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German Pages 321 [324] Year 1995
Petra Maria Vogel Wortarten und Wortartenwechsel
W G DE
Studia Linguistica Germanica
Herausgegeben von Stefan Sonderegger und Oskar Reichmann
39
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1996
Petra Maria Vogel
Wortarten und Wortartenwechsel Zu Konversion und verwandten Erscheinungen im Deutschen und in anderen Sprachen
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1996
© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnabme Vogel, Petra Maria: Wortarten und Wortartenwechsel : zu Konversion und verwandten Erscheinungen im Deutschen und in anderen Sprachen / Petra Maria Vogel. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1 9 % (Studia linguistica Germanica ; Bd. 39) Zugl.: Erlangen, Nürnberg, Univ., Diss., 1994 ISBN 3-11-014823-4 NE: GT
© Copyright 1995 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechdich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen Printed in Germany Druck: Werner Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist eine leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Sommer 1994 von der Philosophischen Fakultät II der Universität Erlangen-Nürnberg angenommen wurde. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die zum Entstehen dieser Arbeit beigetragen haben. Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr. B. Naumann, Prof. Dr. H. H. Munske, Prof. Dr. W. U. Dressler und vor allem Prof. Dr. E. Leiss. Dank gebührt außerdem der Studienstiftung des deutschen Volkes, die die Arbeit finanziell unterstützt hat. Prof. Dr. O. Reichmann verdankt diese Arbeit die Aufnahme in die vorliegende Reihe. Nicht zuletzt möchte ich meiner Familie und all meinen Freunden und Kollegen danken, ohne deren Unterstützung diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Osnabrück, 20.09.1995
Petra M. Vogel
Inhalt 1. Kapitel: Einleitung
1
2. Kapitel: Spurensuche
6
2.1
2.2
2.3
2.4
Merkmalloser Wortartwechsel: Terminologie und Forschungsgeschichte 2.1.1 Englisch 2.1.2 Französisch 2.1.3 Deutsch 2.1.4 Russisch 2.1.5 Zusammenfassung Form und Inhalt 2.2.1 Motiviertheit statt Arbitrarität 2.2.2 Natürlichkeit und Ikonizität 2.2.3 Natürlichkeitskonflikte und einzelsprachliche Normalität 2.2.4 Zusammenfassung Dieses versus Solches 2.3.1 Oppositionalität und Komplementarität: Das UNITYP-Modell 2.3.2 Perspektivierung und Perspektiven 2.3.3 Zusammenfassung Resümee
3. Kapitel: Wortarten und Wortartenkonzeptionen 3.1
Einleitendes und Allgemeines
3.2
Substantiv 3.2.1 Substantivarten und Quantifizierung 3.2.2 Abstrakta 3.2.3 Exkurs: Genus 3.2.4 Zusammenfassung
6 6 13 20 31 38 46 .46 56 64 72 74 74 89 94 95 99 99 112 112 128 142 153
Vili
Inhalt
3.3
3.4
3.5 4. Kapitel: 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Verb 3.3.1 Verhärten und Aspektualität 3.3.2 Exkurs: Verbalkategorien 3.3.3 Perfektiva und Imperfektive 3.3.4 Zusammenfassung Adjektiv und Adverb 3.4.1 Substantiv, Verb und Adjektiv 3.4.2 Adjektivarten und Adverbien 3.4.3 Zusammenfassung Resümee
155 155 164 174 191 193 193 199 217 219
Wortartenkonzeptionen und Wortartenwechsel Multifunktionalität (Null-) Derivation Syntaktische Umkategorisierung Konversion Resümee
224 224 237 245 258 267
5. Kapitel: Schlußresümee
271
Literaturverzeichnis
275
Autorenregister
299
Stichwortregister
303
Abkürzungen A./Akk. Adj. Adv. ahd. arab. bask. bret. chin. D./Dat. dt. engl. Fem. frz. G./Gen. germ. got. griech. hebr. idg. Instr. ipf. isl. ital. klass. lat. Mask. mhd. Ν N./Nom. Neutr. nhd. P./Pers. Part. pf.
Akkusativ Adjektiv Adverb althochdeutsch arabisch baskisch bretonisch chinesisch Dativ deutsch englisch Femininum französisch Genitiv germanisch gotisch griechisch hebräisch indogermanisch Instrumental imperfektiv isländisch italienisch klassisches (Arab., Chin., Griech., Hebr.) lateinisch Maskulinum mi ttelhochdeutsch Nomen Nominativ Neutrum neuhochdeutsch Person Partizip perfektiv
Abkürzungen
Pl. Präp. provenz. russ. Sg. span. Subst. türk. ungar. V Vb. vietn.
g/úS' 'entlegener Ort'
Merkmalloser Wortartwechsel
33
rványj ('zerrissen') > roan 'zerlumpte Kleidung' tichij ('leise') > tiS' 'Stille' In der Akademiegrammatik von 1960 (Grammátika rússkogo jazyká), die unter der Redaktion von VINOGRADOV entstand, taucht die phonetisch-morphologische Wortbildung dann aber bereits als autonomer Typ und nicht mehr innerhalb der morphologischen Wortbildung auf (Grammátika rússkogo jazyká 1960: 209). Die oben genannten Erscheinungen finden sich unter dem Terminus 'nicht-affixale' oder 'nicht-suffixale Wortbildung' bei GALKINA-FËDORUK et al. 1957, UNBEGAUN 1960, S A N S K I J 1968 und POTICHA 1970. Es handelt sich dabei um zu Adjektiven oder Verben gebildete maskuline Substantive, wobei in der russischen Gegenwartssprache nur noch Ableitungen von präfigierten Verben produktiv sind (Beispiele UNBEGAUN 1960: 78). ótdych 'Erholung' vychod 'Ausgang' polet 'Flug'
< <
ack-formation' (BAUER 1983: 230f.), außerdem 'inverse Wortbildung' (MEL'CUK [1967]/1976a: 70), 'dérivation régressive' (GREVISSE " 1 9 9 3 : 198, 253ff.) oder 'Subtraktive' (GAUGER 1971: 22). Ich bin in den vorangehenden Kapiteln nicht speziell auf dieses Problem eingangen, welches noch dadurch erschwert wird, daß die Termini für historische und synchrone Vorgänge sich teilweise überschneiden (s. o.). Wenn jetzt aber beispielsweise eine Ableitung unter synchronem Blickpunkt einem Wortbildungstyp Konversion oder Subtraktion zugeordnet werden soll, muß erst eine Ableitungsrichtung festgelegt werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Bewertung bestimmter Suffixe oder anderer Alternanten von größter Bedeutung. Die Konversionsforderung, daß sich formal-morphologisch nichts ändern soll, ist gerade in flektierenden Sprachen nicht zu erfüllen, da hier in den verschiedenen Wortarten zumindest unterschiedliche Flexionsmorpheme vorliegen. Hier kommt allerdings erneut die Problematik zum Tragen, daß bestimmte Morpheme einmal wortbildenden, einmal flexivischen Charakter haben. Im Falle von Schlaf, von dem schlafen abgeleitet ist, würde es sich i. a. um eine Konversion handeln. Wenn man allerdings, wie FLEISCHER (51982: 313ff.) dies tut und wie es auch in der französischen Wortbildungslehre verbreitet ist, das Infinitivmorphem als Ableitungsmittel betrachtet, läge im genannten Fall eine Ableitung, umgekehrt aber eine Rückbildung vor. Solche Probleme erleichtern die Untersuchungen zum suffixlosen Wortartwechsel keineswegs, vor allem, da anscheinend in keinem der genannten Fälle eine eindeutige Entscheidung getroffen werden kann. Weiter ist es problematisch, ob es sich bei den jeweiligen Wortartwechseln um wortbildende oder um syntaktische Vorgänge handelt. Einig ist man sich darüber, daß bei wortbildenden Vorgängen ein neues Wort mit eigener Bedeutung und möglichst eigenem Paradigma entsteht. Manchmal wird jedoch nur eine der Forderungen erfüllt. Dies ist der Fall, wenn alleine syntaktische Veränderungen einem Element zu neuer Bedeutung verhelfen (alt-der/die/das Alte) oder wenn zwar ein Paradigmenwechsel stattfindet, aber ohne Erzeugung eines semantischen Mehrwerts, der außerhalb der prototypischen Wortartbedeutung liegt (Schlaf-schlafen). Zu ersterem zählt der Fall, bei dem die 'eigentlichen' Flexionsmorpheme beibehalten und nur Distributionen geändert werden, zu letzterem der Fall, bei dem der reine Stamm ohne 'alte' Flexionsmorpheme übergeht. Im einen Fall kann eine morpholo-
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Spurensuche
gische Form verschiedene syntaktische Funktionen vertreten und damit u. U. auch verschiedenen Wortarten angehören, wenn man zuläßt, daß Wortarten auch nur syntaktisch definiert sind. Im anderen Fall wird sozusagen ein neues 'Wort' mit eigenem Paradigma geschaffen. Hier geht es nur um ein oder mehrere grammatische Wörter, also um eine Teilmenge der Wortformen eines lexikalischen Wortes, dort um ein neues lexikalisches Wort. Wenn es dabei aber (noch) nicht zu Lexikalisierungen gekommen ist, haben sich die Bedeutungen so wenig voneinander entfernt, daß, außer der prototypischen Wortartbedeutung, nichts Neues hinzugekommen ist, es hat also eher eine Substitution stattgefunden. Manche Autoren wollen solche Substitutionen nur im syntaktischen Bereich ansetzen, andere sehen allein darin schon eine Bedeutungsbildung. Letzteres ist vor allem in der französischen und russischen Forschung der Fall, wo Wortbildung als 'enrichissement lexical', also als Bedeutungsbildung im weitesten Sinne gefaßt wird (s. Kapitel 2.1.2 und 2.1.4). So findet sich die Behandlung suffixloser Bildungen, vor allem bei substantivierten Adjektiven und Infinitiven sowie bei Verbbildungen zu Substantiven, teilweise im Bereich Wortbildung, teilweise im Bereich Syntax. Manchmal sind auch eigene Kapitel für die jeweiligen Phänomene reserviert wie bei SWEET und HENZEN (wenn bei diesem auch im Wortbildungsrahmen).
2.2
Form und Inhalt
2.2.1
Motiviertheit
statt
Arbitrarität
Spätestens seit DE SAUSSURE, der als Begründer der strukturalistischen Richtung innerhalb der Linguistik und damit als 'Überwinder' der historischen Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts gilt, wird es als selbstverständlich erachtet, daß die Beziehung zwischen den beiden Seiten eines Zeichens, Form und Inhalt bzw. 'signifiant' und 'signifié', arbiträr, d. h. unmotiviert ist (DE SAUSSURE 1931 [1916]: 79). Diese Feststellung scheint trivial zu sein, nimmt doch niemand ernsthaft an, daß bestimmte, mit der außersprachlichen Wirklichkeit verknüpfte Gegenstände oder Handlungen aufgrund ihres So-Seins eine bestimmte Lautung fordern. Wie absurd eine solche Forderung wäre, zeigt sich schon daran, daß die Begriffe für ein und denselben Gegenstand der außersprachlichen Wirklichkeit praktisch in keinen zwei Sprachen gleich sind. Dies gilt auch für die sogenannten Onomatopoetika, Wörter, die in ihrer Lautung das Bezeichnete in etwa widerspiegeln und damit der Mo-
Form und Inhalt
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tiviertheit von Form und Inhalt am nächsten kommen. Denn obwohl beispielsweise dt. Kikeriki, frz. cocorico und engl, cockadoodledoo den Anschein erwecken, als würde die zugrundeliegende Lautäußerung möglichst naturgetreu wiedergegeben, unterscheiden sie sich doch, auch über die einzelsprachlichen Lautspezifika hinaus, und sind damit wiederum arbiträr (vgl. DE SAUSSURE 1931 [1916]: 81). Trotzdem gab und gibt es immer wieder Ansätze in der Linguistik, in denen diese Arbitrarität hinsichtlich Form und Inhalt eines sprachlichen Zeichens nicht widerspruchslos hingenommen, sondern sogar die Motiviertheit der Form durch die Bedeutung postuliert wird. Diese Ansätze können alle unter das Primat einer funktionalen Betrachtung von Sprache gereiht werden, bei der von einer motivierten, 'natürlichen' Zuordnung der Ebenen von Form und Inhalt ausgegangen wird. Innerhalb der modernen Linguistik hat dieser Ansatz seinen Ursprung innerhalb des Prager Strukturalismus, und dort ist es v. a. JAKOBSON, der ihn für die Morphologie fruchtbar macht. Er selbst stützt sich dabei zum einen auf die von TRUBETZKOY innerhalb der Phonologie erarbeitete Markiertheitstheorie und zum anderen auf die zeichentheoretischen Arbeiten des amerikanischen Philosophen und Semiotikers CHARLES SANDERS PEIRCE (1839-1914). Als Fortsetzer der JAKOBSONschen Tradition können verschiedene Strömungen der amerikanischen Linguistik gelten, u. a. die neuere Sprachtypologie unter GREENBERG, der sich auf JAKOBSON bezieht und in GREENBERG 1966 explizit auf die markiertheitstheoretischen Grundlagen eingeht. In Europa ist es die 'Natürliche Morphologie', die sich auf JAKOBSON und PEIRCE beruft und deren Ansätze modifiziert und weiterentwickelt; ihre bekanntesten Vertreter sind DRESSLER, MAYERTHALER und WURZEL. Bevor in den Kapiteln 2.2.2 und 2.2.3 die Natürlichkeitstheorie vorgestellt wird, möchte ich hier aber erst die historischen und konzeptuellen Grundlagen vorstellen. Im Zusammenhang mit der (Nicht-)Arbitrarität des sprachlichen Zeichens wird immer auch auf PLATONs Dialog 'Kratylos oder Über die Richtigkeit der Wörter' verwiesen, in dem PLATON seinen Lehrer SOKRATES und HERMOGENES darüber diskutieren läßt, ob die Wörter den Dingen aufgrund ihrer Natur (Physei), das ist der Standpunkt von KRATYLOS, oder nur aufgrund von Konvention (Nomöi bzw. Thésis), so HERMOGENES' Meinung, zugewiesen würden.7 Um das Resultat
7
KRATYLOS, der der Abhandlung ihren Namen gab, hat erst im letzten Fünftel Anteil an der Diskussion. Den Hauptteil stellt HERMOGENES' Gespräch mit SOKRATES über KRATYLOS' Standpunkt dar, dem HERMOGENES selbst ablehnend gegenübersteht.
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Spurensuche
des Dialogs gleich vorwegzunehmen, SOKRATES kommt zu dem Schluß, daß die Namen der Dinge durch beide Prinzipien, Inhärenz und Konvention, bedingt wären (Kratylos 434b). So weist er den Lauten selbst eine gewisse innere Bedeutung zu. Er glaubt ζ. B., daß der Laut, der durch den Buchstaben 'p' (Rhô) wiedergegeben wird, in Bezeichnungen von Bewegungen wie griech. rhein ('strömen') oder trómos ('Zittern') steht, weil die Zunge dabei schwingt und somit selbst in Bewegung ist u. ä. (Kratylos 426d). Oder er leitet das Wort für 'Luft' (aér) aufgrund ähnlicher Lautung daraus her, daß sie Dinge emporhebt (airei) und fließt (aet rei) (Kratylos 410a-b). Trotz dieser etwas seltsam anmutenden Etymologien (vgl. aber zum Begriff der Lautsymbolik bzw. des phonetischen Ikonismus weiter unten) wird auf einen entscheidenden Punkt hingewiesen. Lächerlich wird es freilich herauskommen, glaube ich, Hermogenes, wie durch Buchstaben und Silben nachgeahmt die Dinge kenntlich werden. Aber es muß doch so sein; denn wir h a b e n n i c h t s B e s s e r e s als d i e s e s , w o r a u f wir u n s wegen der Richtigkeit der u r s p r ü n g l i c h e n W ö r t e r b e z i e h e n könnten (Kratylos 425d; Hervorhebung P. M. V.).
Wenn man die Begriffe 'Buchstaben' und 'Silben' einfach durch den umfassenderen Begriff der Form ersetzt, so kommt man zu dem Schluß, daß es außer der Form, die sinnlich zugänglich ist, nichts Besseres (eigentlich überhaupt nichts anderes) gibt, um sprachliche Bedeutungen zu 'enträtseln'. Aus heutiger Sicht ist SOKRATES' (bzw. PLATONs) auf die Etymologie der Wörter gerichtete Vorgehensweise zwar unakzeptabel, aber SOKRATES (bzw. PLATON) verfolgt hier bereits ein höchst ökonomisches Prinzip, indem er versucht, die Lautung aus der Bedeutung zu erklären und von ähnlichen Formen auf ähnliche Bedeutungen zu schließen. Das Problem ist hierbei, daß er sich bei seinen Erklärungen, in Unkenntnis von Sprachentwicklung, nur auf den bekannten Sprachzustand stützt und so zu sehr mystisch anmutenden Etymologien kommt. Daß dieser antike Ansatz nicht so abwegig war, zeigen zeitgenössische Zeichentheorien, die nicht nur auf eine parallele Strukturierung von Form und Inhalt bauen, sondern auch mit dem Begriff der Konvention operieren. Eine der bekanntesten Zeichentheorien stammt dabei von CHARLES SANDERS PEIRCE. Der relevante Teil soll hier kurz skizziert werden (zu einer umfangreicheren Charakterisierung des PEIRCEschen Konzepts vgl. NÖTH 1985: 33-46,111-120). Ein Zeichen besteht bei PEIRCE (1960: § 2.228) aus: 1. seiner materiellen Seite, d. h. der Form oder dem Repräsentamen (entspricht dem 'signifiant'),
Form und Inhalt
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2. der Sache oder dem Objekt, auf das verwiesen wird, 3. der Bedeutung bzw. dem Gedanken oder der Idee, die damit verknüpft wird, der sogenannte Interprétant, der im allgemeinen die abstrakte, gedankliche Wiedergabe des Objekts darstellt (entspricht dem 'signifié'). Allerdings werden erst durch den Interpreten, der als Zeichenbenutzer das Zeichen interpretiert, Form, Bedeutung und Objekt in Beziehung gesetzt, dadurch erhält das Zeichen seinen funktionalen Charakter (PEIRCE 1960: §2.308). Aufgrund der Art der Beziehung, die zwischen der Form und dem Objekt (und damit im weitesten Sinne dem Interpretanten bzw. 'signifié') des Zeichens existiert, unterscheidet PEIRCE (1960: § 2.247ff.; ausführlicher BURKS 1949) drei grundlegende Zeichentypen. a ) Ikon: b) Index:
c) Symbol:
Zeichen, bei dem Repräsentamen und Objekt einander ähneln, ζ. B. Abbildungen jeglicher Art. Zeichen, bei dem Form und Objekt in einem raum-zeitlichen Verhältnis stehen, die Form verweist ohne Ähnlichlichkeitsbezug, ohne direkte ikonische Wiedergabe der Merkmale, auf das Objekt, ζ. B. Rauch auf Feuer, Zeigefinger auf irgendein Objekt (ausführlicher GOUDCE 1965). Zeichen, dessen Form und Objekt durch reine Konvention aufeinander bezogen sind, ohne daß irgendwelche Ähnlichkeiten bestehen.
Für die drei Zeichentypen postuliert PEIRCE insofern eine Hierarchie, als er in Richtung von Ikon zu Symbol immer weniger direkte Bezüge zwischen der Form des Zeichens und anvisiertem Objekt annimmt, sei es aufgrund von Ähnlichkeitsbezügen oder aufgrund von raum-zeitlicher Koexistenz. Symbole sind letztendlich am stärksten konventionalisiert, arbiträr. Sprachliche Zeichen sind grundsätzlich alle symbolisch (und damit arbiträr), da der Wortkörper primär nicht durch das motiviert ist, was er inhaltlich vermittelt (s. o.). PEIRCEs Hierarchie muß aber insofern modifiziert werden, als sekundär auch sprachliche Zeichen, Symbole, wiederum ikonische, indexikalische oder symbolische Merkmale aufweisen. Diese stellen allerdings keine dreigeteilte Hierarchie dar. Ikonische Symbole sind keine eigene Gruppe für sich, sondern phonetischer Ikonismus stellt lediglich ein sekundäres Merkmal für indexikalische und symbolische Symbole dar, die gleichwertig nebeneinander stehen.
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Spurensuche
Innerhalb der Sprache werden im allgemeinen zwei in Opposition zueinander stehende semiotische Prozesse, nämlich 'Zeigen' und 'Nennen', und dementsprechend Nennwörter, also 'symbolische' Symbole, und Zeigwörter, also 'indexikalische' Symbole, säuberlich voneinander getrennt.® „Es muß aber betont werden, daß Deixis [Zeigen] und Nennen zwei zu sondernde Akte, Zeigwörter und Nennwörter zwei scharf zu trennende Wortklassen sind, [...]" (BÜHLER 1934/1982:86). Auch MORRIS löst in der Nachfolge PEIRCEs dessen eindimensionale Hierarchisierung auf und führt innerhalb der Sprachzeichen diese oppositionelle Scheidung durch. Er spricht (u. a.) von 'indexical signs' und 'characterizing signs' (MORRIS 1938/1970:17), wobei letztere den Oberbegriff für (sprachliche) 'icons' und 'symbols' bilden (a. a. O. 24). Während letztere nämlich das Bezeichnete über die Ebene des Was erfassen, geschieht dies bei der ersten Gruppe über das zeitlichräumliche Wo bzw., um mit ARISTOTELES zu sprechen, über ein Solches (toiónde) und ein Dieses (tóde) (ζ. Β. Analytica posterior A31 87b 28). Nennende Begriffe kodieren das Bezeichnete intensional, designieren es als Klasse oder Typ, zeigende Begriffe kodieren es extensional, referieren darauf als spezifisches Element einer Klasse. Natürlich bedingen sich beide Seiten gegenseitig, da eine Klasse die Summe ihrer Einzelteile ist und ein Einzelteil durch die die Klassenzugehörigkeit definierenden Eigenschaften bestimmt wird. Auch sind die Bereiche nicht ganz streng voneinander zu trennen, denn in beiden finden sich Charakteristika der jeweils anderen Gruppe. So sind Deiktika zwar an einen speziellen situationeilen Kontext gebunden, um eindeutig referieren zu können, doch ist intensional schon ein gewisser zeitlicher oder räumlicher Bedeutungsrahmen vorgegeben, vgl. hier, gestern, dort etc. Daneben benötigen Nennwörter, um referieren zu können, Elemente wie Demonstrative, Artikel oder Flexionselemente, sogenannte schwache Deiktika (vgl. dazu DIEWALD 1991: Kapitel 3.3.2). Da die letztendliche Funktion von Sprache die Referenz, das Reden über Konkretes ist, werden dafür Elemente bereitgestellt.9 Diese Deik-
8 9
Ich spreche nachfolgend der Einfachheit halber von Nennwörtern und Zeigwörtern bzw. Deiktika. Ohne auf diesen Punkt näher eingehen zu können, unterscheide ich hier Referenz und Denotation wie ζ. B. CROFT 1991. Referenz ist im Rahmen der Pragmatik, d. h. des Sprechaktes, Denotation im Rahmen der Semantik definiert. Referenz, "that is, to get the hearer to identify an entity as what the speaker is talking about", Denotation "is intended to signify a relation between a word [(...)] and the entity or class of entities that it names" (CROFT 1991: 51f.).
Form und Inhalt
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tika sind entweder stark, wenn sie diese Referenz selbständig leisten, sobald sie in einen Kontext eingebunden werden. Oder sie sind schwach, wenn sie dazu dienen, die Nennwörter erst zu referentialisieren, zu re-motivieren. Die schwachen Deiktika ermöglichen in Verbindung mit dem Kontext die zeitlich-räumliche Ortung des Ausgangspunktes und damit von dort aus die Referentialisierung der Nennwörter. Nennwörter sind also primär klassifizierend und erst sekundär referierend, Zeigwörter schon per se referierend, allerdings unter der Voraussetzung des Kontextwissens. Hier wird auch deutlich, warum die sprachlichen Ikone bei MORRIS fälschlicherweise in eine Gruppe mit den Symbolen fallen (s. o). Lautsymbolik spielt sich im Intensionsbereich ab und dient ni eh t primär der Referenz wie die Deiktika. Andererseits hat MORRIS aber übersehen, daß auch Deiktika intensional sind (s. o.), das Phänomen also bei Nenn- und Zeigwörtern auftritt und so die ihnen zugrundeliegende Bedeutung (auch bei Deiktika!) unterstützen kann. Es ist auffällig, daß in Versuchen Nonsense-Wörtern mit hohen Vokalen eher kleine, Wörtern mit tiefen Vokalen eher große Gegenstände zugeordnet werden (SAPIR 1929: 227f.). Diminutive, also Verkleinerungsbildungen, weisen dementsprechend „vorzugsweise einen nicht-tiefen bzw. hohen/palatalen Vokalismus und/oder Konsonantismus" auf (MAYERTHALER 1981: 98). Einem ähnlichen Prinzip scheinen auch Deiktika, Ortspronomina und Demonstrativa zu folgen, mit der Struktur 'hoher Vokal' kodiert Sprechernähe, 'tiefer Vokal' Sprecherferne: dt. hier vs. da/dort, engl, here vs. there, frz. ici vs. là usw. (MAYERTHALER 1981: 98ff. und 95f.).10 Auf die Onomatopoetika wurde in diesem Rahmen bereits hingewiesen (s. o.). Wenn diese lautsymbolischen Strukturen auch nicht im Kernbereich der Sprache angesiedelt sind, so kann man doch nicht sagen, daß sie ganz ohne Belang sind.11 Man spricht dabei neben Lautsymbolik auch von 'phonetischem Ikonismus'.Ikoni s m u s liegt immer dann vor, wenn a n a l o g e V e r h ä l t n i s s e zwischen Form und Inhalt herrschen (s.a. o. unter 'Ikon'). Besteht eine solche Analogie nicht im phonetischen, sondern im
10 Diese Erscheinungen jedoch speziell auf den Dopplereffekt zurückzuführen, wie MAYERTHALER (1981: 95) dies tut, halte ich für verfehlt. Viel allgemeiner kann man die Korrelation von Nähe und hohem Vokal bzw. Ferne und tiefem Vokal auf die Tatsache zurückführen, daß hohe Frequenzen (und damit hohe Vokale) eben nicht über weite Entfernungen übertragen und deshalb mit Nähe korreliert werden. 11 Zu einer umfassenden Untersuchung der Lautsymbolik aus psychologischer Sicht vgl. z. B. ERTEL1969.
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Spurensuche
strukturellen Bereich, liegt also k o n s t r u k t i o n e l l e r Ikonismus vor, spricht PEIRCE von Diagrammen als Untergruppe der Ikone. Konstruktioneller Ikonismus ist also Diagrammatismus. Hier geht es darum, das a s y mme t r i s c h e V e r h ä l t n i s unterschiedlicher Bedeutungselemente zueinander auf die Formebene zu übertragen (PEIRCE 1960: § 2.277). Dieses Prinzip erweist sich vor allem in der Morphologie als zentral. Diagrammatismus besteht in der Analogie der asymmetrischen Struktur verschiedener Formelemente zu ihren Bedeutungen. Um ein einfaches Beispiel zu wählen, der Plural Frauen (zu Frau), weist ein 'Mehr' an Form und entsprechend ein 'Mehr' an Bedeutung auf. Innerhalb der Form- oder Bedeutungsebene herrscht aber Asymmetrie, Singular und Plural stehen in Opposition zueinander. Das Prinzip des konstruktionellen Ikonismus oder Diagrammatismus' ist hier in seiner reinsten Form verwirklicht (ausführlicher zu diesem komplexen Thema Kapitel 2.2.2). Diagrammatismus baut damit auf dem Prinzip der O p p o s i t i o n a l i t ä t von Elementen auf verschiedenen Ebenen auf. Diese Idee von Oppositionen in der Sprache findet ihren Niederschlag in methodisch ausgearbeitetster Form in der Markiertheitstheorie innerhalb der funktionalen Betrachtungsweise der Prager Schule.12 Als TRUBETZKOY am 31. Juli 1930 an JAKOBSON schreibt und ihm seine Beobachtungen über hinsichtlich ihrer distinktiven Eigenschaften korrelierende Phoneme mitteilt, legt er den Grundstein zur Markiertheitstheorie (TRUBETZKOY 1975: 161ff.). In seiner Antwort am 26. November bestätigt JAKOBSON TRUBETZKOYs neuen theoretischen Ansatz geradezu enthusiastisch (a. a. O., Anm. 1): „Ich komme zunehmend zu der Überzeugung, daß Ihre Idee, Korrelation sei immer eine Wechselbeziehung zwischen einer merkmalhaltigen und einer merkmallosen Reihe, einer Ihrer bemerkenswertesten und fruchtbarsten Gedanken ist" (Übersetzung P. M. V.). JAKOBSON war damit der erste, der explizit die Termini 'merkmalhaltig' und 'merkmallos' für Oppositionselemente verwandte, die ein bestimmtes Merkmal jeweils aufwiesen oder nicht.13 Er war es dann auch, der die innerhalb der Phonologie gewonnenen Erkenntnisse TRU-
12 Zum Markiertheitskonzept von den Anfängen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart vgl. ANDERSEN 1989. 13 'Merkmalhaltig' und 'merkmallos' sind die von JAKOBSON verwandten deutschen Äquivalente zu den russischen Termini 'priznakóvyj' bzw. "bezpriznakóvyj' ('mit einem' bzw. 'keinem Merkmal versehen sein', engl, 'marked' bzw. 'unmarked'), die erstmals in seinem Aufsatz 'Zur Struktur des russischen Verbums' von 1932 auftauchen (s. Jakobson [1932]/1966b).
Form und Inhalt
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BETZKOYs auf die Morphologie übertrug. Die Markiertheitstheorie basiert auf der Annahme, daß Elemente, welcher Art auch immer, zueinander in Opposition stehen können, d. h. asymmetrische Verhältnisse wiedergeben. Man kann dabei drei Hauptarten von Oppositionen unterscheiden, privative, graduelle und äquipollente. Privativität heißt, daß die Elemente sich nur in einem Merkmal unterscheiden, z. B . / p / u n d / b / , wobei sich der letzte Term durch das zusätzliche Merkmal [+stimmhaft] auszeichnet. Graduell oppositionell sind Elemente, die sich nur im Grad eines Merkmals unterscheiden wie die starke oder schwache Aspirierung von Plosiven. In äquipollenter Opposition stehen dagegen Terme, die sich bezüglich mehrerer Merkmale unterscheiden, und damit weder in privativer noch in gradueller Relation zueinander stehen, z. B. / t / : / k / (alveolarer vs. velarer Plosiv). Daraus folgt aber auch, daß Elemente bezüglich ihrer Merkmale nicht naturgegeben in einer bestimmten Opposition zueinander stehen, die Art der Opposition entsteht erst durch das jeweilige Nebeneinander der Elemente. Handelt es sich bei dem Nebeneinander von/b/und/p/um eine privative Opposition, muß man im Falle von/p/und/n/von Aquipollenz sprechen. Von besonderer Bedeutung scheint dabei das Konzept der Privativität zu sein, das als grundlegendes Prinzip die Strukturierung der Welt durch den Menschen aufgrund seiner kognitiven Fähigkeiten bestimmt. Menschen tendieren dazu, Vertrautes, Bekanntes, und damit Nahes, als strukturell einfach, häufig auftretend und als bei Bedarf differenzierbar zu interpretieren. Fremdes, weniger Vertrautes, zeichnet sich dagegen durch eine zusätzliche Eigenschaft aus, die es von dem Bekannteren unterscheidet, es ist also markiert und wird dadurch spezifischer und weniger häufig. Gleichzeitig werden innerstrukturelle Differenzierungen aber bei aus der Ferne betrachteten Dingen weniger relevant, weil sie weniger sichtbar sind. Markiert ist also der Term, der strukturell komplexer und/oder weniger variabel und/oder weniger häufig ist als der andere, der den unmarkierten Part darstellt und sich komplementär verhält, also strukturell einfacher, variabler und häufiger ist (in Anlehnung an MORAVCSIK/WIRTH 1986: Iff.). Im Idealfall sollten alle drei Parameter übereinstimmen, doch ist dies nicht immer der Fall, die Gründe dafür werden in den folgenden Kapiteln dargelegt. Da die formale Kodierung die grundsätzliche Möglichkeit einer Markierung oder Nicht-Markierung beinhaltet, liegt es nahe, um den Grundsatz der Ökonomie zu wahren, häufig Auftretendes nicht zu markieren. Es handelt sich dabei um Präsuppositionen, Grundeinstellungen. Markiert werden muß das, was von diesen Basisannahmen abweicht.
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Spurensuche
Das Vorgetragene soll an einem einfachen Beispiel anhand der Numerusbildung in einigen Sprachen betrachtet werden. a) Der Singular ist im allgemeinen e i n f a c h e r s t r u k t u r i e r t als der Plural: dt. Haus Häus-er engl boy boy-s russ. stol stol-y. Tisch(e)' b) Gleichzeitig weist der Singular aber g r ö ß e r e V a r i a b i l i t ä t auf, man betrachte nur die unterschiedliche Genusmarkierung im Singular, die im Plural oft aufgehoben ist: dt. der Mann/die Frauidas Kind-die Männer/Frauen/Kinder russ.
on skazálloná skazálalonó skazálo-oní skazáli 'er sagte/sie sagte/es sagte-sie sagten' (Mask.=Fem.=Neutr.) (Numerusmarkierung am Verb im Präteritum) Modernes Hebräisch ha ha -yeled -zeh the this 'dieses Kind (Sg. Mask.) the child ha -yalda ha -201 the this 'dieses Kind (Sg. Fem.) the child ha -yeladim ha -ele the children the these 'diese Kinder (PI. Mask.) ha -yeladot ha -ele the children the these 'diese Kinder (PI. Fem.) (Neutralisation beim demonstrativen Adjektiv) (Beispiel ANDERSON/KEEN AN 1985: 281).
c) Außerdem ist der unmarkierte Term, der Singular, h ä uf i g e r als der Plural, d. h. Texte weisen mehr Singular- als Pluralmarkierungen auf, und Sprachen haben eher Singulare und keine Plurale als umgekehrt, was u. U. schon daran liegt, daß ein Singular in generischer Verwendung einen Plural vertreten kann, vgl. der Mensch ist ein Lebewesen « Menschen sind Lebewesen. Dieses zuletzt angedeutete Phänomen, daß das unmarkierte das markierte Element sozusagen 'ersetzen' kann, ist außerdem von besonderer Bedeutsamkeit. Da sich der markierte Term dadurch auszeichnet, daß er mit dem unmarkierten alle Elemente bis auf eines (oder auch mehrere) gemeinsam hat, i mpl i zi e r t das markierte das unmarkierte Element. Daraus ergeben sich drei unterschiedliche Interpretationen des unmarkierten Terms, die JAKOBSON die Null-, die Minusund die Plus-Interpretation nennt (vgl. JAKOBSON [1932]/1966b,
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[1936]/1966a, 1939; die nachfolgenden Ausführungen lehnen sich an WAUGH (1982: 301ff.) an. a) die Null-Interpretation Wenn der unmarkierte Term als Menge A betrachtet wird mit einer bestimmten Anzahl an Elementen a und der markierte Term als Menge B, so weist Β alle Elemente a und zusätzlich noch ein(ige) Element(e) χ auf, Β ist also die Vereinigungsmenge von A und einer hypothetischen Menge χ.
