offb 1, 3 … Vgl. etwa das Urteil von HAYES, The Hidden Center, 193: “Bonaventure’s vision is Word-centered from the beginning; and through his efforts to deal with major challenges throughout his career, it becomes emphatically Christ-centered both at the metaphysical and at the historical levels.” Im Blick auf die Ausführungen von Hex., princ., 1 (1), 17 [V, 332; Ed. Delorme, 7] konnte er ebd., 196 feststellen: “From this it is clear that, for Bonaventure, the principal metaphysical question coincides with the Christological question.”

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

princ., 1 (1), 10–39 über Christus als universale Mitte (in allen Teilbereichen der menschlichen Wissenschaft). Sie bilden den Ausgangspunkt für die folgende Betrachtung. Für Bonaventura war es Christus, durch den Gott die Welt „als Schöpfer, als Erlöser und als Vollender erreicht“.4 Spiegelt sich das irgendwie in der zeitlichen Struktur der Welt wider? Im Folgenden soll es nicht darum gehen, den Ablauf der Zeit in geschichtlicher Konkretheit zu betrachten (das hieße, einen kompletten geschichtstheologischen Entwurf vorzulegen), vielmehr soll die Zeit als ganze noch einmal auf dem Hintergrund der christologischen Frage beleuchtet werden. Den Ausgangspunkt dazu kann die folgende Beobachtung liefern: Die theologische Relevanz der Zeit besteht darin, ein Strukturelement und „Mittel“ der Gnade zu sein, insofern wenigstens als unter „Gnade“ nicht nur das übernatürliche Ziel selbst (die gratia increata), sondern auch die Hilfen und die Wege, die zu diesem Ziel führen, verstanden werden.5 Dieser Sachverhalt ist der Ansatzpunkt, um die Zeitfrage und die Christologie einander näher zu bringen. Die inhaltliche Brücke zwischen beidem bildet dabei erneut das Begriffspaar von exire und redire (reductio), denn die reductio als das spiegelbildliche Pendant zum exire, dem Hervorgehen aller Schöpfung aus Gott, bedeutet ja – wie gesehen – nichts anderes als die „Heimholung des Geschöpfes in die Gnade“.6 Diese „Heimholung“ lässt sich von verschiedenen Seiten betrachten: Im vorigen Kapitel war der Beitrag des Menschen im Blick, nämlich insofern es sich um eine Aufgabe handelte, die er der übrigen Schöpfung gegenüber zu erfüllen hat. Im Folgenden wird die reductio als ein Tun Gottes am Men4 5

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Vgl. HAYES, The Hidden Center, 192f.: “It is in and through that center that God reaches to the world as creator, as redeemer, and as consummator.” Man könnte so auch die gnadenhaften Aspekte von tempus und aevum voneinander unterscheiden: Während dem aevum das feste Stehen in der Gnade entspricht, verbindet sich mit der Zeit das Kommen zur Gnade. Zum aevum als Gnadenzeit vgl. oben S. 331. GERKEN, Theologie des Wortes, 42, vgl. oben S. 346, Anm. 33. – Bonaventura selbst baute hier eine Verbindung von exire und Natur sowie von redire und Gnade auf, so dass Letzteres das Erstere vollendet. Vgl. I Sent. 37, 1, 3, 2, resp. [I, 648b]: Quidam enim est effectus, secundum quem comparatur res ad Deum per modum exeuntis; et hi omnes continentur sub modo naturae, extenso nomine. Quidam per modum redeuntis; et hic est effectus gratiae inchoatae, vel consummatae, vel gloriae, … In Brev. V, 1 [V, 253a] nannte Bonaventura die Rückkehr in Gott als das eigentliche Ziel der gratia gratum faciens: [gratia gratum faciens] ad hoc sit, ut per ipsam opus manans a Deo revertatur in Deum, in quo ad modum circuli intelligibilis consistit omnium spirituum rationalium complementum. – Dabei ist noch einmal zu betonen (vgl. oben S. 344 mit Anm. 25), dass sich die Notwendigkeit des reditus nicht erst aus dem Sündenfall ergibt, sondern von Anfang an besteht (als ausstehende Vollendung der Natur durch die Gnade). Gleichwohl bekommt die reductio mit dem Verlust des ursprünglichen Standes noch einmal einen neuen Charakter als Wiederherstellung (reparatio) und Neu-Schöpfung (reficere), vgl. dazu unten S. 344. – Der Zusammenhang mit dem vorausgehenden und dem folgenden Kapitel wird deutlich, wenn man „Gnade“ unter dem Aspekt einer die menschliche Person vervollkommnenden Form betrachtet (vgl. dazu etwa SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 146; bei Bonaventura vgl. II Sent. 26, 1, 2, resp. [II, 635f.] und ebd., qu. 3, passim [II, 637–639], ferner Brev. V, 1, passim [V, 252f.]).

Die Mitte der Zeit: Christologische Aspekte

351

schen angesehen. Durch seine gottmenschliche Natur ist Christus in komplexer Weise an dem Werk der reductio beteiligt und verbindet die beiden Perspektiven. Eine Gliederung dieses Feldes ergibt sich durch zwei Schlüsselwörter der bonaventurianischen Christologie: das verbum increatum und das verbum incarnatum.7

3.1

Die metaphysische Begründung der Zeit im verbum increatum

Beginnt man beim Begriff des verbum increatum, so ist vorauszuschicken, dass Bonaventura die reductio zunächst als Werk des göttlichen Seins schlechthin charakterisierte.8 Ein genauerer zweiter Blick offenbart freilich die besondere Rolle Christi als des ungeschaffenen, ewigen Wortes. Als solches ist er nicht nur innertrinitarisch der vollkommene Ausdruck des Vaters, sondern als das verbum ist er auch „die Exemplarursache der Schöpfung und insbesondere des Menschen“:9 Im Blick auf das ewige Wort, nach seinem Vorbild und durch es ist alles geschaffen.10 Weil also der Ausgang

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Zur Entfaltung dieser Terminologie bei Bonaventura vgl. vor allem Hex., princ., 3 (3) [V, 342– 348; Ed. Delorme, 33–47]. Eine dreifache Einsicht wurde hier (ebd., nr. 2 [V, 343]) vorgestellt: intellectus Verbi increati, per quod omnia producuntur; intellectus Verbi incarnati, per quod omnia reparantur; intellectus Verbi inspirati, per quod omnia revelantur. Kurz gesagt geht es bei dieser Trias um „sowohl die Stellung des Sohnes in der Dreifaltigkeit (‚Verbum increatum‘) als auch die Stellung des Inkarnierten in der Schöpfung (‚Verbum incarnatum‘) und sein Verhältnis zum Offenbarungswort der Schrift (‚Verbum inspiratum‘)“ (GERKEN, Theologie des Wortes, 54). Vgl. Trin. 3, 1, resp. [V, 70]: Si consideramus modos divinarum conditionum, divinum esse, eo ipso quo est primum, est simplicissimum. Nam eo ipso quo est primum, omnia ab ipso fluunt, et eo ipso quo fluunt ab ipso, ad ipsum recurrunt et reducuntur tanquam ad finem ultimum; et ex hoc habet, quod sit alpha et omega, primus et novissimus, principium et finis. Quia ergo haec, quae maxime videntur distantia, concurrunt in omnimode unum; necesse est, ipsum divinum esse esse perfectissimum, quasi quendam circulum intelligibilem. – In Trin. 8, ad 7 [V, 115] – dem Epilog von Bonaventuras Quaestio über die Trinität – wird die Dreifaltigkeit selbst als Ausgangs- und Zielpunkt des geschaffenen Geistes dargestellt: Hinc est, quod vita aeterna haec sola est, ut spiritus rationalis, qui manat a beatissima Trinitate et est imago Trinitatis, per modum cuiusdam circuli intelligibilis redeat per memoriam, intelligentiam et voluntatem, per deiformitatem gloriae in beatissimam Trinitatem. GERKEN, Theologie des Wortes, 139; vgl. Hex., princ., 3 (3), 4 [Ed. Delorme, 35]: [verbum increatum] per quod omnia originantur et exemplantur … Für einen (unvollständigen) Überblick der Stellen zur exemplaritas des Sohnes vgl. den Artikel «Exemplar» in BOUGEROL, Lexique Saint Bonaventure, 61–65, besonders 61; hier sei nur auf Red. 12 [V, 322f.] hingewiesen: Si consideremus egressum, videbimus, quod effectus artificialis exit ab artifice, mediante similitudine existente in mente; per quam artifex excogitat, antequam producat, et inde producit, sicut disposuit. Producit autem artifex exterius opus assimilatum exemplari interiori eatenus, qua potest melius; … Per hunc modum intellige, quod a summo Opifice nulla crea-

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

der Schöpfung über das Wort geschah, darum muss alles auch durch und über das Wort zu Gott zurückkehren.11 „Als ewigem Wort kommt Christus die ‚reductio‘ des Menschen und damit aller Kreatur zu. Wie die Schöpfung von ihm als ihrem Urbild ausging, wie sie aber gerade so ausging, daß sie auch seine Rückbeziehung zum Vater im Heiligen Geist als sein, des Wortes, Bild nachvollzieht, und damit zum Bild der Trinität wird, so ist er es, durch dessen Nachbildung die Kreatur ‚zurückkehrt‘, d. h. ihr geplantes gnadenhaftes Ziel erreicht.“12 Die exemplaritas erweist sich hier als Dreh- und Angelpunkt: Sie ist der Anfang und das Mittel des Ausgangs und eben darum auch das Mittel und das Ziel für die Rückkehr der Schöpfung.13 Hatte sich im vorigen Kapitel Gott selbst als die Zukunft des Menschen erwiesen, so ist es in dieser Überlegung Christus, auf den alles zuläuft. Als Ziel gilt dabei die „schlechthinnige Offenbarkeit des ewigen Wortes für den Menschen in der vollendeten und begnadeten Gesamtschöpfung und die schlechthinnige Unmittelbarkeit des Menschen zum ewigen Wort“.14 Man erkennt: Auch im christologischen Zusammenhang wird reductio als Verähnlichung und Vereinigung verstanden. Die angestrebte deiformitas wird durch christiformitas erreicht. Die Angleichung an Gott den Vater geschieht in der Begegnung mit dem Wort, das selbst die subsistierende „Ähnlichkeit“ des Vaters ist.15

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tura processit nisi per Verbum aeternum, «in quo omnia disposuit», et per quod produxit non solum creaturas habentes rationem vestigii, sed etiam imaginis … Die Begründung war dieselbe wie Trin. 3, 1, resp. [V, 70] (zitiert oben, Anm. 8). Vgl. GERKEN, Theologie des Wortes, 74f., 145, 148. SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 123 bemerkte: „Der Mensch aber ist nicht nur geschaffen, wie alles andere, durch das WORT, sondern auch auf das WORT hin“, die zweite göttliche Person hat also für den Menschen immer schon auch den Aspekt des Zieles. GERKEN, Theologie des Wortes, 140; vgl. dazu etwa Hex., princ., 1 (1), 17 [V, 332], wo der Sohn als medium metaphysicum reducens erscheint: Verbum ergo exprimit Patrem et res, quae per ipsum [scil. Verbum] factae sunt, et principaliter ducit nos ad Patris congregantis unitatem; et secundum hoc est lignum vitae, quia per hoc medium redimus et vivificamur in ipso fonte vitae. … Hoc est medium metaphysicum reducens. Wie HELLMANN, Ordo, 76 feststellte: „Der Exemplarismus wächst aus dem Grundbegriff der mediatio hervor und ist seine weitere Entfaltung.“ Sehr klar drückte das Hex. I, 4 (7), 1 [Ed. Delorme, 98] in Reportatio A aus: de qua consideratione Philosophi hoc modo erraverunt, alii ponentes rationem principii et finis, sed non medii, scilicet exemplaris. Hellmanns Unterscheidung medium in egressu est exemplar und medium in regressu est mediator (78) und ihre Zuordnung zu den Perspektiven von verbum increatum und verbum incarnatum erkennt dabei zwar etwas Richtiges, doch darf sie nicht absolut gesetzt werden: Auch dem verbum increatum kommt eine Mittlerfunktion zu und zwar (wie oben festgestellt) sowohl hinsichtlich des Anfangs wie auch hinsichtlich des Zieles, vgl. dazu auch S. 359. GERKEN, Theologie des Wortes, 135. – In ähnlichem Sinn konnte Hex., princ., 3 (3), 19 [V, 346; Ed. Delorme, 42, dort nr. 20] Christus nach Is. 9, 6 (5) als „Vater der Zukunft“, als pater futuri saeculi, quia ipse est principium influentiarum, per quas vivemus in futuro saeculo bezeichnen. Vgl. erneut GERKEN, Theologie des Wortes, 140. Ferner HAYES, The Hidden Center, 183f.: “our deiformity will consist precisely in our conformity to the son whereby we enter into His relation to

Die Mitte der Zeit: Christologische Aspekte

353

Aus dieser Betrachtung Christi als des verbum increatum ergeben sich gewichtige Konsequenzen für Bonaventuras Verständnis der Zeit. Das ewige Wort liegt als zeitloser Anfang aller Schöpfung voraus und ist zugleich das Ziel auf das alles Geschaffene hinstrebt. Die Ewigkeit erscheint auf diese Weise sowohl als principium wie auch als finis der Zeit. Durch den Sohn ist die Zeit in die Ewigkeit eingebettet und von ihr umgriffen.16 Da der Sohn das medium metaphysicum reducens darstellt,17 bedeutet das nichts weniger, als dass alle zeitliche Dynamik in der Ewigkeit des ungeschaffenen Wortes ihre metaphysische Begründung findet. Mehr noch, indem der Vorgang der reductio nicht etwas spezifisch Geschöpfliches ist, sondern sein Vorbild in den trinitarischen Beziehungen hat,18 erscheint alle zeitliche Dynamik letztlich als ein Abbild der zeitlosen innertrinitarischen Dynamik. Durch den innertrinitarischen Hervorgang (processio) ist das verbum increatum der Ausdruck, die repraesentatio des Vaters und des Geistes (und seiner selbst),19 – die re-

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the father and the spirit.” Und ebd., 208: “The passage, as we now see clearly, is the ascent or return of creation to God. … The ascent itself is the realization of ever more perfect conformity to the eternal Archetype, the Word who became incarnate in Jesus.” Ähnlich ebd., 166.169.171. Für Bonaventura war der Sinn der Inkarnation kein anderer, als den Menschen in die Sohnschaft Gottes einzusetzen; vgl. III Sent. 1, 2, 3, resp. [III, 30] (zitiert Anm. 52, S. 361); ferner Hex., princ., 1 (1), 27 [V, 334]: necesse fuit, Christum esse similem homini, ut faceret hominem similem sibi sive Deo. Die Vorstellung von der Zeit als vestigium oder imago aeternitatis (vgl. oben S. 306) bekommt hier eine personale Wendung. Dabei gilt im Grunde Ähnliches wie das, was Bonaventura von der Heiligen Schrift sagte: Haec sunt ergo mysteria circa lignum vitae, scilicet scripturae, quae incipit ab aeternitate et terminata est ad aeternitatem. Unde [Gn. 1, 1]: In principio creavit Deus caelum et terram; et in fine [Apc. 21, 1]: Vidi caelum novum et terram novam (Hex. III, 2 (14), 30 [V, 398]). Vgl. oben Anm. 12, S. 352. So kann man mit HAYES, The Hidden Center, 161 sagen: “the grounding of the entire movement of egressus-regressus which embraces the entire cosmic order and its history is to be found in an exemplary manner in the relation between the Father and the Son.” Weiter zeigt sich das darin, dass der Heilige Geist durch den Sohn zum Vater „zurückgeführt“ wird. Bonaventura entwickelte diesen Gedanken in I Sent. 31, 2, dub. 7 [I, 551f.]. Demnach ist der Vater das fontale principium, a quo omnia et in quem omnia per Filium reducuntur. Vom Heiligen Geist heißt es dann ausdrücklich: ipse Spiritus sanctus, cum procedat a Filio, per Filium cum aliis ad Patrem reducitur. – Durch die beiden weiten Formulierungen omnia bzw. cum aliis sollen selbstverständlich nicht der Heilige Geist und die Schöpfung auf eine Stufe gestellt werden, denn die Art der Beziehung ist eine grundlegend andere (origo hier und gradus dort, vgl. ebd.), es geht vielmehr beide Male um die zentrale Stellung des Wortes als Ausdruck und Spiegel sowohl der göttlich-trinitarischen wie auch der geschöpflichen Wirklichkeit. Vgl. dazu GERKEN, Theologie des Wortes, 74f. (auch zu der Verbindung, die zwischen den beiden Ausdrucksfunktionen des Wortes besteht) und 144ff., insbesondere 147; vgl. ferner HELLMANN, Ordo, 37f. Vgl. z. B. Hex., princ., 3 (3), 7 [V, 344]: Et verbum exprimit Patrem ut principium principians de se, et sic est explicans et repraesentans productionem Spriritus sancti et suam sive aeternorum. – Anders gesagt, die „Funktion, die der Sohn gegenüber dem Vater ausübt, ist … die Funktion des Ausdrucks oder der Repräsentanz dessen, was der Vater in der Selbsterkenntnis erfaßt“ (GERKEN,

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

ductio aber ist nichts anderes als die Umkehrung dieses Ausgangsverhältnisses,20 es ist letztlich dieselbe Relation nur in der anderen Richtung betrachtet. Das Wort wird so zum Spiegel der ganzen Dreifaltigkeit. Eben darin aber wird es nach Bonaventura zum Urbild der gesamten Schöpfung.21 Weil dieses Urbild aber nicht für sich steht, sondern weil es gerade in seiner Funktion als exemplar das die ganze Dreifaltigkeit repräsentierende Wort ist, bekommt die ganze Schöpfung eine sakramentale Dimension. Zu dieser gehört nicht nur eine über sich selbst hinausweisende Bildhaftigkeit, sondern auch eine im ungeschaffenen Wort zentrierte universale Verbindung alles Geschaffenen, indem „alle Zwischen- und Ordnungsbezüge unter den Geschöpfen zum notwendigen Abbild des Wortes wesentlich“ hinzugehören22 und damit zum Zeichen und Mittel der Gnade werden. In der Konsequenz ergibt sich eine vertiefte Begründung jener Einsicht, zu der wir schon im vorigen Kapitel gelangt sind.23 Der Aufstieg des Menschen zu Gott geschieht demnach auf einem sakramentalen Weg, der nicht ein Abschneiden, sondern eine Vertiefung der Beziehung zu den (Mit-)Geschöpfen bedeutet. Dies gilt insbesondere für die Zeit: Nicht durch einen Ausstieg aus der Zeit, sondern auf dem Weg durch die Zeit gelangt der Mensch zur Ewigkeit. Die Zeit – als ganze wie in ihrer konkreten geschichtlichen Struktur – hat damit sakramentale Bedeutung als Zeichen und Werkzeug des Heiles.24

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Theologie des Wortes, 56). Wird hierdurch zunächst die Struktur der ersten Prozession erfasst, so lässt sich dieses Verhältnis auch auf die zweite Prozession (den Hervorgang des Geistes aus dem Vater und dem Sohn) erweitern, die ebenfalls durch das Wort „repräsentiert“ wird; vgl. dazu auch Hex. II, 2 (9), 2 [V, 372f.] (sowie die in der vorigen Anm. 18 oben zitierte Stelle): A tribus datur testimonium, sed exprimitur per Verbum, quia Verbum et Patrem et seipsum et Spiritum Sanctum exprimit et omnia alia. Vgl. GERKEN, Theologie des Wortes, 147f. In diesem Sinn sagte GERKEN, Theologie des Wortes, 145: „Der Sohn wird nicht weggesandt, sondern die Geschöpfe werden hineingenommen in den göttlichen Lebenskreis. Hineingenommen werden sie aber in besonderer Weise durch die Funktion des Sohnes, weil eben der Sohn die Stelle ihrer Planung, ihr Urbild von Ewigkeit ist, die göttliche Person, in der sie in besonderer Weise schon immer ihre ideelle Heimat hatten. Gerade darum kommt dem Sohn die ‚reductio‘ der Geschöpfe zu.“ – Vgl. dazu auch noch einmal (wie bereits Anm. 10, S. 351) Red. 12 [V, 323]: … Per hunc modum intellige, quod a summo Opifice nulla creatura processit nisi per Verbum aeternum, «in quo omnia disposuit», et per quod produxit non solum creaturas habentes rationem vestigii, sed etiam imaginis, ut eidem assimilari possint per cognitionem et amorem. Et … decentissimum fuit, ut aeternum et invisibile fieret visibile et assumeret carnem, ut nos ad Patrem reduceret. GERKEN, Theologie des Wortes, 131. Ebd. stellte er auch fest: „Die Sakramentalität des menschlichen Heilsweges wird in der bonaventurianischen Theologie also nicht nur inkarnatorisch begründet, sondern bis in die Dreifaltigkeit ‚zurückgeführt‘.“ Vgl. oben S. 348. Die Gliederung der Weltzeit in sieben Zeitalter (aetates) im Hintergrund (vgl. oben S. 15 mit Anm. 4) spekulierte Bonaventura in Brev. VI, 3 [V, 267a] über die Siebenzahl der Sakramente: ipsa sunt septem secundum correspondentiam ad gratiam septiformem, quae per septenarium

Die Mitte der Zeit: Christologische Aspekte

3.2

355

Die geschichtlich vermittelte Begründung der Zeit im verbum incarnatum

Geht man zur zweiten christologische Perspektive über und schaut auf Christus als das verbum incarnatum, so steht man bei der Frage, welche Bedeutung der Inkarnationsgedanke für den Doctor seraphicus hatte. Es waren zwei Ansätze, die die zeitgenössische Theologie hier unter der Frage nach der praecipua ratio incarnationis vorgab:25 Der Hauptgrund für die Menschwerdung konnte demnach sowohl in der Erlösung des gefallenen Menschen gesehen werden, wie auch in der Vollendung der gesamten Schöpfung. Schon die Fragestellung zeigte, dass es bei der Behandlung dieser beiden Theorien – im Anschluss an Gerken und Hayes möchte ich sie Redemptions- und Kompletionstheorie nennen26 – nicht um ein Entweder-Oder, sondern eine Gewichtung ging. Wie nahm Bonaventura diese Gewichtung vor? Im Sentenzenkommentar,27 wo er diese Frage am ausführlichsten diskutierte, kam er zu dem Schluss, dass die Kompletionstheorie eher der Vernunft entspricht, während die Redemptionstheorie mehr dem „Glaubensempfinden“ (pietas fidei), wie es sich in der Lehre der Heiligen Schrift und der Väter ausdrückt, entgegenkommt.28 Letzteres gab knapp den Ausschlag für die Wahl Bonaventuras, wobei er aber dabei blieb, dass auch die andere Position vertretbar sei.29 In späteren Schriften, etwa im Breviloquium und im Hexaëmeron, war die Parteinahme für die Redemptionstheorie eindeutiger, doch verlor er auch dort den Aspekt der Vollendung nicht aus den Augen.30 Den Zugang Bonaventuras zur Inkarnationstheologie kann man so als eine Theorie der „vollendenden Erlösung“ charakterisieren.31

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temporis nos reducit ad principium, quietem et circulum aeternitatis, sicut ad octavam resurrectionis universalis. Vgl. etwa SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 126–131. Vgl. GERKEN, Theologie des Wortes, 225–298 und HAYES, The Hidden Center, 152–187. Siehe III Sent. 1, 2, 2 [III, 21–28]. Vgl. III Sent. 1, 2, 2, resp. [III, 24b]: Videtur autem primus modus magis consonare iudicio rationis; secundus tamen, ut apparet, plus consonat pietati fidei. Öfters betonte er (im Responsum und im Epilog), wie schwer die Entscheidung zwischen beiden Positionen ist. Der vierte Teil des Breviloquium behandelte die Frage der Inkarnation, gleich zu Anfang wurde hier festgestellt (Brev. IV, 1 [V, 241a]): restat nunc aliqua breviter dicere de incarnatione Verbi, per quod quidem Verbum incarnatum facta est salus et reparatio generis humani, … Bonaventura legte sich also hier von vorneherein auf die Redemptionstheorie fest, dennoch konnte er nur wenige Zeilen später feststellen: Quid sapientius et congruentius, quam quod ad perfectionem totius universi fieret coniunctio primi et ultimi, Verbi scilicet Dei, quod est omnium principium, et humanae naturae, quae fuit ultima omnium creaturarum? Ähnlich die unten (Anm. 53, S. 361) zitierte Stelle aus Brev. IV, 4 [V, 244f.]. In De reductione, namentlich Red. 20 [V, 324], dagegen war von der Inkarnation praktisch nur unter dem Aspekt der höchsten Vollkommenheit die Rede: Rursus, appetitus, qui est in materia, ordinatur ad rationes intellectuales, ut nullo modo perfecta sit generatio, nisi anima rationalis uniatur materiae corporali. – Per similem igitur rationem potest

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

Wäre Gott auch Mensch geworden, wenn Adam nicht gesündigt hätte? Im Sentenzenkommentar äußerte sich Bonaventura eindeutig: Wäre der Mensch nicht so tief gefallen, so hätte Gott sich nicht in einem einzigartigen Überschreiten alles Denkbaren so tief hinabneigen müssen, um das „verlorene Schaf“ zu retten.32 – In dieser Charakterisierung der Situation zeigt sich bereits, wie weit Gott bereit ist, zur Rettung seines Geschöpfes zu gehen, nämlich letztlich bis ans Kreuz.33 Und es zeigt sich das eigentliche Motiv für Menschwerdung und Erlösung: Dieses liegt nicht in der Schuld des Menschen und all ihren Folgen – so sehr dadurch die Schöpfung insgesamt ihres Sinnes beraubt wurde –, sondern in der erbarmenden Liebe Gottes. Der Doctor seraphicus wurde nicht müde zu betonen, dass es die übergroße Liebe Gottes (nimia caritas, excessus caritatis) ist, die dem Menschen in der Gestalt des verbum incarnatum die Rettung bringt.34 Letztlich ließ sich für ihn nur aus diesem Übermaß (excessus) heraus das Handeln Gottes verstehen.

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argui, quod summa perfectio et nobilissima in universo esse non possit, nisi natura, in qua sunt rationes seminales, et natura, in qua sunt rationes intellectuales, et natura, in qua sunt rationes ideales, simul concurrant in unitatem personae, quod factum est in Filii Dei incarnatione. – Praedicat igitur tota naturalis philosophia per habitudinem proportionis Dei Verbum natum et incarnatum, ut idem sit alpha et omega, natum scilicet in principio et ante tempora, incarnatum vero in fine saeculorum. Ähnlich wie das Breviloquium eröffnete Hex., princ., 3 (3), 10 [Ed. Delorme, 38; etwas knapper V, 345] die Betrachtung des verbum incarnatum: Secunda clavis est intellectus Verbi incarnati, per quod omnia, id est homo propter quem omnia, reparantur et restaurantur, et angeli similiter, quorum ruina impletae sunt per Verbum incarnatum. Trotz der oft kosmologischen Perspektive des Hexaëmeron findet sich der Aspekt der Vollendung des Universums durch das verbum incarnatum hier nur noch in Andeutungen. Inspiriert ist diese Bezeichnung von HAYES, The Hidden Center, der (wie zuvor Gerken) beide Aspekte ausführlich beschrieb und an dieser Stelle (z. B. 157 & 182) von der “theory of redemptive completion” sprach. Ähnliches tat HELLMANN, Ordo, 85 (& 86), wenn er konstatierte, dass „die Vollendung der Schöpfung auch ihre Erlösung“ ist. Auch DELIO, Simply Bonaventure, 93 folgte Hayes mit dem Fazit: “The Incarnation fulfills both redemption and completion”. Dabei entspricht es meines Erachtens der eindeutigen Akzentsetzung des Doctor seraphicus, das Gewicht auf den redemptiven Aspekt zu legen und deshalb nicht von „erlösender Vollendung“, sondern von „vollendender Erlösung“ zu sprechen. III Sent. 1, 2, 2, resp. [III, 24]: … quia, nisi genus humanum fuisset lapsum, Verbum Dei non fuisset incarnatum. – Et ratio huius est, quia incarnatio est superexcedentis dignationis; et ideo, cum sit ibi quidam excessus, non fuisset introductum incarnationis mysterium, nisi praecessisset excessus oppositus per ipsum corrigendus et restaurandus. Unde nisi Deus ovem suam perdidisset, non de caelo ad terram descendisset. Zum letzten Satz vgl. Lk 15, 4–6. So müssen – nach Bonaventura – sogar die Vertreter der Kompletionstheorie zugeben, dass, wenn es an den mit der Inkarnation mitgegebenen defectus passibilitatis et mortalitatis geht, die schönen Argumente versagen. Für diesen Aspekt der Inkarnation lässt sich kein anderer Grund finden als eben die Rettung des Menschen (III Sent. 1, 2, 2, resp. [III, 23 & 24a]). Vgl. bereits oben Anm. 32 (superexcedens, excessus), dann ebd., ad 6 [III, 27] unter Bezug auf Eph 2, 4: unde Filium Dei incarnari non fecit nostra malitia, sed Dei caritas nimia et misericordia. Ferner ebd. im Epilog [III, 28]: non enim volo bonitatem Dei coarctare, sed nimietatem cari-

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Die Konsequenzen der Sünde wurden oben bereits skizziert:35 Durch die Abwendung vom Schöpfer und die Hinwendung zum Geschöpf wurde die ursprüngliche Ordnung (ordo) zerstört, der Mensch verlor seine Rechtheit (rectitudo) und damit auch seine imago-Gestalt,36 sein Erkenntnisvermögen verdunkelte sich und sein Strebevermögen verkehrte sich. All dies machte deutlich: Der Mensch war so tief gefallen, dass er sich selbst nicht mehr erheben konnte.37 Die Menschwerdung, in der sich göttliche und menschliche Natur in der Einheit einer Person verbanden, war das Mittel der Wahl,38 um dem Gefallenen von Seiten Gottes zu Hilfe zu kommen, einen neuen Anfang zu setzen und dabei doch die Würde des Geschöpfes zu wahren. Reparatio war das Lieblingswort des Franziskaners für die Erlösung.39 Er verstand sie so als eine Wiederherstellung dessen, was durch die Sünde zerstört worden ist, als die Wiederherstellung der Gottebenbildlichkeit. Und doch steckt darin mehr als die Behebung des Schadens, den die Schöpfung erlitten hat. Re-parare ist hier gleichzusetzen

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tatis suae erga hominem lapsum commendare, ut affectus nostri excitentur ad amandum ipsum, dum attendimus nimiae dilectionis eius excessum. Ebenso III Sent. 1, 2, 1, ad 2 [III, 21]: … quia exinanitio, quae facta est in assumtione humanae naturae, fuit ex excessu caritatis et amoris. Ähnlich auch Serm. temp., Vigilia nativitatis domini, Sermo 1 [IX, 89]: Admiror etiam dantis largitatem, quia petenti animae non dedit pecuniam, sed personam, non dedit servum, sed Filium, cum quo dedit omne quod fuit, omne quod habuit, omne quod potuit … Mirabile donum, quod dat Unigenitum pro servo! Immo nimium videtur et est. Sed non est mirum, si fuit excessus in dando, cum excessus fuerit in amando. – Zur Beurteilung dieses letzten Grundes der Inkarnation (in der große Einigkeit besteht) vgl. GERKEN, Theologie des Wortes, 288f.: „Das letzte Geheimnis der Inkarnation ist Liebe, von Gott her ek-statische, sich dem Geschöpf als Partner verschenkende Liebe, vom Menschen her ek-statische, Gott selbst empfangende Liebe.“ Ebenso HAYES, The Hidden Center, 190; SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 126–131; DELIO, Simply Bonaventure, 92. Siehe oben S. 321 mit Anm. 14. Zur Verbindung von ordo und imago vgl. HELLMANN, Ordo, 123f.; HAYES, The Hidden Center, 165f. stellte treffend heraus, dass es für Bonaventura im Wesen der Sünde als angemaßter Gottgleichheit lag, unmittelbar gegen den Sohn, die imago schlechthin, gerichtet zu sein. Vgl. hierzu III Sent. 1, 2, 3, resp. [III, 29b]: Aut certe in hoc, quod homo praesumserat Dei similitudinem, directe contra Filium peccavit. So auch Itin. IV, 2 [V, 306a] (im Anschluss an Ps 41 [40], 9 und Jes 24, 20): … ubi quis ceciderit, necesse habet ibidem recumbere, nisi apponat quis et adiiciat, ut resurgat. Vgl. SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 109–115 sowie SCHLOSSER, Kommentar [zum Itinerarium], 154f. Brev. IV, 1 [V, 241f.] handelte insgesamt De ratione, qua Verbum Dei debuit incarnari vel decuit. Die Inkarnation war demnach „notwendig“ (debuit) aufgrund der aussichtslosen Lage des Menschen (der seine Unschuld, seine Würdestellung und die Freundschaft mit Gott verloren hatte), nicht aber weil es für Gott keine andere Möglichkeit zur Rettung gegeben hätte (oder weil er sich überhaupt von der Sünde hätte zwingen lassen können); angemessen (decuit) jedoch war sie in jeder Hinsicht: für den Erlöser, für den zu Erlösenden und für die Erlösung selbst. Vgl. BONAVENTURA, Breviloquium, übertr., eingel. u. mit einem Glossar versehen von Marianne Schlosser (= Christliche Meister 52), Freiburg 2002, 149, Anm. 132. – Brev. IV, 1 [V, 241a] stellte seine Ausführungen ganz unter diesen Gedanken: quia nullus alius modus [quam incarnatio Verbi] erat ita congruus et conveniens ipsi reparatori et reparabili et reparationi.

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

mit re-creare, mit Neu-Schöpfung:40 Verbum increatum fecit hominem, sed Verbum incarnatum refecit hominem,41 so legte Bonaventura es in einer seiner Weihnachtspredigten dar. Ging es nach ihm, so war die Inkarnation als ein (lange vorbereiteter) neuer Anfang zu begreifen, ein Anfang, der nur Gott möglich war und in dem dieser erneut seine Macht, Weisheit und Güte zeigte.42 Und wie schon die erste Schöpfung Zeit brauchte, so war auch die Erlösung als ein Prozess zu begreifen, ein Prozess, der vorbereitet wurde in der Zeit des Alten Testamentes und der mit der Menschwerdung (in all den verschiedenen Aspekten wie Geburt, Leiden und Auferstehung) zwar seinen Höhe- und Erfüllungspunkt, nicht aber seinen Abschluss gefunden hat.43 Er behält seine Dynamik bis zur Wiederkunft Christi am Ende der (irdischen) Zeit. Wenn Bonaventura die Erlösung als „Heilung“ verstand, dann war das ein Bild, in dem auch deren Prozessualität deutlich wurde: Der Anfang besteht hier in der allmählichen Erkenntnis der Krankheit und der Behandlungsbedürftigkeit. Mit der Inkarnation ist dann zwar ein Arzt und ein wirksames Heilmittel gefunden, doch damit ist die Krankheit noch nicht völlig ausgestanden, es bedarf noch einer angemessenen Zeit der Rekonvaleszenz.44 40

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Das wurde z. B. bereits in Brev. IV, 1 [V, 241a] angedeutet: … et non minus sit res conditas reparare quam in esse producere, sicut non minus est bene esse quam simpliciter esse: decentissimum fuit, rerum principium reparativum esse Deum summum, ut, sicut omnia creaverat Deus per Verbum increatum, sic omnia curaret per Verbum incarnatum. Vor allem im Zusammenhang mit der Gnade und der Wiederherstellung des Bildes betonte Bonaventura den Aspekt der Neuschöpfung und sprach von der imago recreationis. Vgl. Brev. V, 1 [V, 252f.]: Et quoniam qui hoc habet immediate ad Deum reducitur, sicut immediate ei conformatur; ideo donum illud immediate donatur a Deo tanquam a principio influxivo; ut, sicut immediate emanat a Deo Dei imago, sic immediate manet ab ipso Dei similitudo, quae est divinae imaginis perfectio deiformis, et ideo dicitur imago recreationis. – Christus konnte dementsprechend das principium recreativum heißen. Vgl. Brev. V, 3 [V, 255a]: Cum igitur deformatio imaginis et peremptio gratiae sit quasi annihilatio in esse moris et vitae gratuitae; cum offensa Dei sit tantum ponderanda, quantus est ipse; cum reatus poenae aeternae rationem teneat infiniti: impossibile est, quod homo resurgat a culpa, nisi recreetur in vita gratuita, nisi remittatur offensa, et poena relaxetur aeterna. Solus igitur, qui fuit principium creativum, est et principium recreativum, Verbum scilicet Patris aeternum, quod est Christus Iesus, mediator Dei et hominum, … Serm. temp., In nativitate domini, Sermo 2 [IX, 109b] – denselben Gedanken drückte auch Hex., princ., 3 (3), 2 [V, 343] (zitiert oben Anm. 7, S. 351) aus. Vgl. erneut Brev. IV, 1 [V, 241a]: Quoniam ergo Deus omnia fecit potenter, sapienter et optime seu benevolenter; decuit, ut sic repararet, quod suam potentiam, sapientiam et benevolentiam ostenderet. – Der letzte und eigentliche Zweck ist so kein geschaffener, sondern die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes (vgl. die nr. 1 des Scholion zu III Sent. 1, 2, 2 [III, 28a]). Entsprechend wurde die Frage nach der Inkarnation beantwortet, wenn man von Seiten Gottes nach deren Grund fragte, vgl. III Sent. 1, 2, 1 [III, 19–21] (Utrum in opere incarnationis servetur debita congruentia ex parte Dei), besonders fund. 1 [III, 19]. Das Hexaëmeron spannte diesen Bogen nicht zuletzt in den Geschichtsschemata, auf die im folgenden Abschnitt (ab S. 370) näher einzugehen sein wird. So schon III Sent. 1, 2, 4, resp. [III, 32]. Im Breviloquium war der Gedanke der Heilung wie ein roter Faden, der sich durch das ganze Werk zog (vgl. auch unten S. 372 mit Anm. 101): Bereits bei der Bestimmung dessen, was Gegenstand der Theologie ist, hieß es in Brev. I, 1 [V, 210a]: Et quia

Die Mitte der Zeit: Christologische Aspekte

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In der großen, kreisförmigen Bewegung von egressus und regressus wird man das Bild der Heilung mit dem regressus in Verbindung bringen. Dies lässt sich als ein Charakteristikum des verbum incarnatum ansehen. Während nämlich das verbum increatum als Anfang und Ziel des Gesamtprozesses mit beiden Perspektiven (egressus und regressus) verbunden ist – wobei sicherlich das größere Augenmerk auf dem egressus liegt –, steht die Behandlung des verbum incarnatum in erster Linie unter der Perspektive des regressus bzw. der reductio. „Das Heil ist nichts anderes als das Zurückordnen aller Dinge zu dem letzten Ziel und Ende, Gott.“45 Genau dies aber geschieht in der Menschwerdung, wenn sich das Erste, Gott, mit dem Letzten, dem Menschen, verbindet.46 Die

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creatura rationalis, quae est quodam modo finis omnium, non stetit, sed suo casu indiguit reparari; ideo [theologia] agit de corruptela peccati, medico, sanitate et medicina et tandem de curatione perfecta, quae erit in gloria … Der vierte Teil über die Inkarnation spricht von dieser immer wieder unter dem Aspekt des Heilens. Z. B. Brev. IV, 1 [V, 241a]: sicut omnia creaverat Deus per Verbum increatum, sic omnia curaret per Verbum incarnatum. Oder Brev. IV, 2 [V, 242b]: et totum genus humanum lapsum fuerat et vitiatum, non solum ratione animae, verum etiam carnis: hinc est, quod necesse fuit, quod totum assumeretur, ut totum curaretur. Schließlich Brev. IV, 4 [V, 244b]: Nullus autem quaerit medicum, nisi recognoscat morbum; nullus quaerit doctorem, nisi recognoscat se ignorantem; nullus quaerit adiutorem, nisi recognoscat se impotentem. … ideo praemisit Deus tempus legis naturae, in quo convinceretur de ignorantia; et post, cognita ignorantia, … addidit legem praeceptis moralibus erudientem et caeremonialibus aggravantem; ut habita scientia, et cognita impotentia, confugeret homo ad divinam misericordiam et gratiam postulandam, quae data est nobis in adventu Christi. Ideo post legem naturae et Scripturae subsequi debuit incarnatio Verbi. Und ebd. [V, 245a]: Decebat enim salvatorem inter tempus morbi et tempus iudicii in medio introducere tempus remedii. Im sechsten Teil des Breviloquium wurde dieser Aspekt fortgeführt unter dem Titel „Das Heilmittel der Sakramente“ (vgl. dazu auch IV Sent. 2, 1, 1, resp. [IV, 49]: Dicendum, quod omnia Sacramenta instituta sunt in remedium specialiter et principaliter … et quia tempus remedii incepit a lapsu et profecit in Lege et consummatum est in Evangelio, ideo ista tria tempora conveniunt institutioni …). – Ebenso deutlich sprach das Hexaëmeron den Heilungsaspekt an: Auch hier ging es in Hex. I, 4 (7), 8–12 [Ed. Delorme, 101–103; V, 366f.] um die cognitio morbi et causae et medici et medicinae. Bei den zwölf speculationes von Hex. II, 3 (10) betrachtete der dritte Ternar in nr. 3 [Ed. Delorme, 127; vgl. V, 377] Christus ut carni unitum, ut cruci affixum, ut medicinam mentium. Vgl. auch ebd., nr. 8 [Ed. Delorme, 128f.; V, 378]. Hinsichtlich der pneumatologischen Perspektive, die sich hier ebenfalls eröffnet, sei auf S. 386 verwiesen. HELLMANN, Ordo, 38. Diese Sicht auf den Sohn als Verbindung von Erstem und Letztem war ein bei dem Doctor seraphicus sehr beliebter Gedanke, der immer wieder auftauchte, z. B. Serm. temp., In nativitate domini, Sermo 2 [IX, 109f.] (zitiert unten Anm. 54, S. 361), III Sent. 1, 2, 1, fund. 2 [III, 19] und resp. [III, 20] (zitiert S. 361), Trin. 3, 1, resp. [V, 70] (zitiert Anm. 8, S. 351), Brev. IV, 1 [V, 291a] (zitiert Anm. 30, S. 355); IV, 4 [V, 244b] (zitiert Anm. 53, S. 361), Itin. VI, 7 [V, 312]. Vgl. auch Anm. 34, S. 346 und hierzu ausführlich GERKEN, Theologie des Wortes, 275–293. Ab Seite 281 wies er darauf hin, dass diese Verbindung nicht nur in der vertikalen Linie Gott – Mensch zu sehen ist, sondern auch in der horizontal-zeitlichen Linie als Verbindung von Adam und Christus. HELLMANN, Ordo, 51 erkannte, dass diese Verbindung noch einmal fundiert ist in der Betrachtung des göttlichen Seins an sich, wo nach Itin. V, 7 [V, 309b] gilt: Nam ipsum esse est primum et novissimum, … Si haec pura mente miraris, maiore luce perfunderis, dum ulterius vides, quia ideo est no-

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

innertrinitarische Bedeutung der zweiten Person als persona media47 wird hier auf die Heilsökonomie übertragen: Weil die Mitte – das medium – die Funktion hat, Extreme zu verbinden und zur Einheit zu führen,48 darum ist Christus zum medium reducens und zum Mittler (mediator) prädestiniert.49 In diesen Vorstellungskreis gehört auch der Gedanke, dass das Verhältnis des Menschen zur übrigen Schöpfung dem Verhältnis Christi gegenüber dem Menschen entspricht: Wie der Mensch die Schöpfung zu Gott zurückführt,50 so ist es die Aufgabe des verbum incarnatum, den Menschen zu Gott zurückzuführen.51 Dieser Verhältnisgleichheit liegt das Prinzip zugrunde, dass die reductio jeweils die Aufgabe des (ontologisch)

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vissimum, quia primum. Quia enim est primum, omnia operatur propter se ipsum; et ideo necesse est, quod sit finis ultimus, initium et consummatio, alpha et omega. Vgl. z. B. I Sent. 36, dub. 4, resp. [I, 632b]: quia ex ipso dicit rationem primi, et per ipsum dicit rationem medii, et in ipso dicit rationem ultimi sive quietativi. Et ideo ex ipso appropriatur personae Patris, quae est prima in Trinitate; per ipsum appropriatur Filio, qui est persona media; et in ipso Spiritui sancto, qui est persona tertia. Vgl. weiter Red. 23 [V, 325] (zitiert unten Anm. 90, S. 369) und Brev., prol., § 3 [V, 205a]. Dazu auch HELLMANN, Ordo, 72–75. Einen Aspekt, den DELIO, Simply Bonaventure, 87f. sehr herausstellte, sie berief sich dabei auf Ewert H. COUSINS, Bonaventure and the Coincidence of Opposites, Chicago 1978, besonders 131– 159. Vgl. aber auch passim Louis PRUNIÈRES, La problématique de saint Bonaventure ou la coïncidentia oppositorum, in: Études Franciscaines 21 (1971) 263–272. Red. 23 [V, 325a] (zitiert unten Anm. 90, S. 369) brachte dies mit der Gegenüberstellung von verbum dei als medium in egressu und mediator als medium in regressu auf den Punkt. Doch auch Brev. IV, 3 [V, 242f.] baute die Verbindung von medium reducens und mediator auf: Postremo, quia est a primo principio, ut est reparativum reconciliando; et reconcilians est mediator, mediatio autem proprie convenit Dei Filio: ideo et incarnatio. Mediatoris namque est esse medium inter hominem et Deum ad reducendum hominem ad divinam cognitionem, ad divinam conformitatem et ad divinam filiationem. – Über die Unterscheidung von medium und mediator ist schon viel nachgedacht worden, vgl. etwa Romano GUARDINI, Die Lehre des heil. Bonaventura von der Erlösung. Ein Beitrag zur Geschichte und zum System der Erlösungslehre, Düsseldorf 1921, 48–60; Werner DETTLOFF, „Christus tenens medium in omnibus“. Sinn und Funktion der Theologie bei Bonaventura, in: Wissenschaft und Weisheit 20 (1957) 28–42.120–140, hier 128, GERKEN, Theologie des Wortes, 254–256; HELLMANN, Ordo, 79f. Vgl. dazu oben S. 343, insbesondere Anm. 21, und S. 346 mit Anm. 30. Zum Verhältnis des Menschen zu den Geschöpfen vgl. etwa die Aussagen von Hex. III, 1 (13), 12 [V, 390] (zitiert in Anm. 58, S. 32 und Anm. 15, S. 322). Über Christus hieß es in Red. 8 [V, 322]: Intellige, quod a summa mente, quae cognoscibilis est interioribus sensibus mentis nostrae, aeternaliter emanavit similitudo, imago et proles; et ille postmodum, cum venit plenitudo temporis, unitus est menti et carni et hominis formam accepit, quod numquam fuerat prius; et per illum omnes mentes nostrae reducuntur ad Deum, quae illam similitudinem Patris per fidem in corde suscipiunt. GERKEN, Theologie des Wortes, 280 stellte im Blick auf eine ähnliche Stelle (Itin. II, 7 [V, 301]) fest: „Wie die Dinge zu Gott … kommen sollen, indem der Mensch sie als Zeichen und Spuren Gottes erkennt, so kommt jetzt der als Bild Gottes geschaffenen Mensch durch sein Urbild, das Wort, zu Gott und damit zu sich selbst und erhält die Kraft, seine rückführende Funktion in ungeahnter Größe auszuüben, denn er selbst ist durch das Verbum incarnatum in unüberbietbarer Weise zum Vater hin vermittelt.“

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Ersten in einer Gattung ist: Im Ersten ist als Prinzip und Vorbild alles andere zusammengefasst und darum kann auch nur dieses Erste die Rückvermittlung leisten. In diesem Sinn ist Christus der erste Mensch, durch den als Sohn Gottes alle anderen Menschen in die Sohnschaft eingesetzt werden.52 Der mit dem verbum incarnatum verbundene regressus, verstanden als die Hinführung zum endgültigen Ziel, bildete schließlich auch die Brücke zur Vollendung als dem zweitem Aspekt, unter dem die Inkarnation betrachtet wurde. Als Neuschöpfung ist die Inkarnation ein neuer Anfang, den Gott setzt, doch in gewisser Weise ist sie auch das Ende und der Abschluss dessen, was er in der ersten Schöpfung begonnen hat.53 Durch das Wort sind die Dinge von Gott ausgegangen, durch das Wort kehren sie zu Gott zurück, und so schließt sich der Kreis. III Sent. 1, 2, 1, resp. legte es folgendermaßen dar: Congruum etiam fuit propter divinorum operum excellentem consummationem, quae quidem facta est, cum ultimum coniunctum est primo. Ibi enim est perfectionis consummatio, sicut apparet in circulo, qui est perfectissima figurarum, qui etiam ad idem punctum terminatur, a quo incepit.54

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Vgl. III Sent. 1, 2, 3, resp. [III, 30]: … incarnatio ad hoc ordinatur ut simus filii Dei: si ergo posterius per illud habet reduci, quod est prius in eodem genere, congruum fuit ut filii Dei efficeremur per eum qui est filius naturalis. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, wie Bonaventura die zweite Schöpfung in Christus mit der ersten Schöpfung in Beziehung setzte. Der Perspektive vom Neuanfang entsprach es, wenn die Zeit Christi mit dem ersten Schöpfungstag (dies lucis formatae) parallelisiert wurde, wie es Hex. III, 4 (16), 21 [V, 406; Ed. Delorme, 187f.] tat. Im Schema der sechs aetates dagegen wurde das Erscheinen Christi mit dem sechsten Schöpfungstag (von dem es Gen 2, 1 schon hieß: „So wurden Himmel und Erde vollendet und ihr ganzes Gefüge“) in Verbindung gebracht. Vgl. z. B. Brev. IV, 4 [V, 244f.]: quoniam integritas et perfectio universi requirit, ut universa sint ordinata quantum ad loca et tempora; et hoc opus incarnationis erat perfectissimum inter omnia opera divina; et processus debet esse ab imperfecto ad perfectum, et non e converso: hinc est, quod opus illud debuit fieri in fine temporum, ut, sicut primus homo, qui erat totius mundi sensibilis ornamentum, ultimo fuerat conditus, scilicet sexto die, ad totius mundi completionem: sic secundus homo, totius mundi reparati complementum, in quo primum principium coniungitur cum ultimo, scilicet «Deus cum limo», fieret in fine temporum, hoc est in sexta aetate … Ähnlich Brev., prol., § 2 [V, 204a], besonders: Sexta aetas, in qua natus est Christus in hominis effigie, qui est vere imago Dei, respondet sextae diei, in qua formatus est homo primus. – Je nach Perspektive konnte Christus also ebenso als Anfang wie als Ende gesehen werden, auch hierin zeigt sich Christus als das Urbild des Menschen, für den oben Ähnliches festgestellt wurde, vgl. hierzu Anm. 21, S. 343. III Sent. 1, 2, 1, resp. [III, 20]. Vgl. ganz ähnlich Serm. temp., In nativitate domini, Sermo 2 [IX, 109f.]: Est enim in hoc verbo perfectio magnificentiae consummantis et complentis omnia; quia figura sphaerica attestatur perfectionem in corporibus maioris mundi et minoris. … Ut autem perfectissima esset figura, universitatis linea curvata est in circulum; primus enim simpliciter Deus, ultimus in operibus mundi homo. Cum ergo Deus factus est homo, Dei perfecta sunt opera. Ideo ipse Christus, Deus-homo vocatur alpha et omega, id est principium et finis, et ideo, quia audistis, quod finis omnium homo, dicitur etiam primus et novissimus. Ähnliche Gedanken findet man in Brev. IV, 1 [V, 241], Itin. VI, 7 [V, 312] oder I Sent., prooem. [I, 2a] (zitiert in Anm. 194, S. 391).

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

Ein wesentliches Moment der in der Inkarnation erreichten Vollendung war für Bonaventura die bereits angesprochene Verbindung von Erstem und Letztem, primum und novissimum: Gott, das absolute Prinzip von allem, tritt in die Schöpfung ein und verbindet sich nicht mit irgendeinem Geschöpf, sondern mit dem Menschen als „dem letzten der Werke Gottes“,55 in dem bereits die ganze Schöpfung zusammengefasst ist. Nach dem Prinzip processus debet esse ab imperfecto ad perfectum et non e converso56 ist hier klar eine aufsteigende Linie zu erkennen, die in der Menschwerdung noch einmal einen neuen Höhepunkt erreicht: Nach den beiden Stufen der Natur und der Gnade wird in der hypostatischen Union ein neuer Seinsmodus erreicht. „Die Schöpfung stellt sich … in einer großen dreigestuften Ordnung dar. Die Dinge gehen von Gott aus: so sind sie geschaffene Natur. Sie kehren in der von Gott ihnen angebotenen Gnade in das innerste Geheimnis Gottes zurück: so sind sie begnadete Schöpfung. Ihren Gipfel und ihr Zentrum aber hat diese begnadete Schöpfung im Inkarnierten, in dem Geschöpf, das nicht nur begnadet, sondern Gottes Wort selbst ist, von dem also als vom Quell alle Gnade ausgeht.“57 Im Blick auf diese Texte hat es durchaus seine Berechtigung, bei der Betrachtung des verbum incarnatum tatsächlich von einer Doppelperspektive der Erlösung und Vollendung zu sprechen.58 Es zeigt sich darin ja, dass Bonaventura mit der zeitgenössischen Theologie insgesamt59 den Erlösungsaspekt nicht isoliert betrachtete. Genauso wenig 55

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Vgl. die in der vorigen Anmerkung zitierte Stelle aus der Weihnachtspredigt. Ähnlich II Sent. 17, 1, 3, ad 6 [II, 418b]: et post omnia producta est anima humana tanquam finis omnium et consummatio. Brev. IV, 4 [V, 244b]. – Vgl. dazu auch, was oben über die schrittweise Vervollkommnung der Welt (S. 340) und den Menschen als Ziel der Schöpfung (S. 343 mit Anm. 21) gesagt wurde. GERKEN, Theologie des Wortes, 276f. – Er fasste damit I Sent. 37, 1, 3, 2, resp. [I, 648] zusammen: Dicendum, quod assignatio Augustini respicit diversitatem modorum essendi Deum in rebus, … Diversitas autem modorum essendi accipitur penes diversitatem effectuum, et non qualemcumque, sed solum trimembrem. Quidam enim est effectus, secundum quem comparatur res ad Deum per modum exeuntis; et hi omnes continentur sub modo naturae, extenso nomine. Quidam per modum redeuntis; et hic est effectus gratiae inchoatae, vel consummatae, vel gloriae, et quantum ad hunc est secundus modus essendi. Quidam est effectus, secundum quem comparatur creatura ad Deum ut perveniens, et hic est effectus unionis, in qua uniuntur in unitate personae creatura et Creator, ut homo-Deus. Quoniam igitur tres sunt modi effectuum, secundum quos creatura diversimode comparatur ad Deum; ideo tantum tribus modis dicitur esse in rebus. – Et primus, qui attenditur quantum ad exitum, assimilatur lineae rectae; secundus, quantum ad reditum, lineae reflexae; tertius, quantum ad perfectionem, assimilatur circulo. Et primus quidem modus similis est lineae; secundus, quia includit primum, similis est superficiei; tertius, quia utrumque, similis est soliditati. Et ideo optime dicit Apostolus ad Colossenses secundo [v. 9], quod in Christo tota divinitas habitat corporaliter: est enim perfectissime, quia est ad modum circuli, quae est natura perfecta, et per modum altitudinis, quae est quantitas perfecta. Vgl., was am Anfang dieses Abschnitts ab S. 354 oben gesagt wurde, insbesondere die Hinweise auf GERKEN und HAYES (S. 355, Anm. 26). Vgl. SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 127: „Darin waren sich alle Theologen einig, ebenso darin, daß die Menschwerdung zweierlei bewirkte: die Erlösung des Menschen und die Vollendung

Die Mitte der Zeit: Christologische Aspekte

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freilich konnte der Aspekt der Vollendung für sich alleine genommen werden. Dies zeigt vor allem der Blick auf das Kreuz überdeutlich. Hier wird klar, dass es um eine Vollendung geht, die über den Bruch und die Zerstörung der Sünde hinweg erreicht wird. Bei aller Zusammengehörigkeit der beiden Aspekte sollte man allerdings auch die von Bonaventura vorgenommene Gewichtung ernst nehmen: Die Argumente, die für die Vollendung sprechen, sind nach dem Ausweis des Sentenzenkommentars rationes annexae, das heißt unlösbar verbundene, aber doch nachgeordnete Gründe.60 Umgekehrt konnte der Doctor seraphicus sagen: Tota enim ratio incarnationis est salvatio animae et carnis.61 Die Aussage klingt eindeutig, und doch ist auch hier die Perspektive der Vollendung nicht ausgeschlossen. Sie kommt herein, sobald man „Heil“ unter einer weiteren, ganzheitlicheren Perspektive versteht als nur unter der Vorgabe, den durch den Fall des Menschen entstandenen Schaden wiedergutzumachen.62 Anders gesagt: Wenn das verbum incarnatum als Vollendung begriffen wurde, dann nicht zuletzt deswegen, weil in dieser Sichtweise eine ganz eigene Positivität enthalten war, die mit dem Begriff Erlösung allein noch nicht auszuschöpfen war. Nur in der Summe, in der gegenseitigen Ergänzung der Perspektiven erschloss sich die ganze Fülle des Verständnisses von „Menschwerdung“. Die Vielfalt der Aspekte, die allein schon im Begriff Vollendung enthalten ist, klingt bereits an in der Zahl der Vokabeln, die dafür verwendet wurden. Es war da die Rede von consummatio, completio, complementum, perfectio, plenitudo.63 Sie alle zielen darauf ab, die Inkarnation als opus perfectissimum zu begreifen,64 als „nobelste Vollkommenheit“65, die denkbar war. Dem korrespondiert, dass von Gott her gedacht, der Zweck der Inkarnation kein anderer war als die Offenbarung seiner Herrlichkeit und die Manifestation seines unendlichen Reichtums.66 Als die-

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der gesamten Schöpfung durch die personale Vereinigung des Schöpfers mit dem zuletzt geschaffenen Geschöpf.“ Das betonte III Sent. 1, 2, 2, resp. [III, 24a.25b] zwei Mal. Serm. temp., In nativitate domini, Sermo 2 [IX, 108b]. So zu Recht DELIO, Simply Bonaventure, 91: “The Incarnation is not the work of God to repair a defect in creation”. Und ebd., 89: “the reason for the Incarnation is much more profound than the reversal of sin”. Man könnte hier vielleicht auch noch die Begriffe impletio und integritas hinzufügen, wobei sich darüber streiten ließe, ob sie noch in den Kontext von Vollendung gehören, oder ob hier bereits der Gesichtspunkt von Heil und Erlösung im Vordergrund steht. So Brev. IV, 4 [V, 244] (zitiert Anm. 53, S. 361). Red. 20 [V, 324] (zitiert Anm. 30, S. 355) nannte sie summa perfectio et nobilissima. Apol. III, 8 [VIII, 246a] sprach vom Erlöser als totius perfectionis splendor, speculum et exemplar (ausführlich zitiert in Anm. 89, S. 369). Vgl. oben S. 358, besonders Anm. 42. In der Frage nach der Angemessenheit der Inkarnation ex parte Dei hieß es III Sent. 1, 2, 1, fund. 1 [III, 19]: [Deus] non potest se perfecte manifestare nisi per effectum aliquo modo infinitum; nihil autem est infinitum actu nisi solus Deus: ergo ad hoc, quod divinae potentiae, sapientiae et bonitatis infinitas manifestetur, congruum fuit, aliquem effectum fieri, cui attribueretur esse Deum. Ebd., resp. [III, 20a] wurde konstatiert, quod opus incarnationis multum quidem per omnem modum Deum congruebat et quantum ad eius infinitatem et

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

ses vollkommenste Werk wird Christus in geschichtlicher Konkretheit zur Mitte67 und zum Höhepunkt der Schöpfung und ebendarin „vollendet“ sich die Schöpfung. Mit Recht kann die Zeit der Inkarnation so als eine Zeit der Fülle (tempus plenitudinis) angesehen werden.68 Worin bestand diese Fülle genau? Zunächst darin, dass die menschliche Natur erhöht wird, indem sie die einzigartige Würdigung der Verbindung mit Gott erfährt. Darüber hinaus wird ihr schon in dieser Zeit eine Vervollständigung (completio) und Vervollkommnung (perfectio) zuteil, sowohl hinsichtlich der Natur als auch hinsichtlich der Gnade. Und schließlich wird auch der status gloriae durch die Menschwerdung Gottes in gewisser Hinsicht eine größere Vollkommenheit besitzen.69

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quantum ad eius perfectionem et quantum ad pietatem et quantum ad liberalitatem. – Eine Brücke zwischen der Begründung von Gott her und vom Menschen her schlug Serm. b. virg., De annuntiatione b. virginis Mariae, Sermo 3 [IX, 667b], wo der Hauptgrund der Inkarnation in der Güte Gottes gesehen wurde: Si enim quaeratur ratio et causa principalis, quare Deus voluit incarnari; optime respondetur, quod huius ratio summa et pracipua est excellentissima benignitas Dei. Vgl. die Betrachtungen von Hex., princ., 1 (1), 18–20 [V, 332f.; Ed. Delorme, 7–10] über Christus als medium naturae, das er durch die Inkarnation ist. III Sent. 1, dub. 1, resp. [III, 33] nannte nicht weniger als sechs Gründe, warum die Zeit der Inkarnation mit Recht als die „Zeit der Fülle“ (vgl. Gal 4, 4) angesehen werden kann. Vgl. auch unten S. 371 mit Anm. 98. Die genannten Wirkungen sind alle aus der in III Sent. 1, 2, 2 geschilderten ersten Meinung genommen, die in der Vollendung von Mensch und Schöpfung die ratio incarnationis erkannte (vgl. oben S. 355). Ebd., sc. 2 [III, 22] sprach, die Glossa zitierend, von der dignitas [humanae naturae] ut ei persona divina uniretur. Sc. 6 [III, 23] stellte aus demselben Grund fest: humana natura plurimum est exaltata. Das Responsum [III, 23] brachte den Grund der Menschwerdung folgendermaßen auf den Punkt: … huius ratio est perfectio multiplex surgens ex dignitate illius operis. Incarnatio enim facit ad perfectionem hominis – et per consequens ad perfectionem totius universi – in hoc quod complet et completionem dat humano generi, secundum illud quod respicit naturam … quod respicit gratiam … quod respicit gloriam. Worin bestand diese completio? Hinsichtlich der Natur darin, dass (1) das Geschöpf mit seinem Schöpfer in der personalen unio vereint wird und (2) eine neue Art der Zeugung durch eine Frau alleine die bisherigen Zeugungsarten ergänzt (noch einmal ausführlich in III Sent. 1, dub. 1, resp. [III, 33] – ratio quinta); hinsichtlich der Gnade, dass (1) die Kirche als Leib im Inkarnierten ein sichtbares Haupt erhielt und dass (2) alle Verdienste (merita) durch das einzigartige Verdienst Christi gesteigert wurden; und schließlich im Blick auf die Herrlichkeit, dass hier die Seligkeit des Menschen in ihrer leiblichen Dimension durch den Anblick des Menschgewordenen gesteigert wird. Dieser letzte Punkt wurde auch in III Sent. 1, 2, 2, sc. 1 und ad 1 [III, 22.25f.] behandelt. Ausgangspunkt war ein pseudoaugustinisches Diktum: „Er hat den ganzen Menschen angenommen, um ihn als ganzen selig zu machen“, im Original De spiritu et anima 9 [PL 40, 785]: Propterea enim Deus homo factus est, ut totum hominem in se beatificaret. Anders als die Seele braucht aber der sinnenbezogene Leib einen körperlichen „Gegenstand“, um daran die Seligkeit zu erfahren. Dieser ist durch Christus in seiner verherrlichten Menschengestalt gegeben. – Bonaventura stimmte dieser Argumentation zu, ergänzte allerdings, dass diese leibliche Dimension der Beseligung nichts zur wesentlichen Vollkommenheit der Seligkeit beiträgt. Sie ist eine zusätzliche, akzidentelle Freude (accidentale gaudium) (vgl. ad 1 [III, 25]). Damit stimmte überein, was er in IV Sent. 49, 1, 1, 3, resp. [IV, 1005] über das Subjekt der Seligkeit ausführte: … beatitudo non sit in corpore tanquam in subiecto primo, sed tamen est ibi prop-

Die Mitte der Zeit: Christologische Aspekte

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Bonaventura verstand die Inkarnation als höchste Vollendung der Schöpfung und des Menschen – und dies nicht nur wie in III Sent. 1, 2, 2 im Kontext einer nur partiell von ihm geteilten Meinung –,70 doch zum richtigen Verständnis dieser Aussage muss man noch einmal genau auf die Rahmenbedingungen und die Art und Weise blicken, wie er von dieser Vollendung sprach. Diese Betrachtung zeigt, dass die gegenwärtig durch die Menschwerdung erreichte Vollendung eine Vollendung in der Gnade ist. Erst später folgt ihr eine Vollendung auch in der Herrlichkeit (gloria).71 Dem entspricht eine Wirksamkeit des verbum incarnatum als reficiens einerseits und als perficiens et consummans andererseits.72 Ersteres hat als Neuschöpfung bereits stattgefunden, Letzteres deu-

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ter coniunctionem per quandam redundantiam et comparticipationem. Vgl. auch ebd., arg. 2 & ad 2 [IV, 1004.1005], wo auch die obige Augustinusstelle noch einmal diskutiert wurde. III Sent. 1, 2, 2 ist zitiert in der vorausgehenden Anmerkung, als weitere Stellen sind zu nennen: III Sent. 1, 2, 1, resp. [III, 20] (zitiert S. 361), Brev. IV, 1.4 [V, 241a.144f.] (zitiert Anm. 30, S. 355 und Anm. 53, S. 361), Red. 20 [V, 324] (zitiert Anm. 30, S. 355), wo von der Inkarnation als summa perfectio die Rede war, und Serm. temp., In nativitate domini, Sermo 2 [IX, 110a], wo die Menschwerdung sogar als „Vollendung der Vollendung“ erschien: per hoc autem, dum in actum reducitur, omnis creaturae perfectio ultimatur. Am weitesten ging wohl bereits III Sent. 1, 2, 4, ad 1 [III, 32], wo es hieß, quod in opere incarnationis non attenditur consummatio, quae quidem sit de opere primo universi, sed consummatio omnem consummationem superexcedens. Zu dem letzten Punkt vgl. unten S. 368 mit Anm. 83. Der in III Sent. 1, 2, 2, resp. [III, 23f.] zitierten Meinung von der Vollendung hinsichtlich Natur, Gnade und Herrlichkeit (siehe oben S. 364 mit Anm. 69) sind Bonaventuras eigene Überlegungen von III Sent. 1, dub. 1, resp. [III, 33f.] zur Seite zu stellen. Danach ist zu unterscheiden zwischen plenitudo naturae, plenitudo gratiae und plenitudo gloriae. Die Gnadenfülle findet sich jetzt schon im Haupt, Christus, aber auch in den Gliedern durch die Erfüllung mit dem Heiligen Geist an Pfingsten. Die Fülle der Herrlichkeit dagegen steht noch aus mit dem Vollwerden der Zahl der Erwählten und der Inbesitznahme der ewigen Güter. – Hex., princ., 1 (1), 20 [Ed. Delorme, 9; vgl. V, 332] deutete die im verbum incarnatum gegebene „Fülle der Gnade“ in sakramentaler Richtung: Per quod intelligitur quod in solo Christo, ut est Deus et homo, charismatum est tenor et plenitudo. Propter quod ipse est medium diffundens pervalide in Ecclesiam gratiam sacramentalem ex auctoritate, … – Hex. II, 1 (8), 13f. [V, 371; Ed. Delorme, 115] betrachtete die Emanation aus Gott unter den Aspekten von Natur, Gnade und Herrlichkeit. Diesen entspricht ein Wirken Gottes in der Schöpfung, in der Heiligung (Begnadung) und in der Belohnung (praemiatio). Ersteres geschah vor der Zeit (ante tempus), Zweiteres in der Zeit (in tempore), Letzteres aber wird nach aller Zeit (post omne tempus) erwartet (wobei er allerdings etwas einschränkend zugab: Praemiatio etiam fit in medio temporis, ut animarum, sed post fiet perfecta [V, 371b]). Appropriativ ordnete er dabei zunächst die sanctificatio dem Heiligen Geist und die praemiatio dem Sohn als endgültigem Richter zu. In einem zweiten Anlauf in nr. 14 drehte er die genannte Zuordnung dann um: Die sanctificatio kommt dem Sohn zu aufgrund der in der Erlösung erwirkten Verzeihung, die praemiatio dagegen dem Heiligen Geist aufgrund der am Ende geschenkten Liebe. Die Grundstruktur ist beide Male: Die gegenwärtige Zeit ist eine Zeit der Gnade und Heiligung, die ihre Vollendung und ihren Lohn in der Herrlichkeit finden wird. Hex. II, 3 (10), 6–9 [V, 378; Ed. Delorme, 128f.] unterschied bei der Betrachtung Gottes vier Aspekte: ut praeexistens, ut efficiens, ut reficiens, ut perficiens. Die letzten beiden verband er mit Christus als dem menschgewordenen Sohn Gottes. Der Aspekt ut reficiens blickte dabei auf das in Christus geschenkte Heil, bei dem Aspekt ut perficiens sive consummans ging es um das Richter-

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

tet auf ein Unterwegssein, bei dem die in Christus gegebene Gnadenfülle zum principium omnium plenitudinum73 geworden ist. Die beim ersten Kommen Christi geschenkte Vollendung steht so nicht in Konkurrenz zur eschatologischen Vollendung, vielmehr ist es die eine große Bewegung des regressus, in der die beiden Aspekte von reficiens und perficiens stehen. Im ersten wird auf den die Vollendung vorwegnehmenden und begründenden „Durchbruchspunkt“ (zur Erlösung) geschaut, im zweiten wird der endgültige Zielpunkt betrachtet.74 Die Inkarnation ist als Vollendung zu verstehen, aber (gegenwärtig) ist es eine Vollendung „nur“ in der Gnade. Das ist der eine wichtige Punkt. Fast noch bedeutsamer erscheint mir der Gedanke, dass es sich hier um eine „exzessive“ Vollendung handelt. Dazu gehören mehrere Gesichtspunkte: Bei der Behandlung des Erlösungsaspektes hatte Bonaventura sehr viel Wert darauf gelegt, dass die Inkarnation nicht gewissermaßen von der Sünde des Menschen erzwungen ist, sondern, dass es sich um ein frei geschenktes göttliches Erbarmen handelt.75 Denkt man dagegen von der Vollendung her, so ist nun darauf zu achten, die Inkarnation nicht als eine dem Menschen geschuldete, notwendige Vollendung oder als den Abschluss einer natürlichen Entwicklung zu begreifen.76 So zu reden hieße für Bonaventura, schlecht von Gott zu sprechen. Man würde damit der ersten Schöpfung die Vollkommenheit absprechen und die Inkarnation gewis-

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amt Christi und den endgültigen Lohn. Ersterer blickt zurück, letzterer schaut in die Zukunft voraus. – Ebenso verband Serm. temp., In nativitate domini, Sermo 2 [IX, 109] mit dem verbum incarnatum die Wirkungen von refectio und perfectio. Sehr geschickt ist hier die Verbindung von Verlauf und Endpunkt in der perfectio hergestellt, denn die Vollkommenheit des Wortes besteht genau darin, dass es alles vollendet: Est etiam in hoc verbo perfectio magnificentiae consummantis et complentis omnia. Diesen Ausdruck gebrauchte III Sent. 1, dub. 1, resp. [III, 33a]: Dicendum, quod tempus incarnationis dicitur tempus plenitudinis … propter plenitudinem gratiae, quae fuit in Christo, quae fuit principium omnium plenitudinum. Vgl. auch Hex. III, 3 (15), 18 [V, 400; Ed. Delorme, 174], wonach in der achten aetas und nicht in der sechsten der regressus vollendet ist, obwohl die sechste aetas bereits die Zeit der Fülle und Vollkommenheit heißen konnte. Vgl. etwa schon III Sent. 1, dub. 1, resp. [III, 33b]: tempus incarnationis est tempus sextae aetatis, in qua quidem est plenitudo et perfectio … Vgl. oben S. 356, besonders Anm. 34. III Sent. 32, 1, 5, ad 3 [III, 706] stellte fest, dass die der Sünde geschuldete Wiederherstellung (reparatio) nicht die ratio finaliter movens, sondern lediglich eine ratio inducens darstellt, alles andere würde auch das Verhältnis Schöpfer – Geschöpf verkehren: Non enim Christus ad nos finaliter ordinatur, sed nos finaliter ordinamur ad ipsum, quia non caput propter membra, sed membra propter caput. Vgl. dazu auch die Ausführungen von GERKEN, Theologie des Wortes, 204–207. So betonte Bonaventura bei der Gegenüberstellung der beiden Theorien über die praecipua ratio incarnationis in III Sent. 1, 2, 2, resp. [III, 25a]: Nam praecedens dicit, quod Deum conveniebat incarnari ad perfectionem universitatis; et ideo quodam modo Deum intra perfectionem universi concludit et quandam necessitatem incarnationis ponit ei, cum dicit, opera eius aliter ad perfectionem non perduci. Hic autem modus dicendi, cum dicit, quod incarnationis mysterium est supra omnem perfectionem, ponit, Christum esse supra omnem perfectionem universitatis, sive quantum ad naturam, sive quantum ad gratiam, sive quantum ad gloriam.

Die Mitte der Zeit: Christologische Aspekte

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sermaßen als die Behebung eines Gott selbst anzulastenden Mangels ansehen.77 Oder es hieße, Gott in die Reihe der natürlichen Ursachen im Universum zu stellen, er selbst wäre dann dessen natürliche Vollendung.78 Beides schien dem Franziskaner nicht vertretbar. Bonaventura wollte damit nicht leugnen, dass auch natürliche Voraussetzungen (eine dispositio naturalis) für die Menschwerdung gegeben sein mussten. Die Fähigkeit zur personalen Einheit von Gott und Mensch (unibilitas) war für ihn sogar das edelste im Menschen angelegte Vermögen, das ihn gerade als das vollendetste Werk Gottes auszeichnete.79 Doch die Verwirklichung dieser Potenz zur Aufnahme des verbum blieb für ihn eine Vollendung, die der Erlösung und nicht einer natürlichen Bewegung hin zur perfectio geschuldet war.80 Die absolute Freiheit und Liebe Gottes waren die unbedingt zu bewahrenden Werte.81 Und wie die Erlösung durch die Inkarnation nicht anders als in einer exzessiven Liebe zu verstehen war, so war auch die Rede von der Vollendung

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III Sent. 1, 2, 2, ad 3 [III, 26a] hieß es: … [Deus] satis sufficienter se manifestabat per opus creationis et distinctionis et ornatus; et ideo si illa perstitissent, cum valde bona essent, non oportuisset novum modum agendi superaddere ad manifestationem. Im Blick auf die neue Art und Weise der Zeugung (vgl. die Aufzählung der perfectiones oben, Anm. 69, S. 364) stellte ad 9 [III, 27] fest: ille … modus producendi hominem non est de perfectione universi, sed supra perfectionem universi. … Nec ex hoc sequitur, quod universum sua perfectione careret … Vgl. erneut Anm. 76. Serm. temp., In nativitate domini, Sermo 2 [IX, 110a]: Est etiam aliquo modo intelligere (? hanc) perfectionem in naturali dispositione. Ut nobilissima omnium potentiarum receptivarum quae erat in humana natura plantata, scilicet unibilitas cum divina in unitate personae, non esset otiosa, est in actum reducta; per hoc autem, dum in actum reducitur, omnis creaturae perfectio ultimatur. – III Sent. 1, 2, 1, ad 3 [III, 21] stellte fest: dicendum, quod creatura in Christo remanet intra terminos creaturae … – Vgl. dazu auch HAYES, The Hidden Center, 161f.: “The human person is first of all capable of the transformation of his personal being through the grace-filled encounter with God. But that same potency is the seat of a further possibility; namely, the communication of God through the personal union of human nature with the Son.” Vgl. auch ebd., 179ff. In diesem Sinn stellte Bonaventura in III Sent. 1, 2, 2, ad 2 [III, 26] klar: Ad illud quod obiicitur, quod in humana natura est congruitas vel idoneitas ad incarnationem; dicendum, quod illa idoneitas attenditur ex parte reparabilitatis hominis principaliter, quamvis ratione dignitatis et aliarum conditionum aliquo modo attenditur; et ideo, sicut homo non fuisset reparatus, si non cecidisset, quamvis esset reparabilis; sic Divinitati non esset unitus, quamvis esset unibilis. Non tamen frustra fuisset illa potentia, quia multae sunt potentiae et idoneitates, quae ad actum non perducuntur; nec tamen frustra sunt, quia nobilitati et dignitati naturae attestantur. Nec dicitur potentia frustra, si non reducitur ad actum; sed tunc frustra est, cum ad actum non reducitur, et tamen ad actum exigit eam reduci tempus et locus. – Eine gewisse Spannung zu der in Anm. 79 zitierten Stelle aus Serm. temp., In nativitate domini, Sermo 2 ist nicht zu übersehen. Die im Sentenzenkommentar nachgeschobene Erklärung, dass auch ein Potential, das nicht zur Verwirklichung gelangt, nicht vergebens ist, zeigt meines Erachtens, dass diese Spannung bereits in den beiden Aspekten von Vollendung und Erlösung selbst grundgelegt ist. In diesem Sinn auch HAYES, The Hidden Center, 163: “Incarnation is related not only to sin, but to the free, loving completion of the world order”.

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

nur in dem supra einer „Vollendung über alle Vollendung hinaus“ zu verstehen.82 Das Handeln Gottes steht nicht unter, sondern über menschlichen Maßstäben und lässt sich deshalb – bei aller gegebenen Plausibilität – nur auf eine letztlich ins Geheimnis zielende Weise erfassen.83 Versucht man ein Fazit aus der vorausgehenden Betrachtung zu ziehen und dabei noch einmal der Verbindung zur Frage nach der Zeit nachzugehen, so wird Verschiedenes deutlich: „Für uns und zu unserem Heil“, so gibt das nizäno-konstantinopolitanische Credo den Grund der Menschwerdung vor, und Bonaventura machte sich diesen Standpunkt zu eigen. Er sah darin zwei Aspekte enthalten: vorrangig den der Erlösung, dann aber auch den der Vollendung. Beides stand für ihn unter der einen großen Perspektive der reductio. Diese Perspektive verband auch das verbum increatum und das verbum incarnatum. Das Ziel der reductio ist die Verähnlichung. Insbesondere die durch das verbum incarnatum vermittelte Bildhaftigkeit wird man dabei nicht als etwas Statisches begreifen, sondern es ist „der immer lebendige, unzerstörbare Anruf, dem Wort in der Gnade ähnlich zu werden“.84 Menschsein erweist sich an dieser Stelle von neuem als ein dynamisches, auf Zukunft hin angelegtes Sein. Bricht umgekehrt durch Christus das Ewige in die Welt ein, so wird der Mensch selbst als geistige Person – als welche er zur Christusähnlichkeit fähig ist – zur repraesentatio des Ewigen in und für die Welt.85 Von welcher Seite Bonaventura auch auf das Wort Gottes blicken mochte, als verbum increatum oder als verbum incarnatum, es ging ihm um nicht weniger als um das Verhältnis Christi zur Menschheit und zum Kosmos.86 Sowohl in der Schöpfungs- wie in der Erlösungsordnung erwiesen sich für ihn dabei Mensch und Welt als totaliter von Christus abhängig.87 Während dabei das verbum increatum als medium metaphysicum 82

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All die Superlative der oben Anm. 70, S. 365 angeführten Stellen wird man in diesem Sinn der consummatio omnem consummationem superexcedens (III Sent. 1, 2, 4, ad 1 [III, 32]) verstehen. Auch die immer wieder betonte Verbindung von Erstem und Letztem (vgl. oben S. 361 mit Anm. 54 & 55, S. 351, Anm. 8 und S. 355, Anm. 30) überschreitet letztlich das menschliche Vorstellungsvermögen, weswegen Bonaventura hier vom „größten aller Wunder“ sprechen konnte; vgl. Hex., princ., 3 (3), 13 [V, 345b; weniger deutlich in Ed. Delorme, 39]: Hoc est maximum miraculum, ut quod Deus sit homo, primus sit novissimus; … Das betonte Bonaventura in Serm. temp., In nativitate domini, Sermo 2 [IX, 108a & 109a]: Non enim ratio naturalis auriga fuit vel artifex principalis in opere incarnationis, sed virtus sempiternalis. – Und: in quo facto sileat natura cum omnibus viribus suis, sileat ratio cum omnibus locis suis, sileat consuetudo cum omnibus experimentis suis. GERKEN, Theologie des Wortes, 133. Das ergibt sich letztlich daraus, dass der Mensch hinsichtlich der Schöpfung jene Funktion der reductio wahrnimmt, die Christus gegenüber dem Menschen besitzt (siehe oben S. 360). In diesem Sinn fasste HAYES, The Hidden Center, 157 im Blick auf das verbum incarnatum zusammen: “Thus, in the case of Bonaventure, the theology of redemption provides immense richness to the understanding of the hypostatic union, for it is here that the Seraphic Doctor reflects on the relation of the incarnate Word to humankind as a whole and to the entire cosmos both in terms of its fundamental structures and in terms of its history”. Vgl. HELLMANN, Ordo, 84f.

Die Mitte der Zeit: Christologische Aspekte

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reducens zugleich Anfang und Ende der Zeit umgriff,88 ergab sich als neuer Aspekt bei der Betrachtung des verbum incarnatum, dass dieses medium inmitten der Zeit erschienen ist. Das ewige exemplar gewann als zeitliches exemplar eine greifbare Gestalt.89 Von einer metaphysischen Perspektive wurde zu einer heilsgeschichtlichen Sicht übergegangen. Das Wort war demnach nicht nur zeitloser Anfang und zeitenthobenes Ziel, sondern durch die Menschwerdung, durch den Eintritt in die Zeit wird es nach dem Fall des Menschen zum neuen zeitlichen Anfang und zur greifbaren Zukunft für die Welt.90 Aus dieser geschichtlichen Perspektive ergab sich eine zeitliche Ordnung, 88

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Vgl. oben S. 352 mit Anm. 12. Dabei zeigt sich auch noch einmal, dass die Gnade und der Prozess der reductio wesentlich „sohnhaft“ (GERKEN, Theologie des Wortes, 42) sind, ja, dass Gnade nichts anderes ist als „Vollendung der Sohnhaftigkeit in der Schöpfung“, denn „der Begnadete ist … angenommener Sohn Gottes, aber nur in der realen Verähnlichung und Vereinigung mit dem Sohn von Natur“ (GERKEN, Theologie des Wortes, 144, vgl. III Sent. 1, 2, 3, resp. [III, 30], zitiert in Anm. 52, S. 361). Vgl. dazu etwa Apol. II, 12 [VIII, 242f.], wo im verbum increatum die ratio exemplaritatis aeternae und im verbum incarnatum die ratio exemplaritatis temporalis erkannt wurde. Im ersteren Sinn ist Christus das ewige Vorbild des ganzen Weltenbaus und der „Vollkommenheiten“ (perfectiones) aller geschaffenen Naturen. Letzteres zeigt ihn als die Fülle der Weisheit und Heiligkeit, er ist der Spiegel aller Gnaden, Tugenden und Verdienste. Die Vorbildhaftigkeit Christi ist dadurch in der Kirche wirksam, sowohl in den verschiedenen Gnaden(gaben) als auch in den vielfältigen Weisen der Nachfolge. Und sie zeigt, wie die Vollendung der Welt (maior mundus) und die Vollendung des Einzelnen (als minor mundus) verbunden sind. Besonders sprechend ist in diesem Zusammenhang Apol. III, 8 [VIII, 246]. Bonaventura reduzierte hier durch geschickte Zusammenziehung die Seligpreisungen von Mt 5, 3–12 auf insgesamt sechs und baute damit eine Parallele zwischen den sechs Schöpfungstagen und den Stufen des geistlichen Aufstiegs zur Vollkommenheit auf (dabei wird man auch an den Aufruf der Bergpredigt zur Vollkommenheit in Mt 5, 48 [und Lc. 6, 40] denken): Hoc sane perfectionis arcanum Salvator noster exemplo monstravit in se ipso tanquam in monte sublimi, qui totius est perfectionis splendor, speculum et exemplar … discipulos suos, quos ad perfectionis culmen exaltare decreverat. Et propterea sex praefata eo quo dictum est ordine docet. Nam primo dicens: Beati pauperes spiritu [quoniam ipsorum est regnum caelorum] … concludens: Beati qui persecutionem patiuntur propter iustitiam, quoniam ipsorum est regnum caelorum, quasi circulum faciens reddit ad principium, quia in hoc uno summa completur universorum, ac per hoc senaria perfectio minoris mundi in esse reparationis et gratiae directe correspondet senariae productioni mundialis machinae in esse naturae. Zum selben Schluss kam Itin. I, 5 [V, 297] (zitiert oben S. 342, Anm. 20). Vgl. dazu auch HAYES, The Hidden Center, 130–133, besonders 132, aber auch 39–42 & 186f. Vgl. GERKEN, Theologie des Wortes, 285. – Man wird dabei bedenken, dass das verbum increatum und das verbum incarnatum als zwei Blickweisen auf die eine Person Christi zusammengehören. In Red. 23 [V, 325] wurden beide vorgestellt: Si ergo in Deo est summa rectitudo et secundum se, et in quantum est principium, et in quantum est finis omnium; necesse est in Deo ponere mediam personam secundum se, ut una sit tantum producens, alia tantum producta, media vero producens et producta. Necesse est etiam ponere medium in egressu et regressu rerum; sed medium in egressu necesse est, quod plus teneat se a parte producentis, medium vero in regressu, plus a parte redeuntis: sicut ergo res exierunt a Deo per Verbum Dei, sic ad completum reditum necesse est, Mediatorem Dei et hominum non tantum Deum esse, sed etiam hominem, ut homines reducat ad Deum.

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

auf die im folgenden Abschnitt noch näher einzugehen sein wird.91 Die in der Inkarnation ebenfalls gegebene Vollendung über den Bruch der Sünde hinweg schien Bonaventura als Möglichkeit bereits in die Schöpfung hineingelegt,92 als Wirklichkeit jedoch war sie für ihn ein Geschenk, das nur aus einem göttlichen Übersteigen (excessus) alles natürlich Erwart- oder Einforderbaren zu verstehen war. Und so wies die zeitliche Ordnung über sich hinaus auf eine Vollendung, die jenseits von irdischer Zeit und Geschichte liegt.93 „Es wird damit deutlich, daß Zeit und Geschichte mit der Ewigkeit nicht nur als ihrem Ursprung und Ziel verbunden sind, sondern von der Ewigkeit auch in ihrem Ablauf durchdrungen und beherrscht werden. Mittler und Mitte in allem ist das Verbum Dei, – increatum, incarnatum et inspiratum.“94

3.3

Christus als Fülle der Zeiten

Mit der Vorstellung von Christus als der „Fülle der Zeiten“ (vgl. Gal 4, 4 und Eph 1, 10) ist man gewissermaßen am Zentrum von Bonaventuras Überlegungen angelangt. Hier laufen die beiden Perspektiven von verbum increatum und verbum incarnatum zusammen. Sie wollen zu nichts anderem hinführen, als dass Christus alles in allem ist. Er ist die universale Mitte und ebendarin auch Anfang und Ende: In Christo ergo, qui tenet medium in omnibus, incipiendum et per ipsum perveniendum est ad Creatorem.95 Dieser Gedanke war charakteristisch für Bonaventura, wobei richtig beobachtet wurde, dass er im Laufe seines Denkens immer deutlicher hervortrat.96 Über drei Stationen lässt sich 91

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Thematisiert wurde sie in der Frage nach dem geeigneten Zeitpunkt der Inkarnation in III Sent. 1, 2, 4 [III, 31–33] und in Brev. IV, 4 [V, 244f.]. Besonders letztere Stelle strich die Verbindung von der in der Inkarnation erreichten Vollkommenheit und der zeitlichen Ordnung deutlich heraus (vgl. das Zitat in Anm. 53, S. 361). GERKEN, Theologie des Wortes, 285 bezog diese Möglichkeit seinerseits auf das verbum increatum zurück, als er feststellte: „Somit besteht die Geschichte der Welt darin, daß von der Ewigkeit des Wortes her – welche die Zukunft der Welt ist – der Anfang und die aus ihm entlassene Zeitlichkeit in ihrer Struktur vermittelt ist, so daß sie die Möglichkeit und den Raum darstellt, in den sich das Wunder der Vollendung, die Inkarnation, vollziehen kann.“ Vgl. HAYES, The Hidden Center, 176: “The mystery of Christ Himself is that of a passage, a movement through history to a fulfillment which transcends history”. THAUT, Zeit, Geschichte, Ewigkeit, 52. Hex., princ., 1 (1), 10 [Ed. Delorme, 4] – die Reportatio B [V, 330f.] formulierte an dieser Stelle bei weitem nicht so prägnant, auch wenn der Grundgedanke in dieselbe Richtung ging. Vgl. auch oben S. 15 mit Anm. 3 und S. 89 mit Anm. 348. Zu diesem Schlüsselsatz Bonaventuras vgl. ferner DETTLOFF, Christus tenens medium. Vgl. auch das gesamte achte Kapitel bei HAYES, The Hidden Center, 192–214 unter der Überschrift “Christ, the Universal Center”, und ferner DELIO, Simply Bonaventure, 86f. Diesen „Umschwung“ im Verständnis der Inkarnation – dass sie nicht Ende, sondern Mitte der Zeit ist – beobachtete RATZINGER, Geschichtstheologie, 111–113. Auf Seite 111 sprach er dabei von einem „neuen Vorzeichen“, „das bedeutsamerweise ganz aus der eigenen Denkwelt Bonaven-

Die Mitte der Zeit: Christologische Aspekte

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diese Entwicklung verfolgen: Im Sentenzenkommentar wurde die Inkarnation in der Fülle der Zeiten noch sehr stark mit dem Ende der Zeit assoziiert. Nichts anderes besagte ja auch das Schema der sechs aetates, in dem die letzte geschichtliche Epoche die Zeit vom Erscheinen Christi bis zum Weltende umfasst.97 Diese sechste aetas war die Fülle und Vollendung der Zeit: Nach dem Beschluss Gottes erfüllten sich hier die Verheißungen, kamen die Bilder (figurae) zur Wahrheit und erschien die Fülle der Gnade in Christus.98 Zwar bemerkte Bonaventura bereits hier, dass die Fülle der Gnade in Christus der Anfang (principium) der den Menschen geschenkten Gnadenfülle ist und dass diese Fülle der Gnade noch einmal von der Fülle der Herrlichkeit zu unterscheiden ist, doch es erfolgte noch keine Reflexion, was dies denn für die Zeit nach Christus als Zeit – das heißt in ihrer Ausgedehntheit – bedeutet. Als Ziel- und Endpunkt erschien die sechste Zeit gewissermaßen komprimiert auf das Erreichen der Fülle und sie wurde in sich nicht weiter differenziert. Einen zweiten Abschnitt der Entwicklung findet man in Breviloquium IV, 4. Auch hier wurde noch daran festgehalten, dass Gott in Christus am Ende und in der Fülle der Zeiten Mensch geworden ist.99 Die Begründung, die vom Gedanken des Fortschreitens

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turas kommt und offensichtlich auf keinerlei Einfluß von außen zurückzuführen ist“. Ebd., 18 erkannte Ratzinger in der Positionierung der Menschwerdung in der Mitte der Zeit den entscheidenden Unterschied zwischen dem augustinischen und dem bonaventurianischen Geschichtsschema. HAYES, The Hidden Center, 193 formulierte denselben Zusammenhang so: “Bonaventure’s vision is Word-centered from the beginning; and through his efforts to deal with major challenges throughout his career, it becomes emphatically Christ-centered both at the metaphysical and at the historical levels.” Eine knappe (im Wesentlichen mit Ratzinger übereinstimmende) Darstellung der Entwicklung von Bonaventuras Gedanken gab Hayes auf Seite 181f. und erneut auf Seite 211f. Vgl. III Sent. 1, 2, 4, resp. [III, 32a]: Dicendum, quod … magis congruum fuit, Filium Dei incarnari quasi in fine saeculorum, quam in principio. – Interessant ist hier vor allem das dritte Argument, das von der einzuhaltenden Ordnung spricht (propter ordinem universi servandum): Gal 4, 4 aufgreifend rechnete es mit einer bestimmten Anzahl von Tagen, die bis zur Menschwerdung voll werden müssen (usque ad plenitudinem temporum). Plenitudo war an dieser Stelle also nicht von einer inhaltlichen, sondern von einer zahlenmäßigen Fülle gedacht (vgl. auch die ratio prima in III Sent. 1, dub. 1, resp. [III, 33a]). – Die Gedanken von Inkarnation und „Mitte der Zeit“ wurden hier noch nicht zusammengebracht, so dachte Bonaventura zwar in III Sent. 19, 2, 2, resp. [III, 410f.] über die Person Christi als medium und mediator nach, doch nur in Bezug auf die beiden Naturen Christi. Eine geschichtstheologische Perspektive wurde hier noch nicht eingebracht, allenfalls deutete sie sich in dem Gedanken an, dass Christus in der Funktion des mediator die Aufgabe der Versöhnung wahrnimmt. Ausführlich behandelte III Sent. 1, dub. 1, resp. [III, 33f.] die Frage, was plenitudo temporis bedeutet. Die ersten fünf Argumente (Deus implevit quod praefinierat – propter impletionem promissionis – quantum ad completionem figurarum – propter plenitudinem gratiae, quae fuit in Christo – propter plenitudinem generationis) wurden im sechsten zusammengefasst: tempus incarnationis est tempus sextae aetatis, in qua quidem est plenitudo et perfectio, ut, sicut mundus in sexta die est consummatus, sic in sexta aetate sit reparatus. So die Anfangsfeststellung von Brev. IV, 4 [V, 244a]: quod licet Deus a principio potuerit incarnari, noluit tamen nisi in fine saeculorum, praecedente lege naturae et lege figurae, post Patriar-

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

vom Unvollkommenen zum Vollkommenen geprägt war, gebrauchte im Wesentlichen dieselben Argumente wie im Sentenzenkommentar.100 Die entscheidende neue Perspektive ergab sich aus der Überlegung, was denn die Fülle der Zeit bedeutet: Plenitudo temporis ist nicht das Ende der Zeit im Sinn eines Aufhörens der Zeit, sondern im Sinn der „Erfüllung der Geheimnisse der Zeit“. Das sollte heißen: Nun erst erreicht die Zeit ihr volles Maß und ihre volle Wirksamkeit, eine Wirksamkeit, die (bedingt durch den Fall des Menschen) in der Heilung besteht.101 So stellte sich für den Franziskaner heraus: Wenn Christus Mittler und Mitte ist, dann auch in einem zeitlichen Sinn. Die Zeit Christi wurde zur mittleren Zeit der Heilung zwischen der „Zeit der Krankheit“ und der „Zeit des Gerichts“. Für das Hexaëmeron war, wie schon öfter betont, der Gedanke von Christus als der Mitte schlechthin Programm. Bereits im Blick auf das in Hex., princ., 1 (1), 10–39 entworfene Gesamtschema102 wird die oben beschriebene Zuordnung von Zeit und Ewigkeit deutlich: In dem siebenfältigen Persongeheimnis Christi bilden die beiden „ewigkeitlichen“ Aspekte (aeterna personarum emanatio und aeterna beatitudo) als Anfang und Ziel den Rahmen, die fünf mittleren Geheimnisse dagegen beschreiben zeitliche Stationen (incarnatio, passio, resurrectio, ascensio), deren letzte (futurum examen) noch aussteht.103 Der Aspekt der „Mitte der Zeiten“ tritt dann vor allem im Bedenken

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chas et Prophetas, quibus et per quos fuit incarnatio repromissa. Post quos incarnari dignatus est tanquam in fine temporum et plenitudine. Brev. IV, 4 [V, 244bf.]: … et hoc opus incarnationis erat perfectissimum inter omnia opera divina; et processus debet esse ab imperfecto ad perfectum, et non e converso: hinc est, quod opus illud debuit fieri in fine temporum, ut, sicut primus homo, qui erat totius mundi sensibilis ornamentum, ultimo fuerat conditus, scilicet sexto die, ad totius mundi completionem: sic secundus homo, totius mundi reparati complementum, in quo primum principium coniungitur cum ultimo, scilicet «Deus cum limo», fieret in fine temporum, hoc est in sexta aetate … Quoniam ergo adventus Christi fuit in tempore legis gratiae et in exhibitione misericordiae repromissae et in principio aetatis sextae; et haec omnia dicunt plenitudinem; quia lex gratiae implet legem Scripturae, et solutio promissi implet promissionem, et sexta aetas ratione perfectionis senarii sonat in plenitudinem: hinc est, quod in adventu Filii Dei dicitur esse plenitudo temporum … Brev. IV, 4 [V, 245a]: hinc est, quod in adventu Filii Dei dicitur esse plenitudo temporum, non propter hoc, quod in eius adventu tempus finiatur, sed quia temporalia mysteria impleantur. Sicut autem Christus non debuit venire in principio temporis, quia adventus eius nimis fuisset festinus; sic nec debuit differre usque in finem ultimum, quia tunc nimium esset tardus. Decebat enim salvatorem inter tempus morbi et tempus iudicii in medio introducere tempus remedii. Decebat mediatorem quaedam suorum membrorum praecedere, quaedam sequi. – Nebenbei bemerkt ergibt sich von hier aus eine natürliche Brücke zu dem Gedanken von der heilenden Gnade und der durch sie bewirkten Rückführung der Welt zu Gott (vgl. Brev. V, 1 [V, 252f.]; VI, 3 [V, 267f.]). Insofern hat das Erscheinen Christi eine doppelte Bedeutung: Es ist „Zeit der Heilung“ und „Heilung der Zeit“. Vgl. auch oben S. 358 mit Anm. 44. Vgl. noch einmal Tabelle 1, S. 31. Grundlage dieses Lebensgeheimnisses Christi ist die hypostatische Union, die auch als Verbindung von Ewigem und Zeitlichem verstanden werden kann (vgl. z. B. Itin. VI, 5 [V, 311]: in ipso [scil. Christo] principium primum iunctum est cum postremo, Deus cum homine sexto die formato,

Die Mitte der Zeit: Christologische Aspekte

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des Inkarnationsgeschehens noch einmal hervor:104 Christus ist dadurch die „Mitte der Jahre“ und die „Mitte der beiden Lebewesen“, die für die Gerechten des Alten und Neuen Bundes stehen, die ihm vorangingen bzw. folgten.105 Die Menschwerdung ist das Ereignis, das in der Mitte der Zeit am Übergang vom Alten zum Neuen Bund steht. Dieser Gedanke ist der Schlüssel, um den in der ersten Collatio entwickelten Gedanken von der Zentralität Christi auch in der weiter hinten dargelegten Vorstellung Bonaventuras vom Lauf der Zeiten zu entdecken.106 Der folgende kurze Überblick über die Geschichtstheologie des Hexaëmeron soll dies belegen. Dabei fällt als Erstes auf: Bonaventura kannte nicht nur ein Muster, um die Geschichte zu erklären. Die Geschichte war für ihn ein lebendiger Prozess, den man auf verschiedene Weisen anschauen konnte.107 Den verschiedenen Modellen war gemeinsam, dass in

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aeternum iunctum est cum homine temporali, in plenitudine temporum de Virgine nato …). Die obengenannten sieben Aspekte erweisen sich so als Konkretisierung dieses Dogmas genauso wie der Gedanke, dass Christus sowohl ewiges wie auch zeitliches exemplar ist (vgl. dazu S. 369 mit Anm. 89). Ähnlich fand auch bei der Beschreibung Christi in drei Naturen eine Zuordnung zur Zeitlichkeit statt, so in Hex., princ., 3 (3), 13 [V, 345b; vgl. Ed. Delorme, 38]: Habet enim naturam corpoream, naturam spiritualem, naturam divinam: naturam temporalem, aeviternam, aeternam. Hex., princ., 1 (1), 20 [V, 332f.; Ed. Delorme, 8–10]. Hex., princ., 1 (1), 20 [Ed. Delorme, 9; vgl. V, 333]: Ideo bene dicitur esse in medio animalium ut cor, secundum translationem LXX, in mundo minori, et in medio annorum ut sol … Huic medio et qui praeibant ante incarnationem et qui sequebantur post incarnationem clamabant: Hosanna. Vgl. zu diesem Gedanken auch noch einmal die oben in Anm. 101, S. 372 zitierte Stelle aus Brev. IV, 4 [V, 245a]. – Mit den beiden Ausdrücken in medio animalium und in medio annorum bezog sich der Doctor seraphicus auf zwei Übersetzungsvarianten von Hab 3, 2. Sehr erhellend hierzu ist III Sent. 13, 2, 3, ad 6 [III, 290], wo der Frage nachgegangen wird, warum die Zeit vor Christus nicht auch „Zeit der Gnade“ heißt, wenn in ihr doch die Gnade Christi bereits wirksam war. Die Antwort gebraucht das schöne Bild von den Botschaftern des Mose, die aus dem verheißenen Land die Weintraube zurückbrachten (vgl. Num 13, 24): Unde Christus efficaciam habuit in his qui praeibant et sequebantur, ut botrus in palo portabatur ab antecedentibus et sequentibus, sed praeeuntes ferebant et non videbant, sequentes vero et ferebant et aperte videbant. – Bei den „beiden Lebewesen“ wird man ferner an die beiden Cherubim von Ex 25, 18–22 denken, die vis-àvis auf dem Deckel der Bundeslade (lat. propitiatorium = Sühnestätte) standen, den Blick auf die Lade gerichtet. Mindestens seit AUGUSTINUS, Qu. II (= Quaestiones de Exodo), qu. 105 [CC.SL 33, 121, Z. 1779–1784] und BEDA, De Tabernaculo I [CC.SL 119a, 19, Z. 547–555] galten sie als Symbol für die beiden Testamente. Vgl. BONAVENTURA, Hex. III, 3 (15), 11 [V, 400; undeutlich in Ed. Delorme, 172] sowie Hex. II, 2 (9), 19 [V, 375]. Für ihn war die „Sühnestätte“ zwischen den beiden Engeln nichts anderes als Christus und zwar als Gekreuzigter. Vgl. dazu Itin. VII, 1f. [V, 312b]: Christus est scala et vehiculum tanquam propitiatorium super arcam Dei collocatum et sacramentum a saeculis absconditum. Ad quod propitiatorium qui aspicit plena conversione vultus, aspiciendo eum in cruce suspensum … In vorausgehenden Abschnitten hatte Bonaventura eine ausführliche Deutung der beiden Engel gegeben, so in Itin. V, 1; VI, 4–6 [V, 308.311f.]. Siehe dazu Hex. III, 2–4 (14–16) [V, 392–408; Ed. Delorme, 155–193]. Nicht umsonst findet man die Geschichtstheologie unter die Erklärung des dritten Schöpfungstages eingeordnet. Er steht unter der Überschrift Germinat terra herbam virentem (Gn. 1, 11, aufge-

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

ihnen allen die rationale Struktur der Geschichte aufschien.108 Das erste dieser Modelle hob aus dem Lauf der Zeit verschiedene „sakramentale Figuren“ (figurae sacramentales) als entscheidendes Moment heraus, bei den übrigen bildete jeweils eine bestimmte Schau (theoria) die zentrale Struktur. Die Betrachtung unter dem Aspekt der figurae sacramentales deutete die in der Heiligen Schrift dargelegte Geschichte. Sie war geleitet von dem Gedanken, dass die Schrift die ganze Geschichte der Welt vom Anfang bis zum Ende enthält.109 Der Ausgangspunkt war die Unterteilung der Geschichte in vier (Haupt-)Zeiten, in denen sich die Heilsordnung widerspiegelte: die Zeit der Natur, die Zeit des mosaischen Gesetzes,

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nommen in Gn. 1, 12): Geschichte wird verstanden als ein Keimen, Sprossen, Grünen und schließlich Fruchtbringen. Vgl. dazu besonders Hex. III, 2 (14), 5 [V, 393f.; Ed. Delorme, 157f.]. – Darüber hinaus wird hier deutlich, wie Bonaventura die Geschichtstheologie verstand: Im Grunde war sie nichts anderes als Schriftauslegung (eben davon handelte die Collatio 13, die die dritte Visio einleitete). Den gnadenhaften Anteil betonend konnte er sie auch als das Wachsen der Heiligen Schrift in der Seele verstehen; vgl. Hex. III, 2 (14), 1 [Ed. Delorme, 155; vgl. V, 393]: Non enim sine ratione per terrae germinationem intelligitur Scriptura, secundum quod habet figuras simplicter germinantes et multipliciter producentes in anima. Ähnlich Hex. III, 5 (17), 5 [V, 410]: Est autem anima paradisus in qua plantata est Scriptura … Dabei ergab sich nicht nur ein Übergang zu der dritten christologischen Perspektive, dem verbum inspiratum, sondern es zeigte sich auch das offenbarungstheologisch bedeutsame dynamische Schriftverständnis des Franziskaners. Die Theorie der rationes seminales wurde hier auf das Feld der Exegese übertragen. Vgl. hierzu Hex. III, 3 (15), 12 [Ed. Delorme, 173; vgl. V, 400]: Et hae [scil. septem aetates] fuerunt rationes seminales ad cognoscendum Scripturas. Vgl. auch RATZINGER, Geschichtstheologie, 11. Man kann Bonaventura nur verstehen, wenn man beide Perspektiven zusammensieht: sowohl die „Vieldeutigkeit“ der Geschichte als auch deren – im Letzten in der göttlichen Ordnung gründende – rationale Struktur. Dies bemerkte bereits RATZINGER, Geschichtstheologie, 21: „Geschichte ist keine Häufung blinder und widerwärtiger Zufälligkeiten, …“ So wird deutlich, dass Bonaventura „die rationale Struktur der Geschichte entschieden bejaht“ (ebd.). Genau in dieser rationalen Struktur der Geschichte bestand – nach RATZINGER, Geschichtstheologie, 142f. – auch der Unterschied zwischen dem Aristotelismus und der bonaventurianischen Sicht von Zeit und Geschichte (an dem sich im Letzten auch die Frage nach der Ewigkeit der Welt entschied): Für Ersteren gehörte Geschichte „dem Bereich der akzidentellen Unendlichkeit zu“, sie war „das Reich des Zufälligen und eigentlich wissenschaftlicher Bearbeitung nicht fähig“, während für den Franziskaner gerade das „geordnete Hervorgehen der Dinge aus Gottes Schöpfermacht“ (143, Hervorhebung von mir) das entscheidende Merkmal der Geschichte darstellte. Für die Rationalität der Geschichte galt damit Ähnliches wie für die Rationalität der Heiligen Schrift. Der Verfasser der Reportatio B bemerkte in diesem Sinn über Bonaventura in Hex. III, 4 (16), 16 [V, 405]: Et frequentissime [Bonaventura] inculcabat, quod non sunt a casu et a fortuna ista et consimilia posita in Scriptura, sed maxima ratione et maximo mysterio; sed qui non considerat, nihil intelligit. Ähnlich wiederholte ebd., nr. 31 [V, 408]: Et sic patet, quomodo Scriptura describit successiones temporum; et non sunt a casu et fortuna, sed mira lux est in eis et multae intelligentiae spirituales. Diese verbreitete Auffassung sprach die Reportatio A (und nur sie) am Ende der gesamten Geschichtsbetrachtungen deutlich aus. Vgl. Hex. III, 4 (16), 31 [Ed. Delorme, 193]: Circa haec procedens Scriptura describit ordinate omnia, et haec sunt totius mundi a principio usque in finem facta nobiliora et notabilia, in quibus quasi quibusdam luminibus exercetur et illustratur intellectus …

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die Zeit der Prophetie und die Zeit der Gnade (tempus legis naturae, tempus legis, tempus prophetiae, tempus gratiae).110 Die Zeit wurde hier als eine von der göttlichen Pädagogik geleitete aufsteigende Linie präsentiert. Von den drei dem Alten Testament zugeordneten Vorstufen läuft sie zur Erfüllung im Neuen Testament hin.111 Dieses Grundschema erweiterte Bonaventura dann durch eine Unterteilung der vier Grundzeiten zu insgesamt zwölf Hauptzeiten (principalia tempora), die jeweils vier auf Christus hinweisende mysteria enthielten.112 Joseph Ratzinger hatte sicherlich recht, wenn er hierin noch keine Geschichtstheologie im engeren Sinn, sondern vielmehr eine Ausfaltung des alten typologischen Gedankens von Verheißung und Erfüllung sehen mochte.113 Gleichwohl zeigt sich bereits hier die herausragende Bedeutung Christi als der wesentliche Zug des bonaventurianischen Geschichtsmodells, denn Christus erscheint hier nicht nur als das Ziel der Entwicklung, sondern er gibt – indem die ganze Geschichte auf ihn hin transparent ist – der Zeit insgesamt einen sakramentalen Charakter.114

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Vgl. Hex. III, 2 (14), 7–11 [Ed. Delorme, 158–161; V, 394f.] (ausdrücklich dort in Reportatio B, nr. 10). Nach Hex. III, 2 (14), 7.11 [Ed. Delorme, 159.161; V, 394f.] besteht der Hauptzweck der Heiligen Schrift in der durch Christus geleisteten Wiederherstellung des Heiles. Die vier Zeiten sind in immer größerer Nähe darauf hingeordnet; so ergibt sich die Heilsordnung als (1) salus patriarchis promissa, (2) salus in Lege praefigurata, (3) salus in prophetis praenuntiata und schließlich (4) als salus in Evangelio per Christum apostolis persoluta. Diese 48 mysteria stellen die eigentlichen figurae sacramentales dar. In Hex. III, 2 (14), 18–30 [Ed. Delorme, 163–168; V, 396–398] werden sie ausführlich geschildert. Vgl. RATZINGER, Geschichtstheologie, 12f., Geschichtstheologie im eigentlichen Sinn verband er dort nur mit den theoriae. Für diese Sichtweise spricht auch, dass in dieser ersten Perspektive der (an die Prophezeiungen der Apokalypse gebundene) Ausblick auf die Zukunft noch sehr summarisch ist. Er beschränkt sich auf die allgemeine Aussage, dass Christus der Herr der Kirche ist, der sie durch den Kampf der irdischen Zeit zum Triumph führen und schließlich über die Welt Gericht halten wird. Zu diesem sakramentalen Charakter der Zeit, vgl. bereits oben S. 354.

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept Tabelle 7: Der Aufbau von Hexaëmeron III, 1–6 (13–18) 7 aetates

Verständnis aus der Schrift

absolut

3 Zeiten

Schriftsinne Sakram. Figuren

5 Zeiten

Samen

theoriae

in Entsprechung

1 : 1 Zeiten … 5 : 5 Zeiten

7 : 7 Zeiten

den Intellekt erleuchtend Früchte den Affekt erquickend

Die eigentliche Geschichtstheologie zeigte sich in einer Reihe weiterer Ansätze, die er als theoriae bezeichnete. Um sie einordnen zu können, ist es sinnvoll, an dieser Stelle den Gesamtaufbau der Visio 3 des Hexaëmeron zu betrachten.115 Die in ihr behandelte Deutung des dritten Schöpfungstages stand insgesamt unter dem Thema der durch die Heilige Schrift vermittelten Einsicht (intelligentia per Scripturam erudita). In diesem Rahmen erläuterte Bonaventura das zum Verständnis der Schrift nötige methodische Instrumentarium. Drei Werkzeuge stellte er dazu vor: die vier Schriftsinne, die figurae sacramentales und schließlich die theoriae, die nicht nur den meisten Raum in seiner Darstellung einnahmen (III, 3 [15] – III, 6 [18]), sondern ohne Zweifel auch das eigentliche Ziel darstellten, auf das die Visio 3 zulief.116 Die nur in Reportatio A vorgestellte Definition besagte dabei: Theoria autem nihil aliud est nisi intellectus qui rationabiliter ex Scriptura elici potest.117 In der Allgemeinheit dieser Definition ist die Weite dieses 115

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Es geht hier um Hex. III, 1 (13) – III, 6 (18), die siebte tractatio (coll. 19) ist ein Übergangskapitel zur vierten Visio, es behandelt die praktische Frage, wie die in der Heiligen Schrift enthaltenen Einsichten im Bemühen des Einzelnen um Wissen, Heiligkeit und Weisheit angeeignet werden können. Hex. III, 1 (13), 1–3 [V, 387f.; Ed. Delorme, 146f.] stellte den an Gen 1, 9–11 orientierten Aufbau der Visio vor: Demnach entsprechen die auf der Erde gesammelten Wasser den Schriftsinnen, die Triebe (pullulationes) den sakramentalen Figuren und die hervorgebrachten Früchte und Samen schließlich den theoriae. Hex. III, 4 (16), 1 [Ed. Delorme, 179].

Die Mitte der Zeit: Christologische Aspekte

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Konzeptes bezeichnet. Es entsprach der tiefen Überzeugung des Franziskaners, dass letztlich jede vernunftgemäße Erkenntnis einerseits ihren (näheren oder entfernteren) Ursprung in der Heiligen Schrift hat und andererseits ihr Ziel darin besitzt, wieder zum Lob Gottes in allen Dingen zurückzuführen.118 Dieses große Feld gliederte Bonaventura weiter: So konnten die theoriae sowohl als Samen, wie auch als Früchte angesehen werden. Das entsprach einer Einteilung der möglichen Einsichten einerseits in solche, die samenhaft weitere und größere Erkenntnisse, das hieß insbesondere eine vertiefte Erkenntnis der Heiligen Schrift, hervorbringen und andererseits in solche, die – gewissermaßen als Früchte – der Erquickung (refectio) des Intellekts und des Affektes dienen. Einsichten der ersten Art werden aus der Betrachtung der aufeinanderfolgenden und sich entsprechenden Zeiten gewonnen; hier ist das Feld, das es im Folgenden zu bearbeiten gilt. Die als Früchte verstandenen letzteren Einsichten hingegen gehen aus der Erwägung der von der Heiligen Schrift geschenkten Heilserkenntnis hervor.119 Dem Intellekt gewährt sie eine zwölffache illuminatio, die letztlich die gesamte Lehre der Heiligen Schrift enthält.120 Die Schönheit (decor) der Frucht zeigt sich in den verschiedenen Erleuchtungen, und es ist diese Schönheit, die den Intellekt nährt. Der eigentliche Sinn freilich liegt in der Erquickung des Affektes. Diese refectio kommt nicht aus dem Schauen der Schönheit, sondern durch das Essen der Frucht und den sich darin zeigenden Geschmack (sapor).121 Nicht 118

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Das wird insbesondere deutlich in der Betrachtung der theoriae, insofern sie den Intellekt erleuchten. In der (vor)letzten der in Hex. III, 5 (17) vorgestellten 12 illuminationes, der illustratio a longinquo per figurarum signa (ebd., nr. 20–25 [V, 412f.; Ed. Delorme, 199f.]) sind alle Wissenschaften und damit letztlich jede Art der (Vernunft-)Erkenntnis eingeschlossen. Die Wirkung beschrieb Hex. III, 6 (18), 25 [V, 418; Ed. Delorme, 210]: Die collaudatio Dei in omnibus als eines Aktes der Weisheit (sapientia). Hier schließt sich dann alles an, was Bonaventura in den folgenden Collationes über die Weisheit sagte und was zum Teil oben (ab S. 28 und ab S. 83) dargestellt wurde. Zu dieser Einteilung vgl. z. B. Hex. III, 6 (18), 1 [V, 414; ähnlich Ed. Delorme, 202]: … istae theoriae reducuntur ad considerationem duplicem: ad considerationem succedentium temporum et sibi mutuo correspondentium in gubernatione mundi; et sic intelliguntur per semina. Consistunt etiam circa considerationem salutarium circumspectionum vel refectionum, quibus anima reficitur, et sic intelliguntur per fructus; et sic iste fructus est decorus, secundum quod ipso reficitur intellectus; et est sapidus, secundum quod ipso reficitur affectus. Näherhin bestehen die zwölf illustrationes nach Hex. III, 5 (17), 8–28 [V, 410–414; ähnlich Ed. Delorme, 196–201] aus der illustratio (1) ab intra per interna spectacula, (2) ab extra per exempla extrinseca, (3) a supra per divina promissa, (4) ab infra proponendo inferni tormenta, (5) antrorsum per praecepta directiva, (6) retrorsum per districta iudicia, (7) dextrorsum per severa solatia, (8) sinistrorsum per benigna flagella, (9) ex opposito per ostensionem acierum, (10) in gyro per ostensionem praesidiorum, (11) a longinquo per figurarum signa, (12) e vicino per gratiarum dona. – Die Gliederung durch die Lokaladverbialien macht noch einmal deutlich, wie umfassend dieses System ist. Mehrfach betonte Bonaventura die Superiorität der affektiven Komponente über die intellektive: Hex. III, 6 (18), 1 [V, 414f.]: … intellectus illustratur per has theorias, ut ultra procedatur ad degustandum eius fructum; et hoc necesse est. «Qui enim ad hoc tantum laborat, ut sciat, quid et

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

die Einsicht ist so letztlich die Frucht, sondern die durch sie vermittelte heilswirksame Gnade, Gerechtigkeit und Weisheit (gratia, iustitia, sapientia).122 Nach diesem Blick auf das Gesamt der theoriae gilt es jene näher zu betrachten, die Bonaventura gewissermaßen als Samen verstand und die sich mit dem Lauf der Weltgeschichte befassten. Ein besonderes Merkmal dieser theoriae ist, dass es davon – im Gegensatz zu der begrenzten Anzahl von Schriftsinnen und sakramentalen Figuren – im Grunde unendlich viele (quasi infinitae) gibt.123 Bonaventura wollte damit zu verstehen geben, dass eine Gliederung der Geschichte in Zeitabschnitte auf viele verschiedene Weisen möglich ist, die Anzahl der Zeiten ist nicht das entscheidende Moment. Dennoch gab es bestimmte Zahlen, denen aufgrund ihrer Symbolhaftigkeit eine besondere Bedeutung zukam. Eine herausragende Stellung nahm hier die Zahl Sieben ein.124 Den beiden Modellen, die auf ihr beruhen, schenkte Bonaventura besondere Aufmerksamkeit und er stellte sie sinnenfällig an den Anfang und ans Ende seiner Ausführungen. Insgesamt stellte der Franziskaner exemplarisch neun der „unendlich“ vielen möglichen Entwürfe vor.125 Er gliederte sie in zwei Gruppen, die sich darin unterschieden, wie die Zeiten angeordnet werden: In der ersten Gruppe findet man jeweils eine fortlaufende Reihe aufeinanderfolgender Zeiten. Das wichtigste Schema, mit dem Bonaventura auch begann, war das klassische augustinische126 Schema der sieben aetates.127 Die-

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quomodo loquatur; interius vacuus remanet, ut dicit Gregorius, ab interna devotione.» Und ebd., nr. 2 [V, 415]: et iste actus est affectus, qui habet rectificare intellectum. Ferner ebd., nr. 4 [V, 415b]: Sicut ergo intellectus ordinatur ad affectum, et fides est via ad caritatem; sic istae illustrationes transire debent in affectum, ut intellectus speculativus fiat practicus. Und schließlich fasste ebd., nr. 32 [V, 419], auf die gesamte Visio 3 zurückblickend, zusammen: Iste ergo est fructus Scripturarum, scilicet caritas. Propter hanc sunt mysteria, intelligentiae, theoriae. Indem jede dieser drei „Früchte“ vier Wirkungen (actus) hervorbringt, ergibt sich auch hier eine Zwölfzahl: Die Wirkungen der Gnade (gratia) sind stabilire animam per fidem, sanctificare per divinum amorem, sursum ferre per spem, inclinare per divinum timorem (Hex. III, 6 (18), 13 [V, 416]). Die Wirkungen der Gerechtigkeit (iustitia) sind facere bona, fugere mala, formidare prospera, ferre adversa (Hex. III, 6 (18), 16 [V, 417]). Und die Wirkungen der Weisheit (sapientia) sind schließlich confortare in bono, colluctare contra malum, contemplare summum bonum, collaudare ex omnibus Deum (Hex. III, 6 (18), 21 [V, 415f.]). Alle diese Früchte stellen keinen Selbstzweck dar, sie sind noch einmal hingeordnet auf die Liebe als letztes Ziel. Vgl. ebd., nr. 25 [V, 418]: Ex his omnibus fructibus surgunt fructus amoris et caritatis, quae intenditur in omnibus. Vgl. Hex. III, 3 (15), 10 [V, 400; vgl. Ed. Delorme, 172 ]: sic in seminibus ostendit, se habere infinitatem quandam caelestium theoriarum, quae significantur per semina. Intelligentiae enim principales et figurae in quodam numero certo sunt, sed theoriae quasi infinitae. – In der Vielzahl zeigt sich auf besondere Weise die Samenhaftigkeit der theoriae, aber auch der Reichtum und die Fruchtbarkeit der Heiligen Schrift. Vgl. auch oben S. 373. Hex. III, 4 (16), 7–10 [V, 404f.; Ed. Delorme, 181–183] befasste sich ausführlich mit der Symbolik der Siebenzahl. Bereits RATZINGER, Geschichtstheologie, 12–22 untersuchte die verschiedenen Schemata. Vgl. oben S. 15 mit Anm. 4. Hex. III, 3 (15), 12–18 [V, 400; Ed. Delorme, 173f.].