A
Β
Treten nun die Elemente a auf, so kann es sich um die Signalisierung von A, aber auch von Β handeln, da auch Β alle Elemente a enthält. JAKOBSON nennt das die 'Nicht-Signalisierung von x', d. h. x, und somit eindeutig Menge B, werden nicht explizit genannt. Ein typisches Beispiel ist die Präsensverwendung in bestimmten allgemeingültigen Sätzen wie 2x2 = 4. Hier sagt die Tempusform, die formal im Präsens steht, nichts darüber aus, ob es sich um gegenwärtiges, vergangenes oder zukünftiges Geschehen handelt bzw. die Aussage gilt für alle Zeitstufen. Es wird aber auf keinen Fall explizit Präteritum, also x, signalisiert. b) die Minus-Interpretation Dabei handelt es sich um genau den komplementären Fall, nämlich nach JAKOBSON um die 'Signalisierung von nicht-x', wenn das Auftreten der Elemente a nur A und nicht auch Β signalisiert. Hier referiert die Präsensform nur auf mit dem Sprechzeitpunkt synchrones Geschehen. Meist wird am Kontext deutlich, welche Interpretation im jeweiligen Fall zutrifft. In komplexen Sätzen, die zwei gleichzeitige Handlungen kodieren, ist grundsätzlich nur eine Interpretation möglich: wenn ich nach Hause komme, lege ich mich schlafen. Hier ergäbe ein präteritaler Bezug keinen akzeptablen Satz. c) die Plus-Interpretation Hier handelt es sich, was selten vorkommt, darum, daß der unmarkierte Term die Bedeutung von Β und zwar nur von Β einschließlich χ annimmt, also Signalisierung von x. Ein Beispiel, an dem das deutlich wird, ist die Verwendung des historischen Präsens: 1492 entdeckt Ko-
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lumbus Amerika. In diesem Fall muß jedoch durch den Kontext, hier durch die Nennung der Jahreszahl, der Vergangenheitsbezug besonders e x p l i z i t gemacht werden. Besonders interessant ist dabei der Fall der Null-Interpretation, bei der es regelhaft zu einer Neutralisation zwischen markiertem und impliziertem unmarkierten Element kommt, indem letzteres potentiell ersteres immer mitverkörpert. So wird ζ. B. im Neuhochdeutschen14 ein stimmhafter Plosiv im Silben- und Wortauslaut grundsätzlich durch einen stimmlosen 'ersetzt' bzw. die Markierung wird neutralisiert: dt. Hund [hont]. Dabei handelt es sich genaugenommen nicht um die 'Ersetzung', sondern um die Subsumierung eines Phonems. Der Inhalt verändert sich nicht: dt. Rad [Ra:t] bedeutet immer noch 'Rad' und nicht 'Rat'. Für diese neutralisierten Phoneme hat TRUBETZKOY den Begriff A r ch i ρ h o ne m geprägt. Parallel zu Archiphonem existiert der nach diesem Vorbild von POTTIER 1963 geschaffene Terminus A r c h i l e x e m . Archilexeme sind alle Hyperonyme im Lexikon, da sie aufgrund ihrer geringeren Intension von ihren Hyponymen impliziert werden: 'Hund', 'Katze', Tiger', 'Löwe' usw. fallen alle unter den Überbegriff Tier'. Meines Wissens fehlt bislang allerdings ein Terminus für Neutralisationen innerhalb der grammatischen Kategorien, wenn z. B. eine Singularform Pluralbedeutung oder eine Präsensform Präteritumbedeutung haben kann u. ä. Ich schlage hier deshalb in Analogie zu den genannten Begriffen und zum weitergefaßten Terminus 'Archigrammem' bei LEISS 1991 den Begriff A r c h i k a t e g o r e m vor. Es wird sich zeigen, daß dem Prinzip der Neutralisation eine Schlüsselposition im Sprachwandel, d. h. Kategorienabbau und -aufbau, zukommt. 2.2.2 Natürlichkeit und Ikonizität Die Theorie der sogenannten Natürlichkeit sowie die Termini 'natürlich' bzw. 'natural' gehen in ihren Anfängen auf DAVID STAMPE zurück. STAMPE entwickelte die Natürlichkeitstheorie Ende der 60er
14 Dies war auf früheren Sprachstufen nicht der Fall, vgl. Kapitel 2.2.2.
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Jahre innerhalb der Phonologie mit dem Ziel, Unstimmigkeiten und Inkongruenzen auszugleichen, die im Rahmen der damals fast ausschließlich gültigen generativen Phonologie aufgetreten waren (vgl. STAMPE 1969). Die Terminologie ergibt sich aus der Auffassung, daß innerhalb der Sprache nicht arbiträre, sondern funktionale Prozesse und Strukturen wirksam sind, die dazu führen, daß die sprachliche Informationsproduktion und -perzeption im jeweiligen Rahmen möglichst wenig aufwendig und energetisch optimal ist. Dabei handelt es sich um inhärent menschliche und sprechertypische Eigenschaften, die angeboren und/oder früh erworben sind. Sie haben damit universalen Charakter und wirken bei allen Sprechern und in allen Sprachen gleichermaßen. Der Ansatz der Natürlichkeit zeichnet sich auf diese Weise dadurch aus, daß er auf Bereiche referiert, die außerhalb der rein sprachlichen Gegebenheiten liegen. Dies sind biologisch-psychologische, aber auch sozial-pragmatische und kulturspezifische Momente, die sich aus der Rolle des Menschen qua Mitglied einer Sprachgemeinschaft und Träger einer kulturellen Einheit ergeben. 'Natürlich' ist also, daß der prototypische Sprachteilnehmer möglichst effektiv Informationen übermitteln und perzipieren möchte. Dies schließt zum einen die möglichst geringe physische Belastung der Sprechorgane und eine wenig aufwendige Sprachproduktion im allgemeinen ein. Zum anderen soll aber auch eine möglichst ökonomische Perzeption und Interpretation durch den potentiellen Hörer gewährleistet sein, d. h. geringer Aufwand bei der Dekodierung der übermittelten Information auf lautlicher und semantischer Ebene. Vielleicht fragt man sich an dieser Stelle, warum dann nicht alle Sprachen völlig gleich und einheitlich organisiert sind. Abgesehen von der Tatsache, daß bestimmte Strukturen tatsächlich weiter verbreitet sind als andere, sich immer wieder durchsetzen, ist es naheliegend, daß die gleichzeitige und optimale Befriedigung beider Bereiche, der Sprachproduktion und -perzeption, durchaus zu Konflikten führt. Morpheme sind dann besonders gut perzipierbar, wenn eine ganz bestimmte unveränderliche Form immer nur mit einem ganz bestimmten unveränderlichen Inhalt verknüpft ist (Eineindeutigkeit), doch vollziehen sich artikulatorische Veränderungen unabhängig von morphologischen Vorgaben. Deshalb bestehen die größten Natürlichkeitskonflikte zwischen Phonologie und Morphologie. Konflikte innerhalb der Bereiche selbst und zwischen anderen Ebenen führen dazu, daß jede Sprache sie auf ihre Art und Weise löst, indem weniger natürliche Strukturen auf Kosten natürlicherer Strukturen geschaffen werden (vgl. dazu genauer Kapitel 2.2.3).
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Da Ökonomie ein inhärentes Prinzip menschlichen Verhaltens verkörpert, ist zu erwarten, daß kognitive Strukturen sich auch in der Sprache widerspiegeln. Ein grundlegendes Prinzip menschlicher Kognition scheint das Denken in asymmetrischen Oppositionen zu sein, eine Strukturierung nach Einfachem und Komplexem, wobei das Komplexe das Einfache impliziert, sich aber durch zusätzliche Merkmale auszeichnet. Komplexes ist daher merkmalhaft oder markiert, Einfaches merkmallos, unmarkiert. Unmarkiertes ist leichter zugänglich als Markiertes, also 'natürlicher' als dieses. Damit ist die Natürlichkeitstheorie im Kern eine um funktional-psychologische Elemente angereicherte Markiertheitstheorie, wie sie in den 30er Jahren vor allem von JAKOBSON und TRUBETZKOJ im Bereich der Phonologie und Morphologie entwickelt wurde (vgl. dazu Kapitel 2.2.1). Dem Bereich der phonologischen Natürlichkeit widmen sich vor allem STAMPE und DONEGAN in den USA sowie DRESSLER in Europa, der sich auch mit morphonologischen Problemen beschäftigt. Zentral für die Entwicklung der natürlichen Morphologie sind MAYERTHALER (1981; systemunabhängige, übereinzelsprachliche Morphologie), WURZEL (1984; eher historisch orientiert und einzelsprachlich), DRESSLER (Wortbildung) und PANAGL (historische Morphologie). Ein Überblick zur natürlichen Morphologie findet sich in den 'Leitmotifs' von DRESSLER et al. 1987 sowie in WURZEL 1994. Eine Einführung zur natürlichen Morphologie mit Schwerpunkt auf dem Französischen liegt außerdem von KILANI-SCHOCH 1988 vor. Außerhalb der Morphologie existieren z. B. bereits Ansätze zu einer natürlichen Syntax (DOTTER 1990) oder zu einer natürlichen Graphematik (MUNSKE 1993). Den zentralen Gedanken in STAMPEs Arbeiten zur natürlichen Phonologie stellt das Konzept des 'phonologischen Prozesses' dar, eine Operation, die eine Klasse von Lauten in eine andere Klasse von Lauten überführt. Die Funktion dieser Überführung oder dieses Prozesses ist es, die Belastung für die Artikulationsorgane möglichst gering zu halten bzw. die Perzeption durch den Hörer möglichst wenig aufwendig zu gestalten. Die Zielklasse des Prozesses enthält daher die Laute mit der in der jeweiligen Position geringeren Belastung. Dies gilt für solche Erscheinungen wie Stimmlosmachung, Reduktion von unbetonten Vokalen, Hebung von Vokalen oder Palatalisierung von Konsonanten vor hohen Vokalen u. ä. Da jedes zusätzliche Artikulationsmerkmal die Sprechorgane mehr belastet, werden markierte Laute, Laute mit zusätzlichen Merkmalen, in ihre unmarkierten Korrelationspartner überführt. Dies ist jedoch nicht grundsätzlich so. In bestimmten Umgebungen kön-
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nen 'markierte' Laute sogar weniger belastend sein als 'unmarkierte'. Wenn im Deutschen ein stimmhaftes [d] wie in H u n d ' am Wortende als stimmloses [t] artikuliert wird, so ist hier tatsächlich der phonologische Prozeß der Stimmlosigkeit bzw. der 'Stimmlosmachung' oder 'Entstimmhaftung' wirksam geworden, der i. a. als Auslautverhärtung bezeichnet wird. Am stärksten wirkt sich der Prozeß der Stimmlosigkeit vor stimmlosem Segment, etwas weniger im Silben- bzw. Wortauslaut und noch weniger im Wortanlaut aus. Unterdrückt wird der Prozeß am ehesten zwischen stimmhaften Segmenten, ζ. B. zwischen zwei Vokalen. Umgebungsgebunden würde nämlich die kurzfristige Unterbrechung der Schwingung der Stimmbänder die Artikulation stärker belasten als die Stimmhaftigkeit der gesamten Lautfolge. Aus diesem Grunde gibt es für bestimmte Umgebungen (ζ. B. intervokalisch) auch einen Prozeß der Stimmhaftigkeit oder Stimmhaftmachung. Dies führt aber zu Konflikten, da kontextunabhängig ein anderer Prozeß als kontextabhängig favorisiert wird. Diese Konflikte sind es, die bedingen, daß nicht in allen Sprachen alle Prozesse in der gleichen Art und Weise bzw. auch nicht alle Prozesse durchgeführt werden. Das Deutsche hat den phonologischen Prozeß der Stimmlosigkeit beispielsweise auf die Umgebung vor stimmlosem Segment und auf die Silben- (und damit Wort-) Grenze eingeschränkt. Uberall sonst wird er unterdrückt und es können sowohl stimmlose als auch stimmhafte Konsonanten auftreten, vgl. [Ra:t] 'Rad', [Ra:ts] 'Rads', aber [Raídas] Hades' und [Ra:tes] 'Rates'. Im Englischen ist er dagegen im Auslaut unterdrückt, und es treten hier stimmlose wie stimmhafte Konsonanten auf, z. B. 'job' [d33b], 'dog' [dog], "hat' [haet]. Diese Reglementierung der phonologischen Prozesse gemäß der einzelsprachlichen Strukturen nennt WURZEL (1984: 16f.) die natürlichen 'phonologischen Regeln', die im Laufe des Spracherwerbs erlernt werden müssen. Die phonologischen Prozesse sind angeboren und bei jedem Kind und auch bei jedem erwachsenen Sprecher wirksam, wo (noch) keine Regeln ihre Entfaltung behindern. Da die Regeln aber eine Einschränkung der natürlichen Prozesse darstellen und immer einen Teil Belastung mit sich bringen, ist das System instabil. Wird eine solche Sprachbelastung von einer neuen Sprechergeneration nicht mehr gemeistert und die Regel nicht mehr erworben, setzen sich die natürlichen Prozesse wieder durch, eine Tendenz, durch die sich auch die Sprache von Aphatikern auszeichnet. Ebenso läßt sich z. B. in englischen Dialekten beobachten, daß die Auslautverhärtung, als relativ starker phonologischer Prozeß, auch da durchgeführt wird, wo durch die Schreibung Stimmhaftigkeit vorgeschrieben ist.
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Nach WURZEL (1984:18) kennzeichnet im Deutschen eine solche Unfähigkeit' des Erwerbs einer phonologischen Regel den Übergang vom Alt- zum Mittelhochdeutschen Im Althochdeutschen galt für Obstruenten, daß Stimmlosigkeit nur in der am stärksten wirksamen Stellung, d. h. vor stimmlosem Segment, hergestellt war (ahd. , ). Im Silben- und Wortauslaut ist der Prozeß unterdrückt, es treten stimmhafte und stimmlose Obstruenten auf (ahd. , , , ). Da aber in dieser Position auch kein Prozeß der Stimmhaftigkeit vorliegt, der der Stimmlosigkeit entgegenwirken würde, kann sich die Stimmlosigkeit auf die nächste Hierarchieebenen, den Wort- und schließlich auch auf den Silbenauslaut ausdehnen. Dies kennzeichnet den Übergang vom Alt- zum Mittelhochdeutschen, so wird ζ. B. ahd. , zu mhd. , . Seither existiert im Deutschen die sogenannte Auslautverhärtung, die Stimmlosigkeit von Obstruenten im Silben- und Wortauslaut. Dies wird allerdings in der heutigen Schreibung aufgrund des paradigmatischen Ausgleichs nicht mehr deutlich, in dieser Hinsicht war die Orthographie des Mittelhochdeutschen stärker phonetisch orientiert. Zusammenfassend kann man also sagen, daß die phonologischen Prozesse auf die Verwendung von die Sprachkapazität weniger belastenden Elementen und damit auf eine ökonomische, 'natürliche' Sprechtätigkeit abzielen. Ist innerhalb der Phonologie vor allem die Artikulation, also die Sprach p r o d u k t i o n , von entscheidender Bedeutung, so ergeben sich für die Morphologie ganz andere Prämissen. Im Mittelpunkt der Morphologie steht die P e r z e p t i o n , die Wahrnehmung und Verarbeitung sowie die Interpretation des Sprachmaterials, nicht die Produktion. Da der prototypische Sprecher auch hier zu möglichst effektiven, leicht zu perzipierenden und interpretierenden Aussagen tendiert, wird er vor allem solche Zeichen zu produzieren streben, die diese Anforderungen erfüllen. Perzeptiv leicht zugänglich sind sogenannte i k o n i s c h e Z e i c h e n , die die Eigenschaft haben, daß Form und Inhalt in einer Ähnlichkeits- oder Analogierelation zueinander stehen. Die beiden Ebenen eines Zeichens weisen parallele Strukturen auf, die Zuordnung ist nicht arbiträr, was die menschliche Speicherkapazität entlastet. Der Diagrammatismus stellt dabei das ausschlaggebende Prinzip innerhalb der Morphologie dar. Hier geht es darum, das asymmetrische Verhältnis unterschiedlicher Bedeutungselemente zueinander ikonisch, also in analoger Form, auf die Formebene zu übertragen. Das Prinzip des Diagrammatismus impliziert damit die Oppositionalität
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von Elementen auf einer Ebene und die Analogie der dargestellten Oppositionen auf zwei Ebenen. Da Morpheme auf zwei Ebenen, Form und Inhalt (Repräsentanten und Objekt/Interprétant) operieren, liegt konstruktioneller Ikonismus (Diagrammatismus) dann vor, wenn a ) auf beiden Ebenen Oppositionsverhältnisse herrschen, und b) die markierte Form einem markierten Inhalt und die unmarkierte Form einem unmarkierten Inhalt entspricht.15 Eine Morphemkonstruktion ist dann am leichtesten perzeptiv zugänglich, unmarkiert und natürlich, wenn sie in bezug auf ihre Einzelelemente a) konstruktioneil ikonisch und außerdem b) uniform und c) transparent ist. Uniformität und Transparenz gewährleisten die maximale Entlastung hinsichtlich der Interpretation und werden auch als Eineindeutigkeit, Biuniqueness oder als Eine-Form-Ein-InhaltPrinzip bezeichnet. Da, wie bereits weiter oben erwähnt, Menschen dazu tendieren, die außersprachliche Wirklichkeit in asymmetrischen Oppositionen zu erfassen, schlägt sich diese Strategie auch in der Sprache, vor allem in der Morphologie, nieder. In der Grammatik tritt dieses Prinzip anhand von polarisierten Kategorienpaaren auf, wie: Singular vs. -Singular für Numerus, Casus rectus vs. -Casus rectus für Kasus, Positiv vs. -Positiv für Graduierung u. ä. Ein Kategorienpaar ist dann maximal ikonisch, natürlich kodiert, wenn das merkmallose Paarelement unmarkiert und das dazugehörige merkmalhafte Paarelement markiert ist. Da dies aber nicht immer der Fall ist, ergibt sich aus diesem Verhältnis der Markiertheitswerte der Paarelemente der Gesamtmarkiertheitswert des Kategorienpaares. Die morphologische Markiertheit einer Kategorie ist ein Kalkül aus der Kombination der Markiertheitswerte der Form (Symbolisierungskodierung) und des Inhalts (semantische Kodierung) der Paarelemente.
Die Kernfrage innerhalb dieses Konzepts ist, ob die Asymmetrie zweier Kategorien hinsichtlich ihrer semantischen Markiertheit auf eine entsprechende Asymmetrie der Symbolisierung abgebildet wird. Morphologische Natürlichkeit liegt immer dann vor, wenn in diesem Sinne einem semantischen 'Mehr' auch ein konstruktionelles Mehr' entspricht (WURZEL 1984: 75 zu MAYERTHALERs Konzept).
Was sind aber die Kriterien für die formale und vor allem für die semantische Kodierung? Was gilt als markiert und was als unmarkiert?
15 Im Deutschen werden die Termini merkmallos/merkmalhaft und markiert/unmarkiert getrennt für die Ebenen Form und Inhalt verwendet.
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Nach MAYERTHALER 1981 ist das markierter, was komplexer ist und das unmarkierter, was weniger komplex ist. Auf formaler Ebene ist unmarkierter, was leichter dekodierbar, also strukturell weniger komplex und damit kürzer ist; markierter, unnatürlicher ist das, was strukturell komplexer, länger ist. Es handelt sich damit um ein quant i t i e s Bewertungskriterium, das leicht anzuwenden ist; beispielsweise ist im Numerusbereich der Singular unmarkiert und der Plural markiert, weil i. a. nur letzterer formal bezeichnet wird, Frau vs. Frauen, Kind vs. Kindçr u. ä. Bezüglich der semantischen Kodierung schlägt MAYERTHALER vor, das jenes als unmarkierter, natürlicher, gelten soll, was semantisch weniger Merkmale aufweist und das perzeptiv und kognitiv leichter zugänglich ist. Dies sind im allgemeinen die dem Sprecher vertrauten, bekannten und deshalb art- und evtl. kulturspezifischen Eigenschaften. Es handelt sich damit um Eigenschaften des prototypischen Menschen, Sprachteilnehmers und jeweiligen Kulturteilnehmers. Dieser ist: a) b) c) d) e) f) g)
Sprecher und nicht Hörer, belebt und nicht unbelebt, menschlich und nicht tierisch, konkret und nicht abstrakt, real und nicht irreal, Agens und nicht Patiens, hier und jetzt existierend.
Außerdem ist er aufgrund biologischer Konstellationen sensorisch überwiegend optisch bestimmt, hat nicht sich selbst, sondern andere im Blickfeld, bewegt sich im allgemeinen vertikal, hat die Augen oben vorne lokalisiert und ist meist Rechtshänder (dies trifft aufgrund der Hemisphärenlateralität auf etwa 90% der Menschheit zu). Dies ist jedoch nur eine Auswahl aus den Präferenzen, die sich aus den prototypischen Sprechereigenschaften ergeben (vgl. dazu MAYERTHALER 1981:14ff., auch weiterführend). Um den Gesamtmarkiertheitswert des Kategorienkomplexes zu erhalten, müssen die Markiertheitswerte für Form und Inhalt jeweils zueinander in Beziehung gesetzt werden. Bei Markiertheitsparallelität ist der Markiertheitswert der Kategorienkodierung unmarkiert, bei Nicht-Parallelität markiert. Im ersten Fall handelt es sich um eine ikonische, morphologisch natürliche, im zweiten Fall um eine nicht-ikonische, morphologisch unnatürliche Kodierung. Eine ikonische Kodierung setzt also immer voraus, daß Markiertes
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merkmalhaft. Unmarkiertes merkmallos ist. Innerhalb der merkmalhaften Form-Kodierung müssen zusätzlich Abstufungen unterschieden werden. Kodierungsarten in Richtung abnehmender Ikonizität sind: a ) segmental-additiv (dt. Kind-Kinder), b) modulatorisch-additiv (lat. casus-casus), c) modulatorisch (dt. Tochter-Töchter), d) modulatorisch-segmental-additiv (dt. Haus-Häuser) und e) subtraktiv-additiv (Tante-Tantchen). Darüberhinaus kann die Asymmetrie der segmentalen Symbolisierung stark oder schwach sein, je nachdem, ob die unmarkierte Kategorie durch 'nichts' und die markierte durch 'etwas' oder die unmarkierte Kategorie durch 'etwas' und die markierte durch 'relativ mehr' kodiert wird, z. B. dt. Kind vs. Kind-er (stark), ahd. nim-u 'ich nehme' vs. nim-is bzw. nim-it 'du nimmst' bzw. 'er/sie/es nimmt' (schwach), ahd. hirt-i (Nom./Akk. Sg.) vs. hirt-es (Gen. Sg.) (schwach). Die starke Ausprägung ist dementsprechend deutlicher asymmetrisch, daher ikonischer. Eine Kodierung ist dagegen nicht-ikonisch, wenn Unmarkiertes und Markiertes merkmallos, oder sogar Markiertes merkmallos und Unmarkiertes merkmalhaft ist. Hier wird noch einmal zwischen 0-Kodierung (engl, sheep Sg. vs. sheep Pl.) und kontra-ikonischer, weil inverser, Kodierung unterschieden. Dazu gehören die subtraktiven Bildungen (Benjamin-Ben, russ. mèsto (Neutr. Nom./Akk. Sg.)mest (Neutr. Gen. PI.) Tlatz') und u. U. die subtraktiv-additiven Bildungen, wenn die resultierende Form kürzer ist als die Basisform (Susanne-Susi) (vgl. dazu MAYERTHALER 1981: HOff., WURZEL 1984: 27ff.). u Kommt es nun zu Verschiebungen innerhalb der Kodierungen, so läßt sich übereinzelsprachlich die Tendenz feststellen, daß der Ausgleichsdruck zum einen zu mehr Ikonizität geht, also zu konstruktionellem Ikonismus. Zum anderen findet zwischen den Kategorien Neutralisation statt, indem unmarkierte Kategorien die Funktion der markierten mit übernehmen. Die unmarkierte Kategorie fungiert als Archikategorem. Die Verschiebungsrichtung sollte auch nur in diese eine Richtung gehen, da lediglich der unmarkierte Term in der Lage ist, beide Funktionen gleichzeitig zu tragen und damit die 'Nicht-Signalisierung von x' zu symbolisieren (s. Kapitel 2.2.1). Basiskategorien bzw. unmarkierte Kategorien oder Kodierungen ha16 Weitere Einzelheiten und auch Probleme dieser Klassifierung können aufgrund der Kürze der Abhandlung an dieser Stelle nicht weiter behandelt werden.
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ben im Gegensatz zu den markierten die Eigenschaften, daß sie häufiger auftreten, früher erworben werden, später verloren gehen, als Folge von Sprachwandel oder Analogieausgleich immer wieder eintreten, eher Differenzierungen aufweisen, weniger Fehler evozieren, weniger früh abgebaut werden u. ä. Nicht alle morphologischen Strukturen sind in natürlichen Sprachen gleichermaßen verbreitet, nicht alle morphologischen Prozesse und Strukturen werden von Kindern zur selben Zeit erworben, nicht alle morphologischen Strukturen werden von Sprachwandel gleichermaßen affiziert, nicht alle morphologischen Prozesse und Strukturen werden von Sprachstörungen gleichermaßen in Mitleidenschaft gezogen, nicht alle morphologischen Strukturen sind gleichermaßen leicht dekodierbar (MAYERTHALER 1981: 2).
Morphologische Prozesse tendieren deshalb, analog zu den phonologischen Prozessen, dahin, immer wieder möglichst natürliche, ikonische Strukturen zu schaffen, sobald eine Einzelsprache die Möglichkeit dazu bietet. 2.2.3 Natürlichkeitskonflikte und einzelsprachliche Normalität Es wurde bereits weiter oben festgestellt, daß die verschiedenen Ebenen der Sprache, vor allem Phonologie und Morphologie, alle zu natürlichen Strukturen tendieren. Das Problem dabei ist, daß, aufgrund der verschiedenen Funktionen der Teilbereiche, Natürlichkeit in ihrer spezifischen Ausprägung für jede Ebene jeweils anders definiert werden muß. Phonologie zielt auf möglichst geringe Belastung bei der Produktion durch Assimilation, Reduktion ab, Morphologie auf leicht zu perzipierende Konstruktionen nach dem Grundsatz von Eindeutigkeit, Transparenz und ikonischer Kodierung, Syntax auf funktionale Serialisierung, Wortbildung auf klare Ableitungsstrukturen, Transparenz und Eindeutigkeit, Lexik auf Wörter mit differenter Form und differentem Inhalt. Da die Ziele divergieren bzw. sogar konträr sind, können nicht alle Tendenzen auf allen Ebenen optimal verwirklicht werden, es müssen Konzessionen gemacht und ein bestimmter Grad an Markiertheit hingenommen werden. Dabei existieren Natürlichkeitskonflikte sowohl zwischen den Ebenen als auch innerhalb der Ebenen selbst. Wie in Kapitel 2.2.2 bereits deutlich wurde, können nicht alle potentiellen phonologischen Prozesse gleichzeitig verwirklicht werden, einige werden z. B. kontextabhängig unterdrückt. Mehr Natürlichkeit in einem Bereich kann immer nur auf Kosten von mehr Unnatürlichkeit in einem anderen erzielt werden. Wie diese Konflikte letztendlich gelöst werden, bleibt jeder Einzelsprache selbst überlassen. Aber: Jede Entscheidung für oder gegen ein
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bestimmtes Vorgehen hat Konsequenzen hinsichtlich aller weiteren Festlegungen und jeder Prozeß kann nur im Rahmen des bereits bestehenden Sprachzustandes operieren. Fazit: der Gesamtmarkiertheitswert einer Sprache ist letztendlich gleich, differierend sind nur die einzelnen Werte in verschiedenen Bereichen. Offensichtlich gibt es zur Verwirklichung der Natürlichkeit von Sprache nicht eine unendlich große Anzahl von unabhängigen Strategien, sondern Cluster interdependenter Regeln. Einige wenige Basisentscheidungen bedingen implizit andere und führen so zu Grundsprachtypen: "Principles of typology elaborate on universal principles, and language-specific principles elaborate on typological ones" (DRESSLER 1985: 6). Für die bekannten Typen der agglutinierenden, flektierenden, isolierenden, introflektierenden und polysynthetischen Sprachen kann man folgendes feststellen: Da transparente und eindeutige Kodierungen innerhalb der Morphologie am leichtesten zu perzipieren sind, sollte eigentlich der agglutinierende (und der polysynthetische) Sprachtyp die optimale Verwirklichung des Natürlichkeitsprinzips repräsentieren. türk. B«? bäyük Türk
kaytk -lar -ima
-da
5
boat
-LOC -situated -PL -ACC save
big
Turk
-PI
-our
-ki
-1er -i
'5 big Turks saved the people who were in our boats' (Beispiel DRESSLER 1985: 7)
kurtar -dt -PRET
Das Problem dabei ist, daß solche Konstruktionen zwar transparent und eindeutig sind, jedoch unökonomisch in Hinblick auf die Merkfähigkeit des Sprechers, der gewisse Grenzen gesetzt sind. Empirische Untersuchungen deuten darauf hin, daß ein 'ideales' Wort aus maximal drei Silben, d. h. einem Fuß oder Sprechtakt, besteht ( D R E S S L E R 1985:5). Da mit zunehmendem Abstand vom Stamm der Grad der Indexikalität immer mehr schwindet und außer der Vokalharmonie keine weiteren Kongruenzerscheinungen vorliegen, die den Bezug auf sekundärer Ebene wieder herstellen, kann es zu extremen Belastungen der Sprachkapazität auf der Ebene der Speicherung kommen. Insgesamt gesehen, ist der Grad der Natürlichkeit nicht höher als beim flektierenden Sprachbau, wo die Belastung lediglich in anderen Bereichen liegt. Typische Erscheinungen in flektierenden Sprachen sind Alternationen innerhalb des Stammes, evtl. mit zusätzlicher Affigierung, z. B. liegeti-lag, Haus-Häuser. Trotz der Störungen der Prinzipien Eindeutigkeit und Transparenz sind solche Formen aufgrund der Kumulation kürzer und deshalb in Hinblick auf die Speicherfähig-
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keit ökonomischer. Da die Kriterien der Transparenz und der Eindeutigkeit aber einen hohen Stellenwert haben und auch Kumulation unökonomisch wird, wenn zuviele Elemente davon betroffen sind, sollen Sprachen daneben auch additive Bildungen aufweisen. Wo dies nicht der Fall ist, wie beim introflektierenden Sprachtyp, der Stammflexion überfavorisiert17, sind dagegen Wortstruktur und Form-Inhalt-Zuordnungen überregulär. Isolierende (ζ. B. Vietnamesisch) und schwach flektierende (ζ. B. Englisch) Sprachen nutzen dagegen kaum derartige morphosemantische Mittel, weder innerhalb noch außerhalb des Stammes. Sie entbehren deshalb aber nicht der grammatischen Variationsbreite der anderen Sprachen, die sie mit einer, oft allerdings überdifferenzierten, Lexik wieder auffangen. Dagegen besitzen sie einen hohen Anteil an syntaktischem Ikonismus, weil von der Norm abweichende Funktionswechsel innerhalb der Syntax nicht durch die Flexionsmorphologie kompensiert werden können. So unterliegt ζ. B. engl. John likes Mary immer nur eine S-O- und keine O-S-Serialisierung.18 Im Gegensatz zur übereinzelsprachlichen Natürlichkeit könnte man hier von typologischer Normalität sprechen. Der Terminus der Normalität geht auf WURZEL zurück, der die Verteilung der jeweiligen Natürlichkeitsparameter innerhalb der Einzelsprachen im Gegensatz zur systemunabhängigen Natürlichkeit 'morphologische Normalität' (systemabhängige Natürlichkeit) nennt.19 Jede Sprache besitzt damit sogenannte systemdefinierende Struktureigenschaften (WURZEL 1984: 81-89), die typologisch und einzelsprachlich charakteristisch sind und durch spezifische Lösungen der Konflikte entstehen. Diese Struktureigenschaften sind nicht unwandelbar, auch sie tendieren zu Veränderungen. Systemdefinierend ist immer das, was vorherrscht, was sich durchgesetzt hat. Normal, systemabhängig natürlich ist, was systemangemessen ist. Der Grad der Systemangemessenheit einer Form wird in Relation zu den jeweiligen systemdefinierenden Struktureigenschaften festgelegt. Bei miteinander konkurrierenden Flexionssystemen sind diejenigen systemdefinierend, die sich zahlenmäßig durchgesetzt haben und Analogiebildun-
17 Im Arabischen existieren daneben aber auch additive Bildungen, ζ. Β der sogenannte 'gesunde' Plural im Gegensatz zum 'gebrochenen' Plural: Sg. säriqun Dieb', gesunder PL säriqüna vs. gebrochener PI. surriqun 'Diebe' (FISCHER 21987: 59). 18 S = Subjekt/0 = Objekt 19 Da es auch im typologischen Bereich um eine Einschränkung der systemunabhängigen Natürlichkeit geht, ziehe ich den Terminus 'typologische Normalität' der Alternative 'typologische Natürlichkeit' vor.
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gen bewirken. Die systemdefinierenden Paradigmen sind normal bzw. systemabhängig unmarkiert, die anderen systemabhängig markiert. So ist Stammflexion (Flexion durch Veränderung des Stammes) im Neuhochdeutschen normal markiert, Grundflexion normal unmarkiert. Im Althochdeutschen war es genau umgekehrt, Stammflexion war normal unmarkiert, Grundflexion normal markiert. Normalität ist Beurteilung nach der Systemangemessenheit, und Systemangemessenheit zielt auf Erhaltung und Herausbildung der Flexionssysteme, die einheitlich und systematisch aufgebaut sind. Die Normalität favorisiert die Herausbildung und Erhaltung von Flexonssystemen, die einheitlich und systematisch aufgebaut sind. Unter bestimmten, noch näher zu explizierenden Bedingungen tendiert ein Flexionssystem zum Abbau nichtfunktionaler formaler Distinktionen, zu Vereinheitlichimg und Systematisierung, ähnlich wie es zu ikonisch aufgebauten Paradigmen tendiert (WURZEL 1984:78).
Wie kann es aber zu Veränderungen der Struktureigenschaften kommen? Dazu bedarf es einer näheren Untersuchung der Konflikte zwischen den Ebenen Phonologie und Morphologie. Eine Zunahme an Natürlichkeit auf einer Ebene bedingt eine Zunahme an Markiertheit auf der anderen Ebene und umgekehrt. Durch den Versuch der Verwirklichung maximaler Natürlichkeit auf allen Ebenen ist der ständige Wandel von Sprache bedingt. Dieses Prinzip führt auch zu Veränderungen innerhalb der morphologischen Struktureigenschaften, die vor allem auf die Phonologie zurückgehen (nachfolgende Erläuterungen und Beispiele WURZEL 1984: 105). So war im Althochdeutschen bei den Substantiven die Stammflexion vorherrschend: Sg.
N. G. D. A.
bot-o bot-en bot-en bot-on
PI.
bot-on bot-öno bot-öm bot-on
Der Übergang vom Alt- zum Mittelhochdeutschen ist durch die qualitative Reduktion der in unbetonter Stellung befindlichen Vokale zu / e/ gekennzeichnet. Dadurch wandelt sich das Paradigma von oben im Mittelhochdeutschen folgendermaßen: N. bote Pl. bote-η bote-η G. bote-η bote-η D. bote-η bote-η Α. bote-η Auf diese Weise hat sich durch Einwirkung der phonologischen Komponente die nominale Stammflexion zur Grundflexion gewandelt. Die-
Sg-
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ses Prinzip, das sich auch bei anderen Flexionsklassen durchsetzt, führt dazu, daß nicht mehr die Stammflexion, sondern die Grundflexion systemdefinierende Struktureigenschaft wird. Die Flexionsklassen, die vorher als normal und unmarkiert galten, werden durch die veränderte Struktureigenschaft und die veränderte Maßstabsrichtung, nach der Systemangemessenheit bewertet wird, zu markierten. Hier stimmen also die Richtung der Entwicklung von systemabhängiger und systemunabhängiger Natürlichkeit überein, da letztere ebenfalls die Grundflexion favorisiert. Ähnliches trifft auch auf den Fall der starken und schwachen Verben im Neuhochdeutschen zu. Starke, stammflektierende Verben (liegenlag, singen-sang etc.), die aufgrund des Ablauts weniger stark ikonisch organisiert sind als schwache Verben mit additionellen Markern (legen-legte, reden-redete), erfüllen eindeutig die Voraussagen, die für den Abbau markierter Elemente gelten. Sie sind im Schwinden begriffen, es treten ausschließlich starke Verben in die Klasse der schwachen über, Kinder erwerben früher die additive Markierung, übergeneralisieren diese u. ä. (ausführlicher vgl. WURZEL 1984: 72t). Auch hier ist die nach universellen Prinzipien markierte Klasse einzelsprachlich die markiertere und ihre Elemente sind deshalb seltener bzw. werden abgebaut. Vieles deutet darauf hin, daß Normalität und universelle Natürlichkeit oft übereinstimmen, doch ist dies nicht Bedingung. Die Einwirkung der phonologischen Komponente kann auch dazu führen, daß die Normalität der systemunabhängigen Natürlichkeit entgegenwirkt (nachfolgende Erläuterungen und Beispiele WURZEL 1984: llOf.). So verloren im Vorahd. die langsilbigen starken neutralen a-Stämme im Nom. und Akk. PI. durch Reduktion die Markierung -u, womit die Formen endungslos und identisch mit dem Nom. und Akk. Sg. waren, vorahd. Nom. Sg. wort Nom./Akk. PI.
wortu
> wort
Die kurzsilbigen Stämme sind davon nicht betroffen. vorahd.
Nom. Sg. Nom./Akk. Pl.
faz fazu
Trotzdem die Pluralmarkierung bei den kurzsilbigen Stämmen ikonischer (da merkmalhaft) konstruiert war als bei den langsilbigen, wurde die Endung -u durch Analogiebildung nicht wieder eingeführt. Ganz entgegengesetzt verlief die Analogiebildung in Richtung der Struktur des Paradigmas von 'wort', das sich durch 'Singularform = Pluralform' auszeichnete, wodurch fazu im Plural ebenfalls zu faz reduziert wurde. Diese Struktur griff sogar auf manche Neutra der n-Deklination
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über, die dann im Nom./Akk. PI. Doppelformen aufwiesen: ahd.
N o m . Sg.
hërza
Nom./Akk. Pl.
hërzun/hërza
In diesem Fall setzte sich die durch häufige phonologische Reduktion entstandene, eigentlich unnatürliche Struktureigenschaft 'Singularform = Pluralform' durch, sie wurde aufgrund weitverbreiteter Tendenzen zur systemdefinierenden Struktureigenschaft. Da eine solche Konstellation zwar normal unmarkiert sein kann, aber systemunabhängig unnatürlich, nicht-ikonisch ist, besteht Instabilität des Systems und es setzt sich u. U. wieder die Tendenz durch, die mit der übereinzelsprachlichen Natürlichkeit in Einklang steht, d. h. die ikonische Numerusmarkierung. Mit dem weiteren Zusammenfall der Deklinationsklassen im Mhd. fand bei den starken neutralen a-Stämmen ein Analogieausgleich zu den ursprünglichen -es/-os-Stämmen statt, die sich der a-Deklination angeschlossen hatten. Diese bildeten den Nom./Akk. PI. im Ahd. mit Umlaut und dem Element -ir. Innerhalb des Paradigmas von 'wort' entstand analog zu den ursprünglichen -es/-os-Stämmen eine weitere Pluralform, die ikonischer als die ursprüngliche konstruiert war. mhd.
N o m . Sg.
Nom./Akk. PI.
wort
Wörter
(Beispiel METTKE 71993: 140f.) Im 12. Jahrhundert trat dann sogar eine weitere Form auf, die den maskulinen a-Stämmen im Nom./Akk./Gen. PI. entlehnt war und auch für Neutra zur Verfügung stand. mhd.
N o m . Sg.
wort
Nom./Akk. PI. worte METTKE (71993: 141) liefert auch gleich eine Erklärung, die mit den angestellten Überlegungen übereinstimmt. Eine Kodierung, die Singular und Plural formal nicht differenziert, ist markiert, daher instabil, und tendiert zur Auflösung und Ersetzung durch eine ikonische Kodierung. „Wegen der Übereinstimmung des endungslosen Plurals [...] mit dem Singular verschwindet er [der Plural] allmählich, und die beiden anderen Bildungsweisen dehnen sich aus". Eine ähnliche Tendenz zeigt sich im Neuhochdeutschen. Hier ist in letzter Zeit mit auffallender Häufigkeit zu beobachten, daß die beiden Pluralalternativen Worte und Wörter, die normalerweise einen Bedeutungsunterschied zwischen Kollektivum und Distributivum signalisieren, zugunsten von Worte neutralisiert werden. Auch hier setzt sich also die natürliche Tendenz zu reiner Grundflexion und seg-
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Spurensuche
mental-additiver Kodierung durch und das sogar auf Kosten der Bedeutungsdifferenzierung. Um eine ganz andere Art von 'Störung' handelt es sich bei der sogenannten 'Markiertheitsumkehrung', die man im weitesten Sinne als Folge von kontextabhängigen vs. kontextunabhängigen Konflikten bezeichnen könnte. Ausgehend von den grundlegenden, kontextunabhängigen Bewertungskriterien, sollte eine unmarkierte Kategorie merkmallos, eine markierte dagegen merkmalhaft kodiert sein. Wie bereits ansatzweise beschrieben, können in markierten Kontexten markierte Werte unmarkiert und damit unmarkierte Werte markiert werden. Dies war der Fall beim Prozeß der Stimmlosigkeit zwischen Vokalen gewesen. Weil in diesem markierten Kontext die kurzfristige Unterbrechung der Schwingung der Stimmbänder die Artikulation stärker belasten würde als die Stimmhaftigkeit der gesamten Lautfolge, gibt es hier einen Prozeß der Stimmhaftigkeit. Das heißt, die Stimmhaftigkeit wird hier zur Norm und damit unmarkiert, Stimmlosigkeit markiert (s. Kapitel 2.2.2). Im morphologischen Bereich sind es vor allem die nicht- oder kontra-ikonischen Kodierungen, die einen markierten Kontext darstellen (s. Kapitel 2.2.2), auch hier kann Markiertheitsumkehrung eintreten. MAYERTHALER (1981: 49f.) nennt hierfür das Beispiel lat. las 'Hausgott', Pl. larës, dessen Stamm paradigmatisch an den Plural angeglichen wird, so daß der Sg. lär und der PI. lares lautet. Dies ist eine nicht zu erwartende Neutralisation, da aufgrund der Unmarkiertheit des Singulars dieser das 'Archikategorem' darstellt und deshalb der Ausgleich zu Sg. lös und PI. lases erfolgen sollte. Warum ist das nicht geschehen? Offenbar liegt hier in bezug auf die Kategorie Numerus ein pragmatisch markierter Kontext vor. Da in der römischen Mythologie die Hausgötter fast nur pluralisch auftraten, handelt es sich um ein pragmatisch bedingtes 'Beinahe-Plurale-tantum'. Die Kategorie 'Beinahe-Plurale-tantum' ist aber markiert, da von typischen Substantiven erwartet wird, daß sie sowohl Singular- als auch Pluralformen zur Verfügung stellen. In diesem markierten Kontext kehren sich die Markiertheitswerte um, der Singular wird zur markierten und der Plural zur unmarkierten Form. Unter diesen Voraussetzungen findet der Ausgleich bzw. die Neutralisierung nach dem Muster des Plurals statt, also Sg. las, PI. lares > Sg. lär, PI. lares. Dies ist genau die Form, die vorliegt. Mit dem Konzept der Markiertheitsumkehrung läßt sich auch die oben beschriebene Analogiebildung von Sg. faz, Pl. fazu zu Sg. wort, Pl. wort im Voralthochdeutschen erklären. Im Falle von Sg. wort, PI. wort liegt mit Sg.=Pl. eine nicht-ikonische Kodierung, also ein mar-
Form und Inhalt
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kierter grammatischer Kontext vor. In diesem Fall erhält der Singular wieder die Zuweisung 'markiert' und der Plural die Zuweisung 'unmarkiert'. Der Ausgleich findet so nach dem merkmallosen Plural statt, der unmarkiert ist, und man erhält Sg. faz, Pl. faz. Noch deutlicher wird dies bei WURZELs (1984: 103f.) Beispielen aus dem Altschwedischen, wo durch phonologische Veränderungen sogar kontra-ikonische Konstruktionen entstanden. Es geht dabei um die Reduktion des Kasussystems durch Neutralisierung von Nominativ und Akkusativ. Durch phonologische Veränderungen waren formale Gleichheit bei einigen Substantiven im Akkusativ und Nominativ entstanden. Damit war der Ausgleichsdruck für andere Paradigmen gegeben. Aber in welche Richtung sollte neutralisiert werden? Da in den Fällen Nom. Sg. fisker und Akk. Sg. fisk mit der Merkmallosigkeit des Akkusativs eine kontraikonische Kodierung vorliegt, erhält der Nominativ durch Markiertheitsumkehrung die Notierung 'markiert' und der Akkusativ die Notierung 'unmarkiert'. Ausgeglichen werden sollte also nach dem merkmallosen Akkusativ fisk und seit dem 14. Jahrhundert ist dies auch tatsächlich der Fall. Grundsätzlich sind sowohl das Konzept der Markiertheitsumkehrung als auch die durch Prämissenkonflikte entstehenden Störungen noch zu wenig untersucht, um allgemeingültige Aussagen treffen zu können. Auch sollte gerade das Prinzip der Markiertheitsumkehrung mit Vorsicht angewandt werden, um nicht als 'deus ex machina' zu erscheinen, wodurch alle unnatürlichen Erscheinungen plötzlich zu natürlichen werden. Trotzdem wird im Laufe der Arbeit deutlich werden, daß gerade durch das Konzept der Markiertheitsumkehrung die funktionale Ordnung erhalten bzw. wiederhergestellt wird. Dies zeigt sich v. a. innerhalb des Sprachwandels. Bisher konnten die 'Natürlichen Morphologen' keine Antwort darauf finden, warum Sprachen trotz des immer wieder beobachtbaren Markiertheitsabbaus im formalen Bereich (Neutralisation; s. a. o. Zitat WURZEL) nicht auch kategorialsemantisch 'einfacher' werden. LEISS 1992 hat nun anhand ihrer Untersuchungen zu den Verbalkategorien des Deutschen überzeugend gezeigt, daß dieser historische Markiertheitsabbau tatsächlich v. a. im formalen Bereich stattfindet. Möglich ist dies allerdings nur bei funktionslos gewordenen Formen, wo der Markiertheitsabbau innerhalb des Systems eine 'Ordnungsfunktion' erfüllt. Inhaltsmäßig herrscht jedoch der Grundsatz des Markiertheitsaufbaus, der immer stärkeren Differenzierung bzw. Bereitstellung neuer grammatischer Inhalte. Durch Prozesse der Übergeneralisierung kommt es zu Merkmalskollisionen, wobei gegensätzliche Merkmale durch Reinterpretationsprozesse integriert werden. Auf diese
72
Spurensuche Weise wird eine Zunahme an grammatischen Merkmalen und eine Steigerung der grammatischen Komplexität bewirkt (LEISS1992:290).
Der Begriff der Markiertheitsumkehrung ist damit unter bestimmten Umständen v. a. dort am richtigen Platz, wo durch die Kollision präsuppositioneller Merkmale neue Inhalte entstehen und die zugrundeliegenden Formen ebenfalls einer Reinterpretation bedürfen. Insgesamt gilt, daß Basis- oder unmarkierte Kategorien bzw. Kodierungen die Eigenschaften haben, daß sie häufiger auftreten, früher erworben werden, später verloren gehen, als Folge von Sprachwandel oder Analogieausgleich immer wieder eintreten, eher Differenzierungen aufweisen, weniger Fehler evozieren, weniger früh abgebaut werden u. ä. (s. Kapitel 2.2.2). Aus diesem Grunde können bestimmte inner- und außersprachliche Quellen als Materialbasis dienen, um die hierarchische Position von Kategorien zu ermitteln und evtl. eine Aussage über deren Verschiebungsrichtung zu treffen. Dazu gehören (ausführlicher MAYERTHALER 1981: 4f., DRESSLER et al. 1987: 14): 1. Spracherwerb (onto- und phylogenetisch): Unmarkiertes, Einfacheres wird vor Markiertem, Komplexerem erworben. 2. Ammensprache: Hier gilt das gleiche wie für 1., da es sich um die Nachahmung von Kindersprache, also ontogenetischem Spracherwerb, handelt. 3. Sprachstörungen (Sprachabbau und Sprachstörungen): Sie verlaufen invers zu 1. und 2., Markiertes geht vor Unmarkiertem verloren. 4. Fehlerlinguistik: Hier gilt das gleiche wie für 3., Markiertes ist stärker affiziert als Unmarkiertes. 5. Frequenz (universal, typologisch und einzelsprachlich): Unmarkiertes ist häufiger als Markiertes. 6. Neutralisation: Bei einer Kollision von Markiertem und Unmarkiertem 'überlebt' das Unmarkierte. 7. Sprachwandel (historisch und bei der Herausbildung von Pidginund Kreolsprachen): Markiertes verschwindet eher als Unmarkiertes und Unmarkiertes bildet sich eher heraus als Markiertes. 2.2.4
Zusammenfassung
Schon seit antiker Zeit existieren Bestrebungen, regelhafte Beziehungen zwischen den Bedeutungen ähnlicher bzw. gleicher Wörter oder
Form und Inhalt
73
Wortteile herzustellen. Das älteste und bekannteste, aus heutiger Sicht aber auch sehr abstruse, Beispiel liefert dafür PLATONs Dialog 'Kratylos'. Moderne sprachwissenschaftliche Theorien scheinen dagegen geradezu in die entgegengesetzte Richtung zu streben und regelhafte Form-Inhalts-Beziehungen, abgesehen von Randerscheinungen wie Onomatopoetika, für ausgeschlossen zu halten. Gerade diese Arbitrarität der Zuordnung von Form und Inhalt ist ζ. B. einer der Grundpfeiler der Zeichentheorie von DE SAUSSURE. In neueren linguistischen Strömungen wie dem Prager Strukturalismus werden dagegen solche Betrachtungsweisen negiert und eine funktionale Sprachbetrachtung angestrebt, die die Motiviertheit der Beziehung von Form und Inhalt postuliert. Das ist Bestandteil der von TRUBETZKOY und JAKOBSON entwickelten markiertheitstheoretischen Ansätze. Unmarkierte Elemente zeichnen sich durch geringere strukturelle Komplexität, größere Varianzbreite und höhere Frequenz aus, für markierte Elemente gilt das umgekehrte Prinzip. Varianzbreite und Frequenz sind dabei keine inhärenten, sondern durch die Strukturkomplexität bedingte Folgefaktoren. Höhere Frequenz der unmarkierten Elemente wird noch dadurch gestützt, daß diese zuätzlich auch neutralisierte markierte Elemente sein können. Da der markierte den unmarkierten Partner impliziert, kann letzterer beide Elemente vertreten. Außerdem können hochfrequente Erscheinungen aufgrund des Zusammenhangs von Unmarkiertheit und Frequenz umgekehrt wieder als prototypisch, systemkonstituierend verstanden werden und tragen somit das Merkmal 'zu etablieren'.20 Markiertheitstheoretische Ansätze sind auch Bestandteil der von STAMPE Ende der 60er Jahre innerhalb der Phonologie entwickelten Natürlichkeitstheorie. Daneben spielen eine große Rolle aber auch außersprachliche, v. a. psychologische, Faktoren, die vor allem auf das menschliche Ökonomieverhalten und das in der menschlichen Kognition begründete Denken in asymmetrischen Oppositionen abzielen. Solche Oppositionen zeigen sich gerade auch in der Sprache, da Sprache und Denken unmittelbar zusammenhängen. Kern der STAMPEschen Theorie ist der phonologische Prozeß, der eine Klasse von Lauten in eine andere überführt. Die Funktion dieser Überführung ist es, die Belastung für die Artikulationsorgane mög-
20 Zu einer Kritik an dieser Auffassung von Frequenz s. aber MAYERTHALER (1981:136140).
74
Spurensuche
liehst gering zu halten bzw. die Perception durch den Hörer möglichst wenig aufwendig zu gestalten. Die Grundlagen einer morphologischen Natürlichkeitstheorie legte MAYERTHALER Anfang der 80er Jahre durch die Verschmelzung der Theorie STAMPEs mit der Markiertheitstheorie JAKOBSONS, der sich wiederum auf die Zeichentheorie von PEIRCE bezieht. Kern der Theorie ist auch hier der morphologische Prozeß, der zu konstruktionellem Ikonismus bzw. Diagrammatismus führt. Dabei geht es darum, das asymmetrische Verhältnis unterschiedlicher, in Opposition zueinander stehender, Bedeutungselemente ikonisch, also in analoger Form, auf die Formebene zu übertragen. Das Prinzip des Diagrammatismus impliziert damit die Oppositionalität von Elementen auf einer Ebene und die Analogie der dargestellten Oppositionen auf zwei Ebenen. Dadurch ist eine möglichst ökonomische Perzeption und Interpretation durch den potentiellen Hörer gewährleistet, d. h. möglichst geringer Aufwand bei der Dekodierung der übermittelten Information. Da es jedoch unterschiedliche Natürlichkeitsprämissen auf den verschiedenen Ebenen, vor allem Phonologie und Morphologie, und oft auch innerhalb der Ebenen selbst gibt, kommt es im Regelfall zu Konfliktsituationen. Deren spezifische Lösung und der durch solche Kollisionen bedingte stetige Markiertheitsaufbau der Inhaltskategorien in den Sprachen, führt zu unterschiedlichen Ausprägungen innerhalb der einzelnen Sprachen. Diese einzelsprachlichen Ausprägungen nennt WURZEL nicht mehr Natürlichkeit, er prägt dafür den Terminus Normalität. Grundsätzlich bleiben die natürlichen Präferenzen bestehen, doch können sie, aus Gründen ökonomischer Ordnungstendenzen, im Bedarfsfall aufgehoben bzw. innerhalb des gesteckten Rahmens reinterpretiert werden. In ihrem Kern ist die Natürlichkeitstheorie ein Ansatz, der auf den Sprachwandel abzielt. Sie versucht auf funktionaler Ebene Erklärungen dafür zu finden, warum in einer Sprache bestimmte Veränderungen eingetreten sind und welche eintreten werden und damit auch, warum eine Sprache zu einem Zeitpunkt eine bestimmte Struktur aufweist.
2.3
Dieses versus Solches
2.3.1 Oppositionalität und Komplementarität: Das UNITYP-Modell Ein anderer funktionaler Ansatz, der schwerpunktmäßig auf den Prämissen von Oppositionalität und Komplementarität aufbaut, prägt das von 1973 bis 1992 existierende Kölner Projekt UNITYP (Sprachliche UNIversalienforschung und TYPologie), das von einer Forscher-
Dieses versus Solches
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grappe um HANSJAKOB SEILER getragen wurde.21 Es wurde bereits in Kapitel 2.2.1 gesagt, daß es eine Opposition zweier grundlegend verschiedener Arten sprachlicher Zeichen gibt, Zeigwörter und Nennwörter. Diese zwei semiotischen Prozesse 'Zeigen' und Trennen' referieren auf zwei verschiedene, aber gleichberechtigte Prinzipien der Wahrnehmung, nämlich das zeitlich-räumliche Wo und das charakterisierende Was. ARISTOTELES sprach dabei von einem Diesen (tóde) und einem Solchen (toiónde) (ζ. Β. Analytica posterior A31 87b 28). Beide Prinzipien spiegeln sich auch in den semantischen Begriffen Extension und Intension wider. Hier wird eine Menge von Elementen über deren charakterisierende Eigenschaften erfaßt, dort über deren hinweisende Aufzählung ohne explizite Nennung ihrer Charakteristika. Innerhalb der Intension liegt der Schwerpunkt eher auf dem klassenbildenden, überindividuellen Aspekt, innerhalb der Extension auf der Referenz, die Individualisierung impliziert.22 Dabei handelt es sich um zwei oppositionelle, nichtsdestotrotz komplementäre Prinzipien, denn eine Klasse konstituiert sich aus ihren Einzelteilen und das Einzelteil kann auch mit Hilfe der klassenbildenden Eigenschaften erfaßt werden. Grundsätzlich sind also Oppositionalität und Komplementarität untrennbar miteinander verbunden.23 Es ist der große Verdienst von UNITYP, diesen Ansatz von Oppositionalität und Komplementarität als basalen Grundsatz sprachlichen Handelns erkannt und auf einer breiten Basis intensiv untersucht zu haben. UNITYP konnte zeigen, daß es sich hierbei um ein universales Prinzip handelt, das sich auf allen sprachlichen Ebenen in allen Sprachen nach bestimmten Grundregeln manifestiert. Ich möchte an
21 UNITYP soll fortan sowohl für das Projekt als auch für die dazugehörige Forschergruppe stehen. Daraus hervorgegangene Veröffentlichungen sind vor allem die Reihe akup (= Arbeiten des Kölner Universalien-Projekts; Köln 1973 bis 1992) sowie die unter dem Titel 'Linguistic Workshop' (Teil 1 bis 3, München 1973 bis 1975) und die in der Reihe 'Language Universal Series' unter dem Titel 'Apprehension' (Teil 1 bis 3, Tübingen 1982 und 1986) und 'Partizipation' (Tübingen 1991) erschienenen Bände. Zu einer Zusammenfassung s. SEILER 1993. 22 An einer Stelle weist SEILER aus mir unverständlichen Gründen allerdings beide Begriffe, Klasse und Individuum, dem Bereich der Extension bzw. Referenz zu (SEILER 1988b: 12, im Gegensatz zu 1988b: 29). 23 Sehr interessant finde ich in diesem Zusammenhang auch SEILERs Hinweis auf die unterschiedliche Funktion der beiden Gehirnhälften hinsichtlich Sprachverarbeitung (SEILER 1985:27). Dabei dominiert die linke Hälfte zwar, doch kann auch rechts sprachliche Information verarbeitet werden. Wegen der Rechts-Lateralisierung für visuell-räumliches und ganzheitliches Wahrnehmen muß sie sich in diesem Fall allerdings durch hohe Bildhaftigkeit auszeichnen (FRIEDERICI 1984: 26f.). Die doppelte Wahrnehmung als ein Dieses und ein Solches kann also schon biologisch bedingt sein.
76
Spurensuche
dieser Stelle das UNITYP-Modell mit seinen Ergebnissen skizzieren, da sich daraus nicht zuletzt auch wichtige Anhaltspunkte für die Nomen-Verb-Unterscheidung ergeben. Für die beiden Prinzipien können als übergreifende Termini die Begriffe Indikativität und Prädikativität gelten, die mit einem Dieses, einer hinweisenden Funktion, und einem Solches, einer beschreibenden Funktion, gleichzusetzen sind. Beide Prinzipien sind immer gleichzeitig vorhanden, wenn auch in einem unterschiedlichen 'Mischungsverhältnis'. Dieses Verhältnis ändert sich kontinuierlich, so daß die Abnahme der einen Seite mit der Zunahme der anderen korreliert und sich beide Seiten ergänzen (korrelativ-komplementäres Prinzip). Nie jedoch kommt es zur Tilgung einer Seite, wenn ihre Beteiligung auch auf ein Minimum absinkt. An einer bestimmten Stelle des Kontinuums ist aber ein 'Wendepunkt' erreicht. Wo steigende (bzw. sinkende) Prädikativität und gleichzeitig sinkende (bzw. steigende) Indikativität aufeinander treffen, heben sie sich gegenseitig auf bzw. es kommt über eine Mischphase zum Umkippen der Verhältnisse. Man kann sich ein loses Band vorstellen, das an einer Seite fix, an der anderen um 180° gedreht ist. Der Knick markiert den Wendepunkt. INDIKATIVITÄT
WENDEPUNKT
PRÄDIKATIVITÄT
PRÄDIKATIVITÄT (SEILER 1988b: 15)
WENDEPUNKT
INDIKATIVITÄT
Das dargestellte Grundprinzip in Form eines Kontinuums repräsentiert eine Dimension (SEILER 1988b: 15). In jeder Sprache gibt es mehrere Grunddimensionen, ζ. B. Possession, Apprehension, Partizipation, d. h. die Erfassung von Besitzverhältnissen, Gegenständen oder Sachverhalten. RAIBLE 1992 stellt außerdem noch eine Dimension 'Jiinktion' dazu, die sich separat auf die Verbindung von satzwertigen Einheiten bezieht. Bis jetzt ist nicht geklärt, ob und wie die verschiedenen Dimensionen zusammenhängen und ob sie auf höherer Ebene wiederum integriert werden können. Jede dieser Dimensionen konstituiert sich entlang des Kontinuums aus verschiedenen Techniken, die je nach
Dieses versus Solches
77
ihrer Position auf dem Kontinuum das jeweilige spezifische Mischungsverhältnis der zwei Grundprinzipien darstellen. Techniken werden repräsentiert von Funktionen und den ihnen zugrundeliegenden Programmen, deren Operationsschritte angeben, wie man den Output der morpho-syntaktischen Kategorien innerhalb der Technik zu durchlaufen hat. Jede Technik selbst spannt nochmals eine Subdimension oder ein Subkontinuum auf, in dem jede Position innerhalb der Technik auf zweiter Ebene nach dem Kontinuumprinzip gereiht wird. Alle Techniken (Subdimensionen) sind über das Kontinuum miteinander verbunden und können anhand der vorgeschriebenen Operationsschritte durchlaufen werden, können aber auch durch Sprachwandel, Sprachaufbau, Sprachabbau u. ä. in einer kontinuierlichen Abfolge dauerhafter ineinander übergehen. Dabei ist die Richtung nach rechts, zum indikativen Pol, über Grammatikalisierungstendenzen wohl stärker vertreten. Aber auch der umgekehrte Weg ist möglich, wie z. B. KÖLVER 1982a anhand des Bengali gezeigt hat, das sein Genus/Numerus-System umgebaut und die Technik der Numeralklassifikation erworben hat (zu den Techniken s. u.). Der Wendepunkt stellt eine Konstellation besonderer Instabilität und Ungerichtetheit dar, von hier aus erfolgen Veränderungen in beide Richtungen und mit hoher Fluktuation. Der Output' der jeweiligen Technik sind morpho-syntaktische Kategorien, die nach demselben Kontinuum-Prinzip gereiht sind (Subtechnik) und so die gesamte Dimension kontinuierlich unterlegen. Dabei sind jeweils ähnliche Kategorien benachbart. Vom indikativischen zum prädikativischen Pol nimmt Referenz, Verweisung ab, Charakterisierung, Aussage zu. Man kann dies mit den Begriffen Inhärenz und Etablierung umschreiben.24 Durch Verweisen rückt das Charakterisierende in den Hintergrund, wird nicht expliziert, ist aber inhärent existent. Durch Aussagen rückt das Charakterisierende in den Vordergrund, das Wahrgenommene wird explizit gemacht, etabliert. Hinsichtlich der sprachlichen Mittel heißt das, daß zum prädikativen Pol hin immer mehr bezüglich anderer Zeichen selbständige Merkmale mit immer mehr Semantik eingeführt werden, Abhängigkeiten, Obligatorizitäten schwinden, die Kombinationsfreiheit steigt. Der Grad der Grammatikalisierung reduziert sich.25
24 Zu Inhärenz und Etablierung ausführlich CLASEN 1981. 25 Zu Grammatikalisierung s. ζ. B. LEHMANN 1982b, HEINE/REH 1984, HEINE/CLAUDI/ HÜNNEMEYER 1991, TRAUGOTT/HEINE (eds.) 1991, HOPPER/TRAUGOTT 1993, PACLIUCA (ed.) 1994.
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Spurensuche
Dies findet eine Analogie im morpho-syntaktischen Bereich. Zum prädikativen Pol finden sich immer mehr charakterisierende, höhersemantisehe, unabhängige Mittel, d. h. Derivationen, Klitisierungen und schließlich syntaktische Verfahren. Flexion neigt eher dem indikativischen, abhängigkeitsnahen, niedrigsemantischen Pol zu, dessen Extrem im Bereich der formal nicht weiter analysierbaren, also extrem merkmalsinhärenten Lexeme erreicht ist. Unter dieser Prämisse gestaltet sich das Kontinuum als Lexik - Flexion - Derivation - Syntax von Indikativität zu Prädikativität. Je näher die Techniken dem prädikativischen Pol sind, desto größer wird die Bandbreite der morpho-syntaktischen Möglichkeiten und desto eher verlagert sich das Hauptgewicht auf derivationale und syntaktische Mittel. Die jeweiligen Dimensionen vereinen auf intersprachlicher Ebene innersprachlich vorkommende Technikkontinua. Nicht jede Sprache weist alle Techniken des Dimensionskontinuums auf, manche schließen sich sogar gegenseitig aus oder können alternativ vorkommen. Jede Sprache muß zwar irgendwie von Indikativität zu Prädikativität, bzw. umgekehrt, gelangen, die Möglichkeiten sind aber nicht einheitlich. Jedoch kann man gewisse Kanalisierungen wahrnehmen, Regeln unterworfene Alternativwege, nach denen sich bestimmte Sprachtypen klassifizieren lassen (vgl. SEILER 1988b: 72). Die beiden wichtigsten isofunktionalen Technikbündel, die selbst wiederum ein Programm konstituieren, sogenannte Dimensionen, sind die der Apprehension und Partizipation. Apprehension ist das Erfassen von Gegenständen. Ein Gegenstand wird sowohl über seine Eigenschaften, sein Quale, als auch über seine Form, seine Ganzheit, sein Quantum wahrgenommen. Die beiden Prinzipien können jedoch in einem unterschiedlichen 'Mischungsverhältnis' vorkommen, und diese Abstufung spiegelt sich in den verschiedenen Techniken wider. Die wichtigsten Techniken der Apprehension sind, abgestuft vom prädikativen zum indikativen Pol, Abstraktion, Kollektion, Masse/Messen, Klassifikation durch Verb, Klassifikation durch Artikel, Numeralklassifikation, Nominalklassenkongruenz, Genuskongruenz sowie Namengebung. Auf das Kontinuum verteilt, stellen sie sich schematisch etwa folgendermaßen dar:
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Dieses versus Solches Abstraktion
Kollektion
Masse/ Messen
PRÄDIKATIVITÄT
Klassif. durch Verb
Klasslf. durch Artikel
Numeral· klasslf.
WENDEPUNKT
Nominal· klaesenkongr.
Genu·kcngr.
Nairengebung
INDIKATIVITÄT
Maximum
Minimum
INDIKATIVITÄT WENDEPUNKT PRÄDIKATIVITÄT (in Anlehnung an SEILER 1988b: 30) Man kann die Techniken der Apprehension nach ihrem spezifischen Mischungsverhältnis von Indikativität und Prädikativität und den entsprechenden morpho-syntaktischen Mitteln in vier Gruppen einteilen. Dadurch erhält man die technikübergreifenden Funktionen Relat i o n a l s t (Abstraktion, Kollektion, Masse/Messen), Solidarität (Klassifikation durch Verb, Klassifikation durch Artikel, Numeralklassifikation), Indizierung (Nominalklassenkongruenz, Genuskongruenz) und Etikettierung (Namengebung). Die ersten beiden Gruppen auf der prädikativen Seite beinhalten syntaktische Mittel, die letzten beiden auf der indikativen Seite nicht. Dort geht es um die direkte Erfassung des Gegenstandes, hier 'nur' noch um die Signalisierung seiner Konstanz. 1 ) RELATIONALITÄT (Sättigung; innersprachliche Variation) Die Technik der ABSTRAKTION repräsentiert innerhalb der Apprehension den Bereich mit der höchsten Prädikativitätsrate, weil sie innerhalb der Sprachen der Welt wenig grammatikalisiert und syntaktisch frei bildbar ist. Vom ontologischen Gesichtspunkt aus sind Abstraktive zwar auch Abstrakte, insofern sie den Konkreta entgegenstehen. Enger definiert, sind Abstraktiva jedoch als Gegenstände erfaßte Sachverhalte, von Verben oder Adjektiven abgeleitete, nominalisierte Prädikate, ζ. B. Röte-rot sein, Schönheit-schön sein. Wesentlich für die Abstraktiva ist die auf ihre prädikative Natur zurückzuführende Eigenschaft, Argumentstellen um sich herum zu eröffnen, also Etablierungselemente zu fordern und damit relational, nicht absolut zu wirken. Mit der maximalen bzw. minimalen Füllung der Argumentstellen ist jeweils ein Ende des Abstraktions-Kontinuums, der höchste Grad an Indikativität bzw. Prädikativität, an Individualisierung bzw. Generalisierung eines Sachverhalts erreicht. Das Syn-
80
Spurensuche
tagma Schönheit ist gefährlich konstituiert einen generelleren Gegenstand als die überwältigende Schönheit des Mädchens, das ich gestern sah, beeindruckte mich (zur Abstraktion s. ITURRIOZ 1982, SEILER 1985:16, SEILER 1988b: 34f.; zur Nominalisierung s. LEHMANN 1982a). Auch die Verfahren der Technik KOLLEKTION sind überwiegend syntaktisch und daher prädikativisch bestimmt. Ausgelöst wird dies durch relationale Substantive, die wie Verben Argumentstellen um sich eröffnen, die von nicht-rationalen, absoluten Substantiven gefüllt werden: *eine Herde, aber: eine Herde Schafe. Die Vereinigungsfunktion vermittelt wiederum Gegenstandsqualität, so daß der Ausdruck mittels des vereinigenden Elementes pluralisierbar wird: eine Herde Schafe vs. drei Herden Schafe. Neben syntagma ti sehen Wendungen finden sich hier aber auch Lexeme, denen das Merkmal der Kollektivität, der Vereinigung von Einzelelementen, direkt inhäriert: Polizei, Gewässer u. ä. (zur Kollektion s. KUHN 1982; SEILER 1985: 19f.; SEILER 1988b: 35f.). Der Technik KOLLEKTION im Kontinuum benachbart und auch formal sehr ähnlich ist in vielen Sprachen die Technik MASSE/MESSEN. Die beiden Prinzipien der Prädikativität und Indikativität realisieren sich hier in dem zugrundeliegenden Element (Quale), aus dem mittels eines relationalen Substantivs ein individuelles Quantum ausgesondert wird. Über dieses individualisierende Element erhält das Konstrukt wiederum Gegenstandscharakter, was formal durch Pluralisierung ausgedrückt wird: eine Scheibe Wurst vs. drei Scheiben Wurst (zu Masse/Messen s. DROSSARD 1982; SEILER 1988b: 36ff.). 2) SOLIDARITÄT (Klassifikation; intersprachliche Variation) Mit der Technik KLASSIFIKATION DURCH VERBEN, die sich in amerikanischen Indianersprachen findet, wird der überwiegend relational geprägte Bereich verlassen, hier beginnt eine Art 'Mischbereich'. Ansonsten hinsichtlich Generalisierung bzw. Individualisierung neutrale Substantive müssen in bestimmten Situationen, z. B. bei Positionsangaben, individualisiert werden. Dazu werden sie klassifiziert, sie erhalten ein spezifisches Merkmal, und diese Klassifizierung geschieht formal am Verb, am relationalen Element: Diegueño
a.mil tu.mii Tiängen' Tiängen' (langer Gegenstand) (kleiner runder Gegenstand) (Beispiel SEILER 1988b: 39) (zu klassifikatorischen Verben s. BARRON 1980; BARRON 1982; SEILER 1985: 20f.; SEILER 1988b: 38ff.) Ähnlich verhält es sich mit der Technik KLASSIFIKATION DURCH
Dieses versus Solches
81
ARTIKEL, die auf wenige nordamerikanische Indianersprachen beschränkt ist und auf dem Kontinuum den Wendepunkt mit diversen morphologischen Mitteln darstellt. Wie Positionalisierung, so erfordert auch Definitheit eines Gegenstandes dessen Individualisierung, was durch Klassifizierung geschieht. Träger der Funktion sind Positionsverben, die auch als Artikel fungieren können, und je nach dem Grad ihrer Semantizität in den jeweiligen Sprachen zusätzlich Position und Gestalt des Gegenstandes vermitteln. Ponca tí te (allgemein) tí ke (lang) 'die Hütte' 'die (Reihe von) Hütten' (Beispiel SEILER 1988b: 42) (zur Artikelklassifikation s. SEILER 1985: 21f.; SEILER 1988b: 40ff.) Die Technik NUMERALKLASSIFIKATION ist die letzte in diesem zweiten Block der Gegenstandsetablierung und der syntaktischen Mittel. In vielen, v. a. zirkumpazifischen Sprachen, sind Substantive transnumeral, d. h. hinsichtlich Generalisierung und Individualisierung neutral. Zählen setzt aber Individualität voraus, weshalb vorher durch sogenannte Klassifikatoren, die historisch gesehen meist selbst aus Substantiven hervorgegangen sind, klassifiziert wird: Thai
ròm Schirm
saam drei
'drei Schirme' (Beispiel SEILER 1988b: 43)
khan Klassifikator (= langer Gegenstand mit Stiel)
Das Quale des Gegenstandes wird also durch ein weiteres Quale zu einem Quantum individualisiert, wobei die dem Klassifikator eigene Bedeutung dem zu zählenden Substantiv aber meist inhäriert, es wird also nichts prädiziert (zur Numeralklassifikation s. KÖLVER 1982b; SERZISKO 1982b; SEILER 1985: 20ff.; SEILER 1988b: 43ff.). 3) INDIZIERUNG (Kongruenz; intersprachliche Variation) Es sollen an dieser Stelle beide Kongruenzerscheinungen, GENUS- und NOMINALKLASSENKONGRUENZ zusammen behandelt werden, da durch beide Phänomene Substantive mehr oder weniger willkürlich klassifiziert werden. Nominalklassenkongruenz, die vor allem für afrikanische Sprachen typisch ist, unterscheidet sich von der Genuskongruenz nur dadurch, daß die Klassenzuweisung in einigen Fällen motivierter erscheint und außerdem über die NP hinausgeht:
82
Spurensuche
Suaheli ki KLASS
-kapu -Korb
ki KLASS
-kubwa -groß
ki KLASS
(ki ist der Klassifikator für Klasse 7) 'ein großer Korb fiel' (Beispiel SEILER 1988b: 49)
-moja -eins
ki KLASS
-lianguka -fiel
Im Gegensatz zu den vorausgegangenen Techniken ist der prädikative Wert der Genuskategorie und -kongruenz sehr niedrig und korreliert mit einem hohen Grammatikalisierungsgrad. Das heißt, Genus ist inhärent, formale Merkmale sind obligatorisch und eher flexional als syntaktisch. Wo es zu Umkategorisierungen kommt wie bei der Movierung, z. B. Bäcker-Bäckerin, ist ein prädikativer Wert enthalten und das prädikative Ende der sekundär aufgespannten Subdimension ist erreicht. Die Funktion von Kongruenz ist nicht die Erfassung des Gegenstandes, sondern die Indizierung, daß der bereits erfaßte oder als erfaßt geltende Gegenstand konstant geblieben ist. Diese Konstanz wird in ikonischer Weise durch Tconstante' Wiederaufnahme der jeweiligen Elemente bewerkstelligt. Eine eindeutige Motivierung der entsprechenden Genuszuweisung ist nicht notwendig, wichtig ist lediglich, daß es eine Klassifizierung gibt, die jeweils konstant gehalten werden kann. Da aber die Zuweisung von Nominalklassen motivierter und damit etwas prädikativer ist als die von Genus, steht jene noch links von Genuskongruenz (zur Kongruenz s. SERZISKO 1982a; HEINE 1982; WALTER 1982; OSTROWSKI 1982; SEILER 1988b: 47ff.). 4) ETIKETTIERUNG (direkte Verbindung; innersprachliche Variation) Bei der Technik der NAMENGEBUNG handelt es sich um rein metasprachliche, hinweisende Zuordnungen, ohne daß ein direkter Zusammenhang zwischen Name und Gegenstand besteht. Hier erscheint das Prinzip der Indikativität in seiner reinsten Form. Die prädikative Leistung ist als rein metasprachliche Aussage zu verstehen in dem Sinne 'y ist die Bezeichnung, die χ trägt'. Damit ist nichts über die eigentlichen Eigenschaften des Bezeichneten ausgesagt, aber es entsteht eine Relation zwischen Träger und Bezeichnung. Dennoch kann auch hier teilweise noch geringe Prädikativität bestehen, weil eben manche Namen auf eine bestimmte Spezies (Mensch/Tier) oder ein spezifisches Geschlecht des Namenträgers hindeuten (zur Namengebung s. KUHN/SERZISKO 1982; SEILER 1985:17f.; SEILER 1988b: 53ff.). Die Dimension der PARTIZIPATION repräsentiert das Erfassen von Sachverhalten. Partizipation ist ein zweiteiliges Konzept, das sowohl die Partizipanten (P.anten), d. h. die Vorstellung von den Betei-
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Dieses versus Solches
ligten, in denen sich ein Sachverhalt manifestiert, als auch das Partizipatum (P.atum) umfaßt, d. h. die Vorstellung von dem Sachverhalt, der sich in den Partizipanten manifestiert. Diese beiden Vorstellungen müssen zusammengeführt werden, wozu eine Verknüpfung, ein Bezug vom P.atum zu den P.anten notwendig ist. Dieser Bezug kann entweder als eng oder weit dargestellt werden. Im ersten Fall gibt es keine formale Explizierung, auf die Relation wird als kontextuell bedingt inhärent und im P.atum gesetzt verwiesen. Hier überwiegt das zentralisierende, indikativische Prinzip mit starker Grammatikalisierung, Obligatorizität und geringem semantischem Wert. Dagegen wird die sich zum prädikativen Pol hin abschwächende Relation durch weniger obligatorische, weniger grammatikalisierte und stärker semantische, explizite Mittel markiert. Die Relation wird also mit zunehmender, semantisch dezentralisierender Verlagerung auf die P.anten von außen erst etabliert. Zum prädikativen Pol hin nimmt die Bandbreite der morphologischen Mittel zu, hier ist alles von lexematisch bis syntaktisch möglich. Geordnet nach semantischen und morphosyntaktischen Gesichtspunkten, gibt es folgende Techniken der PARTIZIPATION: logische Prädikate, Nomen/Verb-Unterscheidung, Verbklassen, Valenz, Orientierung, Transitivierung, Kasusmarkierung, Verbserialisierung, Kausativierung und komplexe Sätze (vgl. SEILER 1988b: 100; BROSCHART 1991, auch zu einer abweichenden Terminologie). Schematisch dargestellt, sieht das Kontinuum folgendermaßen aus: Log. Präd.