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sem fügte er zwei weitere Einteilungen hinzu, die er ebenfalls der „Schultheologie“128 entnommen hatte und die auf den Zahlen Drei und Fünf beruhten. So kannte er ein Schema von fünf „Zeiten der Berufung“, das sich bereits bei Gregor dem Großen fand:129 Wie der Gutsbesitzer fünf Mal auf den Markt ging, um Arbeiter im Weinberg anzuwerben (Mt 20, 1–16), so erging der Ruf Gottes fünf Mal in die Geschichte, an Adam, Noah, Abraham, Moses und durch Christus. – Als allgemein bekannt (communis distinctio)130 stellte Bonaventura schließlich die Dreiteilung der Geschichte in die verschiedenen „Gesetzeszeiten“ vor: Auf die Zeit des ins Herz gegebenen Naturgesetzes (lex naturae – intra scripta) folgt demnach die Zeit des schriftlich niedergelegten mosaischen Gesetzes (lex scripta – extra proposita) und darauf die Zeit des von oben eingegossenen Gnadengesetzes (lex gratiae – desuper infusa).131 Charakteristisch für den zweiten Typus von Geschichtsschemata war, dass hier nicht eine Linie vorgestellt wurde, sondern zwei: Immer wurde die Zeit des Alten Testamentes (von der Entstehung der Welt bis zum Erscheinen Christi) der Zeit des Neuen Testamentes (vom Erscheinen Christi bis zum Weltende) gegenübergestellt. Die einfache Gegenüberstellung dieser beiden Zeiten bildete das Grundmuster.132 Zusätzliche Formen entstanden, indem die beiden Grundzeiten weiter untergliedert wurden: in je zwei, drei, vier, fünf, sechs (sieben) Epochen. Auch in diesem zweiten Typus war das auf der Zahl Sieben beruhende Modell das wichtigste. Bonaventura stellte es bewusst ans Ende und widmete ihm den meisten Raum in seiner Darstellung.133 128 129

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RATZINGER, Geschichtstheologie, 13. Hex. III, 3 (15), 19 [V, 400f.; Ed. Delorme, 174f.]. Die Reportatio A verwies dabei namentlich auf GREGOR DEN GROßEN, Homiliae in Evangelia 19, 1 [FC 28.1, 320.322]. RATZINGER, Geschichtstheologie, 13 und 103f. nannte außerdem HONORIUS AUGUSTODUNENSIS, Expositio in cantica canticorum 7, 5 [PL 172, 460f.], wo ein Schema von 2 x 5 Zeiten (das heißt fünf Zeiten im Alten und fünf Zeiten im Neuen Bund) vorgestellt wurde. Hex. III, 3 (15), 20 [Ed. Delorme, 175]. Reportatio B (ebd. [V, 401]) berief sich hierfür auf die sancti moderni et antiqui, zu letzteren zählte etwa AMBROSIUS, ep. IX, 63 [CSEL 82.2, 142–148]. Vgl. Hex. III, 3 (15), 20 [Ed. Delorme, 175; V, 401]; III, 4 (16), 2 [V, 403]. Vorgestellt in Hex. III, 3 (15), 22f. [Ed. Delorme, 176; V, 401]. – Mit diesem zweiten Typus von Geschichtsmodellen verband sich auch ein neues Bild: Die successio entspricht der Wachstumsentwicklung eines Baumes (vgl. die Anm. 134, S. 380), die correspondentia hingegen entspringt aus der Fortpflanzungsentwicklung, denn der zweite Baum geht aus dem Samen des ersten hervor. Siehe Hex. III, 4 (16), 2 [Ed. Delorme, 180]: Quantum ad germen autem consistunt istae theoriae in temporum coaptationibus, secundum quod semen respondet multiplicationi et fructui, succedentium inquam temporum ordine ternarii, quinarii, septenarii. … Successio temporum est secundum quod est arbor ex semine, correspondentia autem temporum est secundum rationem generantis et geniti. Haec est igitur generatio seminis ex semine; sed per considerationem generantis et generati consurgitur ad septenarium … bzw. in der Reportatio B [V, 403]: Ista tempora sibi mutuo succedunt, et multa est in eis correspondentia, et sunt sicut germinatio seminis ex semine, ut de semine arbor, et de arbore semen. Die besondere Bedeutung des Siebener-Schemas wurde von RATZINGER, Geschichtstheologie, 16 stark herausgestellt („Alle diese Schemata [scil. die auf den Zahlen 1 bis 5 beruhen] haben jedoch für Bonaventura nur vorläufigen Charakter. Sie unterstreichen jeweils nur Einzelaspekte, die alle

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

Das Strukturprinzip der ersten, einlinigen Reihe von Schemata war die successio temporum. Die Kontinuität stand hier im Vordergrund: Die Geschichte wurde als eine im Wesentlichen lineare Entwicklung gedacht und die verschiedenen Zeiten erschienen als Stadien eines organischen Wachstums.134 Bei dem zweiten, für Bonaventura wichtigeren Typus kam zum successio-Prinzip ein weiteres hinzu, nämlich das der correspondentia. Es besagt, dass die entsprechenden Epochen der alttestamentlichen Linie mit denen der neutestamentlichen Linie verglichen werden können. Es waren Joachim von Fiore und seine geistigen Erben, die solche Vergleiche bis zum Exzess getrieben hatten.135 Bonaventura griff den Gedanken auf, aber nicht ohne ihm ein eigenes Profil zu geben: Während der Abt von Fiore eine grundsätzliche Dreiteilung der Geschichte in eine Zeit des Vaters (Altes Testament), des Sohnes (Neues Testament) und des Heiligen Geistes vornahm,136 blieb Bonaventura bei der Gegenüberstellung von Altem und Neuem Testament.137 Nicht ohne Grund, denn für ihn war das Neue Testament die abschlie-

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mitenthalten sind in seinem eigenen und eigentlichen Schema, das auf der Sechs- bzw. Siebenzahl aufbaut“). Ich denke, es war vor allem die herausragende symbolische Bedeutung der Zahl Sieben, der dieses Übergewicht geschuldet ist, darum begann Bonaventura die Reihe der Geschichts-theoriae mit einem Siebenerschema und beendete sie auch damit. Zwei Bilder prägen diese Vorstellung: zum einen die der verschiedenen Lebensalter (aetates) beim Menschen (infantia, pueritia, adolescentia, iuventus, senectus, senis – Hex. III, 3 (15), 12–18 [V, 400; Ed. Delorme, 173f.]), zum anderen die der (schrittweisen) Entwicklung eines Baumes aus dem Samen bis dahin, wo er neue Samen (Früchte) hervorbringt. Vgl. dazu auch die Anm. 132. Dabei war auch bei Joachim das Bildsymbol des Baumes bzw. der Bäume leitend, vgl. hierzu z. B. E. Randolph DANIEL, Introduction, in: Ders. (Hrsg.), Abbot Joachim of Fiore, Liber de Concordia Noui ac Veteris Testamenti (= Transactions of the American Philosophical Society 73, 8), Philadelphia 1983, xi–lxii, hier xxviii–xxxii; ebenso Bernard MCGINN, The Calabrian Abbot. Joachim of Fiore in the History of Western Thought, New York – London 1985?, 109f. Auch die Siebenzahl spielte bei Joachim eine wichtige Rolle, vgl. z. B. Gert WENDELBORN, Gott und Geschichte. Joachim von Fiore und die Hoffnung der Christenheit, Wien – Köln 1974, 15–17. Vgl. z. B. Concordia II, 1, 4, in: Abbot Joachim of Fiore, Liber de Concordia Noui ac Veteris Testamenti, ed. E. Randolph Daniel (= Transactions of the American Philosophical Society 73, 8), Philadelphia 1983, hier 66f.; Liber introductorius 5, in: Expositio in Apocalypsim, Frankfurt am Main 1964 (Unv. Nachdruck d. Ausg. Venedig 1527), fol. 2vb–26va, hier fol. 5rb–6rb. Für die Schemata mit 2×1 bis 2×5 Zeiten ist dies ohne weiteres deutlich. Das Siebener-Schema weist insofern eine Besonderheit auf, als hier bei genauerem Hinsehen 3×7 Zeiten betrachtet werden. Zu den sieben Zeiten des Alten Testamentes (den tempora figuralia) und den sieben Zeiten des Neuen Testamentes (den tempora gratiosa) kommen die sieben Schöpfungstage, die tempora originalia, als dritte in den Vergleich einbezogene Reihe hinzu. Was hat es damit auf sich? Keineswegs ist es im joachimschen Sinn einer trinitarischen Periodisierung der Geschichte zu deuten, vielmehr ergibt es sich aus der besonderen Bedeutung der Zahl Sieben, die eine Parallelisierung mit den Schöpfungstagen nahelegt. Dasselbe findet man beim ersten Typus von Schemata bei den sieben aetates. Insofern möchte ich für diese Konstruktion auch bei dem Ausdruck „Doppelsiebenerschema“ bleiben (wie RATZINGER, Geschichtstheologie, 19 u. ö., gegen Sophronius CLASEN, Zur Geschichtstheologie Bonaventuras, in: Wissenschaft und Weisheit 23 (1960) 197–212, hier 206f.). – In diesem Zusammenhang bemerkt man auch noch einmal die Eigenart Bonaventuras gegenüber dem Abt von Fiore: Der Franziskaner stützte seine Konstruktion (auch im Blick auf das

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ßende, unüberholbare Offenbarung Gottes, nach der keine weitere erfolgen konnte.138 Die Schemata der zweiten Art betonten dabei einerseits den qualitativen Sprung zwischen der Linie des Alten und des Neuen Testaments,139 andererseits war es gerade die Parallelität der Entwicklung, die eine neue Verbindung zwischen beiden Linien herstell-

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Hexaëmeron insgesamt) im Wesentlichen auf den ersten Schöpfungsbericht der Genesis, während sich Joachims Reihen vor allem aus der Auslegung der Offenbarung des Johannes und der dort nach klassischer Auslegung vorzufindenden Siebenteilung ergaben. Von BEDA VENERABILIS, Expositio Apocalypseos, Praefatio [CC.SL 121A, 221–223, Z. 1–36] stammte wohl die Idee der Einteilung der Offenbarung in sieben periochae, sie wurde zum Vorbild der klassischen Einteilung des Hauptteils der Offenbarung in sieben visiones, wie sie etwa auch die Glossa ordinaria zu erkennen gab, vgl. Biblia Latina cum Glossa ordinaria. Facsimile Reprint of the Editio Princeps (Adolph Rusch of Strassburg 1480/81), 4 Bde., Turnhout 1992, hier Bd. 4 zur Apokalypse. Natürlich kannte auch Bonaventura diese Einteilung der Offenbarung (vgl. Hex. III, 4 (16), 20 [V, 406; Ed. Delorme, 187]) und er benutzte sie auch für wichtige Erkenntnisse (worauf etwa RATZINGER, Geschichtstheologie, 27ff. verwies), dennoch wird man festhalten, dass sich durch den stärkeren Bezug auf die Genesis die Gewichtung anders verteilte und der Charakter einer „Endzeitprophetie“ für die Geschichtsschemata mindestens gedämpft wurde. – Schließlich wird man zum Verhältnis von Bonaventura und Joachim noch anmerken (vgl. RATZINGER, Geschichtstheologie, 50): Auch Bonaventura konnte geschichtliche Prozesse in einem (appropriativen) Dreischritt Pater inchoans, Filius promovens, Spiritus Sanctus consummans verstehen (vgl. Hex. IV, 3 (22), 9 [Ed. Delorme, 251, vgl. V, 438f.]: in iis tribus ultimis [ordinibus consummativis] est consummata, ut quod Pater inchoavit, Filius promovit, Spiritus sanctus consummavit appropriate loquendo), doch nahm dies bei Bonaventura bei weitem nicht den Rang eines hermeneutischen Generalschlüssels zum Verständnis der Geschichte ein. Hex. III, 4 (16), 2 [Ed. Delorme, 180] sprach hier mit aller wünschenswerten Deutlichkeit: post Novum autem Testamentum non succedet aliud, quia aeternum est. Oder in Reportatio B [V, 403]: Post novum testamentum non erit aliud, nec aliquod sacramentum novae legis subtrahi potest, quia illud testamentum aeternum est. – Darin ist eine Stellungnahme zu damals aktuellen Auseinandersetzungen zu sehen: Der Liber introductorius (eine nicht erhaltene, von Gerhard von Borgo San Donnino verfasste Einleitung zu den Hauptwerken Joachims von Fiore) hatte behauptet, das Neue Testament würde abgelöst vom „ewigen Evangelium“, worunter er die Schriften Joachims verstand. Ferner würden auch die Kirche und ihrer Sakramente aufhören und deren Stelle eine Geistkirche treten. Der Franziskanerorden wurde darin als der Vorbote dieser vollkommeneren Kirche verstanden. Bonaventura trat dem deutlich entgegen, waren die Aussagen des Introductorius doch ein willkommener Anlass zur Polemik für alle diejenigen, die den Franziskanerorden (vor allem im Rahmen des herrschenden Bettelordensstreites) kritisch beäugten und an dessen Kirchlichkeit zweifelten. Vgl. SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 32f. sowie ZAHNER, Die Fülle des Heils, passim, besonders Kapitel 4.2, 67–97, ferner auch schon RATZINGER, Geschichtstheologie, 24. Das wird sehr deutlich in dem Grundmodell (in dem die beiden Zeiten des Neuen und des Alten Testamentes nicht weiter unterteilt werden), es arbeitet mit den schon bei Paulus zu findenden Gegenüberstellungen von servitus – libertas, timor – amor, littera – spiritus, figura – veritas, nox – dies (Hex. III, 3 (15), 23 [Ed. Delorme, 176; V, 401]; vgl. Hex. III, 4 (16), 3 [Ed. Delorme, 180; V, 403]).

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

te und die den Schlüssel dazu barg, die Geschichte insgesamt zu begreifen.140 Das alte typologische Schema von Verheißung und Erfüllung wurde hier durch eine neue, dynamischere Variante ersetzt. Auch in der Zeit der Gültigkeit des Neuen Testamentes findet demnach eine geschichtliche Entwicklung statt, die mit der im Alten Testament vergleichbar ist.141 Aus dieser Vergleichbarkeit der Entwicklung ließen sich insbesondere – und in diesem Punkt lagen Bonaventura und Joachim durchaus wieder auf einer Linie – Rückschlüsse auf die Zukunft von Welt und Kirche ziehen.142 140

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Die Erkenntnis der Geschichte vollzieht sich so „im Widerspiel von Altem und Neuem Testament“ (RATZINGER, Geschichtstheologie, 13), in Hex. III, 3 (15), 11 [V, 400] sinnenfällig dargestellt im Bild der beiden Cherubim auf der Bundeslade (vgl. Anm. 105, S. 373). Dass AUGUSTINUS, Civ. XVIII, 52 [CC.SL 48, 650–652] eine solche Vergleichbarkeit von alttestamentlicher und neutestamentlicher Geschichte noch strikt abgelehnt hat, bejahte RATZINGER, Geschichtstheologie, 14, während CLASEN, Geschichtstheologie, 206 es bestritt. – Die jeweiligen Grundbegriffe der beiden Schemata (successio und correspondentia) wurden bei Bonaventura zugleich zu einer Beschreibung des Verhältnisses der beiden Testamente: Im ersteren entwickelt sich das Neue aus dem Alten, es überbietend und zugleich ablösend. Das Neue Testament ist die Frucht, um derentwillen der Baum des Alten gewachsen ist. Im letzteren Schema dagegen wird der Baum des Neuen Testaments neben den des Alten gesetzt und weil der letztere vom ersteren abstammt, sind beide miteinander vergleichbar. Es ist die Besonderheit der Schemata mit 2×2 bis 2×7 Zeiten, dass jeweils der letzte Zeitabschnitt der neutestamentlichen Entwicklung noch in der Zukunft liegt. Die Aussagen über diesen ergeben sich dann aus dem Blick auf den jeweils letzten Abschnitt der alttestamentlichen Geschichte. So steht im Schema der zweimal zwei Zeiten die Berufung der Juden (vocatio Iudaeorum) aus. Im Dreierschema ist es die Vollendung der Kirche (tempus ecclesiae consummatae). In dem auf der Zahl Vier beruhenden Schema ist die letzte Zeit durch den Stand der unverheiratet Lebenden (tempus virginum) geprägt, er entspricht dem prophetischen Stand des Alten Testamentes. Im Vergleich der zweimal fünf Zeiten endet das Schema mit der Wiederherstellung der Kirche (tempus restitutionis). Im Hauptschema mit 2×7 tempora schließlich wird vor dem Ende der Welt im Jüngsten Gericht eine letzte Friedenszeit (tempus pacis postremae) erwartet. Die Charakterisierung jener Zeit bezog dabei die Aspekte der jeweils letzten Zeit in den zuvor genannten Schemata mit ein: Es ist eine Zeit der Ruhe, eine Zeit der Wiederherstellung der Kirche, die auch die erwartete „Bekehrung der Juden“, d. h. die Heilung des Bruches zwischen Synagoge und Kirche, einschloss, kurz die finalis conformitas Ecclesiae militantis cum Ecclesia triumphante (Hex. III, 4 (16), 30 [Ed. Delorme, 193; ähnlich V, 408]). Vgl. hierzu auch Hex. III, 3 (15), 24–28 [Ed. Delorme, 176– 179; V, 401f.]; III, 4 (16), 13.16.19.30 [Ed. Delorme, 183.185.187.192f.; V, 405.405.406.408]. Die Vergangenheit wird so zur Quelle der Zukunftserkenntnis und im Voranschreiten der Zeit kann beides (Vergangenheit und Zukunft) jeweils besser verstanden werden. Schlüsselstelle hierzu ist Hex. III, 3 (15), 11 [Ed. Delorme, 172]: Haec germinatio sementiva dat secundum diversitates coaptationis temporum sive secundum diversas temporum coordinationes intelligere potissime theorias in Scriptura, quae dat potissime providentiam futurorum. Qui enim ignorat praeterita, nullo nuntio potest scire futura … Unde Moyses narrabat praeterita per revelationem, et quia Vetus Testamentum dabatur propter futura, ideo prophetae narrabant praeterita: ut Moyses prophetabat de mundi creatione praeterita ut cognoscantur futura. Oder im Text der Reportatio B [V, 400]: Haec autem germinatio seminum dat intelligere secundum diversas temporum coaptationes diversas theorias; et qui tempora ignorat istas scire non potest. Nam scire non potest futura qui praeterita ignorat. … Unde cognitio futurorum dependet ex cognitione praeteritorum. Moyses

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Ein durchaus wichtiger Aspekt der theoriae besteht so darin, dass sie die „Spiegelung der zukünftigen Zeiten in der Schrift“143 sind, doch darf das – wie die Einbettung des geschichtstheologischen Teils der theoriae in den Gesamtaufbau von Hex. III, 1–6 (13– 18) zeigt – nicht isoliert gesehen werden. Die Kenntnis der vergangenen und zukünftigen Zeiten und ihrer Epochen ist für Bonaventura die Grundlage zum Verständnis der Schrift.144 Und dieses Verständnis bleibt nicht bei der Einteilung der Geschichte und der Vorhersage zukünftiger Entwicklungen stehen; es ist vielmehr – wie er sich ausdrückte – die „Pflanzstätte“ (seminarium)145 aus der nicht nur weitere Einsichten zur Erquickung des Intellektes und des Affektes, sondern vor allem das rechte Tun wachsen sollen und müssen.146 Es ist ein geistlicher Aufstieg (kein anderer als im Itinerarium),147 bei dem es um das „Wachsen der Heiligen Schrift in der Seele“148 geht, damit Christus als das Wort Gottes in ihr eintreten kann.149 Bewertet man die bonaventurianischen Geschichtsschemata, so wird man als Erstes festhalten, dass die vorgestellten beiden Typen mit einer bzw. zwei Zeitenreihen zwei verschiedene Konzepte der geschichtlichen Zeit repräsentieren. Den beiden Konzeptio-

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enim, prophetans de futuris, narravit praeterita per revelationem. – In Reportatio A beachte man dabei auch den Aspekt, dass es zu simpel wäre, die Zukunft als den schlechthin unbekannten und die Vergangenheit dagegen als den bekannten Teil der Zeit zu verstehen. Beide Zeiten enthalten Bekanntes und Unbekanntes, und darum kann auch die Vergangenheit (hier konkret der Anfang der Welt in der Schöpfung) der Gegenstand von Offenbarung und „Prophetie“ sein. RATZINGER, Geschichtstheologie, 11 – Für Ratzinger war dies die eigentliche Definition der theoria und er stellte diesen Aspekt – mit Bezug auf Hex. III, 3 (15), 11 (zitiert in Anm. 142) – sehr heraus, z. B. auch 15 und 22. Vgl. Anm. 142, S. 382 und es gilt, was Hex. III, 4 (16), 16 [V, 405] (ausführlicher zitiert in Anm. 108, S. 374) feststellte: qui non considerat, nihil intelligit. Zum Begriff seminarium vgl. Hex. III, 3 (15), 20 [Ed. Delorme, 175; vgl. V, 401] (Qui haec seminaria temporum ignorat, ad expositionem sacrae Scripturae non est idoneus) und Hex. III, 4 (16), 16 [Ed. Delorme, 185, nicht in Reportatio B] (Haec ergo duo tempora [scil. quietis mediae et pacis postremae] sunt seminarium et significata per diem quietis primae …) sowie Hex. III, 5 (17), 1 [V, 409; nicht in Reportatio A] (Istae theoriae consistunt in considerationibus temporum sibi succedentium, quae sunt seminaria quaedam …). Diese Aspekte, die dann vor allem in Hex. III, 5f. (17f.) behandelt wurden, sind vorweggenommen in der Bestimmung dessen, was der Sinn der Heiligen Schrift ist: Hex., princ., 2 (2), 13 [Ed. Delorme, 25]: Docetur autem sapientia mysteriis Scripturae, fide quid credendum, spe quid exspectandum, caritate quid operandum bzw. nach Reportatio B [V, 338]: Triplex refulget intelligentia in Scriptura, quae docet, quid credendum, quid exspectandum, quid operandum: quid credendum quantum ad fidem; quid exspectandum quantum ad spem; quid operandum quantum ad caritatem, quae consistit in operatione, non solum in affectione. Die Strukturgleichheit von Itinerarium und Hexaëmeron stellte auch HAYES, The Hidden Center, 194f. fest (vgl. auch oben Anm. 36, S. 347). Hex. III, 2 (14), 1 [Ed. Delorme, 155; V, 393] (zitiert oben Anm. 107, S. 373). Vgl., was Hex., princ., 3 (3), 22 [Ed. Delorme, 43; vgl. V, 347] über das verbum inspiratum sagte: Nisi enim verbum Dei sonet in aure cordis et splendor aeternus irradiet in oculo mentis et vapor omnipotentis Dei in olfactu et suavitas in gustu et animam intret sempiternitas, non eris aptus ad intelligendas visiones.

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

nen ist gemeinsam, dass sie den durch das Wort vermittelten regressus beschreiben (in der entsprechenden Siebenerreihe jeweils nach dem Vorbild der sieben Schöpfungstage).150 Während der erste Typus vor allem die Aufstiegsbewegung151 in den Blick nahm und etwa in den sieben aetates als Zeit- und Lebensalter das Wachstum des Menschen in der Geschichte mit Gott beschrieb152 – hier liegt es in der Logik der Sache, Christus an das Ende der Zeit zu stellen –, so stellte der zweite Typus die Zeiten vor und nach Christus einander gegenüber und verwies gerade durch diese Verklammerung immer wieder auf die Mitte. Die Modelle des zweiten Typus stellen so eine Konkretisierung des Gedankens von Christus als der universalen Mitte dar. Was zunächst als Erweiterung des ersten Typus gedacht war (der correspondentia-Gedanke kam ja zum successio-Gedanken hinzu), bewirkte in letzter Konsequenz eine Schwerpunktverlagerung: Zwei Bewegungslinien gerieten jetzt ins Blickfeld, die Linie des Ersten Bundes, die auf Christus hinführt, und die Linie des Neuen Bundes, die von der ersten zur zweiten Ankunft Christi geht. Das Christusereignis ist die sachliche und zeitliche Mitte des Gesamtprozesses: Es steht zugleich am Ende der ersten Linie (die siebte Zeit des Alten Testamentes abschließend) und am Anfang der zweiten (die erste Zeit des Neuen Testamentes eröffnend).153

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In dem Schema der sieben aetates hieß es Hex. III, 3 (15), 18 [V, 400; nur knapp in Ed. Delorme, 174 unter nr. 17]: Ad has [septem aetates] sequitur octava aetas, scilicet resurrectio … Et est reditus ad primum, quia post septimam diem regressus fit ad primam. – Entsprechend hatte man in dem Doppelsiebenermuster nach weiterer Dreiteilung der Zeiten insgesamt 42 Zeitabschnitte, die Bonaventura mit den 42 Bleiben der Israeliten auf dem (Rück-)Weg von Ägypten in die Heimat des verheißenen Landes verglich (Hex. III, 4 (16), 31 [V, 408; Ed. Delorme, 193] mit Bezug auf Num 33). Dieser erste Typus darf schon darum nicht als nebensächlich angesehen werden, weil der Aufstiegsgedanke dem Gesamtplan des Hexaëmeron entspricht: Den Zusammenhang zwischen den sechs Schöpfungstagen, den Erkenntnisstufen und den Zeitaltern der Heilsgeschichte verstand Bonaventura als „eine zutreffende Spiegelung der Wirklichkeit, für die ein geschichtlich gestuftes Anwachsen der Erkenntnis bezeichnend ist“ (RATZINGER, Geschichtstheologie, 10). Oder, mit HAYES, The Hidden Center, 208f. gesprochen: “the theology of the ascent is identical with the theology of history.” So die Darstellung von Hex. III, 3 (15), 12–18 [V, 400; Ed. Delorme, 173f.]. Man beachte diese doppelte Zuordnung, die dem Gedanken von der Inkarnation als Abschluss und als Neuanfang (siehe oben S. 361) entspricht: In der inhaltlichen Beschreibung der sieben tempora figuralia des Alten Testamentes in Hex. III, 4 (16), 14–17 [V, 405f.; Ed. Delorme, 183–186] (nach der allgemeinen Benennung der Zeiten in nr. 12f.) erscheint die siebte Zeit als „Zeit der mittleren Ruhe“, in der die Propheten schwiegen und in der der Frieden der pax augusta herrschte. In diese hinein wurde Christus geboren. In der Beschreibung der tempora gratiosa mit ihrer jeweiligen Dreiteilung (ebd., nr. 21–30 [V, 406–408; Ed. Delorme, 187–193]) steht die „Formung Christi“ in Entsprechung zur Erschaffung des Menschen am Anfang der ersten Zeit. – Zum richtigen Verständnis ist dabei zu beachten, dass Bonaventura hier nicht die tempora originalia (wo die Erschaffung des Menschen am sechsten Tag erfolgte) als Vergleichspunkt nimmt, sondern dass er hier die erste Zeit der Gnadenzeit mit der ersten figürlichen Zeit in Beziehung setzte, letztere aber

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Die christologische Mitte als Dreh- und Angelpunkt der Geschichte kann unter verschiedenen Aspekten angesehen werden: Sie ist der „Beginn der neuen Zeit“154 und damit Übergangs- und Umschlagspunkt, vergleichbar mit dem Aufgang der Sonne an einem neuen Tag155 oder als dem Moment, wo an die Stelle des Vorausbildes (figura) und des Schattens (umbra) die Wahrheit (veritas) tritt.156 Diese Bilder – die ja allesamt nicht neu sind – dienten dabei nicht nur dazu, die beiden Zeiten des Alten und Neuen Testamentes voneinander abzusetzen, sie machten auch deutlich, dass die Inkarnation – deren Mitte wiederum in der passio gegeben ist – den zentralen Punkt darstellt, von dem her die Gnade überfließt, sowohl auf die Vorausgehenden wie auf die Nachfolgenden.157 Vom „doppelten Spiegel“ der Zeitenreihen des Alten und Neuen Testamentes in den Blick genommen158 erweist sich die Inkarnation so als der Punkt, auf den alles bezogen ist und von dem her alles verstanden werden muss.159

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enthielt das Sechstagewerk als Ganzes an ihrem Anfang. Ausdrücklich sagte er das in nr. 21 [V, 406]. Hex. III, 4 (16), 11 [V, 405; nicht in Ed. Delorme, 183]: … Christum, ubi novum tempus incipit, … Christus und die Zeit des Neuen Testamentes wurden beschrieben in Bildern vom Tag, der die Nacht beendet, und von der Sonne, die die Sterne überstrahlt (Hex. III, 3 (15), 23 [V, 401; Ed. Delorme, 176]). Ebd. So hatte schon III Sent. 13, 2, 3, resp. [III, 289b] deutlich gemacht, quod gratia capitis redundat in omnes cives supernae Ierusalem, licet secundum plus et minus: … magisque in eos qui sequuntur eius adventum quam in eos qui praecesserunt, quia clarius vident et credunt et charismatum donis amplius perfunduntur, propter hoc quod, si passio promissa tantum illis valuit, ut illos per viam salutis perduceret, amplius passio exhibita et soluta hoc debuit facere. – In ad 6 [III, 290] (vgl. oben Anm. 105, S. 373) wurde dargelegt, dass es genau dieses plus et minus ist, das den Unterschied zwischen dem tempus gratiae und dem tempus umbrae ausmacht. Das Hexaëmeron sprach in pneumatologischer Perspektive davon, dass die gesamte Schrift der (An-)Empfehlung der Gnade des Heiligen Geistes dient. Vgl. dazu Hex. III, 2 (14), 8 [V, 394; vgl. Ed. Delorme, 159]: Et ideo primo traditur Scriptura ad commendandam gratiam Spiritus sancti. Die Zeit des Alten Testamentes hatte hierbei vor allem die Funktion, dem Menschen seine Gnadenbedürftigkeit aufgrund seiner Schwäche, Unkenntnis und Bosheit (der drei Wirkungen der Ursünde) bewusstzumachen. Dazu dienten die drei Zeiten des tempus ante legem, tempus legis und des tempus prophetarum. Diesen folgte in der Reihe der figurae sacramentales das tempus gratiae mit der Erlösung durch Christus. Auch in der Doppelsiebenerreihe zeigte sich das Wachstum der Gnade, standen den tempora figuralia des Alten doch die tempora gratiosa des Neuen Testamentes gegenüber (Hex. III, 4 (16), 10f. [V, 405; Ed. Delorme, 183]). Für die erste der sieben Zeiten des Neuen Testamentes als tempus collatae gratiae wurde dabei der Aspekt der Gnadengabe noch einmal besonders betont. Die Visio von Hex. III, 6 (18), 13 [V, 416; vgl. Ed. Delorme, 205f.] schließlich, die auf die Früchte der theoriae blickt, behandelte die Gnade als die Frucht, die aus Christus, dem Erlöser, kommt. Vgl. erneut Hex. III, 3 (15), 11 [V, 400; vgl. Ed. Delorme, 172]: Haec consideratio theoriarum est inter duo specula duorum Cherubim, duorum scilicet testamentorum, quae refulgent in invicem ut transformetur homo a claritate in claritatem (vgl. 2 Cor. 3, 18). Siehe dazu auch oben Anm. 105, S. 373. In diesem Sinn konnte HAYES, The Hidden Center, 181f. (im Blick auf die Entwicklung der Gedanken Bonaventuras) sagen: “More and more, the notion of ‘center of time’ takes on the sense of

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

Im Blick auf diesen zentralen Punkt und seine Bedeutung für die Zeit zeigen sich noch einmal deutlich zwei Aspekte von dialektischem Charakter: die Diskontinuität in der Kontinuität und das Schon-Jetzt und Noch-Nicht der Fülle. Was den ersten Punkt angeht, ist festzustellen: So sehr in dem zweiten Typus von Geschichtsschemata die Entsprechung (correspondentia, coaptatio) die beiden Zeitenreihen verbindet, so sehr trennt sie sie auch. Die Zeit des Neuen Testamentes ist nicht einfach eine Fortsetzung der Zeit des Alten Testamentes, sondern es ist ein qualitativer Sprung, der sich hier ereignet, ein Sprung, der einer Geburt und einer Neuschöpfung gleichkommt.160 Nicht umsonst werden hier zwei Bäume miteinander verglichen.161 Diesem Sprung entspricht das Unerwartete, das Neue, das mit der Menschwerdung in die Welt einbricht und das sich zwar in Zeit und Raum ereignet, aber nicht als eine irgendwie notwendige Entwicklung, sondern als eine freie, nur aus einem Übersteigen jeden Maßes verständliche Tat Gottes.162 Die Reportatio B des Hexaëmeron sprach hier sehr deutlich vom Unterschied zwischen dem Immer-Gleichen des Naturkreislaufs und dem Neuen, das sich im Fortschreiten der Gnade ergibt.163 Es war also kein kontinuierlicher, sondern ein gestufter Prozess, den Bonaventura da zeichnete. Die untere Stufe mochte dabei auf die höhere hinführen und auf sie hinweisen, im Letzten aber war es doch ein Sprung, der sich hier ereignete. Dass beide Stufen in sich noch einmal eine Entwicklung zeigen (sichtbar durch die weitere Untergliederung in tempora) und daher eine zeitliche Ausdehnung besitzen, verbindet sie wieder. Sie erscheinen dann als Phasen eines Heilungsprozesses,164 und die Zeit erweist sich als „Gnadenmittel“,165 das heißt ein Mittel, durch das die Gnade beim Menschen ankommt. Und hier ist auch der Raum für das Wirken des Heiligen Geistes als „Medizin, durch die der Arzt wirkt“.166 Bonaventuras Theologie der Heilsgeschichte ist so auch eine Theologie der Heilungsgeschichte.

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the ‘center of meaning’; that is, it refers to that moment at which the fundamental eidos of history is rendered explicit in the form of one, historical being so as to become the point from which one might survey the whole sweep of history and read its deepest and universal meaning”. Zur Neuschöpfung (refectio) vgl. oben S. 358, besonders Anm. 40, der Aspekt der Geburt ist auch im Gedanken der Fortpflanzungsentwicklung ausgesprochen, dazu oben Anm. 132, S. 379. Vgl. erneut oben Anm. 132, S. 379 sowie Hex. III, 3 (15), 22 [V, 401; vgl. Ed. Delorme, 176] in der Einleitung zu den Geschichtsschemata des zweiten Typs: Item, comparatur quod oritur ad illud, de quo oritur, ut arbor ad semen, de quo oritur, et ad arborem, de qua semen oritur. Sic comparatur novum testamentum ad vetus, ut arbor ad arborem, ut littera ad litteram, ut semen ad semen. Et sicut arbor est de arbore … sic testamentum de testamento. Vgl. oben S. 356 mit Anm. 34 und S. 368 mit Anm. 83. Hex. III, 4 (16), 11 [V, 405]: Tempora … figuralia, ab initio mundi usque ad Christum; ubi novum tempus incipit, licet Salomon dicat [Ecl. 1, 10 (9)]: Nihil sub sole novum – verum est secundum naturam, sed hoc est super naturam – et post sunt tempora gratiosa. Vgl. oben S. 372 mit Anm. 101 und S. 358 mit Anm. 44. Vgl. oben S. 350. Hex. I, 4 (7), 10f. [V, 367; vgl. Ed. Delorme, 103]: Iste medicus sanat omnia … Verbum incarnatum, crucifixum, passum; et post misit Spiritum sanctum, qui illabitur cordibus nostris. Haec ergo

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Was nun den zweiten Punkt, das Schon und Noch-Nicht der Fülle, angeht, so ist darüber im vorigen Abschnitt bereits einiges gesagt worden.167 In der Verbindung von Gott und Mensch in Christus ist die höchstmögliche Fülle Wirklichkeit geworden. Darum kann die Offenbarung des Neuen Testamentes auch nicht mehr überholt werden.168 Gleichwohl gilt, dass diese Fülle, die im Haupt schon da ist, von den Gliedern auf dem Weg von der Gnade zur Herrlichkeit noch einzuholen ist.169 In Christus ist das Heil zwar schon als Ganzes gegenwärtig, aber es ist noch nicht als Ganzes erfasst.170 Das bedeutet einerseits für den Menschen eine Aufforderung zur Annahme des Heilsgeschenkes,171 andererseits wird darin erkennbar, dass Christus die Zeit des Neuen Testamentes nicht nur als Ursprung durchwirkt, sondern auch als Ziel: In der Wiederkunft ist Christus auch der Kommende und die Zeit des Neuen Testamentes läuft darauf zu wie die Zeit des Alten Testamentes auf die Inkarnation. Christus ist der primus und der novissimus, das galt schon im Hinblick auf die Verbindung von Gott und Mensch in der Inkarnation, eine neue Perspektive gewinnt es durch den Blick auf das Ende der Zeit, wo

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est medicina, scilicet gratia Spritus sancti. – Dieses Wirken war vorbereitet im Alten Testament, das ebenfalls der Empfehlung der Gnade des Heiligen Geistes diente; vgl. Hex. III, 2 (14), 8 [V, 394; vgl. Ed. Delorme, 159]: … traditur Scriptura ad commendandam gratiam Spiritus sancti. Näheres dazu auf S. 375 mit Anm. 111. Vgl. ferner ZAHNER, Die Fülle des Heils, 152f. – Hier zeigt sich auch noch einmal ein Unterschied zwischen Bonaventura und Joachim: Während Joachim das zeitliche Nacheinander des Wirkens von zweiter und dritter göttlicher Peron herausstellte, betonte Bonaventura gerade das Miteinander und das Ineinander. Deutlich etwa in Hex. II, 1 (8), 13f. (zitiert Anm. 71, S. 365) oder in I Sent. 27, 2, 1, 2, ad 5 [I, 486], wo Sohn und Heiliger Geist als reducentes, die Schöpfung zu Gott zurückführende, angesehen werden. Gegründet ist diese Gemeinsamkeit insbesondere in der missio der beiden Personen (vgl. HELLMANN, Ordo, 38). Vgl. oben ab S. 365. Vgl. oben S. 381 mit Anm. 138. Bonaventura bewahrte sich hier durchaus einen realistischen, auch kritischen Blick auf die eigene Zeit: Er konnte sehen, dass der der Kirche verheißene Friede noch nicht da ist und dass es biblische Prophetie gibt, die noch ihrer Erfüllung harrt, vgl. dazu Hex. III, 3 (15), 24f. [V, 401f.; Ed. Delorme, 176f.] sowie oben Anm. 142, S. 382. Vgl. ZAHNER, Die Fülle des Heils, 174. – In der starken Rückbindung und Zentrierung auf Christus löst sich dabei auch das auf, was RATZINGER, Geschichtstheologie, 15 als das „geschichtstheologische Zentralproblem des Hexaëmeron“ bezeichnet hatte: „Hier wird eine neue innerweltliche, innergeschichtliche messianische Hoffnung erhoben, hier wird bestritten, daß mit Christus das Höchstmaß innergeschichtlicher Erfüllung schon gegeben sei und nur noch die eschatologische Hoffnung auf das bleibe, was nach aller Geschichte liegt. Bonaventura glaubt an ein neues Heil in der Geschichte, innerhalb der Grenzen dieser Weltzeit.“ Die reductio erweist sich dabei als etwas, das nicht am Menschen und seiner Freiheit vorbei geht, sie ist in dieser Hinsicht – wie oben schon betont – ein an den Menschen gerichtetes Angebot und ein Anruf Gottes (siehe S. 368, Anm. 84). Sehr lyrisch wurde dies im Sol. I, 38 [VIII, 41] ausgedrückt: Revertere ad me, quia ego sum creator tuus; revertere, quia ego sum redemptor tuus; revertere, quia ego sum consolator tuus; et si haec modica videntur, revertere ultimo, quia ego sum tam liberalis remunerator tuus. … revertere, tuum reditum praestolatur totius Trinitatis abyssus.

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

Gott sich – in Christus als Lebensspeise – dem Menschen ganz schenken wird.172 Und auch bei diesem Übergang ist noch einmal ein „Sprung“ zu erwarten: Das jetzt zeitlich und sakramental Besessene wird dann in die unmittelbare Anschauung und in einen ewigen Besitz übergehen. Es spricht für die Ehrfurcht Bonaventuras vor dem Geheimnis der Menschwerdung Gottes, wenn er sich bei all der Tiefe seiner Spekulation noch weit entfernt von einem tatsächlichen Verständnis der hier gegebenen Fülle und Vollendung sah.173 Was sich nicht oder nur schwer in Worte fassen lässt, kann manchmal durch Bilder besser ausgedrückt werden. Bei Bonaventura waren es die beiden Ursymbole von Kreis und Kreuz, die immer wieder auftauchten und mit denen er versuchte, die zentrale Stellung Christi zu verdeutlichen.174 Beide Symbole sind in ihrer Zeichenhaftigkeit durch die jeweilige Mitte bestimmt und dadurch geeignet, die verschiedenen Aspekte der Zentralität des verbum incarnatum auszudrücken. Während dabei der Kreis eher auf die Vollendung hinweist, steht im Kreuz klar die erlösende Funktion im Vordergrund. Die Bedeutung des Kreises beruhte für den Doctor seraphicus vor allem auf der Überzeugung, dass der Kreis die „vollkommenste Figur“ ist,175 eine Bewertung, die er immer wieder auch damit in Verbindung brachte, dass bei diesem Anfangs- und Endpunkt zusammenfallen.176 Es lag nahe, die Kreisfigur deshalb zunächst mit dem göttli172

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Nach aller Zeit, in der Vollendung der Zeit erweist sich Christus so als das finale praemium, vgl. Hex. II, 3 (10), 9 [V, 378; vgl. Ed. Delorme, 129]: Si autem consideratur ut consummans sive perficiens, sic tripliciter: ut vitale pabulum Ecclesiae militantis et triumphantis, ut ultor scelerum, ut finale praemium. Ferner Hex. II, 1 (8), 13 [V, 371; Ed. Delorme, 115], dazu auch Anm. 71, S. 365. Vgl. Serm. b. virg., De annuntiatione b. virginis Mariae, Sermo 3 [IX, 667a]: Et quantum distat caelum a terra, tantum distat nostra intelligentia a Christo, et sicut stultus reputaretur qui conaretur attingere caelum, sic etiam stultus esset qui per humanam loquelam et sapientiam vellet mysterium incarnationis Christi indagare. Für den Kreis wurde dies schon von RATZINGER, Geschichtstheologie, 145–147 sehr deutlich erkannt, zur Bedeutung des Kreuzes vgl. etwa LEINSLE, Res et signum, 205–209 sowie GERKEN, Theologie des Wortes, 213–215 und DETTLOFF, Christus tenens medium, 134–138. Vgl. I Sent. 37, 1, 3, 2, resp. [I, 648] (zitiert Anm. 57, S. 362), III Sent. 1, 2, 1, resp. [III, 20] (zitiert Anm. 34, S. 346 und S. 361) und Serm. temp., In nativitate domini, Sermo 2 [IX, 109f.] (zitiert Anm. 54, S. 361). IV Sent. 24, 1, 1, 1, resp. [IV, 609] beschrieb diese Vollkommenheit etwas näher: Figura enim orbicularis est simplicissima, capacissima et pulcherrima. – Als vollkommenste Figur war der Kreis für Bonaventura damit auch Ausdruck der (göttlichen) Ordnung, vgl. hierzu HELLMANN, Ordo, 33–35. Vgl. I Sent., prooem. [I, 2a] (sicut in circulo ultimum coniungitur principio) und erneut III Sent. 1, 2, 1, resp. [III, 20] und Serm. temp., In nativitate domini, Sermo 2 [IX, 109f.] wie in der vorigen Anmerkung. Bei der letzteren Stelle ist es gerade die Identität von Anfang und Ende, die den Kreis von der Linie unterscheidet. In vielen Beispielen hatte Bonaventura dabei wohl nicht so sehr den fertigen Kreis im Kopf, bei dem jeder Punkt zugleich Anfangs- und Endpunkt ist (vgl. II Sent. 1, 1, 1, 2, arg. 3 [II, 20a], zitiert Anm. 87, S. 288), sondern die Vorstellung vom Zeichnen eines Kreises (vgl. II Sent. 1, 1, 1, 2, ad 3 [II, 23], zitiert Anm. 89, S. 289), bei dem das Ende in den Anfang „zurückläuft“, vgl. Apol. III, 8 [VIII, 246b] (im Zusammenhang zitiert oben Anm. 89, S. 369): quasi circulum faciens reddit ad principium. – Auf dieser Vorstellung beruhen auch alle Stellen, die von

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chen Sein in Verbindung zu bringen.177 Gott ist das esse perfectissimum und diese absolute Vollkommenheit macht ihn zum circulus intelligibilis, „dessen Zentrum überall ist und dessen Peripherie nirgends“.178 Eine „zeitliche“ Konnotation bekommt diese Bestimmung, wenn Gott als circulus aeternitatis oder cyclus aeternus bezeichnet wurde. Einerseits wurde dadurch die ewigkeitliche Unbegrenztheit Gottes herausgestellt, andererseits verwendete es Bonaventura, um auf Gott als Ausgangs- und Zielpunkt der ganzen, insbesondere aber der geistbegabten Schöpfung hinzuweisen.179 Für Christus schließlich galt die Verbindung von Anfang und Ende, Erstem und Letztem in doppelter Weise (so Zeit und Ewigkeit zugleich umfangend): Als verbum increatum ist er Alpha und Omega, Ausgangspunkt und Ziel alles Geschaffenen,180 als verbum incarnatum verbindet er Erstes, Gott, und Letztes, Mensch, miteinander,181 wobei in diesen beiden Dimensionen bereits so etwas wie ein Kreuz sichtbar wird. Der Kreis als eine in sich selbst zurücklaufende Figur – kein anderes Bild konnte für Bonaventura das Schema von egressus und regressus so gut in seinen verschiedenen Aspekten verdeutlichen. Es gilt für die Gesamtstruktur der Zeit, die die Ewigkeit als

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der Verbindung von primum/principium und ultimum/finis sprechen, vgl. dazu Anm. 8, S. 351, Anm. 30, S. 355 und Anm. 54, S. 361. Vgl. Trin. 3, 1, resp. [V, 70] (zitiert Anm. 8, S. 351). Hier zeigte sich auch die Verbindung mit der besonderen Eigenschaft des Kreises: In der Einfachheit (simplicitas) Gottes fällt zusammen, was der menschliche Verstand nur als maxima distantia begreifen kann. – Zur Bestimmung Gottes als perfectissimum vgl. etwa Brev. I, 3 [V, 211b] (und die folgenden Kapitel) sowie Itin. V, 5–8 [V, 309f.]. Die in der letztgenannten Stelle dabei immer wieder betonte Verbindung von primum und ultimum erwies das göttliche Sein als einen in sich geschlossenen Kreis (vgl. HELLMANN, Ordo, 50–52, besonders 52). So Itin. V, 8 [V, 310]: Quia simplicissimum et maximum, ideo totum intra omnia et totum extra, ac per hoc «est sphaera intelligibilis, cuius centrum est ubique et circumferentia nusquam.» – Dieses ursprünglich in der hermetischen Literatur zu findende Theorem war dabei wohl von ALAIN VON LILLE, Regulae theologiae 7 [HBPhMA 20, 64] übernommen (vgl. RATZINGER, Geschichtstheologie, 145). In I Sent. 37, 1, 1, 1, ad 3 [I, 639] wurde derselbe Satz auf die Allgegenwart Gottes bezogen, Trin. 5, 1, ad 7.8 [V, 91] verband ihn mit einer als circularitas verstandenen interminabilitas. Auch in Serm. temp., Vigilia nativitatis domini, Sermo 4 [IX, 94a] wurde Gott als sphaera intelligibilis bezeichnet. So schon in I Sent. 45, 2, 1, resp. [I, 804f.], wo – PS.-DIONYSIUS AREOPAGITA, De divinis nominibus 4, 14 [PTS 33, 160, Z. 12f.; Dionysiaca 1, 223] zitierend – die göttliche Liebe als cyclus aeternus, ex optimo, per optimum et in optimum erschien: Sie kommt aus der sich verströmenden Güte (bonitas), die als ratio effectivi und ratio finis Anfang und Ende miteinander verbindet. In Brev. VI, 3 [V, 267a] (zitiert Anm. 24, S. 354) ist Gott der circulus aeternitatis, zu dem die Geschöpfe durch die Zeit hindurch zurückgeführt werden. Vgl. den Abschnitt oben ab S. 351. Vgl. oben ab S. 361, besonders treffend wurden beide Aspekte von Serm. b. virg., De annuntiatione b. virginis Mariae, Sermo 3 [IX, 671b] beschrieben, wo es von Christus hieß: Quia autem idem est fructus et radix, idem principium et finis, idem Alpha et Omega: ideo, sicut radix caret initio, sic et fructus carebit termino. Fruemur igitur hoc fructu in gloria sempiterna, ad quam nos perducat etc.

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

principium und finis hat182 und die nach dem Durchlaufen der sieben aetates wieder in den Ursprung einmündet.183 In dieser Bewegung zurück zum Ausgangspunkt stellt auch die reductio einen „intelligiblen Kreis“ dar, der zugleich daran erinnert, dass ihr Vorbild in den innertrinitarischen Hervorgängen selbst liegt.184 Der Kreis wird so zum Symbol für Vollendung185 und er wird zum Symbol für Christus, der als verbum increatum zugleich Anfang und Ziel des Prozesses der reductio ist186 und der als verbum incarnatum die beiden Extreme, Gott und Mensch, verbindet.187 Die Menschwerdung schloss dabei den Kreis, nicht nur indem sich das Göttliche zum Menschlichen herabneigte, sondern auch indem der Mensch erhoben wurde.188 Durch den Kreis ließen sich verschiedene Momente des Geheimnisses Christi verdeutlichen,189 seine Stellung als mittlere Person in der Trinität190 wie als metaphysisches und als geschichtliches Zentrum der Welt.191 Stellte man sich den Lauf der Welt als eine große Kreisbewegung vor, so konnte diese „Mitte“– je nachdem, was verdeutlicht werden sollte, das war gerade der Vorteil der Kreisfigur – ganz unterschiedlich lokalisiert werden: Da ist das tatsächliche Zentrum der Kreisbewegung, das in der Mitte ruhend 182 183

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Vgl. S. 353, insbesondere Anm. 16 mit dem Zitat aus Hex. III, 2 (14), 30 [V, 398]. Vgl. Hex. III, 3 (15), 18 [V, 400; vgl. Ed. Delorme, 174, nr. 17]: Ad has sequitur octava aetas, scilicet resurrectio, … Et est reditus ad primum, quia post septimam diem regressus fit ad primam. Vgl. erneut Brev. VI, 3 [V, 267a] (zitiert Anm. 24, S. 354). – Dasselbe galt auch in der Aufstiegsbewegung der sieben Visiones des Hexaëmeron, vgl. Hex., princ., 3 (3), 31 [Ed. Delorme, 47; vgl. V, 348]: Post hoc non est in computatione numeri vel ordinis visionum octonarius, sed fit reversio ad primum diem … Das Bild des Kreises beschreibt so den Weg der Menschheit insgesamt, aber auch den des Einzelnen, vgl. dazu HAYES, The Hidden Center, 180 sowie RATZINGER, Geschichtstheologie, 146. Vgl. oben S. 353, insbesondere Anm. 18 mit Zitation von I Sent. 31, 2, dub. 7 [I, 551f.]. – Selbstredend kann der Kreis der Schöpfung nur ein unvollkommenes Abbild des göttlichen Kreises sein (vgl. dazu HELLMANN, Ordo, 37f.) und doch kam Bonaventura immer wieder auf dieses Bild zurück. Vgl. dazu etwa Brev. V, 1 [V, 253a] (zitiert Anm. 6, S. 350) und Trin. 8, ad 7 [V, 115] (zitiert Anm. 8, S. 351). – Einen dritten intelligiblen Kreis findet man schließlich in der reductio der Schöpfung durch den Menschen, vgl. Brev. II, 4 [II, 221f.] (zitiert Anm. 10, S. 320). Vgl. HAYES, The Hidden Center, 172f. Vgl. den gesamten Abschnitt ab S. 351 und besonders Anm. 8. Vgl. erneut S. 361 mit Anm. 54. So etwa in III Sent. 19, 2, 2, ad 3 [III, 411]: Ad illud quod obiicitur, quod medium non iungit extrema nisi per convenientiam, quam habet cum eis; dicendum, quod iam patet responsio, quia convenientia secundum proprietatem est illa quae potest extrema conciliare, maxime quando extrema coniungi habent per illud medium … Per Christum enim homo reconciliatur Deo, ut sit beatus, et ita, ut fiat de mortali immortalis, de peccatore iustus, de misero beatus … Zu weiteren Aspekten der Erhebung der menschlichen Natur vgl. oben S. 364 mit Anm. 69. Vgl. auch HELLMANN, Ordo, 82. Vgl. oben S. 360 sowie HAYES, The Hidden Center, 180. Vgl. dazu auch HAYES, The Hidden Center, 180f. Die in der Menschwerdung aus Maria gegebene geschichtliche Zentralität beschrieb etwa Serm. temp., Vigilia nativitatis domini, Sermo 4 [IX, 94a]: Non igitur sine causa Deus, qui est sphaera intelligibilis, se centrificavit in medio eius [scil. Mariae].

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außerhalb der Bewegung steht und doch durch Radiusstrahlen mit der Kreislinie verbunden ist.192 Es verkörpert den metaphysischen Aspekt der Zentralität Christi in seiner Gottheit und den einen Teil des Verhältnisses der Ewigkeit zur Zeit, in dem vor allem die Verschiedenheit zum Ausdruck kommt.193 Zweitens ist da der Ausgangspunkt der Bewegung, der zugleich der Endpunkt ist. Dieser Punkt ist „Mitte“, weil er in der einen Kreisbewegung eine Zweiteilung erkennen lässt: die Bewegung des Ausgangs (egressus) und der Rückkehr (regressus) der Schöpfung zu Gott, einer Bewegung, der von Christus her der Abstieg (descensus) und der Aufstieg (ascensus) entspricht und in deren erstem Teil das Mitgehen in die größte Distanz der Gottferne und in deren zweitem Teil das Nach-Hause-Führen ausgedrückt wird.194 Steht der Abstieg ganz unter dem Ge192

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Der Aspekt des „Ruhens im Zentrum“ galt dabei auch für jeden, der sich mit der Mitte, Christus, verband, insbesondere aber für Maria, vgl. Serm. temp., Vigilia nativitatis domini, Sermo 4 [IX, 94a]: Notandum igitur, quod beatam Virginem appellavit terram, quae quidem est … firma stabilitione; non enim movetur a centro nec ad centrum nec contra centrum, cum sit centrum, immo, cum omnia moveantur, ipsa in aeternum stat. – Auch das Bild des Strahls, war ein sehr geläufiges Bild, vgl. etwa Hex. IV, 1 (20), 8 [V, 426; vgl. Ed. Delorme, 225f.]: Considera, quod in anima contemplative describitur universus orbis …; describitur etiam radius supersubstantialis, qui et universum orbem … continet. Hex., princ., 1 (1), 17 [V, 332; nicht in Reportatio A] verband den Gedanken der reductio durch die Kreisbewegung mit dem Gedanken der Erleuchtung: Hoc est medium metaphysicum reducens, et haec est tota nostra metaphysica: … illuminari per radios spirituales et reduci ad summum. STOEVESANDT, Die letzten Dinge, 376 sprach hier zu Recht von „Kreis-Metaphysik“. Vgl. Trin. 5, 1, sc. 8 & ad 7.8 [V, 89.91]: Hatte das Argument festgestellt, quod est circumferentia ad centrum, hoc est aeternitas ad tempus und so (mit gutem Grund) die alles umgreifende Unendlichkeit der Ewigkeit beschrieben, gegenüber der die Zeit zu einem Punkt, dem Zentrum, zusammenschmilzt, um dann – etwas sophistisch – zu schließen, dass das Zentrum der eigentliche Ursprung des Kreises ist und also die Zeit den Vorrang vor der Ewigkeit hätte, so antwortete Bonaventura darauf: [aeternitas] non tantum dicit interminabilitatem, sed etiam simultatem; et sicut per modum interminabilitatis dicit circumferentiam quandam intelligibilem, carentem principio et fine; sic per modum simultatis simplicitatem et indivisionem dicit ad modum centri; et haec duo circa divinum esse simul ponuntur, quia simul est simplex et infinitum, … Gottes Ewigkeit ist so nicht nur alles umfangende Kreislinie, sondern auch allem innewohnendes Zentrum, die Zeit dagegen teilt keine dieser Eigenschaften (quod nequaquam in mensura temporis potest reperiri). Zugleich scheint hier auf, dass auch das Bild des Kreises seine Grenzen hat, und die beiden in der Ewigkeit zusammenfallenden Eigenschaften von interminabilitas und simultas nur getrennt in Kreislinie und Zentrum darstellen kann (vgl. auch RATZINGER, Geschichtstheologie, 145f.). Hex. II, 1 (8), 15f. [V, 371; Ed. Delorme, 115f.] beschrieb den Weg Christi unter dem Bild der sechs Flügel des zweiten Seraphs in drei Stationen des descensus (Menschwerdung, Kreuzigung, und descensus ad inferos) und in drei Stationen des ascensus (Auferstehung, Himmelfahrt und Wiederkunft zum Gericht). I Sent., prooem. [I, 2] sprach ähnlich: propter circulationem dicitur fluvius Filii Dei incarnatio, quoniam, sicut in circulo ultimum coniungitur principio, sic in incarnatione supremum coniungitur imo, ut Deus limo, et primum postremo, ut Filius Dei aeternus homini condito die sexto. … Natura aquae haec est, quod tantum ascendit, quantum descendit. Talis fuit exitus incarnationis, secundum quod dicitur in Psalmo [18 (19), 7]: A summo coelo egressio eius, et occursus eius usque ad summum eius. – Zu der Zweiteilung der Bewegung vgl. etwa HELLMANN, Ordo, 82.

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

danken der Demut (humilitas), so zeigt sich im Aufstieg vor allem die Liebe (caritas) Gottes.195 Auch in diesem zweiten Bild mit seiner spezifischen Lokalisierung der Mitte wird etwas von dem Verhältnis der Ewigkeit zur Zeit deutlich. Im Gegensatz zur vorherigen Konstellation scheint dabei vor allem die enge Verbindung auf: Die Zeit grenzt an die Ewigkeit, weil sie aus ihr kommt und wieder zu ihr zurückläuft. Ein drittes Bild schließlich findet die Mitte in dem vom Ausgangs- und Endpunkt am weitesten entfernt liegenden, ihm gegenüberliegenden Punkt. Hier ist die zeitliche Mitte der Bewegung, identifizierbar mit der Inkarnation als dem Umkehr- und Wendepunkt, an dem die ausgehende Bewegung in eine rücklaufende übergeht. Christus steht hier ganz in der Zeit: Er ist das medium das den Anfang zum Ende zurückführt.196 Abbildung 2: Das crux intelligibilis von Brev., prol., § 6 summum

primum

ultimum

imum

Diese letzte Betrachtung schafft den unmittelbaren Übergang zur Symbolik des Kreuzes, denn dieser tiefste Punkt der absteigenden Linie, der entscheidende Wendepunkt ist am dichtesten und klarsten im Kreuz Christi zu erkennen.197 Dabei mag zunächst die Konvergenz der beiden Bilder überraschen, denn auch beim Kreuz ist es die Verbindung der Extreme, die einen wesentlichen Teil des Symbolgehaltes ausmacht:198 Als kosmisches Symbol verbindet es mit seinen beiden Balken primum und ultimum, summum und imum,199 ja, bezugnehmend auf Eph 3, 17–19 hat das Universum in Länge und 195

196 197 198 199

Vgl. Hex. IV, 4 (22), 33 [Ed. Delorme, 260; vgl. V, 442], wo die beiden Bewegungen mit der hierarchizatio der Seele in Bezug gesetzt wurden: Sic etiam patet ut, quomodo praecedens hierarchizatio secundum ascensum terminabat in caritatem, ita haec secundum descensum terminat in humilitatem. – Damit wird zugleich eine Verbindung zum Bild des Kreuzes hergestellt, dessen vertikaler Balken ebenfalls durch diese beiden Tugenden, humilitas und caritas, markiert war. Vgl. unten Anm. 201. Hier zeigt sich wieder die typische Eigenschaft der Kreisbewegung, vgl. auch HELLMANN, Ordo, 34. Vgl. bereits oben S. 385 und HAYES, The Hidden Center, 182. Vgl. bereits oben S. 360, besonders Anm. 48. Vgl. Brev., prol., § 6 [V, 208a]: Unde ipsa [scil. sacra Scriptura] agit de toto universo quantum ad summum et imum, primum et ultimum, et quantum ad decursum intermedium, sub forma cuiusdam crucis intelligibilis, in qua describi habet et quodam modo videri lumine mentis tota machina uni-

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Breite, Höhe und Tiefe (latitudo, longitudo, sublimitas, profundum) letztlich selbst Kreuzgestalt.200 Explizit und implizit tauchte diese bei Bonaventura an vielen Stellen auf.201 Bei aller Gemeinsamkeit sind freilich die Unterschiede zwischen Kreis- und Kreuzsymbolik nicht zu übersehen. Ist der Kreis als perfectissima figura in erster Linie das Symbol der Vollendung, so ist das Kreuz aus genuin christlicher Sicht das Symbol des Heils und der Erlösung – es ist damit sehr viel stärker als der Kreis auf die inkarnatorisch-soteriologische Perspektive ausgerichtet. Im Kreuz (aber auch im Kreis) kann man zwei Bewegungen dargestellt finden: eine vertikale, die die Beziehung zwischen Gott und Mensch beschreibt, und eine horizontale, die für die zeitlich-geschichtliche Entwicklung steht. Blickt man nun speziell auf die vertikale, durch descensus und as-

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versi; … – Vgl. LEINSLE, Res et signum, 207: „Das Kreuz bekommt aber noch eine tiefere, sagen wir kosmische Dimension. Es wird geradezu zur Weltgestalt und Weltmitte. Es ist der Kreuzungspunkt von Oben und Unten, des Höchsten mit dem Niedrigsten, …“ – Das intelligible Kreuz entspricht so dem oben vorgestellten intelligiblen Kreis. Vgl. Brev., prol., § 1 [V, 201b]: … secundum quod expedit ad salutem, partim per plana verba, partim per mystica describit [sacra Scriptura] totius universi continentiam quasi in quadam summa, in quo attenditur latitudo; describit decursum, in quo attenditur longitudo; describit excellentiam finaliter salvandorum, in quo attenditur sublimitas; describit miseriam damnandorum, in quo profunditas consistit non solum ipsius universi, verum etiam divini iudicii. – Die Kreuzgestalt erkennt man hier vor allem in Verbindung mit der in der vorausgehenden Anmerkung zitierten Stelle aus dem Prolog. Wie beim Kreis auch wurde durch die genannten vier Dimensionen zunächst das göttliche Sein beschrieben, vgl. z. B. Hex. IV, 4 (23), 6 [V, 446; vgl. Ed. Delorme, 266]: Quando enim anima elevatur … comprehendit secundum modum suum longam aeternitatem, latam caritatem, sublimem potentiam, profundam sapientiam principii … quomodo istud principium omnia originat per sublimem potentiam, omnia gubernat per profundam sapientiam, omnia reparat per latam caritatem sive benevolentiam, omnia remunerat per longam aeternitatem. Dass hier tatsächlich an ein Kreuz gedacht wurde, zeigt der Abschluss der Betrachtung in nr. 31 [Ed. Delorme, 273; weniger deutlich in V, 449] ausdrücklich: Qui habet has speculationes longitudinis, latitudinis, altitudinis … Disponuntur etiam hae considerationes per modum crucis sicut filii Israel in deserto circa tabernaculum disponebantur. Ein ganz ähnliches Kreuz findet man in Hex. III, 4 (16), 9 [V, 404; Ed. Delorme, 182] und in abgewandelter Form z. B. in Itin. IV, 8 [V, 308] oder I Sent. 37, 2, dub. 1, resp. [I, 664]. Im Blick auf Christus verbinden sich dabei des Öfteren Kreuz- und Kreissymbolik, z. B. Itin. VI, 7 [V, 312]: Si enim imago est similitudo expressiva, dum mens nostra contemplatur in Christo Filio Dei, qui est imago Dei invisibilis per naturam, humanitatem nostram tam mirabiliter exaltatam, tam ineffabiliter unitam, videndo simul in unum primum et ultimum, summum et imum, circumferentiam et centrum, alpha et omega … (Unterstreichungen von mir). Ebenso findet man dieses Kreuz in aszetischer Bedeutung, wo es die von Christus vorgelebten Grundwerte für den Weg zu Gott verkörpert (vgl. hierzu HAYES, The Hidden Center, 35–42, besonders 38f. sowie 133f., 171), z. B. In Luc. 23, 40 [VII, 576], wo das geistliche Kreuz von den Tugenden spes, amor, timor und dolor gebildet wird, und ebd., nr. 45 [VII, 578f.], wo eine Predigt Bernhards von Clairvaux zitiert wurde: Interim [Christus] patientiam magis exhibet, humilitatem commendat, obedientiam implet, perficit caritatem. His nempe virtutum gemmis quatuor cornua crucis adornantur: et est supereminentior caritas, a dextris obedientia, patientia a sinistris, radix virtutum humilitas in profundo.