N/V-Unteracheidung
Verbklassen
INDIKATIVITÄT
Valenz
Orlentierung
Transitivier.
Kasusmarkier.
WENDEPUNKT
PRÄDIKATIVITÄT WENDEPUNKT (in Anlehnung an SEILER 1988b: 100)
Verbserialis.
Kausjtivier.
Kompl. Sätze
PRÄDIKATIVITÄT
INDIKATIVITÄT
Die Technik LOGISCHE PRÄDIKATE (nach BROSCHART: SETZUNG VON PARTIZIPATION) befindet sich am indikativischen Ende, die Relation von P.anten und P.atum ist im P.atum inhärent und wird formal kaum explizit gemacht. An einem Ende des Subkontinuums finden sich Konstrukte wie Feuer!, wo keine Relation explizit gemacht wer-
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Spurensuche
den kann, weil der P.ant nur durch den Kontext eruierbar ist. Am anderen Ende finden sich v. a. nominale Prädikationen mit Kopulaverb, d. h. zwar expliziter, aber wenig prädikativer, weil semantisch vager Information. Über den P.anten wird im Prinzip nichts ausgesagt, außer, daß er existiert, im Sinne von: 'Es gilt, daß...'. Damit wird ein P.atum erst aufgespannt, die P.anten werden in die aktuelle Welt eingegliedert, bevor sie dort agieren. Meist wird sogar deiktisch und damit wieder situationsabhängig (inhärent) auf den P.anten verwiesen: ich bin eine Frau, da¿. ist ein Haus (SEILER 1988a: 118ff.; SEILER 1988b: lOlf.; BROSCHART 1991: 32ff.). Innerhalb der Technik N/V-UNTERSCHEIDUNG (nach BROSCHART: P.ANT VS. P.ATUM) sollen die Bezüge zwischen P.ant und P.atum nicht mehr nur durch den Kontext, inhärent, sondern bereits durch verschiedene formale Kategorien, sprich Wortarten, gegeben sein. Typischerweise treten hier für das relationale P.atum Verben und für die absoluten P.anten Substantive ein. Ein Satz der ersten Technik mit Nomen-Elementen für P.ant und P.atum wäre hier nicht mehr möglich. Das Subkontinuum erstreckt sich von indikativischer Stamm- und Flexionsmorphologie bis zu nicht obligatorischer, dezentralisierter, nur syntaktischer Differenzierung (SEILER 1988a: 123ff.; SEILER 1988b: 102ff.; BROSCHART 1991: 37f.; MOSEL 1991b). VERBKLASSEN (nach BROSCHART: GENERELL IMPLIZIERTE P.ANTEN) und VALENZ (nach BROSCHART: SPEZIELL IMPLIZIERTE P.ANTEN) beziehen sich auf anhand ihrer P.anten weiter spezifizierte P.ata. Verschiedene Verbklassen, verbale Prädikate, ergeben sich daraus, daß sie aufgrund ihrer Semantik, und evtl. im Zusammenspiel mit der Situation, inhärent Zahl und Art der Partizipanten determinieren. So verlangt ein Verb sitzen einen statischen und kontrollierten, ein Verb fallen i. a. einen dynamischen und nicht kontrollierten P.anten. Bei [+Dynamizität] und/oder [+Kontrolliertheit] ist die Relation zwischen P.ant und P.atum eng. Ist bei einem Verb eine alternative Spezifikation hinsichtlich seiner P.anten möglich, so muß auf den Kontext zurückgegriffen oder der P.ant formal expliziert werden. Das Pronomen in er fällt kann sowohl einen nicht-dynamischen (z. B. Apfel) als auch einen normalerweise dynamischen P.anten (z. B. Mensch) vertreten, der nur zeitweilig die Disposition nicht-dynamisch einnimmt (SEILER 1988a: 132f.; SEILER 1988b: 104; BROSCHART 1991: 38ff.; DROSSARD 1991d; LEHMANN 1991). VALENZ bezieht sich auf die P.antenspezifizierung im Rahmen derer Obligatorizität oder Fakultativität. P.anten, die aus dem Kontext erschließbar oder für die Situation irrelevant sind, müssen formal nicht expliziert werden: wir essen. Jedoch gibt es hier ein Kontinuum im
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Rahmen von fakultativer und obligatorischer Spezifizierung von P.anten. Das Verb speisen darf formal keinen P.anten in Form eines direkten Objekts spezifizieren, obwohl es pragmatisch einen Patíens impliziert. Das Verb essen kann, muß aber den Objekt-P.anten nicht explizieren, während überdenken obligatorisch ein Objekt bei sich haben muß, unabhängig vom Faktor Relevanz (SEILER 1988a: 5ff., 133ff.; SEILER 1988b: 105; BROSCHART 1991: 38ff.; MOSEL 1991c; SAMUELSDORFF 1991). ORIENTIERUNG beinhaltet eine vom P.atum augehende gestaffelte Gerichtetheit zu spezifischen P.anten. Normal ist die Gerichtetheit von Agens zu Patiens. Markiert und damit prädikativ sind Orientierungs-Umkehr-Konstruktionen. Sie sind umso eher möglich, je aktionaler das Verb und je größer die Differenzierung von Agens und Patiens. Man spricht dann von Passivierung oder von inverser Verbalflexion, die in einigen nordamerikanischen Indianersprachen anzutreffen ist. Am zentralisiertesten sind Konstruktionen, in denen das Verb ein Passiv-Morphem erhält, die Agens-Phrase unterdrückt wird, und die P.anten ihre Kasusmarkierungen behalten. Am dezentralisiertesten sind dagegen Konstruktionen, in denen die P.anten von Kasusmarkierungsumpolungen betroffen sind. Dies beinhaltet die zunehmende Auslagerung der Relation vom P.atum zu den P.anten und damit erhöhte Prädikativität (SEILER 1988a: 8ff., 140ff.; SEILER 1988b: 105ff.; BROSCHART 1991: 41ff.; SERZISKO 1991; ONO 1991). Die Technik TRANSITIVIERUNG befindet sich im Schnittpunkt der beiden Achsen Indikativität und Prädikativität und konstituiert sich aus den Strategien Transitivierung und Intransitivierung. Wesentlich sind dabei v. a. die Methoden, die ein unmarkiertes intransitives Verb zu einem markierten transitiven machen, um einen vorher wenig affizierten P.anten an zentralerer Stelle in die auf diese Weise erweiterte Relation einzuführen. Sehr verbreitet sind hier derivationale Mittel. So ist das Verb steigen intransitiv, wird aber transitiv durch das Präfix be-: *er stieg den Berg, ABER: er bestieg den Berg (Beispiel BROSCHART 1991: 43). Derselbe Effekt kann auch prädikativischer durch ein syntaktisches Objekt erreicht werden: er stieg auf den Berg, oder indikativischer durch Flexionsmittel, wobei lediglich die Art des Paradigmas wechselt: engl. 1 suffered (itr.) vs. I suffered it (tr.) (Beispiel BROSCHART 1991: 44) (SEILER 1988a: 18ff., 149ff.; BROSCHART 1991: 43ff.; MOSEL 1991a; DROSSARD 1991c; KÖLVER 1991b). Bei den Techniken ORIENTIERUNG und TRANSITIVIERUNG geht es v. a. um Umkehrfunktionen, bei den beiden nächsten handelt es sich um Relationserweiterungen. KASUSMARKIERUNG (nach BROSCHART: ROLLENZUWEI-
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Spurensuche
SUNG) beinhaltet weitere und genauere Relationszuweisungen zwischen Patum und P.anten in Form von semantischen Rollen, ähnlich den FILLMOREschen 'case roles' (FILLMORE 1968). Die semantischen Rollen, ζ. B. Agens, Patiens, Instrument u. ä., gehen über syntaktische Rollen wie Subjekt oder direktes bzw. indirektes Objekt hinaus und spezifizieren diese weiter. Sehr oft handelt es sich dabei um die Widerspiegelung inhärenter Verbeigenschaften: engl, the gun (INSTRUMENT) smashed the window-pane, the dog (EXPERIENCER) scented the deer (Beispiel SEILER 1988a: 31). Außerdem wird die Relation zwischen P.atum und P.anten erweitert, indem distante P.anten formal eingeführt werden. Diese vom P.atum weniger affizierten Elemente erfordern allerdings explizitere Spezifizierungen, z. B. durch syntaktische Markierung: engl, the man hit the dog with a stick (INSTRUMENT) (Beispiel BROSCHART 1991: 45) (SEILER 1988a: 29ff., 158ff.; BROSCHART 1991:45ff.; DROSSARD 1991a). VERBSERIALISIERUNG (nach BROSCHART: PARTIZIP ANTENEINFÜHRUNG) dient dagegen der Einführung noch distanterer, im P.atum nicht implizierter P.anten, die dezentralisiert bleiben und die Primärrelation als sekundäre Relationen modifizieren. Als morphologische Mittel dienen überwiegend semantisch entleerte Auxiliarverben als 'zweite' Prädikationen: Yoruba (Kwa) mo mú ìwé I took book Ί brought a book home' (Beispiel SEILER 1988a: 81)
wá came
ilé home
mú dient hier als Funktionsverb und führt ein neues Patiens-Element (ìwé) ein, das nicht in der Valenz des Hauptverbs wá verankert ist. Verbserialisierungen verhalten sich damit wie adverbiale Bestimmungen (SEILER 1988a: 77ff., 164ff.; BROSCHART 1991: 47f.; KÖLVER 1991a; BISANG 1991). KAUSATIVIERUNG (nach BROSCHART: URSACHE UND WIRKUNG) erzeugt ein komplexes P.atum mit zwei neuen Komponenten, einem kausativierenden Element, dem Kausator, und einem resultierenden Element. Der Kausator ist entweder inhärent, ein Derivativ oder ein selbständiges verbales Element: engl, to kill vs. got. dragk-ja-n 'tränken' vs. dt. lachen lassen!machen (SEILER 1988a: 89ff., 167ff.; BROSCHART 1991: 48ff.; DROSSARD 1991b; MATSUBARA 1991; PREMPER 1991; CHAPPELL 1991). Am Ende der Skala steht am prädikativen Pol die Technik KOMPLEXE SÄTZE (nach BROSCHART: KOMPLEXE Ρ .ATA), die die Funk-
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tion hat, einem P.atum als P.ant ein P.atum mit eigenen P.anten zuzuordnen und damit dem primären P.atum unterzuordnen. An dieser Stelle des Kontinuums ist die Konnexion schon sehr lose/als komplexe P.ata dienen vor allem adverbiale Modifikationen der Primäraussage bis hin zu parataktischen Konstruktionen (SEILER 1988a: 170f.; BROSCHART 1991: 51f.). Zusammenfassend kann man für alle Dimensionen sagen, daß sich der prädikative Pol durch Etablierung und Relationalität auszeichnet, d. h. hier finden sich mehr Markiertheit, neue, v. a. syntaktische und derivationale Elemente mit hoher Semantizität, es existiert ein geringer Grammatikalisierungsgrad und geringe Kohäsion, der Einfluß durch den Kontext ist minimal bis nicht vorhanden. Für den indikativen Pol gilt genau das Gegenteil, das Schwergewicht liegt auf der Inhärenz und Absolutheit, hier finden sich geringe Markiertheit, weniger formale Explizierung, eher lexikalische Mittel und niedrige Semantizität durch Flexion, außerdem ist der Grammatikalisierungsgrad hoch, es existieren starke Abhängigkeiten zwischen den Elementen und die Interpretation ist in hohem Maße kontextabhängig (SEILER 1988b: 60). Am Schluß ergibt sich die Frage, was sich nun aber links bzw. rechts vom indikativischen bzw. prädikativischen Ende des jeweiligen Kontinuums befindet. Die von UNITYP entwickelte Vorstellung ist, daß sich die Enden jeder Dimension direkt miteinander vereinigen und, da das Band am Wendepunkt bereits um 180° gedreht ist, dadurch ein sogenanntes Möbius-Band entsteht.
(SEILER 1988b: 123) Dadurch gibt es im Prinzip keine 'eine' und keine 'andere' Seite. Die "beiden Seiten' können wechselweise und kontinuierlich durchlaufen werden, ohne daß es zu einem Sprung zwischen den Seiten kommt. RAIBLE (1992: 29) schlägt statt dessen auch das Konzept einer Spirale vor, bei der man nach jedem Durchlauf horizontal gesehen an derselben Stelle ankommt, sich vertikal gesehen aber immer eine Stufe höher befindet. Damit ist die maximal prädikative auf höherer Ebene gleichzeitig die maximal indikative Kategorie. In der Dimension der Apprehension scheint sich diese Verknüpfung direkt in Form bestimmter Nomina agentis-Bildungen niederzuschlagen. Dabei handelt es
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Spurensuche
sich wie bei den Abstraktiva um von Verben abgeleitete Agensbegriffe, die aber Personen bezeichnen und so in die Nähe der Namengebung rücken. Daher der regulär in jeder Sprache anzutreffende Fall, daß Nomina agentis oft zu Propria werden, auch wenn letztere oft nicht mehr als solche identifizierbar sind (z. B. Vogel aus Vogler 'Vogelfänger'). Ähnlich verhält es sich hinsichtlich der Dimension Partizipation. Hier sind ebenfalls maximale Indikativität mit maximaler Prädikativität, logische Prädikate bzw. Setzung von Partzipation mit komplexen Sätzen bzw. komplexen P.ata verknüpft. Die Lösung steckt schon in der Eigenheit von logischen Prädikaten selbst. Logische und nicht-logische, d. h. semantische, Prädikate unterscheiden sich vor allem in einem wichtigen Punkt. Letztere tragen grundsätzlich das Merkmal 'wahr', "the very function of LOG PREDs [logische Prädikate] is the assertion of truth" (SEILER 1988a: 121f.), falls dies nicht explizit ausgeschlossen ist. Damit sind logische Prädikate hinsichtlich des Wahrheitsmerkmals die Basis für alle semantischen Prädikate und werden von diesen impliziert. Gleichzeitig gehen sie aber über diese Funktion hinaus, indem durch das z u s ä t z l i c h e Merkmal der 'assertion' ein einfaches P.atum intern zum komplexen wird. Damit verbinden sich an dieser Stelle Inhärenz und Komplexität und schließen den Dimensionskreis. Sehr interessant finde ich auch SEILERs Versuch einer Begründung der oppositionellen Koexistenz der beiden Prinzipien. Kommunikation setzt sich aus zwei oppositionellen Teilen, nämlich Hören und Sprechen zusammen. Für sie gelten sprachlich verschiedene Prämissen. Der Sprecher stellt für sich genommen den indikativen Pol dar; er befindet sich in seinem eigenen Redeuniversum, weiß, worüber er sprechen möchte und repräsentiert somit das Prinzip der Inhärenz. Der Hörer stellt für sich genommen den prädikativen Pol dar, der Sprecher muß ihm sein eigenes Redeuniversum erst übermitteln, was dadurch geschieht, daß die mitzuteilende Wahrnehmung möglichst explizit gemacht wird. Je mehr Sprecher- und Höreruniversum übereinstimmen, desto weniger muß ersteres durch explizite sprachliche Mittel 'aufgespannt' werden. Das heißt, je mehr Sprecher und Hörer sich annähern, sich sozusagen zum Wendepunkt begeben, desto eher genügen indikativische Mittel; je weiter sie voneinander entfernt sind, desto eher werden prädikative, zusätzliche Information vermittelnde Elemente benötigt. Die jeweilige Wahl einer Technik oder Subtechnik aus dem prädikativen oder indikativen Bereich der einzelsprachlich vorhandenen Dimensionen hängt also auch (oder vorrangig?) von der Sprecher-Hörer-Konstellation und ihren Übereinstimmungen ab.
Dieses versus Solches
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2.3.2 Perspektivierung und Perspektiven Im letzten Kapitel hat sich gezeigt, daß sprachliche Formen die zwei oppositionellen Prinzipien der Individualisierung bzw. Indikativität und der Generalisierung bzw. Prädikativität in korrelativ-komplementärer Weise repräsentieren. Das jeweilige Mischungsverhältnis der beiden Prinzipien schlägt sich inhaltlich und formal nieder und bestimmt die Position der sprachlichen Phänomene auf dem Kontinuum. Ich möchte hier anstelle von Prinzipien auch von Perspektiven sprechen. Das Konzept der Perspektive setzt drei Punkte voraus: 1. Es existieren verschiedene Betrachtungsweisen, Perspektiven auf ein und desselbe Phänomen, die sich auf zwei Pole konzentrieren. Extensionalität ist der eine, Intensionalität der andere Pol. 2. Jeweils ein Pol wird als grundlegend betrachtet. Die Verfügung über mehrere Perspektiven bedeutet also nicht, daß diese gleichwertig nebeneinander stehen. Ganz im Gegenteil. Eine Perspektive wird immer als die präsupponierte, unmarkierte, die andere korrelativ-komplementär als die nicht-präsupponierte, markierte betrachtet. Unmarkiertheit korreliert mit Merkmallosigkeit, Markiertheit mit Merkmalhaftigkeit. Welcher Sachverhalt allerdings als der grundlegende und unmarkierte anzusehen ist, darin unterscheiden sich die Sprachen der Welt. So gesehen ist die jeweils spezifische Perspektivierung, die Hierarchie der Perspektiven, neutral und die verschiedenen Arten der Perspektivierung stehen gleichwertig nebeneinander. 3. Keine Perspektivierung und kein perspektivierter Sachverhalt ist deshalb wirklich objektiv, er kann nur als subjektiv betrachtet werden. LEISS (1992: 34f.) verweist dabei auf ICKLER, die zeigt, daß Sätze einen Sachverhalt immer nur subjektiv, nicht objektiv darstellen: „Zugrunde liegt die Annahme, daß jeder Satz einer natürlichen Sprache einen außersprachlichen Sachverhalt nur 'subjektiv', d. h. perspektivisch darstellt. Es gibt also keine Sätze, die einen Sachverhalt 'objektiv' darstellen" (ICKLER 1990: 5). Die Subjektivität liegt in der jeweiligen Zuweisung von präsupponiert bzw. nicht-präsupponiert zu den verschiedenen Perspektiven. Dazu noch einmal das UNITYP-Modell für die Apprehension:
90 Abstraktion
Spurensuche Kollektion
Masse/ Messen
Klassif. durch Veib
Klasslf. durch Artikel
Numeralklassif.
Nominalklassenkongr.
Genuskongr.
Namengebung
PRÄDIKATIVITÄT
WENDEPUNKT
INDIKATIVITÄT
INDIKATIVITÄT
WENDEPUNKT
PRÄDIKATIVITÄT
(in Anlehnung an SEILER 1988b: 30) Dieses Kontinuum ist insgesamt übereinzelsprachlich bzw. intersprachlich organisiert, es kommen nicht alle Techniken in allen Sprachen vor. Nur bestimmte Techniken und die dazugehörigen Subkontinua, nämlich die relationale Gruppe mit Abstraktion, Kollektion, Masse/Messen und die etikettierende mit Namengebung, existieren und variieren auch innersprachlich. Andere dagegen, wie die unter dem Begriff der Solidarität zusammengefaßten klassifizierenden und kongruierenden Techniken, alternieren nur intersprachlich und schließen sich in den Einzelsprachen gegenseitig aus (SEILER 1988b: 67f.; zu den Begriffen Relationalst, Etikettierung und Solidarität s. Kapitel 2.3.1). Deshalb sind die relationalen und etikettierenden Techniken (und Subkontinua) in jeder Sprache, die klassifizierenden Techniken aber nur in manchen Sprachen vertreten. Vor allem wird aber jeweils einer der beiden Typen schwerpunktmäßig favorisiert, konstituiert die 'Normalität', während der andere eher marginal ist. Dem einen Typus sind Sprachen mit dem Schwerpunkt auf den relationalen Techniken in Korrelation mit der Technik Genus/Numerus-Kongruenz zuzurechnen, das gilt z. B. für die semitischen und indogermanischen Sprachen. Die südost- und nordostasiatischen sowie viele nordamerikanische Idiome favorisieren die klassifikatorischen Techniken und haben gering ausgeprägte relationale Techniken (SEILER 1988b: 72). Dahinter steckt offensichtlich ein System, das mit dem Prinzip von Markiertheit und Unmarkiertheit verknüpft ist. Die sich dadurch ergebenden Sprachtypen verhalten sich diesbezüglich komplementär, lassen also auf eine spiegelbildliche „Leistung in der Gegenstandserfas-
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sung" und damit spiegelbildliche Perspektivierung schließen (SEILER 1988b: 69).26 Was ist nun der wesentliche Unterschied zwischen prädominant relationaler und im Gegensatz dazu stehender klassifikatorischer Gegenstandserfassung? In den klassifizierenden Sprachen wird das Individuelle markiert während per se lexematisch[e] Begriffe vorliegen, in Sprachen des Komplementärtyps wird gerade das Generalisierte erst durch morphosyntaktische Verfahren repräsentiert (SEILER 1988b: 69).
Das bedeutet, daß, wie schon angedeutet, im Apprehensionsbereich umgekehrte bzw. komplementäre Markierungsverhältnisse vorliegen und damit eine spiegelbildliche Perspektivierung. Im Deutschen weisen prototypische Substantive differente Singularund Pluralformen auf, sie sind im Singular merkmallos, im Plural merkmalhaft: Sg. Tisch vs. Pl. Tisch¿. Marginal und als 'Ausnahmen' ausgesondert sind sogenannte Massennomina: der Zucker vs. ?die Zucker. Dies betrifft die auch Singularia tantum genannten Substantive, die bei Bildung einer Pluralform deshalb oft eine abweichende Bedeutung durch Zusatz von 'Sorten, Arten' u. ä. erhalten. Merkmallose Substantive repräsentieren individuelle Gegenstände einer Art. Um zu referieren, d. h. eine spezifische Entität innerhalb der Redesituation zu benennen, benötigen sie außer diesem hinweisenden Element kein weiteres mehr: dieser Tisch. Nicht so in einer klassifizierenden Sprache. Hier fordert das referierende Element einen sogenannten Klassifikator, der zwischen hinweisendes Element und Lexem tritt: chin, zhèi-ge rén 'dieser-Klassifikator Mensch'. Obwohl es einige Dutzend Klassifikatoren im Chinesischen gibt und manche nur von wenigen Lexemen selektiert werden, ist gè (ursprünglich mit der Bedeutung 'einzeln') am weitesten verbreitet und kann als 'default'-Klassifikator betrachtet werden (LI/THOMPSON 1981:112). Das chinesische Substantiv ist also genau dann merkmalhaft, wenn es Individuelles bezeichnet. Ohne Klassifikator, in merkmalloser Form, ist es hinsichtlich Referenz und Numerus völlig neutral, es repräsentiert den Begriff an sich, das generelle damit verbundene Konzept: chin, rén 'der/ein Mensch, Menschen, die Menschen'. Man nennt dieses Phänomen auch Transnumeralität (s. z. B. BIERMANN 1982). Um das Konzept der Generalität im Deutschen zum Ausdruck zu bringen, ist nun im Gegensatz dazu aber eine spezifi-
26 Außerdem vertritt SEILER noch das Prinzip der Analogie, d. h. miteinander korrelierender Schwerpunkte verschiedener Dimensionen in den Einzelsprachen. Darauf kann und soll hier jedoch nicht eingegangen werden (s. SEILER 1988b: 70f.).
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Spurensuche
sehe Markierung notwendig, ζ. B. der Pluralmarker: Tische. Daran zeigt sich ganz deutlich: In den klassifizierenden Sprachen ist das Generelle merkmallos, das Individuelle merkmalhaft, in den Sprachen mit primär relationalen Techniken ist es genau umgekehrt, hier ist das Generelle merkmalhaft, das Individuelle merkmallos. Was aber steckt nun hinter diesen beiden Prinzipien des Individuellen und des Generellen, durch welche Erklärungsprimitiva können sie aufeinander bezogen werden? Dazu noch einmal die Liste der Begriffe, zu denen die beiden Konzepte affin sind. Individualisierung bzw. Indikativität entspricht ein Dieses, Referenzfestlegung, Hinweis, Extension; Generalisierung bzw. Prädikativität entspricht ein Solches, Inhaltsfestlegung, Aussage, Intension (SEILER 1988b: 12, 29; s. Kapitel 2.3.1). Es scheint, daß der erste Bereich eine engere, umgrenzte Sicht des zweiten, sozusagen ein Teil davon ist. Ein Individuum ist Teil seiner Klasse, referiert wird auf Individuen, die außerdem aufgezählt werden können, indem man auf sie deutet. Wie sehr das Konzept der Zählung im engeren Sinne mit Individualität verknüpft ist, zeigt sich auch an den chinesischen Beispielen. Gezählt werden kann nämlich nur durch Hinzufügung eines Klassifikators: chin, sän-ge rén 'drei-Klassifikator Mensch'. Ein Generale manifestiert sich dagegen in der Menge seiner Individuen, ist durch deren Eigenschaften festgelegt. Zwischen den beiden Sichtweisen zeigt sich ein Teil-Ganzes-Verhältnis, das Individuelle ist der nicht weiter zu unterteilende Teil, das Generale das unterteilbare Ganze. Um begriffliche Probleme zu vermeiden, werde ich die beiden Prinzipien von nun an mit den neutralen und übergreifenden Termini définit bzw. Definitheit (Ganzes) und indefinit bzw. Indefinitheit (Teil) belegen. Das Überraschende ist nun, daß mit Indefinitheit/Definitheit und den Operationen von Teilbarkeit und Nichtteilbarkeit erstaunliche Einblicke in sprachliche Gegebenheiten erzielt werden können. Ich möchte dieses Konzept hier an zwei Beispielen genauer erläutern, die sich besonders gut dafür eignen, nämlich Numeralität beim Substantiv und Aspektualität beim Verb. Diesen Ansatz übernehme ich von LEISS 1992. Man stelle sich ein typisches deutsches Substantiv im Singular vor, z. B. Tisch, Baum, Haus u. ä. Dann nehme man einen solchen Gegenstand und teile ihn, z. B. zersäge man einen Baum, nehme die ursprüngliche obere Hälfte und frage sich, ob man das betreffende Element noch mit dem Begriff 'Baum' belegen könne. Das ist offensichtlich nicht mehr der Fall. Für Teile eines Baumes stehen Begriffe wie 'Krone', 'Wurzel', 'Ast' usw. bereit, doch kann man einen Ast nicht
Dieses versus Solches
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mehr 'Baum' nennen. So verhält es sich mit den meisten deutschen Substantiven. Die Benennungskonstanz des Gegenstandes ist nach einer Teilung nicht mehr gewährleistet. Es handelt sich also bei deutschen Singularsubstantiven um das definite, holistische Prinzip. Durch das gleiche Prinzip ist auch die umgekehrte Beobachtung motiviert. Stellt man sich mehrere Elemente der Art Baum nebeneinander vor, so kann diese Menge nicht mehr mit dem singulären Term 'Baum' bezeichnet werden, man muß dafür die merkmalhafte Form 'Bäume' verwenden. Prototypische merkmallose Substantive sind définit, merkmalhafte indefinit. Das Interessante ist nun, daß die nicht-typischen Substantive im Deutschen, die Singularia tantum oder Massennomina, sich umgekehrt verhalten. Partitioniert man Wasser solange, bis eine gerade noch mit dem Auge wahrnehmbare Menge übrigbleibt, kann man diese immer noch mit dem Begriff 'Wasser' belegen. Ähnlich ist es mit der Umkehrprobe. Schüttet man Wasser zu Wasser, handelt es sich immer noch um 'Wasser'. Man kann diese Merkmale als Divisivität und Kumulativität bezeichnen (KRIFKA 1989: 39). Das Merkmal der (Nicht-) Divisivität führte ARISTOTELES (Metaphysik, Buch Δ, Kapitel 2,1014a) ein: „Element wird dasjenige genannt, woraus als erstem immanenten, der Art nach nicht mehr in Verschiedenartiges teilbaren Bestandteil etwas zusammengesetzt ist". Ein solches Element der Sprache ist für ihn die Silbe, während für die Bestandteile von Wasser das Gegenteil gilt, daß sich nämlich, „[...], gleichartige Teile ergeben, wie von Wasser jeder Teil wieder Wasser ist" (Metaphysik, Buch Δ, Kapitel 2, 1014a). Damit sind die unmarkierten Substantive des Deutschen in der merkmallosen Form nicht-divisiv und nicht-kumulativ, in der merkmalhaften divisiv und kumulativ und verhalten sich wie die untypischen Massennomina. Durch die Merkmalhaftigkeit entstehen also konzeptuell untypische, indefinite Substantive. Bei Verben ist es genau umgekehrt. Ich möchte an dieser Stelle auf die Unterscheidung von Aspekt und Aktionsarten (noch) nicht explizit eingehen, sondern benutze den Überbegriff der Aspektualität, der für den Augenblick alle Deutungen miteinschließt. Aspektualität umfaßt dabei nicht nur verbinhärente Verbalcharaktere wie in finden oder wenig bis stark derivative Mittel zum Ausdruck von Aktionsarten wie in schießen vs. erschießen, sondern auch Aspekt wie etwa im Russischen. Hier ist nahezu jedes Verb in perfektiver und imperfektiver Weise vertreten: ipf. Stroit' vs. pf. postróit' 'bauen'. Aspektualität umfaßt den internen zeitlichen Verlauf einer Handlung, d. h. die Unterscheidung zwischen Handlungen, die per se eine Grenze in der Zeit denotieren oder nicht. So hat ein Verb wie schlafen keine solche Gren-
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Spurensuche
ze, denn man kann die Handlung an jeder beliebigen Stelle unterbrechen und sie jedes Mal mit demselben Begriff belegen. Auch hier gelten also die Prinzipien der Divisivität und Kumulativität. Anders ist das bei einem Verb wie finden oder ankommen. Hier geht eine Handlung voraus, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ihren Abschluß in der Zeit findet, der bereits im Verb kodiert ist. Die Vorstellung einer Handlung wie finden ist eigentlich nicht divisibel. Es kann keine Rede davon sein, daß die Handlung zu beliebigen Zeitpunkten betrachtet und mit demselben Begriff belegt werden kann. Da der Abschluß punktuell ist, kann der Sachverhalt weder davor noch danach mit demselben Begriff bezeichnet werden. Verglichen mit Substantiven im Deutschen ist aber auffällig, daß hier umgekehrte Markierungsverhältnisse vorliegen. Die meisten merkmallosen Verben sind indefinit und werden durch die Markierung définit. Untypische, merkmalhafte Verben sind also définit, untypische, merkmalhafte Substantive indefinit (s. o.). Diese Aussage gilt aber nur für das Deutsche, da sich ζ. B. chinesische Substantive umgekehrt verhalten. Mit dieser interessanten Feststellung soll den Präliminarien hier ein Ende gesetzt und unter diesen Vorzeichen die Problematik der Wortarten neu betrachtet werden. 2.3.3 Zusammenfassung Menschliche Wahrnehmung ist durch zwei Perspektiven bestimmt, die ihre Wurzeln in einem Dualismus von Teil und Ganzes, von Teilbarkeit und Nicht-Teilbarkeit haben. Dieser Dualismus repräsentiert eine Opposition, deren Seiten aber untrennbar und komplementär aneinander gebunden sind. Es handelt sich nur um die Umkehrung des einen ins andere. ARISTOTELES spricht hier von einem Solchen und einem Diesen, weil auf das eine als abgeschlossene Entität und Teil der Klasse verwiesen und das andere als Summe der klassendefinierenden Eigenschaften aller Entitäten betrachtet werden kann. Als Probe für Teilbarkeit und Nicht-Teilbarkeit bzw. Indefinitheit und Definitheit können die Prinzipien der Divisivität und der Kumulativität dienen, für die im ersten Fall positive, im zweiten Fall negative Evidenz gilt. Affin zu diesen Perspektiven sind in der Sprachstruktur formale und semantische Eigenschaften, die sich in mehr syntaktischen und relationalen Strukturen, größerer Substitutionsfreiheit und weniger Grammatikalisierung für Indefinitheit und mehr lexikalischen und absoluten Strukturen, geringerer Substitutionsfreiheit und stärkerer Grammatikalisierung für Definitheit niederschlagen. Auf dieser Grundlage operiert das UNITYP-Modell, indem es Indikativität (Dieses) und Prädikativität (Solches) als zwei Pole eines
Resümee
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Kontinuums betrachtet, auf dem beide Prinzipien in steigender bzw. fallender Form miteinander verknüpft sind. In Gruppen können sprachliche Erscheinungen (Techniken) nach dem spezifischen Mischungsverhältnis der beiden Prinzipien in formaler und semantischer Hinsicht auf das Kontinuum übertragen werden. Diese Techniken spannen dann selbst wieder Subkontinua auf, die nach demselben Muster organisiert sind. Ein solches intersprachliches Kontinuum muß für innersprachliche Verhältnisse umgestaltet werden, dies geschieht aber wiederum nach ganz bestimmten Prinzipien. Die Schwerpunkte auf den Techniken sind in den verschiedenen Sprachen spiegelbildlich verteilt und führen so zu unterschiedlichen Typen. Die Techniken schließen sich dadurch nicht aus, aber sie sind in unterschiedlicher Gewichtung repräsentiert. Es muß grundsätzlich perspektiviert werden, eine Perspektive erhält den Vorzug und ist dadurch unmarkiert. Diese Perspektivierung ist aber intersprachlich willkürlich und die Perspektiven sind grundsätzlich gleichwertig.