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census beschriebene Bewegung, so stellt man fest: Beim Kreis liegen hier zwei gleichberechtigte Teile der einen Gesamtbewegung vor, das Kreuz hingegen betont vor allem den Abstieg, der sich in der Demut (humilitas) und der Erniedrigung Christi zeigt.202 Während der Kreis den Zusammenfall und die Identität der Extreme versinnbildet, erscheint im Kreuz deren Nebeneinander-Bestehen. Das Kreuz ist so das spannungsvollere und ambivalentere der beiden Symbole: Demut und Größe, Verachtung und Herrlichkeit, Schwäche wie Armut und Sieg, all das ist im Kreuz zu erkennen.203 Gemeinsam ist beiden Symbolen wieder, dass sie auf Christus als die Mitte hinweisen. Beim Kreuz betonte Bonaventura dabei vor allem den offenbarenden Charakter: Im Kreuz Christi ist in verdichteter Form alle Heilserkenntnis enthalten: Omnia in cruce manifestantur, stellte der Franziskaner bewundernd fest.204 Die eigentliche Offenbarung Christi als der Mitte und des Mittlers vollzieht sich in diesem.205 Und erneut erweist sich das Kreuz als der tiefste Punkt des Abstiegs Gottes, der nur aus dem jedes Verstehen übersteigenden excessus caritatis heraus möglich ist.206 Insofern kann das Kreuz auch nicht nur objektiv betrachtet werden, es verlangt nach einer Antwort des Menschen, die es verinnerlicht. Semper in cruce meditari – diese Maxime Bonaventuras stellte die Bedeutung des Kreuzes für das Leben des Christen ins hellste Licht.207 Das 202

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Von den vielen Stellen zur humilitas vgl. z. B. Hex., princ., 1 (1), 23 [V, 333; vgl. Ed. Delorme, 11]: In hoc medio operatus est salutem, scilicet in humilitate crucis. Die Reportatio A ist in nr. 24 [Ed. Delorme, 11] sogar noch deutlicher: Exemplum autem humilitatis perfectae Christus nobis ostendit pendens in cruce, ita quod per crucis mysterium in humilitate, quae custos est virtutum, in omni virtute medium invenitur. Vgl. auch GERKEN, Theologie des Wortes, 233 & 319f. Die Predigt Serm. temp., Epiphania, Sermo 1 [IX, 148f.] betonte sehr stark die Verbindung von Erniedrigung und Erhöhung, in der Ersteren sah sie den Grund für Letztere [IX, 148a]: Hoc ipso, quod despectus fuit, hoc ipso fuit gloriosus … Quia testis fidelis, quia pro veritate passus, conculcatus et despectus, ideo primogenitus mortuorum et princeps regum terrae, ferner [IX, 148b]: causa principatus Christi fuit despectus Christi in cruce …, und schließlich [IX, 149a]: Oportet Christum videre primo in humilitate, qui ipsum vult videre in sua sublimitate; primo in terra, postea in caelo. Serm. temp., Epiphania, Sermo 1 [IX 148f.] (zitiert in der vorausgehenden Anmerkung) beschrieb die ganze Bandbreite der Spannung. Hex. III, 4 (16), 25 [V, 407; Ed. Delorme, 189] verwies auf die Erscheinung des Kreuzes als Siegeszeichen bei Konstantin dem Großen; vgl. LEINSLE, Res et signum, 206f. Tripl. III, 5 [VIII, 14] bemerkte nach der Zusammenstellung all dessen, was im Kreuz offenbart wird: Ecce igitur, quomodo omnia in cruce manifestantur. … Unde ipsa crux est clavis, porta, via et splendor veritatis. Vgl. LEINSLE, Res et signum, 205: „Hier vollzieht sich die eigentliche Offenbarung des Mittlers Christi“. Vgl. dazu Hex., princ., 1 (1), 14 (zitiert unten in Anm. 212). Vgl. HAYES, The Hidden Center, 200, ähnlich GERKEN, Theologie des Wortes, 215. Serm. temp., Feria sexta in Parasceve, Sermo 2 [IX, 265b]: Sola crux potest te liberare. Vgl. Lign., prol., 1 [VIII, 68]: Verus Dei cultor Christique discipulus, qui Salvatori omnium pro se crucifixo perfecte configurari desiderat, ad hoc potissimum attento mentis conatu debet intendere, ut Christi Iesu crucem circumferat iugiter tam mente quam carne, … Zu nichts anderem wollten dann die folgenden, in 12 „Früchte“ gegliederten Betrachtungen beitragen.

Die Mitte der Zeit: Christologische Aspekte

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Hexaëmeron fasste die verschiedenen Aspekte der Kreuzessymbolik eindrücklich zusammen:208 Von den sieben Betrachtungen Christi als der Mitte widmete es die dritte dem medium distantiae. Es ging um das Zentrum als den „tiefsten“, den innersten Punkt eines Kreises oder einer Kugel, der von allen Punkten im Inneren den größten Abstand von der Kreislinie (bzw. Kugeloberfläche) besitzt.209 In einer geozentrischen Sicht weist diese Überlegung zunächst auf die Erde als Mitte des Universums. Sie ist der Ort, wo das Heil gewirkt wurde.210 Doch schwingt hier bereits mit, dass es nicht nur um ein rein lokales Verständnis, sondern um die Bedeutung geht. Ganz eindeutig wurde dies in der Feststellung: Hoc medium fuit Christus in crucifixione. Das Kreuz markiert das Zentrum der Welt. Kreuz- und Kreissymbolik gehen hier ineinander, genauso wie Inkarnations- und Kreuzestheologie.211 Das Kreuz ist zugleich die äußerste Entäußerung Gottes und das innerste Zentrum der Welt. Oder, seine offenbarende und zugleich schöpferische Kraft betonend: Das Kreuz ist jenes Zeichen, in dem die verlorengegangene Mitte des Universums wiedergefunden wird.212 Mit diesen wenigen Worten brachte es Bonaventura auf den Punkt: Im Verlust der Mitte ist das ganze Drama der menschlichen Geschichte zusammengefasst – die Verlorenheit des Menschen und die Unlesbarkeit des liber creaturae –, das Kreuz aber schafft Erlösung, indem es das verborgene Zentrum aller Wirklichkeit neu manifestiert.213 Christus tenens medium in omnibus – es sollte deutlich geworden sein, dass dieser Grundsatz Bonaventuras auch für die Zeit gilt. Als verborgenes und doch offenbares Zentrum erfüllt Christus die Zeit, in ihrem Anfang, in ihrer Mitte und in ihrem Ende. 208 209

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Hex., princ., 1 (1), 21–24 [V, 333; Ed. Delorme, 10f.]; vgl. oben Tabelle 1, S. 31. Hex., princ., 1 (1), 21 [V, 333; vgl. Ed. Delorme, 10]: Tertium medium est distantiae centrali positione profundum. Zur Erklärung vgl. auch Serm. temp., Vigilia nativitatis domini, Sermo 4 [IX, 94a]: Infima locatione; in omni enim sphaerico, quod est centro propinquius est infimius, et quod a centro remotius est altius. So deutete Bonaventura in Hex., princ., 1 (1), 22 [V, 333; vgl. Ed. Delorme, 10] den Ps. 73 (74), 12: Rex noster ante saecula operatus est salutem in medio terrae. – Ganz ähnliche Gedanken, aber auf die Menschwerdung aus Maria bezogen findet man in Serm. temp., Vigilia nativitatis domini, Sermo 4 [IX, 94a]. – Hier im Hexaëmeron ging Bonaventura noch einmal eine etwas andere Richtung: Über das Kreuz hinaus geht der Abstieg weiter ad inferos: … non solum venit ad superficiem terrae, verum etiam in profundum centri, … quia post crucifixionem anima sua ad infernum descendit. Dies entsprach auch der descensus-Bewegung von Hex. II, 1 (8), 15f. [V, 371; Ed. Delorme, 115f.] (dazu oben S. 391, Anm. 194). Vgl. HAYES, The Hidden Center, 182. Auch GERKEN, Theologie des Wortes betonte öfters (z. B. 198f. & 213f.) die innere Zusammengehörigkeit von Inkarnation und Passion bei Bonaventura, daraus folgte für ihn auch, dass eine „Unterscheidung der Inkarnation an sich und der Inkarnation in der faktischen Weise ihres Vollzugs“ (198) für Bonaventura abzulehnen ist. Hex., princ., 1 (1), 24 [V, 333b]: Medium enim, cum amissum est in circulo, inveniri non potest nisi per duas lineas se orthogonaliter intersecantes. Die Reportatio A [Ed. Delorme, 11] ergänzte an dieser Stelle die klassische, aus Euklids Elementen stammende geometrische Konstruktion, wie man zu einem gegebenen Kreis(bogen) das Zentrum ermittelt. Vgl. HAYES, The Hidden Center, 214: “Thus, it is the cross of Christ that opens to us most clearly the hidden center of reality …”

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

Nur in der Fülle der Perspektiven und Symbole lässt sich die Bedeutung Christi angemessen erfassen, denn er ist derjenige, der der Zeit ihren Sinn zurückgibt und sie zu ihrer Erfüllung bringt. Dabei war es das Bedenken des Erlösungsgeschehens unter seinem heilenden Aspekt, das Bonaventura den neuen Gedanken fassen ließ, dass das Christusereignis nicht (nur) das Ende und Ziel der Zeit, sondern ihre wahre Mitte ist. Schien es am Anfang dieses Kapitels so,214 als ob das Nachdenken über die Zeit weit weg von jedem christologischen Bezug wäre, so zeigt sich am Ende ein anderes Bild: Für jeden, der es sehen will, gibt es eine bemerkenswerte Übereinstimmung – Bonaventura nannte es habitus proportionis – zwischen Naturphilosophie und Christologie,215 wie in den anderen Bereichen des menschlichen Wissens ist Christus auch hier die verborgen tragende Wirklichkeit.216

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Siehe oben S. 349. Vgl. Red. 20 [V, 324]: Praedicat igitur tota naturalis philosophia per habitudinem proportionis Dei Verbum natum et incarnatum, ut idem sit alpha et omega, natum scilicet in principio et ante tempora, incarnatum vero in fine saeculorum. GERKEN, Theologie des Wortes, 281 sprach hier von einer „Zusammenfassung dieses Zeugnisses der Kreatur für den Inkarnierten – stets im Sinne einer Konvenienz …“ und nannte sie „eine die Schöpfung zuinnerst und von Anfang an bestimmende Wirklichkeit.“ Vgl. HAYES, The Hidden Center insgesamt und GERKEN, Theologie des Wortes, 133.

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Die Vollendung der Zeit: Eschatologische Aspekte

Der Anfang der Zeit und seine Bedeutung wurden in der vorliegenden Untersuchung an etlichen Stellen betrachtet, der letzte Blick soll nun bewusst auf das „Ende“ der Zeit gerichtet sein. Das eschatologische Thema eröffnet noch einmal eine ganz eigene Perspektive auf Bonaventuras Vorstellung von der Zeit und ist so durchaus in der Lage, das bisher entstandene Bild teils zusammenfassend, teils ergänzend abzurunden. Die Eschatologie als Ganzes ist ein sehr weites Feld, ihre inhaltliche Bestimmung als „Theologie der Letzten Dinge“ führt zu Überschneidungen mit etlichen anderen dogmatischen Traktaten. Negativ könnte man von einem „Sammelbecken sehr verschiedener, ja heterogener Themen“1 sprechen, positiver könnte man sagen, dass es gar nicht um eine sachliche Abgrenzung geht, sondern um die Art und Weise des Zugangs zur Theologie insgesamt (wie es sich auch im Titel so mancher moderner Publikation ausspricht): Eschatologie ist Theologie im Modus der Hoffnung oder der Erwartung. Doch wie auch immer man herangehen mag, ähnlich wie die Protologie trägt die Eschatologie die Verbindung zur Frage nach der Zeit gewissermaßen schon in ihrem Titel, sie konkretisiert sich dann in Themen wie der Zeit-Ewigkeits-Problematik oder der Eschatologie der Geschichte. Das gezeichnete Bild der Eschatologie als eines weiten, wenig geschlossenen Komplexes lässt sich so auch bei Bonaventura wiederfinden. Bereits im materialen Befund wird es erkennbar: Nachdem die von Palémon Glorieux edierten Quaestiones disputatae de novissimis als unecht auszuscheiden sind,2 gibt es keine Schrift, die sich ausschließlich mit der Eschatologie befassen würde. Wertvolle Quellen sind der konzise Überblick, den man im siebten Teil des Breviloquium3 findet, und die scholastisch ausgedehnte Abhandlung in den Distinktionen 43–50 des vierten Buches des Sentenzenkommentars.4 Weitere Einzelbemerkungen und -aspekte sind schließlich über beinahe

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STOEVESANDT, Die letzten Dinge, 11. Vgl. oben S. 25 mit Anm. 15 zu DISTELBRINK, Bonaventurae scripta, 174 (nr. 188). Brev. VII, 1–7 [V, 281–291]. IV Sent. 43–50 [IV, 882–1054].

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

das gesamte Werk des Franziskaners verstreut,5 wobei eine gewisse Verdichtung im Hexaëmeron festzustellen ist. Die weite Streuung des Materials erschwert es, einen einheitlichen Zugang oder systematischen Schlüssel zur Eschatologie des Doctor seraphicus zu finden.6 Und doch ist es nicht einfach eine ungeordnete Menge an Material, die einem hier entgegentritt. Blickt man auf das Breviloquium, wo Bonaventura – anders als im Sentenzenkommentar – selbst die Gliederung bestimmen konnte, so findet man über dem eschatologischen Teil die Überschrift De statu finalis iudicii. Die Durchführung bietet dann in drei Abteilungen eine Darstellung dessen, was dem Gericht vorausgeht, was es begleitet und was ihm folgt. Das Gliederungsprinzip ist so auf den ersten Blick ein chronologisches. Allerdings scheint mir dies mehr ein äußerer Rahmen zu sein, der es ihm einigermaßen erlaubte, die Fülle des Stoffes zu beherrschen.7 Für mich ist es das eine Wort status, das den eigentlichen Schwerpunkt markiert, in dem sich die unterschiedlichen Darstellungslinien der Eschatologie bei Bonaventura (auch über das Breviloquium hinaus) in etwa kreuzen. Status meint jenen Zustand, in dem etwas zum Stehen, zum Abschluss, zum Ziel kommt,8 von ihm her erweist sich die Eschatologie Bonaventuras als Beschreibung der zu erreichenden endgültigen Vollendung. Im Grunde ist seine Lehre von den Letzten Dingen so der abschließende Teil des in den vorigen beiden Kapiteln beschriebenen exitus-reditus-Schemas beziehungsweise des Kreises der reductio. Eine weitere inhaltliche Füllung bekommt der angezielte Vollendungszustand durch den Begriff der beatitudo, der so etwas wie das sachliche Zentrum der Ausführungen des Doctor seraphicus dar-

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Es veranlasste STOEVESANDT, Die letzten Dinge, 18 zu der Feststellung: „In dem übrigen ausgebreiteten Schrifttum Bonaventuras gibt es kaum ein Werk, das nicht zu dem einen oder anderen Aspekt des eschatologischen Fragenkreises … einen Beitrag zu leisten hätte“. Hier mag hinzukommen, dass die den Großteil des Materials bildende Darstellung des Sentenzenkommentars in ihrem Gang selbstverständlich vom Lombarden vorgegeben ist und dessen Behandlung des Stoffes in systematischer Hinsicht als eine der schwächsten des ganzen Sentenzenwerkes charakterisiert worden ist (nicht zuletzt, weil der Lombarde sich dazu auf keine Vorarbeiten stützen konnte), vgl. hierzu Nikolaus WICKI, Die Lehre von der himmlischen Seligkeit in der mittelalterlichen Scholastik von Petrus Lombardus bis Thomas von Aquin (= Studia Friburgensia N. S. 9), Freiburg/Schweiz 1954, 11. Dies gilt auch für das Thema „Jüngstes Gericht“. STOEVESANDT, Die letzten Dinge, 74, Anm. 5 beobachtete meines Erachtens richtig, dass dieses zwar „der Punkt“ ist „von dem aus die verschiedenen Elemente am ehesten zusammengehalten werden, nicht aber dasjenige Element, auf dem faktisch das weitaus größte Gewicht und das überwiegende Interesse ruht“. Vgl. BOUGEROL, Lexique Saint Bonaventure, 122, in diesem Sinn auch BONAVENTURA, Breviloquium, übertr., eingel. u. mit einem Glossar versehen von Marianne Schlosser (= Christliche Meister 52), Freiburg 2002, 21, Anm. 6, und 325. Vgl. auch ebd., 285 die Übersetzung von status finalis iudicii als „das Letzte Gericht, worin alles seinen Endzustand (status) erreicht.“ Das Jüngste Gericht erscheint hier als das Mittel, wodurch das Ziel des status erreicht wird.

Die Vollendung der Zeit: Eschatologische Aspekte

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stellt.9 Mit der objektiven Seite der beatitudo increata, die Gott selbst als den Ursprung, die Verkörperung und den Garanten der Seligkeit versteht, und mit der subjektiven Seite der beatitudo creata als der Befindlichkeit der Seele im Zustand der Herrlichkeit10 stellte dieser das eigentliche Ziel aller Theologie vor Augen.11 Wie ordnet sich nun die Zeit in ihren verschiedenen Aspekten und Bedeutungen in diesen Komplex ein? Nach dem eben Gesagten kann man es als die Frage verstehen, wie der status, das heißt in diesem Fall, wie Bonaventuras Bild einer vollendeten Zeitlichkeit aussieht. Cum autem venerit quod perfectum est evacuabitur quod ex parte est (1 Cor. 13, 10), dieser Satz beschreibt in etwa das Grundmodell, wie sich Bonaventura den Übergang vom jetzigen Zustand ins eschatologische Dann vorstellte:12 Alles, was der Vervollkommnung fähig ist, wird vervollkommnet, was dagegen in sich unvollkommen ist, wird beseitigt. Was das für die Zeit bedeutet, war bereits Gegenstand der Überlegungen zum Empyreum und zum aevum,13 diese Ergebnisse gilt es hier, noch einmal bewusst zusammenzustellen. Im Blick auf den Kosmos waren verschiedene Bereiche zu unterscheiden: das Empyreum, die übrigen Himmelssphären und der sublunare (wenn man so will „irdische“) Bereich. Der umgreifende Raum des Empyreum ist bereits vollkommen und wird daher keinerlei Veränderung erfahren. Die wichtigste Veränderung in den übrigen Himmelssphären wird darin bestehen, dass ihre Bewegung zum Stillstand kommt. Die tiefgreifendste Wandlung wird der sublunare Bereich erfahren: Der hier wirkende, das Jüngste Gericht begleitende Feuerbrand (conflagratio ignium) hat als eschatologisches Pendant zur Sintflut eine vierfache Aufgabe: die bisherige Ordnung aufzubrechen (perturbare), eine physische und moralische Reinigung zu erreichen (purgare), eine Erneuerung der Elemente zu bewirken (innovatio) und so diesen Bereich des Universums in seinen endgültigen Zustand zu überführen (consummatio).14 9

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Vgl. etwa STOEVESANDT, Die letzten Dinge, 167 („sachliche Mitte der ganzen Eschatologie“, „Herzstück“, „sehen wir alle Linien auf diesen einen Punkt hin konvergieren“) und 304 („Kernstück“). Vgl. dazu auch BOUGEROL, Lexique Saint Bonaventure, 25–28. Ex negativo ließe sich hier auch von der Verdammnis her einiges zeigen, wenn dies im Folgenden eine geringe Rolle spielt, dann aus dem Bewusstsein heraus, dass das Urteil von STOEVESANDT, Die letzten Dinge, 130 zutreffend ist, „daß Bonaventuras theologisches Interesse nun doch nicht eigentlich an diesem düsteren Kapitel haftet, sondern daß er es mehr um der unerläßlichen Vollständigkeit willen absolviert“. Diesbezügliche Hinweise findet man an so exponierten Stellen wie dem Prolog des Breviloquium (Brev., prol. [V, 202a]: Status vero sive fructus sacrae Scripturae non est quicumque, sed plenitudo aeternae felicitatis) oder dem Prolog des Sentenzenkommentars (I Sent., prooem., 3, fund. 3 [I, 12]: finis totalis Scripturae sacrae non est tantum, ut fiamus boni, sed etiam ut fiamus beati; et beatitudo est optimum). Vgl. dazu STOEVESANDT, Die letzten Dinge, 283–291, besonders 288; er konzentrierte sich dabei auf die drei theologischen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe, an denen dieses Modell besonders deutlich wird. Das sind die Abschnitte ab S. 52 und ab S. 319. Vgl. Brev. VII, 4 [V, 284–286] und oben S. 61.

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„Es wird keine Zeit mehr sein“ (vgl. Offb 10, 6). Bonaventura gab dieser auf den Endzustand gedeuteten Ankündigung der Offenbarung des Johhannes eine sehr spezielle Wendung, denn aufhören wird nicht die Zeit schlechthin, sondern die aristotelische Zeit, das tempus magis proprie.15 Im himmlischen Bereich wird dies angezeigt durch den dann eintretenden Stillstand des primum mobile und aller anderen Sphären (also insbesondere derer von Sonne und Mond).16 Der Gedanke des status bekommt hier einen ganz sinnenfälligen Ausdruck. Mit der Bewegung endet auch der entsprechende Einfluss der Sphären. Zum Ende der Zeit gehört weiter, dass das vom Einfluss der Sphären zwar nicht kausal verursachte, aber doch unterstützte Werden und Vergehen im irdischen Bereich aufhört.17 Als materiale Grundlage für diesen Prozess wurde die fortwährende Umwandlung der vier Grundelemente ineinander angesehen. Die oben angesprochene Erneuerung der Elemente aber stoppt genau diese Dynamik der transmutationes elementares, in der die Vergänglichkeit alles Irdischen gründet.18 In weiterer Konsequenz bedeutet dies auch das Ende der Pflanzen und Tiere, die nicht zu einem individuellen dauernden Sein geschaffen sind, sondern sich durch Fortpflanzung erhalten.19 Man erkennt hier, wie die Zeitlichkeit des Eschaton strukturiert ist. Es soll ein finaler Zustand sein, darum findet sich – nach dem Vorbild der aeternitas Gottes – dort nichts, was nicht von Dauer ist, und darum müssen Werden und Vergehen enden. Die aristotelische Zeit hört auf als Maß der Bewegung des primum mobile und insofern sie „Urheberin“ von Verfall ist.20 Ebenso gilt, dass mit dem Erreichen des Endzustandes auch nichts mehr substantiell Neues entsteht. Beides ist begründet in der Vorstellung von jenem status als Vollendung und als höchstmöglicher Vollkommenheit, mit der sowohl ein weiteres Wachstum als auch eine Abnahme unvereinbar sind. Weiter schwingt darin mit, dass der letzte Zustand – eben als letzter – ein Ruhe- oder Gleichgewichtszustand ist. Auch die schon öfter dargestellte Kreisgestalt der Zeit wird hierin deutlich.21 Sie ist letztlich getragen von dem exitus-reditus-Schema des Ausgehens von Gott und des Heimkehrens 15

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Vgl. IV Sent. 49, 2, 2, 4, 1, ad 1 [IV, 1031]: Ad illud ergo quod obicitur, quod non erit tempus; dicendum quod verum est, prout est mensura motus primi mobilis. Vgl. auch II Sent. 2, 1, 2, 2, resp. [II, 66]: Aliter vero accipitur tempus prout est mensura variationis, in qua est successio habens continuationem et regulationem a motu orbis primi; et haec mensura habet finem et desinet esse. Vgl. oben S. 62, Anm. 200. Vgl. oben ab S. 41 und S. 37 mit Anm. 85. Anders gesagt: Mit der Umgestaltung der Elemente inhäriert ihnen nicht mehr die ratio corruptionis, vgl. oben S. 62, Anm. 197. So Brev. VII, 4 [V, 285b]: necesse est etiam per consequens, terminari generationem, quae est in animalibus et in plantis. … Vegetabilia vero et sensibilia [dicuntur interire], quia non habent potestatem ad vitam perpetuam et durationem sempiternam, … Vgl. oben S. 98 mit Anm. 24 und besonders S. 107 mit Anm. 84. Vgl. z. B. Hex., princ., 3 (3), 31 [V, 348; ähnlich Ed. Delorme, 47]: Septimus dies est absolutio a corpore … Et post sequitur octava dies, qui non est alius a praecedentibus, sed est reiteratio primae diei, quando anima resumet corpus suum. Oder Hex. III, 3 (15), 18 [V, 400; vgl. Ed. Delorme, 174 unter nr. 17]: Ad has [septem aetates] sequitur octava aetas, scilicet resurrectio, … Et est reditus ad primum, quia post septimam diem regressus fit ad primam.

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zu ihm. Die Ruhe des Endes entspricht dabei der Ruhe des Anfangs,22 jedoch ohne dass der reditus eine einfache Rückkehr in den status quo ante bedeuten würde. Trotz des Entsprechungsmomentes bleiben Anfang und Ende qualitativ verschieden: Der Mensch – um dessentwillen nach Bonaventura der ganze Weltprozess ist – ist im Durchlaufen des Kreises zu einer neuen Höhe aufgestiegen, oder besser, erhoben worden.23 Überhaupt wird deutlich, wie sehr Bonaventuras Vorstellung von der Vollendung der Welt ganz auf den Menschen ausgerichtet ist.24 Die immer wieder festgestellte Parallele von Makro- und Mikrokosmos ist mehr als eine Entsprechung, sie ist – wenn man so will – eine „Schicksalsgemeinschaft“, in der der Mensch das Vorbild ist und der Kosmos dasjenige, worin sich der Zustand des Menschen spiegelt.25 Im Endzustand lässt sich dies daran erkennen, dass dessen Dauerhaftigkeit und Ruhe in jeder Hinsicht auf die Seligkeit des Menschen in der währenden Schau Gottes abgestimmt ist.26 Zu dieser qualitativen Überlegung kommt ein quantitatives Element hinzu: Die Vollendung wurde als Vollwerden der Zahl der Erwählten verstanden.27 Die Zeit des Universums läuft so im Grunde darauf hin, dass jene nur Gott bekannte Zahl erreicht wird, und ist sie erreicht, werden alle auf generatio angelegten Naturprozesse überflüssig.28 In gewisser Weise besteht darin das Geheimnis und der Sinn der aristotelischen Zeit. Sie erweist sich hierin als eine zielgerichtete, endliche und ganz auf den Menschen hingeordnete Größe. Als ein erhellender Vergleichstext bietet sich Thomas von Aquin, Summa contra gentiles IV, 97 über den Zustand der Welt nach dem Gericht an. Der Blick darauf zeigt, 22

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Vgl. noch einmal (siehe bereits Anm. 194, S. 61) Brev. VII, 4 [V, 285a]: homine bene instituto, debuit mundus iste in bono et quieto statu institui; homine labente, debuit etiam mundus iste deteriorari; homine perturbato, debuit perturbari; homine expurgato, debuit expurgari; homine innovato, debuit innovari; et homine consummato, debuit quietari (Unterstreichungen von mir). Vgl. IV Sent. 48, dub. 4 [IV, 996f.], wo von der finalen Wiederherstellung oder Vermehrung des ursprünglichen Lichtes von Sonne und Mond (dazu oben S. 62, Anm. 199) die Rede war und davon, ob dies dem Axiom Erit, sicut fuit in prima conditione widerspricht. Die Antwort in Kurzform: omnia debent meliorari, homine meliorato; et homo erit melior in caelo post resurrectionem, quam erat in paradiso ante peccatum. – RATZINGER, Geschichtstheologie, 147 gebrauchte deshalb – das Hexaëmeron Bonaventuras deutend – für die Weltzeit das Bild der Spirale. Vgl. STOEVESANDT, Die letzten Dinge, 158: „… ist es mit ihrer eschatologischen Erneuerung im vollen Maße auf den Menschen abgesehen.“ Vgl. Brev. VII, 4, wie oben in Anm. 22, in Anm. 194, S. 61 und in Anm. 12, S. 321 zitiert. Die Dauerhaftigkeit war ja eines der wesentlichen Elemente der beatitudo. Vgl. dazu vor allem das Zitat aus Serm. temp., Dominica II. post Pentecosten, Sermo 1 [IX, 359a] auf S. 323 oben (mit Anm. 20) und was dort dazu ausgeführt wurde. Vgl. Brev. VII, 4 [V, 285b]: quoniam mundus iste debet consummari, homine consummato; et tunc est homo consummatus, quando in gloria completus erit numerus electorum, ad quem quidem statum omnia tendunt sicut ad finem ultimum et completum: necesse est, facta completione illius numeri, terminari et quietari motus naturae caelestis … Vgl. Brev. VII, 4 [V, 285b] im Blick auf die Bewegung der Himmelskörper, die Umwandlungsdynamik der irdischen Elemente und die Fortpflanzung der Lebewesen: Cum enim omnia ista ordinentur ad formam nobilissimam, quae quidem est anima rationalis; posito statu in animabus, necesse est, statum et complementum poni in ceteris praecedentibus.

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dass trotz der Unterschiede im Zeitkonzept im Ganzen in vielen Details doch Übereinstimmung herrschte. Insbesondere wurde auch hier das Ende der Zeit – die Thomas ja stark mit der aristotelischen identifizierte – mit dem Ende der Himmelsbewegung, dem Ende von Werden und Vergehen sowie dem Ruf des Engels von Offb 10, 6 verbunden.29 Die besondere, typisch thomasische Zielrichtung zeigte sich, wenn auf diese Feststellung der Aufweis folgte, dass ein solches Aufhören der Himmelsbewegung tatsächlich (denk)möglich ist. Man bemerkt, wie die Argumente aus der Debatte um die Ewigkeit der Welt – die ja eine Auseinandersetzung um die Frage des Beginns der Welt war – hier mit vertauschtem Vorzeichen wiederkehren: Dort argumentierte Thomas, dass der Anfang der Welt (vor endlicher Zeit) nicht rational zu beweisen sei, um nicht die Glaubenswahrheit einer Schöpfung vor endlicher Zeit auf eine Vernunftwahrheit zu reduzieren.30 Hier legte er umgekehrt dar, dass die Vernunft auch nicht zu dem Schluss zwingt, dass die Welt immer fortdauern wird. Die aristotelische Argumentation über die Ewigkeit von Welt und Zeit wird hier in ihre Schranken verwiesen. Zieht man noch weitere Stellen hinzu, so findet man zu beiden Aussagen auch das jeweilige Komplement: Der Glaube, dass die Welt vor endlicher Zeit ins Dasein getreten ist, darf der Vernunft auch nicht widersprechen,31 so wie umgekehrt die Vernunft nicht das Ende der Welt sicher behaupten oder gar vorausberechnen kann.32 Für Thomas steht beides, Anfang und Ende

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Summa contra gentiles IV, 97, nr. 2 [Ed. Leonina XV, 298]: Generatio autem et corruptio in inferioribus corporibus ex motu caeli causatur. Ad hoc igitur quod in inferioribus cesset generatio et corruptio, oportet etiam quod motus caeli cesset. Et propter hoc dicitur Apoc. X, 6 quod tempus amplius non erit. – Der gemeinsame Hintergrund bei Thomas und Bonaventura ist die auch bei Thomas gegebene Anthropozentrik, wie sie sich in nr. 3 [Ed. Leonina XV, 298] aussprach: Omnia autem generabilia et corruptibilia, quae causantur per motum caeli, ad hominem ordinantur quodammodo sicut in finem, … Motus igitur caeli praecipue est propter generationem hominum. – Zum Kapitel 97 der Summa contra gentiles vgl. auch den Artikel von Rudi TE VELDE, Christian Eschatology and the End of Time according to Thomas Aquinas (Summa contra Gentiles IV, c. 97), in: Jan A. Aertsen / Martin Pickavé (Hrsg.), Ende und Vollendung. Eschatologische Perspektiven im Mittelalter (= Miscellanea Mediaevalia 29), Berlin u. a. 2002, 595–604. Vgl. z. B. II Sent. 1, 1, 5, resp. [Ed. cit. II, 33]: … non credo, quod a nobis possit sumi ratio demonstrativa ad hoc. Ähnlich S. th. I, 46, 2, resp. [Ed. Leonina IV, 481]: Respondeo dicendum quod mundum non semper fuisse, sola fide tenetur, et demonstrative probari non potest, … Etwa II Sent. 1, 1, 5, resp. [Ed. cit. II, 33]: Dico ergo, quod ad neutram partem quaestionis sunt demonstrationes, sed probabiles vel sophisticae rationes ad utrumque. Oder: S. th. I, 46, 1, resp. [Ed. Leonina IV, 479]: Respondeo dicendum nihil praeter Deum ab aeterno fuisse. Et hoc quidem ponere non est impossibile. … Non est igitur necessarium mundum semper esse. Unde nec demonstrative probari potest. So IV Sent. 43, 1, 3, 2, resp. [Ed. Vivès XI, 283a]: Ex motu autem caeli non potest cognosci finis ejus; quia cum sit circularis, ex hoc ipso habet quod secundum naturam suam possit in perpetuum durare. Unde naturali ratione tempus quod erit usque ad resurrectionem, numerari non potest. – Die nach Apg 1, 7 auch im Glauben gegebene Unvorhersagbarkeit eines Zeitpunktes für das Ende steht hier im Hintergrund.

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der Welt, im Willen Gottes, der als solcher nicht unter, sondern über dem Urteil der Vernunft steht. Das ist die gemeinsame Linie seiner verschiedenen Argumentationen.33 Bei dem Aquinaten fällt deutlich das Bemühen auf, Offenbarungswissen und Vernunftwissen sorgfältig gegeneinander abzugrenzen. Mit Rudi te Velde sprechend ging es dabei um mehr als um die Frage, woher diese oder jene Information kommt, denn durch die Zugehörigkeit zur Offenbarung werden die Fragen nach Weltanfang und Weltende zu einem Teil der religiösen Weltdeutung, in der sich die Bedeutung der menschlichen Existenz erhellt.34 Man mag hier tatsächlich zwei Ebenen erkennen: Die Vernunft sieht die menschliche Existenz in der Zeit mit einer Vergangenheit, einer Gegenwart und einer Zukunft, wobei Vergangenheit und Zukunft prinzipiell offenbleiben. Im Glauben ist diese zeitliche Existenz in die eschatologische Zukunft der unverhüllten Schau Gottes und in die protologische Vergangenheit des Schöpfungsaktes eingebettet.35 Diese Einbettung gibt dem Gesamt eine Ausrichtung des Woher und Wohin (von Gott her – auf Gott hin). Es ist dann nicht die Frage nach dem Wann, die dem Anfang und dem Ende ihre Bedeutung gibt, sondern die zu jedem einzelnen Zeitpunkt der irdischen Geschichte gegebene Präsenz dieser Ausrichtung. „Schon jetzt“ ist die zukünftige Herrlichkeit Gottes als Gegenstand von Glaube und Hoffnung gegenwärtig, und „immer noch“ erfährt sich der Mensch im Glauben als von Gott gewolltes, einmaliges Wesen. Aus dieser Sicht erscheint die Welt durchaus nicht als ein sich ewig perpetuierender Kosmos, sondern als „diese Welt“, eine einmalige und begrenzte zeitliche Konstellation, die auf die kommende Welt ausgerichtet ist.36 In diesem letzteren Ergebnis sind 33

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Im Hinblick auf das Ende: Summa contra gentiles IV, 97, nr. 3 [Ed. Leonina XV, 298]: principium autem illius [scil. caeli] motus est aliquis intellectus, … Für den Beginn der Welt betonte dies sehr deutlich De potentia 3, 17, resp. [Ed. cit. VIII, 456]: oportet quod eius [scil. dispositionis universi] ratio sumatur ex simplici voluntate producentis. Ähnlich argumentierte S. th. I, 46, 1, resp. [Ed. Leonina IV, 479]. TE VELDE, Christian Eschatology, 597: “revelation is for Aquinas not simply an additional source of factual information about the world. … Revelation, I would say, enables man to see, through the eyes of faith, the meaning of human life on earth, as seen from the perspective of God …” Hinsichtlich des Endes der Welt sprach TE VELDE, Christian Eschatology, 597 davon, dass “the fact of revelation … gives historical existence in time a definite orientation towards a future in which this truth will be finally and completely disclosed. … It is the future of the presence of God’s glory, of which Aquinas would say that it is already present as an object of faith and hope, but in the same way does not yet exist.” Im Hinblick auf den Beginn der Welt sprach te Velde analog vom “ever-present past of creation” (598) als eines Wissens, das nicht das Ergebnis (natur)philosophischer Überlegung ist, sondern als Glaubenswahrheit aus einer in Gen 1, 1 sich ausdrückenden Prophetie über die Vergangenheit kommt, vgl. dazu II Sent. 1, 1, 5, resp. [Ed. cit. II, 33], S. th. I, 46, 2, sc. [Ed. Leonina IV, 481] (auch Bonaventura sprach in Hex. III, 3 (15), 11 von dieser „Prophetie über Vergangenes“, die zum Verständnis der Gegenwart und der Zukunft beiträgt, siehe oben S. 382, Anm. 142). Vgl. TE VELDE, Christian Eschatology, 598: “From the perspective of Christian faith, the world is not an everlasting and permanent cosmos, but it is ‘this world’, a temporary constellation which looks forward to or is in expectation of the world to come.”

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

Thomas und Bonaventura nicht so weit auseinander, wie es vielleicht auf den doch unterschiedlichen Wegen beider dahin scheinen mochte,37 bei beiden ist die Ausrichtung auf das Ziel letztlich das entscheidende Moment. Was als Unterschied bleibt, ist das vorsichtigere Urteil des Aquinaten über die tatsächliche Erkennbarkeit der geschichtlichen Ordnung, wie es sich in seiner ablehnenderen Position zum joachimschen Geschichtsmodell zeigte. „Es wird keine Zeit mehr sein“ – es ist deutlich geworden, in welchem Sinn Bonaventura diese Aussage verstanden wissen wollte, nämlich als Ende der aristotelischen Zeit. Damit freilich gelingt erst eine negative Beschreibung der Zeitlichkeit des Vollendungszustandes, wenn man nicht sogar behaupten möchte, diese Charakterisierung bleibt im Grunde noch vor dem status gloriae stehen, denn sie betrifft das Ende der Welt, aber noch nicht die anbrechende Herrlichkeit. Insofern mag es auch nicht verwundern, wie selten Bonaventura auf die Ankündigung von Offb 10, 6 einging.38 Doch eines vermag diese zu verdeutlichen: Der Übergang in die endgültige Herrlichkeit ist nicht so beschaffen, dass die Zeit einfach weiterläuft. In der kosmologischen Perspektive ist dies bereits beschrieben worden, aber auch für den Einzelnen lässt es sich erkennen, denn hier ist der Übergang mit einem Sprung verbunden, einem Sprung, der über die Grenze des Todes hinwegführt und der zugleich etwas von jenem excessus haben dürfte, von dem oben in geschichtlichem Zusammenhang bereits die Rede war.39 Dort, 37

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RATZINGER, Geschichtstheologie, 143 urteilte: „Thomas lehnt die Spekulationen des Kalabreser Abtes [Joachim von Fiore] auf theologischem Boden … mit Gründen ab, die er der Civitas Dei Augustins und letztlich der Heiligen Schrift entnimmt. Aber vorher schon fällt im philosophischen Bezirk eine Vorentscheidung, die für seine Stellungnahme nicht weniger ausschlaggebend war. … Das zeigt, daß es nicht nur Augustin und die Schrift, sondern vorher schon Aristoteles ist, der Thomas Nein sagen läßt zur geordneten Geschichtssystematik Joachims. Ein solches System der Geschichte verbietet sich für ihn schon im voraus in dem Gedanken an die nur akzidentelle Ordnung der geschichtlichen Ereignisse“, wie sie sich aus der Möglichkeit einer ab aeterno geschaffenen Welt ergeben sollte (vgl. dazu ebd., 141). – Diese Stellungnahme verfehlt meines Erachtens den Punkt, dass eine solche Ordnung der Geschichte im Glauben durchaus gegeben ist. Ob die konkrete, von Joachim vorgestellte Ordnung allerdings richtig ist (und ob sie in diesem Detailreichtum und dieser Präzision aufgestellt werden kann), ist damit noch nicht ausgemacht; darüber sollten theologische Sachargumente entscheiden. Außer den beiden in Anm. 15, S. 400 zitierten Stellen (genauer: bei der zweiten Stelle wird in II Sent. 2, 1, 2, 2, sc. 2 [II, 66] auf Offb 10, 6 angespielt) weisen die Indizes in den Opera omnia (Bd. X, Indices in tomo. I.–IV., 1–16: Index primus. Loci sacrae Scripturae und Bd. X, 181–264: Index locorum sacrae Scripturae in tomis V–IX. citatorum) nur noch auf ein einziges weiteres Vorkommen hin. Es ist die Bemerkung in Hex. III, 4 (16), 19 [V, 406; vgl. Ed. Delorme, 187], dass die siebte neutestamentliche Zeit (das tempus pacis postremae) mit eben jenem Ruf des Engels beginnt. Man befindet sich hier auf der Ebene der geschichtlichen Zeit und der genannte Zeitabschnitt wird durch das Wort des Engels als endgültig letzte geschichtliche Epoche ausgewiesen. – Der Index in Sancti Bonaventurae sermones dominicales, ed. Jacques G. Bougerol (= Bibliotheca Franciscana Scholastica Medii Aevi 27), Grottaferrata 1977, 488–492 liefert keine weiteren Stellen. Vgl. oben S. 388.

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wo Bonaventura die Frage nach der Auferstehung erörterte,40 machte er sich auch darüber Gedanken. Vor allem zwei Überlegungen sind hier von Belang. Zum einen die, dass der Auferstehungsleib in zwei Hinsichten angeschaut werden muss: An sich (secundum se) betrachtet ist es derselbe Leib wie der irdische, der da aufersteht. Die bleibenden Prinzipien garantieren die Identität und damit die Kontinuität von Jetzt und Dann. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, denn hinsichtlich des zeitlichen Ablaufes (quantum ad defluxum et durationem) ist von einem Neubeginn und einer neuen Dauer zu sprechen.41 Gewissermaßen nebenbei kommt hier noch einmal die Sichtweise der Zeit als eines intrinsischen, an den jeweiligen Träger gebundenen Maßes zum Tragen.42 Das Erneuerungsmoment und den darin gegebenen Bruch der Kontinuität mag man zum anderen auch daran erkennen, dass die Auferstehung nicht als eine natürliche Entwicklung angesehen wurde. Sie enthält Elemente, die dem natürlichen Lauf der Dinge widersprechen (nämlich die Neuschöpfung, reformatio, des Leibes) und die über die Macht der Natur hinausgehen (nämlich die dann nicht wieder auflösbare Verbindung von Leib und Seele).43 Auch die anderen Charakterisierungen der Auferstehung „als plötzliches, nicht sukzessives Ereignis, als Hervorgang eines gänzlich Unähnlichen aus Unähnlichem“44 deuten auf den genannten Sprung hin.

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IV Sent. 43, 1, 1–6 [IV, 883–896]. IV Sent. 43, 1, 4, ad 4 [IV, 890b]: Et potest ad hoc responderi, quod de esse rei est loqui dupliciter: aut quantum ad defluxum et durationem aut secundum se. Si quantum ad durationem et defluxum; sic necessario oportet, quod duratio sit alia et alia sicut mensura durationis. Si quantum ad ipsum esse secundum se; sic numeratur et plurificatur a principiis permanentibus; et quoniam principia permanentia sunt eadem, quamvis defluxus durationis et inceptio sit alia et alia: hinc est, quod res est una, et esse rei est unum. Vgl. dazu bereits auch oben S. 284 mit Anm. 53. STOEVESANDT, Die letzten Dinge, 154 strich umgekehrt vor allem die Bedeutung der Kontinuität heraus: „… daß die Kontinuität zwischen jetzt und dann in dieser Eschatologie so weit geht, daß auch die zeitliche Struktur des menschlichen Daseins in irgendeinem Sinne in sie einbezogen bleibt – und das mag, ohne daß Bonaventura sich dessen bewußt gewesen ist, für die Selbstidentität des Menschen mehr bedeuten als die trotz der Verklärung identische Rückerstattung des ehedem besessenen Leibes.“ Vgl. den Abschnitt oben ab S. 212. IV Sent. 43, 1, 5, resp. [IV, 892]: Dicendum, quod in resurrectione tria sunt: primum est corporis ex pulveribus reformatio; secundum ipsi corpori reformato animae unio; tertium unitorum inseparabilis colligatio. Primum est contra naturam, id est contra solitum cursum naturae, quae potest perfecta destruere, non destructa reparare. Secundum est secundum naturam, quod anima optime corpori sibi organizato, cui desiderabat uniri, uniatur. Tertium est supra naturam, scilicet quod ex corruptibili fiat incorruptibile non separabile. STOEVESANDT, Die letzten Dinge, 142 mit Bezug auf IV Sent. 43, 1, 5, arg. 3f. [IV, 891]: … quia natura operatur successive, non subito; sed resurrectio erit subito, in ictu oculi: ergo non est a natura. … quia «natura est vis insita rebus, ex similibus similia procreans»; sed in resurrectione non fit simile ex simili …

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

Die gern gebrauchte Metapher von dem durch die Auferstehung beginnenden letzten Tag, der keinen Abend mehr kennt,45 scheint – wenn man sie tatsächlich als Zeit- und nicht nur als Lichtmetapher versteht – aus der Linie des eben Gesagten herauszufallen, denn auf den ersten Blick ist hier ja vor allem die herrschende Kontinuität betont. Doch in der grundlegenden Andersartigkeit des letzten Tages verweist auch sie auf den bevorstehenden Wandel der Zeitlichkeit. Zugleich ist darin ausgesprochen, dass die Zeit nicht einfach verschwindet. Die „kommende Welt“ ist trotz des vorausgehenden Endes der aristotelischen Zeit keine zeitlose Welt. Dies begreiflich zu machen fiel Bonaventura durch die Vielgestaltigkeit seines Zeitbegriffs nicht schwer. Drei der vier oben bestimmten Zeitformen46 waren ja so angelegt, dass sie über das Ende der irdischen Zeit hinaus Gültigkeit beanspruchen konnten. So genügt es an dieser Stelle, die Aspekte bleibender Zeitlichkeit noch einmal zusammenzufassen. Als Erstes wird man dabei auf das im allgemeinsten Zeitbegriff (tempus communissime) aufgehobene aevum hinweisen. Als eine endelose, ganz der Seligkeit angepasste47 Dauer bleibt es im Letzten doch eine Form von Zeit, wie vor allem die in ihm gegebene successio deutlich macht.48 Ordnet man der irdischen Zeit die theologische Tugend der 45

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Vgl. Brev. VI, 3 [V, 267a] (zitiert oben S. 354, Anm. 24) oder Hex., princ., 1 (1), 17 [Ed. Delorme, 7; V, 332] (zitiert Anm. 25, S. 344) und Hex., princ., 3 (3), 31 [V, 348; nicht in Ed. Delorme, 47] (qui dies non habet vesperam), für das Vorbild Augustins vgl. oben S. 150 mit Anm. 334. Vgl. den ausführlichen Abschnitt ab S. 165. Vgl. den Abschnitt ab S. 319. Für eine (knappe) moderne Interpretation des aevum zwischen Zeit und Nicht-Zeit vgl. Joseph RATZINGER, Eschatologie – Tod und ewiges Leben (= Kleine Katholische Dogmatik 9), Regensburg 61990, 96–99. Er kritisierte dort insbesondere die Interpretation des aevum als Geist-Zeit und als Zeit der Vollendung der Geschichte, wie sie Gerhard LOHFINK, Zur Möglichkeit christlicher Naherwartung, in: Gisbert Greshake / Gerhard Lohfink, Naherwartung, Auferstehung, Unsterblichkeit. Untersuchungen zur christlichen Eschatologie (= Quaestiones disputatae 71), Freiburg u. a. 41982, 38–81, besonders 64–75 vorgetragen hatte. Beide Gedanken (in der Form wie Lohfink sie vortrug) führen tatsächlich von der bonaventurianischen Vorstellung des aevum weg: Zwar ist natürlich das aevum ein Maß, das seine Konturen vor allem an der Betrachtung der Engel gewonnen hat, aber es ist deswegen keine reine Geist-Zeit, das heißt, kein Maß, das die leiblich-materielle Dimension des Seins völlig außen vor lassen würde – auch wenn es eine anders geartete Materialität voraussetzt als die irdische, die (wie oben S. 261 und S. 400 mit Anm. 18 gesehen) das principium generationis et corruptionis ist. Am deutlichsten wurde das bei Bonaventura vielleicht in II Sent. 12, dub. 1 [II, 307], wo er in der Diskussion um die Bedeutung von „Himmel und Erde“ in Gen 1, 1 das aevum dem himmlischen Bereich als ganzem zuwies (caelum empyreum completum erat et immutabile et habebat mensurari aeviternitate cum suis contentis; materia vero illa [scil. terrestris] incompleta erat et subiecta mutabilitati, tam ipsa, quam ea quae ex ipsa futura erant; et ideo debebat mensurari tempore). – Ebenso wird man das aevum zwar als eine Form vollendeter Zeitlichkeit verstehen, aber nicht als „gesammelte Zeit“, in die „die ganze Geschichte eines Menschen von der Zeugung bis zum Tod … hineingezeitigt in das tota simul der neuen, von Gott geschenkten, verklärten Zeitlichkeit“ (LOHFINK, Zur Möglichkeit christlicher Naherwartung, 68) ist. Sie ist auch nicht „verklärte Zeit“, die „nichts anderes als der Prozeß des Hineingezeitigtwerdens der gesamten irdischen Existenz in ihre jenseitige Vollendung ist – aber so daß dieser

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nach vorne drängenden Hoffnung zu, dann entspricht dem aevum in der himmlischen Herrlichkeit der Akt des Haltens (tentio), in dem der selige Mensch sicher ist, die Schau Gottes nicht wieder zu verlieren49 – ein Akt, der auf die Gnade verweist, weil er nicht nur den festen Stand des Menschen, sondern ebenso sein Gehaltenwerden durch Gott beschreibt.50 Doch es bleibt nicht nur das aevum als substantielle, das heißt die Substanz messende Zeit,51 es bleibt auch die Zeit im eigentlichen Sinn, das tempus proprie.52 Darin ist angezeigt, dass die Vollendung des status finalis nicht so verstanden werden darf, als ob sie das Ende jeder Dynamik bedeuten würde.53 Dies verlangt allerdings eine sorgfältige Unterscheidung, denn Zeit kann von zwei verschiedenen Begriffen her verstanden werden: von der (Orts-)Bewegung und vom Werden. Nun kann zwar die Bewegung als ein Werden verstanden werden und umgekehrt das Werden als Bewegung, aber doch ist beides nicht identisch: Im Werden steckt, dass etwas Neues wird, während in der Bewegung eher der Aspekt des Anders-„Werdens“ enthalten ist. Man wird es letztlich der geschöpflichen Endlichkeit zuschreiben, dass das Werden begrenzt ist, und es deswegen in einer neuen, ohne Ende dauernden Welt keinen Platz mehr hat (sonst stünde man erneut vor dem Problem der Wiederkehr des Ewiggleichen). Die Bewegung dagegen muss nicht notwendig aufhören, denn nicht jede Bewegung sagt einen Defekt aus, sondern Bonaventura konnte sie im Gegenteil auch als Vollkommenheit sehen,54 dann nämlich, wenn sie ein Ausdruck von Leichtigkeit und insbesondere von Freiheit ist. So werden, wie gesehen, in der Herrlichkeit die agilitas des Leibes, die Sinnestätigkeit und

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Prozeß immer schon sein Ergebnis selber ist“ (ebd., 69). Beides scheint mir zu sehr vom Menschen und seiner persönlichen und kollektiven Geschichte her gedacht. Bonaventura denkt von der anderen Seite her: von dem, was von Gott her, auf den Menschen zukommt, und von dem festen Stand, den Gott dem Menschen in seiner Gnade schenken möchte. Vgl oben S. 323 mit dem Zitat aus Serm. temp., Dominica II. post Pentecosten, Sermo 1 [IX, 359a]. So wie eben die Unsterblichkeit des Menschen zwar eine aptitudo seiner Natur voraussetzt, aber im Letzten, das heißt in der dispositio sufficiens, von der Gnade kommt; vgl. BIGI, La dottrina della temporalità, 486 zu II Sent. 19, 3, 1 [II, 468–471]. Vgl. oben S. 181. Dabei ist es eine Aussage für sich, wenn nach Bonaventura die eigentliche Zeit bleibt. Und auch wenn hier nicht weiter darauf eingegangen wird, so ist darin eingeschlossen, dass auch das im infernum gültige Zeitmaß des saeculum bleibt (vgl. oben den Abschnitt ab S. 188). Vgl. oben S. 327. Eine weitere Form von Dynamik erkannte HELLMANN, Ordo, 53 durch Bedenken des Axioms Primum est status omnium: „Der Begriff des Primum als ‚status‘ meint jedoch keine Art von statischem Bezug. Das Gegenteil ist der Fall, denn im Begriff des Status entfaltet sich die volle Bedeutung des Primum als Ursprung. Das Esse ab alio geht fortwährend aus dem Primum hervor, denn es kann keinen Augenblick in sich selbst Bestand haben. Andererseits strömt das Primum sich fortwährend aus, indem es allem Seienden Halt und Dauer im Sein verleiht. Status bringt die dynamische Beziehung zwischen dem Primum und allem zum Ausdruck, was von ihm ausgeht.“ Vgl. oben S. 328.

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

die geistige Tätigkeit im Allgemeinen bestehen bleiben55 – und mit ihnen die Zeit. Zwei Aspekte, denke ich, sind darin aufgehoben: zum einen der Aspekt der unendlichen Fülle Gottes, die zu keinem Zeitpunkt vom Menschen als Ganzes und auf einmal ausgeschöpft werden kann, und zum anderen – und das tritt in der Zeit der Vollendung noch einmal klarer hervor als in der irdischen Zeit – der Aspekt der Freiheit des Menschen: Die Zeit hat dann keinerlei koerzitiven Charakter mehr, sondern sie ist alleine Raum der bleibenden Freiheit,56 einer Freiheit, die dadurch gehalten ist, dass der selige Mensch ganz auf Gott ausgerichtet ist und in ihm seine Mitte (wieder)gefunden hat. Der wohl tiefste Grund für das Fortbestehen der Zeitlichkeit in den beiden Formen des aevum und des tempus proprie, liegt in ihrer Verbindung mit der Geschöpflichkeit.57 „Für Bonaventura gehört die Zeit zum Wesen des Geschaffenen“,58 und weil die Differenz zwischen Schöpfer und Geschöpf bleibt, darum bleibt auch die Zeit. Was im ersten Anfang gegolten hatte – dass die Zeit zur Hervorbringung ex nihilo unaufhebbar gehört – verliert in der Vollendung nicht seine Gültigkeit. Geschöpfliches Sein bleibt ein zum Sein gekommenes Sein, geprägt durch das esse post non-esse und das nunc primo esse, in welchen dessen Zeitlichkeit im Letzten begründet ist. Deswegen war, wie gesehen, in gewissem Sinn die Zeit das erste Maß überhaupt,59 in dem sich die geschöpfliche Endlichkeit widerspiegelt. Ut vitam possideamus aeternam,60 so hatte Bonaventura am Anfang des Breviloquium den Sinn der Heiligen Schrift (und damit aller Theologie) zusammengefasst. Betont der im vorigen Absatz genannte Aspekt vor allem die Trennung von Zeit und Ewigkeit, so ist zum Schluss noch einmal auf die Zusammengehörigkeit beider hinzuweisen: Die Zeit ist Abbild und Spur der Ewigkeit.61 In der Herrlichkeit ist dies um so deutlicher, als die Ähnlichkeit eine größere ist. Bonaventura verwischt nicht die Grenze zwischen beiden, die Ewigkeit bleibt das Urbild und die Zeit deren Bild, aber er will beide in die 55

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Man vgl. (neben dem oben S. 327 Gesagten) eine Stelle wie Sol. IV, 5 [VIII, 58]: Vide igitur et devota mente pertracta, qualiter illi divini et caelestes spiritus, qui praesentis vitae et miseriae periculum evaserunt, quamvis ab illius aeterni solis splendore se nunquam possint avertere, aliquando tamen radium suae contemplationis convertunt ad inferiora, aliquando ad superiora, aliquando ad interiora, aliquando ad exteriora. In diesem Sinn konnte STOEVESANDT, Die letzten Dinge, 303 feststellen: „Ja, man möchte sagen, erst indem sie diese Freiheit haben, Herren ihrer Zeit zu sein – Herren in dem doppelten Sinne, daß sie ihnen zu Gebote steht und daß sie kein Element des Widerspenstigen, Feindseligen, Lebensverzehrenden und vom unum necessarium Abziehenden mehr enthält – wird ihre Vollendung als wahrhaft menschliche Vollendung begreiflich …“ Vgl. noch einmal den Abschnitt ab S. 276. HELLMANN, Ordo, 97. Vgl. den Abschnitt oben ab S. 223, besonders S. 224 mit Anm. 99, sowie S. 347 mit Anm. 37. Vgl. Brev., prol. [V, 202a]: Status vero sive fructus sacrae Scripturae non est quicumque, sed plenitudo aeternae felicitatis. Nam haec est Scriptura, in qua verba sunt vitae aeternae, quae ideo scripta est, non solum ut credamus, verum etiam ut vitam possideamus aeternam … Vgl. oben S. 306 mit Anm. 43 und S. 306, besonders Anm. 44 mit dem Zitat aus Trin. 5, 1, resp. [V, 90]. Dazu auch noch einmal HELLMANN, Ordo, 97.

Die Vollendung der Zeit: Eschatologische Aspekte

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unter dieser Voraussetzung größtmögliche Nähe zueinander bringen. Davon wird etwas deutlich, wenn man die Bestimmung der Seligkeit als „ewiges Leben“ neben die boethianische Definition der aeternitas als interminabilis et tota simul vitae possessio stellt: Die aeternitas bedeutet Leben und die Zeit bedeutet Leben (im Begriff des aevum haftet diese Bestimmung sogar der Vokabel noch an),62 und doch ist das eine das ursprüngliche, göttliche Leben und das andere das geschöpfliche, abhängige Leben, das von jenem göttlichen Leben gehalten und getragen wird.63 Oder noch einmal anders gesagt: Das geschöpfliche Leben hat seinen Ursprung nicht in sich selbst und sein Ziel nicht in sich selbst. Daraus resultiert sowohl eine Differenz wie auch eine Bezogenheit, die sich auch im Verhältnis von Zeit und Ewigkeit ausdrückt. Zeit erweist sich so in ihrer Herkünftigkeit wie in ihrer Orientierung nach vorne auf die Ewigkeit verwiesen. In dieser Überformung durch die Ewigkeit mag von Zeit dasselbe gelten, was Bonaventura auch von der Hoffnung (um noch einmal diese Parallele zu bemühen) sagte: In gewissem Sinn hört sie in der Herrlichkeit nicht auf, sondern sie wird (auf ähnliche Weise wie diese) vollendet.64 Von einer Sehnsucht des Erreichens geht sie in eine Sehnsucht des Bleibens über. Und was Alexander Gerken von der Ewigkeit sagte – „Man wird niemals 62 63

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Vgl. oben S. 110 und S. 151. Das ließe sich auch – im Sinn des vorigen Abschnitts – christologisch deuten: Die johanneische Bestimmung von Christus als dem Leben (Joh 11, 25; 14, 6) lieferte dazu eine gute Vorgabe. Bonaventura konnte das ewige Leben als den Besitz jener Frucht verstehen, die Christus ist, so in Serm. b. virg., De annuntiatione b. virginis Mariae, Sermo 3 [IX, 671b]: Est etiam postremo fructus pretiosissimus ad possidendum per bravium aeternae mercedis … Christus enim, qui est fructus uteri virginalis, erit nostra merces in patria, non qualiscumque, sed pretiosissima; unde Virgo potest dicere illud Proverbiorum octavo [v. 19]: Melior est fructus meus auro et lapide pretioso … quia ista sunt corruptibilia et defectibilia, ille autem incorruptibilis et indeficiens. … Quia autem idem est fructus et radix, idem principium et finis, idem Alpha et Omega: ideo, sicut radix caret initio, sic et fructus carebit termino. Fruemur igitur hoc fructu in gloria sempiterna, ad quam nos perducat etc. Vgl. III Sent. 31, 2, 2, resp. [III, 684f.]: sicut duplex est modus dicendi circa evacuationem fidei, similiter et circa evacuationem spei. Nam et in ipso habitu spei est reperire aliquid imperfectionis et aliquid perfectionis et complementi. Ad imperfectionem enim spectat illud spei, quod est exspectatio quaedam et protensio ad ea quae realiter non habentur; ad complementum autem eius spectat confidentia et certitudo, qua facit confidere et inniti ipsi summae largitati. Et quantum ad primum tollitur ipsa spes et evacuatur; quantum vero ad secundum perficitur et salvatur. Ebd., ad 2 [III, 685] wird schon in der Wortwahl die Nähe zum aevum deutlich (vgl. oben S. 130, Anm. 217): Ad illud quod obicitur, quod ibi est spes, ubi est desiderium; dicendum, quod est desiderium de acquirendo, et est desiderium de continuando. Ubi autem est desiderium de acquirendo, ibi bene potest esse spes; sed ubi est desiderium de continuando bonum iam habitum, spes non est, quia non est ibi exspectatio non habiti. Et sic est in patria ponere desiderium, non per aliquam anhelationem ad obtinendum non habitum, sed propter infatigabilitatem et indeficientiam delectationis, quae nullo modo ibi parit fastidium. – STOEVESANDT, Die letzten Dinge, 300 stellte dazu fest: „Auch die vollendete tentio enträt also nicht des Moments einer gewissen, wenngleich freudigen, von jedem Entbehren freien Spannung. Etwas von dem steten Vorwärtsstreben der Hoffnung bleibt, indem ja die Seligkeit ständiges Empfangen aus Gottes Hand ist, bestehen“.

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Vierter Teil: Der Mensch und die Zeit – Erträge aus Bonaventuras Zeitkonzept

Gottes Ewigkeit richtig sehen, wenn man ihr die Zeit als etwas Fremdes gegenüberstellt und sie nicht vielmehr darin umschlossen und davon umfaßt sein läßt“65 –, das lässt sich umgekehrt auch von der Zeit behaupten: Man wird sie niemals richtig verstehen, wenn man sie losgelöst von der Ewigkeit als ihrem Ursprung betrachtet, beide sind nur miteinander zu begreifen. Für den Menschen im Pilgerstand bleibt dies eine Aufgabe, im „Spiegel der Ewigkeit“66 dagegen wird es keine Frage mehr sein: … weil Ihn einmal gesehen haben heißt: alles gelernt haben … das Weltbild des Plato, die Philosophie des Aristoteles und die Himmelskunde des Ptolemäus finden dort Erwähnung. Denn was wir hier von der Wahrheit erkennen, ist nur ein geringer Teil im Vergleich zu dem, was wir nicht wissen. Dann wirst du schauen und Überfluß haben, und dein Herz wird staunen und weit werden (Jes 60, 5).67

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GERKEN, Theologie des Wortes, 80. Vgl. Sol. IV, 24 [VIII, 65]: … gaudent et laetantur qui illud aeternitatis speculum iugiter contemplantur, in quo omnia praeterita, praesentia et futura, quae summae beatitudini competunt, apertissime speculantur. Sol. IV, 24 [VIII, 65]: … quia hoc semel vidisse est omnia didicisse. Ibi … reputabitur Platonis theoria, Aristotelis philosophia, Ptolemaei astronomia, quia quidquid hic de veritate intelligimus, minima pars eorum est, quae ignoramus. Tunc videbis et afflues, et mirabitur et dilatabitur cor tuum (Übs. Hosse, 231).

Anhang

1

Quellen- und Literaturverzeichnis

1.1

Quellen

Wenn zur Zitation eines Quellenwerkes ein vom Titel der Edition deutlich abweichender Einheitssachtitel oder eine Abkürzung verwendet wurde, so ist diese(r) der jeweiligen Quellenangabe als letzte Angabe in Klammern beigefügt. ALAIN VON LILLE, Regulae theologiae – Regeln der Theologie. Lateinisch – Deutsch, übs. und eingel. von Andreas Niederberger und Miriam Pahlsmeier (= Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters 20), Freiburg i. Br. 2009. —, La Somme «Quoniam homines» d’Alain de Lille, ed. Palémon Glorieux, in: Archives d’histoire doctrinale et littéraire du moyen âge 28 (1953) 112–364. ALBERTUS MAGNUS, Opera omnia, ad fidem codicum ms. ed. apparatu critico notis prolegomenis indicibus instruenda cur. Inst. Alberti Magni Coloniense Wilhelmo Kübel praeside, Bd. 1ff., Münster i. Westf. 1960ff. (= Ed. Colon.). —, Opera omnia, ex editione Lugdunensi religiose castigata … cura et labore Steph. Caes. Aug. Borgnet, 38 Bde., Parisiis 1890–1899 (= Ed. Paris.). —, Commentarii in II Sententiarum, ed. Augustus Borgnet (= Ed. Paris. 27), Paris 1894 (= II Sent.). —, De anima, ed. Clemens Stroick (= Ed. Colon. VII.1), Münster 1968. —, De caelo et mundo, ed. Paul Hossfeld (= Ed. Colon. V.1), Münster 1971. —, Physica, ed. Paul Hossfeld (=Ed. Colon. IV), 2 Bde., Münster 1987.1993. —, De IV coaequaevis (= Summa de creaturis I), in: Ed. Paris. 34, 307–498. —, Summa theologiae, ed. Augustus Borgnet (= Ed. Paris. 31–33), Paris 1894–1895 (= Summa de mirabili scientia dei [S. th.]). —, Summa theologiae sive de mirabili scientia Dei, Liber I, pars I, Quastiones 1 – 50A, ed. D. Siedler, W. Kübel, H. G. Vogels (= Ed. Colon. XXXIV.1), Münster 1978 (= Summa de mirabili scientia dei [S. th.]). ALCHER VON CLAIRVAUX (?) siehe „Ps.-Augustinus (Alcher von Clairvaux?)“. ALEXANDER VON HALES, Glossa in quatuor libros sententiarum Petri Lombardi, studio et cura PP. Collegii S. Bonaventurae (= Bibliotheca Franciscana Scholastica Medii Aevi 12–15), 4 Bde., Quaracchi (Florentiae) 1951–1957 (= Super Sent.). Umkreis des ALEXANDER VON HALES, Summa theologica seu sic ab origine dicta «Summa fratris Alexandri», ed. Bernhardin Klumper, 4 Bde. in 5 Teilbden., Quaracchi 1924–1948 (= Summa Halensis). ALKUIN, Epistula 163, in: Epistolae Merovingici et Karolini aevi, Bd. 2, ed. Ernst Dümmler (= Monumenta Germaniae historica. Epistolae 4), Berlin 21974, 263–265.

414

Quellen- und Literaturverzeichnis

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1

2 3

Zur komplexen Frage nach der Autorschaft dieses bedeutenden, aber bislang nicht in kritischer Edition vorliegenden Textes, vgl. Beryl SMALLEY, Glossa ordinaria, in: Gerhard Krause / Gerhard Müller (Hrsg.), Theologische Realenzyklopädie, Bd. 13, Berlin – New York 1984, 452–457 und Lydia BENDEL-MAIDL, Glossa ordinaria, in: Michael Eckert u. a. (Hrsg.), Lexikon der theologischen Werke, Stuttgart 2003, 350–352. Früher Isidor von Sevilla zugeschrieben, z. B. in Jacques-Paul Migne (Hrsg.), Patrologiae cursus completus. Series Latina 83, 913–954. Früher Hugo von St. Viktor zugeschrieben, die zweite Rezension in PL 171 erscheint unter dem Namen Hildeberts von Lavardin. Zuschreibung an Odo bei Palémon GLORIEUX, Pour revaloriser Migne. Tables rectificatives, Lille 1952, 64.68, vgl. ferner Ludwig HÖDL, Petrus Lombardus, in: Friedrich W. Bautz / Traugott Bautz (Hrsg.), Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 5, Hamm 1993, 197–202, hier 197; anders („Zuschreibung zweifelhaft“) ders., Petrus Lombardus, in: M. Greschat (Hrsg.), Mittelalter I (= Gestalten der Kirchengeschichte 3), Stuttgart 1983, 205– 223, hier 209.

Quellen

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ARISTOTELES,4 Aristotelis opera, ed. Immanuel Bekker, Bd. 1–2, Darmstadt 1960 (unv. Nachdruck d. Ausg. Berlin 1831 & 1876). —, Analytica posteriora, in: Organon, Bd. 3/4: Erste Analytik. Zweite Analytik, hrsg. u. übs. v. Hans Günter Zekl (= Philosophische Bibliothek 494/495), Hamburg 1998, 310–523. —, Analytica posteriora (transl. Iacobi Venetici), in: Analytica posteriora. Translationes Iacobi, Anonymi sive «Ioannis», Gerardi et Recensio Guillelmi de Moerbeka, ed. Laurentius Minio-Paluello et Bernardus G. Dod (= Aristoteles latinus IV.1-4), Bruges – Paris 1968, 1–107. —, Über die Seele, hrsg. v. Horst Seidl, übs. nach W. Theiler (= Philosophische Bibliothek 476), Hamburg 1995 (= De anima). —, Iacobus Veneticus translator Aristotelis – De anima (= Aristoteles latinus XII.1), in: Aristoteles Latinus Database, ed. Jozef Brams, Paul Tombeur u. a., Turnhout 22006 (Online-Version über www.brepolis.net) (= De anima [transl. Iacobi Venetici]). —, De caelo, in: Werke, Bd. 2: 4 Bücher über das Himmelsgebäude. 2 Bücher über Entstehen und Vergehen. Aalen 1978 (Neudruck d. Ausg. Leipzig 1857), 16–338. —, De generatione et corruptione, in: Werke, Bd. 2: 4 Bücher über das Himmelsgebäude. 2 Bücher über Entstehen und Vergehen. Aalen 1978 (Neudruck d. Ausg. Leipzig 1857), 346–510. —, Guillelmus de Morbeka translator Aristotelis – De caelo et mundo (= Aristoteles Latinus VIII.2), in: Aristoteles Latinus Database, ed. Jozef Brams, Paul Tombeur u. a., Turnhout 22006 (OnlineVersion über www.brepolis.net) (= De caelo [transl. Guillelmi de Moerbeke]). —, Categoriae, in: Organon, Bd. 2: Kategorien u. a., hrsg. u. übs. v. Hans Günter Zekl (= Philosophische Bibliothek 493), Hamburg 1998, 1–93. —, Categoriae vel Praedicamenta. Translatio Boethii, Editio composita, Translatio Guillelmi de Moerbeka, ed. Lorenzo Minio-Paluello (= Aristoteles latinus I.1.5), Leiden u. a. 1961 (= Categoriae [transl. Boethii]). —, De memoria et reminiscentia, in: Petits traités d’histoire naturelle, texte établi et trad. par René Mugnier, Paris 21965, 53–63. —, Iacobus Veneticus translator Aristotelis – De memoria et reminiscentia (= Aristoteles Latinus XIV.1), in: Aristoteles Latinus Database, ed. Jozef Brams, Paul Tombeur u. a., Turnhout 22006 (Online-Version über www.brepolis.net). —, Aristoteles’ Metaphysik, hrsg. v. Horst Seidl, übs. v. Hermann Bonitz (= Philosophische Bibliothek 307.308), 2 Bde., Hamburg 21982.1980 (= Metaphysica). —, Metaphysica Lib. I–X, XII-XIV, Translatio Anonyma sive «Media», ed. Gudrun Vuillemin-Diem (= Aristoteles Latinus XXV.2), Leiden 1976 (= Metaphysica [transl. media]). —, De mundo, in: Werke in deutscher Übersetzung, hrsg. von Hellmut Flashar, Bd. 12: Meteorologie. Über die Welt, übs. von H. Strohm. Darmstadt 1970, 239–352. —, Aristoteles’ Physik. Vorlesung über Natur (= Philosophische Bibliothek 380.381), hrsg. u. übs. v. Hans Günter Zekl. 2 Bde., Hamburg 1987.1988 (= Physica). —, Physica, Translatio vetus, ed. Fernand Bossier u. Jozef Brams (= Aristoteles latinus VII.1.2), Leiden u. a. 1990 (= Physica [transl. vetus]). —, Topica, in: Organon, Bd. 1: Topik. Topik, neuntes Buch oder Über die sophistischen Widerlegungsschlüsse, hrsg. u. übs. v. Hans Günter Zekl (= Philosophische Bibliothek 492), Hamburg 1997, 1–447. Aurelius AUGUSTINUS, De agone christiano, in: Œuvres de saint Augustin 1. Introduction générale, par F. Cayré et F. van Steenberghen – 1re série: Opuscules. I. La morale chrétienne: De moribus eccle-

4

Die lateinischen Titel der Werke sind entnommen aus: Lucille BERKOWITZ / Karl A. SQUITIER, Thesaurus linguae graecae. Canon of Greek Authors and Works, New York, Oxford 31990.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Quellen

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— (ALCHER VON CLAIRVAUX?),5 De spiritu et anima, in: Jacques-Paul Migne (Hrsg.), Patrologiae cursus completus. Series Latina 40, 779–832. AVERROES (Ibn Rušd), De physico auditu, in: Aristotelis opera cum Averrois commentariis, Bd. 4, Frankfurt am Main 1962 (unv. Nachdruck d. Ausg. Venedig 1562–1574) (= In Phys.). —, In Metaphysicam, in: Aristotelis opera cum Averrois commentariis, Bd. 8, Frankfurt am Main 1962 (unv. Nachdruck d. Ausg. Venedig 1562–1574), fol. 1r–255v. —, Commentarium magnum in Aristotelis de anima libros, rec. S. Stuart Crawford (= Corpus commentariorum Averrois in Aristotelem 6.1), Cambridge, Mass. 1953 (= In De anima). —, Commentum magnum super libro De celo et mundo Aristotelis, ex recogn. Francis James Carmody ed. Rüdiger Arnzen (= Recherches de Théologie et Philosophie médiévales. Bibliotheca 4.1.1–2), 2 Bde., Leuven 2003 (= In De caelo). —, Averroes’ De substantia orbis. Critical edition of the Hebrew Text with English Transl. and Comm. by Arthur Hyman (= Medieval Academy Books 96), Cambridge, Mass. 1986. AVICENNA (Ibn Sīnā), Liber de philosophia prima sive scientia divina, ed. Simone Van Riet, intr. Gérard Verbeke (= Avicenna latinus 3–4), 2 Bde., Louvain – Leiden 1977.1980 (= Metaphysica). —, Avicenna latinus. Liber primus naturalium, tractatus secundus de motu et de consimilibus, éd. par S. van Riet, J. Janssens, A. Allard, introd. par G. Verbeke, Louvain-la-Neuve – Leiden 2006 (= Sufficientia II) —, Sufficientia, in: Avicenne perhypatetici philosophi ac medicorum facile primi opera in lucem redacta, Frankfurt am Main 1961 (unv. Nachdruck d. Ausg. 1508), fol. 13r–36v. PS.-AVICENNA, Liber Celi et Mundi, ed. by Oliver Gutman (= Aristoteles Semitico-Latinus 14), Leiden 2003. BEDA VENERABILIS, Expositio Apocalypseos, ed. R. Gryson (= Corpus Christianorum. Series Latina 121A), Turnhout 2001. —, Libri quatuor in principium Genesis usque ad nativitatem Isaac et eiectionem Ismahelis adnotationum, cura et studio Charles W. Jones (= Corpus Christianorum. Series Latina 118a), Turnhout 1967 (= In Genesim). —, De natura rerum, ed. Charles W. Jones, in: Bedae Venerabilis Opera. Pars I: Opera didascalica (= Corpus Christianorum. Series Latina 123a), Turnhout 1976, 192–234. —, De tabernaculo, in: Bedae Venerabilis Opera. Pars II: Opera exegetica. 2a: De tabernaculo. De templo. In Esram et Neemiam, ed. D. Hurst (= Corpus Christianorum. Series Latina 119a), Turnhout 1976, 1–139. PS.-BEDA, Expositio in primum librum Mosis, in: Jacques-Paul Migne (Hrsg.), Patrologiae cursus completus. Series Latina 91, 189–285. Anicius Manlius Severinus BOETHIUS, Philosophiae consolatio, ed. Ludwig Bieler (= Corpus Christianorum. Series Latina 94), Turnhout 21984 (= Cons.). —, Quomodo trinitas unus deus ac non tres dii, in: The Theological Tractates (= The Loeb Classical Library 74), London u. a. 1973, 2–31. —, Quomodo substantiae in eo quod sint bonae sint cum non sint substantialia bona, in: The Theological Tractates (= The Loeb Classical Library 74), London u. a. 1973, 38–51. BOETHIUS VON DACIEN, De aeternitate mundi, in: Bonaventura / Thomas de Aquino / Boethius de Dacia, Über die Ewigkeit der Welt, mit einer Einl. v. Rolf Schönberger, Übers. u. Anm. v. Peter Nickl, Frankfurt am Main 2000, 104–171. BONAVENTURA,6 Alleingespräch. Über die vier geistlichen Übungen, hrsg. v. Josef Hosse, München 1958. 5

Zur Autorschaft Alchers vgl. Birgit MERZ, De spiritu et anima, in: Michael Eckert u. a. (Hrsg.), Lexikon der theologischen Werke, Stuttgart 2003, 203.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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6

Für die Werke innerhalb der Opera omnia siehe die Übersicht auf S. 431, hier werden nur zusätzliche Editionen und Übersetzungen aufgeführt.

Quellen

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8

Zur Unterscheidung von Roland von Bologna und Rolandus (Orlando) Blandinelli (Papst Alexander III.), vgl. Frank BEZNER, Sententiae, in: Michael Eckert u. a. (Hrsg.), Lexikon der theologischen Werke, Stuttgart 2003, 654 sowie Rudolf WEIGAND, Magister Rolandus und Papst Alexander III., in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 149 (1980) 3–44. Der Text ist identisch mit folgender Ausgabe: S. Thomae Aquinatis Opera omnia, cur. Roberto Busa (= Indicis thomistici supplementum), 7 Bde., Stuttgart 1980.

Quellen

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9 10

IV Sent. ist in dieser Ausgabe nur bis d. 22 enthalten. Identisch mit der Ausgabe in ROBERT BUSA (Hrsg.), S. Thomae Aquinatis Opera omnia [Indicis thomistici supplementum], Bd. 6, Stuttgart 1980, 557–559.

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428

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Literatur

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2

Abkürzungsverzeichnis

2.1

Einteilung von Schriften

a. add. arg. c. coll. comm. d. dub. ep. exp. fund. frg. l. lect. m. nr. ob. p. princ. prol. prooem. qu. qq. qc. resp. sol. sc. sol. tr. vis.

articulus additamentum argumentum caput / capitulum / canon collatio commentarius distinctio dubium epistula expositio (textus) fundamentum fragmentum liber lectio membrum numerus obiectio pars principium prologus prooemium quaestio quaestiones quaestiuncula responsum solutio sed contra solutio tractatus visio

Chronologie und Abkürzungen der Werke Bonaventuras

2.2

431

Chronologie und Abkürzungen der Werke Bonaventuras

Datierung

Titel

Abkürzung

Opp.

1248–1250 (1254–1257 überarb.) 1250–1252 1250–1252

Comm. in Lucam

In Luc.

VII, 1–604

Comm. in Sententias Petri Lombardi Ep. de tribus quaestionibus ad magistrum innominatum Sermo «Christus unus omnium magister» Qu. disp. de scientia Christi Qu. disp. de mysterio Trinitatis Qu. disp. de perfectione evangelica De reductione artium ad theologiam Comm. in Ev. Johannis Comm. in Ecclesiasten Sermo de regno Dei Breviloquium Itinerarium mentis in Deum De perfectione vitae ad sorores De praeparatione ad missam Soliloquium De triplici via Lignum vitae Legenda minor Legenda maior Officium de passione domini Coll. de decem praeceptis Coll. de septem donis Spiritus Sancti Apologia pauperum Coll. in Hexaëmeron Sermones de tempore Sermones de sanctis Sermones de b. virgine Maria Sermones de diversis

I–IV Sent. Ep. trib. qu.

I–IV VIII, 330–336

Serm. theol. IV Scient. Trin. Perf. ev. Red. In Joh. In Eccl. Serm. theol. II Brev. Itin.

V, 567–574

1254? 1254 1254 1254–1255 1254–1255 1254–1257 1254–1257 1256 1257 1259–1260 1259–1260 1259–1260 1259–1260 1259–1260 1260 1261 1261 1263 1267 1268 1269 1273

Sol. Tripl. Lign.

Praec. Don. Apol. Hex. Serm. temp. Serm. b. virg.

V, 3–43 V, 45–115 V, 117–198 V, 319–325 VI, 239–530 VI, 3–103 V, 539–553 V, 201–291 V, 296–316 VIII, 102–127 VIII, 99–106 VIII, 28–67 VIII, 3–18 VIII, 68–86 VIII, 565–579 VIII, 504–565 VIII, 152–168 V, 507–532 V, 457–503 VIII, 233–330 V, 329–449 IX, 23–461 IX, 463–631 IX, 633–721 IX, 723–731

Bemerkungen Die Angabe in der äußersten rechten Spalte bezieht sich auf die Opera omnia, 10 Bde., Quaracchi 1882–1902. Die Datierung der Schriften folgt im Allgemeinen BOUGEROL, Introduction, Xf.; lediglich Sermo theologicus IV wird datiert nach SCHLOSSER, Bonaventura begegnen, 78.

Abkürzungsverzeichnis

432

Das Hexaëmeron ist in der Reportatio A bei F. Delorme herausgegeben, der Text der QuaracchiAusgabe ist Reportatio B. Um die beiden edierten Reportationes besser vergleichen zu können, wird für das Hexaëmeron eine besondere Zitationsweise gewählt. Hex. I, 4 (7), 1 bedeutet demnach Visio 1, Collatio 4 in der Zählung bei Delorme. Das entspricht Collatio 7 in der durchgehenden Zählung der Quaracchi-Ausgabe. Die letzte Zahl bezeichnet die Absatznummer (hier 1). Die Zählung der Absätze wurde von Delorme so gestaltet, dass sie nach Möglichkeit der Zählung der Quaracchi-Ausgabe entspricht. An zwei Stellen veränderte Delorme die Quaracchi-Einteilung der Collationes: Coll. 15, 1–9 (Mysteria Antichristi) zog Delorme zur vorausgehenden Coll. III, 2 (14); Coll. 22, 24–42 zog Delorme zur folgenden, letzten Coll. IV, 4 (23).

2.3

Quellenausgaben

Zur Entlastung des Fußnotentextes werden in einer Reihe erschienene oder vielbändige Editionen abgekürzt zitiert. Die vollständige bibliographische Angabe findet man im Quellenverzeichnis unter dem Namen des jeweiligen Autors. Die verwendeten Abkürzungen werden im Folgenden aufgeführt, sie folgen in der Regel Siegfried M. SCHWERTNER, Theologische Realenzyklopädie. Abkürzungsverzeichnis, Berlin u. a. 21994 (Nachdruck aus: Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. 2. Aufl.); ergänzend eingeführte Abkürzungen sind im Folgenden mit einem Asteriskus markiert. ABMA *ALD2 BA BFSMA CC.SL CC.CM CSEL *CV.TH *Dionysiaca DK DS *Ed. Colon. *Ed. Delorme *Ed. Leonina *Ed. Paris. *Ed. Vivès

Auctores Britannici medii aevi Aristoteles Latinus Database, hrsg. v. Jozef Brams, Paul Tombeur u. a., Turnhout 2 2006 (Online-Version über www.brepolis.net) Bibliothèque augustinienne. Œuvres de saint Augustin Bibliotheca Franciscana Scholastica Medii Aevi Corpus Christianorum. Series Latina Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum Corpus Victorinum. Textus historici Dionysiaca. Recueil donnant l’ensemble des traductions latines des ouvrages attribués au Denys de l’Aréopage …, 2 Bde, Paris 1937, 1-561. H. DIELS / W. KRANZ (Hrsg.), Die Fragmente der Vorsokratiker, 3 Bde., Berlin 10 1961 (= 51951) Heinrich DENZINGER / Adolf SCHÖNMETZER (Hrsg.), Enchiridion definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, Barcelona u. a. 361976 ALBERTUS MAGNUS, Opera omnia … cur. Inst. Alberti Magni Coloniense BONAVENTURA, Collationes in Hexaemeron et Bonaventuriana quaedam selecta (= Bibliotheca Franciscana Scholastica Medii Aevi 8), hrsg. v. Ferdinand Delorme, Florenz 1934 THOMAS VON AQUIN, Opera omnia iussu Leonis XIII edita cura et studio Fratrum Praedicatorum ALBERTUS MAGNUS, Opera omnia, ex editione Lugdunensi religiose castigata … cura et labore Steph. Caes. Aug. Borgnet, 38 Bde., Parisiis 1890–1899 THOMAS VON AQUIN, Doctoris angelici divi Thomae Aquinatis sacri ordinis F. F. Praedicatorum opera omnia …, studio ac labore Stanislai Eduardi Fretté et Pauli Maré, 34 Bde., Paris 1871–1880

Quellenausgaben FC GCS *HBPhMA LCL *Opp. PhB PG PL PhMed PTS *SChr SpicBon TPMÂ

Fontes Christiani Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters The Loeb Classical Library BONAVENTURA, Opera omnia, 10 Bde., Quaracchi 1882–1902 Philosophische Bibliothek Jacques-Paul MIGNE (Hrsg.), Patrologiae cursus completus. Series Graeca Jacques-Paul MIGNE (Hrsg.), Patrologiae cursus completus. Series Latina Philosophes médiévaux Patristische Texte und Studien Sources chrétiennes Spicilegium Bonaventurianum Textes philosophiques du moyen âge

433

3

Personenregister

Eine im Register kursiv gesetzte Seitenzahl weist darauf hin, dass der entsprechende Name nur in den Fußnoten dieser Seite vorkommt. Um Doppelungen zu vermeiden wurden die Editoren der Quellen und die Herausgeber von Sammelbänden nicht ins Personenregister aufgenommen. Die unter dem Stichwort „Alexander von Hales“ aufgeführten Vorkommen weisen auch auf die (in seinem Umkreis entstandene) Summa Halensis hin. Die Vorkommen von Schriften anonymer Autoren findet man im Sachregister unter dem Titel der jeweiligen Schrift. Abraham 63, 126, 379 Abu-Shanab, Robert Elias 93 Ackermann, Silke 68 Adam 37, 298, 311, 341, 343, 344, 356, 359, 379 Aegidius Romanus (um 1243/7 – 1316) 239, 273, 307 Ailly, Pierre d’ (um 1350 – 1420) 38 Alain von Lille (um 1125/30 – 1203) 53, 389 Albertus Magnus (um 1200 – 1280) 16, 36, 38, 39, 41, 43, 44, 46, 48, 49, 50, 55, 56, 58, 62, 64, 65, 66, 69, 70, 71, 76, 120, 165, 167, 171, 173, 179, 185, 191, 197, 201, 202, 203, 213, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 238, 240, 243, 245, 258, 266, 268, 270, 274, 295, 298, 299, 308, 310, 311, 312 al-Biṭrūǧi (2. Hälfte d. 12. Jh.) 45 Alcher von Clairvaux (12. Jh.) 417 al-Chwarizmi († zw. 835 u. 850) 35 Alexander Bonini von Alessandria (um 1270 – 1314) 25 Alexander Pp. III. (1100/5–1181) 420 Alexander von Aphrodisias (2. – 3. Jh.) 68, 95, 103, 104 Alexander von Hales († 1245) 39, 41, 44, 46, 48, 55, 57, 58, 59, 63, 71, 75, 79, 165, 167, 170, 172, 174, 179, 183, 184, 188, 189, 190, 191, 192, 194, 196, 197, 202,

211, 227, 238, 258, 266, 277, 280, 295, 297, 298, 307, 308, 312, 315, 316, 317, 318 al-Fārābī (um 870 – 950) 35, 70 Alfarabius siehe al-Fārābī al-Farġānī (Anfang 9. Jh.) 35 Alfraganus siehe al-Farġānī Algazel siehe al-Ġhazzālī al-Ġhazzālī (1058–1111) 70, 93 Alhazen siehe Ibn al-Haiṭam al-Kindī (um 805 – um 873) 35, 70 Alkindus siehe al-Kindī Alkuin († 804) 294 Alpetragius siehe al-Biṭrūǧi Ambrosius († 397) 44, 169, 379 Anawati, Georges C. 69, 70 Anselm von Canterbury (1033–1109) 202, 219, 242, 247, 248, 267, 309 Antiphon (5. Jh. v. Chr.) 98, 103 Anzulewicz, Henryk 179, 299 Apian, Peter (1495/1501–1552) 37, 51, 65 Apuleius von Madaura (um 125 – 180) 54, 95, 294, 306 Argerami, Omar 93 Aris, Marc-Aeilko 68 Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) 16–19, 20, 22, 35, 36, 37, 40, 43, 44, 48, 51, 52, 56, 57, 59, 66, 67–81, 83, 85, 87, 89, 93, 95, 96–111, 112, 117, 143, 158,

Personenregister 165, 166, 167, 171, 172, 174–79, 180, 182, 183, 184, 186, 195, 196, 201, 203, 205, 206, 207, 211, 212, 213, 214, 215, 216, 219, 225, 229, 230, 231, 232, 234, 235, 236, 237, 239, 241, 242, 244, 245, 246, 249, 252, 253, 254, 255, 261, 266, 267, 269, 270, 271, 279, 285, 288, 289, 303, 304, 305, 307, 316, 324, 328, 329, 331, 340, 341, 345, 349, 402, 404, 410, siehe auch im Sachregister Aristoteles, Pseudo- 71 Augustinus, Aurelius (354–430) 14, 15, 18, 19, 20, 22, 30, 44, 54, 55, 61, 81, 87, 96, 103, 104, 105, 106, 112–61, 166, 169, 173, 175, 177, 180, 181, 182, 184, 186, 187, 188, 189, 193, 200, 201, 202, 217, 220, 260, 261, 263, 267, 268, 270, 272, 276, 278, 284, 285, 286, 293, 294, 295, 297, 301, 304, 305, 311, 312, 327, 328, 329, 335, 339, 340, 362, 371, 373, 378, 382, 404, 406 Augustinus, Pseudo- 55, 181, 182, 186, 364 Averroes (1126–1192) 17, 26, 36, 43, 68, 69, 70, 75, 76, 78, 79, 80, 85, 95, 104, 121, 176, 207, 213, 214, 229, 234, 238, 267, 268, 269, 270, 271, 274, 340, 341, 345 Avicebron (um 1020 – 1067/8) 70, 71, 75, 81 Avicenna (979–1037) 17, 35, 41, 43, 45, 68, 69, 70, 75, 76, 78, 81, 104, 229, 238, 258, 268, 269, 271 Avicenna, Pseudo- 68 Baeumker, Clemens 294 Baldner, Stephan 20, 282 Basilius von Caesarea (329/30–379) 44 Bazán, B. Carlos 17, 69 Beda Venerabilis (um 672 – 735) 35, 44, 46, 53, 55, 56, 64, 169, 180, 198, 222, 249, 312, 373, 381 Beda, Pseudo- 46, 56 Beemelmans, Friedrich 171 Behler, Ernst 20 Beierwaltes, Werner 156 Bendel-Maidl, Lydia 414 Benedikt Pp. XVI. siehe Ratzinger, Joseph Benedikt von Nursia (um 480 – 547) 27 Berkowitz, Lucille 415 Bernard, P. 52

435 Bernardus Silvestris (um 1100 – um 1160) 35 Bernhard von Clairvaux (1090–1153) 323, 393 Bezner, Frank 420 Bianchi, Luca 20 Bigi, Vincenzo Cherubino 56, 173, 201, 211, 215, 218, 225, 241, 247, 257, 263, 264, 281, 282, 284, 286, 310, 326, 407 Bissels, Paul 259 Blasberg, Ralf 179 Boethius von Dacien (2. Hälfte d. 13. Jh.) 17, 20, 82, 88 Boethius, Anicius M. S. (um 480 – 524) 17, 67, 73, 96, 156, 182, 194, 202, 206, 230, 246, 295, 296, 299, 300, 303, 304, 317, 409 Boethos (2. Jh. v. Chr.) 103 Böhme, Gernot 99, 102 Bonansea, Bernardino 20 Bonaventura, Pseudo- 25 Bossier, Fernand 67 Bougerol, Jacques Guy 27, 29, 30, 73, 74, 75, 76, 78, 79, 86, 173, 282, 351, 398, 399, 404, 431 Brady, Ignatius 25, 270 Brams, Jozef 67 Breidert, Wolfgang 205 Briesemeister, Dietrich 67 Cassianus, Johannes (360/5–432/5) 27, 287 Chalcidius (4. Jh.) 35, 95, 294, 306 Chatelain, Émile 19, 60, 70, 73, 74, 81, 121 Châtillon, Jean 87 Cicero, Marcus T. (106 – 43 v. Chr.) 35, 112, 151 Clarenbaldus von Arras († um 1187) 35 Clasen, Sophronius 380, 382 Clavius, Christopher (1537–1612) 38 Cousins, Ewert H. 360 Cova, Luciano 173, 190, 319, 327, 328, 329 Daiber, Hans 70 Dales, Richard C. 20, 165, 166, 294, 295 Daniel 28 Daniel, E. Randolph 380 Dante Aligheri (1265–1321) 64 Decorte, Jos N. J. 24 Delio, Ilia 73, 356, 357, 360, 363, 370 Delorme, Ferdinand 27

436 Denifle, Heinrich 19, 60, 70, 73, 74, 81, 121 Dettloff, Werner 360, 370, 388 Dietrich von Freiberg († um 1318/20) 166, 293 Dionysius Areopagita, Pseudo- (um 500) 14, 31, 81, 295, 296, 299, 301, 317, 389 Distelbrink, Balduin 23, 24, 25, 26, 397 Dominicus Gundissalinus († nach 1181) 68, 71 Donati, Silvia 16 Dondaine, Hyacinthe-François 25 Doucet, Victorin 25 Duchrow, Ulrich 113, 120, 140, 142, 143 Duns Scotus, Johannes (1265/6–1308) 273, 296 Durandus von Mende d. Ä., Wilhelm (um 1230 – 1296) 61 Echternach, Helmut 133, 154 Elders, Léon 35 Epikur (341 – 270 v. Chr.) 103, 259 Eriugena siehe Johannes Scotus Eriugena Eudes Rigaud siehe Odo Rigaldi Euklid (um 295 v. Chr.) 395 Eustachius von Arras (um 1225 – 1291) 25 Eustratius von Nizäa (um 1050 – 1117) 76 Federici Vescovini, Graziella 55, 60 Fischer, Konrad 32, 321, 346 Fischer, Norbert 114, 115, 117, 120, 122, 123, 124, 127, 133, 134, 135, 136, 137, 141 Flasch, Kurt 54, 96, 112, 113, 114, 115, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 132, 134, 136, 137, 138, 141, 142, 143, 144, 148 Flüeler, Christoph 74 Frank, Karl Suso 27 Franziskus von Assisi (1181/2–1226) 76, 87, 310 Friedrich II. (1194–1250) 68 Gabirol, Salomo ben Jehuda ibn siehe Avicebron Galen (129–199) 99, 104, 268 Geerlings, Wilhelm 114, 151 Georges, Karl Ernst 188 Gerhard von Abbeville († 1272) 307 Gerhard von Borgo San Donnino († um 1276) 381 Gerhard von Cremona (1114–1187) 68, 72

Personenregister Gerken, Alexander 342, 346, 347, 348, 350, 351, 352, 353, 354, 355, 356, 357, 359, 360, 362, 366, 368, 369, 370, 388, 394, 395, 396, 409, 410 Ghisalberti, Alessandro 56, 173, 219, 221, 222, 234, 249, 261, 264, 270, 272, 274 Gilson, Étienne 14, 16, 18, 23, 71, 76, 84, 85, 264, 265, 270, 313, 320, 321, 340 Glorieux, Palémon 25, 73, 165, 397, 414 Gottfried von Fontaines († nach 1306/9) 212 Grabmann, Martin 23 Grant, Edward 35, 36, 38, 39, 41, 44, 45, 46, 47, 51, 52, 58 Gregor Pp. I., der Große (540–604) 312, 378, 379 Gregor Pp. IX. (vor 1170 – 1241) 73, 81 Gregor Pp. X. (um 1210 – 1276) 27 Gregor von Nazianz (um 326 – um 390) 287 Gregor von Nyssa (um 335/340 – vor 400) 44 Greive, Hermann 70 Gruber, Joachim 67 Guardini, Romano 293, 360 Guilelmus Alvernus siehe Wilhelm von Auvergne Guilelmus de Moerbeka siehe Wilhelm von Moerbeke Gundisalvi siehe Dominicus Gundissalinus Gurjewitsch, Aaron J. 96 Haas, Max 70 Hadot, Pierre 140 Halder, Alois 96 Hamesse, Jacqueline 27 Hayes, Zachary 30, 321, 344, 346, 349, 350, 352, 353, 355, 356, 357, 362, 367, 368, 369, 370, 371, 383, 384, 385, 390, 392, 393, 394, 395, 396 Hayoun, Maurice-Ruben 71 Heidegger, Martin 127 Heijden, Maarten van 23 Heinrich von Gent († 1293) 121, 296 Hellmann, John A. Wayne 208, 337, 343, 346, 352, 353, 356, 357, 359, 360, 368, 387, 388, 389, 390, 391, 392, 407, 408 Heraklit von Ephesus (um 544 – 483 v. Chr.) 96 Hieronymus (um 347 – 419) 44, 202, 330 Hilarius von Poitiers (um 315 – 367) 23

Personenregister Hildebert von Lavardin († 1133) 414 Hipparch († um 120 v. Chr.) 44, 50 Hirschberger, Johannes 96 Hödl, Ludwig 17, 24, 69, 71, 73, 414 Høeg, Peter 257 Homer (8. Jh. v. Chr.) 96 Honorius Augustodunensis (um 1070 – 1140) 45, 53, 58, 64, 379 Horn, Christoph 57 Hrabanus Maurus (um 780 – 856) 35, 45, 46, 53, 55 Hugo von Sankt Viktor († 1141) 195, 295, 414 Hundsbichler, Helmut 70 Iacobus Veneticus siehe Jakob von Venedig Ibn al-Haiṭam († 1039/40) 35 Ibn Gabirol siehe Avicebron Ibn Qurra, Thābit siehe Thābit ibn Qurra Ibn Rušd siehe Averroes Ibn Sīnā siehe Avicenna Imbach, Ruedi 19, 104 Innozenz Pp. V. siehe Petrus von Tarentaise Isaak Israeli († 932/955) 35, 299 Isabella von Longchamp (1224–1269) 26 Isidor von Sevilla (um 560 – 636) 35, 59, 188, 249, 414 Jakob von Venedig († nach 1147) 67, 68, 235, 236, 328 Jamblichus (um 250 – um 330) 99 Jeck, Udo R. 19, 22, 93, 95, 96, 98, 102, 103, 104, 120, 121, 179, 268, 340, 341 Joachim von Fiore (1135–1202) 15, 380, 381, 382, 387, 404 Johannes Peckham (1230–1292) 69 Johannes Philoponus († nach 570) 44, 68 Johannes Scotus Eriugena (Mitte 9. Jh.) 54 Johannes von Damaskus (um 650 – vor 754) 45, 60, 80, 190, 191 Johannes von Rupella († 1245) 75 Johannes von Sacrobosco (1. Hälfte d. 13. Jh.) 35, 36, 39, 45, 50 Josephus, Flavius (37/38 – um 100) 45 Kienzler, Klaus 115, 124, 158, 161 Kneale, William C. 96, 97, 98 Konstantin I., der Große (270/288–337) 394 Koriskos 99, 239 Kötting, Bernhard 151 Kurdziałek, Marian 52

437 Leinsle, Ulrich G. 67, 70, 76, 79, 81, 82, 91, 92, 264, 388, 393, 394 Lohfink, Gerhard 67, 68, 70, 71, 406 Luscombe, David 67 Luzifer 65, 317 Macrobius (5. Jh.) 35 Maier, Anneliese 105, 120, 266, 273, 274 Maimonides (1138–1204) 35, 58, 71, 104 Mansfeld, Jaap 97, 98 Mansion, Augustin 105, 266, 271 Maranesi, Pietro 27 Maria 63, 390, 391, 395, 409 Martianus Capella (5. Jh.) 35, 54 Maurach, Gregor 52 Mayer, Annemarie C. 136 McGinn, Bernard 380 Merz, Birgit 417 Meyer, Egbert 68 Michael Scotus (um 1175 – um 1234) 39, 68, 69 Mojsisch, Burkhard 19 Mose ben Maimon, Rabbi siehe Maimonides Moses 157, 373, 374, 379, 382 Müller, Max 96 Muñoz-Alonso, Adolfo 83, 84 Neuenschwander, Erwin 35 Noah 298, 379 Nyssen, Wilhelm 31, 34 O’Daly, Gerard J. P. 112, 144, 150, 158, 159 Odo Rigaldi (um 1205 – 1275) 75 Odo von Lucca (1. Hälfte d. 12. Jh.) 53, 414 Olivi, Petrus Johannis (1247/8–1296) 81, 273 Origenes (um 185 – um 254) 317 Parmenides (um 540 – 470 v. Chr.) 96, 97, 98 Paulus 53, 124, 227, 362, 381 Petrus 227 Petrus de Alliaco siehe Ailly, Pierre d’ Petrus Lombardus († 1160) 23, 45, 46, 47, 53, 54, 58, 161, 167, 169, 175, 177, 181, 276, 277, 285, 287, 398, 414 Petrus von Tarentaise (um 1224 – 1276) 41, 48, 266 Platon (428/7 – 348/7 v. Chr.) 34, 35, 43, 50, 54, 78, 95, 96, 98, 99, 108, 112, 134, 139, 161, 288, 294, 302, 305, 306, 341, 410

438 Plinius d. Ä. († 79 n. Chr.) 35 Plotin (204/5–270) 68, 71, 95, 112, 156, 300, 305 Porphyrios († zw. 302 u. 305) 54, 73 Porro, Pasquale 111, 121, 172, 229, 232, 236, 239, 245, 247, 249, 266, 268, 274, 294, 295, 296, 307, 308, 310, 312, 314, 315, 316, 317 Proklos Diadochos (410–485) 72, 96, 294 Protagoras (um 490? – um 411? v. Chr.) 205 Prunières, Louis 360 Ptolemäus, Claudius (um 100 – 170) 36, 44, 52, 410 Pythagoras (um 582 – 497/6 v. Chr.) 96 Quinn, John F. 71 Quinn, John M. 112, 113, 120, 121, 122, 125, 126, 136, 142, 149, 150, 151, 158 Raimund von Toledo († 1152) 68 Raimundus Lullus (um 1235 – 1336) 121 Rapp, Christof 57 Ratzinger, Joseph 19, 80, 82, 166, 178, 179, 190, 203, 288, 370, 374, 375, 378, 379, 380, 381, 382, 383, 384, 387, 388, 389, 390, 391, 401, 404, 406 Rehn, Rudolf 19 Remigius von Auxerre (nach 841 – 908?) 55 Remigius von Auxerre, Pseudo- 178 Richard von Mediavilla (um 1249 – 1307/8) 48, 212, 266 Richard von Sankt Viktor († 1173) 180, 193, 194, 200, 279, 281, 284, 285, 301 Rieger, Reinhold 23 Riet, Simone van 68 Robert Grosseteste (vor 1170 – 1253) 39, 42, 45, 52, 57, 58, 120 Robert Kilwardby († 1279) 69, 74, 166, 180, 188, 190, 192, 207, 211, 213, 216, 273, 285, 296, 298 Rodolfi, Anna 201, 215, 219, 221, 225, 227, 234, 264, 284 Roest, Bert 23 Roger Bacon († um 1292) 36, 45, 73, 74, 179, 273, 314 Roland von Bologna (2. Hälfte d. 12. Jh.) 53, 420 Rolandus Blandinelli siehe Alexander Pp. III Rufinus von Aquileia (345–410/1) 55 Salomo 30, 166, 386

Personenregister Sasse, Hermann 110 Schaeffler, Richard 136 Schaiffers, Karl 50 Schlosser, Marianne 18, 23, 24, 26, 73, 75, 76, 82, 87, 89, 92, 93, 320, 331, 350, 352, 355, 357, 362, 381, 398, 431 Schmidt, Ernst A. 136, 142 Schmitz, Hermann 110, 111 Schmitz, Rolf P. 70, 71 Schnarr, Hermann 71 Schönberger, Rolf 20 Schulte-Klöcker, Ursula 54, 115, 118, 122, 123, 134, 150 Schütz, Ludwig 184 Schwarz, Gerhard 100, 101 Schwertner, Siegfried M. 432 Seckler, Max 110 Seneca, Lucius A. (um 1 v. Chr – 65) 103, 112 Sextus Empiricus (2./3. Jh.?) 96, 103, 112 Siger von Brabant († 1281/4) 17, 69, 295 Simon, Josef 95 Simplikios (um 500 – nach 533) 68, 103 Smalley, Beryl 414 Solignac, Aimé 54 Sorabji, Richard 97, 99, 102, 103, 106, 138, 148 Speer, Andreas 16, 82, 85, 86, 87, 88, 346 Squitier, Karl A. 415 Steel, Carlos 98 Steenberghen, Fernand Van 16, 17, 18, 19, 20, 23, 26, 29, 30, 68, 69, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 79, 80, 81, 82, 84, 89 Stoevesandt, Hinrich 61, 63, 191, 192, 391, 397, 398, 399, 401, 405, 408, 409 Te Velde, Rudi 402, 403 Tempier, Étienne († 1279) 17, 69 Thābit ibn Qurra (836 – 901) 45 Thaut, Rudolf 19, 32, 295, 322, 347, 370 Themistios (um 317 – 388) 68, 95, 103, 104 Theodoricus Teutonicus de Vribergh siehe Dietrich von Freiberg Thierry von Chartres († um 1156) 35 Thomas von Aquin (1225–1274) 16, 17, 20, 39, 44, 45, 46, 48, 49, 50, 51, 55, 56, 58, 59, 64, 65, 66, 69, 71, 72, 76, 137, 165, 171, 175, 179, 183, 184, 185, 188, 192, 197, 203, 205, 207, 210, 211, 212,

Personenregister 213, 231, 232, 234, 235, 236, 237, 238, 247, 251, 252, 253, 255, 259, 264, 266, 270, 273, 274, 277, 280, 287, 294, 295, 296, 307, 312, 315, 316, 317, 335, 401, 402, 404 Thomas von Sutton († um 1315) 201, 231, 232, 233, 234, 236, 237, 238, 239, 243, 246 Thorndyke, Lynn 39 Travin, Gerhard 50 Van de Sande, Antonius 25 Vincent von Beauvais (um 1190 – 1264) 42, 44, 46, 179 Vincentius Burgundus siehe Vincent von Beauvais Volpi, Franco 166 Vries, Josef de 261 Vuillemin-Diem, Gudrun 69 Weigand, Rudolf 420 Weis, Josef 96, 112, 142, 143

439 Wendelborn, Gert 380 Wicki, Nikolaus 66, 398 Wieland, Georg 68 Wieland, Wolfgang 101, 102, 106 Wilhelm Durandus von Mende siehe Durandus von Mende d. Ä., Wilhelm Wilhelm von Auvergne (um 1180 – 1249) 39, 44, 55, 56, 60, 71, 137, 188, 192, 201, 277, 296 Wilhelm von Conches (um 1080 – um 1154) 35 Wilhelm von Melitona († 1257) 75 Wilhelm von Moerbeke (um 1215 – 1286) 68, 95, 207 Wilhelm von Ockham (um 1286 –1347) 296 Wissink, Jozephus B. 20 Zahner, Paul 19, 27, 381, 387 Zenon von Elea (um 490 – 430 v. Chr.) 97, 103

4

Sachregister

Im Register kursiv gesetzte Stichworte weisen auf Schriften anonymer Autoren hin. Ist dagegen eine Seitenzahl kursiv gesetzt, so kommt der entsprechende Begriff ausschließlich in den Fußnoten der jeweiligen Seite vor. 24 49, 50, 176 42 384 a se siehe Sein, absolutes/erstes/göttliches (ens a se, esse primum, esse divinum) ab aeterno 145, 193, 194, 278, 279, 280, 281, 307, 318, 345, 402, 404, siehe auch Ewigkeit der Welt Abbild (imago, simulacrum) 110, 118, 159, 161, 218, 283, 297, 305, 306, 320, 324, 336, 337, 339, 342, 346, 351, 352, 353, 354, 357, 358, 360, 361, 368, 393, 408, siehe auch Ebenbildlichkeit und Ähnlichkeit (similitudo) Abbild der Ewigkeit 95, 98, 108, 158, 306, 353, 408 Abend (vesper[a]) 27, 146, 148, 149, 150, 344 Abenderkenntnis (cognitio vespertina) siehe Erkenntnis der Engel abendlos 150, 406 Abfolge siehe successio, successivus abgeschieden (secretus) 55, 57, 58, 65, 66, 73 Abhängigkeit (dependentia) 64, 85, 130, 131, 142, 158, 185, 200, 249, 258, 268, 278, 281, 282, 284, 305, 309, 312, 317, 321, 325, 331, 347, 368, 382, 409 Abnahme (diminutio, decrescere) 119, 173, 182, 191, 400 Abschluss siehe Ende, Abschluss absolut 30, 80, 87, 92, 100, 104, 109, 111, 136, 139, 208, 216, 244, 248, 263, 278,

301, 308, 310, 340, 343, 352, 362, 367, 376, 389, siehe auch Sein, absolutes/ erstes/göttliches (ens a se, esse primum, esse divinum) Abstieg (descensus) 47, 65, 82, 84, 91, 131, 346, 356, 391, 392, 393, 394, 395 abstrakt, Abstraktion 15, 86, 101, 105, 108, 136, 149, 166, 183, 215, 218, 220, 223, 235, 257, 262, 263, 266, 268, 272, 277, 305, 306, 318 abtrennbar, abgetrennt (separatus) 295, 307, 313, 324, 330, siehe auch mensura separata accidens multiplicatur … 104, 210, 254, 266 Acht 24, 38, 39, 44, 51, 150, 354, 366, 384, 390, 400, siehe auch Sphäre, achte aetas siehe Epoche, Lebensalter und Zeitalter (aetas) aeternitas siehe Ewigkeit (aeternitas, aeternus) aeternitas creata siehe Ewigkeit, geschaffene (aeternitas creata) aevitern 202, 220, 247, 248, 295, 297, 307, 308, 309, 311, 312, 315, 316, 317, 318, 319, 322, 324, 325, 327, 330, 341, 342, 343, 373 aeviternitas 60, 66, 166, 293, 319, 322, 323, 343, 406 aevum (αἰὼν) 19, 20, 23, 110, 111, 121, 130, 150, 151, 152, 161, 165, 166, 168, 170, 172, 175, 177, 181, 186, 187, 188–93, 197–203, 210, 212, 216, 217, 219, 220,

Sachregister 223, 224, 225, 226, 227, 235, 246, 247, 256, 258, 264, 265, 266, 270, 273, 277, 287, 291–331, 335, 336, 337, 341, 350, 399, 406, 407, 408, 409, siehe auch coaevus, coaequaevus und Ewigkeit, geschaffene (aeternitas creata) affectus 89, 126, 128, 140, 167, 175, 270, 322, 323, 356, 376, 377, 378, 383 Affekt, affektiv (affectio) 117, 118, 121, 122, 123, 141, 142, 170, 179, 181, 183, 185, 186, 187, 189, 198, 223, 225, 226, 248, 267, 270, 298, 308, 310, 311, 327, 328, 330, 336, 341, 377, 383 Agens 69, 123, 234, 281, 302 Aggregatszustand 46, 47 agilitas 327, 328, 329, 407, siehe auch Beweglichkeit (mobilitas) Ägypten 82, 87, 384 Ähnlichkeit (similitudo) 28, 45, 50, 65, 93, 129, 151, 306, 315, 336, 339, 342, 351, 352, 357, 358, 360, 393, 408, siehe auch Verähnlichung Aion siehe aevum (αἰὼν) Akt, Handlung, Vollzug (actus) 27, 28, 29, 64, 109, 118, 119, 122, 123, 124, 125, 138, 143, 148, 170, 172, 175, 182, 183, 185, 189, 208, 242, 243, 246, 247, 259, 260, 262, 270, 278, 302, 309, 311, 320, 322, 323, 327, 328, 377, 378, 407, siehe auch Tätigkeit, Tun, Wirken (actio, operatio), aktual, aktuell, wirklich (actualis, in actu), Tun (agere) und Wirklichkeit, Realität (ἐνέργεια) Akt, reiner (actus purus, omnino actus, actualissimum) 25, 157, 226, 247, 248, 300, 309, 325 aktiv 26, 40, 41, 62, 122, 123, 220, 264, 273, 277, 278, 317, 345 aktual, aktuell, wirklich (actualis, in actu) 102, 104, 108, 109, 118, 123, 147, 221, 224, 227, 232, 233, 238, 242, 243, 248, 260, 265, 267, 273, 307, 308, 313, 328, 343, 345, siehe auch Akt, reiner (actus purus, omnino actus, actualissimum) und Unendlichkeit, aktuale Aktualität (actualitas) 41, 104, 200, 226, 243, 247, 310, 313, 331

441 Aktuierung, Verwirklichung 42, 149, 182, 210, 211, 218, 225, 235, 246, 257, 261, 264, 272, 286, 309, 321, 340, 342, 346, 353, 365, 367, siehe auch Entelechie und Wirklichkeit, Realität (ἐνέργεια) Akzidens (accidens) 39, 79, 157, 158, 191, 195, 210, 211, 212, 218, 220, 223, 234, 238, 254, 258, 259, 265, 266, 267, 268, 272, 274, 283, 302, 303, 313, 316, 317, siehe auch accidens multiplicatur …, mensurare per accidens/essentiam und Veränderung, akzidentelle (mutatio secundum accidens) Akzidens der Akzidenzien 103, 259 Akzidens der Bewegung 18, 99, 101, 103, 104, 106, 109, 215, 255, 258, 304 akzidentell (accidentalis) 62, 145, 183, 187, 190, 206, 213, 266, 272, 278, 303, 307, 317, 342, 364, 374, 404, siehe auch Unendlichkeit, akzidentelle, Veränderung, akzidentelle (mutatio secundum accidens) Allegorie, allegorisch 61, 146 Allgegenwart (ubiquitas) 23, 213, 303, 389 allgemein (communis) 44, 51, 52, 53, 56, 57, 79, 101, 102, 117, 170, 171, 175, 183, 184, 188, 195, 197, 202, 205, 206, 211, 214, 218, 223, 226, 230, 245, 261, 263, 269, 271, 272, 274, 283, 294, 301, 302, 304, 307, 311, 319, 328, 330, 339, 379, 384, 408, siehe auch mensura communis, tempus communiter/communissime und Zeit, verallgemeinerte Allgemein(es), Allgemeinheit (universalis, generalis) 31, 42, 43, 48, 69, 71, 85, 101, 110, 140, 171, 173, 197, 218, 223, 263, 264, 265, 268, 271, 275, 285, 299, 318, 337, 338, 344, 350, 354, 370, 376, 384, 385, siehe auch unitas universalitatis Allmacht (omnipotentia) 65, 151, 156, 158, 169, 305, 383 allmählich (paulative) 186, 270, 358 Allwissenheit (omniscientia) 65 Alpha und Omega 346, 351, 355, 360, 361, 389, 393, 396, 409 alt, altern (vetus, inveteratio) 40, 58, 67, 78, 87, 96, 107, 124, 128, 202, 236, 246,

442 248, 310, 330, 382, siehe auch Welt, ältere alteratio 310 Altes Testament 358, 373, 375, 379, 380, 381, 382, 384, 385, 386, 387 analog, Analogie 65, 100, 107, 111, 259, 261, 262, 346, 403, siehe auch Einheit, analoge und Proportionalitätsanalogie Analyse siehe Bewegungsanalyse, Erkenntnisanalyse und Zeitanalyse Andersheit 156, 304 Anderswerden 225, 407 Anfang der Bewegung 147, 148, 149, 178, 189, 218, 221, 287 Anfang der Dauer 199, 247 Anfang der neuen Zeit 361, 369, 385, 386 Anfang der Welt/Schöpfung 80, 121, 145, 146, 149, 150, 169, 197, 198, 199, 241, 277, 279, 284, 286, 287, 339, 345, 353, 370, 374, 379, 383, 402, 403, 408, siehe auch Ewigkeit der Welt und Schöpfungsmoment Anfang der Zeit 14, 15, 142, 145, 146, 147, 148, 149, 169, 172, 177, 178, 179, 189, 193, 195, 196, 218, 221, 264, 277, 279, 284–90, 307, 330, 335, 336, 337, 338, 339, 345, 347, 369, 395, 397, siehe auch Anfang der Welt/Schöpfung und Ewigkeit der Welt Anfang, Beginn (initium, incipere) 15, 16, 53, 59, 85, 89, 90, 99, 101, 105, 109, 117, 119, 127, 128, 131, 132, 142, 144, 145, 146, 149, 150, 153, 160, 169, 170, 175, 186, 193, 195, 199, 207, 215, 219, 225, 230, 231, 233, 239, 240, 248, 251, 252, 253, 268, 279, 280, 281, 282, 284, 286, 288, 289, 295, 298, 306, 307, 310, 326, 343, 345, 346, 347, 352, 353, 358, 359, 361, 369, 370, 372, 378, 384, 385, 388, 389, 390, 392, 401, 404, 406, 408, siehe auch Neuanfang, Neubeginn und Prinzip, Ursprung (principium, ἀρχή) Anfangslosigkeit 108, 111, 132, 149, 151, 153, 193, 288, 289, 295, 301, 303, 306, 307, 330, 345 Angelologie 21, 23, 161, 169, 179, 270, 316, 317, 319, siehe auch Engel, Geistwesen

Sachregister angemessen (decuit) 53, 64, 92, 160, 329, 349, 357, 358, 363, 396 Angesicht 53, 126, 127, 128, 323, 343 Anhangen (cohaerere, se tenere) 126, 127, 128, 129, 130, 137, 138 Anordnung siehe Ordnung (ordo) Anschauen siehe contuitus, intuitus Anthropologie 13, 21, 166, 319, 335, 337, 349 Anthropozentrik 402 Antiaristotelismus 19, 80, 93 Antiintellektualismus 82 Antiphilosophismus 80, 82 Antirationalismus 82 Anzahl siehe Zahl (numerus, ἀριθµός) apex mentis 304 Apokalypse siehe Offenbarung des Johannes Aporie 99, 102, 103, 113, 115, 140, 212, 237 appetitus 283, 311, 320, 325, 329, siehe auch Hunger/Streben nach Form Appropriation, appropriativ 23, 26, 65, 322, 360, 365, 381 aptitudo 302, 325, 407 äquivok 125, 239, 259 Aristoteleskommentar 45, 103, 165 Aristotelesrezeption 16, 17, 30, 34, 35, 67– 94 Aristotelesverbot 17, 73, 74, siehe auch Verurteilung … aristotelisch siehe Aristoteles im Personenregister und Zeit, aristotelische Aristotelismus 17, 26, 30, 33, 67–94, 374 Art siehe species Art/Weise des Dauerns (modus durandi) 107, 201, 227, 235, 299, 305, 307, 337, 341 Artes-Fakultät 17, 72, 73, 74, 78, 167 artifex siehe Schöpfer (creator) Arzt (medicus) 358, 359, 386 Astronomie 36, 45, 49, 50, 51, 178, 410 Äther (quinta essentia) 37, 40, 45, 46, 50, 54, 55, 109, siehe auch Himmelsmaterie Atom, Atomismus 97, 100, 249 attentio 117, 118, 119, 122, 123 Attribut Gottes/der Ewigkeit 152, 155, 194, 208, 300 auctoritas 44, 77, 78, 81, 92, 190, 194, 198, 365

Sachregister Auctoritates Aristotelis 47, 75, 174, 182, 186, 196, 205, 215, 224, 233, 235, 241, 244 Aufbau (constitutio) 28, 37, 39, 42, 47, 61, 136, 166, 167, 170, 171, 194, 206, 232, 259, 260, 297, 315, 316, 318, 319, 376, 379, 383, siehe auch erzeugen, Erzeugung (facere, factio), formen, bilden, konstituieren (formare, fabricare), hervorbringen (producere), Konstitutionsprinzip, konstitutiv, Schöpfung (creatio, constitutio mundi), Zusammengesetztes (compositum) und Zusammensetzung (compositio) Aufbau der Welt siehe Kosmologie aufeinanderfolgend (consequenter) 49, 104, 176, 243, 244, 247, 249, 250, 252, 253, 254, 257, 377, 378, siehe auch successio, successivus Auferstehung (resurrectio) 31, 138, 150, 326, 354, 358, 372, 384, 390, 391, 400, 401, 402, 405, 406 Auferstehungsleib 63, 150, 244, 319, 326, 327, 328, 329, 405 aufheben siehe entleeren, aufheben (evacuare) Aufhören (desitio, cessare) 61, 105, 158, 172, 177, 188, 189, 190, 192, 215, 258, 267, 281, 282, 298, 328, 372, 381, 400, 402, 407, siehe auch Ende, Abschluss Aufnahmevermögen (potentia receptiva) 118, 264, 367 Aufscheinen siehe Erscheinen (apparentia) Aufstieg (ascensus) 32, 62, 65, 80, 84, 85, 110, 177, 191, 223, 297, 304, 313, 324, 337, 342, 346, 348, 353, 354, 362, 369, 375, 383, 384, 390, 391, 392, 393, 401 Augenblick siehe Jetzt, Augenblick (nunc, instans, νῦν) Ausdehnung, Erstreckung (extensio) 39, 117, 119, 170, 185, 190, 202, 209, 217, 219, 228, 233, 247, 248, 309, 317, 327, 386, siehe auch distentio ausdehnungslos 154, 217, 230 Ausgang siehe Hervorgang (egressio, egressus, exitus) Außenwelt 18, 121, 122, 123, 321

443 außerhalb des Bewusstseins siehe außerseelisch äußerlich siehe extrinsisch (extrinsecus) außerseelisch 70, 103, 104, 120, 122, 142, 161, 216, 267, 268, 269, 329, 339, 340, siehe auch Zeit, äußere und Zeitobjektivismus Averroismus 17, 19, 26, 69, 79 Baum 152, 379, 380, 382, 386 Baum der Erkenntnis 82 Bedingung siehe conditio Bedürfnis, Bedürftigkeit (indigentia) 32, 84, 89, 148, 184, 209, 210, 247, 248, 283, 309, 313, 314, 325, 329, 342, 358, 385, siehe auch Notwendigkeit (necessitas) befestigen siehe fest (fixus, stabilis) Beginn … siehe Anfang … begrenzt, Begrenztheit (limitatio) 59, 76, 130, 151, 184, 188, 189, 208, 211, 216, 219, 224, 228, 233, 244, 275, 299, 301, 306, 345, 347, 378, 403, 407, siehe auch Grenze (terminus, terminare) Behältnis (vas) 56, 59, 118, 183, 184, 221 Bekanntestes (notissimum, γνωριµώτατος) 52, 102, 109, 116, 176, 214, 236, 267 Berufung (vocatio) 124, 126, 140, 379, 382 berühren (attingere) 14, 88, 185, 347, 388 Berührendes (contiguum) 241, 242, 252 Beschauung siehe contemplatio beseligend (beatificus, beatificare) 127, 283, 305, 320, 322, 343 Besitz (possessio, tentio) 96, 126, 127, 130, 132, 156, 247, 300, 308, 322, 323, 328, 337, 388, 407, 408, 409 Beständigkeit 108, 109, 123, 128, 131, 132, 144, 191, 247, 295, 329 bestehen bleiben, fortbestehen, fortdauern 62, 102, 108, 131, 140, 145, 242, 272, 305, 327, 328, 345, 402, 405, 406, 407, 408, 409 Bestes (optimum) 92, 110, 358, 362, 364, 389, 399, 405 Bestimmung siehe Determinierung (determinatio, determinatus) Betrachtung siehe contemplatio Bettelordensstreit 308, 381