2.4
Resümee
Das Kennzeichen der im Zentrum der Arbeit stehenden Phänomene, ob sie nun Konversion, Null-Suffigierung, Substantivierung oder anders heißen mögen, ist vor allem das F e h l e n bestimmter expliziter Formelemente. Daß hier überhaupt etwas 'fehlt', tritt deshalb zutage, weil parallele Bildungen existieren, die einen ähnlichen Wortartund Semantikwechsel vollziehen, die sich aber durch ein zusätzliches Bildungselement auszeichnen, das diese Veränderung anzuzeigen scheint. Obwohl bisher keine umfassende gemeinsame Funktion für diese 'Fehl-Bildungen' gefunden werden konnte, gehe ich trotzdem davon aus, daß das Charakteristikum hinsichtlich der Form nicht zufällig, sondern auf irgendeine Weise mit dem Inhalt verknüpft ist. Kurz, ich postuliere, daß Form und Inhalt nicht in willkürlicher, arbiträrer Verbindung stehen, sondern daß diese Zuordnung nach bestimmten allgemeingültigen Regeln funktioniert und motiviert ist, weil die Funktion der Form schließlich die Bedeutungsübermittlung ist. Dahinter steht zum einen der Gedanke, daß ein 'Kanal' notwendig ist, über den diese Bedeutungsstrukturen als sinnlich zugängliche Formen übermittelt werden. Dies kann auf vielfältige Weise geschehen, bei (verbaler) Sprache ist das aber im allgemeinen der akustische Kanal. Zum anderen ist anzunehmen, daß das Prinzip der Ökonomie, d. h. maximale Leistung bei minimaler Belastung, eine große Rolle
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Spurensuche
spielt. Das heißt wiederum, daß der Kodierungs- und Dekodierungsaufwand möglichst gering sein sollte. Dafür müssen Form und Inhalt in möglichst eindeutiger und aufeinander bezogener Relation zueinander stehen, gleiche Inhalte sollten gleiche Formen wiedergeben, Formoppositionen in analoger Weise Inhaltsoppositionen parallelisieren. Damit ist das Prinzip des Diagrammatismus' verwirklicht, Inhaltsstrukturen spiegeln sich in analoger und damit ikonischer Weise in Formstrukturen. Man spricht dann von unmarkierter oder 'natürlicher Kodierung'. Gerade die Konversionen, für die parallele suffixale Wortbildungen existieren wie in Lauf vs. Befreiung, repräsentieren aber einen Fall von unnatürlicher oder, genauer, 'nicht-natürlicher' Kodierung (s. Kapitel 2.2.3). Hier sind nämlich umgekehrt Merkmallosigkeit (d. h. formale Unmarkiertheit) und Markiertheit (d. h. semantische Markiertheit) miteinander verknüpft, da die Ableitungen im Vergleich zur Basis ein 'Mehr' an Bedeutung aufweisen. Aufgrund dieser 'unnatürlichen' Kodierung betrachtet MAYERTHALER Konversionen sogar als 'morphologische Unfälle'. 0-Formen sollten lediglich 'Basiskategorien' enkodieren (ζ. B. Nom. Sg. von Substantiven) und haben deshalb als Ableitungen sozusagen keine Daseinsberechtigung (MAYERTHALER 1981: 112). Da aus ökonomischen Gründen ikonische Bildungen angestrebt werden, sollte die Konversion unter diesen Voraussetzungen nach natürlichkeitstheoretischen Voraussagen in den Sprachen der Welt relativ selten auftreten bzw. labil sein. In vielen Sprachen ist sie allerdings relativ stark verbreitet und setzt sich teilweise sogar immer mehr durch, ζ. B. im Englischen, eine Erscheinung, die der Voraussage zu widersprechen scheint. Eine sehr elegante Lösung für diesen Widerspruch findet CROCCOG A LE AS (1990: 27ff.) innerhalb des Konzeptes der natürlichen Morphologie darin, daß sie den nicht-expliziten Wortartwechseln in Wortbildung und Syntax das Konzept einer 'morphologischen Metapher' unterlegt. Kernaussage ihrer Ausführungen ist, daß die jeweiligen Wörter durch Veränderungen des Mikrokontextes neue Bedeutungen zugewiesen bekommen, die aber, im Gegensatz zur stilistischen Metapher, im Rahmen von Wortartwechseln und/oder derivationellen Bedeutungen liegen. Dabei bleibt bei Konversionen vor allem auch der Grundsatz der Zeichenökonomie gewahrt. So gelungen ich den Ansatz von CROCCO-GÁLEAS auch grundsätzlich finde, glaube ich dennoch, daß damit die wesentlichen Fragen noch nicht geklärt sind. So gibt das Konzept der 'morphologischen Metapher' noch keinen Hinweis auf die unterschiedliche Verteilung der
Resümee
97
suffixlosen Wortartwechsel in den verschiedenen Sprachen und auf die unterschiedliche Verteilung auf die verschiedenen Wortarten. Ich gehe vielmehr davon aus, daß das Problem der suffixlosen Wortartwechsel und ihrer unterschiedlichen Frequenz hinsichtlich bestimmter Wortarten in den verschiedenen Sprachen primär durch die Untersuchung der zugrundeliegenden Wortartenkonzeptionen gelüftet werden kann. Diese Wortartenkonzeptionen, wie schon in Ansätzen für den Substantivbereich expliziert, unterliegen, wie alle anderen Sprachebenen, historischen Veränderungen und dem Natürlichkeitsdruck sowie den Konflikten, die sich durch diesen Druck auf allen Ebenen ergeben. Deshalb gilt auch für den Wortartenbereich das Prinzip der systemunabhängigen Natürlichkeit sowie der typologischen und einzelsprachlich systemabhängigen Normalität. Gleichzeitig konnten im Rahmen des UNITYP-Modells weitere interessante Beobachtungen gemacht werden. Es hatte sich schon vorher gezeigt, daß eine Scheidung der zwei semiotischen Prozesse Zeigen und Nennen, d. h. eine Erfassung über die Lokalisierung im Raum oder über die Benennung der Eigenschaften, dem aristotelischen Diesem und Solchem, für die Sprache von wesentlicher Bedeutung ist. Im UNITYP-Modell wird deutlich, daß diese Opposition von Indikativität und Prädikativität ein übereinzelsprachliches korrelativ-komplementäres Kontinuum aufspannt, auf dem bestimmten formal und semantisch definierten Kategorien bestimmte Positionen zuzuordnen sind. Diese Positionen zeichnen sich durch die jeweils spezifische Mischung von Prädikativität und Indikativität aus. Formal ist Prädikativität durch mehr syntaktische bzw. weniger kohärente Mittel, Indikativität durch mehr lexikalische bzw. kohärente Mittel gekennzeichnet. Inhaltlich handelt es sich bei ersterem Prinzip eher um Relationalität und Intensionalität, bei letzterem um Absolutheit und Extensionalität. Von Bedeutung ist weiter, daß es auf diesem Kontinuum einzelsprachlich Schwerpunkte gibt, so daß entweder die Richtung zum prädikativen oder zum indikativen Pol bevorzugt wird. Das zeigt nun aber, daß hier mit Hilfe der Konzepte perspektiviert wird. Das heißt, die Perspektiven stehen zwar theoretisch und übereinzelsprachlich gleichberechtigt nebeneinander, die Wahl des Schwerpunktes ist aber nicht von vornherein determiniert. Existiert jedoch erst einmal ein solcher Schwerpunkt in einer Sprache, liegt automatisch eine Perspektivierung, eine Hierarchisierung der Perspektiven vor. Die vorgenommene Perspektivierung hat nun aber Konsequenzen hinsichtlich der Markierungsverhältnisse. Das Prototypische, der Schwerpunkt, ist jeweils unmarkiert, das Marginale markiert. Diese Perspektiven finden sich auf allen Ebenen der Sprache wieder und
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Spurensuche
durchziehen vor allem auch die grammatischen Kategorien. Besonders gut zeigt sich das, auch terminologisch, in der Aspektkategorie, durch die Vorgänge als zeitlich begrenzt oder unbegrenzt a(per)-spektiviert werden. Daran und an der nominalen Numeruskategorie ließen sich die perspektivischen Primitiva der Teilbarkeit und Nichtteilbarkeit bzw. Indefinitheit und Definitheit gewinnen. Sie finden sich wieder in den Konzepten der Indikativität vs. Prädikativität, Dieses vs. Solches, Intension vs. Extension u. ä. Im Grunde scheint sich darin ein Dualismus Korpuskel vs. Welle zu manifestieren, der das gesamte Denken bestimmt. Es wird jedoch angestrebt, die beiden Konzepte getrennt, wenn auch hierarchisch aufeinander bezogen und auseinander abgeleitet, zu handhaben. Nichts anderes liegt ja zugrunde, wenn Handelnde und Handlungen, Substantive und Verben, getrennt betrachtet werden. Im Grunde ist der Täter und die Tat eines, da letztere ersterem anhaftet und dieser sich dadurch wiederum definiert. Wie sich diese beiden Perspektiven nun hinsichtlich Substantiven, Verben, Adjektiven und Adverbien niederschlagen, soll im nächsten Kapitel gezeigt werden.
3. Kapitel: Wortarten und Wortartenkonzeptionen 3.1
Einleitendes und Allgemeines
Schlägt man in einem Lexikon der Linguistik unter dem Begriff 'Wortart' nach, so kann man ζ. B. folgendes lesen (BUßMANN 21990: 850f.): Ergebnis der Klassifizierung der Wörter einer Sprache nach Form- und Bedeutungsmerkmalen. Solche Klassifizierungsversuche reichen bis in die Antike zurück.
In der Tat stützt sich die heute gültige Einteilung in Wortarten auf die griechische Grammatikschreibung, deren Tradition sich über das Lateinische bis in die modernen abendländischen Sprachen fortsetzt.1 Die heute geläufige Einteilung geht im Prinzip auf die von DIONYSIOS THRAX (2./1. Jhd. v. Chr.) mit den acht Wortarten Substantiv, Verb, Adjektiv, Artikel, Pronomen, Präposition, Adverb und Konjunktion zurück. Schon DIONYSIOS THRAX verwendet als Einteilungskriterien morphologische, syntaktische und semantisch-ontologische Momente.2 So wird der Artikel morphologisch-syntaktisch bestimmt, da er, wie das Substantiv, Kasus anzeigt und vor oder hinter dem Substantiv steht. Dagegen sind Substantiv und Verb morphologisch-semantisch definiert und zwar dadurch, daß sie u. a. kasus- bzw. tempusanzeigende Elemente repräsentieren, die typischerweise ein Ding bzw. ein Handeln bezeichnen.3 Doch ist hier auch sicher schon ein syntaktisches Moment impliziert. Vor DIONYSIOS THRAX hatten nämlich bereits PLATON (5./4. Jhd. v. Chr.) und ARISTOTELES (4. Jhd. v. Chr.) die Begriffe Onoma CName') und Rhema ('Aussage') sowohl auf die Satzfunktion als auch auf die morphologische Klasse, also Substantiv und Verb, bezogen. Eine solche Klassifikation nach semantischen, morphologischen und
1 2
3
Zur Forschungsgeschichte s. ausführlicher BR0NDAL 1948, ROBINS 1966 und KALTZ 1983. In der Definition im Lexikon der Sprachwissenschaft von BUßMANN scheinen die syntaktischen Kriterien vernachlässigt zu werden (s. o.), es sei denn, man geht davon aus, daß sie durch eine sehr weite Auffassung von 'Formmerkmale' impliziert wären. Nach ARENS P1969: 23ff.) und BR0NDAL (1948: 30ff.).
100
Wortarten und Wortartenkonzeptionen
syntaktischen Kriterien ist auch heute noch Standard bei der Etablierung von Wortarten. Allerdings liegt eine extreme Vielfalt bei der Kategorisierung vor, da die jeweiligen Kriterien nicht einheitlich angewandt werden. Dies resultiert daraus, daß zum einen eine einzige Beschreibungsebene nicht genügt, daß sich aber zum anderen die verschiedenen Ebenen und damit die Kriterien nicht entsprechen bzw. sogar widersprechen. Das semantische Kriterium, nach dem Wörter logischen Kategorien wie Substanz, Prozeß, Eigenschaft u. ä. zugeordnet werden, ist allein zu vage und entspricht nicht immer den formalen Gegebenheiten. Ein substantivierter Infinitiv wie das Laufen korreliert logisch mit einem Prozeß, spiegelt aber syntaktische (und morphologische) Eigenschaften eines typischen Substanzwortes wider. Das morphologische Kriterium allein ist aufgrund der formalen Gegebenheiten nur begrenzt anwendbar, da sich nicht- oder nur schwachflektierende Sprachen dieser Ebene entziehen (ζ. B. Englisch, Chinesisch). Aber auch in flektierenden Sprachen bleibt oft eine (zu) große Restgruppe formunveränderlicher Elemente, die nach anderen Gesichtspunkten weiter spezifiziert werden könnten. Es seien hier nur als Beispiel Präpositionen und Konjunktionen genannt, die einen bzw. keinen Kasus von einem weiteren Element fordern. Das syntaktische Kriterium mit den Prinzipien 'gleiche bzw. unterschiedliche Position/ Funktion' führte, allein und konsequent angewandt, im Deutschen zu über 100 Wortarten. Zusätzlich würden sich nicht nur semantische Restriktionen zwischen den Elementen auswirken, sondern jede grammatische Form gälte als eigene Wortart. Der Distributionsrahmen der... läuft erlaubte nur ein Element der Art Mann, Hund u. ä., aber kein Element der Art Mannes, Hundes bzw. Frau usw.4 Ein ähnliches Problem würde sich auch im Zusammenhang mit dem morphologischen Kriterium stellen, wenn man behauptete, heutig wäre trotz sonstiger Übereinstimmungen kein Adjektiv, sondern konstituierte eine eigene Wortart, da es nicht komparierbar wäre: *heutiger. Offensichtlich müssen also auf allen Ebenen schon von vornherein Abstriche gemacht und Verallgemeinerungen getroffen werden, wobei dies oft unter Einbeziehung der anderen Kriterien geschieht. Damit ist aber auch eine Einteilung nach syntaktischen Kriterien in moderater Form, die am 'sichersten' und 'autonomsten' erscheint, nur wieder ein Zirkelschluß, da sie implizit bereits auf einer anderen Kategorisierung beruht. Welche Kriterien nun jeweils Anwendung finden und nach welchem
4
Siehe auch BERGENHOLTZ/SCHAEDER (1977:14).
101
Einleitendes und Allgemeines
Konzept, daraus resultieren die verschiedenen Wortarteinteilungen.5 Einige wenige sollen hier aufgrund ihrer Repräsentativst für bestimmte Grundkonzepte näher betrachtet werden. Als ökonomischste Lösung bietet sich für Sprachen wie das Deutsche mit einer morphologischen Komponente eine Art 'Flußdiagramm' an. Kennzeichnend dafür ist eine selektive und hierarchisch-implikative Auswahl der möglichen Kriterien auf allen drei Ebenen. Damit werden typische Eigenschaften erfaßt und untypische ausgeschlossen bzw. vernachlässigt. Im Prinzip war diese selektive Vorgehensweise bereits bei DIONYSIOS THRAX zu finden (s. o.). Als Beispielfälle dienen hier die Diagramme zur Aufsplitterung formveränderlicher und formunveränderlicher Klassen im Deutschen nach morphologischen und syntaktischen Prinzipien6. a) Formveränderliche Klassen flektierbar
konjugierbar VERB
deklinierbar
fixes Genus SUBSTANTIV
Genusanpassung
komparierbar ADJEKTIV
nicht komparierbar
PRONOMEN
ARTIKEL
(in Anlehnung an VAN DER ELST 41992:155)
5 6 7
Zu einer kurzen Zusammenfassung der Wortarteneinteilung in Arbeiten zum Deutschen aus diesem Jahrhundert s. BERGENHOLTZ/SCHAEDER (1977:19-50). Zu einer Aufsplitterung nach morphosyntaktisch-semantischen Prinzipien s. ζ. B. ENGEL (1988:20). Zum Problem der weiteren Unterscheidung von Pronomen und Artikel s. VAN DER ELST («1992:156f.).
102
Wortarten und Wortartenkonzeptionen
b) Formunveränderliche Klassen nicht flektierbar
mit Satzgliedwert
satzmodinicht satzmodifizierend fizierend MODALWORT ADVERB
ohne Satzgliedwert
syntaktische Relationen realisierend
mit Kasusforderung PRÄPOSITION
nicht syntaktische Relationen realisierend PARTIKEL
ohne Kasusforderung KONJUNKTION
(in Anlehnung an VAN DER ELST 4 1992:163) Überflüssig und unnötig verwirrend erscheint daher eine gleichzeitige Anwendung aller drei Kriterien auf jede Wortart, was sich besonders deutlich in der letzten Auflage der DUDEN-GRAMMATIK von 1995 zeigt. Prinzipiell ergibt sich daraus keine andere Einteilung als schon bei DIONYSIOS THRAX. Im Gegensatz zu den Icanonischen' acht Kategorien ergeben sich hier insgesamt nur fünf Wortarten: Verb, Substantiv, Adjektiv, Artikel/Pronomen ('Flektierbare") und 'Unflektierbare' (DUDEN-GRAMMATIK 51995: 88). Die Wortart 'Interjektion', die noch in der vierten Auflage von 1984 vorkommt (DUDEN-GRAMMATIK 4 1984: 91) fehlt jetzt ganz. Zur „Rest- und Sammelklasse" 'Unflektierbare' werden Adverb, Partikel, Präposition und Konjunktion zusammengefaßt, da sie „weder konjugierbar noch deklinierbar" sind (DUDEN-GRAMMATIK 51995: 354). Gerade im Bereich der Partikeln fehlen also genaue semantische und/oder syntaktische Kriterien zur notwendigen Weiterdifferenzierung. Trotz der Anwendung aller drei Kriterien auf jede Wortart, versagt diese Vorgehensweise an gewissen Stellen. Dadurch konsolidiert sich der Eindruck, daß es sich weniger um ein Verfahren zur Tntdeckung' der möglichen Wortarten in einer Sprache handelt, sondern eher um die Legitimierung der durch die Grammatiktradition bereits etablierten Kategorien. Dieselbe Frage drängt sich im Zusammenhang mit dem Ansatz von BERGENHOLTZ/SCHAEDER 1977 auf, die die Lösung in einer „syntaktisch orientierten Klassifikation" (s. Untertitel) sehen. Das Spezifikum dabei ist, daß sie überdies zwischen 'Wortarten' und 'Lexemklassen' unterscheiden, indem sie die klassische strukturalistische Schei-
103
Einleitendes und Allgemeines
dung zwischen den Ebenen Verlauf, also 'parole', und System, also 'langue', vollziehen. Die Lexemklasse gilt als Kategorie des Systems, die Wortart als Kategorie des Verlaufs. Hier liegen 'grammatische Wörter', konkrete Realisierungen der abstrakten lexematischen Wörter' zugrunde, die nach morphologisch-semantischen Kriterien wiederum zu Lexemklassen zusammengefaßt werden. Die Wortarten sind damit auf primär-induktive Weise gewonnene, syntaktisch definierte Klassen. Sie stellen grammatische Kategorien dar. [...] Lexemklassen stellen somit eher auf primär-deduktive Weise zu gewinnende, morphologisch und/oder semantisch definierte Klassen dar. Sie sind eher lexikalische Kategorien (BERGENHOLTZ/ SCHAEDER1977: 55).
So gewinnen BERGENHOLTZ/SCHAEDER 51 Wortarten und 5 Lexemklassen (Pronomen, Substantiv, Verb, Adjektiv, Partikel), wobei jeder Lexemklasse mindestens eine Wortart und jede Wortart genau einer Lexemklasse zugeordnet ist. Dies sei kurz an einem Beispiel demonstriert (BERGENHOLTZ/SCHAEDER 1977: 56).8 WORTART Pronomen Relativpronomen Interrogativpronomen Artikel Relativartikel Interrogativartikel Präartikel
LEXEMKLASSE
Pronomen
Die verschiedenen Wortarten unterscheiden sich durch ihre syntaktische Position und Funktion. Interrogativpronomen und Interrogativartikel differieren z. B. in Hinblick auf ihre Abhängigkeitsverhältnisse. Das Interrogativpronomen ist immer selbständig oder regierendes Element einer präpositionalen Phrase, während der Interrogativartikel immer regiertes Element einer Nominalphrase ist: ... hat das getan? vs. ... Monate
bist du arbeitslos gewesen?
(BERGENHOLTZ/
SCHAEDER 1977: 95f., 99f.). Diese 'Lösung' ist zwar gut operationalisierbar, führt m. E. allerdings nicht viel weiter. Die Autoren kommen innerhalb der Lexemklassen wieder zu denselben Kategorien wie die DUDEN-GRAMMATIK innerhalb der Wortarten (s. o.). Ihre Vorgehensweise unterscheidet sich lediglich dadurch von den allgemein üblichen, daß primär der syntaktische Aspekt im Vordergrund steht und die so gewonnenen Kategorien sekundär übergreifenden morpholo-
8
Zu den einzelnen Wortarten s. BERGENHOLTZ/SCHAEDER (1977:76-143).
104
Wortarten und Wortartenkonzeptionen
gisch-semantìschen Klassen zugeordnet werden. Letztendlich werden auch hier die traditionellen Kategorien bestätigt und mit Hilfe des syntaktischen Parameters weiter ausdifferenziert (s. a. o. zur Kritik an der 'syntaktischen Methode'), was allerdings einen Fortschritt gegenüber der DUDEN-GRAMMATIK darstellt. Eine grundlegende Hinterfragung der traditionellen Kategorien bleibt aber aus. Abgesehen von den Problemen, die sich durch die unterschiedliche Gewichtung der verschiedenen Ebenen mit den nicht-deckungsgleichen Kriterien ergeben, existieren noch solche, die mit dem Phänomen des Wortartwechsels zusammenhängen, sei es nun diachron oder synchron. Verschiedene Adverbien und Präpositionen gehörten nicht immer diesen Wortarten an, sondern wurden erst als erstarrte flektierte Formen anderer Wortarten zu solchen. Mit die bekanntesten Beispiele sind hierbei das Adverb flugs und die Präposition wegen, die auf einen substantivischen Mask. Gen. Sg. bzw. Mask. Dat. PI. zurückgehen. Im ersten Fall wurde das Genitivelement sogar als Adverbsuffix uminterpretiert, so daß Analogiebildungen auch zu femininen Basen, z. B. nachts, möglich sind. Es handelt sich also ursprünglich um einzelne Wortformen als Teile eines Paradigmas, die aber syntaktisch und sementiseli die Kriterien der Wortart Adverb erfüllen und deshalb als 'Wortartwechsler' gelten. Zusätzlich hat sogar das ursprüngliche Flexionselement 'die Wortart gewechselt' und fungiert jetzt als Kennzeichen zweier Klassen. An diesem Beispiel wird ein weiterer kritischer Punkt deutlich, der nicht sofort auffällt. Es handelt sich um den Begriff 'Wort' bzw. 'Wörter'. Man unterscheidet i. a. zwischen dem 'grammatischen Wort' bzw. der 'Wortform' und dem lexikalischen Wort' bzw. 'Lexem', oft auch einfach 'Wort' genannt. Das Lexem ist über seine Form und seine semantischen sowie grammatischen Eigenschaften und damit auch über seine Wortart definiert, wohingegen ein grammatisches Wort als mögliche Realisierung eines Lexems gilt. Alle Wortformen sind deshalb Teil ihres jeweils übergeordneten Lexems und gehören derselben Wortart an.9 Wenn nun eine oder mehrere Wortformen eines Lexems, und zwar ohne weitere formale Markierungen wie z. B. Derivative, Eigenschaften einer anderen Wortart aufweisen, müßte man konsequenterweise von einem Wortartwechsel und damit einem neuen Lexem sprechen. Wo die semantische Entwicklung dies zuläßt, ist das auch der Fall, man würde dann Homonyme, d. h. formal gleiche, aber
9
Siehe dazu auch oben die Wortart- bzw. Lexemklassenkonzeption von BERGENHOLTZ/SCHAEDER1977.
Einleitendes und Allgemeines
105
in semantischer Hinsicht unterschiedliche, Lexeme ansetzen (s. o.). Bei den Wortartwechseln, die oft als Konversion usw. bezeichnet werden, ist es aber so, daß die Lexemsemantik kaum differiert und lediglich syntaktische und/oder flexionsmorphologische Anforderungen anderer Wortarten z u s ä t z l i c h erfüllt werden. So scheut man sich, ein neues Lexem anzusetzen, was verständlich ist in Fällen wie lachen-Lachen, schön-das Schöne usw. Man hat immer den Eindruck, daß eine Wortart die 'eigentliche' und die andere die 'uneigentliche' wäre. Darin mag der Grund liegen, daß man im Falle von substantivierten Adjektiven eben nicht von 'Substantiven', sondern von 'Substantivierung' gesprochen wird. Die syntaktische Position alleine macht aus einem Adjektiv oder einem Verb offensichtlich noch kein Substantiv. Hier liegt eher dynamischer Wortartwechsel, also Multifunktionalität bzw. Wortartenüberlappung in einem Lexem vor (s. Kapitel 2.1.5). Daß die beschriebenen Phänomene aber eine Klassifikation der Wörter (!) noch zusätzlich erschwert, dürfte unmittelbar einsichtig sein. Da hilft es m. E. auch nicht unbedingt, wie BERGENHOLTZ/MUGDAN 1979b davon auszugehen, daß Kernmorpheme im Lexikon, also in der 'langue', grundsätzlich nicht wortartgebungen sind. Sie sind der Meinung, daß alle Stämme in der 'parole' jede beliebige Wortart übernehmen können. Wortartübergänge von einer 'eigentlichen', Tjasalen' zu einer darübergelagerten, 'abgeleiteten' Wortart existieren in diesem theoretischen Rahmen nicht. Warum sich aber trotzdem solche Wortartwechsel schwerpunktmäßig um bestimmte Wortarten und mit spezifischen Mitteln gruppieren, erklären sie nicht. Darauf weist schon OLSEN 1990 berechtigterweise hin. Das Problem wird dadurch nur auf eine andere, nämlich die Textebene, gehoben, für die eine Lösung aber nicht unbedingt einfacher zu finden ist. Das Problem liegt also offensichtlich darin, daß sich schon innerhalb einer Sprache, und dazu noch innerhalb eines Lexems, die Kriterien und Kategorien überschneiden können. Wie soll es dann aber möglich sein, ein Wortartenkonzept für mehrere oder möglichst sogar alle Sprachen auf gemeinsamer Grundlage zu schaffen? Wie schon im Zusammenhang mit der Konversion beobachtet, ist es problematisch, wenn man versucht, ein innerhalb einer Sprache (bzw. Sprachengruppe) einigermaßen stimmiges Konzept auf andere Systeme zu übertragen. Im Fall der Wortarten war das Vorbild das Griechische mit seiner differenzierten Ebenenaufteilung in Semantik, Syntax und Morphologie. SASSE (1993: 200) weist auf diese Tatsache und vor allem auf andere mögliche Korrelationen der verschiedenen Ebenen in anderen Sprachen hin. Es geht dabei um das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein von formal-distinktiven Kategorien auf lexi-
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
kalischer und syntaktischer Ebene und die jeweiligen Korrelationsmöglichkeiten.
Typ A Typ Β TVPC TvpD
Lexikalische Kategoriendistinktion + + + -
Syntaktische Kategoriendistinktion + + -
+
Korrelation + —
nicht definiert nicht definiert
Logisch sind vier Typen denkbar: F a l l s distinktive Kategorisierungen in Lexikon und Syntax vorliegen, können diese korrelieren (Typ A) oder nicht (Typ B). Liegt entweder in der Syntax (Typ C) oder in der Lexik (Typ D) keine Kategorisierung vor, ist die Frage hinsichtlich einer Korrelation ohnehin 'nicht definiert', da nicht anwendbar. Interessant ist, daß SASSE keinen Typ ansetzt, in dem es weder eine lexikalische noch eine syntaktische Kategoriendistinktion gibt. Das heißt also, irgendwie werden Wörter auf jeden Fall differenziert, sei es syntaktisch und/oder lexikalisch. Die meisten indoeuropäischen Sprachen gehören Typ A an, Typ Β wird vom Tagalog und evtl. anderen austronesischen Sprachen repräsentiert, Typ C scheint für polysynthetische Sprachen charakteristisch zu sein10, Typ D findet sich wahrscheinlich in den meisten polynesischen Sprachen (SASSE 1993: 200). Da aber die Verhältnisse im Griechischen, das stellvertretend für Typ A steht, ausschlaggebend sind für die traditionelle Wortarteneinteilung, ergeben sich enorme Schwierigkeiten beim Versuch, diese Strukturen auf Sprachen mit abweichenden Kategorisierungen zu übertragen. Naturgemäß hat das auch Konsequenzen für alles, was mit Wortartwechsel und damit auch mit Konversion u. ä. zusammenhängt. Das ist hier jedoch nur als Hinweis auf eine Problematik gedacht, auf die im Laufe der Arbeit, v. a. in Kapitel 4.1, näher eingegangen wird. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal dem UNITYP-Kontinuum zur Dimension der Partizipation zuwenden.
10 SASSE (1993:203ff.) demonstriert das am irokesischen Cayuga.
107
Einleitendes und Allgemeines Log. N/V-UnterPrkd. Scheidung
VeibMassen
INDIKATIVITÄT
Valenz Orientierang
Trainittvler.
Kisu·markier.
WENDEPUNKT
PRÄDIKATIVITÄT WENDEPUNKT (in Anlehnung an SEILER 1988b: 100)
Vobseriali*.
Kausativier.
Kompl. Sitze
PRÄDIKATIVITÄT
INDIKATIVITÄT
Wie bereits in Kapitel 2.3.1 geschildert, geht es innerhalb der Dimension der Partizipation um den Bezug vom Partizipatum (P.atum) zu dem/n Partizipanten (P.ant) und um den Etablierungs'status' zwischen den Polen Inhärenz und Etablierung. Hier interessiert neben dem Punkt logische Prädikate vor allem das Subkontinuum der N/V-Unterscheidung. Bevor ein engerer oder weiterer P.antenbezug etabliert werden kann, müssen P.ant und P.atum erst einmal separat existieren, also der P.antenbezug darf nicht mehr nur inhärent gegeben sein. Ein Satz der Technik Logische Prädikate (ich bin eine Frau) mit weitgehend undifferenzierten Mitteln für P.ant und P.atum wäre hier nicht mehr möglich. Typischerweise treten für das relationale P.atum Verben und für die absoluten P.anten Substantive ein. Das Subkontinuum erstreckt sich von indikativischer Stamm- und Flexionsmorphologie bis zu nicht obligatorischer, dezentralisierter, nur syntaktischer Differenzierung, so daß man besser nicht von Substantiven und Verben, sondern von Nominalität und Verbalität spricht. Da es sich um ein innersprachliches Kontinuum handelt, können, müssen aber nicht, alle Techniken in jeder Sprache realisiert sein, da innerhalb der Subtechniken Schwerpunkte möglich, wenn nicht sogar notwendig sind. Das heißt, daß Sprachen, um Nominalität und Verbalität zu differenzieren, den Schwerpunkt auf syntaktische, morphologische oder lexikalische Mittel legen und diese auch kombinieren können. Ich gehe hier ähnlich vor und betrachte die N/V-Unterscheidung als ein mögliches Mittel, Apprehension und Partizipation, d. h. Referentialisierung bzw. Indikation und Qualifizierung bzw. Prädikation, zu übermitteln. Es ist also nicht die Frage, ob es in einer Sprache Substantive und Verben gibt, möglichst noch so, daß ihre Konzepte mit denen der Ausgangssprache des Untersuchers übereinstimmen, sondern auf welchen
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
Ebenen und mit welchem Korrelationsgrad die beiden Kategorien existieren. Die auf die Technik der N/V-Unterscheidung übertragenen Funktionen der Referentialität und der Prädikativität kann man als Nominalität und Verbalität betrachten. Nicht ob, sondern wie die Unterscheidung sich gestaltet, ist die Frage. Damit ist vorausgesetzt, daß es immer eine solche Opposition gibt, egal in welcher Sprache. Auch SASSE 1993 hatte ja schon zumindest implizit erkannt, daß es keinen Sprachtypus gibt, der keine lexikalische u n d keine syntaktische Kategoriendifferenzierung aufweist. Was die Sprachen unterscheidet, ist der bezüglich N/V existierende morphologische und/ oder syntaktische Differenzierungs- bzw. Überschneidungsgrad. WALTER 1981 hat gezeigt, daß der Indistinktionsgrad für polysynthetische Sprachen, wie ζ. B. Eskimo, besonders hoch anzusetzen ist. Für solche Idiome wäre der Schwerpunkt evtl. am Wendepunkt anzusetzen, für den die geringsten Form-Konzept-Parallelisierungen gelten. Solche Verhältnisse führen oft zu der Behauptung, es gäbe keine Wortarten Ν und V, weil semantische nicht mit morphosyntaktischen Eigenschaften korrelierten, so daß im Prinzip kein Stamm formalen Restriktionen unterworfen wäre. In der Tat betrifft dies aber immer nur einen kleineren oder größeren Teil der Stämme, nicht alle. In seiner Schrift zu Ν und V im Nootka (Salisch) zeigt etwa JACOBSEN (1979: 103ff.), daß es Stämme gibt, die in bestimmten Positionen zusätzlich einen Nominalisierungsmarker benötigen, also durch sich selbst für die Position nicht adäquat sind. Als Fazit bleibt, daß sich Ν und V oppositionell, gleichzeitig aber auch komplementär verhalten. Sie repräsentieren im kleinen das Kontinuumkonzept, wie es ζ. B. durch die Dimensionen der Apprehension und der Partizipation aufgespannt ist."