444 bewahren (conservare) 41, 42, 49, 57, 59, 65, 134, 152, 199, 283, 317, 324, 325, 367 Bewegender/s (motor, movens) 36, 43, 45, 49, 59, 108, 183, 296, 325, 327, 329, 345, 366, siehe auch Bewegungsprinzip Beweger, erster unbewegter 36, 69, 72, 95, 107, 110, 111, 345 Beweglich(es) (mobilis, mobile) 16, 37, 38, 40, 46, 48, 49, 50, 51, 57, 107, 108, 120, 143, 174, 177, 183, 200, 214, 218, 221, 224, 236, 237, 238, 239, 240, 248, 249, 250, 259, 262, 264, 267, 274, 285, 306, 317, 329, siehe auch primum mobile/movens, primus motus und Veränderlich(es), Veränderlichkeit (mutabilis, mutabilitas) Beweglichkeit (mobilitas) 39, 49, 224, 228, 328, siehe auch agilitas Bewegt(es), bewegt werden, sich bewegen (motum, moveri) 38, 41, 43, 44, 48, 49, 51, 56, 66, 98, 100, 105, 106, 107, 109, 110, 111, 117, 140, 143, 146, 147, 148, 159, 174, 181, 183, 187, 200, 201, 202, 224, 225, 232, 236, 238, 257, 259, 267, 268, 271, 272, 296, 306, 327, 391 Bewegtheit 48, 323 Bewegung (motus, motio, κίνησις) 16, 18, 35, 38, 39, 41, 43, 45, 48, 49, 50, 52, 57, 62, 70, 95, 96, 97, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 108, 109, 110, 111, 116, 117, 122, 129, 133, 140, 141, 142, 143, 145, 146, 147, 148, 151, 154, 156, 157, 166, 168, 169, 170, 171, 172, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 190, 191, 192, 196, 198, 200, 201, 206, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 215, 218, 220, 221, 224, 225, 227, 231, 232, 234, 236, 237, 238, 239, 240, 241, 243, 246, 248, 251, 253, 254, 255, 258, 260, 263, 264, 267, 268, 269, 274, 275, 287, 306, 313, 327, 328, 329, 340, 342, 346, 353, 370, 390, 391, 392, 395, 400, siehe auch Anfang der Bewegung, Akzidens der Bewegung, Eigenbewegung, Engelsbewegung, Himmelsbewegung (motus caeli/sphaerae), Kreisbe-

Sachregister wegung (motus circularis), Maß(zahl) der Bewegung (mensura/numerus motus), motus/mutatio ad formam, Ortsbewegung (motus localis, motus ad situm, motus per locum), primum mobile/movens, primus motus, Sternbewegung, Sternenlauf und Veränderung (mutatio, µεταβολή) Bewegung, geistige (motus/mutatio spiritalis) 138, 146, 147, 148, 171, 181 Bewegung, geradlinige (motus rectus) 109, 110, 175, 232, 243, 268 Bewegung/Bewegliches, erste(s) siehe primum mobile/movens, primus motus Bewegungsanalyse 18, 49, 99, 108, 231, 240 Bewegungsarten 173, 182, 183, 187, 196, 198 Bewegungsprinzip 16, 35, 49, 327, 341, siehe auch Bewegender/s (motor, movens) Bewegungszustände 237, 238, 239, 254 Bewusstsein 102, 103, 106, 136, 159, 237, 320, 343, 399, siehe auch außerseelisch, Geist (animus) und innerseelisch Beziehung siehe Relation, Beziehung Bild siehe Abbild (imago, simulacrum) und figura bilden siehe formen, bilden, konstituieren (formare, fabricare) Bleibe 384 Bleiben, bleibend ([per]manens) 38, 55, 62, 90, 108, 115, 117, 118, 121, 122, 124, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 137, 138, 139, 140, 141, 143, 144, 149, 151, 152, 154, 155, 157, 158, 159, 160, 193, 200, 202, 212, 221, 231, 232, 233, 236, 237, 238, 239, 243, 244, 245, 246, 247, 248, 250, 265, 272, 275, 282, 283, 284, 296, 297, 300, 307, 310, 311, 327, 328, 342, 358, 403, 405, 406, 407, 408, 409, siehe auch Beständigkeit, bestehen bleiben, fortbestehen, fortdauern, fest (fixus, stabilis), mensura permanens/successiva, Selbstidentität, Selbigkeit, gleichbleiben, Stehen (stare) und zurückbleiben (remanere) Brot (panis) 186, 215, 222, 239, 243, 244, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256

Sachregister Buchstabe (littera) 35, 195, 322, 381, 386, siehe auch Heilige Schrift (sacra scriptura) Bundeslade (propitiatorium) 373, 382 caelum angelorum 45, 46, 53 caelum aplanon 44 caelum caeli 45, 53, 54, 59, 126, 127, 135, 137, 140, 147, 149, 260, 295 caelum empyreum siehe empyreum caelum intellectuale/spirituale 53, 54, 58, 64, 126, 127, siehe auch empyreum caelum planetarum 38 caelum Trinitatis siehe Trinität causa deficiens 281 causa efficiens 36, 236, 268, 278, 281, 365 causa materialis 236, 281, 282 charisma 31, 365, 385, siehe auch Gnade (gratia) Cherubim 373, 382, 385 christiformitas 352 Christologie 13, 15, 24, 26, 30, 161, 338, 349, 350, 351, 396 Christusähnlichkeit 368 circulus aeternitatis 354, 389 circulus intelligibilis 32, 320, 350, 351, 389, 390, 391, 393 circumscriptive, circumscriptum 184, 217, 220 claritas 59, 83, 90, 327, 385 Clementina Recognitiones 55 coaevus, coaequaevus 56, 151, 152, 165 coarctata temporis acceptio 167, 173, 178, 180, 203, 329 coincidentia oppositorum siehe Verbindung der Extreme collatio 26, 27 commensurare 184, siehe auch Kommensurabilität comparticipatio siehe Teilhabe (participatio) complementum 208, 350, 361, 363, 372, 401, 409 completio 195, 208, 356, 361, 363, 364, 367, 371, 372, 401, siehe auch Erfüllung ([ad]impletio) und Kompletionstheorie completus, complere 58, 60, 62, 219, 227, 264, 313, 319, 343, 361, 364, 366, 369, 401, 403, 406, siehe auch esse completum, essentia/substantia completa

445 concomitantia 227, 286, 299, 312, siehe auch Koexistenz (coexistentia) conditio 28, 40, 85, 125, 135, 144, 145, 178, 189, 268, 282, 301, 304, 319, 322, 342, 351, 367, 401 confinium 308, siehe auch in confinio aeternitatis confusus siehe Mischung, gemischt, vermischt ([per]mixtus) consubstantialis 146, 327 consummatio 55, 61, 62, 86, 89, 146, 321, 337, 346, 350, 359, 361, 362, 363, 365, 366, 368, 371, 381, 382, 388, 399, 401, siehe auch Ende/Vollendung der Welt und Vollendung contemplatio 28, 29, 30, 33, 53, 64, 79, 90, 126, 128, 135, 189, 321, 322, 342, 344, 378, 391, 393, 408, 410, siehe auch Schau (visio) continuatio 168, 176, 190, 212, 230, 231, 232, 236, 237, 243, 248, 323, 325, 400, 409, siehe auch Kontinuum, kontinuierlich (continuus, συνεχές) continuatio dati 130, 200, 309, 323 continuatio in esse 58, 199, 217, 241, 247, 299, siehe auch esse non intercisum contuitus, intuitus 116, 117, 122, 131, 142, siehe auch Schau (visio) und Sehen (videre) conversio siehe Hinwendung (conversio) und Transsubstantiation, Wandlung (conversio) correspondentia 227, 228, 342, 354, 369, 377, 379, 380, 382, 384, 386 corruptio siehe Verderben (corrumpere) und Vergehen (corruptio, φθορά) creatio continua 158, 199, 203, 247, 248, 282 creatio ex nihilo 70, 145, 146, 153, 169, 182, 195, 196, 199, 261, 276, 279, 281, 282, 283, 285, 286, 408 creatio-actio 277, 278 creatio-passio, creari 196, 203, 277, 278, 280, 281, 282, 283, 286, 289 crux intelligibilis 392, 393 cum tempore 145, 191, 236, 285, 287, 312 Dämon 54, siehe auch Erkenntnis der Dämonen

446 Dasein (existentia) 24, 44, 46, 52, 55, 60, 76, 86, 103, 107, 108, 109, 116, 122, 139, 142, 143, 149, 151, 157, 176, 177, 179, 198, 199, 200, 202, 209, 219, 227, 228, 230, 233, 234, 235, 237, 238, 243, 246, 247, 249, 254, 258, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 267, 275, 277, 279, 281, 282, 286, 287, 297, 298, 299, 301, 302, 303, 306, 307, 311, 320, 324, 329, 342, 345, 347, 351, 402, 403, 405, 406, siehe auch Subsistenz dator formarum 69 Dauer, Dauern (duratio) 107, 109, 110, 111, 117, 130, 142, 151, 168, 170, 177, 187, 189, 190, 191, 197, 198, 199, 200, 201, 202, 208, 210, 215, 216, 217, 219, 221, 222, 223, 225, 226, 227, 228, 233, 235, 239, 241, 243, 244, 245, 246, 247, 248, 254, 259, 272, 275, 282, 284, 287, 293, 294, 295, 296, 297, 298, 299, 300, 301, 304, 306, 308, 309, 310, 311, 312, 317, 318, 323, 324, 327, 330, 331, 336, 341, 400, 405, 407, siehe auch Anfang der Dauer, Art/Weise des Dauerns (modus durandi), bestehen bleiben, fortbestehen, fortdauern, esse non intercisum, Ewigkeit/Dauer, ungeschaffene, Maß der Dauer, duratives Maß (mensura durationis) und Wesen der Dauer (essentia durationis) Dauer, geschaffene (duratio creata) 168, 199, 200, 246, 247, 330 Dauer, unendliche 111, 181, 190, 198, 200, 201, 227, 239, 301, 307, 311, 336, 406, siehe auch Unendlichkeit der Zeit Dauer, ungeschaffene siehe Ewigkeit/Dauer, ungeschaffene Dauer/Zeit, eigene (propria duratio/periodus) 100, 212, 214, 215, 218, 221, 222, 241, 244, 245, 253, 254, 255, 256, 257, 266, 267, siehe auch mensura propria dauerhaft 110, 127, 132, 202, 323, 401 De caritate et de novissimis 25, 397 De differentia spiritus et animae 71 de nihilo siehe creatio ex nihilo De plantis 71 De pomo 71

Sachregister De productione rerum, de imagine Dei et de anima humana 25 De sacramento eucharistiae 184 De spiritu et anima 55, 364, 417 Defekt(ibel), Mangel 82, 85, 128, 135, 142, 178, 208, 233, 281, 283, 305, 321, 356, 363, 367, 407, 409, siehe auch causa deficiens, Privation und Entbehren (carentia) definitive 184 defluxus siehe fließen, Fluss (fluere, fluxus, fluvius) deiformitas 346, 351, 352, 358 Demiurg siehe Schöpfer (creator) Demut (humilitas) 88, 90, 137, 392, 393, 394 Denken, Gedanke (cogitatio, cogitare) 92, 98, 101, 103, 104, 123, 124, 125, 139, 142, 144, 146, 147, 151, 154, 156, 158, 181, 185, 189, 214, 218, 242, 248, 260, 270, 309, 327, 328, 347, 351, siehe auch Bewusstsein, Geist (spiritus), Geistseele (anima rationalis, νοῦς), ratio, Verstand und Vorstellung(svermögen) (imaginatio) desideratum, desiderabilis 36, 83, siehe auch Sehnsucht, Verlangen (desiderium) und geliebt, Geliebter, Geliebtes determinatio 16, 24 Determinierung (determinatio, determinatus) 63, 170, 171, 183, 216, 254, 255, 261, siehe auch mensura determinata/indeterminata Determinismus 17, 70 Differenz (differentia) 39, 117, 132, 188, 189, 193, 194, 201, 215, 218, 219, 221, 223, 226, 227, 229, 234, 236, 247, 251, 262, 263, 272, 278, 296, 302, 303, 307, 329, 341, 372, 408, 409 Differenz, gedankliche siehe secundum rationem Differenz, reale 232, 233, 240, 244, 252, 253, 255, 278, siehe auch secundum rem/esse/substantiam Differenz, vituelle siehe Virtualität, virtuell (secundum virtutem) dignatio 356, 371 Ding siehe Sache, Ding (res) discretio personalis 317

Sachregister diskontinuierlich (discontinuus) 38, 101, 170, 174, 190, 215, 240, 244, 245, 250, 252, 254, 310, 342, 386 diskret 100, 101, 102, 186, 187, 194, 206, 209, 216, 241, 246, 265, siehe auch Zeit, diskrete Disposition, Verfassung (dispositio) 28, 38, 41, 42, 47, 59, 62, 144, 161, 168, 176, 182, 192, 196, 199, 209, 216, 238, 261, 264, 268, 269, 279, 280, 286, 304, 325, 326, 328, 329, 339, 367, 403, 407, siehe auch Hinordnung Disproportion 326 distentio 104, 114, 117, 119, 120, 122, 124– 32, 132, 134, 135, 137, 140, 159, 161, 301, 340 diuturnus 151, 152 Drehung (revolutio) 41, 49, 50, 51, 52, 66, 103, 176, 262, siehe auch Himmelsbewegung (motus caeli/sphaerae) und Kreisbewegung (motus circularis) Drei 18, 26, 27, 30, 33, 35, 38, 39, 40, 43, 47, 48, 49, 53, 56, 58, 59, 64, 65, 69, 84, 86, 87, 89, 90, 101, 104, 105, 107, 113, 114, 115, 116, 117, 119, 121, 126, 131, 133, 137, 148, 152, 165, 169, 170, 171, 175, 177, 178, 180, 184, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 194, 196, 197, 198, 200, 201, 202, 209, 212, 218, 224, 232, 238, 251, 258, 259, 260, 267, 273, 276, 277, 278, 282, 285, 286, 287, 298, 299, 300, 301, 302, 304, 306, 316, 318, 319, 321, 322, 323, 327, 337, 338, 351, 354, 359, 360, 362, 370, 373, 375, 376, 378, 379, 380, 381, 382, 383, 384, 385, 387, 388, 391, 395, 398, 399, 405, 406, siehe auch Trias, Triade, Trinität und Schöpfungstag, dritter Dreieck (triangulum) 89 Dreifaltigkeit siehe Trinität Dualität, Dualismus 97, 109, 152, 281 Dunkel (tenebra[e]) 83, 87, 88, 92, 129, 152, 261, 321, 322, 344, 357 duratio propria siehe Dauer/Zeit, eigene (propria duratio/periodus) und mensura propria Durchsichtigkeit (perspicuitas, diaphanitas) 38, 39, 40, 46, 47, 48, 50, 51, 64

447 Dynamik, dynamisch 118, 140, 156, 225, 233, 238, 243, 284, 289, 331, 343, 344, 353, 358, 368, 374, 382, 400, 401, 407 Ebenbildlichkeit 124, 321, 357, siehe auch Ähnlichkeit (similitudo) und Abbild (imago, simulacrum) effektiv siehe wirksam, effektiv egressus siehe Hervorgang (egressio, egressus, exitus) Eigenbewegung 43, 52 Eigenschaft (proprietas) 25, 28, 39, 40, 43, 46, 47, 48, 52, 55, 56, 59, 64, 65, 71, 101, 109, 151, 152, 158, 186, 194, 200, 206, 208, 210, 217, 225, 227, 229, 230, 235, 238, 239, 242, 244, 245, 246, 248, 249, 260, 261, 265, 269, 270, 278, 281, 297, 298, 300, 301, 302, 303, 306, 308, 310, 312, 316, 329, 389, 390, 391, 392, siehe auch Qualität (qualitas) Eigenschaftsveränderung 186, 187, 249, 279, siehe auch Veränderung, akzidentelle (mutatio secundum accidens) Eigenzeit siehe Dauer/Zeit, eigene (propria duratio/periodus) Eindruck siehe Affekt, affektiv (affectio) Einfachheit (simplicitas) 25, 30, 37, 45, 48, 60, 103, 109, 110, 157, 171, 175, 181, 183, 202, 208, 209, 217, 227, 228, 235, 242, 247, 277, 299, 300, 301, 302, 303, 304, 305, 307, 308, 310, 316, 317, 331, 351, 388, 389, 391 Einfluss (influentia) 39, 41, 42, 44, 47, 49, 51, 57, 58, 59, 66, 176, 177, 200, 262, 269, 270, 283, 317, 318, 322, 325, 326, 327, 343, 352, 358, 400 Einförmigkeit siehe Einheitlichkeit, Einförmigkeit (uniformitas) Einheit (unitas, unum) 25, 55, 57, 58, 70, 85, 96, 97, 98, 101, 102, 124, 128, 129, 147, 148, 156, 195, 201, 205, 206, 207, 208, 210, 211, 213, 215, 218, 219, 220, 221, 225, 226, 227, 229, 230, 232, 233, 234, 235, 237–57, 257, 260, 262, 266– 74, 297, 298, 300, 301, 303, 306, 308, 313, 315–18, 328, 337, 345, 351, 352, 360, 393, 405, 408, siehe auch hypostatische Union, unitas … und Vereinigung (unio)

448 Einheit der Materie 207, 214, 223, 229, 242, 258, 260, 261, 262, 265, 271, 272, 273, 318 Einheit der Zeit 95, 104, 105, 106, 166, 176, 204, 210, 213, 214, 218, 219, 220, 222, 223, 225, 237–57, 258, 262, 265, 266– 74, 313, 315, 318 Einheit des aevum 223, 258, 266, 273, 297, 314, 315–18 Einheit des Intellekts 17, 69, 70, 78, 79, 80, siehe auch Monopsychismus Einheit des nunc 223, 237–57 Einheit des Seins 302 Einheit von Leib und Seele 138, 319, 324, 325, 326, 342, 405, siehe auch Form des Leibes Einheit, analoge 262 Einheit, extrinsische 241 Einheit, intrinsische 241, 245 Einheit, numerische 207, 215, 218, 220, 234, 262, 271, 272 Einheit, reale 64, 202, 231, 232, 237, 251, 252, 253, 257, 277, 278 Einheit, spezifische 218, 231, 257, 318 Einheit, substantiale siehe Einheit von Leib und Seele Einheitlichkeit, Einförmigkeit (uniformitas) 30, 38, 39, 42, 46, 48, 49, 50, 56, 62, 81, 95, 113, 167, 170, 174, 176, 191, 225, 242, 245, 315, 398 Einheitsprinzip (principium unitatis) 214, 273 Einrichtung siehe Aufbau (constitutio) und Schöpfung (creatio, constitutio mundi) Einschnitt (intercisio) 239, 244, 249, 253 Einsicht siehe Erkenntnis(vermögen), Einsicht (intelligentia) und Intellekt (intellectus, intellectualis) Einteilung siehe Unterteilung, Einteilung, Unterscheidung (distinctio) ekstatisch 124, 357 Element 35, 37, 38, 40, 41, 42, 46, 47, 53, 61, 62, 68, 97, 108, 109, 149, 150, 192, 270, 276, 277, 329, 335, 399, 400, 401, siehe auch Umwandlung (der Elemente) (transmutatio) Elementarmaterie 264, 276, 277 Elementarqualität 37, 38, 40, 47

Sachregister Elend (miser, miseria) 134, 135, 151, 324, 390, 393, 408 Elf 25, siehe auch Sphäre, elfte Emanation (emanatio) 31, 70, 86, 337, 358, 360, 365, 372 empyreum 38, 39, 40, 41, 43, 44, 45, 46, 48, 50, 51, 52–66, 149, 177, 185, 198, 224, 270, 271, 276, 277, 316, 319, 322, 326, 343, 399, 406 Ende der Zeit 14, 15, 33, 66, 172, 177, 189, 330, 335, 337, 338, 347, 355, 358, 361, 369, 370, 371, 372, 384, 387, 395, 396, 397–410 Ende, Abschluss 15, 58, 90, 97, 100, 101, 105, 109, 111, 117, 133, 142, 146, 150, 152, 153, 175, 177, 186, 189, 190, 195, 199, 230, 234, 247, 248, 251, 253, 264, 268, 288, 289, 295, 307, 309, 322, 326, 336, 343, 347, 351, 353, 358, 359, 361, 365, 366, 370, 374, 378, 379, 380, 384, 388, 389, 392, 396, 398, 399, 400, 401, 402, 409, siehe auch Aufhören (desitio, cessare), Grenze (terminus, terminare), Vollendung und Ziel, Zweck (finis, τέλος) Ende/Vollendung der Welt 52, 61, 66, 172, 345, 356, 361, 369, 371, 372, 374, 379, 382, 399, 401, 402, 403, 404 Endlichkeit, endlich (finitus) 35, 43, 59, 60, 65, 84, 85, 100, 107, 110, 111, 124, 129, 149, 152, 183, 200, 201, 207, 226, 230, 242, 243, 279, 280, 288, 300, 302, 311, 312, 336, 345, 401, 402, 407, 408 endlos, ohne Ende (interminatus) 97, 108, 111, 151, 153, 155, 191, 193, 208, 226, 247, 248, 249, 275, 293, 295, 298, 301, 303, 306, 307, 309, 311, 323, 330, 336, 345, 391, 406, 407, siehe auch interminabilitas und Unendlichkeit (infinitas) Endlosigkeit, geschaffene 153, siehe auch Ewigkeit/Dauer, ungeschaffene Endpunkt, Zielpunkt 119, 124, 167, 186, 233, 240, 241, 252, 262, 288, 342, 346, 349, 351, 366, 371, 388, 389, 391, 392 Endzustand 99, 134, 231, 239, 346, 382, 398, 399, 400, 401, 407, siehe auch Vollendungszustand Engel, erster 53, 316, 317

Sachregister Engel, Geistwesen 23, 24, 43, 45, 53, 54, 55, 56, 58, 59, 60, 61, 63, 65, 66, 90, 126, 138, 146, 148, 149, 151, 152, 153, 154, 169, 170, 172, 173, 174, 179, 181–85, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 192, 194, 198, 203, 211, 217, 223, 224, 225, 227, 248, 253, 259, 260, 262, 264, 265, 267, 270, 271, 276, 287, 293, 296, 297, 298, 305, 307, 308, 310, 311, 312, 313, 315, 316, 317, 319, 321, 322, 324, 326, 327, 330, 336, 341, 342, 343, 344, 345, 356, 373, 402, 404, 406, siehe auch Angelologie, Cherubim, Seraphim, ordo seraphicus, Erkenntnis der Engel, Erschaffung der Engel, Intelligenz (intelligentia), Schöpfung, geistige (creatura spiritualis/intellectualis), Wesen/Substanz/ Natur, geistige(s) und Wesen, himmlisches Engellehre siehe Angelologie Engelsbewegung 148, 154, 167, 181–85, 185, 187, 203, 224, 225, 253 Engelssturz (ruina angelorum) 23, 313, 317, 322, 356 Engelszeit 174, 187, 330 ens a se siehe Sein, absolutes/erstes/göttliches (ens a se, esse primum, esse divinum) ens in potentia 209, 218, 220, 258, 259, 261, 262, 263, 264, 271, 279, 313, 329, 340 ens/existens per se 85, 262, 263, 341, siehe auch Substanz (substantia, ὑπόστασις) Entbehren (carentia) 44, 48, 49, 138, 191, 193, 208, 220, 247, 272, 301, 306, 307, 311, 321, 329, 367, 389, 391, 409, siehe auch Bedürfnis, Bedürftigkeit (indigentia), Defekt(ibel), Mangel, Privation und zeitfrei, zeitlos Entelechie 209, 258, 263, 264, 324, 329, 340 Entflüchtigung 133, 141 enthalten siehe umfassen, enthalten (continere) entleeren, aufheben (evacuare) 301, 322, 399, 409 Entsprechung 61, 150, 167, 174, 302, 313, 346, 384, 401, siehe auch correspondentia

449 Entsprechungsverhältnis (proportio, proportionalis) 183, 194, 207, 209, 220, 236, 325, 355, 396, siehe auch improportionalitas Entstehen siehe Werden, Entstehen (generatio, γένεσις) Entwicklung 13, 26, 92, 111, 113, 114, 144, 284, 294, 340, 342, 343, 345, 366, 371, 375, 379, 380, 381, 382, 383, 385, 386, 405 Entzeitlichung 132, 141, siehe auch überzeitlich, nicht-zeitlich (supra tempus) und zeitfrei, zeitlos Epizykel 36 Epoche 371, 379, 380, 383, 404, siehe auch Zeitalter (aetas) Erbarmen (misericordia) 130, 131, 345, 356, 359, 366, 372 Erde, irdisch (terra, terrenus, terrestris) 24, 35, 37, 38, 40, 41, 42, 47, 48, 50, 52, 53, 54, 55, 57, 60, 61, 66, 107, 108, 109, 115, 128, 129, 131, 139, 146, 176, 177, 188, 192, 201, 242, 244, 262, 264, 268, 276, 277, 286, 303, 312, 313, 343, 353, 356, 358, 361, 373, 375, 376, 388, 391, 394, 395, 399, 400, 401, 403, 405, 406, siehe auch Zeit, irdische Erdkreis, Welt (orbis) 32, 321, 391, siehe auch Kreis, Kugel (circulus, sphaera, orbis), Sphäre, Himmelssphäre (sphaera, orbis, caelum) und Welt (mundus) Erfahrung (experientia, experimentum) 14, 15, 29, 42, 81, 84, 97, 101, 108, 121, 123, 127, 268, 300, 301, 315, 338, 368 Erfahrungserkenntnis (cognitio experimentalis) 29 Erfüllung ([ad]impletio) 15, 29, 53, 55, 84, 88, 90, 166, 275, 314, 348, 356, 358, 363, 365, 371, 372, 375, 382, 387, 393, 395, 396, siehe auch completio Erhebung (exaltatio) 337, 343, 364, 369, 390, 393 Erinnerung (memoria, reminiscentia) 85, 116, 117, 118, 119, 122, 123, 128, 131, 138, 139, 141, 142, 148, 155, 159, 191, 306, 323, 351 erkennbar (cognoscibilis, intelligibilis) 16, 28, 58, 84, 91, 126, 184, 185, 261, 360,

450 404, siehe auch circulus intelligibilis, crux intelligibilis und Welt, intelligible (mundus intelligibilis/intellectualis) Erkennen (intelligere) 27, 28, 31, 79, 148, 156, 160, 185, 304, 308, 328, siehe auch Erkenntnis(vermögen), Einsicht (intelligentia) und secundum rationem/ modum intelligendi Erkennender (intelligens, comprehendens) 304, 320 Erkenntnis (cognitio, cognoscere) 14, 16, 24, 28, 29, 31, 32, 44, 54, 65, 79, 84, 85, 86, 87, 89, 90, 97, 114, 119, 124, 127, 147, 148, 160, 185, 186, 189, 205, 208, 228, 231, 232, 233, 247, 249, 253, 261, 283, 304, 305, 321, 322, 327, 328, 337, 343, 354, 358, 359, 374, 377, 381, 382, 384, 402, siehe auch Baum der Erkenntnis, Erfahrungserkenntnis (cognitio experimentalis), Gotteserkenntnis, Heilserkenntnis und Selbsterkenntnis Erkenntnis der Dämonen 185, 203 Erkenntnis der Engel 148, 185, 189, 321, 327, 344 Erkenntnis der Ewigkeit 127, 304 Erkenntnis Gottes 23, 69, siehe auch Gotteserkenntnis Erkenntnis(vermögen), Einsicht (intelligentia) 27, 28, 29, 30, 33, 77, 82, 83, 84, 88, 90, 144, 146, 185, 248, 304, 305, 306, 320, 321, 351, 357, 374, 376, 378, 383, 388, siehe auch Erkennen (intelligere), Intellekt (intellectus, intellectualis), Intelligenz (intelligentia) und Wissen(schaft) (scientia) Erkenntnis, philosophische 84, 85, 86 Erkenntnis, sinnliche 328 Erkenntnisanalyse 85, 86, 87 Erkenntnisbedingung 31, 337 Erkenntnisfähigkeit 205 Erkenntnislehre 19, 122, 132, 141, 205, 304, 305, 346 Erkenntnismittel 81, 208 Erkenntnisprozess 85, 160 Erkenntnisstufen 27, 28, 83, 84, 384 Erkenntnisweise 93, 147 Erleiden, Leiden (pati, passio) 37, 40, 47, 128, 133, 137, 157, 172, 278, 317, 325,

Sachregister 326, 369, siehe auch Leidefähigkeit (passibilitas), Passion und passiv Erleuchtung (illuminatio, illustratio) 27, 28, 29, 30, 44, 69, 84, 86, 93, 146, 200, 301, 305, 337, 342, 346, 374, 376, 377, 378, 391 Erlöser (redemptor) 350, 357, 363, 385, 387 Erlösung (redemptio) 23, 31, 126, 160, 322, 344, 345, 355, 356, 357, 358, 362, 363, 365, 366, 367, 368, 385, 388, 393, 395, 396, siehe auch Soteriologie Erlösung, vollendende 355, 356, 362, 367, siehe auch Redemptionstheorie Erlösungsgeschichte 338 Erlösungsordnung 368 ermöglichen 38, 100, 101, 122, 198, 201, 216, 263, 284, 298, 302, 309, 311, 344 Erneuerung (innovatio, renovatio) 38, 61, 62, 66, 127, 131, 134, 139, 202, 238, 247, 248, 309, 321, 322, 399, 400, 401, 405, siehe auch Neuschöpfung (recreatio, refectio) und Umgestaltung Erquickung (refectio, reficere) 89, 376, 377, 383, siehe auch Neuschöpfung (recreatio, refectio) Erschaffung 60, 62, 98, 143, 145, 146, 169, 177, 178, 198, 241, 247, 270, 281, 289, 290, 312, 341, siehe auch Aufbau (constitutio), erzeugen, Erzeugung (facere, factio) und Schöpfung (creatio, constitutio mundi) Erschaffung der Engel 53, 56, 60, 147, 198, 297, 312, 317 Erschaffung der Zeit 124, 143, 277, 289 Erschaffung des Menschen 149, 321, 343, 344, 384 Erscheinen (apparentia) 38, 48, 49, 55, 134, 152, 159, 214, 267, 316, 346, 355, 361 Ersterkanntes 85 Erstes (primum) 25, 31, 33, 36, 48, 51, 56, 65, 85, 91, 110, 115, 144, 156, 157, 169, 171, 176, 179, 183, 194, 195, 200, 205, 206, 207, 212, 213, 215, 218, 236, 239, 243, 244, 248, 250, 251, 252, 253, 255, 256, 258, 267, 269, 271, 274, 277, 280, 285, 289, 297, 299, 300, 313, 316, 318, 322, 325, 327, 344, 346, 351, 354, 355, 359, 360, 361, 362, 364, 365, 366,

Sachregister 368, 372, 379, 383, 384, 385, 387, 388, 389, 390, 391, 392, 393, 394, 400, 401, 407, 408, siehe auch Beweger, erster unbewegter, Engel, erster, Himmel, erster (primum caelum), Maß, erstes, materia prima, nunc primo esse, nunc/instans/momentum primum, primitas, primum mobile/movens, primus motus, Prinzip, erstes (primum principium), Schöpfung, erste, Sein, absolutes/erstes/göttliches (ens a se, esse primum, esse divinum), Schöpfungstag, erster, Sphäre, erste (prima sphaera, primus orbis), Ursache, erste (causa prima) und Veränderung, erste (mutatio prima) Erstgeschaffene (primo creata) 39, 40, 56, 57, 60, 198, 199, 222, 224, 227, 264, 270, 276, 277, 284, 286, 336, 340 Erstreckung siehe Ausdehnung, Erstreckung (extensio) und distentio Erwartung (expectatio) 57, 116, 117, 118, 119, 120, 122, 123, 126, 127, 128, 130, 131, 138, 142, 323, 343, 383, 397, 403, 409 erzeugbar (generabilis) 41, 331, 402, siehe auch Werden, Entstehen (generatio, γένεσις) erzeugen, Erzeugung (facere, factio) 15, 29, 32, 53, 55, 57, 58, 60, 61, 126, 132, 133, 137, 140, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 150, 153, 155, 157, 172, 197, 200, 202, 212, 216, 218, 219, 231, 232, 236, 238, 240, 242, 243, 245, 249, 276, 277, 279, 283, 289, 308, 320, 321, 325, 346, 352, 353, 358, 361, 378, 385, siehe auch Aufbau (constitutio), Erschaffung, Schöpfung (creatio, constitutio mundi), formen, bilden, konstituieren (formare, fabricare), hervorbringen (producere) und Werden, Entstehen (generatio, γένεσις) Eschatologie 13, 14, 15, 23, 24, 26, 60, 62, 63, 80, 124, 136, 161, 191, 192, 319, 338, 348, 366, 387, 397–410 esse ab aeterno siehe ab aeterno esse ab alio 193, 194, 208, 407 esse completum, essentia/substantia completa 199, 209, 218, 227, 265

451 esse non intercisum 217, 228, 241, 244, 299, siehe auch continuatio in esse, Kontinuum, kontinuierlich (continuus, συνεχές) und Zeit, kontinuierliche (tempus non intercisum) esse post non-esse 208, 280, 281, 283, 298, 408, siehe auch exitus de non-esse in esse, mutatio (de non-esse) ad esse essentia completa siehe esse completum, essentia/substantia completa essenziell (essentialis) 195, 213, 223, 227, 234, 240, 261, 263, 268, 269, 271, 278, 281, 302, 303, 308, 309, 327, 331 Evangelium 152, 359, 375 evangelium aeternum siehe testamentum/ evangelium aeternum Ewigkeit (aeternitas, aeternus) 19, 23, 25, 28, 31, 33, 53, 55, 79, 90, 115, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 140, 143, 144, 146, 149, 150– 61, 165, 166, 172, 185, 188, 190, 191, 192, 193, 199, 200, 201, 202, 203, 208, 219, 227, 235, 239, 246, 248, 278, 287, 293, 294, 295, 296, 297, 298, 299, 300– 310, 310, 312, 313, 317, 318, 321, 323, 324, 330, 331, 336, 344, 345, 351, 353, 354, 358, 360, 369, 372, 373, 383, 391, 393, 399, 400, 408, 409, 410, siehe auch ab aeterno, Abbild der Ewigkeit, Attribut Gottes/der Ewigkeit, circulus aeternitatis, Erkenntnis der Ewigkeit, Gleichewigkeit (coaeternitas), in confinio aeternitatis, nunc aeternitatis, rationes aeternae/sempiternae, superaeternitas, tempora aeterna/saecularia, testamentum/evangelium aeternum und Verbum Dei/aeternum Ewigkeit der Welt 17, 18, 19, 20, 23, 26, 33, 35, 69, 70, 71, 78, 79, 80, 82, 108, 110, 121, 149, 152, 279, 280, 288, 307, 345, 374, 402, 403, 404, 407, siehe auch ab aeterno, Anfangslosigkeit und Anfang der Welt/Schöpfung Ewigkeit der Zeit siehe Unendlichkeit der Zeit und tempora aeterna/saecularia Ewigkeit des Himmels 109, 110, 111, siehe auch Unvergänglichkeit (incorruptibilitas)

452 Ewigkeit, geschaffene (aeternitas creata) 60, 152, 293, 308, 310 Ewigkeit/Dauer, ungeschaffene 153, 157, 293, 300, 308, 330, 336 ex nihilo siehe creatio ex nihilo ex tempore 145, 193, 194, 278, 279, 281, 282, 284, 285 Exegese 44, 54, 59, 113, 114, 115, 143, 161, 177, 374, 381 exemplar siehe Urbild, Vorbild (exemplar) Exemplarismus (exemplaritas) 33, 86, 337, 351, 352, 369 Exemplarursache (causa exemplaris) 312, 351, 352 existens per se siehe ens/existens per se Existenz siehe Dasein (existentia) Existenzweise, Existenzform 98, 110, 295 exitus siehe Hervorgang (egressio, egressus, exitus) exitus de non-esse in esse 60, 169, 170, 197, 199, 222, 224, 248, 279, 280, 281, 282, siehe auch mensura egressionis, mutatio (de non-esse) ad esse und esse post non-esse extentio, extentus 39, 45, 124, 129, 139, 159 extramental siehe außerseelisch extrinsisch (extrinsecus) 89, 210, 211, 212– 28, 228, 229, 241, 251, 255, 256, 268, 274, 308, 318, 326, 377, siehe auch Einheit, extrinsische fabricator siehe formen, bilden, konstituieren (formare, fabricare) und Schöpfer (creator) facere, factio siehe erzeugen, Erzeugung (facere, factio) Fall der Engel siehe Engelssturz (ruina angelorum) Fall des Menschen siehe Sündenfall Fallen, Gefallen(heit) (labes, lapsus, casus) 54, 61, 87, 90, 134, 140, 152, 246, 305, 313, 321, 322, 324, 326, 343, 346, 355, 356, 357, 358, 359, 367, 401 Farbe (color) 48, 102, 158, 205, 219, siehe auch Weiß Feinstofflichkeit (subtilitas, tenuitas) 38, 53, 58, 327 felicitas siehe Seligkeit (beatitudo, felicitas)

Sachregister fest (fixus, stabilis) 43, 57, 62, 118, 144, 201, 225, 263, 304, 306, 310, 328, siehe auch Fixsternhimmel, -sphäre, Fixstern und instabil fest (solidus) 46, 47, 48, 51, 128, 130, 137, 362 fest (stabilis) 47, 90, 127, 128, 130, 132, 139, 144, 151, 155, 160, 201, 202, 210, 225, 226, 227, 233, 235, 250, 262, 263, 264, 265, 294, 295, 296, 298, 305, 311, 313, 317, 323, 325, 326, 329, 331, 337, 350, 378, 391, 407 Festigung (confirmatio) 130, 131, 326 Feuchte 37, 40, 42, 108, 109 Feuer (ignis, πῦρ) 35, 37, 44, 45, 46, 47, 48, 50, 53, 61, 62, 96, 97, 108, 191, 192, 399 Feuerbrand (conflagratio ignium) siehe Weltenbrand fictio 161, 216, 268, 339 fidelis 90, 305, 394 figura 48, 57, 150, 184, 346, 361, 371, 374, 375, 377, 378, 380, 381, 384, 385, 386, 388, 393, siehe auch Abbild (imago, simulacrum) und tempora figuralia figurae sacramentales 374, 375, 376, 378, 385 Finalzustand siehe Endzustand finis sine fine 150, 153 finis sub fine 343 Finsternis 62, 80, 88 Firmament 36, 37–43, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 59, 61, 63, 66, 107, 110, 174, 175, 176, 177, 178, 201, 270, 271, siehe auch Himmel (caelum, οὐρανός) fix siehe fest (fixus, stabilis) Fixstern siehe Stern (astrum, sidus, stella) Fixsternhimmel, -sphäre siehe Firmament Fläche (superficies) 38, 48, 184, 206, 211, 212, 217, 219, 230, 241, 265, 362, 395 fließen, Fluss (fluere, fluxus, fluvius) 47, 106, 122, 123, 128, 129, 131, 132, 134, 139, 160, 192, 201, 202, 210, 225, 226, 231, 232, 233, 234, 235, 238, 239, 240, 241, 245, 250, 252, 254, 284, 306, 310, 323, 342, 346, 351, 391, 405, siehe auch nunc, fließendes (nunc fluens/flu-

Sachregister xibile) und Überfließen, Überfluss (redundare) flüchtig (volubilis) 55, 128, 135, 155 Flüchtigkeit 128, 133, 135 fore, futurum esse siehe Wird-Sein (fore, futurum esse) Form (forma, εἶδος) 38, 39, 40, 43, 47, 49, 57, 58, 59, 69, 71, 90, 103, 110, 128, 129, 130, 133, 142, 145, 149, 171, 181, 182, 199, 201, 208, 209, 212, 217, 220, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 242, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 269, 270, 272, 273, 275, 277, 279, 283, 284, 297, 302, 303, 313, 314, 317, 318, 320, 324, 327, 329, 340, 341, 350, 360, 392, 401, siehe auch dator formarum, Gestalt, Hunger/Streben nach Form, Lichtform (forma lucis), motus/ mutatio ad formam, species und vielgestaltig (multiformis) Form der Anschauung 121 Form des Leibes 324, 325, siehe auch Einheit von Leib und Seele forma substantialis 37, 40, 71, 254, 262, 265, 340 Formalprinzip 158 formen, bilden, konstituieren (formare, fabricare) 37, 53, 60, 118, 120, 122, 123, 145, 151, 158, 171, 201, 234, 235, 264, 281, 301, 325, 340, 361, 372, siehe auch erzeugen, Erzeugung (facere, factio) Formlosigkeit, Ungeformtheit (informitas) 142, 145, 153, 217, 220, 260, 261, 262, 263, 264, 276, 277 fortbestehen, fortdauern siehe bestehen bleiben, fortbestehen, fortdauern Fortpflanzung 200, 265, 379, 386, 400, 401 Freiheit (libertas) 42, 63, 92, 124, 137, 329, 344–47, 367, 381, 387, 394, 407, 408, siehe auch Willensfreiheit (liberum arbitrium) Frei-Sein siehe Entbehren (carentia) und zeitfrei, zeitlos Freude (delectatio, gaudium, laetitia) 29, 54, 65, 89, 124, 126, 127, 135, 138, 140, 149, 181, 323, 324, 326, 327, 364, 409, 410

453 Friede (pax) 84, 89, 127, 323, 382, 383, 384, 387, 404 Frucht, Fruchtbarkeit (fructus) 23, 136, 374, 376, 377, 378, 380, 382, 385, 389, 394, 399, 408, 409 Früher/Später (prius/posterius) 83, 100, 101, 105, 106, 108, 111, 124, 130, 138, 145, 146, 147, 148, 171, 172, 174, 175, 177, 178, 179, 181, 185, 192, 196, 202, 213, 225, 236, 237, 238, 241, 242, 246, 247, 248, 249, 250, 254, 261, 263, 269, 276, 279, 280, 285, 287, 294, 302, 307, 308, 309, 311, 312, 323, 336, 344, 360, 361, siehe auch successio, successivus Frühlingspunkt 50 fulcimentum 262 Fülle (plenitudo) 90, 127, 154, 323, 342, 363, 365, 366, 369, 371, 372, 386, 387, 388, 399, 408 Fülle der Zeit (plenitudo temporis, tempus plenitudinis) 15, 26, 137, 360, 364, 366, 370, 371, 372 Fundament, Grundlage 15, 30, 57, 86, 91, 103, 106, 109, 161, 169, 217, 259, 267, 269, 276, 284, 317, 341, 347, 368, 372, 383, 385, 400, siehe auch Zugrundeliegendes (substratum, suppositum, ὑποκείµενον, ὅ ποτε ὄν) Fünf 113, 166, 182, 183, 251, 372, 379, 380, 382, siehe auch Äther (quinta essentia) Gattung (genus) 58, 69, 79, 129, 146, 147, 165, 176, 189, 195, 199, 201, 202, 205, 206, 207, 209, 210, 211, 212, 213, 218, 225, 226, 236, 265, 272, 278, 312, 316, 318, 321, 322, 343, 355, 356, 359, 361, 364 Gattung, literarische 24, 26, 76 Gebot, Weisung (praeceptum) 16, 23, 345, 359, 377 Gedächtnis siehe Erinnerung (memoria, reminiscentia) Gedanke siehe Denken, Gedanke (cogitatio, cogitare) Gedicht siehe Lied, Gedicht (carmen) Geduld (patientia) 127, 393 Gefallen(heit) siehe Fallen, Gefallen(heit) (labes, lapsus, casus) Gefäß siehe Behältnis (vas)

454 Gegenstand (obiectum) 16, 28, 32, 84, 85, 91, 93, 98, 200, 221, 236, 245, 250, 252, 254, 269, 328, 358, 364, 383, 403 Gegenwart (praesens, praesentia, praesentialitas) 25, 30, 55, 100, 108, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 125, 126, 127, 128, 131, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 140, 142, 144, 147, 149, 154, 155, 158, 159, 166, 184, 200, 201, 219, 228, 229, 230, 234, 235, 247, 251, 283, 299, 300, 301, 303, 305, 306, 309, 320, 324, 326, 329, 338, 343, 365, 366, 387, 403, 408, 410, siehe auch Präsenz Gehorchen, Gehorsam (oboedientia) 43, 327, 393 Geist (animus) 104, 113, 114, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 134, 135, 136, 141, 142, 148, 159, 160, 161, 192, 337, 340, siehe auch Bewusstsein, Geistseele (anima rationalis, νοῦς), mens, ratio, Seele (anima, ψυχή), Vernunft und Verstand Geist (spiritus) 29, 53, 58, 71, 146, 148, 150, 158, 172, 180, 181, 296, 313, 327, 341, 345, 350, 351, 369, 381, 408, siehe auch Denken, Gedanke (cogitatio, cogitare), Engel, Geistwesen, Geistseele (anima rationalis, νοῦς), Heiliger Geist (spiritus sanctus), mens, ratio, Vernunft und Verstand geistbegabt siehe rational, geistbegabt (rationalis) geistig (spiritualis) 53, 57, 58, 59, 64, 86, 146, 148, 186, 191, 200, 311, 321, 322, 324, 326, 328, 337, 342, 345, 368, 374, 381, 391, 406, 408, siehe auch Bewegung, geistige (motus/mutatio spiritalis), caelum intellectuale/spirituale, materia spiritualis, Schöpfung, geistige (creatura spiritualis/intellectualis) und Wesen/Substanz/Natur, geistige(s) geistlich 26, 27, 28, 369, 383, 393, siehe auch geistig (spiritualis) Geistseele (anima rationalis, νοῦς) 102, 140, 324, 325, 326, 341, 345, 355, 401 Geistwesen siehe Engel, Geistwesen Geist-Zeit siehe Engelszeit

Sachregister geliebt, Geliebter, Geliebtes 36, 89, 111, 130, 160, 345, siehe auch desideratum, desiderabilis Gemessen(es), gemessen werden (mensuratum) 60, 66, 101, 102, 105, 109, 116, 117, 118, 129, 130, 166, 169, 176, 181, 185, 186, 189, 190, 191, 192, 198, 200, 202, 206, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 215, 217, 221, 223, 225, 226, 228, 232, 236, 237, 248, 251, 252, 253, 254, 256, 267, 269, 270, 271, 274, 284, 286, 296, 298, 305, 308, 310, 311, 312, 318, 319, 322, 324, 328, 341, 342, 343, 406, siehe auch Ungemessenheit (immensitas) und commensurare gemischt siehe Mischung, gemischt, vermischt ([per]mixtus) Generalminister 15, 17, 26, 76, 78 generatio siehe Werden, Entstehen (generatio, γένεσις) Generation 52 Genuss (fruitio) 63, 64, 126, 322, 324 geozentrisch 50, 52, 395 Gerade, Linie, Strecke 32, 97, 100, 101, 106, 117, 195, 206, 210, 211, 212, 213, 217, 219, 229, 230, 231, 232, 233, 238, 240, 241, 242, 243, 244, 245, 251, 252, 253, 255, 265, 279, 287, 288, 289, 312, 318, 359, 361, 362, 379, 380, 381, 384, 388, 392, 395, siehe auch Kreislinie, Umfang (circumferentia) geradlinig 288, siehe auch Bewegung, geradlinige (motus rectus) und linear Gerecht(er) (iustus) 131, 158, 159, 373, 390 Gerechtigkeit (iustitia) 31, 159, 369, 378, siehe auch Urgerechtigkeit (iustitia originalis) Gericht siehe Urteil, Gericht (iudicium) und Jüngstes Gericht geschaffen, Geschaffenes (creatum) 28, 32, 39, 43, 44, 45, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 65, 69, 83, 85, 86, 97, 121, 129, 133, 137, 143, 144, 145, 149, 152, 153, 155, 157, 158, 165, 167, 169, 172, 177, 178, 181, 185, 190, 193, 195, 196, 197, 198, 199, 201, 203, 207, 208, 209, 218, 220, 221, 222, 223, 224, 226, 227, 228, 242, 247, 248, 249, 259, 260, 263, 266, 275,

Sachregister 276–90, 293, 296, 297, 306, 309, 310, 312, 313, 316, 320, 322, 325, 327, 329, 331, 336, 337, 351, 352, 353, 354, 358, 360, 362, 369, 389, 399, 400, 404, 408, siehe auch Dauer, geschaffene (duratio creata), Endlosigkeit, geschaffene, Erstgeschaffene (primo creata), Ewigkeit (geschaffene), mitgeschaffen (concreatum), Geschöpf (creatura), ungeschaffen (increatum) und Schöpfung (creatio, constitutio mundi) Geschichte 13, 15, 17, 20, 22, 33, 34, 52, 67, 110, 112, 119, 125, 149, 294, 296, 340, 344, 345, 349, 350, 353, 354, 364, 368, 369, 370, 371, 373, 374, 375, 378, 379, 380, 381, 382, 383, 384, 385, 387, 390, 395, 397, 403, 404, 406, siehe auch Erlösungsgeschichte, Gnadengeschichte, Heilsgeschichte, rationale Struktur der Geschichte, Schöpfungsbericht, Schöpfungsgeschichte, Unterteilung, Einteilung, Unterscheidung (distinctio), Weltgeschichte, Lauf der Welt und Zeit, geschichtliche Geschichtlichkeit 342, 348 Geschichtsschema, -modell 15, 358, 371, 375, 378, 379, 380, 381, 383, 386, 404 Geschichtstheologie 15, 18, 19, 20, 26, 33, 80, 113, 166, 288, 344, 346, 349, 350, 371, 373, 375, 376, 383, 384, 387, 404 Geschichtszeit siehe Zeit, geschichtliche Geschlecht, menschliches siehe Gattung (genus) Geschöpf (creatura) 14, 15, 19, 28, 32, 60, 88, 115, 126, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 151, 152, 153, 154, 155, 157, 158, 159, 160, 169, 172, 179, 195, 197, 199, 200, 208, 209, 220, 227, 228, 247, 248, 261, 262, 277, 278, 280, 281, 282, 283, 284, 286, 287, 300, 302, 305, 308, 309, 317, 320, 321, 322, 325, 330, 331, 335, 337, 339, 341, 343, 344, 345, 346, 347, 348, 350, 351, 353, 354, 355, 356, 357, 358, 360, 362, 364, 365, 366, 367, 389, 407, 408, 409, siehe auch geschaffen, Geschaffenes (creatum) und Schöpfung (creatio, constitutio mundi)

455 Geschöpf, geistiges siehe Schöpfung, geistige (creatura spiritualis/intellectualis) Geschöpflichkeit 59, 125, 130, 132, 145, 152, 161, 168, 172, 277, 408 Gesetz (lex) 31, 33, 38, 55, 96, 151, 159, 313, 326, 329, 345, 359, 371, 372, 374, 375, 379, 381, 385 Gesichtssinn 118, siehe auch Sehen (videre) Gestalt 35, 41, 48, 57, 58, 61, 62, 86, 87, 135, 136, 149, 180, 224, 228, 259, 324, 337, 357, 364, 369, 393, 400, siehe auch Form (forma, εἶδος) und species gestern (heri, hesternus) 155, 303, 310 Gewesen-Sein (fuisse) 119, 154, 247, 307, 330, siehe auch Vergangenheit, Vergangenes (praeteritum) Gewicht (pondus) 127, 129, 135, 208, 209, 216, 283 Gewissen 191 Gezähltes (numeratum) 101, 201, 206, 216, 269, 274, siehe auch Zahl (numerus, ἀριθµός) und Zahl, konkrete (numerus numeratus) Glaube (fides) 16, 18, 26, 28, 29, 30, 35, 42, 79, 82, 84, 86, 87, 89, 90, 91, 92, 93, 127, 146, 153, 209, 305, 312, 322, 355, 360, 378, 383, 399, 402, 403, 404, 409, siehe auch fidelis und pius, pietas glauben (credere) 28, 57, 63, 88, 130, 146, 169, 247, 322, 383, 385, 402, 408 Glaubensempfinden (pietas fidei) 355 glaubwürdig (credibilis) 16, 24, 83, 90, 91 Gleichartigkeit siehe Homogenität gleichbleiben siehe Selbstidentität, Selbigkeit, gleichbleiben gleichen, gleichmachen (conformare) 139, 223, 265, 314, 318, 325, 358, siehe Gleichförmigkeit (conformitas) Gleichewigkeit (coaeternitas) 115, 132, 145, 146, 151, 152, 153, 161, 200, siehe auch coaevus, coaequaevus Gleichförmigkeit (conformitas) 49, 214, 318, 352, 360, 382, siehe gleichen, gleichmachen (conformare) und unitas conformitatis Gleichgewicht 326, 400 gleichmäßig 44, 49, 102, 109, 176

456 gleichzeitig, synchron (simul, simultas) 40, 50, 60, 96, 105, 109, 122, 123, 127, 145, 147, 148, 155, 156, 157, 158, 169, 184, 191, 192, 198, 200, 201, 202, 213, 217, 219, 220, 221, 224, 227, 228, 230, 232, 233, 235, 236, 237, 241, 244, 246, 247, 248, 249, 252, 254, 255, 256, 257, 266, 272, 285, 287, 288, 290, 297, 298, 300, 301, 302, 303, 304, 306, 307, 308, 312, 322, 326, 329, 336, 355, 391, 393, 406, 409, siehe auch Schöpfung, instantane/simultane Glorie, Herrlichkeit 28, 55, 57, 60, 61, 62, 63, 64, 80, 83, 192, 310, 311, 320, 321, 322, 323, 325, 326, 327, 328, 329, 343, 350, 351, 358, 362, 363, 364, 365, 366, 371, 387, 389, 394, 399, 401, 403, 404, 407, 408, 409 Glossa interlinearis 58, 169 Glossa ordinaria 45, 46, 53, 55, 56, 61, 169, 171, 178, 193, 194, 195, 198, 364, 381, 414 Gnade (gratia) 13, 28, 57, 83, 86, 91, 130, 133, 159, 170, 283, 322, 325, 342, 346, 347, 348, 350, 352, 354, 358, 359, 362, 364, 365, 366, 368, 369, 371, 372, 374, 377, 378, 379, 385, 386, 387, 407, siehe auch charisma Gnadengeschichte 338, 374 Gnadenlehre 13, 144 Gnadenzeit (tempus gratiae) 33, 331, 347, 350, 354, 365, 372, 373, 375, 379, 384, 385, 386, siehe auch tempora gratiosa Gotteserkenntnis 14, 29, 31, 297, 305, 343, 360, siehe auch Erkenntnis Gottes Gottesname 154, 155 Gottgleichheit 357 Grenze (terminus, terminare) 18, 42, 59, 62, 71, 85, 86, 87, 90, 101, 154, 166, 177, 186, 195, 204, 208, 211, 219, 222, 223, 224, 227, 230, 231, 232, 233, 234, 238, 242, 243, 245, 255, 280, 289, 306, 307, 310, 311, 320, 336, 346, 353, 367, 387, 389, 391, 392, 400, 401, 404, 408, 409, siehe auch Anfang, Beginn (initium, incipere), begrenzt, Begrenztheit (limitatio), Ende, Abschluss, terminabilis und Ziel, Zweck (finis, τέλος)

Sachregister Größe (magnitudo, quantitas, ποσόν) 15, 57, 59, 97, 100, 101, 106, 111, 165, 166, 171, 172, 173, 175, 183, 184, 189, 199, 200, 201, 204, 205, 206, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 215, 216, 217, 219, 226, 228, 229, 230, 232, 235, 241, 242, 246, 265, 266, 267, 268, 296, 298, 299, 307, 310, 311, 312, 313, 314, 316, 326, 330, 336, 362, 401 Grund, Ursache (causa) 16, 31, 36, 42, 43, 46, 49, 56, 58, 62, 69, 72, 84, 85, 86, 87, 91, 98, 105, 110, 116, 123, 136, 138, 144, 145, 147, 148, 151, 153, 158, 171, 175, 178, 185, 209, 217, 220, 229, 232, 233, 235, 238, 258, 259, 261, 262, 263, 264, 267, 268, 274, 278, 282, 288, 296, 302, 305, 312, 313, 315, 316, 317, 318, 328, 337, 340, 359, 364, 367, 390, 394, 402, 408, siehe auch causa …, Exemplarursache (causa exemplaris), kausal, Kausalität, ratio, Prinzip, Ursprung (principium, ἀρχή) und Ursache, erste (causa prima) Grundlage siehe Fundament, Grundlage Gut, Gutes (bonum) 29, 61, 63, 72, 82, 83, 84, 85, 88, 89, 98, 125, 128, 130, 133, 134, 137, 140, 146, 149, 152, 158, 159, 160, 192, 320, 321, 322, 323, 326, 327, 337, 365, 367, 378, 399, 401, 409, siehe auch ut boni fiamus Güte (benevolentia, benignitas, bonitas) 65, 208, 320, 326, 356, 364, 377, 389, siehe auch Macht, Weisheit, Güte (potentia, sapientia, bonitas) habitudo 209, 261, 262, 278, 280, 281, 282, 286, 287, 308, 339, 355, 396 habitudo concreata 168, 199, 275, 284–90, 339 habitus 89, 267, 327, 396, 409 Halbgerade siehe Gerade, Linie, Strecke Halbschale (semicircularis) 41 Handlung siehe Akt, Handlung, Vollzug (actus) Haus Gottes 126, 129, 137 Heil (salus) 83, 88, 89, 92, 108, 192, 322, 344, 354, 355, 359, 363, 365, 368, 374, 375, 377, 378, 385, 387, 393, 394, 395

Sachregister Heilige Schrift (sacra scriptura) 16, 28, 31, 32, 33, 35, 44, 56, 79, 82, 84, 86, 87, 89, 90, 91, 92, 114, 144, 192, 195, 276, 305, 351, 353, 355, 359, 372, 374, 375, 376, 377, 378, 382, 383, 385, 387, 392, 393, 399, 404, 408, siehe auch Altes/ Neues Testament und Evangelium Heiliger (sanctus) 16, 53, 55, 56, 63, 90, 91, 126, 137, 165, 168, 296, 379 Heiliger Geist (spiritus sanctus) 13, 23, 28, 65, 159, 296, 337, 352, 353, 354, 360, 365, 380, 381, 385, 386, 387 Heiligkeit (sanctitas) 90, 91, 369, 376 Heiligung (sanctificatio) 149, 365, 378 Heilmittel (medicina, remedium) 13, 358, 359, 372, 386 Heilserkenntnis 377, 394 Heilsgeschichte 19, 20, 31, 33, 125, 342, 344, 346, 347, 348, 349, 360, 369, 384, 386, siehe auch Weltgeschichte, Lauf der Welt Heilsökonomie siehe Heilsgeschichte Heilsordnung 374, 375 Heilung (curatio, medela) 82, 128, 192, 301, 358, 359, 372, 382, 386, 396, siehe auch Arzt (medicus) und Wiederherstellung (reparatio, restitutio) Heimholung 346, 347, 350, siehe auch reductio heiß (calidus) siehe Hitze (calor) heliozentrisch 52 hermeneutisch 22, 33, 337, 381 hermetisch 389 Herrlichkeit siehe Glorie, Herrlichkeit hervorbringen (producere) 30, 289, 377, 408, siehe auch Aufbau (constitutio), erzeugen, Erzeugung (facere, factio), formen, bilden, konstituieren (formare, fabricare), Hervorgang (processio), Schöpfung (creatio, constitutio mundi) und Werden, Entstehen (generatio, γένεσις) Hervorgang (egressio, egressus, exitus) 135, 200, 222, 224, 275, 288, 347, 351, 352, 353, 354, 359, 360, 369, 389, 391, 398, 400, 405, siehe auch exitus de non-esse in esse und mensura egressionis Hervorgang (processio) 170, 278, 351, 353, 390

457 Heute (hodie) 104, 128, 155, 310 Hierarchie 66, 166, 211, 312, 317 hierarchizatio 392 Himmel (caelum, οὐρανός) 29, 30, 34–66, 88, 98, 107, 109, 111, 115, 126, 131, 135, 138, 146, 148, 177, 242, 264, 269, 276, 286, 288, 312, 321, 322, 327, 343, 353, 356, 361, 378, 388, 394, 400, 401, 406, siehe auch caelum …, empyreum, Firmament, Kristallhimmel, Wasserhimmel und Sphäre … Himmel, erster (primum caelum) 42, 48, 52, 57, 69, siehe primum mobile/movens, primus motus und Sphäre, erste (prima sphaera, primus orbis) Himmel, geistiger siehe caelum intellectuale/ spirituale Himmel, ober(st)er (caelum superius/summum) 41, 43, 44, 53, 54, 55, 58, 62, 391, siehe auch Sphäre, äußerste/letzte (bewegliche) Himmelfahrt (ascensio) 31, 372, 391 Himmelreich 138, 151, 369 Himmelsbewegung (motus caeli/sphaerae) 36, 38, 39, 40, 41, 43, 44, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 56, 58, 62, 66, 99, 102, 103, 105, 109, 110, 116, 142, 146, 147, 149, 168, 170, 171, 172, 175, 176, 177, 178, 179, 184, 185, 189, 201, 203, 211, 212, 213, 214, 215, 216, 225, 226, 228, 244, 245, 252, 253, 254, 255, 256, 258, 267, 268, 269, 270, 271, 274, 287, 288, 336, 341, 399, 400, 401, 402, 403, siehe auch primum mobile/movens, primus motus und Sternbewegung, Sternenlauf Himmelsgebäude 111, siehe auch Weltenbau (machina mundana) Himmelskörper 38, 40, 42, 47, 49, 51, 57, 58, 60, 61, 62, 64, 66, 88, 107, 109, 142, 248, 259, 261, 262, 264, 270, 296, 308, 401 Himmelslichter (luminaria) 38, 39, 42, 44, 48, 62, 105, 176 Himmelsmaterie 39, 40, siehe auch Äther (quinta essentia) Hinabsteigen siehe Abstieg (descensus) Hinordnung 28, 29, 49, 62, 90, 216, 220, 261, 263, 264, 273, 278, 313, 317, 320,

458 326, 355, 361, 366, 378, 401, 402, siehe auch Disposition, Verfassung (dispositio) und Ordnung (ordo) Hinwendung (conversio) 28, 118, 129, 132, 139, 159, 189, 305, 357, 373, 408, siehe auch Transsubstantiation, Wandlung (conversio) und reversio Hitze (calor) 37, 40, 41, 42, 47, 108, 109, 192 Hochmut (praesumptio) 90, 123, 326, 357 Höchstes (summum) 25, 33, 84, 85, 86, 89, 146, 155, 156, 158, 159, 160, 208, 209, 219, 247, 277, 296, 300, 301, 307, 320, 322, 323, 324, 325, 326, 327, 337, 346, 351, 354, 355, 358, 360, 363, 364, 365, 369, 378, 387, 391, 392, 393, 400, 409, 410, siehe auch Himmel, ober(st)er (caelum superius/summum), Höhe, höher, am höchsten (altitudo, celsitudo, sublimitas) und supremum Hoffnung (spes) 127, 323, 387, 393, 397, 399, 403, 407, 409, siehe auch messianische Hoffnung Höhe, höher, am höchsten (altitudo, celsitudo, sublimitas) 14, 16, 28, 54, 64, 65, 71, 79, 85, 89, 92, 110, 115, 126, 128, 158, 177, 304, 305, 321, 328, 340, 343, 362, 369, 386, 393, 394, 395, 401, siehe auch Höchstes (summum) Höhepunkt 343, 358, 362, 364 Hölle (infernum) 63, 137, 151, 177, 189, 191, 192, 377, 395, 407 Homogenität 206, 207, 211, 221, siehe auch unitas homogeneitatis und ununterscheidbar, ununterschieden Hunger/Streben nach Form 40, 161, 209, 217, 220, 226, 228, 258, 263, 264, 265, 284, 302, 313, 314, 331, 340, 355, siehe auch appetitus und motus/mutatio ad formam Hylemorphismus 71, 258, 259, 265 hypostatische Union 15, 32, 355, 357, 362, 364, 367, 368, 372, 387, 393, siehe auch Vereinigung (unio) Idee 79, 86, 98, 144, 295, 302, 354, siehe auch rationes aeternae/sempiternae Ideenlehre 98