11 Zu einem Kontinuumkonzept der Wortarten nach anderen Kriterien s. ROSS 1972.
NOMINALITÄT
Adjektiv und Adverb
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WENDEPUNKT
VERBALITÄT
(in Anlehnung an SEILER 1988b: 104; 1988a: 130) Dieses Kontinuum sagt nichts darüber aus, mit welchen Mitteln die Unterscheidung getroffen wird, d. h. wie distinkt oder indistinkt die Formen sind, die enge oder weite Bandbreite hinsichtlich Formmöglichkeiten muß einzelsprachlich erst 'aufgefüllt' werden. Prototypische V und Ν repräsentieren also wieder spiegelbildlich die für die Konzepte Dieses und Solches bzw. Indikativität und Prädikativität typischen Eigenschaften: Ν V Dieses (Individuum) Solches (Klasse, Eigenschaft) Hinweis Aussage absolut relational eher extensional eher intensional mehr referentiell weniger referentiell (qualifizierend) weniger markiert mehr markiert weniger 'neue' Information mehr 'neue' Information Thema Rhema Topic Nicht-Topic Subjekt Prädikat/Objekt Agens Handlung/Patiens (in Anlehnung an SEILER 1988b: 12,29,124; LEISS 1992:117,128) Das sind nur die prototypischen Eigenschaften von Ν und V, die die Endpunkte eines Kontinuums darstellen. Wie erklären sich diese Charakteristika? Typische Substantive, räumliche Objekte repräsentierend, werden früher erworben als typische, sich auf Aktionen oder Zustandsänderungen beziehende Verben (GENTNER 1982:305). Früher erworben wird das, was perzeptiv leichter zugänglich ist und umgekehrt. Perzeptiv
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
leicht zugänglich sind Dinge, die v. a. optisch besonders gut erfaßt und von anderen ihrer Art unterschieden werden können. Für die Gewährleistung der Wiedererkennung ist außerdem 'Gestaltkonstanz' wesentlich, was oft mit dem Stichwort 'time-stability' umschrieben wird (ζ. B. GIVÓN 1979: 320). Ich spreche hier statt dessen von Stativität. Die genannten Bedingungen sind umso eher erfüllt, je eindeutiger sich ein Element räumlich von seiner Umgebung abgrenzen läßt und je spezifischer und statischer seine Eigenschaften sind. Je mehr Eigenschaften auf ein Element zutreffen, je stärker seine intensionale Bestimmung, desto niedriger ist seine Extension und umso eindeutiger seine Referenz, die Menge der möglichen Repräsentanten wird immer mehr eingegrenzt. Das Element ist individuiert, aus seiner Klasse herausgehoben, und kann durch Hinweisen benannt werden, was aufgrund der starken Abgrenzung möglich ist. Durch die starke Abgrenzung bzw. Definitheit ist Ν prädestiniert als Thema eines Satzes, da das Bekannte sich aus einer vorausgehenden Erwähnung und Eingrenzung rekrutiert. Die Thema-Füllung ist aber eng an die Subjekt-Funktion gebunden, so daß sich deutliche Affinitäten zwischen Subjekt und Ν ergeben. Typische Substantive stellen einen absoluten semantischen Wert dar, er bedarf keiner obligatorischen Auffüllung durch weitere spezifische Prädikationen und Merkmale, außer einer Etablierung in der Rede durch das ist... u. ä. Durch solche logischen Prädikate wird die einfachste Art von Prädikation bzw. Referenz überhaupt etabliert, außersprachliches Objekt und abstrakte Lexikoneinheit werden ohne weitere Spezifizierungen erst in Relation zueinander gesetzt. N-Lexeme sind abstrakte Entitäten, Bündel von Minimalprädikationen, deren Zusammenstellung von den jeweiligen Traditionen und Bedürfnissen der Sprachgemeinschaft gesteuert ist. Sie stellen sprachökonomisch günstige Knotenpunkte in einem sprachlichen Situationsnetz dar. Der spezifische Sprechakt ist ein Referenzakt, dadurch wird auf eine bestimmte Situation verwiesen; diese Flexibilität wird durch weitere beliebige Prädikationen gewährleistet. Sie fügen einfach zusätzliche Eigenschaften hinzu. Als solche sind sie relational, da sie weitere Elemente bzw. Argumente benötigen, auf die sie sich beziehen, und intensional weniger determiniert, da sie möglichst viele Elemente beschreiben sollen. Aufgrund der daraus resultierenden hohen Extensionalität referieren sie weniger, qualifizieren eher. Dadurch bringen sie neue Informationen ein, was sich auch darin manifestiert, daß V im allgemeinen morphologisch komplexer sind als Ν (GENTNER 1982: 319). Sie sind dadurch für das Rhema und damit für das Prädikat prädestiniert. Die Funktion der Verben ist die maximale Referentialisie-
Einleitendes und Allgemeines
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rung und damit die Aktualisierung des Subjekts durch Auffüllung mit situationsabhängiger Information (LEISS 1992:128). Das widerspricht nicht der Auffassung, daß das Prädikat das strukturelle Zentrum des Satzes ist. Das Subjekt ist genauso in der Valenz des Verbs verankert wie andere Argumente. Funktional ist das Prädikat aber dem Subjekt 'untergeordnet'; das erklärt auch die besondere Stellung des Subjekts gegenüber anderen Argumenten. Damit gehe ich hier von der weiten Auffassung des Prädikats aus, die nur das Subjekt ausschließt. Ν und V bedingen sich auf die gleiche Weise wie Individuum und Klasse, da sich die Klasseneigenschaften in einem Individuum verwirklichen und das Individuum sich durch Klasseneigenschaften definiert. Zwischen Ν und V liegen viele Übergangsformen, und eine solche kardinale Form ist das sogenannte Adjektiv, das Teileigenschaften von Ν und V miteinander verknüpft. Das Adjektiv ist eine zusätzliche Minimalprädikation zur Referentialisierung des Subjekts. Die Parallele von V und A zeigt sich auch in Kongruenzerscheinungen, da beide Wortarten als Determinanten Elemente des determinierten Lexems übernehmen können. Gleichzeitig haben Adjektive aber die Eigenschaft, stativisch und damit N-nah zu sein. Dadurch werden sie oft entweder Ν (Latein) oder V (Chinesisch) zugeordnet (siehe genauer Kapitel 3.4). Innerhalb jeder Kategorie kann wieder ein Subkontinuum aufgespannt werden mit zwei weiteren Polen. Ein solches Subkontinuum funktioniert wie zwei Prototypen mit einer Übergangszone. Vor allem aber muß ein Schwerpunkt gesetzt werden. Die Perspektivierung stellt zwar eine Opposition zur Verfügung, verlangt aber eine Hierarchisierung. Das heißt, es gibt typische und weniger typische Ν ebenso wie typische und weniger typische V. Da V und Ν aber komplementär sind, könnte man nun annehmen, daß typische Ν untypischen V gleichen und umgekehrt. Damit haben V und Ν gemeinsame 'innere Merkmale', die oppositionell und gleichzeitig komplementär verteilt sind. Diese 'inneren Merkmale' müssen kompatibel mit den oben genannten Eigenschaften sein. Es wird dabei auf die in Kapitel 2.3.2 eingeführten Eigenschaften von Teilbarkeit und Kumulativität zurückgegriffen. Die formalen Eigenschaften sind in ikonischer Weise Widerspiegelungen der inneren Merkmale. Diese Merkmale können auch semantische genannt werden, doch sei darauf hingewiesen, daß es sich dabei um sehr abstrakte Merkmale handelt, um semantische Primitivkonzepte. Dabei wird die Semantik wieder eingeführt und in Zusammenhang mit den formalen Mitteln gebracht; es wird behauptet, daß diese Primitiva spiegelbildlich auf V und Ν verteilt sind.
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
I maintain that the grammatical behavior of the noun or verb class is best regarded as SYMPTOMATIC of its semantic value, not the sole or final basis for a critical definition (LANGACKER [1987]/1991b: 60).
Hinzu kommt noch ein weiterer Punkt. Vorausgesetzt wird eine Doppelung von Ν und V, die jeweils wieder eine Doppelung ermöglicht. Es wird aber nicht vorgegeben, welche Perspektivierung innerhalb dieser Doppelung die prototypische und deshalb nicht-markierte ist. Die Perspektivierung ist den Einzelsprachen überlassen. Vorgegeben ist lediglich die Perspektivierungsmöglichkeit. Ich werde mich in dieser Hinsicht im folgenden vor allem mit den kardinalen Wortarten beschäftigen, d. h. mit Substantiv, Verb, Adjektiv und ansatzweise Adverb. Es sind dies die Wortarten, die innerhalb der Wortbildung und speziell innerhalb des affixlosen Wortartübergangs eine besondere Rolle spielen.
3.2
Substantiv
3.2.1 Substantivarten und Quantifizierung Substantive werden nicht nur durch ihre morphologischen und syntaktischen, sondern immer auch durch ihre semantischen, kognitiv-ontologischen Eigenschaften definiert. Das hatte sich schon bei der Bestimmung des Substantivs durch DIONYSIOS THRAX gezeigt (nach ARENS 21969: 23): Das Nomen ist ein kasusbildender Satzteil, welcher ein Ding, ζ. B. Stein, oder eine Handlung, ζ. B. Erziehung, bezeichnet und allgemein, ζ. B. Mensch, Pferd, und besonders, ζ. B. Sokrates, gebraucht wird.
Im letzten Kapitel hat sich gezeigt, daß früh erworbene Wörter v. a. Personen oder Gegenstände der außersprachlichen Wirklichkeit kodieren. Sie sind perzeptiv leicht zugänglich, da sie sich von ihrer Umgebung durch ihre deutliche räumliche Abgrenzung gut unterscheiden. Dadurch und durch Gestaltkonstanz sowie viele spezifische Merkmale gewährleisten sie eine hohe Wiedererkennungsquote. Dies trifft speziell auf konkrete belebte Objekte zu, die so stark individuiert, heterogen sind, daß selten ein Element dem anderen gleicht. Die Referenzleistung ist bei diesen typischen Substantiven besonders hoch, da ihre intensionale Determiniertheit stark und dadurch ihre Extension gering ist. Auf das Element 'Stein' in der THRAXschen Definition scheint dies zuzutreffen, allerdings fällt schon nach kurzer Überlegung auf, daß es sich nicht nur um einen einzelnen, individuellen Stein, sondern um das Material 'Stein' handeln könnte, und am Beispiel 'Erziehung' wird die Uneinheitlichkeit, ja Widersprüch-
Substantiv
113
lichkeit, des ontologischen Kriteriums offenkundig. Gerade das Konzept der 'Handlung' ist ja die spezifische Eigenschaft, durch die Verben definiert sind. Dies hat dazu geführt, daß diese Ebene der Wortartendefinition nur sekundär herangezogen bzw. sogar negiert wurde. Vor allem eine schwerpunktmäßig syntaktische Beschreibung glaubt, den Rückgriff auf solche ontologischen Kriterien weitgehend vermeiden zu können (s. Kapitel 3.1). Ich behaupte nun aber ganz im Gegensatz dazu, daß die formale Ebene 'nur' die tieferliegenden ontologisch-kognitiven Strukturen spiegelt und jene direkt steuert. Irregularitäten sind deshalb eigentlich keine Irregularitäten, sondern scheinen nur so aufgrund eines falschen, übergeneralisierenden Prinzips. Im besten Falle könnte man von regulären Irregularitäten sprechen. Was sind nun aber diese semantisch-ontologischen Kriterien, und wie äußern sie sich? Die Antwort darauf wurde teilweise schon vorweggenommen. Es handelt sich um das Merkmal der inneren Q u a n t i f i z i e r u n g , wie es sich auch aus den Konzepten von Individuum und Klasse, Dieses und Solches ergibt. Seinen stärksten Niederschlag findet dieses innere Merkmal deshalb auch in der grammatischen Kategorie Numerus, die Quantifizierung formal wiedergibt. Schon ARISTOTELES (Metaphysik, Buch Δ, Kapitel 2,1014a; s. Kapitel 2.3.2) verweist auf diese dichotomische Konzeption, indem er die Begriffe 'Wasser' und 'Silbe' aufgrund ihrer unterschiedlichen inneren Strukturierung gegeneinander setzt. Durch 'Wasser' wird etwas repräsentiert, worauf bei jeder neuerlichen Teilung derselbe Begriff angewandt werden kann, während sich bei Teilung dessen, was eine 'Silbe' repräsentiert, verschiedenartige Bestandteile, nämlich Buchstaben, ergeben. Unter der Prämisse der Begriffskonstanz muß man also zwei Konzepte unterscheiden, t e i 1 b a r e s u n d u n t e i 1 ba r e s G a n z e s . Das unteilbare, definite Ganze stellt sich als 'Korpuskel', als Txninded region' (LANGACKER [1987]/1991b: 69) dar und korreliert mit dem Prinzip der Individualität und N-haftigkeit. Das teilbare, indefinite Ganze wird als 'Welle' repräsentiert und korreliert mit dem Prinzip der Prädikativität und V-haftigkeit. Graphisch läßt sich das etwa so darstellen:
unteilbares Ganzes
teilbares Ganzes
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
Innerhalb der Sprachphilosophie ist dieses Konzept der Teil-GanzesVerhältnisse weit verbreitet. Stark rezipiert ist QUINE 1960, der sich mit diesen Phänomenen intensiv beschäftigt hat, v. a. innerhalb der Ontologie der Nominalsemantik spielt der Ansatz eine große Rolle (z. B. MAYER 1981). Auch auf linguistischer Seite, z. B. KRIFKA 1989, zeigen sich in den letzten Jahren Tendenzen, bestimmte Formmerkmale nicht losgelöst von der Ontologie zu betrachten, sondern diese miteinzubeziehen. Offensichtlich gibt es für Substantive also ein duales Konzept, das wiederum durch Indikativität und Prädikativität bestimmt ist. Die Konzeptteile sind jedoch nicht als gleichwertig zu betrachten, sie müssen gereiht und hierarchisiert werden, wobei die morphologischen Gegebenheiten, wie zu zeigen sein wird, eine große Rolle spielen. LYONS (1977: 442) unterscheidet strikt drei solcher hierarchisierter Substantivsubklassen: "Physical objects are what we will call firstorder entities". Dies sind typischerweise Personen, Tiere und konkrete Dinge, also 'count-nouns' oder Individuativa. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie in der außersprachlichen Wirklichkeit individuelle Entitäten repräsentieren, auf die im dreidimensionalen Raum referiert werden kann. Definiert sind sie durch bestimmte konstante Eigenschaften, die in einem gewissen Rahmen eine weitere okkasionelle Modifizierung und damit eine stärkere Referentialisierung erlauben (vgl. LYONS 1977: 442f.). Weiter gilt: "By second-order entities we shall mean events, processes, states-of-affairs, etc., [...]; and by thirdorder entities we shall mean such abstract entities as propositions, which are outside space and time" (LYONS 1977:443). Beide Arten von Substantiven werden oft als 'Abstrakta' im Gegensatz zu 'Konkreta' bezeichnet und unterscheiden sich von 'first-order entities' durch ihre fehlende spatio-temporale Konkretheit und Individualität. Dadurch sind sie speziell dem optischen Sinn weniger gut zugänglich und ihre Reidentifizierung ist weniger stark reglementiert. Just look at that dog ist raum-zeitlich eindeutiger zu orten als just look at that sunset, und eindeutiger ist auch die Reidentifizierung von the same person was here again today, verglichen mit the same thing happened again today (Beispiele LYONS 1977: 444). Entitäten höherer Ordnung zeichnen sich oft vor allem auch dadurch aus, daß sie formal komplex sind und dem Bereich der Wortbildung, speziell der Derivation angehören. Sie werden als Ν orni na 1 i si e r u n g e η bezeichnet und weisen meist eine 'prozessuale' oder 'stative' Basis, also ein Verb oder Adjektiv auf: Schön-heit. Prüf-ung. Befrei-ung. Belastbar-keit. Durch diese Merkmalhaftigkeit geben sie sich als 'Außenseiter' zu erkennen und befriedigen das Streben nach
Substantiv
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ikonischer Kodierung. Auch flexionsmorphologisch verhalten sich typische Substantive anders als diejenigen höherer Ordnung. Speziell im Numerusbereich sind Abstrakte oft defektiv, da sie seltener einen Plural bilden. Pluralisierung, die eng mit Zählbarkeit verknüpft ist, wird durch spatio-temporale Vagheit und ambige Referenz erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Werden Abstrakta trotzdem mit einem Pluralmarker versehen, Tconkretisieren' sie automatisch. Schönheiten sind deshalb mehrere belebte Träger der Eigenschaft, Prüfungen sind zeit-räumlich genau festgelegte diskrete Prüfungsereignisse usw. Diese Eigenschaften finden sich jedoch nicht nur in Elementen des 'wortgebildeten' Sekundärwortschatzes. Ganz im Gegensatz ist dadurch erst einmal der Primärwortschatz12 gekennzeichnet, wo sich nicht nur Konkreta, sondern auch Abstrakta wie Idee, Urlaub u. ä. finden. Vor allem die sogenannten Massennomina oder Kontinuativa stehen diesbezüglich in Opposition zu den 'count-nouns' oder Individuativa. Sie beziehen sich i. a. auf Flüssigkeiten oder Materialarten wie Wasser, Holz, Wein, Eisen usw. Sie sind zwar perzeptionell konkret, aber inhärent uniimitiert, homogen, evozieren die Vorstellung von einem nicht-diskreten, indefiniten Ganzen. Eine Pluralisierung der Kontinuativa hat ähnliche Folgen wie hinsichtlich der Abstrakta beschrieben. So die Bildung überhaupt möglich ist, hat eine Form Hölzer, Wässer, Salze etc. die Bedeutung von Holzarten. Wasserarten usw. Als nicht-diskrete Ganzheiten gedachte nominale Inhalte lassen sich nicht vermehren, quantitativ summieren; falls solche Nomina einen Plural bilden können, bedeutet dieser die qualitative Untergliederung des nominalen Inhalts, also eine 'nicht-diskrete Vielheit', V i e l f ä l t i g k e i t (BIERMANN 1982: 229; Hervorhebung P. M. V).
Zählung oder Pluralisierung, aber ζ. B. auch Verweisungen mit Demonstrativelementen wie dies- u. ä., setzen automatisch Definitheit, Abgegrenztheit voraus bzw. behalten nur unter diesen Voraussetzungen ihre eigentliche Bedeutung. Da sich 'count-nouns' typischerweise durch Individualität auszeichnen, wird dieses Merkmal, das in höchstem Maße Lebewesen besitzen, im Falle einer Pluralisierung auf die Klasse der Kontinuativa übertragen und dort uminterpretiert. Die Folge ist, daß sich automatisch Untermengen derselben Klasse ergeben, die sich durch gewisse, 'indi-
12 Sekundärwortschatz nenne ich in Anlehnung an COSERIU (1967: 44f.) den Wortbildungsbereich, der sich durch sekundäre paradigmatische Strukturen auszeichnet und auf Einheiten des Primärwortschatzes aufbaut.
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
viduelle' Merkmale unterscheiden, ganz so, als handele es sich ζ. B. um verschiedene Repräsentanten der Klasse Hund'. Trotzdem eine morphologische Opposition Salz-Salze u. ä. glauben macht, daß man es hier analog mit einer diskreten Einheit und einer diskreten Vielheit zu tun hat, ist diese Opposition nur scheinbar. In Wirklichkeit gibt die Singularform ja keine diskrete Einheit wieder, sondern repräsentiert Numerusindifferenz, auch T r a n s n u m e r a l i t ä t genannt. Dadurch kann ein Massennomen auch als Genuskollektivum fungieren, da der Begriff selbst, ζ. B. Gold, alle potentiell zugehörigen, wenn auch räumlich diskontinuierlichen, Teilmengen als eine sekundär diskrete E i η- heit faßt. Diese generische Konzeptualisierung schlägt sich formal nieder. Zum einen kann darauf wie auf ein diskretes Objekt mit einem Definitheitsmarker nicht-anaphorisch referiert werden, zum anderen liegt Singularkongruenz im Verb vor: da$_ Gold ist Csind) zur Zeit sehr teuer. Gleichzeitig impliziert aber bereits die Singularform inhärent nicht-diskrete Vielheit, da Salz unendlich viele Portionierungen, Untermengen impliziert. Deshalb kann es auch heißen 'verschiedene Arten von Wein', nicht aber '"•verschiedene Arten von Mensch', sondern 'verschiedene Menschen' (BIERMANN 1982: 230). Da die formalen Gegebenheiten keinen direkten Einfluß auf die Vorstellung als Einheit oder Vielheit haben, können als Transnumeralia nicht nur Singularia tantum auftreten, sondern auch Pluralia tantum (Alpen, Masern, Spesen). Im Deutschen und vielen anderen indogermanischen Sprachen ist die erste Kategorie allerdings häufiger. Im Suaheli etwa fällt dagegen auf, daß viele Flüssigkeitsbezeichnungen, also typische Massennomina, und manche pluralische Substantive in eine Klasse fallen, deren Kennzeichen das Präfix ma- ist: tunda 'Frucht', matunda 'Früchte', mafuta 'Öl' (Beispiele KRIFKA 1989: 4). Dies zeigt auch auf formaler Ebene deutlich, daß sich Massennomina zusammen mit pluralischen Individualnomina singulären Individualnomina gegenüberstellen lassen. Auf syntaktischer Ebene und/oder unter Anwendung bestimmter Konstruktionen läßt sich dieser Vergleich auch gut auf deutsche Verhältnisse anwenden: Individualnomina PL SG * aller Ring alle Ringe *das ist Ring das sind Ringe (KRIFKA 1989: 4f.)
Massennomina alles Gold das ist Gold
Offensichtlich teilen a) Massennomina und b) pluralische Individual-
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Substantiv
nomina ein gemeinsames Merkmal, nämlich das der indefiniten Ganzheit, das sich bei der Pluralisierung durch die Nicht-Spezifizierung der Anzahl ergibt. Both lack an o u t e r b o u n d which defines them as a unity, and both have a m u l t i p l i c i t y of i n t e r n a l p a r t s (CUSIC 1981:16; Hervorhebung P. M. V.).
Schematisch stellt sich das so dar:
indefinites Ganzes a)
indefinites Ganzes b)
QUINE (1960: 91) hat hierfür das Kriterium der Kumulativität eingeführt: "[...]: any sum of parts which are water is water". Wenn verschiedene Entitäten jeweils unter den Begriff 'Gold' fallen, so fällt auch deren Summe unter 'Gold', das gleiche gilt für den Begriff 'Ringe', nicht aber für den Begriff '(ein) Ring'. Die Summe von Entitäten, die jeweils unter '(ein) Ring' fallen, ist eben Hinge', nicht '(ein) Ring' (vgl. KRIFKA 1989: 5, 39; auch zur Kritik an diesem Ansatz). Eine weitere Gemeinsamkeit, die Massennomina und Pluralterme verbindet, ist die Möglichkeit des artikellosen Auftretens, weshalb man auch von bloßen Massen-/Pluraltermen spricht (KRIFKA 1989: 4f., s. a. BIERMANN 1982: 230). Die potentielle Artikellosigkeit ist in diesem Zusammenhang von entscheidender Relevanz für die gemeinsame Klassifizierung von Massennomina und Pluraltermen. Der definite Artikel wirkt ja wieder individualisierend und hebt die Indefinitheit auf höherer Ebene auf. Relevant ist hier außerdem der Zusammenhang von Massennomina, (bloßen) Pluraltermen und Nominalisierungen (dazu a. CHIERCHIA 1982:243). Nominalisierungen, komplexe Abstrakte des Sekundärlexikons, ähneln auffallend den Kontinuativa des Primärlexikons und diese wiederum (bloßen) Pluraltermen. Die Markierung steht also in beiden Fällen für eine Art Indefinitheit, 'Vermassung'.13 Das paßt gut zur Struktur des Lexikons, denn définit sind die meisten Lexeme ja bereits durch sich selbst. Wie elementar diese Scheidung ist, zeigt sich an der Wiederholung innerhalb der Strukturierung des Lexikons durch Implikationsbeziehungen. Verschiedene Lexeme, die ein Wortfeld konstituieren, können durch ein gemeinsames Archilexem repräsentiert sein, in dem die spezifischen Unterschiede vernach-
13 Sehe dazu auch CROFT (1991: 86): "[...] prototypical adjectival and verbal nominalizations are mass, not count".
118
Wortarten und Wortartenkonzeptionen
lässigt werden (COSERIU 1973: 54). Die Intension des Überbegriffs bzw. Hyperonyms umfaßt lediglich die Schnittmenge der repräsentativen semantischen Merkmale und ist dadurch intensional 'schwächer' als seine Hyponyme, automatisch aber extensional 'stärker'. Jedes Hyponym impliziert deshalb gleichzeitig seinen Überbegriff: Apfel und Birne implizieren Obst; Karotte und Zwiebel implizieren Gemüse etc. Die Überbegriffe werden auch als Kollektiva bezeichnet. Das Hyperonym verhält sich dabei wie ein Massennomen bzw. es ist ein solches, da es hinsichtlich Numerus defektiv ist. Im besten Falle beziehen sich ''•die Obste, ?die Gemüse auf Obst- oder Gemüsesorten. Wird ein Plurale tantum 'zwangssingularisiert', bekommt es automatisch eine konkrete, hyponymische Bedeutung: die Möbel, aber das Möbelistück). Dieses Merkmal teilt es auch mit den Abstrakta, doch treten hier noch auffällige Parallelen hinsichtlich der Implikationsbeziehungen zutage. So wie Apfel Obst impliziert, beinhaltet Schönheit oder Prüfung die Elemente schön bzw. prüfen. Die Beziehung zwischen Derivat und Basis gestaltet sich abermals wie die zwischen Hyponym und Hyperonym, d. h. die Basis hat eine geringere Intension und eine höhere Extension. Das deckt sich mit den inneren Merkmalen der zur Verfügung stehenden Elemente, denn Verb und Ajektiv stehen diesbezüglich im Gegensatz zum Substantiv (s. o.). Da hier die Affinitäten zum Prädikat sehr eng sind, überrascht es auch nicht, daß in unmarkierten Basissätzen Hyponym und Hyperonym desselben Wortfeldes so verteilt sind, daß letzteres die referenzschwache Prädikatbzw. Rhemaposition einnimmt. LEISS (1992:130) weist auf diese Tatsache anhand von sogenannten analytischen Sätzen hin, wie Hasen sind Säugetiere, Pflanzen sind Lebewesen u. ä. Hier ist eine Formulierung von KASTOVSKY (1982: 69) aufschlußreich: Umgekehrt könnte man auch sagen, daß inhaltliche Beziehungen, die zwischen Einheiten des Primärwortschatzes bestehen, in der Wortbildung aufgegriffen und hier zusätzlich durch entsprechende formale Beziehungen explizit gemacht werden.
Die Funktion der Abstrakt- und Kollektivbildungen ist es, den nichttypischen Wortschatz aufzufüllen, denn für das Deutsche und die meisten indogermanischen Sprachen gilt allgemein (LEISI 51975: 28): „Individuativa sind außerordentlich häufig und machen wahrscheinlich die zahlreichste Gruppe der Substantive überhaupt aus". Allein schon deshalb ist eine Pluralmarkierung in diesen Sprachen i. a. obligatorisch. Da die typischen Elemente wie ein Magnet wirken, geraten so auch Elemente anderer Art in diesen Sog und interpretieren die spezifischen Eigenschaften für sich passend um. Auffällig ist, daß die 'Infinit'markierungen sich außerdem noch durch ein anderes Merkmal auszeichnen, nämlich durch die Stellung n a c h der Basis, so-
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Substantiv
wohl bei Flexion als auch bei Derivation. Da Infinitheit mit Prädikation verknüpft ist und diese dem Subjekt na eh f olgt, spiegeln sich hier möglicherweise zusätzlich ikonische Verhältnisse. Man fragt sich, ob und durch welche Mittel nçue Individuativa gebildet werden, durch die die Hyponym-Ebene aufgefüllt wird. Ohne auf den Punkt an dieser Stelle explizit einzugehen, scheint es so, als ob innerhalb der Wortbildung dafür die Komposita verantwortlich sind. Durch jede weitere Hinzufügung von Eigenschaften wird die Extension verringert und die Referentialität stärker, nähert sich der Indikativität. Haustür, Hochhaus, Schweißapparat referieren jeweils auf eine geringere Menge als Tür, Haus, Apparat. Diese zusätzlichen Determinationselemente befinden sich hier wie erwartet v o r demDeterminatum. Die gemeinsamen Eigenschaften von Kontinuativa, Kollektive und Abstrakta bewirken, daß sie sich wie untypische Substantive verhalten und, fast gleichzeitig mit Verben, relativ spät erworben werden (GENTNER 1982: 307; s. a. JAKOBSON 1977: 11). Ähnliches gilt für Adjektive, die in der Erwerbsreihenfolge nach den Verben kommen (GENTNER 1978: 988). Auch CUKOVSKIJ («1958: 44), der Spracherwerbsphänomene bei 2- bis 5-jährigen Russisch-Muttersprachlern untersuchte, mußte feststellen, daß Adjektive in dem Alter sehr selten vorkommen. In noch stärkerem Maße scheinen diese Beobachtungen für eine andere Gruppe von Substantiven, nämlich Verwandtschaftstermini zu gelten. HAVILAND/CLARK (1974: 25) beobachteten, daß deren korrekte Verwendung sogar erst im Alter von 9-10 Jahren erreicht wurde. Verwandtschaftstermini sind insofern untypische Substantive als sie das 'verbale' Element der Relationalität aufweisen und obligatorisch Modifikationen fordern. ?dies ist eine Schwester könnte nur im spezifischen Kontext geäußert werden, unmarkiert wäre dagegen dies ist meine Schwester oder dies ist die Schwester meines
Nachbarn14.
Es wäre allerdings nicht notwendig, diesen Punkt so ausführlich zu behandeln, wenn es nicht Sprachen gäbe, in denen sich Elemente, die Gegenstände der außersprachlichen Wirklichkeit repräsentieren, nicht genau umgekehrt verhielten. Der Hinweis aufs Chinesische ist LEISI zu verdanken, der in seinem erstmals 1953 erschienenen Werk 'Der Wortinhalt' eine ausgezeichnete Analyse der möglichen Subklassifizierung der Wortarten lieferte (LEISI 51975: 33). Anderseits läßt sich durchaus eine Sprache denken, die überhaupt keine Individuativa besitzt und deren Funktion ausschließlich durch Genuskollektiva (und Spezifikativa) besorgen läßt. Die so charakterisierte Sprache [...] existiert tatsächlich in Gestalt des Chinesischen.
14 Zu relationalen und absoluten Ausdrücken vgl. a. SEILER (1975b: 12ff.).
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
In den sogenannten numeralklassifizierenden Sprachen des asiatischen Raums, zu denen auch Chinesisch gehört, finden sich nahezu spiegelverkehrte Verhältnisse, was die Verteilung von Individuativa und Kontinuativa angeht. Typische Individuativa zeichnen sich dadurch aus, daß sie sowohl eine Vorstellung der Form als auch des Inhalts vermitteln. Das heißt, ein Lexem Apfel vermittelt nicht nur die Eigenschaften von Farbe, Geschmack, Konsistenz u. ä., sondern auch seine Gestaltumrisse, seine Begrenzung im Raum. Beide Vorstellungskomponenten sind im Lexem inhärent verankert. Weniger typisch sind Lexeme, die überwiegend Formmerkmale, ζ. B. Kegel, Würfel etc., oder Substanzmerkmale wie die Massennomina übermitteln (vgl. LEISI 51975: 29). Letzteres trifft v. a. auf Elemente zu, die eine Meßkonstruktion erfordern, soll auf eine bestimmte Menge referiert werden. Handelt es sich um ein bestimmtes Quantum Wasser, muß ein ein weiterer 'Gegenstand' hinzugedacht werden, der dem Wasser seine Form leiht' und so die erwartete Vorstellung von Form und Inhalt evoziert. Es handelt sich um syntaktisch merkmalhafte sekundäre Individuativa, die damit auch wieder der semantisch unmarkierten Pluralisierung unterliegen: ein Glas Wasser, zwei Tropfen Wasser u. ä. Aus dem Kontinuativum wird ein defini ter Teil ausgesondert.
indefinites Ganzes + definiter Teil
Der indefinite Artikel setzt normalerweise eine Menge diskreter Elemente voraus, wobei auf eines dieser Elemente aussondernd in unbestimmter Weise verwiesen wird. Parallel zum Plural kann es sich bei Massennomina dann um den Verweis auf eine Unterart oder eine nicht weiter spezifizierte Teilmenge handeln. Im Mittelhochdeutschen und in vielen heutigen süddeutschen Dialekten kann eine solche partitive Bedeutung lediglich durch Aneinanderfügung des indefiniten Artikels und des Massennomens ausgedrückt werden: ostfränkisch da hast du ein Wasser (ein(e) Glas, Flasche, Kasten usw. Wasser), mhd. ein snê (zum Mhd. s. PAUL 231989; 386f.). Manchmal kann das Substantiv zusätzlich noch im Genitiv stehen, z. B. er az daz brät und tratte dà zuo eines wazzers (PAUL 2 2 1982: 301). Hier wird aus einer unbestimmten Menge (ein wazzer) durch den Genitiv eine weitere unbestimmte Menge ausgesondert, was einer anderen partitiven Konstruktion entspricht, wie sie etwa im Französischen
Substantiv
121
existiert: l'or, wörtlich: 'von dem Gold'. Hier findet allerdings nur eine einfache Aussonderung statt. Damit verhalten sich die Massennomina nach außen wie Individuativa, indem sie deren formale Charakteristika kopieren. GLASER (1992: 129) meint dann auch zu Fällen wie dem ostfränkischen Beispiel: „In diesem Dialektsystem (im wesentlichen bairischer Sprachraum) wird kein Unterschied mehr gemacht zwischen zählbaren und nicht-zählbaren Größen, der Bezug auf Kontinuativa erfolgt immer in individualisierender Form". Wichtig ist, daß der Massencharakter insofern erhalten bleibt, als semantisch nicht 'diskrete Einheit', sondern 'Unterart' oder 'abgemessene Menge' zugrundeliegt. In objektzentrierten Sprachen ist ein solcher Vorgang nicht ungewöhnlich, da die prototypischen Elemente wie ein Sog wirken. Trotzdem sind natürlich immer spezifischere Meßkonstruktionen möglich, die die Massenkonzeption dieser Elemente deutlich machen (s. o.). Dieser Faktor scheint mir zu wenig untersucht zu sein in Fällen, für die behauptet wird, daß in einer Sprache nicht nur die Mehrheit, sondern alle Substantive Individuativa wären, die eine gleichzeitige Verbindung von Form und Substanz darstellten. WHORF (1941: 80) hatte diesbezüglich auf das Hopi hingewiesen, GREENBERG ([19721/1977: 285) findet ähnliche Verhältnisse in anderen Indianersprachen und in Idiomen Papua-Neuguineas vor. In diesen Sprachen würden dann keine Meßkonstruktionen existieren, was sehr ungewöhnlich wäre. Es ist deshalb die Frage, ob es sich nicht eher um solche Fälle handelt, wie fürs Mittelhochdeutsche gezeigt oder vielleicht sogar nur um elliptische Bildungen. Auch im Deutschen kann in der Rede verkürzt ein Bier für ein Glas bzw. eine Flasche Bier gesagt werden, wenn das genaue Maß aus irgendwelchen Gründen nicht genannt zu werden braucht. Was heißt das aber nun, daß im modernen (!) Chinesischen genau spiegelverkehrte Verhältnisse vorliegen?15 Ί5 Dieser Hinweis ist deshalb wichtig, weil die Numeralklassifikation im klassischen Chinesisch erst wenig entwickelt war (z.B. NORMAN 1988/1991: 10f.). Ungeachtet eventueller Unsicherheiten kann das Chinesische etwa folgendermaßen periodisiert werden (NORMAN 1988/1991: 23f., 83f.): Altchinesisch: ab 1000 v.Chr. (dabei klass. Periode ab 476 v. Chr.) bis 220 n. Chr. Mittelchinesisch: 220 n. Chr. bis 960 n. Chr. Altmandarin: 960 bis 1368, Mittelmandarin: 1368 bis 1800, Modernes Mandarin: 19. und 20. Jahrhundert. Mandarinchinesisch oder neuer auch putônghuà ('allgemeine Sprache') nennt man den nordchinesischen Dialekt, der auf der Umgangssprache der höheren Beamten der Kaiserstadt fußt und heute als eine Art 'Hochsprache' in der VRC fungiert.
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
Dort verhält sich die Mehrheit der ontologischen Substantive wie Kontinuativa. Sie haben Massencharakter und sind dadurch ohne Hilfsmittel nicht zählbar bzw. durch Démonstrative verstärkbar, da beide Funktionen Eingrenzung, Definitheit voraussetzen. Diese Hilfsmittel sind die sogenannten Numeralklassifikatoren oder Numerative, LEISI nennt sie Spezifikativa (s. o.). Sie werden von Substantiven bei expliziter Zählung oder Referenz selektiert und ermöglichen eben jene erst. Diese Konstruktionen stellen eine der augenfälligsten morpho-syntaktischen Konstruktionen des Chinesischen für Sprecher indogermanischer Idiome dar. Im Mandarin gibt es einige Dutzend Klassifikatoren (CHAO 1968: 584ff.), wobei jedes Substantiv seinen spezifischen Klassifikator selektiert. Die Reichweite der Klassifikatoren ist unterschiedlich, manche sind sogar nur für einige wenige Substantive zuständig, während gè 'Stück' 16 als eine Art 'default-classifier' fungiert (LI/THOMPSON 1981: 112). Klassifikatoren und Maßeinheiten verhalten sich formal genau gleich, mit dem Unterschied, daß erstere keine zusätzliche Information liefern. Die Parallelle ist so überwältigend, daß in Grammatiken des Chinesischen beide Konstruktionen unter den Begriff 'measures' fallen können (CHAO 1968: Kapitel 7.9). Zur Verdeutlichung ein paar Beispiele aus dem Mandarin (Beispiele LI/THOMPSON 1981): ,17 san -ge rén zhèi -zhän dêng17 s hi bàng ròu 3 -KL Mensch dies -KL Lampe 10 Pfund Fleisch 'drei Menschen' 'diese Lampe' ΊΟ Pfund Fleisch' (a.a.O. 104) (a.a.O. 104) (a.a.O. 106) Das merkmallose Substantiv ist numerusindifferent, transnumeral, es vereinigt singuläre und pluralische und sogar definite und indefinite Vorstellung in sich. So kann z. B. chin, shü 'Buch' außerkontextual jede der Möglichkeiten 'das Buch, ein Buch, die Bücher, Bücher' realisieren. Das Phänomen der Transnumeralität bewirkt, daß das Wort die prädizierende Funktion hat, „daß der begriffliche Inhalt des Substantivs auf einen Gegenstand [oder mehrere] ζ ut r i f f t " (KÖLVER 1978: 32). Weder Anzahl noch Referenz sind determiniert. Erst durch die explizite und merkmalhafte Singularisierung wird der Gegenstand als Individuum konstituiert. Die Pluralisierung erfolgt dann im Zahlwort, aber nicht am Inhaltswort. Wie erwartet, verhalten sich Abstrakta analog zu den Konkreta, da letztere ja wie Kontinuativa 16 Ursprüngliche Bedeutung 'einzeln'. 17 Ursprüngliche Bedeutung "kleines Gefäß'.