Sachregister Identität, Identifikation 14, 39, 45, 46, 51, 53, 54, 61, 99, 105, 118, 122, 125, 133, 156, 157, 168, 187, 202, 211, 225, 232, 233, 236, 241, 244, 249, 254, 263, 270, 271, 272, 299, 302, 311, 312, 317, 322, 384, 388, 392, 394, 402, 405, 407, siehe auch Einheit, reale und Selbstidentität, Selbigkeit, gleichbleiben ignorantia, ignorare 33, 83, 89, 115, 130, 160, 294, 321, 359, 382, 383, 410 Illuminationslehre 159, siehe auch Erleuchtung (illuminatio, illustratio) impassibilitas 327 impotentia 359 improportionalitas 229, 324, 325 in confinio aeternitatis 189, 347 in der Zeit siehe in tempore in tempore 107, 109, 115, 117, 130, 137, 140, 145, 148, 170, 182, 185, 197, 202, 219, 225, 236, 238, 240, 243, 251, 252, 267, 285, 289, 328, 365 inalterabilitas 40, 41, siehe auch Unveränderlichkeit (immutabilitas, incommutabilitas) incircumscriptibilitas 23 inclinatio 208, 209, 325, 329, 378 incompletus 60, 199, 209, 343, 406 incompossibilitas 210, siehe auch improportionalitas und Inkommensurabilität indifferentia 93, 227, 229 individuatio 260, 271, 302, 317 Individuum 18, 69, 120, 125, 201, 218, 220, 223, 225, 254, 263, 271, 318, 344, 400 infimum, imum 31, 39, 57, 326, 391, 392, 393, 395 Inkarnation, Menschwerdung 13, 31, 92, 125, 153, 158, 345, 346, 353, 354, 355– 70, 370, 371, 372, 373, 384, 385, 386, 387, 388, 390, 391, 392, 393, 395, 396, siehe auch Verbum incarnatum Inkarnationstheologie 23, 26, 355, 372, 395 Inkommensurabilität 89, 210, 312, siehe auch improportionalitas und incompossibilitas Inkompatibilität siehe incompossibilitas und Inkommensurabilität Innenwelt 121, 122

Sachregister innerseelisch 18, 103, 104, 116, 117, 120, 121, 141, 142, 143, 161, 267, 268, 306, 340, siehe auch Zeit, innere und Zeitsubjektivismus innerweltlich 88, 387 instabil 144, 151, 281, 283 instans siehe Jetzt, Augenblick (nunc, instans, νῦν) instantan (instantaneus, subito) 169, 182, 186, 187, 196, 200, 215, 243, 246, 250, 255, 256, 270, siehe auch Schöpfung, instantane/simultane und Sprung integritas 361, 363 Intellekt (intellectus, intellectualis) 17, 27, 28, 29, 30, 31, 58, 69, 79, 82, 85, 88, 89, 126, 127, 147, 156, 167, 171, 172, 184, 232, 242, 243, 304, 305, 308, 322, 323, 328, 343, 351, 355, 356, 374, 376, 377, 378, 383, 403, siehe auch caelum intellectuale/spirituale, Einheit des Intellekts, Erkenntnis(vermögen), Einsicht (intelligentia), Geist (animus), Intelligenz (intelligentia), mens, ratio, Vernunft und Verstand Intelligenz (intelligentia) 43, 68, 69, 227, 300, 311, 312, 317, siehe auch Engel, Geistwesen und Erkenntnis(vermögen), Einsicht (intelligentia) intentio 16, 30, 40, 91, 119, 124, 129, 285 interminabilitas 96, 192, 202, 227, 300, 301, 302, 304, 306, 389, 391, 409, siehe auch endlos, ohne Ende (interminatus) und Unendlichkeit (infinitas) intrinsisch (intrinsecus) 89, 168, 209, 210, 211, 212–28, 228, 229, 243, 247, 251, 254, 255, 256, 278, 280, 283, 286, 305, 308, 313, 318, 405, siehe auch Einheit, intrinsische intuitus siehe contuitus, intuitus invariabilitas 186, 191, 220, 238, 239, 270, 309, siehe auch Unveränderlichkeit (immutabilitas, incommutabilitas) irdisch siehe Erde, irdisch (terra, terrenus, terrestris) irrational 133, 144, 207, 320 Irregularität 52, 101

459 Jahr (annus) 41, 50, 52, 128, 135, 149, 175, 176, 178, 188, 214, 215, 249, 258, 267, 373 Jahreszeit 13, 125 Jetzt, Augenblick (nunc, instans, νῦν) 97, 99, 100, 101, 105, 106, 108, 116, 122, 134, 143, 146, 182, 195, 196, 197, 200, 201, 202, 204, 211, 213, 214, 215, 217, 218, 219, 221, 222, 223, 224, 225, 227, 228, 229–57, 275, 276, 277, 279, 280, 282, 285, 286, 287, 288, 289, 299, 300, 311, 312, 313, 407, siehe auch instantan (instantaneus, subito), Moment (momentum), nunc … und Zeitpunkt Joachiten 15, 27, 33, 380, 381 Jugend, jung 23, 73, 96, 127, 179, 380 Jüngster Tag (dies extremus/iudicii) 126, 172, 177, 189 Jüngstes Gericht 13, 55, 61, 62, 63, 126, 149, 150, 172, 189, 192, 275, 322, 345, 359, 372, 375, 382, 391, 398, 399, 401, siehe auch Urteil, Gericht (iudicium) Kälte (frigiditas) 37, 40, 41, 44, 46, 47, 108, 109 Kategorie 48, 100, 102, 157, 205, 206, 211, 212, 216, 226, 228, 236, 241, 246, 265, 310, 311, 312, 314, 336 kausal, Kausalität 120, 145, 147, 148, 169, 176, 270, 282, 312, 400, siehe auch Grund, Ursache (causa) Keimkräfte (rationes seminales) 147, 264, 340, 355, 374 Kenntnis (notitia, novisse) 54, 67, 72, 74, 75, 78, 82, 83, 84, 89, 90, 119, 135, 148, 160, 330, 335, 338, 383 Kirche 64, 91, 364, 369, 375, 381, 382, 387 Kleinstes (minimum) 49, 52, 100, 119, 205, 206, 207, 209, 259, 272, 275, 277, 410 Koexistenz (coexistentia) 227, 228, 246, 299, 303, siehe auch concomitantia Kommensurabilität 207, siehe auch commensurare und Inkommensurabilität Kompletionstheorie 355, 356, siehe auch completio konstituieren siehe auch formen, bilden, konstituieren (formare, fabricare) Konstitutionsprinzip 149, 281, 284, 310, 313, siehe auch Aufbau (constitutio)

460 konstitutiv 219, 223, 233, 316 kontingent siehe Sein, kontingentes Kontinuität 26, 104, 380, 386, 405, 406 Kontinuum, kontinuierlich (continuus, συνεχές) 38, 39, 47, 97, 100, 101, 102, 170, 171, 172, 174, 175, 176, 177, 180, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 190, 191, 192, 194, 200, 201, 206, 207, 209, 211, 212, 214, 216, 217, 218, 219, 221, 224, 225, 228, 230, 232, 233, 234, 239–50, 250, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 263, 265, 268, 269, 289, 299, 304, 307, 308, 309, 310, 322, 325, 328, 341, 386, 405, siehe auch continuatio …, esse non intercisum, ununterbrochen und Zeit, kontinuierliche (tempus non intercisum) konzentrisch 16, 34, 36, 50, 66, 110 Körper (corpus, corporalis) 16, 26, 34, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 44, 47, 48, 49, 51, 53, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 64, 65, 66, 69, 116, 117, 125, 142, 146, 147, 148, 149, 150, 152, 169, 171, 172, 177, 179, 183, 184, 185, 187, 189, 190, 191, 192, 199, 201, 206, 209, 210, 212, 213, 217, 219, 225, 226, 227, 241, 242, 251, 252, 258, 259, 260, 261, 262, 265, 266, 268, 270, 273, 276, 277, 283, 287, 297, 302, 305, 306, 311, 312, 313, 316, 318, 320, 321, 324, 325, 326, 327, 329, 341, 355, 361, 362, 364, 373, 402, siehe auch Himmelskörper und Leib Körper, fünfter (quintum corpus) siehe Äther (quinta essentia) Kosmologie 17, 34–66, 69, 72, 97, 98, 107, 108, 111, 166, 175, 288, 335, 356, 399, 401, 404, 410, siehe auch Weltbild, … Kosmos, kosmisch 35, 36, 37, 52, 61, 62, 97, 98, 103, 104, 322, 368, 392, 393, 403, siehe auch Makrokosmos, Mikrokosmos (maior/minor mundus) und Welt (mundus) Kraft, Tugend (vis, virtus) 16, 23, 31, 40, 41, 42, 43, 48, 49, 57, 59, 65, 82, 89, 91, 124, 139, 158, 160, 169, 183, 208, 209, 245, 248, 268, 270, 281, 302, 303, 309, 317, 318, 325, 326, 340, 360, 368, 369, 392, 393, 394, 395, 405, siehe auch Möglichkeit, Potenz, Vermögen (possi-

Sachregister bilitas, potentia, δύναµις), Seelenkräfte, Seelenvermögen, Tugend … und Keimkräfte (rationes seminales) Kreatur, geistige siehe Schöpfung, geistige (creatura spiritualis/intellectualis) Kreis, Kugel (circulus, sphaera, orbis) 16, 32, 34, 35, 38, 41, 48, 49, 50, 57, 58, 91, 207, 231, 241, 268, 288, 289, 346, 347, 354, 361, 362, 369, 388–92, 393, 394, 395, 398, 400, 401, siehe auch circulus …, Erdkreis, Welt (orbis), Halbschale (semicircularis), mensura circularis, Sphäre … und Zyklizität Kreisbewegung (motus circularis) 36, 40, 49, 52, 57, 102, 105, 108, 109, 110, 175, 176, 213, 231, 244, 268, 269, 274, 359, 390, 391, 392, 402 Kreiselbewegung 50 Kreislauf (circulatio) 50, 108, 288, 289, 345, 386, 391, siehe auch Zyklizität Kreislinie, Umfang (circumferentia) 207, 388, 389, 391, 393, 395 Kreis-Metaphysik 391 Kreuz (crux) 32, 347, 356, 359, 363, 373, 386, 388, 389, 391, 392–95, siehe auch crux intelligibilis Kreuzestheologie 32, 395 Kristallhimmel, Wasserhimmel 38, 39, 40, 41, 42, 43–52, 56, 60, 66, 175, 177, 178 Kugel siehe Kreis, Kugel (circulus, sphaera, orbis) Kühle, kühlen siehe Kälte (frigiditas) Kunst, göttliche (ars) 156, 321 Lage (positio, situs) 31, 38, 42, 182, 206, 207, 208, 232, 235, 238, 246, 262, 287, 329, 395, siehe auch substantia posita Laterankonzil, IV. (1215) 169, 287, 339 Lauf der Welt siehe Weltgeschichte, Lauf der Welt Leben (vita) 26, 31, 32, 42, 57, 58, 63, 76, 93, 96, 97, 110, 111, 113, 119, 124, 125, 127, 129, 130, 131, 132, 133, 135, 136, 137, 139, 140, 141, 150, 151, 155, 156, 158, 160, 188, 294, 298, 300, 305, 323, 325, 326, 327, 341, 351, 352, 353, 354, 358, 368, 372, 373, 388, 394, 400, 408, 409

Sachregister Lebensalter 151, 380, 384, siehe auch Zeitalter (aetas) Lebensdauer siehe Dauer, Dauern (duratio) Lebensjahr 110 Lebenszeit 110, 188, 215, 294 Lebewesen (animal) 43, 45, 58, 62, 107, 110, 321, 373, 400, 401 Leere, leer (vacuus) 56, 89, 95, 190, 377, siehe auch entleeren, aufheben (evacuare), Nichtiges, Nichtigkeit (vanitas) und Nichts Leib 41, 42, 60, 91, 126, 129, 140, 150, 183, 186, 215, 222, 239, 243, 244, 250–57, 296, 302, 303, 305, 311, 324, 325, 326, 327, 329, 341, 342, 348, 364, 400, 405, 407, siehe Auferstehungsleib, Einheit von Leib und Seele und Form des Leibes leiblich, Leiblichkeit 140, 150, 324, 341, 364, 406, siehe auch Körper (corpus, corporalis) Leichtigkeit (levitas) 47, 327, 407 Leidefähigkeit (passibilitas) 62, 185, 260, 356, siehe auch impassibilitas Leiden siehe Erleiden, Leiden (pati, passio) und Passion Leiter, Stufenleiter (scala) 32, 321, 324, 343, 348, 373 Lenkung der Welt (gubernatio) 15, 345, 377, 393 lesen (legere) 73, 74, 120, 270 Letztes (novissimum, ultimum) 25, 28, 65, 69, 85, 91, 111, 127, 145, 239, 241, 242, 243, 244, 250, 251, 252, 253, 255, 256, 261, 300, 337, 346, 348, 351, 355, 358, 359, 360, 361, 362, 367, 368, 372, 378, 382, 387, 388, 389, 391, 392, 393, 400, 401, 404, 406, siehe auch Eschatologie und Jüngstes Gericht liber creaturae 32, 305, 322, 395 Liber de causis 68, 71, 72, 75, 81, 190, 295, 300, 311 Liber de ordine creaturarum 59, 61 liber scriptus intus et foris 32, 321 Liber sex principiorum 73 Licht (lux, lumen) 30, 38, 39, 40, 42, 47, 50, 52, 53, 57, 59, 62, 64, 66, 79, 82, 83, 84, 86, 87, 88, 93, 97, 146, 159, 160,

461 178, 200, 265, 320, 322, 323, 359, 361, 374, 392, 401, siehe auch claritas und Himmelslichter (luminaria) Lichterfülltheit (luminositas) 38, 39, 40, 47, 53, 59, 126 Lichtform (forma lucis) 39, 40, 43, 59, 71 Lichtmetapher 406 Lichtstrahl, Sonnenstrahl 30, 191, 200, 202, 219, 248, 309, 342 Liebe (amor, caritas, dilectio) 28, 29, 32, 57, 59, 61, 63, 83, 88, 90, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 136, 139, 140, 150, 153, 159, 160, 313, 320, 321, 322, 323, 324, 344, 345, 354, 356, 357, 365, 367, 378, 381, 383, 389, 392, 393, 394, 399 liebenswert (amabilis, diligibilis) 83, 90, 322, 323 Lied, Gedicht (carmen) 97, 118, 119, 142, siehe auch Rede (oratio) Limbus 63 linear 289, 380, siehe auch Bewegung, geradlinige (motus rectus) und geradlinig Linie siehe Gerade, Linie, Strecke Logik, logisch 17, 67, 68, 81, 157, 199, 246, 259, 263, 280, 305, 318 Lohn (praemiatio, praemium, remuneratio) 61, 62, 63, 323, 327, 328, 365, 366, 387, 388, 409 Luft (aer) 35, 38, 46, 48, 54, 55, 108, 232 machina mundana siehe Weltenbau (machina mundana) Macht (potestas) 23, 158, 247, 307, 320, 346, 400, 405, siehe auch Möglichkeit, Potenz, Vermögen (possibilitas, potentia, δύναµις) Macht, Weisheit, Güte (potentia, sapientia, bonitas) 65, 320, 358, 363, 393 magnitudo siehe Größe (magnitudo, quantitas, ποσόν) Makrokosmos, Mikrokosmos (maior/minor mundus) 61, 321, 342, 346, 361, 369, 373, 401 Mangel siehe Defekt(ibel), Mangel manuducere 304, 305 Maß der Dauer, duratives Maß (mensura durationis) 109, 168, 170, 187, 188, 197, 198, 199, 200, 201, 215, 217, 224, 279,

462 284, 293, 295, 296, 298, 308, 325, 341, 405 Maß(zahl) der Bewegung (mensura/numerus motus) 17, 18, 95, 101, 102, 103, 105, 111, 168, 169, 171, 174, 175, 176, 180, 185, 187, 212, 213, 214, 216, 218, 236, 238, 245, 254, 266, 267, 274, 310, 335, 336, 340, 400, siehe auch Zeit, aristotelische Maß, allgemeines siehe mensura communis Maß, erstes 199, 205, 213, 224, 225, 228, 271, 284, 347, 408, siehe auch Erstgeschaffene (primo creata) Maß, extrinsisches/intrinsisches siehe extrinsisch (extrinsecus) und intrinsisch (intrinsecus) Maß, herausragendes/vorzügliches siehe mensura excellens Maß, Maßstab (mensura) 19, 23, 49, 50, 59, 60, 66, 96, 98, 101, 102, 103, 109, 117, 143, 149, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 171, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 193, 197, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204–29, 232, 236, 237, 244, 245, 251, 254, 255, 256, 258, 264, 265, 266, 267, 270, 271, 274, 277, 280, 284, 285, 286, 288, 293, 297, 298, 299, 305, 308, 310, 311, 312, 313, 314, 316, 317, 318, 319, 320, 322, 323, 324, 326, 329, 330, 331, 336, 340, 341, 347, 368, 372, 386, 391, 400, 405, 406, 407, siehe auch Gemessen(es), gemessen werden (mensuratum), mensura …, mensurare per accidens/essentiam, Messbarkeit, messen (mensurare, metiri), Messung (mensuratio), Regel, Regularität, Regulierung (regula, regulatio), Übermaß und Ungemessenheit (immensitas) Maß, uneigentliches siehe uneigentlich (improprie, minus proprie) Masse (moles) 40, 57, 209, 260 materia prima 24, 46, 56, 60, 140, 142, 145, 149, 198, 217, 258, 261, 270, 286 materia spiritualis 71, 259, 262 materia tendit ad formam siehe Hunger/Streben nach Form

Sachregister Materialität 59, 140, 259, 260, 261, 265, 266, 317, 341, 406 Materie 40, 47, 56, 60, 76, 110, 112, 145, 146, 150, 153, 171, 172, 173, 179, 180, 182, 189, 196, 199, 201, 204, 208, 209, 210, 217, 218, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 236, 242, 257–66, 270, 271, 272, 273, 275, 276, 277, 279, 281, 284, 297, 302, 303, 312, 313, 317, 318, 324, 331, 335, 340, 341, 343, 344, 400, 406, siehe auch causa materialis, Einheit der Materie, Elementarmaterie, Himmelsmaterie, Hunger/Streben nach Form, Sein der Materie (materia secundum esse) und Wesen der Materie (materia secundum essentiam) Materie, metaphysische 223, 260, 261, 277, siehe auch Wesen der Materie (materia secundum essentiam) medela siehe Heilung (curatio, medela) mediatio 352, 360, siehe auch Mitte, Mittleres (medium, mediator) Menge siehe Vielzahl, Menge (multitudo) mens 54, 79, 85, 126, 146, 148, 153, 159, 267, 297, 304, 322, 324, 351, 359, 360, 383, 392, 393, 394, 408, siehe auch apex mentis, Geist (spiritus), Vernunft und Verstand Menschheitsgeschichte siehe Weltgeschichte, Lauf der Welt Menschwerdung siehe Inkarnation, Menschwerdung mensura circularis 288 mensura communis 211, 214, 226, 228, 241, 244, 245, 253, 254, 255, 256, 299 mensura determinata/indeterminata 170, 175, 216, 258, siehe auch Determinierung (determinatio, determinatus) mensura egressionis 199, 222, 224, 279, 284, 347, siehe auch exitus de non-esse in esse mensura excellens 102, 109, 170, 174, 175, 176, 205, 208, 214, 215, 228 mensura multiplicatur … 210, 211, 217, 221, 228, 254, 318 mensura permanens/successiva 246, 297 mensura possibilitatis 258, 271

Sachregister mensura propria 181, 205, 209, 210, 211, 215, 223, 227, 244, 255, 258, 297, 298, siehe auch Dauer/Zeit, eigene (propria duratio/periodus) mensura separata 210, 211 mensurare per accidens/essentiam 213 Meridian 49, 176 Messbarkeit 101, 106, 141, 191, 206, 208 messen (mensurare, metiri) 52, 59, 101, 102, 107, 116, 117, 118, 120, 121, 123, 142, 165, 168, 171, 176, 181, 184, 185, 187, 190, 198, 199, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 216, 220, 221, 224, 228, 232, 236, 237, 240, 248, 251, 252, 253, 256, 265, 267, 268, 269, 271, 272, 273, 274, 296, 297, 298, 299, 313, 323, 336, 340, 407, siehe auch Gemessen(es), gemessen werden (mensuratum), Maß, Maßstab (mensura) und mensurare per accidens/essentiam messianische Hoffnung 387 Messung (mensuratio) 102, 117, 119, 121, 122, 208, 209, 210, 213, 216, 272 Metaphysik 16, 19, 20, 31, 68, 70, 85, 86, 106, 107, 132, 149, 169, 180, 220, 221, 222, 259, 261, 262, 263, 283, 284, 328, 337, 338, 339, 345, 349, 352, 353, 368, 369, 371, 390, 391, siehe auch Materie/Zeit, metaphysische, KreisMetaphysik und Philosophie Mikrokosmos siehe Makrokosmos, Mikrokosmos (maior/minor mundus) minus proprie siehe uneigentlich (improprie, minus proprie) Mischung, gemischt, vermischt ([per]mixtus) 37, 40, 42, 82, 87, 88, 192, 247, 248, 270, 283, 302, siehe auch unvermischt, unvermischbar (immiscibilis) mitgeschaffen (concreatum) 145, 277, 284, 286, 287, 348, siehe auch habitudo concreata Mittag (meridies) 281 Mitte siehe Mittler, Mittleres (mediator, medium) und Zentrum mittelbar, vermittelt 35, 44, 49, 52, 57, 66, 71, 81, 110, 142, 161, 178, 258, 276, 295, 326, 349, 360, 368, 370, 376, 378, 384

463 Mittelplatonismus 54, 144 Mittelpunkt 32, 35, 141, siehe auch Zentrum Mittler, Mittleres (mediator, medium) 15, 30, 31, 32, 35, 45, 57, 80, 86, 88, 89, 90, 100, 124, 128, 169, 170, 184, 188, 189, 190, 200, 218, 219, 220, 224, 226, 244, 251, 253, 255, 258, 261, 272, 277, 278, 288, 294, 297, 320, 321, 326, 335, 336, 337, 338, 343, 350, 351, 352, 353, 358, 359, 360, 364, 365, 368, 369, 370, 371, 372, 373, 383, 384, 385, 388, 390, 391, 392, 393, 394, 395, 396, 399, 408 Mitwirken (cooperatio) 43, 92, 248, 309, 320, 325, 331 Möglich(es), potentiell (possibilis, potentialis, in potentia) 42, 69, 104, 108, 227, 232, 233, 238, 242, 243, 244, 245, 246, 247, 248, 257, 259, 260, 262, 263, 265, 267, 308, siehe auch ens in potentia, ermöglichen, Unendlichkeit, potentielle, Veränderung, mögliche (mutatio in potentia) Möglichkeit, Potenz, Vermögen (possibilitas, potentia, δύναµις) 13, 19, 20, 31, 41, 43, 44, 47, 88, 91, 102, 104, 109, 117, 118, 121, 127, 148, 157, 158, 182, 183, 203, 209, 217, 220, 230, 240, 242, 249, 253, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 271, 272, 285, 288, 302, 307, 308, 309, 313, 316, 317, 318, 321, 325, 331, 340, 344, 345, 346, 357, 367, 370, 404, siehe auch Allmacht (omnipotentia), Aufnahmevermögen (potentia receptiva), ens in potentia, Erkenntnis(vermögen), Einsicht (intelligentia), impotentia, Kraft, Tugend (vis, virtus), Macht, Weisheit, Güte (potentia, sapientia, bonitas), mensura possibilitatis, Potential, Potentialität, Seelenkräfte, Seelenvermögen, Strebevermögen, unitas possibilitatis und Vorstellung(svermögen) (imaginatio) Moment (momentum) 116, 132, 195, 199, 229, 240, 245, 247, 249, 250, 253, 254, 256, 258, 282, 287, 385, siehe auch Jetzt, Augenblick (nunc, instans, νῦν), nunc/instans/momentum primum, Schöpfungsmoment und Zeitpunkt Monat (mensis) 41, 125, 135

464 Mond (luna) 36, 38, 39, 41, 42, 44, 46, 62, 107, 109, 146, 178, 214, 400, 401, siehe auch sublunar und supralunar Monopsychismus 69, siehe auch Einheit des Intellekts morgen (cras) 155, 303 Morgen (mane) 105, 128, 146, 148, 149, 150, 281, 344, siehe auch Erkenntnis der Engel Morgenerkenntnis (cognitio matutina) siehe Erkenntnis der Engel Morgenröte (aurora) 123 motus/mutatio ad formam 142, 182, 183, 262, 279, 283, 329, siehe auch Hunger/Streben nach Form mutatio (de non-esse) ad esse 168, 171, 172, 193, 194, 195, 196, 198, 199, 202, 224, 275, 279, 280, 283, 302, siehe auch exitus de non-esse in esse und esse post non-esse mysterium 353, 356, 366, 370, 372, 374, 375, 378, 383, 388, 394, 432 Mystik (theologia mystica) 14, 29, 76, 301, 304, 324, 342, 393 Nachahmung (imitatio, µίµησις) 108, 302, 312, 318 Nacht (nox) 48, 97, 160, 176, 191, 195, 381, 385 Natur (natura, φύσις) 16, 31, 32, 37, 38, 40, 41, 42, 46, 47, 49, 50, 56, 60, 61, 62, 63, 64, 70, 79, 83, 84, 87, 91, 98, 109, 111, 112, 117, 118, 121, 131, 134, 141– 50, 152, 153, 157, 158, 159, 185, 186, 195, 207, 220, 223, 227, 232, 238, 242, 248, 260, 262, 263, 268, 270, 271, 272, 278, 279, 280, 281, 283, 285, 297, 305, 306, 308, 311, 312, 313, 317, 318, 319, 320, 322, 324, 325, 326, 329, 331, 341, 342, 343, 345, 350, 351, 355, 357, 359, 361, 362, 364, 365, 366, 367, 368, 369, 371, 373, 386, 390, 391, 393, 401, 402, 405, 407, siehe auch Substanz (substantia, ὑπόστασις), Veränderung, übernatürliche (supernaturalis mutatio) und Wesen(heit) (essentia, οὐσία) Natur, geistige siehe Wesen/Substanz/Natur, geistige(s)

Sachregister Naturbestand (Zeit als Naturbestand) siehe Zeitobjektivismus und Naturzeit Naturphilosophie, Naturwissenschaft 15, 16, 20, 34, 35, 36, 52, 68, 73, 79, 84, 166, 167, 178, 179, 180, 204, 258, 349, 396, 403 Naturzeit 33, 329, 347, 374, siehe auch Zeitobjektivismus Neigung siehe inclinatio Neoaugustinismus 72 neu (novus) 17, 35, 67, 68, 74, 78, 80, 81, 87, 88, 99, 104, 105, 108, 114, 118, 129, 130, 149, 182, 192, 200, 201, 202, 219, 225, 246, 247, 248, 257, 258, 284, 310, 323, 330, 344, 350, 353, 364, 367, 370, 380, 381, 382, 385, 386, 387, 395, 396, 400, 401, 405, 406, 407, siehe auch Anfang der neuen Zeit und Erneuerung (innovatio, renovatio) Neuanfang, Neubeginn 50, 121, 357, 358, 361, 369, 384, 405, siehe auch Neuschöpfung (recreatio, refectio) Neues Testament 15, 145, 349, 373, 375, 379, 380, 381, 382, 384, 385, 386, 387, 404 Neugier (curiositas) 83, 88, 89 Neun 37, 45, 52, 66, 232, 378, siehe auch Sphäre, neunte Neuplatonismus 54, 68, 69, 70, 71, 72, 81, 87, 98, 106, 112, 120, 131, 139, 140, 156, 294, 295, 300, 347 Neuschöpfung (recreatio, refectio) 350, 358, 361, 362, 365, 366, 369, 386, 405, siehe auch Erneuerung (innovatio, renovatio), Erquickung (refectio, reficere), reformatio und Wiederherstellung (reparatio, restitutio) Nezessitarismus siehe Determinismus Nichtiges, Nichtigkeit (vanitas) 132, 133, 281, 282, 283, 347 Nichts 139, 222, 224, 261, 272, 275, 281, 282, siehe auch creatio ex nihilo Nicht-Sein (non-esse) 60, 132, 142, 157, 193, 248, 260, 281, 282, 283, 307, siehe auch esse post non-esse, exitus de nonesse in esse, mutatio (de non-esse) ad esse, tendere non esse und versio/vertibilis ad non-esse

Sachregister Nichtwiderspruchsprinzip siehe Widerspruchsprinzip nicht-zeitlich siehe überzeitlich, nicht-zeitlich (supra tempus) und zeitfrei, zeitlos Notwendigkeit (necessitas) 16, 25, 42, 57, 58, 64, 81, 85, 87, 92, 102, 111, 127, 128, 130, 131, 144, 172, 175, 180, 210, 220, 224, 244, 249, 253, 255, 287, 294, 298, 300, 301, 321, 322, 325, 329, 342, 344, 345, 347, 350, 354, 357, 366, 386, siehe auch Bedürfnis, Bedürftigkeit (indigentia) und Sein, notwendiges numerisch siehe Einheit, numerische und Zahl (numerus, ἀριθµός) nunc siehe Jetzt, Augenblick (nunc, instans, νῦν) nunc aeternitatis 201, 202, 227, 228, 235, 239, 299 nunc aevi 201, 202, 223, 225, 227, 235, 299, 311, 312 nunc primo esse 224, 225, 280, 282, 408 nunc, eigenes 225, 244, 253, 254, 255, 256, 257 nunc, fließendes (nunc fluens/fluxibile) 106, 201, 202, 223, 225, 229, 231, 234, 235, 238, 239, 240, 249, 252, 257, 311, 313, 337 nunc, verbindendes (nunc continuans) 100, 108, 119, 230, 231, 236, 237, 238, 243 nunc/instans/momentum primum 195, 200, 221, 222, 224, 228, 241, 276, 277, 282, 284, 285, 286, 287, 289, 312, 346 Oberfläche siehe Fläche (superficies) Objektivität der Zeit siehe Zeitobjektivismus obliquitas 325, 326 offenbaren (manifestare) 31, 38, 116, 127, 144, 147, 149, 159, 176, 208, 211, 213, 216, 224, 269, 280, 320, 325, 338, 347, 352, 363, 367, 394, 395 Offenbarung (revelatio) 25, 44, 66, 79, 87, 90, 154, 338, 351, 358, 374, 381, 382, 383, 387, 403 Offenbarung des Johannes 375, 381, 400 ohne Ende siehe endlos, ohne Ende (interminatus) Olymp 45, 46 Omega siehe Alpha und Omega

465 Ontologie 19, 86, 111, 122, 142, 145, 237, 250, 272, 286, 302, 315, 360, siehe auch Status, ontologischer und Stufenontologie opifex siehe Schöpfer (creator) Optimismus 192, siehe auch Zeitoptimismus und Bestes (optimum) Orden siehe Stand, Orden (ordo) Ordnung (ordo) 35, 55, 58, 59, 60, 63, 83, 90, 91, 92, 97, 124, 125, 129, 133, 134, 138, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 169, 173, 185, 191, 206, 208, 216, 220, 236, 239, 246, 247, 256, 268, 281, 282, 285, 286, 287, 295, 297, 310, 313, 320, 321, 322, 326, 336, 340, 342, 354, 357, 361, 362, 369, 370, 371, 374, 379, 382, 388, 390, 399, 404, siehe auch Erlösungsordnung, Heilsordnung, Hinordnung, Studienordnung (ordo studendi), Stufenordnung und Stand, Orden (ordo) ordo seraphicus siehe Seraphim, ordo seraphicus Ort (locus) 32, 40, 45, 48, 53, 54, 56, 57, 58, 59, 60, 62, 63, 64, 65, 66, 70, 87, 99, 105, 107, 109, 117, 119, 126, 127, 129, 133, 148, 149, 161, 177, 183, 184, 185, 206, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 217, 230, 234, 236, 248, 251, 260, 265, 268, 270, 271, 276, 277, 287, 298, 308, 327, 329, 361, 367, 368, 395, siehe auch Wohnung, Wohnort (habitatio, habitaculum) und Verortendes, Verortetes (locans, locatum) Ortsbewegung (motus localis, motus ad situm, motus per locum) 147, 148, 172, 175, 179, 181, 182, 183, 185, 186, 187, 200, 236, 240, 250, 262, 328, 329, 342, 407 Ortsveränderung (mutatio loci, mutatio ad situm) 234, 236, 248, 262, 279 Ostia-Vision 124, 127, 133 otiosus siehe überflüssig (otiosus, superfluus) Paradies 53, 63, 66, 343, 374, 401 Paradoxie, Paradoxon 97, 115, 280 Passion 31, 358, 372, 385, 395, siehe auch Erleiden, Leiden (pati, passio)

466 passiv

69, 118, 124, 264, 277, 278, 317, siehe auch creatio-passio, creari und Erleiden, Leiden (pati, passio) paulative siehe allmählich (paulative) perennis 152, 293, 306 Perfektion siehe Vollkommenheit (perfectio) periocha 381 Periode (periodus) 15, 50, 52, 81, 298, 380, siehe auch Dauer/Zeit, eigene (propria duratio/periodus) Peripatetiker siehe Aristotelismus Peripherie siehe Kreislinie, Umfang (circumferentia) permanent siehe Bleiben, bleibend ([per]manens) Perpetuierung 201, 403 perpetuus 55, 150, 151, 152, 161, 191, 192, 293, 294, 295, 298, 313, 323, 324, 326, 341, 345, 400, 402 Person, personal 31, 65, 142, 145, 152, 155, 161, 169, 194, 200, 306, 317, 344, 345, 350, 352, 353, 354, 355, 357, 360, 362, 364, 367, 368, 369, 371, 372, 387, 390, siehe auch discretio personalis petitio principii 289 Pflanzstätte (seminarium) 33, 383 Philosophie 13, 15, 16, 17, 18, 19, 30, 33, 42, 43, 44, 51, 55, 56, 68, 70, 71, 73, 75, 76, 78, 79, 80, 81–94, 95, 97, 98, 99, 103, 106, 120, 121, 122, 167, 168, 171, 180, 204, 213, 261, 270, 273, 275, 295, 296, 305, 307, 326, 338, 352, 355, 404, 410, siehe auch Antiphilosophismus, Metaphysik, Naturphilosophie, Naturwissenschaft, Transzendentalphilosophie und Zeitphilosophie Pilgerschaft (peregrinatio) 126, 137, 138 Pilgerstand (via[tor]) 305, 324, 343, 410 pius, pietas 83, 90, 92, 363, siehe auch Glaubensempfinden (pietas fidei) Planet(ensphäre) 35, 36, 38, 39, 41, 42, 43, 44, 49, 50, 66, 99, 110, 111, 201, siehe auch caelum planetarum und Sphäre, Himmelssphäre (sphaera, orbis, caelum) Pluralität, Vielheit (pluralitas) 54, 225, 237– 57, 262, 318, 340 Pneumatologie 13, 359, 385

Sachregister Potential 166, 220, 259, 264, 309, 340, 367 Potentialität 102, 109, 220, 226, 243, 247, 248, 249, 259, 261, 262, 263, 264, 265, 313, 330, 331, 341 potentiell siehe Möglich(es), potentiell (possibilis, potentialis, in potentia) Potenz siehe Möglichkeit, Potenz, Vermögen (possibilitas, potentia, δύναµις) Prädestination 15, 23, 24, 26, 144, 360 Prädikatenprädikat 259 Präexistenz 365 Präsens siehe Gegenwart (praesens, praesentia, praesentialitas) Präsenz 118, 158, 303, 403 Präzession 50, 51, 52, 176 primitas 25, 300 primum mobile/movens, primus motus 43, 45, 49, 50, 51, 52, 66, 169, 171, 172, 174, 175, 176, 177, 178, 184, 185, 187, 188, 190, 210, 211, 212, 213, 214, 215, 216, 218, 221, 222, 225, 226, 228, 244, 245, 252, 254, 255, 256, 258, 267, 268, 269, 270, 271, 274, 275, 287, 288, 315, 316, 336, 341, 400, siehe auch Himmel, erster (primum caelum), Himmelsbewegung (motus caeli/sphaerae), Kreisbewegung (motus circularis) und Sphäre, erste (prima sphaera, primus orbis) Prinzip, erstes (primum principium) 13, 32, 84, 91, 302, 321, 324, 326, 360, 361, 372, 389, siehe auch Ursache, erste (causa prima) Prinzip, Ursprung (principium, ἀρχή) 16, 32, 35, 53, 54, 56, 62, 69, 70, 79, 80, 84, 85, 86, 92, 101, 109, 111, 115, 122, 132, 134, 141, 145, 146, 152, 160, 169, 171, 177, 193, 195, 196, 197, 198, 199, 200, 205, 207, 208, 209, 218, 219, 220, 221, 224, 225, 227, 228, 230, 232, 234, 257, 260, 261, 262, 263, 268, 271, 273, 276, 277, 278, 279, 280, 281, 282, 283, 284, 285, 286, 288, 289, 295, 298, 299, 306, 307, 308, 313, 316, 317, 320, 337, 338, 339, 345, 348, 351, 352, 353, 354, 355, 358, 360, 361, 362, 366, 369, 370, 371, 372, 374, 377, 387, 388, 389, 390, 391, 393, 396, 399, 403, 405, 406, 407, 409, 410, siehe auch Bewegungs-, Ein-

Sachregister heits-, Formal-, Konstitutions-, Seins-, Struktur-, Widerspruchs-, Zahlprinzip, petitio principii sowie Anfang, Beginn (initium, incipere), Grund, Ursache (causa) und Ursprung (origo, ortus) Priorität 100, 106 Privation 85, 191, 208, 246, 260, 261, 279, 283, 299, siehe auch Defekt(ibel), Mangel processus ab imperfecto ad perfectum 361, 362, 372 producere 30, 41, 195, 196, 200, 224, 225, 276, 277, 279, 281, 283, 285, 286, 289, 311, 312, 331, 342, 351, 353, 358, 362, 367, 369, 374, 378, 380, 403 Prophet, Prophetie 28, 59, 150, 340, 342, 371, 375, 381, 382, 383, 384, 387, 403, siehe auch tempus prophetiae/prophetarum proportio siehe Entsprechungsverhältnis (proportio, proportionalis) Proportionalitätsanalogie 236 Protologie siehe Schöpfungslehre, Protologie psychisch siehe Seele (anima, ψυχή) Punkt 15, 57, 99, 100, 108, 109, 186, 195, 211, 213, 219, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 237, 238, 240, 241, 242, 243, 244, 251, 252, 253, 255, 279, 288, 289, 346, 361, 388, 391, 392, 393, 394, 395, siehe Endpunkt, Zielpunkt, Frühlingspunkt, Mittelpunkt, Moment (momentum), Schnittpunkt, Zeitpunkt Purgatorium 24, 63 Qual siehe Strafe, Qual (poena, tormentum) Qualität (qualitas) 38, 42, 62, 100, 111, 149, 150, 157, 166, 175, 181, 186, 194, 201, 208, 223, 245, 296, 307, 311, 314, 326, 338, 341, 344, 381, 386, 401, siehe auch Eigenschaft (proprietas) und Elementarqualität quod fertur 234, 236, 237, 238, 243 raptus 29 ratio 16, 28, 29, 38, 40, 41, 42, 43, 49, 54, 56, 58, 59, 60, 62, 79, 84, 86, 87, 88, 90, 91, 92, 120, 144, 147, 165, 169, 174, 189, 191, 194, 198, 201, 202, 211, 216, 217, 218, 219, 220, 227, 229, 232, 234, 236, 237, 238, 239, 260, 262, 263,

467 265, 267, 277, 278, 281, 282, 286, 289, 299, 301, 304, 308, 312, 313, 316, 318, 323, 327, 329, 337, 341, 351, 352, 354, 355, 356, 357, 358, 359, 360, 363, 364, 366, 367, 368, 369, 371, 372, 374, 379, 389, 400, 402, 403, siehe auch Denken, Gedanke (cogitatio, cogitare), Geistseele (anima rationalis, νοῦς), Geist (animus), Geist (spiritus), Intellekt (intellectus, intellectualis), Keimkräfte (rationes seminales), mens, schlussfolgern (ratiocinare), Vernunft, Verstand, Wahrscheinlichkeitsgründe (rationes probabilitatis) und secundum rationem … ratio inducens 366 rational, geistbegabt (rationalis) 31, 41, 58, 83, 84, 91, 92, 94, 126, 313, 317, 320, 322, 323, 326, 341, 345, 350, 351, 358, 374, 376, 389, 401, 402, siehe auch Antirationalismus, Geistseele (anima rationalis, νοῦς) und irrational rationale Struktur der Geschichte 374 rationes aeternae/sempiternae 28, 29, 33, 79, 87, 88, 144, 148, 150, 154, 155, 158, 159, 355, siehe auch Idee Raum(inhalt) (spatium, volumen) 34, 40, 44, 46, 54, 57, 58, 59, 60, 62, 65, 66, 95, 99, 100, 101, 106, 118, 128, 137, 149, 171, 177, 181, 184, 191, 200, 206, 219, 230, 231, 233, 235, 244, 255, 256, 260, 265, 275, 287, 302, 307, 370, 386, 399, siehe auch Körper (corpus, corporalis), Ort (locus) und Zeitraum real 121, 157, 190, 227, 244, 255, 261, 263, 264, 277, 340, 369, 409, siehe auch aktual, aktuell, wirklich (actualis, in actu), Differenz, reale, Einheit, reale, relatio realis, secundum rem/esse/substantiam und Wirklichkeit, Realität (ἐνέργεια) Rechtheit (rectitudo) 321, 322, 357, 369 Rede (oratio) 206, 246, siehe auch Lied, Gedicht (carmen) Redemptionstheorie 355, 368, siehe auch Erlösung … reditus siehe Rückkehr (regressus, reditus)

468 reductio 32, 88, 160, 343, 344, 346, 347, 348, 350, 351, 352, 353, 354, 359, 360, 367, 368, 369, 372, 377, 387, 390, 391, 392, 398, siehe auch Rückkehr (regressus, reditus) und resolutio refectio siehe Erquickung (refectio, reficere) und Neuschöpfung (recreatio, refectio) reformatio 131, 134, 139, 244, 305, 405, siehe auch Neuschöpfung (recreatio, refectio) und Wiederherstellung (reparatio, restitutio) Regel, Regularität, Regulierung (regula, regulatio) 27, 30, 40, 42, 47, 50, 85, 159, 168, 174, 176, 178, 180, 185, 188, 190, 211, 214, 215, 216, 256, 267, 400, siehe auch Maß, Maßstab (mensura) regressus ad infinitum 285, 286, 288 Regung siehe Affekt, affektiv (affectio) Reihenfolge siehe Ordnung (ordo) und successio, successivus relatio realis 278, 281 Relation, Beziehung 14, 60, 102, 115, 136, 157, 159, 226, 233, 236, 256, 278, 335, 337, 339, 344, 352, 353, 354, 361, 368, 384, 407 Reportatio 25, 27, 31, 32, 73, 76, 77, 78, 79, 80, 86, 88, 89, 90, 218, 234, 352, 370, 374, 375, 376, 379, 381, 382, 383, 386, 394, 395, 432 repraesentatio 19, 32, 99, 142, 143, 161, 216, 221, 239, 253, 256, 304, 307, 353, 354, 368, 383 requiescere siehe Ruhe (quies, tranquillitas) resolutio 55, 85, 86, 128, siehe auch reductio und Rückkehr (regressus, reditus) reversio 283, 350, 363, 387, 390, siehe auch Hinwendung (conversio) und Vernichtung (annihilatio, versio) Ring (anulus) 159, 271 Rotation siehe Drehung (revolutio) Rückkehr (regressus, reditus) 87, 288, 289, 343, 344, 346, 347, 350, 352, 353, 359, 360, 361, 366, 369, 384, 389, 390, 391, 398, 400, siehe auch reductio, regressus ad infinitum, resolutio und reversio Ruhe (quies, tranquillitas) 37, 49, 55, 57, 58, 59, 61, 62, 63, 64, 65, 84, 87, 88, 96, 103, 116, 126, 128, 129, 131, 132, 137,

Sachregister 138, 141, 146, 226, 227, 250, 253, 260, 264, 269, 271, 305, 311, 313, 321, 322, 323, 326, 327, 328, 331, 342, 354, 360, 382, 383, 390, 391, 400, 401 Sabbat 150 Sache, Ding (res) 16, 19, 30, 31, 32, 33, 41, 42, 49, 56, 58, 59, 84, 87, 88, 96, 97, 104, 107, 108, 117, 118, 120, 121, 123, 129, 131, 132, 135, 139, 140, 141, 143, 144, 145, 148, 149, 150, 151, 154, 155, 158, 159, 160, 161, 166, 169, 171, 174, 178, 181, 182, 185, 186, 187, 189, 190, 197, 198, 199, 200, 205, 207, 208, 209, 212, 215, 216, 218, 219, 220, 221, 222, 225, 226, 236, 242, 244, 245, 246, 248, 251, 259, 261, 262, 264, 267, 268, 269, 270, 271, 272, 274, 276, 277, 279, 280, 281, 282, 283, 284, 285, 286, 287, 288, 289, 290, 295, 297, 298, 304, 311, 314, 317, 318, 320, 321, 323, 324, 325, 329, 331, 336, 337, 339, 340, 342, 343, 350, 352, 358, 360, 361, 362, 369, 374, 377, 405, siehe auch secundum rem/esse/ substantiam saeculum 15, 55, 139, 141, 145, 151, 152, 172, 177, 188–93, 287, 293, 294, 330, 352, 355, 371, 373, 395, 396, 407 Sakrament 13, 14, 305, 354, 359, 365, 373, 375, 381, 388, siehe auch figurae sacramentales und mysterium Sakramentenlehre 13, 23 Samen 376, 377, 378, 379, 380, 382, 386, siehe auch Keimkräfte (rationes seminales) und Pflanzstätte (seminarium) Sammlung (colligere) 47, 53, 124, 129, 131, 139, 174, 376, 397, 405, 406 Schatten (umbra) 385 Schau (visio) 14, 28, 29, 31, 32, 33, 34, 54, 63, 84, 89, 126, 127, 128, 129, 137, 138, 159, 191, 305, 321, 322, 323, 324, 327, 328, 343, 377, 381, 383, 390, 401, 403, 407, 410, siehe auch contemplatio, contuitus, intuitus, Gesichtssinn, Sehen (videre), speculatio, speculari und theoria Schiefe siehe obliquitas Schiff 105, 183

Sachregister schlussfolgern (ratiocinare) 44, 79, 84, 91, 288, 304, 305 Schnittpunkt 50, 253 Schönheit (pulchritudo, decor) 61, 63, 133, 134, 143, 149, 328, 377, 388 Schöpfer (creator) 14, 15, 28, 32, 60, 89, 98, 115, 126, 130, 131, 132, 133, 137, 143, 144, 147, 155, 158, 159, 209, 277, 281, 282, 284, 309, 320, 322, 331, 335, 337, 339, 343, 344, 347, 350, 351, 354, 357, 358, 362, 364, 366, 368, 370, 374, 387, 395, 408 Schöpfung (creatio, constitutio mundi) 15, 19, 23, 26, 31, 32, 38, 53, 55, 59, 66, 68, 71, 79, 115, 121, 129, 131, 139, 143, 144, 146, 147, 148, 150, 151, 155, 158, 161, 167, 172, 177, 182, 187, 191, 195, 196, 197, 198, 199, 211, 218, 221, 222, 224, 241, 275, 276, 277, 278, 279, 280, 281, 282, 283, 284, 286, 287, 289, 305, 306, 309, 312, 320, 321, 329, 336, 337, 338, 339, 341, 342, 343, 346, 347, 348, 350, 351, 352, 353, 354, 355, 356, 357, 358, 359, 360, 361, 362, 363, 364, 365, 367, 368, 369, 370, 382, 383, 387, 390, 391, 402, 403, siehe auch Anfang der Welt/Schöpfung, Aufbau (constitutio), creatio …, Erschaffung, Erstgeschaffene (primo creata), erzeugen, Erzeugung (facere, factio), formen, bilden, konstituieren (formare, fabricare), geschaffen, Geschaffenes (creatum), Geschöpf (creatura), hervorbringen (producere), mitgeschaffen (concreatum), Neuschöpfung (recreatio, refectio) und Werden, Entstehen (generatio, γένεσις) Schöpfung, erste 358, 361, 366 Schöpfung, geistige (creatura spiritualis/intellectualis) 28, 54, 126, 127, 128, 131, 132, 137, 146, 147, 148, 149, 152, 155, 169, 177, 181, 209, 218, 305, 312, 326, 341, siehe auch Engel, Geistwesen und Wesen/Substanz/Natur, geistige(s) Schöpfung, instantane/simultane 146, 147, 171, 276 Schöpfung, sinnliche 32, 321, siehe auch Welt, sinnliche (mundus sensibilis)

469 Schöpfungsakt, Schöpfungshandeln 147, 193, 195, 197, 275, 279, 281, 286, 343, 345, 403 Schöpfungsbericht, Schöpfungsgeschichte 29, 113, 114, 161, 222, 340, 342, 381 Schöpfungslehre, Protologie 13, 14, 23, 26, 37, 71, 149, 161, 167, 203, 335, 338, 347, 349, 397 Schöpfungsmoment 222, 224, 241, 282, 312, 346, siehe auch nunc/instans/momentum primum und Anfang der Welt/ Schöpfung Schöpfungstag 29, 146, 148, 150, 195, 276, 346, 369, 380, 384, siehe auch Sechstagewerk, Schöpfungswerk und tempora originalia Schöpfungstag, dritter 276, 373, 376 Schöpfungstag, erster 44, 45, 52, 53, 54, 55, 56, 60, 177, 361 Schöpfungstag, sechster 361, 371, 372, 384, 391 Schöpfungstag, siebter 149, 342, 347 Schöpfungstag, vierter 172, 177, 178, 189, 190, 275, 288 Schöpfungstag, zweiter 39, 44, 45, 61, 172, 177, 178, 275, 287 Schöpfungsvorgang, Schöpfungsprozess 224, 275, 276, 277, 280, 284, 346, 347 Schöpfungswerk siehe Sechstagewerk, Schöpfungswerk Schöpfungszeit 171, 179, 199, 202, 225, 256, 347 Schöpfungsziel 320, 324, 343, 362 Schoß Abrahams 63, 126 Schriftsinn 376, 378 Schuld (culpa) 282, 283, 322, 356, 358, siehe auch Ursünde (peccatum originale) Schule von Laon 53 Schulstreik von 1231 73 schwach (infirmus) 122, 239, 313, 321, 329 Schwere (gravitas) 47 Schwerfälligkeit (tarditas) 327 scientia gratuita 83, 90, 91 Sechs 15, 27, 29, 146, 173, 182, 212, 304, 324, 342, 346, 361, 364, 366, 369, 371, 372, 379, 391, siehe auch Sechstage-

470 werk, Schöpfungswerk und Schöpfungstag, sechster Sechstagewerk, Schöpfungswerk 29, 146, 147, 148, 150, 270, 276, 277, 342, 346, 369, 380, 384, 385, siehe auch Schöpfungstag Secretum secretorum 71 secundum rationem 189, 198, 232, 237, 238, 240, 243, 251 secundum rationem/modum intelligendi 197, 198, 202, 224, 277, 278, 299, 304, 311, 336 secundum rem/esse/substantiam 42, 181, 189, 201, 202, 217, 220, 221, 232, 234, 237, 238, 240, 244, 245, 251, 254, 255, 273, 277, 278, 298, 299, 304, 312, 330, 409, siehe auch Differenz, reale, Sein der Materie (materia secundum esse) und Sein der Zeit (tempus secundum esse) Seele (anima, ψυχή) 18, 24, 27, 28, 29, 32, 42, 43, 53, 60, 63, 64, 65, 69, 82, 83, 84, 89, 95, 100, 102, 103, 104, 113, 116, 120, 121, 122, 124, 125, 126, 127, 129, 131, 135, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 146, 149, 151, 153, 155, 156, 157, 160, 161, 166, 170, 172, 176, 181, 185, 186, 190, 192, 216, 260, 267, 268, 269, 300, 302, 303, 305, 306, 310, 311, 320, 321, 324, 325, 326, 327, 328, 329, 339, 341, 342, 345, 346, 357, 359, 362, 363, 364, 365, 374, 377, 378, 383, 391, 392, 393, 395, 399, 400, 401, 405, siehe auch Geist (animus), Geistseele (anima rationalis, νοῦς) und Weltseele, kosmische Seele Seelenkräfte, Seelenvermögen 304, 306, 323, 324 Seelenlehre 25, 69 Seelenteil 324 Sehen (videre) 29, 57, 58, 88, 102, 126, 127, 144, 147, 150, 153, 156, 313, 322, 323, 328, 353, 373, 385, 410, siehe auch contemplatio, contuitus, intuitus, Gesichtssinn, Schau (visio), speculatio, speculari und theoria Sehnsucht, Verlangen (desiderium) 28, 36, 124, 131, 134, 153, 264, 283, 394, 405,

Sachregister 409, siehe auch desideratum, desiderabilis, Hunger/Streben nach Form und geliebt, Geliebter, Geliebtes Sein an sich siehe ens/existens per se Sein der Materie (materia secundum esse) 220, 242, 260, 261, 262, 263, 264, 266, 272 Sein der Zeit (tempus secundum esse) 18, 19, 98, 99, 103, 104, 115, 117, 120, 121, 122, 134, 141, 143, 161, 171, 179, 209, 215, 217–23, 224, 228, 234, 238, 245, 254, 257, 258, 262, 263, 264, 265, 267, 268, 272, 273, 284, 285, 286, 287, 313, 339, 340, 341, siehe auch außerseelisch, innerseelisch Sein, absolutes/erstes/göttliches (ens a se, esse primum, esse divinum) 24, 25, 30, 33, 85, 86, 97, 109, 110, 151, 157, 193, 194, 200, 208, 248, 278, 281, 297, 299, 300, 303, 307, 308, 330, 331, 337, 351, 359, 388, 389, 391, 393 Sein, geistiges siehe Wesen/Substanz/Natur, geistige(s) Sein, kontingentes 86, 157, 247, 270, 337 Sein, kontinuierliches siehe esse non intercisum Sein, notwendiges 68, 86, 144, 300, siehe auch Notwendigkeit (necessitas) Sein, Seiendes (esse, ens) 16, 40, 55, 56, 58, 85, 86, 97, 103, 105, 107, 109, 116, 120, 122, 125, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 135, 136, 143, 146, 149, 153, 154, 155, 156, 157, 167, 168, 170, 171, 172, 176, 177, 181, 182, 184, 186, 187, 188, 189, 190, 193, 194, 195, 196, 197, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 205, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 215, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 229, 233, 234, 235, 237, 238, 239, 240, 242, 243, 244, 246, 247, 248, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 267, 269, 270, 273, 274, 275, 276–84, 284, 286, 287, 290, 293, 295, 296, 298, 299, 300, 302, 303, 304, 305, 306, 307, 308, 309, 310, 311, 312, 313, 314, 316, 318, 319, 320, 323, 324, 325, 326, 330, 331, 336, 337, 339, 341, 342, 345, 358,

Sachregister 360, 368, 369, 389, 400, 405, 406, 407, 408, siehe auch continuatio in esse, Dasein (existentia), ens/existens per se, esse …, exitus de non-esse in esse, Gewesen-Sein (fuisse), mutatio (de nonesse) ad esse, Nicht-Sein (non-esse), nunc primo esse, secundum rem/esse/ substantiam, Sein der Materie (materia secundum esse), Sein der Zeit (tempus secundum esse), Seinsweise (modus essendi), Subsistenz, Substanz (substantia, ὑπόστασις), tendere non esse und versio/vertibilis ad non-esse und WirdSein (fore, futurum esse) Sein, zeitliches 122, 132, 133, 167, 170, 212, 226, 247, 295, 311, 312, 342 Seinsprinzip 145, 149, 220, 222, 225, 260, 263 Seinsweise (modus essendi) 194, 208, 209, 227, 305, 313, 362 Sekunde 101, 249 Selbstbewegung siehe Bewegt(es), bewegt werden, sich bewegen (motum, moveri) Selbsterkenntnis 205, 353 Selbstidentität, Selbigkeit, gleichbleiben 122, 156, 157, 236, 237, 239, 249, 257, 300, 302, 303, 311, 405 selig, Seliger (beatus) 28, 53, 54, 56, 58, 60, 62, 64, 66, 130, 134, 139, 140, 151, 158, 160, 293, 305, 319, 322, 323, 324, 325, 326, 327, 336, 351, 369, 390, 399, 407, 408 Seligkeit (beatitudo, felicitas) 17, 31, 54, 63, 64, 65, 80, 82, 84, 87, 88, 89, 90, 110, 126, 130, 132, 134, 137, 138, 139, 151, 152, 153, 160, 185, 300, 305, 308, 313, 319, 320, 322, 323, 324, 325, 326, 327, 329, 337, 345, 364, 372, 398, 399, 401, 406, 408, 409, 410 Seligpreisungen 369 semper 55, 115, 123, 126, 128, 131, 134, 138, 144, 149, 151, 152, 155, 156, 157, 158, 159, 191, 200, 217, 219, 228, 234, 236, 238, 239, 242, 243, 244, 307, 394, 402, 403 sempiternus 23, 63, 83, 144, 149, 150, 153, 161, 188, 202, 293, 294, 301, 323, 368, 383, 389, 400, 409

471 Sendung (missio) 158, 159, 387 sensus siehe Wahrnehmung, Sinn (sensus, [sensibus] percipere) Seraphim, ordo seraphicus 33, 391 Sieben 13, 15, 24, 25, 27, 29, 31, 38, 44, 45, 64, 66, 77, 149, 150, 342, 354, 372, 373, 374, 378, 379, 380, 381, 384, 385, 390, 395, 397, 400, 404, siehe auch Sechstagewerk, Schöpfungswerk und Schöpfungstag, siebter Silbe 119, 206 Sinnenwesen 41, 321 Sinneseindruck 102 Sinneswahrnehmung siehe Wahrnehmung, Sinn (sensus, [sensibus] percipere) sinnlich, wahrnehmbar (sensibilis) 41, 52, 102, 107, 147, 176, 214, 263, 269, 320, 400, siehe auch Erkenntnis, sinnliche, Schöpfung, sinnliche, Wahrnehmung, Sinn (sensus, [sensibus] percipere) und Welt, sinnliche (mundus sensibilis) Sintflut 399 Skepsis 96, 103, 112 Skotismus 72, 296 Sohnschaft (filiatio) 353, 360, 361 Sonne (sol) 36, 38, 39, 41, 47, 52, 62, 88, 109, 146, 176, 178, 191, 200, 373, 385, 386, 400, 401, 408, siehe auch Sphäre, vierte Sonnenaufgang 123, 142, 385 Sonnenlauf 105, 116, 175, 176, 191, 214 Sonnenstrahl siehe Lichtstrahl, Sonnenstrahl Soteriologie 23, 344, 368, 393, siehe auch Erlösung … und Redemptionstheorie Spannung, Streben (tendere) 17, 42, 47, 53, 58, 84, 97, 119, 124, 127, 129, 130, 132, 140, 142, 263, 282, 284, 300, 301, 313, 325, 327, 329, 340, 342, 353, 367, 394, 401, 409, siehe auch Hunger/Streben nach Form, inclinatio, intentio und tendere non esse Später (posterius) siehe Früher/Später (prius/ posterius) species 23, 46, 47, 145, 152, 158, 196, 215, 218, 226, 262, 312, 314, 317, 318, 321, 328, siehe auch Form (forma, εἶδος), Gestalt und vielgestaltig (multiformis)

472 speculatio, speculari 29, 79, 86, 88, 337, 359, 378, 393, 410, siehe auch contemplatio sphaera intelligibilis siehe circulus intelligibilis Sphäre, achte 39, 50, 51, 52, 168, 174, 175, 176, 177, 178, 180, 185, 214, siehe auch Firmament Sphäre, äußerste/letzte (bewegliche) 49, 52, 57, 66, 107, 110, 172, siehe auch Himmel, ober(st)er (caelum superius/summum) und primum mobile/movens, primus motus Sphäre, elfte 51 Sphäre, erste (prima sphaera, primus orbis) 36, 69, 168, 176, 177, 267, 287, 400, siehe auch Himmel, erster (primum caelum) und primum mobile/movens, primus motus Sphäre, Himmelssphäre (sphaera, orbis, caelum) 18, 34–66, 99, 105, 107, 176, 177, 178, 185, 214, 256, 262, 266, 268, 316, 399, 400, siehe auch Fixsternhimmel, -sphäre, Himmel (caelum, οὐρανός), Himmelsbewegung (motus caeli/ sphaerae), Himmelskörper, Kreis, Kugel (circulus, sphaera, orbis), Planet(ensphäre) und primum mobile/movens, primus motus Sphäre, neunte 43, 44, 45, 49, 50, 51, 52, 56, 58, 175, 177, 178, siehe auch Kristallhimmel, Wasserhimmel Sphäre, vierte 175, 177, siehe auch Sonne (sol) Sphäre, zehnte 51, 57, 58, 63, 65 Spiegel, Spiegelung (speculum) 16, 24, 32, 59, 60, 96, 100, 127, 217, 265, 270, 272, 320, 321, 337, 342, 343, 350, 353, 354, 363, 369, 374, 383, 384, 385, 401, 408, 410, siehe auch speculatio, speculari Spirale 401 Sprung 184, 186, 246, 381, 386, 388, 404, 405, siehe auch instantan (instantaneus, subito) und Stufe (gradus) Spur (vestigium) 32, 91, 118, 134, 209, 305, 306, 320, 321, 324, 342, 351, 353, 354, 360, 408