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Substantiv
behandelt werden. Sie verbinden sich ebenso mit Klassifikatoren, wenn diese auch spezifischerer Natur mit der Bedeutung 'Art, Kategorie' sind: ϊ-zhöng bing 'a kind of sickness' (CHAO 1968:511). Abstrakta sind in diesen Sprachen auch nicht merkmalhaft, einer der Gründe, warum die derivative Morphologie so wenig ausgeprägt ist. Sie sind sehr oft identisch mit verbalen Begriffen: chin, láodóng 'Arbeit, arbeiten', dàuzhëng TCampf, kämpfen' (KUPFER 1979:124). In dem kleinen DEUTSCH-CHINESISCHEN TASCHENWÖRTERBUCH mit 5000 Stichwörtern sind nach eigener Zählung rund 20% der Lemmata von dieser Art. Nun verhalten sich aber nicht alle Substantive im Chinesischen so, daß sie in merkmalloser Form Eigenschafts- oder Klassen- und in merkmalhafter Form Individualcharakter haben. Dies trifft zwar auf den Großteil der Substantive zu, doch gibt es einige, die von diesem Muster abweichen. Das gilt v. a. für die klassifizierenden Maßelemente, die auch in Zählfunktion ni e ma 1 s einen Klasifikator zu sich nehmen: liù
Ιΐ
liù
lï
lù
6 Meile 6 Meile Straße 'sechs Meilen' 'sechs Meilen Straße' (LI/THOMPSON 1981:106)
*liù
-ge
If
6 -KL Meile 'sechs Meilen'
Diese Maßelemente sind also die Individuativa des Chinesischen, die bereits in merkmalloser Form individuiert sind, CAO 1988 nennt sie im Vietnamesischen dann auch folgerichtig 'count-nouns'. Die außersprachliche Wirklichkeit und die Konzeptualisierung der Kategorien müssen nicht übereinstimmen, auch wenn die gleichen Charakteristika zugrundeliegen. Während Menschen, Gegenstände u. ä. perzeptiv immer als Individuen erscheinen, kann der sprachliche Reflex dieser außersprachlichen Entität durchaus verschieden davon sein. Am Beispiel des Chinesischen wurde deutlich, daß dafür ebenso das entgegengesetzte Konzept der Generalisierung eintreten kann. Welche der beiden möglichen Perspektiven als präsupponiert, unmarkiert 'gesetzt' wird, ist letztendlich unwesentlich. Wichtig ist nur, daß irgendwie perspektiviert werden muß. Nicht die Perzeption, sonderndie s p r a ch 1 i eh e K o n z e p t u a l i s i e r u n g ist wesentlich und die darauf aufbauenden Markierungen. Natürlich ist die Opposition von Indikativität und Prädikativität auch in der Perzeption zu finden, aber so wird sie nicht unbedingt abgebildet. Die sprachliche Erfassung der außersprachlichen Wirklichkeit bedeutet nicht die Widerspiegelung der perzeptorischen Eigenschaften von Gegenständen. Der Inhalt eines Nomens ist ein Stück sprachlich manipulierte Wirklichkeit (BIERMANN 1982:229).
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
Die Möglichkeiten der Manipulation sind vielfältig, aber nicht endlos. Und sie bewegen sich in bestimmten, prädiktablen Bahnen. Ziel ist die deutliche Referenz, das 'count-noun'. Dorthin führen zwei verschiedene Wege. Wie bereits in Kapitel 2.3.2 angedeutet, gibt es zum einen Sprachen, die überwiegend diese Kategorie im Lexikon favorisieren, Form und Substanz sind im Lexem inhärent miteinander verknüpft, jedes Lexem ist, wenn man so will, bereits inhärent Tdassifiziert'. Es handelt sich auffälligerweise um Sprachen mit der indikativen Technik Kongruenz in Numerus/Genus, die als 'Ausgleich' v. a. die prädikativen Techniken Abstraktion und Kollektion stark entwickelt haben. Semitische und indogermanische Sprachen schaffen damit komplementäre Kontinuativa, Substanznomina. Südost- und nordostasiatische sowie einige nordamerikanische Idiome favorisieren dagegen die klassifikatorischen Techniken und haben gering ausgeprägte relationale Techniken. Es liegen primär Substanznomina vor, die durch Formnomina partitioniert und dadurch individualisiert werden. Man kann hier deshalb die Konzepte Form/Substanz-Fusion und Form-Substanz-Analytik gegenüberstellen (UNTERBECK 1993: 259). Die Idee geht in ihren Grundzügen auf CAO 1988 zurück, der Substantive in drei Gruppen kategorisiert: solche, die 1. mit reinen Formen, 2. mit reinen Substanzen und 3. mit Form/Substanz-Kombinationen korrespondieren. Der erste Sprachtypus gruppiert eher 1 und 3 unter dem gemeinsamen Merkmal der Formhaftigkeit als g r a m m a t i s c h e I n d i v i d u a t i v a und stellt sie den Substanznomina gegenüber. Sprachen wie Chinesisch u. a. gruppieren eher 2 und 3 unter dem gemeinsamen Merkmal der Substanzhaftigkeit als g r a mma t i s c h e M a s s e n n o m i n a und stellen sie den Formnomina gegenüber. Sie sind reine Formelemente, denen die Substanzebene fehlt, weshalb sie auch keinen Massencharakter annehmen und nicht mit Klassifikatoren konstruiert werden können. Das macht sie zu count-nouns (CAO 1988: 44). Auch im Deutschen entziehen sich die Formnomina reinen Substanzkonstruktionen: *drei Stück Würfel. Da count-nouns aber auch mit Form/Substanz-Konzepten korrelieren, sind hier außerdem mehr oder weniger akzeptable Substanzkonstruktionen möglich: ?drei Stück Auto, aber ein Stück Apfel. Das jeweilige Substantiv muß dann vom Objekt zum Begriff uminterpretiert werden. Gerade das hat ja zu der Verwirrung von Konkretum und Massennomen beigetragen, daß typische Individuativa und sogar Propria wie Massennomina verwandt werden können: noch mehr U-Bahn ab 28. Mai, Anna hat eine Stunde
Beethoven gehört (Beispiele KRIFKA 1989: 6). Die Hervorhebung der Substanz-Komponente eines Individuativums erfordert allerdings
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markierte Umgebungen. Dies können phraseologische Wendungen sein (mit Mann und Maus·, UNTERBECK 1993: 149), markiert ist aber auch das Auftreten in Meßkonstruktionen (s. o.), in Komposita (Haustür) oder als Prädikatsnomina (Fido ist ein Hund). Zu diesem Phänomen der Substanz-Ausrichtung gehört m. E. außerdem, wenn auch auf anderer Ebene, die Konstruktion von generischem definiten Artikel mit Individuativa: d¿r Tiger ist ein Raubtier. Analog zur generischen Interpretation von das Gold ist zur Zeit sehr teuer handelt es sich dabei um die Übertragung einer Massenkonstruktion auf ein count-noun. Daß chinesische Substantive in grammatischer Hinsicht überwiegend Massencharakter haben, bedeutet nun aber nicht, daß die Perzeption keine Rolle spielt. Auch chinesische Kinder haben sicher eine Erwerbsreihenfolge, die der von deutschen Kindern entspricht. Nur ist der ontologische Unterschied zwischen Objekt- und Massennomina g r a m m a t i s c h nicht so stark ausgeprägt. Er ist eher sekundär und graduell. In Meßkonstruktionen, die ontologische Massennomina betreffen, kann zwischen Klassifikator und Substantiv ein weiteres Element eingefügt werden, das mit ontologischen Objekten ungrammatisch wäre: Häng bang (de) chá 'zwei Pfund (SUBORDINATOR) Tee' (Beispiel KRIFKA 1989: 9). Umgekehrt können bei Substantiven, die sich auf b e l e b t e , also ontologisch maximal diskrete, Entitäten beziehen, spezielle Konstruktionen eintreten, die an Plurale oder Kollektive erinnern, also die 'Vermassung' von Gegenständen repräsentieren. Im Chinesischen geschieht dies durch Anhängen des Suffixes -men. Obligatorisch ist das Suffix nur bei den Personalpronomina, wö-men 'wir', nï-men 'ihr', tä-men 'sie', ansonsten ist es optional und eher als Kollektiv zu interpretieren: háizi-men 'eine Gruppe von Kindern' (NORMAN 1988/1991:159). Aufgrund der unterschiedlichen Verhaltensweise differenziert KRIFKA (1989: 9f.) deshalb innerhalb der Massennomina, trotz einer gemeinsamen syntaktischen Struktur, Stoff- und Kollektivnomina. Das sind Substantive, die, ontologisch gesehen, mit Stoffen bzw. Objekten korrespondieren. Im Deutschen handelt es sich bei merkmallosen Kollektivnomina, LEISI nennt sie Genuskollektiva, überwiegend um Bezeichnungen für Tiere, z. B. Vieh, Wild, „die in der Einzahl nicht nur für eine Gruppe von Individuen, sondern für das ganze Genus [...] stehen. [...] Die Anzahl kann sich theoretisch von einem Individuum bis zu allen vorhandenen erstrecken" (LEISI 51975:32). Kollektive repräsentieren eine Menge von potentiell diskreten Einheiten, doch tritt in dieser Funktion die Diskretheit durch die übergeordnete Vereinigung zurück. Soll auf eine bestimmte konkrete Menge referiert werden, kann wiederum ausgesondert werden. Damit ähneln
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
sie Massennomina und speziell den chinesischen Substantiven, die sich auf Objekte beziehen. So wird deutlich, warum den chinesischen Klassifikatorkonstruktionen in indogermanischen Sprachen typischerweise Syntagmen der Art head of cattle u. ä. gleichgesetzt werden, die sich ja durchaus von Meßkonstruktionen unterscheiden (GREENBERG [1972]/1977: 282). In Sprachen mit primären Kollektivnomina haben sich eigene, von Meßkonstruktionen verschiedene Mittel herausgebildet, um einzelne, diskrete Elemente auszusondern, man spricht von S i n g u l a t i v b i l dungen. bret.:
ed 'Getreide' edou 'Getreidearten' edenn 'ein Korn' edennou 'Getreidekörner' (Beispiel BIERMANN 1982: 234 nach ROYEN 1929:635 ) The classifier is an individualizer which performs the same function as a singulative derivational affix in languages with the collective/singulative opposition (GREENBERG [19721/1977: 292).
Interessanterweise stimmen die formalen Mittel zur sekundären Kollektiv- und Singulativbildung manchmal überein: arab.
hammäl-un hammäl-at-un
ìwmàm-un hamâm-at-un (SEILER 1986: 51, 55)
'carrier' 'a group of carriers' 'doves' 'one single dove'
Das liegt offensichtlich daran, daß die Idee der Kollektivität gleichzeitig generalisierend und individuierend wirkt. Die Generalisierung von diskreten Elementen wird hier dadurch erreicht, daß diese unter einer bestimmten Prämisse zusammengefaßt und damit entindividualisiert werden, wodurch aber sekundär eine übergeordnete individuelle Einheit entsteht. Singulativbildungen sind ebenfalls sekundär diskret, da sie auf auf der Vorstellung der Aussonderung operieren und so primär Generalisierung implizieren. Gemeinsames Merkmal ist also die sekundäre Erfassung eines Gegenstandes als diskret, beide Male funktioniert dies aber über das vorgeschaltete Prinzip der Generalisierung. Deshalb ist für Kollektiv und Singulativ charakteristisch, daß dies „von einer Menge aus erfolgt. [...]: Entweder wird die Menge selbst als Gegenstand erfaßt, [...]. Oder, ausgehend von einer Menge, wird eines ihrer Elemente aus ihr herausgegriffen [...]" (KUHN 1982: 80). Das sind die assoziative und die dissoziative Ausprägung der Kollektion (s SEILER 1986: 44, 55). Eine Kollektion ist immer eine E i n h e i t von verschiedenen Entitäten, die unter einer bestimmten Prämisse zu-
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sammengefaßt und dadurch 'entdiskretisiert' werden. Deshalb kann das Kollektiv auch so ambig als 'Summierung von Einzelheiten' oder als 'Vielfältigkeit innerhalb einer Ganzheit' gesehen werden (BIERMANN 1982: 236). Das macht sie zu Transnumeralia, Einheit und Vielheit repräsentierenden Elementen. Es handelt sich hier um eine Art 'Vermassung' von Individuativa, vgl. Berg - Gebirge. Kollektive sind ebenfalls Massennomina der individuativzentrierten Sprachen, wodurch ihre Nähe zur Abstraktion deutlich wird. Durch diese Kontinuativität stellen sie die Begriffssubstantive dar, sie sind Archilexeme im Lexikon und verhalten sich im Spracherwerb analog zu Kontinuativa und Abstrakta (GENTNER 1982: 307). In Sprachen mit merkmallosen transnumeralen Substantiven, also primären Kollektive, hat deren 'Plural' wiederum kollektivische Bedeutung. Da es sich bereits um eine Summierung nicht-diskreter Elemente handelt, bleibt als 'Pluralisierung' nur deren qualitative Unterteilung im Sinne von 'Vielfältigkeit', als nicht-diskrete, qualitative Vielheit. Das Konzept der nicht-diskreten Vielfalt, der qualitativen Sonderung, zeichnet sich dadurch aus, daß e i η inhaltliches Konzept unterteilt, also verschiedene, ähnliche Elemente zusammengefaßt werden und das ist genau das kollektive Konzept. Daher auch die Kollektivbedeutung von chin, háizi-men 'eine Gruppe von Kindern' (s. o.), bret. edou 'verschiedene Getreidearten' oder Mandschu cooha-sa 'eine Vielheit individuell verschiedener Soldaten' bzw. 'vielfältig zusammengesetzte Soldatentruppe' (Beispiele BIERMANN 1982: 234, 236). Zusammenfassend kann man sagen, daß das Kollektiv durch seine doppelte Charakterisierung eine sehr ambige Kategorie ist. Durch die Nicht-Diskretheit fungiert es wie die Abstrakta als Begriffsbzw. Substanzkonzept. Trotzdem bilden auch Sprachen, die vornehmlich Substanznomina besitzen, Kollektive aus. Aufgrund der Diskretheit fungiert das Kollektiv nämlich auch als 'inverser Plural'. Während der Plural definite Teile mit indefinitem Ganzen vereinigt, ist das Kollektiv ein definites Ganzes mit indefiniten Teilen. Die Merkmale liegen in Inversionsform vor. Bei den Kollektive des Chinesischen liegt der Schwerpunkt auf dem Diskretheitsmerkmel, dem Gruppenkonzept, des die merkmellosen Substantive nicht besitzen. Dadurch wird das Kollektivum zum Plural der Transnumeralie. Außerdem verhindert des Vereinigungsmerkmel, des individuelisierend wirkt, eine neuerliche Individuelisierung durch Klassifikatoren. Klassifiziert werden können nur indefinite Mengen.
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
3.2.2 Abstrakta Im letzten Kapitel hat sich gezeigt, daß Abstrakta und Kollektive die Aufgabe haben, in den individuativzentrierten Sprachen sekundär den Begriffsbereich im Gegensatz zum Objektbereich zu schaffen. Dies bezieht sich durchaus auch auf Bildungen innerhalb derselben Wortart wie Beamtenschaft. Schuhwerk u. ä. Aufgrund ihrer generalisierenden Funktion stehen sich Abstrakta und Kollektive sehr nahe. Gerade letztere verhalten sich hinsichtlich einer Scheidung Konkretum vs. Abstraktum sehr ambig. Sie beziehen sich in letzter Instanz auf konkrete Personen oder Dinge (s. o.), doch in sehr generalisierter, entindividuierter Form. Typische Abstrakta sind dagegen von Verben oder Adjektiven abgeleitete Substantive. In Anbetracht der Tatsache, daß die Konversionsphänomene überwiegend zu diesen Abstraktbildungen zählen bzw. ihnen ähneln, scheint es angebracht, sich näher mit diesem Bereich auseinanderzusetzen. Speziell der Bereich der Verbalabstrakta ist gut untersucht, doch fehlt es an übergreifenden Betrachtungen im Rahmen der Lexikonkonzeption ganz allgemein. So gibt es relativ wenige systematische Untersuchungen hinsichtlich der Stellung und des Verhaltens von Abstrakta innerhalb des Wortschatzes, v. a. was ihre grammatischen Charakteristika oder ihre Subkategorisierung innerhalb des Gesamtrahmens angeht. Da gerade das formale Mittel der Pluralisierung auf entscheidende Konzeptualisierungsunterschiede innerhalb der Klasse der Substantive hinweist, müssen Überlegungen in diese Richtung auf jeden Fall miteinbezogen werden. WIERZBICKA (1985: 313) hat sich in ihrer Studie mit den Numerusverhältnissen Konkreta bezeichnender Substantive des Englischen beschäftigt und erkannt, daß formale 'Defekte' nicht arbiträr, sondern direkt durch die einzelsprachliche Konzeptualisierung der Umwelt motiviert sind (s. Kapitel 3.2.1). Gleichzeitig hat sie gesehen, daß auch der Bereich der Abstrakta eine ähnliche Herangehensweise erfordert: "Another area to explore is that of abstract nouns and constraints of their pluralization" (WIERZBICKA 1985: 336, Anm.l). In der Tat fehlen in dieser Richtung jegliche Untersuchungen zumindest im Deutschen, zum englischen Numerussystem bei Substantiven liegt seit kurzem WICKENS 1992 vor. Das wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, daß bestimmte Abstrakta, ζ. B. substantivierte Infinitive oder neutrale substantivierte Adjektive (das Laufen, das Schöne) ni e ma 1 s pluralisierbar sind, während andere dieses formale Mittel (scheinbar?) ohne Einschränkungen nützen können: Morde, Prüfungen, Unfälle, Schläge usw. Danach sieht es so aus, als ob innerhalb der Gruppe der Abstrakta, die ja den Massennomina im Gegensatz zu
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den Individuativa nahestehen, eine weitere Abstufung möglich ist, die es zu untersuchen lohnt. Die Klassifizierung der Substantive einer Sprache nach logischen Kriterien in Konkreta und Abstrakta ist eine weitverbreitete Vorgehensweise innerhalb der Linguistik. "The former [Konkreta] are also called reality nouns (dingnamen, substanzbezeichnende substantiva), they comprise names of persons and of "objects", [...]. "Abstracts" are also called thought-names (begriffsnamen, verdinglichungen)" (JESPERSEN1924/1968:133).18 Eine ähnliche Beschreibung hatte sich bereits im Zusammenhang mit typischen und untypischen Substantiven ergeben, so daß die 'thoughtnames' des Sekundärlexikons merkmalhaften Nominalisierungen oder Substantivierungen gleichzusetzen sind, denen verbale oder adjektivische Elemente zugrundeliegen. Außerdem stellte sich heraus, daß die perzeptive Basis von Konkreta und Abstrakta in der Sprache keine direkte Entsprechung finden muß. In manchen Idiomen, v. a. den Klassifikatorsprachen des zirkumpazifischen Raums, werden ontologische Individuativa, Massennomina und Abstrakta formal gleich (bzw. ähnlich) behandelt (Kapitel 3.2.1). LEHMANN 1982a zeigt nun, daß deverbative oder deadjektivische Substantivderivationen, traditionell Nominalisierungen genannt, lediglich einen bestimmten kleinen Teil auf einer übergreifenden Nominalisierungsskala darstellen. Mit Hilfe dieses Kontinuums will ich versuchen, mehr Ordnung in die verschiedenen Nominalisierungen i. e. S. zu bringen.1' Für die Nominalisierungen i. w. S. gilt: Wir sprechen deshalb von Nominalisierung, sobald ein Satz die Stelle eines NSs [Nominalsyntagma] in einem übergeordneten Satz einnimmt (LEHMANN 1982a: 68).
Da es sich bei den betreffenden Konstituenten v. a. um Subjekt- und Objektsätze handelt, kann man auch von Substantivsätzen bzw. von Substantivierungen i. w. S. sprechen. Ein Satz besteht aus dem Prädikat und seinen Argumenten, damit ist die Referenz geleistet. Je mehr dieser Argumentstellen formal gesättigt sind, desto stärker ist die Re-
i s Um die Herausbildung der Differenzierung von Abstrakta und Konkreta hatten sich v. a. auch Grammatiker des 19. Jahrhunderts bemüht, um zu zeigen, daß sich Denkkategorien in Sprachkategorien widerspiegeln (für einen Überblick vgl. EWALD 1992). 19 Der Status der Abstraktiva (relationale, auf Prädikaten basierende Abstrakta) als Teil der Operation Nominalisierung ist nicht unumstritten. ITURRIOZ 1982 verweist innerhalb der Technik Abstraktion nicht auf den Zusammenhang zur Nominalisierung, und SEILER (1986:29ff.) läßt die Frage letztendlich offen. Ich sehe allerdings keinen Grund für eine solche Trennung. Ganz im Gegenteil stimme ich LEHMANN zu, der die Verbalabstrakta lediglich als einen Bereich auf der Nominalisierungsskala sieht.
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
ferenz und desto individuierter ist die Nominalisierung. Woraus konstituiert sich nun aber das Noiranalisierungskontinuum? Es handelt sich zum einen um ein formales Kontinuum vom satzmäßigen Syntagma mit Subjekt und Prädikat bis zum substantivischen Nomen actionis mit den dazugehörigen freien oder gebundenen Nominalisatoren und den Begleiterscheinungen hinsichtlich der Reduktion semantischer Elemente. Dies betrifft vor allem die Reduktion der im Verb verankerten Elemente hinsichtlich Tempus, Modus und Person. Je stärker die Nominalisierung ist, desto mehr Begleiterscheinungen, sekundäre Nominalisierungsprozesse treten auf. Gerade das Verbalnomen zeichnet sich ja dadurch aus, daß es vor allem hinsichtlich einer Personenmarkierung neutral ist. Die Skala reicht von der schwachen Nominalisierung und Einbettung von Nebensätzen mit (ich weiß, daß du da bist) oder ohne freiem Nominalisator (ich weiß, du bist da) bis hin zur starken Nominalisierung mit Hilfe eines gebundenen Derivationssuffixes (LEHMANN 1982a: 74). Bemerkenswert ist auch die Tatsache, daß sich die hohe Referentialität, Definitheit i. w. S., in der Definitheit der einleitenden Nominalisatoren widerspiegelt. Das läßt sich nicht nur an dt. daß (< das) oder engl, that beobachten (s. a. CROFT 1991: 75f.). Im Chinesischen trifft man hier immer häufiger auf die Partikel de, die oben als optionales Mittel zur Partitionierung und damit zur Individuierung von Massennomina aufgetreten war: Häng bang (de) cha 'zwei Pfund (SUBORDINATOR) Tee' (Beispiel KRIFKA 1989: 9) zhòng
shuïguà
de
hën
nán
guòhuó
grow fruit NOM very difficult make-living 'It is difficult for fruit growers to make a living.' (Beispiel LI/THOMPSON 1981: 575) de hat im Chinesischen auch noch eine andere Funktion, nämlich die der Genitivmarkierung: wö-de shü ich-von Buch 'mein Buch'. Der Genitiv besagt ja nichts anderes, als daß eine Aussonderung, eine Beschränkung auf ein Teil stattfindet: „Der Gfenitiv] an sich besagt nur, daß der Umfang der Teilnahme des Gegenstandes am Sachverhalte der Aussage geringer als sein gesamter Umfang ist" (JAKOBSON [19361/1971:38). Genau das formale Genitivmerkmal ist es, wodurch auch Nominalisierungen i. e. S. charakterisiert sind, weil sie nämlich ein ihr zugrundeliegendes Subjekt oder Objekt im Genitiv anschließen (können): die Zerstörung
der Stadt a u s χ zerstört die Stadt. Diese Konstruktion ist
in der Tat ein wichtiger Faktor, da sich daran der Übergang von der eher noch verbal orientierten individuierenden zur generalisierenden
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und typisierenden Nominalisierung vollzieht. Typisierung ist das Merkmal der unabgeleiteten Substantive, die natürlich wiederum syntaktisch individuiert werden können. Doch unterscheiden sich hier Nomina actionis und Primärsubstantive strukturell nicht: die Erledigung eines Auftrages durch Fritz, der Tunnel eines Schweizer Ingenieurs durch den Mt. Everest (Beispiel LEHMANN 1982a: 81). Individuierung und Typisierung sind vor allem dadurch gekennzeichnet, daß die jeweiligen, in der Valenz des Verbs verankerten, Argumente vorhanden sein müssen, bei der Typisierung dürfen alle Argumente fehlen. Speziell die Setzung des Genitivs, der nicht in der Verbvalenz verankert ist und sich außerdem auf ursprüngliches Subjekt und Objekt beziehen kann, ist ein Zeichen von Typisierung. Daher rühren auch die formalen Schwierigkeiten hinsichtlich 'Genitivus subjectivus' und 'Genitivus objectivus'. Im Deutschen kann oder muß an Stelle ursprünglicher Genitiv- oder Dativfügungen manchmal eine präpositionale Konstruktion stehen: χ etwas schenken wird zu Schenkung an χ oder sich des χ erinnern wird zu Erinnerung an χ (LEHMANN 1982a: 81). Dasselbe Phänomen zeigt sich auch in den englischen Sätzen: the shooting lions that we witnessed was unpleasant, the shooting of lions that we witnessed was unpleasant (Beispiel LEHMANN 1982a: 77). An diesem Beispiel wird aber noch etwas anderes deutlich. Der zweite Satz kann nämlich nicht nur définit, sondern auch indefinit gebildet werden: every shooting of lions that we witnessed was unpleasant. Die Definitheit, die charakteristisch für die schwache Nominalisierung war, wird mit zunehmender Typisierung, erkennbar am Genitivanschluß des Objekts, aufgehoben. In dem Augenblick, da definiter und indefiniter Artikel bzw. das Indefinitpronomen 'jed-' anwendbar sind, verhalten sich Nominalisierungen wie 'count nouns' des Primärlexikons. Hand in Hand damit geht die Vermeidung von mit Definitheit verbundenen Quantoren oder Attributen bei schächeren Nominalisierungen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, daß eventuelle Relativsätze appositiv und nicht restriktiv sind, d. h. eine Partitionierung wie sie auch durch ein vorläge, ist kaum möglich. Dies ist ein weiterer Hinweis auf die Definitheit, den Ganzheitscharakter der betreffenden Nominalisierungen. 'Normale' attributive Adjektive, also Erweiterungen merkmalloser Substantive, zeichnen sich nämlich gerade dadurch aus, daß sie in der Mehrheit der Fälle r e s t r i k t i -
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
v e n Relativsätzen entsprechen (VENDLER 1968: 86). Der Übergang von verbaler zu nominaler Rektion läßt sich im Deutschen auch historisch sehr schön nachvollziehen. Noch im Mittelhochdeutschen konnten substantivierte Infinitive mit dem verbalen Akkusativanschluß verknüpft werden: durch mîden en wîp. durch behalten den lîp (KONING 1933: 91). Eine solche verbale obligatorische Rektion ist heute nicht mehr möglich. Nominalisierungen sind also eingebettete Sätze, die kontinuierliche Übergänge vom Satz zum Einzelwort mit abnehmender Individuierung und zunehmender Typisierung darstellen. Sie sind im stärksten Fall relationale Substantive, die Charakteristika von V und Ν in sich vereinen, indem sie zwar Leerstellen um sich eröffnen, die aber nicht (mehr) obligatorisch gefüllt werden müssen. In der starken Ausprägung nehmen Nominalisierungen zunehmend Merkmale von countnouns an sich. Eines dieser Merkmale ist die Fähigkeit zur Quantifizierung und damit zur Verwendung definiter und speziell indefiniter Artikel oder Indefinitpronomina (s. o.). Da aber Nominalisierungen aufgrund ihrer Nähe zu Prädikaten in ihrer Tiefenstruktur relational sind, kommt hier ein interessantes Phänomen hinzu. Ein Plural kann sich nämlich nicht nur auf verschiedene, zeitlich voneinander getrennte Instanzen des Geschehens beziehen. Da durch die Relationalität immer auch ein Subjekt (und Objekt) impliziert ist, kann sich der Ausdruck der Vielheit, unabhängig vom Zeitfaktor, ebenso durch die Mehrzahl der involvierten Objekte ergeben. In dem Satz in diesem Spiel hatte die deutsche Mannschaft 5 Hinausstellungen (Beispiel ITURRIOZ 1982: 54) sind deshalb kontextfrei mehrere Interpretationen möglich. Die fünf Instantiierungen des Geschehens können sich auf einen Spieler beziehen, dies impliziert obligatorisch den Zeitfaktor, oder im Extremfall auf fünf Spieler, dann ist der Zeitfaktor für die Pluralisierung irrelevant. Das Merkmal der Diskretheit kann aufgrund der Relationalität an Eigenschaften des Verbs oder der Argumente gebunden sein. Man muß im Verb zwischen der Handlungspluralität im Sinne von Iterativität und der Numeruskongruenz hinsichtlich der beteiligten Subjekte oder Objekte unterscheiden (ITURRIOZ 1982:54ff.). Die gegenläufige Tendenz zu den stark relationalen Merkmalen im Nominalisatum stellen die sogenannten Reduktionsprozesse dar (ITURRIOZ 1982: 62ff.). Von der Nicht-Besetzung der Leerstellen ist die echte Unterdrückung von Leerstellen, die Valenzreduktion, zu unterscheiden. Diese Reduktion läßt sich allgemein charakterisieren als die Umwandlung einer Relation in eine deskriptive Funktion; dabei wird eine bestimmte Leerstelle syntaktisch aufgehoben; ihr Bereich wird nun zum Bild- oder Wertebereich der Funktion. Eine solche Umwandlung bringt eine neue Leistung mit
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sich: die Nomina dienen jetzt zusammen mit den verbleibenden Argumenten zur Bezeichnung der Gegenstände, die in den Bereich der herausgelösten Argumentstelle fallen.
Die Nicht-Besetzung der Leerstellen führt zu einer stärkeren Typisierung der Nominalisationen. Sie können jedoch grundsätzlich besetzt werden und individualisieren so wiederum die Typisierung auf die gleiche Weise wie Individuativa. Eine Reduktion hebt die Relationalität jedoch auf bzw. verringert sie und bewirkt so eine noch stärkere Verschiebung in Richtung der prototypischen Substantive. Sie werden konkretisiert und zwar im Rahmen der jeweiligen Argumente, die sie vertreten; diese können dann nicht mehr besetzt werden: Karls Besuch bei uns war eine Überraschung (nicht reduziert), wir wollen unserem Besuch die Stadt zeigen (Subjekt-Reduktion), *wir wollen Karls Besuch bei uns die Stadt zeigen (Beispiele ITURRIOZ 1982: 62). Die Reduktions-Abstrakta konzentrieren sich in folgenden semantischen Kategorien: Agens (seltener: Regierung, Vertretung usw.), Objekt (Entdeckung, Sendung usw.), Faktitiv (Verletzung, Zeichnung usw.), Instrumental (Bekleidung, Packung usw.), Ort (Wohnung, Kreuzung usw.), Zeit (Jugend) (ITURRIOZ 1982: 62f.). Über den Prozeß der Reduktion entfernen sich die Nominalisationen also immer mehr aus dem Bereich der Abstraktbildungen und geben mit der Reduktion der Relationalität deren wesentliche Funktion auf: „Vergegenständlichung eines Satzinhaltes vom P r ä d i k a t aus" (PORZIG [1930/311/1962:263; Hervorhebung P. M. V.). Dieser Funktionsunterschied hinsichtlich der prädikatzentrierten Vergegenständlichung veranlaßt PORZIG ([1930/311/1962: 263) zu einer Zweiteilung der Verbalnomina, die er auf von Adjektiven gebildete Substantive überträgt, so daß er zu zwei Kreuzklassifikationen und damit vier Kategorien kommt. - Satzinhalt + Satzinhalt
Handlung NOMEN AGENTIS Jäger NOMEN ACTIONIS lagd
Eigenschaft SUBST. ADJEKTIV ein Rotes NOMEN QUALITATIS Röte
Damit wird nun auch klar, warum sich Nomina actionis und Nomina agent is einerseits, Nomina qualitatis und substantivierte Adjektiva andererseits in der Bedeutimg berühren können, während kategoriale Verwandtschaft vielmehr zwischen den Verbal- und den Eigenschafts-Abstrakten einerseits, zwischen den Nomina agentis und den substantivierten Adjektiven andrerseits [sie] besteht (PORZIG [1930/311/1962: 263).
In der Vertikalen besteht die „kategoriale Verwandtschaft" hin-
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sichtlich des Merkmals ±Satzinhalt, das auch ±Konkretum impliziert, in der Horizontalen ist es die Affinität hinsichtlich der Verbal- und der Eigenschafts„bedeutung". Ich möchte das PORZIGsche Schema nun noch durch die Merkmale 'potentiell' und 'aktuell' erweitern. - Satzinhalt + Satzinhalt
Potentiell NOMEN AGENTIS ECHTES SUBST. ADJ. NOMEN ACTIONIS NOMEN QUALITATIS
Aktuell SUBST. ADJEKTIV SUBST. INFINITIV
Die Nomina agentis, die mit eigenen morphologischen Mitteln gebildet werden, v. a. mit -er, können als reduzierte Abstraktbildungen betrachtet werden. Sie sind festgewordene Reduktionen, da i. a. keine ambige Interpretation als Abstraktum oder Konkretum mehr gegeben ist wie bei Sendung, Besuch u. ä. Sie erfüllen exakt die Charakteristika für Reduktion: Andererseits gehören sie [Nomina agentis] zu denjenigen Verbalnomina, die auf eine ihrer Leerstellen ausgerichtet sind, d. h. der Sachverhalt wird auf eine bestimmte Rolle bezogen und ein Partizipant wird als gemäß dieser Rolle in den Sachverhalt involviert dargestellt, hier als Initiator. Die entsprechende NP ist deshalb nicht anschließbar, wohl aber die übrigen Partizipanten. Es werden also Personen bezeichnet (SEILER 1988b: 57).