Sachregister Stabilität siehe fest (fixus, stabilis) Stammeln (balbutire) 304, 338 Stand siehe status, Stehen (stare) und Zustand, Stand Stand, Orden (ordo) 33, 59, 381, 382, siehe auch Seraphim, ordo seraphicus statisch 106, 233, 284, 289, 368, 407, siehe auch Bleiben, bleibend ([per]manens) und Zeit, statische Sicht status 55, 62, 90, 137, 218, 242, 285, 317, 324, 326, 344, 346, 398, 399, 400, 401, 407, 408, siehe auch Stehen (stare) und Zustand, Stand status gloriae siehe Glorie, Herrlichkeit status viatoris siehe Pilgerstand (via[tor]) Status, ontologischer 142, 272, 286 Stehen (stare) 32, 60, 62, 115, 130, 131, 132, 133, 140, 143, 144, 151, 152, 155, 159, 183, 189, 201, 202, 229, 263, 282, 308, 313, 321, 347, 350, 391, 392, 398, 407, siehe auch Beständigkeit, Bleiben, bleibend ([per]manens), fest (fixus, stabilis), bestehen bleiben, fortbestehen, fortdauern, statisch, status, Stillstand und Zustand, Stand sterblich, Sterblicher (mortalis) 55, 58, 131, 135, 141, 390 Sterblichkeit (mortalitas) 130, 131, 135, 136, 138, 140, 149, 324, 325, 356, siehe auch Vergänglichkeit, Vergängliches (corruptibilitas, corruptibilis) und Unsterblichkeit (immortalitas) Stern (astrum, sidus, stella) 38, 39, 40, 42, 43, 44, 48, 49, 50, 109, 146, 176, 177, 178, 385, siehe auch Firmament, Planet(ensphäre) und Himmelslichter (luminaria) Sternbewegung, Sternenlauf 13, 36, 43, 49, 50, 108, 110, 116, 117, 125, 149, 176, 214, siehe auch Himmelsbewegung (motus caeli/sphaerae) Sternbild 50 Sternenhimmel (caelum stellatum/sidereum) siehe Firmament sternlos 44, 45, 48, 49, 51, 52, 66, 175, 176 Stillstand 108, 115, 154, 268, 399, 400, siehe auch Aufhören (desitio, cessare) und Ruhe (quies, tranquillitas)

Sachregister Stoa 103, 112, 122, 141 Stoff siehe Materie Strafe, Qual (poena, tormentum) 64, 80, 151, 189, 191, 192, 282, 321, 358, 377 Strahl (radius) 30, 79, 84, 86, 88, 200, 309, 337, 383, 391, 408, siehe auch Lichtstrahl, Sonnenstrahl und Wasserstrahl Streben (tendere) siehe Spannung, Streben (tendere) Streben nach Form siehe auch Hunger/Streben nach Form Strebevermögen 321, 322, 323, 357 Strecke siehe Gerade, Linie, Strecke Strukturprinzip 337, 380 Studienordnung (ordo studendi) 16, 83, 89, 91 Stufe (gradus) 27, 28, 29, 33, 79, 83, 86, 110, 126, 133, 264, 301, 304, 315, 321, 324, 336, 340, 342, 343, 353, 362, 369, 375, 386, siehe auch Erkenntnisstufen, Leiter, Stufenleiter (scala), Sprung, Zeitstufe und Zwischenstufe Stufenleiter siehe Leiter, Stufenleiter (scala) Stufenontologie 66, 107, 264, 313 Stufenordnung 28 Stunde (hora) 49, 50, 58, 101, 129, 135, 149, 176, 214, 229, 249, 267 suavitas 90, 383, siehe auch Süßigkeit (dulcedo) subito siehe instantan (instantaneus, subito) Subjekt (subiectum) 16, 47, 60, 91, 104, 158, 182, 210, 213, 214, 220, 234, 236, 237, 238, 239, 248, 258, 259, 261, 262, 266, 267, 271, 274, 280, 283, 302, 303, 313, 316, 325, 327, 343, 364, 406, siehe auch Zugrundeliegendes (substratum, suppositum, ὑποκείµενον, ὅ ποτε ὄν) subjektiv 121, 322, 399, siehe auch Zeitsubjektivismus sublunar 35, 38, 46, 61, 66, 69, 107, 110, 244, 268, 399 Subsistenz 62, 158, 219, 248, 262, 277, 341, 352, siehe auch Dasein (existentia) substantia completa siehe esse completum, essentia/substantia completa substantia posita 219, 235

473 substantia temporis 230, 234, 236, 238, siehe auch Wesen der Zeit (tempus secundum essentiam) Substanz (substantia, ὑπόστασις) 18, 37, 46, 59, 62, 85, 95, 98, 107, 109, 110, 111, 145, 150, 151, 157, 158, 159, 170, 172, 181, 182, 183, 184, 186, 187, 189, 190, 193, 194, 195, 198, 199, 201, 207, 209, 217, 218, 219, 220, 224, 225, 226, 229, 231, 233, 234, 235, 236, 237, 238, 247, 248, 250, 251, 254, 257, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 267, 270, 277, 278, 279, 283, 286, 287, 293, 295, 296, 298, 299, 302, 303, 304, 306, 307, 308, 309, 310, 311, 317, 322, 323, 324, 326, 337, 340, 342, 400, 407, siehe auch consubstantialis, ens/existens per se, esse completum, essentia/substantia completa, essenziell (essentialis), forma substantialis, Natur (natura, φύσις), supersubstantialis, Transsubstantiation, Wandlung (conversio) und Veränderung, substantielle (mutatio secundum substantiam) Substanz, fünfte (quinta essentia) siehe Äther (quinta essentia) Substanz, geistige siehe Wesen/Substanz/ Natur, geistige(s) Substrat siehe Zugrundeliegendes (substratum, suppositum, ὑποκείµενον, ὅ ποτε ὄν) subtilitas siehe Feinstofflichkeit (subtilitas, tenuitas) subtractio, subtrahere 158, 307, 381 successio, successivus 43, 99, 130, 145, 147, 152, 155, 157, 168, 171, 174–87, 189, 190, 191, 192, 199, 202, 214, 215, 216, 219, 225, 231, 234, 238, 243, 245–50, 250, 253, 255, 259, 270, 272, 276, 286, 295, 297, 300, 302, 303, 307, 308, 309, 310, 323, 327, 330, 331, 337, 340, 342, 345, 374, 377, 379, 380, 381, 382, 383, 384, 400, 405, 406, siehe aufeinanderfolgend (consequenter) und mensura permanens/successiva Summa sententiarum 53, 181, 276 Sünde (peccatum) 13, 63, 131, 132, 133, 135, 136, 138, 139, 191, 305, 321, 322, 325, 326, 343, 357, 358, 363, 366, 370,

474 385, 401, siehe auch Ursünde (peccatum originale) Sündenfall 23, 32, 125, 134, 319, 321, 322, 324, 344, 350, 363, 369, 372 Sünder 131, 136, 192, 283, 390 superaeternitas 166, 293 supercaelestis 38, 61, 62 supersubstantialis 391 supralunar 36, 38, 66, 109 supremum 31, 60, 391, siehe auch Himmel, ober(st)er (caelum superius/summum), Sphäre, äußerste/letzte (bewegliche) und Höchstes (summum) Süßigkeit (dulcedo) 127, 128, 328, siehe auch suavitas Symbol, symbolisch 125, 276, 340, 347, 373, 378, 380, 388, 390, 392, 393, 394, 395, 396 synchron siehe gleichzeitig, synchron (simul, simultas) Tag (dies) 24, 27, 41, 49, 51, 54, 101, 105, 124, 125, 128, 135, 138, 147, 148, 149, 150, 153, 155, 160, 175, 176, 178, 191, 195, 214, 229, 258, 267, 276, 344, 371, 381, 383, 384, 385, 390, 400, 406, siehe auch Schöpfungstag und Jüngster Tag (dies extremus/iudicii) Tag, erster siehe Schöpfungstag, erster täglich (diurnus, cotidie) 45, 49, 50, 51, 52, 66, 127, 128, 155, 213, 214 Tätigkeit, Tun, Wirken (actio, operatio) 16, 42, 57, 62, 69, 101, 109, 119, 123, 141, 146, 147, 159, 179, 183, 189, 219, 240, 244, 252, 270, 276, 277, 278, 302, 303, 308, 317, 320, 326, 328, 329, 335, 359, 365, 383, 386, 387, 394, 395, 399, 405, 407, siehe auch Akt, Handlung, Vollzug (actus), creatio-actio, Mitwirken (cooperatio), Wirklichkeit, Realität (ἐνέργεια), Tun (agere) und Wirkung (effectus) Teil(stück) 38, 46, 57, 58, 62, 100, 101, 115, 119, 184, 186, 206, 217, 219, 228, 229, 230, 234, 235, 242, 246, 249, 252, 276, 295, 296, 307, 308, 325, 344, 383, 391, 394, 410

Sachregister teilbar (divisibilis) 97, 171, 206, 209, 219, 232, 242, 247, 249, 307, siehe auch unteilbar (indivisibilis) Teilhabe (participatio) 14, 40, 132, 152, 189, 190, 225, 227, 296, 308, 311, 318, 320, 324, 327, 364, siehe auch comparticipatio Teilung, Verteilung (divisio) 61, 100, 116, 191, 208, 232, 233, 238, 242, 243, 245, 266, 289, 307, siehe auch Unterteilung, Einteilung, Unterscheidung (distinctio) Teilungsstelle 242, 243, 249 Teleologie 201, 342 tempora aeterna/saecularia 145, 152, 295, siehe auch Unendlichkeit der Zeit tempora figuralia 380, 384, 385, 386 tempora gratiosa 380, 384, 385, 386, siehe auch Gnadenzeit (tempus gratiae) tempora originalia 380, 384, siehe auch Schöpfungstag tempus communissime 168, 169, 173, 181, 187, 194, 195, 197–203, 216, 222, 223– 28, 275, 277, 282, 283, 287, 310, 330, 335, 336, 406 tempus communiter 168, 169, 170, 171, 173, 187, 193–97, 197, 198, 199, 203, 216, 221, 222, 223–28, 228, 229, 258, 275, 279, 283, 287, 311, 312, 335, 336 tempus gratiae siehe Gnadenzeit (tempus gratiae) tempus improprie 171, 194, 196, 280 tempus legis 33, 359, 371, 372, 375, 379, 385 tempus magis proprie 168, 170, 173, 174– 79, 186, 187, 189, 190, 191, 194, 195, 203, 214–17, 221, 222, 228, 245, 256, 258, 265, 267, 270, 275, 287, 311, 329, 335, 336, 341, 342, 400, siehe auch Zeit, aristotelische tempus minus proprie 171, 194 tempus non intercisum siehe Zeit, kontinuierliche (tempus non intercisum) tempus novum 385, 386 tempus prophetiae/prophetarum 371, 375, 385 tempus proprie 102, 142, 149, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 178, 179– 87, 189, 190, 191, 194, 195, 198, 203,

Sachregister 212, 214–17, 221, 222, 223, 224, 226, 227, 228, 245, 256, 265, 267, 277, 279, 287, 288, 298, 307, 310, 311, 312, 328, 329, 330, 331, 335, 336, 341, 342, 407, 408 tempus secundum esse siehe Sein der Zeit (tempus secundum esse) tempus secundum essentiam siehe Wesen der Zeit (tempus secundum essentiam) tendere non esse 115, 129, 132, 134, 135, 139, 161, 283, siehe auch versio/vertibilis ad non-esse tentio siehe Besitz (possessio, tentio) tenuitas siehe Feinstofflichkeit (subtilitas, tenuitas) terminabilis 40, siehe auch interminabilitas testamentum/evangelium aeternum 381 Theologia Aristotelis 68, 71 Theologie 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 26, 31, 33, 35, 37, 43, 58, 73, 75, 76, 81–94, 124, 166, 167, 168, 172, 178, 180, 191, 196, 203, 204, 222, 250, 266, 270, 273, 275, 285, 287, 288, 315, 329, 338, 344, 345, 349, 350, 354, 358, 397, 399, 404, 408, siehe auch Angelologie, Anthropologie, Christologie, Eschatologie, Geschichtstheologie, Heilige Schrift (sacra scriptura), Inkarnationstheologie, Kreuzestheologie, Mystik (theologia mystica), Offenbarung (revelatio), Pneumatologie, Sakramentenlehre, Schöpfungslehre, Protologie, Soteriologie, Trinitätstheologie und Zeit, theologische theoria 374, 375, 376, 377, 378, 379, 380, 382, 383, 385, 410, siehe auch Schau (visio) Thomismus 72 Tiefe (profunditas) 31, 65, 90, 211, 282, 393, 395, siehe auch infimum, imum Tod (mors) 63, 130, 132, 135, 136, 151, 321, 324, 325, 329, 404, 406, siehe auch sterblich, Sterblicher (mortalis) und Sterblichkeit (mortalitas) tot (mortuus) 96, 322, 394 Transformation 134, 139, 348, 349, 367, 385, 399

475 transmutatio siehe Veränderung (mutatio, µεταβολή) und Umwandlung (der Elemente) (transmutatio) Transsubstantiation, Wandlung (conversio) 182, 186, 215, 239, 243, 250, 253, 256 Transzendentalphilosophie 121 Transzendenz 57, 65, 72, 158, 299 Trias, Triade 19, 117, 156, 165, 200, 295, 330, 351, siehe auch Drei Trichotomie 108, 154, 230 Trinität 24, 46, 64, 65, 66, 209, 278, 305, 322, 346, 351, 352, 353, 354, 360, 380, 387, 390 Trinitätstheologie 13, 156, 157, 193, 338 Trockenheit 37, 40, 108, 109 Tugend siehe Kraft, Tugend (vis, virtus) Tugend, theologische 323, 399, 406 Tugendlehre 205 Tun (agere) 37, 119, 154, 191, 277, 302, 308, 326, siehe auch Akt, Handlung, Vollzug (actus) und Tätigkeit, Tun, Wirken (actio, operatio) Typologie 211, 375, 382 Überfließen, Überfluss (redundare) 320, 326, 327, 364, 385, 410 überflüssig (otiusus, superfluus) 57, 58, 92, 135, 296, 367, 401 Übergang, Vorübergang (transitus) 16, 61, 86, 90, 91, 92, 115, 119, 120, 121, 124, 134, 139, 142, 148, 149, 159, 192, 195, 222, 243, 245, 250, 278, 282, 306, 309, 324, 338, 373, 374, 378, 385, 388, 399, 404, siehe auch Übersteigen (excedere, excessus), exitus de non-esse in esse, Überschreiten (transcendere), Vergänglichkeit, Vergängliches (corruptibilitas, corruptibilis) und Vergehen (transire, praeterire) Übermaß siehe Übersteigen (excedere, excessus) Überschreiten (transcendere) 54, 211, 225, 324, 370, siehe auch Übersteigen (excedere, excessus) und Übergang, Vorübergang (transitus) Übersteigen (excedere, excessus) 128, 135, 172, 197, 200, 202, 208, 229, 299, 311, 337, 338, 344, 356, 365, 366, 368, 370, 386, 394, 404, siehe auch Übergang,

476 Vorübergang (transitus) und Überschreiten (transcendere) überzeitlich, nicht-zeitlich (supra tempus) 110, 111, 132, 133, 137, 144, 145, 148, 151, 153, 154, 158, 189, 190, 208, 275, 293, 295, 300, 311, 369, siehe auch Entzeitlichung und zeitfrei, zeitlos Umfang siehe Kreislinie, Umfang (circumferentia) umfassen, enthalten (continere) 38, 40, 52, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 62, 65, 66, 110, 111, 129, 155, 183, 184, 285, 316, 319, 325, 343, 350, 362, 371, 391, 393, 406 Umgestaltung 61, 400, siehe auch Erneuerung (innovatio, renovatio) umgrenzt siehe circumscriptive, circumscriptum und incircumscriptibilitas Umkehr 128, 131, 159, 392, siehe auch reversio Umwandlung (der Elemente) (transmutatio) 37, 42, 108, 149, 400, 401, siehe auch Veränderung (mutatio, µεταβολή) unabhängig 118, 122, 141, 142, 154, 176, 245, 249, 281 unähnlich (dissimilis) 231, 302, 339, 405 unaufhörlich (indesinenter) 108, 128, 137, 306 Unbegrenztheit 389, siehe auch interminabilitas unbestimmt (indeterminatus) 272, siehe auch mensura determinata/indeterminata unbeweglich (immobilis) 35, 40, 46, 51, 52, 57, 58, 59, 66, 107, 177, siehe auch Unveränderlichkeit (immutabilitas, incommutabilitas) unbewegt (immotus) 95, 107, 109, 110, 111, 149, 153, 226, 306, siehe auch Beweger, erster unbewegter uneigentlich (improprie, minus proprie) 152, 184, 199, 206, 212, 219, 256, 259, siehe auch tempus improprie und tempus minus proprie Unendlichkeit (infinitas) 25, 84, 99, 108, 109, 111, 151, 201, 207, 208, 209, 231, 232, 233, 239, 240, 249, 289, 299, 300, 301, 302, 305, 358, 363, 378, 391, 408, siehe auch Dauer, unendliche, endlos, ohne Ende (interminatus), interminabi-

Sachregister litas, regressus ad infinitum und Ungemessenheit (immensitas) Unendlichkeit der Zeit 107, 108, 109, 285, 288, 301, 336, 345, siehe auch Dauer, unendliche und tempora aeterna/saecularia Unendlichkeit, aktuale 233, 242, 243, 247, 307, 345, 363 Unendlichkeit, akzidentelle 374 Unendlichkeit, potentielle 97, 232, 236, 242, 243, 245, 249, 307, 345 Ungeformtheit siehe Formlosigkeit, Ungeformtheit (informitas) Ungemessenheit (immensitas) 25, 65, 200, 207, 208, 209, 227, 281, 299, 300, 304, 368 ungeschaffen (increatum) 97, 108, 193, 199, 275, 293, 306, 310, 337, 350, 399, siehe auch Ewigkeit/Dauer, ungeschaffene und Verbum increatum ungeteilt (indivisus) 155, 247, 301, 391, siehe auch unteilbar (indivisibilis) unibilitas siehe hypostatische Union unitas conformitatis 223, 318, siehe auch unitas universalitatis unitas homogeneitatis 220, 221, 225, 229, 271, 272, siehe auch Homogenität unitas possibilitatis 272 unitas singularitatis 218, 220, 272 unitas universalitatis 218, 220, 223, 272, 318, siehe auch unitas conformitatis universal siehe Allgemein(es), Allgemeinheit (universalis, generalis) Universum siehe Welt (mundus) univok 107, 200, 213 unmittelbar (immediate) 25, 35, 43, 52, 54, 59, 68, 69, 75, 108, 112, 118, 141, 156, 169, 194, 199, 202, 205, 243, 244, 249, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 265, 268, 276, 281, 282, 283, 312, 313, 317, 320, 336, 343, 352, 357, 358, 388, siehe auch mittelbar, vermittelt unmöglich (impossibilis) 86, 97, 109, 121, 153, 154, 201, 208, 219, 233, 244, 253, 255, 260, 268, 288, 313, 358, 402 Unordnung 125, 135, 136, 139, 140, 322 unruhig (inquietus) 132, 137, 311, 322

Sachregister Unsterblichkeit (immortalitas) 18, 23, 108, 130, 131, 135, 138, 148, 150, 151, 152, 153, 155, 156, 157, 158, 294, 316, 324, 325, 326, 327, 390, 407, siehe auch Unvergänglichkeit (incorruptibilitas) und Unwandelbarkeit (invertibilitas) unteilbar (indivisibilis) 116, 122, 154, 171, 184, 186, 207, 213, 219, 225, 229, 230, 232, 233, 237, 242, 243, 244, 247, 249, 297, 307, 331, siehe auch Atom, Atomismus und ungeteilt (indivisus) Unterordnung (subalternatio) 89, 203, 336 Unterteilung, Einteilung, Unterscheidung (distinctio) 15, 21, 33, 37, 38, 41, 55, 77, 84, 134, 146, 170, 173, 183, 188, 191, 203, 208, 209, 217, 239, 242, 260, 272, 276, 295, 298, 304, 312, 318, 323, 367, 374, 375, 377, 379, 380, 381, 383, 384, 391, siehe auch discretio personalis, Teilung, Verteilung (divisio) ununterbrochen 109, 218, 241, 256, siehe auch continuatio, Einschnitt (intercisio), esse non intercisum, Kontinuum, kontinuierlich (continuus, συνεχές) und Zeit, kontinuierliche (tempus non intercisum) ununterscheidbar, ununterschieden 207, 220, 242, 263, 272, siehe auch Homogenität Unveränderlichkeit (immutabilitas, incommutabilitas) 23, 25, 60, 97, 128, 130, 132, 134, 143, 144, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 181, 193, 220, 248, 257, 263, 265, 278, 287, 299, 300, 304, 306, 307, 308, 309, 313, 314, 316, 318, 319, 325, 331, 341, 343, 406, siehe auch inalterabilitas, invariabilitas, unbeweglich (immobilis), Unvergänglichkeit (incorruptibilitas) und Unwandelbarkeit (invertibilitas) unverändert (immutatus) 62, 128, 130, 147, 153, 155, 157, 181, 189, 295, 330 Unvergänglichkeit (incorruptibilitas) 38, 40, 41, 42, 66, 85, 107, 108, 109, 126, 130, 136, 140, 149, 150, 153, 154, 155, 158, 181, 186, 187, 226, 238, 259, 270, 295, 311, 324, 325, 326, 344, 405, 409, siehe auch Unsterblichkeit (immortalitas) und Unwandelbarkeit (invertibilitas)

477 unvermischt, unvermischbar (immiscibilis) 41, 109 Unvernichtbarkeit siehe Unwandelbarkeit (invertibilitas) Unvollkommenheit (imperfectio) 62, 85, 110, 208, 226, 227, 263, 264, 267, 322, 328, 329, 343, 372, 390, 399, 409, siehe auch processus ab imperfecto ad perfectum unvollständig siehe incompletus Unvorhersagbarkeit 402 Unwandelbarkeit (invertibilitas) 25, 60, 143, 160, 283, 287, 306, siehe auch Unveränderlichkeit (immutabilitas, incommutabilitas) und vertibilitas unzerstörbar 97, 368 Urbild, Vorbild (exemplar) 33, 86, 90, 98, 110, 131, 141, 161, 183, 187, 206, 220, 225, 300, 306, 315, 316, 318, 323, 337, 339, 342, 346, 349, 351, 352, 353, 354, 360, 361, 363, 369, 373, 381, 384, 390, 400, 401, 406, 408, siehe auch rationes aeternae Urgerechtigkeit (iustitia originalis) 321, 325 Ursache siehe Grund, Ursache (causa) Ursache, erste (causa prima) 68, 79, 84, 85, 110, 209, 287, 300, 308, 318, siehe auch Prinzip, erstes (primum principium) Ursprung (origo, ortus) 30, 31, 90, 144, 152, 226, 233, 278, 281, 317, 325, 337, 351, 353, 393, siehe auch Prinzip, Ursprung (principium, ἀρχή), Urgerechtigkeit (iustitia originalis), Ursünde (peccatum originale) und tempora originalia Ursprungsbeziehung 194 Urstand siehe Zustand, Stand Ursünde (peccatum originale) 305, 321, 322, siehe auch Schuld (culpa) Urteil, Gericht (iudicium) 31, 84, 98, 159, 305, 355, 375, 377, 393, 403, siehe auch Jüngstes Gericht ut boni fiamus 89, 399 Utrum mundus productus fuerit ab aeterno 25 variabilitas 170, 192, 274, 283, 323 variatio 60, 128, 133, 137, 140, 168, 170, 172, 174, 179, 180, 181, 182, 183, 186,

478 188, 189, 191, 192, 198, 202, 212, 218, 220, 221, 247, 248, 258, 270, 271, 273, 274, 287, 308, 309, 310, 313, 400, siehe auch varietas und Wechsel (vicissitudo) varietas 31, 44, 124, 125, 128, 176, siehe auch variatio und Verschiedenheit (diversitas) Verähnlichung 98, 346, 352, 368, 369, siehe auch Ähnlichkeit (similitudo) Veränderlich(es), Veränderlichkeit (mutabilis, mutabilitas) 60, 95, 125, 128, 129, 130, 132, 134, 139, 140, 141, 142, 144, 145, 146, 147, 148, 150, 151, 154, 157, 158, 159, 160, 161, 169, 174, 185, 193, 195, 202, 218, 220, 221, 238, 248, 258, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 269, 270, 271, 274, 282, 283, 287, 294, 295, 301, 304, 305, 306, 308, 310, 313, 318, 322, 331, 341, 343, 406, siehe auch Beweglichkeit (mobilitas), variabilitas und vertibilitas Veränderung (mutatio, µεταβολή) 16, 42, 95, 97, 99, 105, 106, 108, 117, 127, 128, 133, 135, 137, 138, 140, 141, 143, 144, 145, 150, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 166, 167, 168, 169, 171, 172, 176, 181, 182, 183, 185, 186, 187, 189, 190, 191, 192, 193, 194, 195, 196, 197, 198, 215, 218, 221, 224, 236, 237, 239, 240, 246, 247, 248, 255, 256, 257, 258, 259, 261, 262, 263, 264, 267, 269, 271, 273, 279, 280, 282, 283, 287, 308, 310, 313, 328, 329, 399, siehe auch alteratio, Bewegung (motus, motio, κίνησις), motus/ mutatio ad formam, mutatio (de nonesse) ad esse, Ortsveränderung (mutatio loci, mutatio ad situm), Umwandlung (der Elemente) (transmutatio), variabilitas, variatio, und Wechsel (vicissitudo) Veränderung, akzidentelle (mutatio secundum accidens) 182, 187, 195, 250, 279, 326, siehe auch Eigenschaftsveränderung Veränderung, erste (mutatio prima) siehe mutatio (de non-esse) ad esse Veränderung, geistige siehe Bewegung, geistige (motus/mutatio spiritalis)

Sachregister Veränderung, mögliche (mutatio in potentia) 273 Veränderung, substantielle (mutatio secundum substantiam) 187, 195, 240, 243, 250, 254, 262, 279 Veränderung, übernatürliche (supernaturalis mutatio) 172, 182, 196, 197, 222, 279, 284 Verbindung der Extreme 359, 360, 362, 368, 388, 389, 390, 392, 394, siehe auch coincidentia oppositorum verborgen (occultus) 31, 56, 57, 66, 144, 159, 340, 395, 396 Verbot siehe Aristotelesverbot Verbum Dei/aeternum 13, 15, 31, 92, 140, 144, 147, 148, 155, 156, 160, 169, 342, 346, 351, 352, 353, 354, 355, 357, 358, 359, 360, 361, 362, 366, 367, 368, 369, 370, 383, 384 Verbum incarnatum 30, 31, 297, 343, 351, 352, 353, 355–70, 370, 386, 388, 389, 390, 396 Verbum increatum 30, 33, 351–54, 358, 359, 368, 369, 370, 389, 390 Verbum inspiratum 30, 31, 351, 370, 374, 383 Verderben (corrumpere) 321, siehe auch Vergehen (corruptio, φθορά) Verdienst (meritum) 33, 63, 317, 325, 364, 369 verdunkeln siehe Dunkel (tenebra[e]) Vereinigung (unio) 42, 326, 352, 362, 369, 405, siehe auch Einheit (unitas, unum) und hypostatische Union Verfall 98, 107, 341, 400, siehe auch Vergehen (corruptio, φθορά) Verfassung siehe Disposition, Verfassung (dispositio) Verfließen siehe fließen, Fluss (fluere, fluxus, fluvius) Vergangenheit, Vergangenes (praeteritum) 100, 106, 108, 115, 116, 117, 118, 119, 121, 122, 123, 128, 129, 133, 134, 136, 138, 139, 144, 147, 148, 154, 155, 158, 195, 230, 231, 238, 246, 251, 252, 257, 288, 289, 302, 306, 330, 382, 383, 403, 410, siehe auch Gewesen-Sein (fuisse) und Vergehen …

Sachregister Vergänglichkeit, Vergängliches (corruptibilitas, corruptibilis) 38, 41, 42, 47, 49, 58, 62, 85, 95, 107, 109, 124, 126, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 138, 140, 149, 150, 153, 166, 170, 179, 187, 198, 201, 226, 246, 249, 259, 261, 262, 265, 324, 331, 400, 402, 405, 409, siehe auch Sterblichkeit (mortalitas), Übergang, Vorübergang (transitus) und Vergehen … Vergehen (corruptio, φθορά) 15, 37, 38, 40, 58, 62, 66, 69, 97, 98, 107, 108, 127, 131, 134, 149, 182, 186, 187, 196, 244, 245, 247, 250, 262, 279, 283, 284, 325, 331, 345, 400, 402, 406, siehe auch Verfall Vergehen (transire, praeterire) 55, 61, 116, 118, 122, 124, 126, 139, 148, 149, 154, 192, 232, 247, 257, 330, siehe auch Übergang, Vorübergang (transitus) und Vergangenheit, Vergangenes (praeteritum) Vergeltung siehe Lohn (praemiatio, praemium, remuneratio) Vergessen (oblivio) 124, 139, 148, 181 Verheißung, Versprechen ([re]promissio) 127, 192, 371, 372, 373, 375, 377, 382, 384, 385, 387 Verinnerlichung 19, 29, 394 Verlangen siehe appetitus und Sehnsucht, Verlangen (desiderium) vermehren (augere) 62, 327, 401 vermischt siehe Mischung, gemischt, vermischt ([per]mixtus) vermittelt siehe mittelbar, vermittelt Vermögen siehe Möglichkeit, Potenz, Vermögen (possibilitas, potentia, δύναµις) Vernichtung (annihilatio, versio) 62, 149, 182, 261, 283, 358, siehe auch reversio, tendere non esse, Transsubstantiation, Wandlung (conversio), vertibilitas, versio/vertibilis ad non-esse und Zerstörung (deletio) Vernunft 16, 28, 30, 41, 42, 69, 84, 88, 91, 93, 320, 355, 377, 402, 403, siehe auch Geist (animus), Intellekt (intellectus, intellectualis), mens, ratio und rational, geistbegabt (rationalis)

479 Vernunftseele siehe Geistseele (anima rationalis, νοῦς) Verortendes, Verortetes (locans, locatum) 40, 45, 57, 59, 184, 268, 271 Verschiedenheit (diversitas) 38, 39, 49, 99, 106, 188, 201, 232, 235, 237, 240, 243, 249, 251, 254, 262, 272, 302, 336, 362, 382, 391, siehe auch Differenz …, varietas und variatio versio/vertibilis ad non-esse 60, 283, 298, siehe auch Vernichtung (annihilatio, versio) Versprechen siehe Verheißung, Versprechen ([re]promissio) Verstand 84, 85, 101, 232, 238, 260, 266, 305, 320, 323, 389, siehe auch Intellekt (intellectus, intellectualis), Denken, Gedanke (cogitatio, cogitare), Geistseele (anima rationalis, νοῦς), mens und ratio Verständnis siehe Erkenntnis(vermögen), Einsicht (intelligentia) und Intellekt (intellectus, intellectualis) Verteilung siehe Teilung, Verteilung (divisio) vertibilitas 281, 283, 298, siehe auch Unwandelbarkeit (invertibilitas), Veränderlich(es), Veränderlichkeit (mutabilis, mutabilitas), Vernichtung (annihilatio, versio) und versio/vertibilis ad non-esse Verurteilung 17, 80, 120, 121, 276 Verurteilung vom 10.12.1270 17, 69, 70 Verurteilung vom 13.1.1241 60, 277 Verurteilung vom 7.3.1277 17, 19, 69, 70, 72, 121 Verurteilung von 1244 60 Verurteilungen von 1210, 1215 17, 73 Vervielfältigung (multiplicatio) 62, 104, 210, 215, 238, 240, 244, 250–57, 274, 317, 318, 379, siehe auch accidens multiplicatur …, mensura multiplicatur … und vielfach (multiplex) vervollkommenbar (perfectibilis) 311, 399 Vervollkommnung siehe processus ab imperfecto ad perfectum und Vollkommenheit (perfectio) Vervollständigung siehe completio Verwirklichung siehe Aktuierung, Verwirklichung

480 viator siehe Pilgerstand (via[tor]) vielfach (multiplex) 168, 179, 298, 321, 364, 374, siehe auch Vervielfältigung (multiplicatio) Vielfalt 13, 165, 298, 318, 325, 363, 369, siehe auch varietas und Vervielfältigung (multiplicatio) vielgestaltig (multiformis) 30, 40, 41, 46, 48, 335, 406 Vielzahl, Menge (multitudo) 28, 82, 122, 129, 135, 152, 166, 192, 206, 209, 210, 212, 221, 233, 240, 249, 268, 273, 318, 323, 328, 367, 374, 378, 379, 398 Vier 37, 38, 40, 46, 56, 60, 61, 83, 91, 97, 109, 115, 165, 168, 173, 177, 180, 189, 190, 191, 193, 195, 198, 221, 222, 223, 227, 270, 276, 284, 293, 321, 327, 336, 340, 365, 374, 375, 376, 378, 379, 382, 393, 399, 400, 406 Virtualität, virtuell (secundum virtutem) 183, 243, 251, 340 Vollendung 16, 28, 30, 32, 50, 61, 110, 111, 126, 127, 130, 131, 132, 133, 134, 137, 138, 139, 140, 150, 159, 160, 226, 264, 302, 314, 320, 322, 324, 325, 329, 338, 342, 343, 346, 347, 348, 350, 352, 355, 361, 362, 363, 364, 365, 366, 367, 368, 369, 370, 371, 382, 388, 390, 393, 398, 399, 400, 401, 406, 407, 408, 409, siehe auch consummatio, Ende, Abschluss, Ende/Vollendung der Welt, Erlösung, vollendende, Entelechie, Vollkommenheit … und Vollständigkeit Vollendungszustand 61, 126, 129, 132, 133, 137, 138, 139, 140, 150, 161, 327, 329, 398, 404, siehe auch Endzustand Vollkommenheit (perfectio) 25, 36, 39, 40, 41, 48, 50, 52, 53, 57, 59, 60, 62, 63, 85, 96, 97, 110, 124, 127, 138, 147, 156, 159, 161, 176, 177, 183, 205, 208, 213, 227, 248, 264, 275, 289, 300, 301, 305, 306, 308, 313, 314, 316, 317, 320, 321, 322, 323, 324, 325, 326, 327, 329, 331, 340, 341, 342, 346, 350, 351, 353, 355, 358, 361, 362, 363, 364, 365, 366, 367, 369, 370, 371, 372, 381, 388, 389, 393, 394, 399, 400, 405, 407, 409, siehe auch consummatio, Entelechie, proces-

Sachregister sus ab imperfecto ad perfectum, Vollendung und Vollständigkeit Vollkommenheit der Welt (perfectio universi) 46, 56, 58, 60, 321, 342, 355, 361, 362, 364, 366, 367 Vollständigkeit siehe completio, completus, complere, esse completum, essentia/ substantia completa sowie consummatio, Vollendung und Vollkommenheit (perfectio) Vollzug siehe Akt, Handlung, Vollzug (actus) voluntaristisch 144 Voraussehen (praevidentia) 306, siehe auch Vorsehung, Vorhersehen (providentia) Vorbild siehe Urbild, Vorbild (exemplar) Vorherbestimmung siehe Prädestination Vorhersage siehe Prophet, Prophetie Vorsehung, Vorhersehen (providentia) 15, 18, 26, 69, 317, 320, 345, 382, siehe auch Voraussehen (praevidentia) Vorsokratiker 98 Vorstellung(svermögen) (imaginatio) 103, 239, 268, 301, 304, 305, 368, siehe auch Denken, Gedanke (cogitatio, cogitare) Vorübergang siehe Übergang, Vorübergang (transitus) Wachstum (augmentum, crementum, µείωσις) 62, 119, 182, 191, 310, 327, 347, 374, 379, 380, 382, 383, 384, 385, 400 Wahrheit, Wahres (veritas, verum) 28, 29, 46, 76, 79, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 92, 93, 97, 118, 128, 130, 132, 135, 137, 139, 146, 153, 154, 157, 159, 160, 192, 193, 199, 206, 212, 217, 219, 220, 226, 235, 248, 283, 289, 299, 301, 304, 308, 310, 312, 320, 322, 324, 327, 329, 337, 344, 371, 381, 385, 386, 394, 396, 400, 402, 403, 410 Wahrnehmbar(keit) siehe sinnlich, wahrnehmbar (sensibilis) Wahrnehmung, Sinn (sensus, [sensibus] percipere) 36, 42, 44, 49, 55, 57, 79, 84, 90, 101, 102, 103, 118, 123, 131, 135, 146, 176, 179, 205, 207, 268, 269, 274, 304, 305, 320, 321, 328, 360, 407, siehe auch Erkenntnis, sinnliche, Gesichts-

Sachregister sinn, Sinnenwesen, Sinneseindruck, sinnlich, wahrnehmbar (sensibilis) und Zeitwahrnehmung Wahrscheinlichkeitsgründe (rationes probabilitatis) 91, 92 Wandelbarkeit siehe vertibilitas Wandlung siehe Transformation, Transsubstantiation, Wandlung (conversio) und Umwandlung (der Elemente) (transmutatio) Wasser (aqua) 35, 38, 39, 43, 44, 45, 46, 47, 50, 51, 55, 59, 61, 66, 82, 87, 108, 177, 192, 200, 376, 391, siehe auch Kristallhimmel, Wasserhimmel Wasserhimmel siehe Kristallhimmel, Wasserhimmel Wasserstrahl 191, 200, 202, 248, 309, 342 Wechsel (vicissitudo) 127, 128, 135, 137, 140, 147, 171, 181, 192, 217, 220, 308, siehe auch variatio Weise des Dauerns siehe Art/Weise des Dauerns (modus durandi) Weisheit (sapientia) 16, 28, 29, 30, 32, 34, 53, 56, 78, 79, 83, 84, 85, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 126, 144, 155, 156, 158, 180, 218, 281, 300, 305, 321, 325, 344, 355, 369, 376, 377, 378, 383, 388, siehe auch Macht, Weisheit, Güte (potentia, sapientia, bonitas) Weiß 205, 266, 268, siehe auch Farbe (color) Weisung siehe Gebot, Weisung (praeceptum) Welt (mundus) 14, 16, 32, 34, 35, 37, 38, 54, 55, 57, 58, 61, 69, 98, 108, 118, 120, 134, 140, 141, 143, 145, 149, 150, 153, 158, 160, 169, 171, 172, 188, 194, 200, 203, 268, 270, 280, 281, 287, 289, 303, 304, 305, 306, 319, 321, 322, 340, 342, 344, 345, 350, 361, 362, 367, 368, 369, 372, 375, 382, 386, 390, 391, 392, 393, 395, 401, 403, 404, 407, siehe auch Anfang der Welt/Schöpfung, Außenwelt, Ende/Vollendung der Welt, Erdkreis, Welt (orbis), Ewigkeit der Welt, Innenwelt, innerweltlich, Lenkung der Welt (gubernatio), Makrokosmos, Mikrokosmos (maior/minor mundus), Kosmos,

481 kosmisch und Vollkommenheit der Welt (perfectio universi) Welt, ältere 149 Welt, intelligible (mundus intelligibilis/intellectualis) 54, 98 Welt, kommende 14, 403, 406 Welt, sinnliche (mundus sensibilis) 32, 98, 320, 321, 329, 361, 372, siehe auch Schöpfung, sinnliche Weltall siehe Kosmos, kosmisch Weltalter siehe Zeitalter (aetas) Weltbild siehe Kosmologie Weltbild, kopernikanisches 36 Weltbild, ptolemäisches 36, 45, 52, 410 Weltenbau (machina mundana) 57, 276, 342, 369, 392, siehe auch Himmelsgebäude Weltenbrand 61, 62, 150, 399 Weltgeschehen 70, 142 Weltgeschichte, Lauf der Welt 15, 33, 119, 125, 150, 188, 345, 370, 374, 378, 390, 401, siehe auch Heilsgeschichte Weltseele, kosmische Seele 103, 104, 120 Weltzeit 104, 172, 187, 188, 193, 346, 354, 387, 401, siehe auch Zeitalter (aetas) Werden, Entstehen (generatio, γένεσις) 15, 26, 33, 34, 37, 42, 44, 47, 58, 66, 68, 85, 96, 97, 107, 108, 109, 143, 149, 166, 172, 178, 182, 186, 187, 194, 195, 196, 199, 200, 222, 231, 232, 233, 244, 245, 247, 250, 254, 261, 262, 279, 281, 282, 288, 295, 311, 342, 355, 364, 367, 371, 379, 400, 401, 402, 406, 407, siehe auch erzeugbar (generabilis) und Schöpfung (creatio, constitutio mundi) Werk (opus) 14, 23, 25, 26, 27, 28, 33, 54, 59, 61, 67, 68, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 82, 83, 90, 93, 135, 139, 145, 146, 148, 158, 178, 203, 218, 276, 277, 321, 322, 346, 350, 351, 358, 361, 362, 363, 364, 365, 366, 367, 368, 372, 381, 398, siehe auch Sechstagewerk, Schöpfungswerk Wesen der Dauer (essentia durationis) 200, 201, 219, 220, 222, 235, 282, 299 Wesen der Materie (materia secundum essentiam) 112, 220, 221, 223, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 271, 272, 273, 277, siehe auch Materie, metaphysische

482 Wesen der Zeit (tempus secundum essentiam) 14, 16, 18, 96, 98, 99, 112, 115, 149, 167, 173, 215, 217–23, 224, 225, 226, 228, 229, 231–36, 238, 241, 245, 252, 254, 256, 257, 258, 262, 263, 264, 265, 272, 282, 285, 287, 288, 299, 337, 339, 341, siehe auch substantia temporis Wesen des nunc 223, 230, 231–36, 240, 252, 299 Wesen(heit) (essentia, οὐσία) 14, 31, 83, 107, 109, 153, 156, 157, 158, 169, 189, 201, 212, 218, 219, 220, 224, 226, 231, 232, 233, 234, 235, 260, 261, 263, 267, 272, 275, 278, 282, 283, 296, 299, 302, 318, 325, 326, 340, 342, 344, 346, 348, 357, 403, 408, siehe auch Äther (quinta essentia), esse completum, essentia/substantia completa, essenziell (essentialis), mensurare per accidens/essentiam, Natur (natura, φύσις), Sinnenwesen und Substanz (substantia, ὑπόστασις) Wesen, himmlisches 138, siehe auch Engel, Geistwesen Wesen/Substanz/Natur, geistige(s) 59, 60, 65, 148, 153, 171, 175, 179, 181, 183, 184, 186, 187, 198, 201, 209, 226, 259, 260, 262, 276, 297, 298, 311, 312, 313, 316, 317, 319, 321, 330, 341, 343, 373, siehe auch Engel, Geistwesen und Schöpfung, geistige (creatura spiritualis/intellectualis) Wesensmerkmal 300, 331 Widerspruch 35, 41, 49, 103, 105, 113, 136, 191, 192, 270, 280, 288, 295, 305, 348, 402, 405, siehe auch Aporie Widerspruchsprinzip 71, 252 Wiederherstellung (reparatio, restitutio) 30, 31, 313, 322, 325, 342, 344, 350, 351, 355, 356, 357, 358, 360, 361, 366, 367, 369, 371, 372, 375, 382, 393, 401, 405, siehe auch Neuschöpfung (recreatio, refectio) und reformatio Wiederholung 24, 105, 148, 149, 155, 345 Wille (voluntas) 15, 135, 139, 144, 148, 185, 320 Wille Gottes 130, 131, 143, 144, 155, 326, 403

Sachregister Willensfreiheit (liberum arbitrium) 15, 24, 42, 151, 185, 270, 320 Wird-Sein (fore, futurum esse) 154, 247, 307, 330, siehe auch Sein, Seiendes (esse, ens) und Zukunft, Zukünftig(es) (futurum) Wirken siehe Tätigkeit, Tun, Wirken (actio, operatio) wirklich siehe aktual, aktuell, wirklich (actualis, in actu) real, und Wahrheit, Wahres (veritas, verum) Wirklichkeit, Realität (ἐνέργεια) 18, 60, 65, 70, 95, 97, 102, 109, 117, 120, 121, 122, 126, 129, 131, 133, 143, 149, 151, 152, 153, 180, 247, 262, 275, 277, 278, 284, 286, 296, 305, 339, 340, 344, 353, 370, 384, 387, 395, 396, siehe auch Akt, Handlung, Vollzug (actus), aktiv, aktual, aktuell, wirklich (actualis, in actu), Aktualität (actualitas), Aktuierung, Verwirklichung, Entelechie und Tätigkeit, Tun, Wirken (actio, operatio) wirksam, effektiv 41, 47, 358, 365, 369, 372, 373, 378, 389 Wirkung (effectus) 16, 28, 42, 44, 47, 49, 57, 58, 61, 69, 84, 91, 120, 122, 128, 138, 140, 191, 192, 202, 230, 278, 319, 321, 322, 350, 351, 362, 363, 364, 366, 372, 377, 385, 399 Wissen(schaft) (scientia) 13, 15, 16, 18, 23, 28, 29, 30, 31, 67, 78, 80, 81, 82, 83, 84, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 106, 147, 156, 181, 204, 205, 344, 350, 359, 374, 377, 403, siehe auch Baum der Erkenntnis und Naturphilosophie, Naturwissenschaft Wohnung, Wohnort (habitatio, habitaculum) 52, 53, 54, 55, 56, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 65, 66, 321, 322, 326, siehe auch Ort (locus) Wort (verbum) 278, siehe auch Verbum … Wort Gottes siehe Verbum Dei/aeternum Würde (dignitas) 62, 63, 65, 91, 177, 213, 224, 287, 311, 312, 313, 317, 336, 357, 364, 367 Wurzel (radix, radicatio) 179, 258, 306, 389, 393, 409

Sachregister Zahl (numerus, ἀριθµός) 35, 62, 70, 75, 77, 80, 98, 99, 101, 102, 103, 105, 109, 110, 144, 147, 169, 171, 174, 175, 176, 179, 195, 201, 205, 206, 207, 208, 209, 212, 213, 216, 228, 231, 233, 234, 235, 236, 237, 238, 242, 246, 257, 266, 269, 271, 274, 307, 308, 340, 363, 365, 371, 378, 379, 380, 390, 401, siehe auch Einheit …, Zwei, Drei, …, Gezähltes (numeratum) und Maß(zahl) der Bewegung (mensura/numerus motus) Zahl der Bewegung siehe Maß(zahl) der Bewegung (mensura/numerus motus) Zahl, abstrakte (numerus numerans) 101, 105, 216, 266, 269, 340 Zahl, konkrete (numerus numeratus) 101, 105, 216, 269, 340 Zählen, Zählung (numeratio) 101, 102, 106, 175, 176, 214, 216, 234, 236, 267, 269, 274, 340, 402, 405 Zahlprinzip 195, 206, 233, 242 Zehn 38, 51, 60, 64, 69, siehe auch Sphäre, zehnte Zeit siehe Anfang der Zeit, Anfang der neuen Zeit, cum tempore, in tempore, ex tempore, Dauer/Zeit, eigene (propria duratio/periodus), Einheit der Zeit, Ende der Zeit, Engelszeit, Entzeitlichung, Erschaffung der Zeit, Fülle der Zeit (plenitudo temporis, tempus plenitudinis), gleichzeitig, synchron (simul, simultas), Gnadenzeit (tempus gratiae), Jahreszeit, Lebenszeit, Naturzeit, Schöpfungszeit, Sein der Zeit (tempus secundum esse), Sein, zeitliches, substantia temporis, tempora …, tempus …, überzeitlich, nicht-zeitlich (supra tempus), Unendlichkeit der Zeit, Weltzeit und Wesen der Zeit (tempus secundum essentiam) Zeit der Fülle siehe Fülle der Zeit (plenitudo temporis, tempus plenitudinis) Zeit, aristotelische 18, 99–106, 166, 167, 171, 172, 173, 174–79, 180, 185, 186, 187, 189, 190, 196, 197, 203, 210, 213, 214, 215, 216, 221, 252, 254, 256, 258, 265, 266, 275, 287, 289, 306, 315, 329, 335, 336, 400, 401, 402, 404, 406, siehe

483 auch Maß(zahl) der Bewegung (mensura/numerus motus), tempus magis proprie und Zeit, physikalische Zeit, äußere 142, siehe auch außerseelisch, Naturzeit und Zeitobjektivismus Zeit, diskrete 97, 171, 172, 187, 194, 216, 253, 330 Zeit, dynamische Sicht 106, 231, 233, 236, 237, 240, 289 Zeit, eigene siehe Dauer/Zeit, eigene (propria duratio/periodus) Zeit, eigentliche / im eigentlichen Sinn siehe tempus proprie Zeit, geschichtliche 15, 113, 125, 133, 143, 166, 344, 346, 347, 348, 349, 354, 374, 378, 383, 404, siehe auch Geschichte Zeit, innere 142, siehe auch innerseelisch und Zeitsubjektivismus Zeit, irdische 323, 337, 343, 370, 406, 408 Zeit, kontinuierliche (tempus non intercisum) 97, 100, 101, 102, 172, 174, 175, 186, 187, 206, 211, 214, 216, 218, 229, 230, 231, 241, 243, 244, 245, 249, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 265, 289, 307, siehe auch esse non intercisum Zeit, metaphysische 180, 221, 222, 351–54 Zeit, moralische 125, 133, 136 Zeit, naturphilosophische siehe Zeit, aristotelische Zeit, philosophische 13, 15, 167, 171, 180, siehe auch Zeitphilosophie Zeit, physikalische 13, 18, 118, 125, 133, 142, 172, 174, 175, 179, 180, 187, 192, 221, siehe auch Zeit, aristotelische Zeit, psychologische 18, 113, 114, 118, 120– 24, 133, 141, 142, 173, siehe auch Zeitsubjektivismus und innerseelisch Zeit, statische Sicht 106, 231, 233 Zeit, theologische 167, 171, 172, 179, 180, 187, 192, 197 Zeit, verallgemeinerte 102, 167, 172, 180, 187, 195, 199, 223, 224, 228, 229, 253, 256, siehe auch tempus communiter/ communissime Zeit, verklärte 314, 331, 406, siehe auch aevum (αἰὼν) Zeitalter (aetas) 15, 33, 128, 146, 151, 152, 188, 346, 354, 361, 366, 371, 372, 374,

484 378, 380, 384, 390, 400, siehe auch Weltzeit Zeitanalyse 106, 115, 119, 124, 129, 240, 289 Zeitaporie siehe Aporie Zeitatom siehe Atom, Atomismus Zeitbildung 123, 141 Zeitdefinition 17, 23, 50, 95, 99, 101, 103, 105, 111, 149, 165, 166, 167, 168–203, 213, 214, 215, 216, 221, 222, 223, 228, 237, 258, 265, 266, 268, 269, 270, 274, 280, 282, 293, 329, 335, 340, siehe auch Zeit, aristotelische zeitfrei, zeitlos 97, 98, 107, 133, 137, 139, 142, 147, 149, 153, 154, 158, 173, 185, 260, 263, 287, 295, 301, 353, 369, 406, siehe auch Entbehren (carentia), Entzeitlichung und überzeitlich, nicht-zeitlich (supra tempus) Zeitkontinuum siehe Zeit, kontinuierliche (tempus non intercisum) Zeitlich(es), Zeitlichkeit (temporalis, temporalitas) 14, 19, 23, 24, 29, 66, 83, 96, 97, 98, 109, 115, 117, 119, 122, 123, 124, 125, 126, 128, 129, 130, 131, 132– 41, 141, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 153, 154, 155, 157, 159, 161, 165, 166, 167, 169, 170, 172, 181, 185, 188, 189, 190, 191, 193, 194, 195, 196, 197, 200, 201, 202, 203, 208, 211, 212, 214, 215, 218, 219, 220, 225, 226, 227, 228, 233, 239, 244, 245, 246, 247, 249, 256, 262, 264, 265, 267, 272, 274, 275, 276–84, 284, 285, 286, 289, 294, 295, 297, 302, 303, 304, 306, 311, 312, 316, 318, 319, 322, 323, 324, 327, 328, 330, 339, 340, 341, 342, 343, 344, 345, 348, 350, 353, 359, 369, 370, 372, 373, 384, 386, 387, 388, 389, 392, 393, 399, 400, 403, 404, 405, 406, 408, siehe auch Sein, zeitliches zeitlos siehe überzeitlich, nicht-zeitlich (supra tempus) und zeitfrei, zeitlos Zeitmaß siehe Maß, Maßstab (mensura) Zeitmodi 118, 119, 120, 123 Zeitobjektivismus 106, 113, 120, 121, 122, 141–50, 161, 166, 339–44, 347, siehe

Sachregister auch außerseelisch, Naturzeit und Zeit, äußere Zeitoptimismus 341, 344 Zeitpessimismus 341, siehe auch Verfall Zeitphilosophie 103, 120, 167, 203 Zeitpunkt 105, 125, 166, 177, 198, 199, 230, 244, 247, 253, 286, 289, 312, 370, 402, 403, 408, siehe auch Jetzt, Augenblick (nunc, instans, νῦν) und Moment (momentum) Zeitraum 49, 100, 107, 110, 117, 118, 119, 122, 145, 149, 152, 176, 188, 198, 229, 233, 243, 286, 299, 300 Zeitstufe 144, 154, 202 Zeitsubjektivismus 19, 106, 113, 120, 122, 141, 142, siehe auch innerseelisch Zeit, innere und Zeit, psychologische Zeitwahrnehmung 268, 269, 274, 346 Zentralität 15, 25, 143, 353, 354, 373, 374, 387, 388, 390, 391, 395 Zentrum 32, 50, 57, 97, 362, 370, 385, 386, 389, 390, 391, 393, 395, 398, siehe auch Mittelpunkt Zerdehnung siehe distentio Zerstörung (deletio) 293, 305, 322, 357, 363, siehe auch Vernichtung (annihilatio, versio) Zerstreuung (dispersio) 129, 131, 139 Zeugung siehe Werden, Entstehen (generatio, γένεσις) Zeugungsart 364, 367 Ziel, Zweck (finis, τέλος) 30, 36, 49, 56, 58, 59, 61, 66, 83, 86, 87, 89, 90, 91, 92, 98, 108, 111, 113, 125, 126, 127, 131, 137, 139, 150, 151, 152, 153, 156, 167, 177, 223, 234, 248, 253, 268, 275, 288, 295, 307, 309, 313, 320, 321, 323, 335, 337, 338, 343, 344, 345, 347, 350, 351, 352, 353, 358, 359, 361, 362, 363, 366, 368, 369, 370, 372, 374, 375, 376, 377, 378, 387, 389, 390, 396, 398, 399, 400, 401, 402, 404, 409, siehe auch Ende, Abschluss, Endlichkeit, endlich (finitus), Endpunkt, Zielpunkt, finis sine/sub fine und Schöpfungsziel Zielpunkt siehe Endpunkt, Zielpunkt Zufall 30, 214, 289, 346, 374

Sachregister zugänglich 35, 84, 102, 214, siehe auch Bekanntestes (notissimum, γνωριµώτατος) Zugrundeliegendes (substratum, suppositum, ὑποκείµενον, ὅ ποτε ὄν) 101, 102, 103, 105, 111, 145, 170, 175, 186, 190, 196, 210, 214, 216, 229, 237, 239, 240, 242, 244, 245, 247, 261, 267, 272, 279, 286, 302, 304, 306, 313, 317, siehe auch Fundament, Grundlage, Subjekt (subiectum) und Substanz (substantia, ὑπόστασις) Zukunft, Zukünftig(es) (futurum) 31, 42, 60, 100, 108, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 128, 129, 133, 136, 137, 138, 139, 140, 144, 146, 147, 148, 154, 155, 158, 195, 230, 231, 238, 251, 252, 270, 288, 289, 306, 309, 323, 330, 342, 343, 344, 345, 348, 352, 366, 368, 369, 370, 372, 375, 382, 383, 403, 406, 410 Zunahme siehe Wachstum (augmentum, crementum, µείωσις) zurückbleiben (remanere) 367, 377 Zusammengesetztes (compositum) 97, 100, 110, 208, 209, 217, 235, 259, 302, 307, 308, 330, siehe auch Aufbau (constitutio) Zusammensetzung (compositio) 174, 209, 217, 235, 249, 258, 259, 260, 302, 308, 309, 326, 341, siehe auch Aufbau (constitutio)

485 Zustand, Stand 24, 49, 62, 64, 96, 99, 108, 122, 125, 129, 131, 132, 134, 135, 138, 149, 159, 190, 215, 224, 225, 237, 240, 244, 246, 250, 254, 280, 307, 322, 324, 326, 338, 343, 398, 399, 400, 401, siehe auch Aggregatszustand, Bewegungszustände, Disposition, Verfassung (dispositio), Endzustand, Pilgerstand (via[tor]), Stand, Orden (ordo), status, status gloriae, Stehen (stare), Stillstand und Vollendungszustand Zweck siehe Ziel, Zweck (finis, τέλος) Zwei 21, 24, 32, 37, 38, 41, 43, 48, 49, 50, 57, 69, 70, 84, 89, 93, 100, 104, 105, 108, 126, 138, 161, 168, 169, 171, 176, 179, 180, 194, 196, 200, 202, 209, 210, 212, 213, 214, 215, 217, 218, 224, 225, 227, 230, 232, 237, 238, 240, 241, 242, 243, 244, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 257, 258, 260, 261, 266, 270, 272, 278, 279, 280, 281, 283, 284, 289, 295, 296, 304, 312, 313, 321, 322, 327, 328, 336, 342, 347, 352, 354, 356, 360, 361, 362, 372, 377, 379, 380, 382, 383, 384, 385, 386, 387, 391, 393, 394, 395, 403, 405, 409, siehe auch Schöpfungstag, zweiter Zwischenstufe 154, 161, 186, 246 Zwölf 359, 375, 377, 378 Zyklizität 96, 105, 345, siehe auch Kreislauf (circulatio)

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Verzeichnis der Diagramme, Tabellen und Abbildungen

Abbildung 1: Himmelssphären in Peter Apians Cosmographia (1539) .....................37 Abbildung 2: Das crux intelligibilis von Brev., prol., § 6.........................................392 Tabelle 1: Christus tenens medium in omnibus ..........................................................31 Tabelle 2: Unterschiede der caeli principales ............................................................40 Tabelle 3: Die akademische Laufbahn Bonaventuras.................................................73 Tabelle 4: Aristoteleszitate in Hex., princ., 1 (1) – I, 4 (7) .........................................77 Tabelle 5: Aufbau der Kategorie quantitas...............................................................206 Tabelle 6: Die Entsprechung göttlicher und geschöpflicher Eigenschaften .............302 Tabelle 7: Der Aufbau von Hexaëmeron III, 1–6 (13–18)........................................376

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Verzeichnis zitierter Bibelstellen

Die Abkürzung biblischer Bücher richtet sich nach der Einheitsübersetzung. Sofern ausdrücklich auf die Vulgata verwiesen werden soll, werden die Abkürzungen der Biblia sacra iuxta vulgatam versionem, rec. Robert Weber, Stuttgart 51990 verwendet und zur deutlicheren Unterscheidbarkeit mit einem Punkt abgeschlossen (z. B. Gn. 1, 1). Genesis 1 .........................................................150, 195 1–2 ...............................................................35 1, 1 ...... 38, 44, 53, 54, 60, 115, 169, 171, 177, 193, 286, 343, 353, 403, 406 1, 1 – 2, 4a .................................................114 1, 6 .......................................................44, 177 1, 7 ...............................................................66 1, 9–11 .......................................................376 1, 11 ...........................................................373 1, 12 ...........................................................374 1, 14 ...............................................38, 66, 134 1, 14–15 .....................................................178 1, 27 ...........................................................305 1, 31 .............................................................29 2, 1 .............................................................361 2, 2f............................................................276

24, 19......................................................... 192 Psalmen 19 (18), 7................................................... 391 41 (40), 9................................................... 357 74 (73), 12 ................................................. 395 81 (80), 16 ................................................. 192 102 (101), 28 ............................................. 157 115, 6 (113, 24) ........................................... 54 136 (135), 5 ................................................. 58 148, 4..................................................... 59, 61 Sprichwörter 8, 19........................................................... 409 Kohelet 1, 10 (9)..................................................... 386 3, 1 ............................................................ 170

Exodus 3, 14 ...................................................154, 157 25, 18–22 ...................................................373

Hoheslied 3, 9f. ............................................................ 30

Numeri 13, 24 .........................................................373 33 ...............................................................384

Weisheit 7, 17f. ........................................................ 335 11, 20 (21)......................................... 208, 209

Deuteronomium 10, 14 .....................................................45, 53

Jesus Sirach 15, 5............................................................. 29 18, 1................................................... 146, 276

Ijob 11, 7 ...........................................................305

488 Jesaja 9, 5 (6)........................................................352 14, 12f..........................................................65 24, 20 .........................................................357 60, 5 ...........................................................410 Jeremia 31, 3 ...........................................................345 Ezechiel 1, 22 .............................................................45 2, 10 (9)........................................................32 Habakuk 3, 2 .............................................................373 Matthäus 5, 3–12 .......................................................369 5, 48 ...........................................................369 20, 1–16 .....................................................379 24, 35 ...........................................................61 Markus 1, 15 ...........................................................349 Lukas 6, 40 ...........................................................369 15, 4–6 .......................................................356 Johannes 3, 13 .............................................................65 11, 25 .........................................................409 14, 6 ...........................................................409 Apostelgeschichte 1, 7 .............................................................402 Römer 1, 20 .............................................................31 8, 20 ...........................................................283 8, 24f..........................................................127 16, 25 .........................................................145 1 Korinther 1, 24 .............................................................30 2 ...................................................................32 7, 31 .............................................................61 13, 10 .........................................................399

Verzeichnis zitierter Bibelstellen 2 Korinther 3, 18..................................................... 91, 385 12, 2............................................................. 53 Galater 4, 4 ...............................15, 349, 364, 370, 371 Epheser 1, 9f. .......................................................... 349 1, 10..................................................... 15, 370 2, 4 ............................................................ 356 3, 17–19..................................................... 392 Philipper 3, 12........................................................... 129 3, 12–14..................................................... 124 Kolosser 2, 9 ............................................................ 362 Hebräer 1, 2 .............................................................. 15 2 Timotheus 1, 9 ............................................................ 145 Titus 1, 2 .....................................145, 152, 287, 295 1, 2f. .......................................................... 349 Jakobus 1, 18........................................................... 343 1 Petrus 1, 11.20...................................................... 349 2 Petrus 3, 10............................................................. 61 Offenbarung des Johannes 1, 3 ............................................................ 349 1, 8 ............................................................ 154 5, 1 .............................................................. 32 9, 1f. ............................................................ 80 10, 6....................................192, 400, 402, 404 14, 11......................................................... 191 21, 1........................................................... 353