Genau das gleiche gilt für für die substantivierten Adjektive. Auch hier wird „der Sachverhalt auf eine bestimmte Rolle bezogen" und zwar auf die einzig mögliche, den Träger der Eigenschaft. Adjektive sind sozusagen 1-wertige Prädikate. Tatsächlich liegt auch oberflächenstrukturell oft eine Reduktion, sprich eine elliptische Bildung vor, bei der der jeweilige Partizipant durch den Kontext oder durch Weltwissen ergänzt werden kann. Es sind, abhängig vom Genus, nur jeweils Interpretationen im Rahmen von Gegenständen und Personen oder von Genuskollektiva (das Schöne) möglich. Bei festgewordenen Reduktionen, d. h. nicht-elliptischen, lexikalisierten Bildungen, ist die Semantik sogar auf Personen und Genuskollektiva eingeschränkt. Man spricht dann auch von 'echten Substantivierungen' (VATER 1987: 280; OLSEN 1988: 339). Die echten Substantivierungen, wozu auch das Fett, das Gut, das Hoch u. ä. gehören, werden der Kategorie der Nomina agentis zugeordnet. Im Englischen existieren zudem noch formale Unterschiede zwischen elliptischen und nicht-elliptischen Bildungen, da erstere im Falle von zählbaren Entitäten obligatorisch one bzw. ones benötigen, nicht-elliptische Bildungen sind grundsätzlich pluralisch: the lonely (OLSEN 1988: 348). Alle
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Kategorien vermitteln keinen Satzinhalt, der Bäcker korreliert nicht mit der Tatsache, daß etwas gebacken wird', das Schöne nicht mit der Tatsache, 'daß etwas schön ist'. Diese Funktion wird von Schönheit wahrgenommen, es ist immer Schönheit-von-etwas. Das Schöne dagegen ist nicht schön-sein-von-etwas, sondern es ist selbst etwas Schönes. Schönheit wird deshalb als unselbständiger, das Schöne als selbständiger Gegenstand bezeichnet (VAN DEN BOOM 1982: 38). Nomina actionis und Nomina qualitatis werden in eine Kategorie gruppiert, da es keinen Grund gibt, sie zu trennen. Sie zeichnen sich beide durch Suffixe aus und dadurch, daß sie einen Satzinhalt vermitteln. Auch der substantivierte Infinitiv vermittelt einen Sachverhalt, wenn auch anderer Art als die typischen Abstrakta. Diese zweite Scheidung, die stark mit den Ebenen der morphologischen Markierung und der Syntax korreliert, habe ich mit potentiell und aktuell bezeichnet. Die Scheidung potentiell vs. aktuell ist zu generalisierend und prädizierend bzw. typisierend und individualisierend affin. Je typisierender eine Nominalisierung ist, desto stärker nähert sie sich den prototypischen Substantiven an. Hand in Hand gehen also substantivische Flexion, speziell Pluralisierung, und Unterdrückung der Argumentstellen bis hin zur Reduktion. Dies alles trifft auf die ersten vertikalen Kategorien zu, wenn auch manche Bildungen, ζ. B. Röte, sich der Pluralisierung entziehen. Anhand einzelsprachlicher Untersuchungen könnte hier ein Kontinuum erstellt werden. Ganz anders dagegen die rechte Seite. Hier handelt es sich jeweils um aktuelle, d. h. individuelle Gegebenheiten. Ihnen ist eine Art von Definitheit eigen, wie sie Genuskollektiva besitzen. Sie tendieren zu der Seite der Nominalisierungsskala, die Sätzen vorbehalten ist. Sie können im allgemeinen nicht pluralisiert werden, was v. a. substantivierte Infinitive und Genuskollektiva wie das Schöne auszeichnet. Auch sind Infinitive der Reduktion sehr selten zugänglich (ITURRIOZ 1982: 63). Die Aktualität manifestiert sich speziell beim Infinitiv: „Der substantivierte Infinitiv wird dann eingesetzt, wenn es um die aktuelle Verwirklichung des Geschehens geht" (SCHIPPAN 1967:118). Dementsprechend unterscheiden sich Drehen und Drehung, das eine scheint etwas Dauerndes, das anderes etwas Abgeschlossenes zu sein. Erscheinen Infinitiv oder Verbalabstraktum in einer Präpositionalphrase, so verhält sich letzteres wie ein Lexem des Primärwortschatzes. Während der Pause schlief er verhält sich wie während der Be-
lagerung schlief er. Mit einem substantivierten Infinitiv müssen jedoch das Subjekt des Hauptsatzes und des Verbalnomens übereinstimmen: während des Laufens sang sie = *während er lief, sang sie. Nur die we-
nigen sehr stark lexikalisierten und teilweise konkretisierten Infini-
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
tive erlauben diese Konstruktion: während des Essens schlief er. Eine ähnliche Korrelation scheint auch zwischen dem Nomen agentis und dem substantivierten Partizip Präsens zu bestehen. In letzterem ist eher die aktuelle Handlung enkodiert, 7der Backende, der Überlebende, aber wenn jemand potentiell überlebt, würde man eher von einem ? Überleber sprechen. Nur selten kann das Partizip die potentielle -er-Funktion übernehmen: Vorsitzender, Studierender, Reisender u. ä. (FLEISCHER/BARZ 1992: 152). Bereits BRINKMANN (1954: 385f.) ist aufgefallen, daß sich im Germanischen nur wenige Subjekte aus Partizipialformen durchgesetzt haben, ζ. B. Freund, Feind, Heiland. Er macht ebenso die Potentialität im Substantiv dafür verantwortlich, denn: „Es liegt im Wesen des Substantivs [(...)], dass es von einem bestimmten Vollzug absehen kann und eine mögliche Situation ins Auge fasst" (BRINKMANN 1954: 381f.). Passend dazu dokumentieren substantivierte Partizip Präsens-Formen ihre Nähe zum Verb durch den fehlenden Genitiv-Anschluß des Objekts: *der Reitende des Rappen, aber: der den Rappen Reitende (WELLMANN 1975: 346). Auf ähnlich komplementäre Verhältnisse, die die Unterscheidung von potentiell und aktuell widerspiegeln, weist BENVENISTE 1948 in anderen indogermanischen Sprachen hin. Er setzt zur Bildung von Nomina agentis zwei sich gegenüberstehende Formen *-tér und *-tor an, denen für Nomina actionis *-ti- und *-tu- entsprechen. BENVENISTE (1948: 62) spricht hier im Falle von *-tor von «expression quasi-participale, fortement attachée au verbe, et signalée par une rection verbale». Dagegen gilt für *-tér: «il importe peu que cette activité soit ou non pratique: le nom en -tér caractérise l'être comme voué à une fonction». Im Falle von *-tor handelt es sich um «un c e r t a i n acte», während *-tér «tend à a bol i r l ' i n d i v i d u a l i t é dans la fonction qui l'absorbe et à l ' u n i f o r m i s e r d a n s une c l a s s e » (BENVENISTE 1948: 62; Hervorhebung P. M. V.). SEILER untersucht diese Verteilung im Griechischen, wo z. B. wo dötör und doter beide 'Geber' bedeuten. Die erste Form bezeichnet jedoch einen bestimmten Agens eines i n d i v i d u e l l e n Akt e s , d. h. den Urheber als konkrete Person, [...]. Die zweite stellt die Funktion in den Vordergrund,bewirkt also einusuelles V e r s t ä n d n i s (SEILER 1988b: 58; Hervorhebung P. M. V.).
Ein ähnliches Prinzip gilt für die Nomina actionis. Das Element *-tukorreliert mit *-tér, steht also für Generalisierung. Demgegenüber korreliert *-ti- mit *-tor, repräsentiert alsolndividualisierung. BENVENISTE (1948:112) nennt diese Oppositionen hier jeweils 'subjektiv' und
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'objektiv'. 20 Im Lateinischen sind daraus die Suffixe -tio und -tus geworden. In der deutschen Übersetzung ist der Term mit der aktuellen Bedeutung durch den substantivierten Infinitiv vertreten: auditio (fabularum) 'das Anhören (gewisser Kurzgeschichten), aber: auditus 'die Hörfähigkeit' (SEILER 1988b: 58). Blieben zuletzt noch die Abstrakta zu besprechen, die von Verben abgeleitet sind und als reine Stämme erscheinen. Es handelt sich um keine syntaktischen Umkategorisierungen, da diese Bildungen Substantivflexionen zu sich nehmen und nicht genusflexibel sind. Sie werden oft als die eigentlichen Konversionen betrachtet (OLSEN 1990). Im Deutschen sind sie heute nicht mehr sehr produktiv, doch zumindest noch aktiv. Am häufigsten finden sich hier Präfixkomposita stark flektierter Verben, die auch implizite Ableitungen genannt werden, weil sie einen Ablaut aufweisen (Aufbruch, Nachwuchs, Aufschnitt, Eittschub usw.; OLSEN 1990:195). Oft gehören diese Bildungen der Umgangssprache an, WELLMANN (1975: 231) nennt z.B. Ankratz, Austrag, Beritt, Verlad, Verricht, Verstau u. ä. Sehr stark tritt hier auch R e d u k t i o n ein als Subjekt {Abfall), Objekt (Bau), Instrument (Beleg) oder Ort (Sitz). WELLMANN stellt dann hier auch einen hohen Anteil von Lokativa (Ausguß) (1975: 454f.) und v. a. Instrument a fest (Verband) (1975: 445f.). Diese konkrete Bedeutung weist auf die Nähe zu den prototypischen Substantiven hin. Genau das ist hier der Punkt. Auf produktive Konversionssubstantive wie Treff, Schwenk, Dreh, Stau oder den Okkasionalismus seinen letzten Blas tun trifft eine Äußerung von FLEISCHER/BARZ (1992: 48) ganz explizit zu: „Durch Konversion entstehen also s e k u n d ä r e S i m p l i z i a [...]" (Hervorhebung P. M. V.). Simplizia aber sind die Basis des Primärwortschatzes und diese Konversionen kopieren ganz gezielt die Eigenschaften dieser Elemente. Sie sind merkmallos, genau wie die Elemente des Primärwortschatzes, und formal pluralisierbar und/oder mit indefinitem Artikel bzw. dem Indefinitpronomen 'jed-' verknüpfbar, verhalten sich also wie Individuativa. Dies gilt genauso für nicht-simplizische, weil von Präfixverben abgeleitete, Substantive. Das Präfix wird aber nicht erst bei der Nominalisierung zugewiesen, sondern ist schon der Basis eigen. Interessanterweise gilt hier: „Die Maskulina bilden die größte Gruppe und sind auch noch produktiv" (WELLMANN 1975: 229). Das zeigen auch Frequenzuntersuchungen, nach denen merkmallose Ablei-
20 BENVENISTE (1948: 113-168) überträgt den Dualismus noch jeweils auf Komparativ und Superlativ, was an dieser Stelle jedoch nicht von Bedeutung ist.
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
tungen in der gesprochenen Sprache zu 84,38% und in der geschriebenen Sprache zu 90% Maskulina sind (GERSBACH/GRAF 1984/85: 209). Dabei werden die simplizischen Substantive wie Treff etc. stark und zwar mit s-Plural flektiert (REIS 1983: 128). Ungeachtet vieler offener Fragen, die die Entwicklung und Verbreitung dieses Plurals mit sich bringt, scheint es, „daß der »-Plural, [...], heute zur besonderen Kennzeichnung bestimmter markierter lexikalischer Klassen funktionalisiert ist" (BORNSCHEIN/BUTT 1987: 140). Dazu gehören laut BORNSCHEIN/BUTT fast alle substantivischen Neologismen wie Fremdwörter, Lehnwörter, Abkürzungen und Kurzwörter. An derselben Stelle sagen sie aber: „Da es im Deutschen kein Derivationsmorphem gibt, das den s-Plural nimmt, haben Derivata nie ein Plural-^; [..]" (BORNSCHËIN/BUTT 1987:145). Und hier irren sie. Es mag sich um kein explizites Derivationsmorphem handeln, aber es scheint eine typische Bedeutung mit diesen Konversionen verknüpft zu sein, die man zusammenfassen könnte als „einen Teilakt eines durativen Geschehens, ein Teilelement der Handlung, die durch das Basisverb ausgedrückt wird" (SCHIPPAN1967:135). Es handelt sich also, um einen anderen Terminus zu verwenden, um S i ngul a t i ν bi 1 d u n g e η. Singulativa stehen aber Individuativa nahe, deshalb sind sie pluralisierbar und als stark typisierte Substantive haben sie Affinitäten zur Reduktion. Aus diesem Grunde möchte ich hier das Konzept des Null-Allomorphs oder der merkmallosen Ableitung ansetzen, denn es handelt sich, parallel zu den Suffixbildungen, um Verbalabstrakta, die für ihre Funktion lediglich kein analoges explizites Element verwenden, und das aus gutem Grunde. In Hinblick auf den individuativzentrierten Primärwortschatz handelt es sich nämlich um ganz ikonische Bildungen. Es ist nun nicht gesagt, daß solche Bildungen mit Affinitäten zur Singulativbedeutung immer suffixlos sein müssen. Das ist lediglich e i n e Möglichkeit, wenn sich das prototypische Lexikon aus merkmallosen Individuativa konstituiert. Im Deutschen existieren genauso Nomina acti auf -er, die diese Funktion erfüllen: Seufzer, Huster usw. Diese Ausführungen werden von der Situation im Englischen noch stärker gestützt. Ich lasse an meiner Stelle BIESE 1939 sprechen, der die wohl bislang gründlichste und umfangreichste Untersuchung über Konversionen vorgelegt hat. BIESE (1939: 297) stellt Verbalnomina auf -ing und Konversionssubstantive einander gegeneinander und stellt fest, daß erstere eine kontinuierliche oder habituelle Handlung denotieren, während letztere kurze oder momentane Handlungen denotieren, " h a v i n g a d e f i n i t e b e g i n n i n g a n d e n d " . Er führt das noch weiter aus und bezeichnet Konversions-Substantive als d e -
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Substantiv
f i n i t e w h o l e s und -íng-Formen als 'continuous action', wobei seine graphische Wiedergabe exakt mit der Notation von Individuativa und Massennomina übereinstimmt (BIESE 1939: 297; s. Kapitel 3.2.1).
Konversion
-mg-Form
Diese Nähe der nicht-expliziten, v. a. der impliziten, Ableitungen zu den prototypischen Primärwortschatzelementen hatte schon GRIMM (1831: 530) erkannt, der schreibt: Jene unabgeleiteten21 mase, erscheinen auch, um ein fühlbares, weniger abstract, als die abgeleiteten feminine, sie halten noch gleichsam in der mitte zwischen dem sinnlichen und dem abgezognen [sic] begrif [sie].
Ähnliches vertritt MEYER (1906/07: 153), der substantivierte Infinitive wie das Trösten einem Substantiv der Trost gegenüberstellt, und dabei das eine als „leere Abstraktion", das andere als „von unmittelbarer Anschaulichkeit und k o n k r e t e m G e h a l t erfüllt" sieht (Hervorhebung P. M. V.). Somit bestätigt sich die Vermutung, daß sich innerhalb der Abstrakte des Sekundärwortschatzes die Strukturen des Primärwortschatzes wiederholen. Individuativbasierte Sprachen können deshalb alle bis zu einem bestimmten Grad Konversionssubstantive, definite Abstrakte, aufweisen. Englisch und Deutsch scheinen sich hier auch kaum zu unterscheiden. Beide Sprachen sind in diesem Bereich mäßig produktiv, wobei der Schwerpunkt im Deutschen laut WELLMANN (s. o.) auf Ableitungen von Präfixverben liegt. Dies galt auch noch für das Altenglische (KASTOVSKY 1968). Im Gegensatz zum Deutschen haben die merkmallosen, mit Verben formal identischen, Substantive im Englischen aber eine andere Qualität. Sie sind in ihrer Definitheit sehr viel abstrakter und vermitteln nicht so sehr eine Instanz der zugrundeliegenden Handlung, als vielmehr das Handlungskonzept als grammatische Ganzheit. Auch sind die entsprechenden Substantive zahlreicher als im Deutschen und aufgrund ihres typischen Auftretens mit dem indefiniten Artikel als extrem définit gekennzeichnet:
21 Unabgeleitet nennt GRIMM (1831: 478) solche Abstrakta, „die ohne zwischenkunft derivativer buchstaben aus verbis gebildet werden", z. B. Geschmack, Schrei, Tritt u. ä. Zum Zusammenhang zwischen Abstraktivbildungen und Genus s. Kapitel 3.2.3.
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
a hit, a find, a buy, a pay, (to give) a shake, a wish, a frown, (to make) a dash, a hope, (to give) a stir, (to have) a pick, (to have) a smoke, (to have) a go, a smile, a yawn, (to take) a step, (to take up) a stand, a touch, a walk, a stroll, (to have) a reßl (of one's glass), a fake, a look, (to be in) a hurry, a try, a sigh, (to give) a stare usw. 22 Nach PREUSS 1962/1963 und S0RENSEN 1986 nimmt dieser Typus der merkmallosen Substantive ab dem 20. Jahrhundert immer mehr zu, wobei der Schwerpunkt verstärkt auf den sogenannten 'phrasal verbs' liegt, mit Adverbien oder Präpositionen gebildeten Verben. Nach SOUDEK 1968 stellen Konversionen solcher Verben in Substandardbereichen des Englischen oder Amerikanischen die Masse der produktiven Konversionssubstantive dar, z. B. a bake-out 'disinfection', a carve-ujL 'swindle', a backdown 'submission', a bob-up 'surprise'. Meines Erachtens ist ein Umbruch im Substantivlexikon des Englischen 23 für die verstärkte Produktivität dieser Art von Ableitungen verantwortlich zu machen. Schon WEINREICH 1966 hatte darauf hingewiesen, daß sich englische Substantive anders als deutsche verhielten, weil die Trennung von Individuativa und Kontinuativa nicht so stark ausgeprägt wäre. In beiden Sprachen gibt es Lexeme, die mit beiden Konstruktionsarten ohne stilistischen Mehrwert möglich sind: a cake, some cake vs. ein Kuchen, etwas Kuchen an oak, made of oak vs. eine Eiche, aus Eiche a lamb, to like lamb vs. ein Lamm, Lamm mögen usw. Im Gegensatz zum Deutschen sind im Englischen aber in extremer Zahl Verwendungen von Individuativnomen in Kontinuativfunktion möglich, ohne daß dies stilistisch markiert wäre. ALLAN (1980: 547), der eine Untersuchung zu diesem Phänomen angestellt hat, kommt zu dem Schluß: Innumerable examples may be found; there seems to be no absolute constraint to stop any noun, other pluralia tantum nouns and perhaps plural proper names, from heading an undetermined singular NP.
Einige dieser Beispiele in Anlehnung an ALLAN (1980:547) sind: a ) the scrapyard is full of smashed car. b) there is not enough table for everyone to sit at, c) Emmy finds squashed spider nauseous, d) we went to school by car.
22 Die Beispiele sind englischen Radiosendungen u n d englischer Literatur diverser Textsorten entnommen. 23 Diesen Hinweis verdanke ich UNTERBECK 1993.
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In deutscher Übersetzung wäre keine Wiedergabe mit einer parallelen Form möglich oder nur mit starker stilistischer Markierung. Als Ersatz kann der Singular eintreten (d: mit dem Auto) oder Kontinuativa. Neben dem Plural wäre immer auch eine Kollektivbildung möglich: ζ. B. Geauto, Getisch, Gespinne (s. a. UNTERBECK 1993: 144). Diese
Lexeme sind zwar nicht lexikalisiert, wohl aber bildbar und analysierbar, ebenso wie die von WELLMANN (1975:163) genannten literarischen Kollektive Geschleier, Gewimper, Gewinkel u. ä. Ich selbst habe in einem Gespräch Genote im Sinne von 'ein Bündel von Notenblättern' gehört. Außerdem sind jederzeit Kollektiva mit den Suffixoiden -schaft, -werk, -zeug usw. möglich.
Mein Vorschlag ist nun, daß das Englische ein neues merkmalloses Kontinuativlexikon aufbaut, das Primärlexikon also schwerpunktmäßig Kontinuativa favorisiert (zu den möglichen Gründen s. Kapitel 4.4). Dazu paßt, daß die Derivation im Englischen grundsätzlich rückläufig ist, v. a. was komplexe Kollektivbildungen betrifft, in MARCHAND 21969 gibt es dafür ζ. B. keinen Eintrag mehr. Morphologisch komplexe Kollektiva des Deutschen entsprechen im modernen Englisch deshalb oft Simplizia (ζ. B. dt. Mannschaft, engl, team; LEISI 51975:31). Eine Erklärung für die steigende Frequenz der deverbalen Konversionssubstantive ist nun, daß sie aufgrund ihrer Eigenschaften mithelfen, den merkmallosen Kontinuativwortschatz aufzubauen. Sie verknüpfen nämlich Merkmallosigkeit mit Abstraktheit. Störend wirkt dabei allerdings ihre sekundäre Definitheit und man fragt sich, ob es noch eine andere Erklärung für die englischen Verhältnisse gibt. Eine Antwort darauf, und auch auf die Frage, ob die englischen Konversionssubstantive ebenfalls als Null-Ableitungen zu betrachten sind, kann erst in den Kapiteln 4.2 und 4.4 gegeben werden, weil dazu das gesamte Wortartensystem des Englischen einbezogen werden muß. Ein letzter Punkt ist der Frage gewidmet, ob Englisch und Chinesisch auch in Hinblick auf die Struktur ihres Substantivsystems so ähnlich sind, wie oft behauptet wird. Die Antwort darauf lautet eindeutig 'nein'. Zwar markiert auch das Chinesische seine Abstrakta nicht, da in merkmalloser Form bereits Kontinuativa zugrundeliegen und gleicht so dem Englischen. Sekundär definite Abstrakta lehnen sich aber an individuierte Kontinuativa an und sind deshalb im Chinesischen ebenfalls merkmalhaft: ϊ-zhöng btng 'a kind of sickness' (CHAO 1968: 511). Die Ikonizität bleibt also genauso gewahrt wie in individuativzentrierten Sprachen. Konversionssubstantive im Sinne der englischen oder deutschen merkmallosen (sekundär) definiten Abstrakta existieren also im Chinesischen nicht. Trotzdem Chinesisch und Englisch einige gemeinsame Strukturzüge aufweisen, erlauben unter-
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
schiedliche historische Voraussetzungen und deshalb verschiedene Weiterentwicklungen keine Gleichsetzung der beiden Sprachen auf funktionaler Ebene. 3.2.3 Exkurs: Genus24
Bewegt man sich im Bereich der Substantive, so stößt man früher oder später auf das Phänomen Genus. Allerdings gilt: "Gender is the most puzzling of the grammatical categories" (CORBETT 1991: 1). Es kann und soll sich hier deshalb nur um einen Exkurs handeln, um die bisher gemachten Beobachtungen besser einordnen zu können. Deshalb schneide ich das Gebiet nur soweit nötig an, ansonsten sei auf weiterführende Literatur verwiesen, v. a. auf die wohl umfangreichsten zwei Arbeiten auf diesem Gebiet, die eine älteren, die andere neueren Datums, ROYEN 1929 und CORBETT 1991 (s. dort auch die umfangreiche Bibliographie). Auch CLAUDI 1985 bietet eine Zusammenfassung der Theorien zum Problem Genus nebst Bibliographie. Im vorausgehenden Kapitel 3.2.2 ist aufgefallen, daß bestimmte Abstraktivarten, so sie sich nicht zu Personenbezeichnungen weiterentwickeln und sexusdominiert sind, Affinitäten zu bestimmten Genera haben. Die als 'definite wholes' geltenden Konversionssubstantive sind auffällig oft M a s k u l i na 2 5 , explizit merkmalhafte Abstrakta und Kollektive F e mi ni na (vgl. HÖPPNER1980:121f.) und substantivierte Adjektive in der Bedeutung von Genuskollektiva sowie substantivierte Infinitive und merkmalhafte Kollektiva N e u t r a . Auf diese auffällige Verteilung hatte bereits BRINKMANN 1954 hingewiesen. Im Extremfall kann hier eine doppelte Opposition vorliegen, wenn alle drei Bildungsmöglichkeiten ausgenutzt werden: der Dreh vs. die Drehung vs. das Drehen (s. dazu BRINKMANN 1954). Diese 'singula ti ve' Bedeutung des Maskulinums zeigt sich sporadisch auch noch in anderen Bereichen. Ganz beiläufig erwähnt WEINREICH (1963: 157, Anm. 22) beispielsweise, daß in der neuenglischen Variante des Jiddischen eine Aussonderung innerhalb eines Massennomens maskulines Genus hat, z. B. di ajzn Tdnd of iron', aber: der ajzn 'piece of iron'. Sind diese Beobachtungen nun rein zufälliger, willkürlicher Natur oder ist die Kategorie Genus auf eine bestimmte Art und Weise moti24 Viele Anregungen und Hinweise hierzu gehen auf das im WS 1991/92 an der Universität Erlangen am Lehrstuhl für Germanistische Linguistik von Prof. Dr. Elisabeth Leiss gehaltene Hauptseminar 'Die Kategorie Genus' zurück, wofür ich den Teilnehmern und v. a. Prof. Dr. Elisabeth Leiss sehr danken möchte (s. dazu auch LEISS 1994). 25 Dies gilt auch fürs Russische, vgl. Kapitel 2.1.4.
Substantiv
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viert und wenn ja, wie? In diesem Zusammenhang stellt sich als erstes die Frage nach der Funktion oder Bedeutung von Genus. Liest man dazu in einem sprachwissenschaftlichen Lexikon, ζ. B. bei LEWANDOWSKI ( 5 1990: 354; s. v. Genus) nach, so scheint die Antwort darauf ganz einfach zu sein: „Die grammatische Funktion des G. [Genus] besteht in der Signalisierung der Kongruenz [...]". Abgesehen davon, daß auch über die Funktion von Kongruenz viel zu wenig bekannt ist, ist die Aussage nicht ganz haltbar. Zum einen weist GREENBERG (1978: 50) in diesem Zusammenhang darauf hin, daß Genus und Kongruenz nicht obligatorisch aneinander gekoppelt sind. Das zeigen Beispiele aus Sprachen ohne Genus und mit Kongruenz (ungar. eb-ben a kert-ben 'in-LOK diesem Garten-LOK') bzw. mit Genus und ohne Kongruenz (klass. Hebräisch hayyeled tov DET-gute Sohn vs. hayyaldah hattovah DET-gute Mädchen). LEISS (1994: 290) argumentiert außerdem, daß es auch andere Kategorien gebe, die Kongruenz erzeugen, ζ. B. Numerus, ohne daß behauptet würde, das wäre seine Funktion. Numerus hat ein Merkmal, das darüber hinausgeht, woran seine Funktion festgemacht wird. Für Genus fehlt ein solches Merkmal, möglicherweise ist es aber nur noch nicht 'entdeckt'. Wenn man weiter fragt, was das Vorhandensein von Genus in einer Sprache bewirkt, so kommt man zu dem Schluß, daß dadurch die vorhandenen Substantive in Klassen, eben 'Genera', eingeteilt werden. Dadurch wird Genus in bezug gesetzt zu anderen Nominalklassifikationssystemen. Durch Klassifikationssysteme werden die Substantive einer Sprache in Gruppen unterteilt, wobei sich durch diese Unterteilung zum einen zahlenmäßig eminent weniger Gruppen ergeben müssen, als es Substantive in der jeweiligen Sprache gibt, zum anderen muß sie sich formal auswirken, und zwar über das klassifizierte Substantiv hinaus (DIXON 1968: 106). Das geht so weit, daß nur bei Vorhandensein von syntaktischer Kongruenz von 'Genus' als besonderer Art der Nominalklassifikation gesprochen wird: "All this means that the determining criterion of gender is agreement; [...]" (CORBETT 1991: 4). Diese Voraussetzungen erfüllen zwei der drei kardinalen nominalen Klassifikationssysteme, nämlich Nominalklassifikation i. e. S. und Genus. Die Numeralklassifikation entzieht sich dieser Definition teilweise, weil nicht alle Substantive (s. Kapitel 3.2.1) und nur bestimmte syntaktische Konstruktionen davon erfaßt werden (GREENBERG 1978: 52). Außerdem liegt i. a. keine Kongruenz vor. Numeralklassifizierung tritt dort auf, wo Individualisiertheit, Definitheit i. w. S., impliziert ist, d. h. speziell in Zähl- und Meßkontexten. Bei den Substantiven, die keinen Klassifikator zu sich neh-
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
men, handelt es sich v. a. um Maßelemente, die bereits inhärent individualisiert sind. Innerhalb der Konzeption dieser Sprachen fungieren diese Elemente als reine Formelemente, denen die Substanzebene fehlt, weshalb sie auch keinen Massencharakter annehmen und deshalb nicht mit Klassifikatoren konstruiert werden können. Das macht sie zu Individuativa (s. Kapitel 3.2.1; CAO 1988: 44). Die meisten Substantive sind einem (oder mehreren) Klassifikatoren (KLF) zugeordnet, die in diesen Kontexten auftreten müssen, und deren Anzahl sich u. U. auf 24 (Chinesisch) bis 246 (Thai) belaufen kann (SERZISKO 1982a: 104). Darüberhinaus etabliert sich das System in seiner Weiterentwicklung auch in weniger expliziten Kontexten mit Demonstrativa oder Adjektiven: Thai Schirm drei KLF/'drei Schirme' rôm khan nfí Schirm KLF dies/'dieser Schirm' rôm khan khïaw Schirm KLF grün/'der/die grüne(n) Schirmte)' (KÖLVER 1982b: 166f.). Die Setzung des Klassifikators erzeugt Individuativa und zwar unabhängig von der zugrundeliegenden ontologischen Situation, die Unterscheidung belebt vs. unbelebt fällt nur sekundär ins Gewicht. Pluralisierung erfolgt nur innerhalb der Klassifikationsphrase, d. h., es liegt ein kollektivischer Plural im reinen Substantiv vor, was fehlt, ist ein distributiver Plural. Dieser setzt nämlich merkmallose, inhärente Individualisiertheit voraus. Dies ist genau das, was Nominalklassensysteme i. e. S., wie etwa im Suaheli, und Genussysteme in merkmalloser Form aufweisen. Sie sind typisch für individuativzentrierte Sprachen mit einem merkmalhaften Distributivplural, wobei meist Genus bzw. Nominalklasse und Numerus untrennbar aneinander gekoppelt und zusätzlich mit dem Merkmal der Kongruenz versehen sind, der formal-syntaktischen Auswirkung über das Substantiv hinaus (typischerweise Adjektiv und Verb).26 Erst wenn alle Substantive potentiell inhärent individuiert sind, kann eine obligatorische Kategorie Plural als diskrete Vielheit entstehen, und diese Individuierung ist mit inhärenter Klassifikation gleichzusetzen. rôm säam khan
Die i n h ä r e n t e I n d i v i d u a l i s i e r t h e i t scheint demnach eine F u n k t i o n d e r Kombination von G e n u s u n d N u m e r u s zu sein. Dabei ist das Genus als ein nominales Klassifikationssystem aber mit Singular und Plural nicht in gleichem Maße
26 Zu einer umfassenden Behandlung des Phänomens der Kongruenz v. a. im Zusammenhang mit Genus, Numerus und Person s. MORAVCSBC 1978.
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verbunden, sondern zuvörderst mit dem S i n g u l a r , das ist seine eigentliche Domäne: [...] (UNTERBECK 1993: 205, Hervorhebung P. M. V.). [...] we may suggest that the occurrence of gender be characterized by the feature [singular] (SERZISKO 1982a: 102; Klammer SERZISKO).
Numeralklassen-, Nominalklassen- (i. e. S.) und Genussysteme lassen sich auf ein Kontinuum auftragen hinsichtlich Grammatikalität, Semantizität und Variabilität. In Numeralklassensystemen korreliert geringer Grammatikalisiertheitsgrad mit hoher Semantizität, relativ hoher Klassenzahl und hoher Variabilität, d. h. die Klassifikation ist temporär, z. B. kann ein Substantiv abhängig von Kontext und Stilebene eine Auswahl unter mehreren Klassifikatoren treffen. In Nominalklassensystemen ist die Semantizität geringer, aber noch vorhanden. Trotzdem sind die Nominalklassen insgesamt uneinheitlich, nicht jede Klasse enthält nur Entitäten einer bestimmten Art, und nicht alle diese Entitäten befinden sich in nur einer Klasse. Die Marker verbinden außerdem Genus und Numerus in einer einzigen Form (Suaheli m-toto 'Kind', wa-toto 'Kinder') und sind stark kongruierend: Suaheli
wa-le wa-toto wa-zuri wa-mekuja jene Kinder schöne sind gekommen (WURZEL 1986: 82). Der Grammatikalisierungsgrad ist höher, Klassenelemente sind in jeder Konstruktion explizit obligatorisch und es ist noch eine gewisse Variabilität gegeben, weil die Klassenzeichen hohes derivatives Potential haben: mtoto 'Kind', watoto 'Kinder', kitoto 'kindlich', utoto 'Kindheit' (Beispiele PERROTT 21957/1972: 6). Da in den Klassenzeichen aber notwendigerweise Singular und Plural involviert ist, überlagern sich damit auch die derivativen Bedeutungen. In Genussprachen ist der Grammatikalitätsgrad am höchsten, das Genus ist inhärent und obligatorisch, es drückt sich nur in der Kongruenz aus, der Semantizitätsgrad ist kaum noch vorhanden und es gibt keine Variabilität mehr. WURZEL 1986 zeigt, daß dieses Kontinuum dadurch gekennzeichnet ist, daß in Richtung Genussysteme alte und neue, erstarrte und aktuelle Klassifikationen vorliegen, die sich überlagern. Die Neuklassifikation scheint dabei vornehmlich immer wieder bei belebten Entitäten zu beginnen, motiviert durch die „Wichtigkeit dieses Bereichs für die Kommunikation" (WURZEL 1986: 84). Im Suaheli, als Beispiel eines Nominalklassensystems i. e. S., sind alle Substantive einer von sieben Klassen zuzuordnen, die teilweise noch semantisch motiviert sind, z. B. enthält eine Klasse v. a. Perso-
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
nenbezeichnungen, eine andere Tierbezeichnungen usw. (WURZEL 1986: 82f.). Bei Bezeichnungen für Personen und Tiere kann man allerdings durch das Klassenpräfix eine zweifache Klassifikation beobachten, eine rein lexem-inhärente und eine syntaktische, kongruenzetablierende: n-dege m-zuri 'ein schöner Vogel'. Das Substantiv gehört morphologisch einer anderen Klasse an als syntaktisch, was sich in der Kongruenzmarkierung zeigt (WURZEL 1986: 83). Auffallend ist, daß dieses Auseinanderbrechen vornehmlich bei Belebten stattfindet, Sachbezeichnungen fallen in eine einheitliche morphologisch-syntaktische Klasse: m-ti m-dogo 'kleiner Baum'. So wird eine weitere formale Einteilung ermöglicht: n-dege m.-zuri 'ein schöner Vogel', aber: n-dege n-zuri 'ein schönes Flugzeug' (WURZEL 1986: 83f.). Die morphologischen Klassen funktionieren wie die Deklinationsklassen des Indoeuropäischen als Pluralbildungsklassen, die ihre ursprüngliche Funktion verloren haben und als Relikte weiterexistieren. Deklinationsklassen sind degenerierte morphologische Klassen, die neben syntaktischen Genusklassen existieren. Dadurch wird auch deutlich, warum nun Genusklassen verschiedene morphologische Klassen und diese wiederum verschiedene morphologische Klassen enthalten. Es besteht aber oft Präferenz für ein bestimmtes Genus. So enthält die syntaktische Klasse I im Suaheli (v. a. Personen) oft auch morphologische Personenbezeichnungen. Deshalb findet hier kein Bruch statt. Im Deutschen ist diese Entwicklung noch viel weiter fortgeschritten. Die Marker sind geschwunden, dadurch können sich im Lexikon andere semantische Zuordnungen ausprägen Die Genuszuweisung wird durch den Artikel im Singular vollzogen. Durch die fehlende formale Markierung der Deklinationsklassen wird nun ein zufälliger Bedeutungsschwerpunkt ausschlaggebend. Normalität setzt sich durch. Substantive der ö-Deklination und n-Deklination enden auf -e: mhd. ère, zunge. Da erstere eher abstrakt, letztere eher konkret sind, wird uminterpretiert. Konkretisierte ère und minne gehen deshalb sogar nach der n-Deklination. Das ist also eine Neuklassifikation nach äußeren (phonologischen, semantischen, syntaktischen) Merkmalen zur Remotivierung der Desemantisierung. Eine neue Klassifikation tritt, wieder vornehmlich bei Belebten, bei anaphorischer Verweisung ein: das Mädchen betrügt ihren/seinen Freund. Sie/Es ... u. ä. (WURZEL
1986: 90f.) Noch weiter ist die Entwicklung im Englischen fortgeschritten. Die Deklinationsklassen sind hier abgebaut, es gibt im Prinzip nur noch eine s-Pluralklasse. Die Genusdifferenzierung ist auch schon im Singular verschwunden, so daß es keine Genusdifferenzierung anhand des
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Substantiv
Artikels mehr gibt. Es ist zu erwarten, daß ein neues System aufgebaut wird oder vielleicht eine Verschiebung in Richtung Numeralklassifikation stattfindet. Im Augenblick ist es so, als ob eine externe Kongruenz, wie fürs Deutsche in Ansätzen beschrieben, dafür eintritt. Maskuline Lebewesen fordern maskuline Verweise usw., aber auch hier tritt schon Desemantisierung ein, Boote sind ζ. B. als Feminina zu behandeln. Eine typische Differenzierung ist auf dieser Stufe die Unterteilung in Belebte und Unbelebte, so daß ein Genus commune und ein Neutrum vorliegen, wie es auch das Schwedische aufweist. Interessant ist, daß zur Differenzierung bei Belebten wieder pronominale Elemente auftreten wie in engl, he-bear, she-bear, boy-friend,
girl-friend
u. ä.,
was an afrikanische Verhältnisse erinnert. Auch hier werden Belebte wieder als isolierte Klasse behandelt (WURZEL1986: 92ff.). Die Entstehung von Deklinationsklassen ergibt sich also offensichtlich aus der Neuklassifikation der Substantive. [...] Morphologische und syntaktische Klassen brechen auseinander. So entstehen die Deklinationsklassen nicht 'gezielt', sondern faktisch als "Nebenprodukt' [...) (WURZEL 1986: 84).
Aus all dem kann man schließen, daß Genus in seiner Funktion als Nominalklassifikation etwas mit der konzeptuellen Gestaltung und der Unterteilung der Substantive in ihre Unterarten, d. h. mit ihrer Individuativität oder Kontinuativität zu tun hat. Das paßt natürlich gut zu der Bedeutung von lat. genus als 'Klasse, Art'. In den Genussprachen, die typischerweise individuativzentriert sind, haben sekundäre Abstrakta und Kollektiva nun die Aufgabe, sekundäre Kontinuativa zu schaffen, wobei die Konversionssubstantive wiederum eine Sonderstellung haben, weil sie Kopien der Individuativa sind. Ich möchte nun versuchen, eine Erklärung zu finden für die Konzentration bestimmter Abstraktiva um bestimmte Genera herum (s. o.). Eine Assoziation, die bisher außer acht gelassen wurde, ist die von Genus zu Sexus. Nicht umsonst heißen ja die dazugehörigen Subkategorien in abendländischer Grammatiktradition Maskulinum, Femininum und Neutrum, und Lexeme für männliche Personen haben oft maskulines und die für weibliche Personen feminines Genus. Also wurde doch offensichtlich die außersprachliche Scheidung der Belebten in männlich und weiblich irgendwie auf nicht-geschlechtsspezifische Entitäten übertragen. Zwar ist dann die Erklärung bezüglich des neutralen Genus' noch schwieriger als bei Maskulinum und Femininum, weil schon nicht alle Unbelebten nur neutral sind, aber das hat der Parallelisierung von Genus und Sexus bisher keinen Abbruch getan. Die These der Personifizierung, der Übertragung 'natürlicher Gegebenheiten' auf abstraktere Entitäten, zieht sich trotz vieler Ungereimtheiten und Widersprüche von der Antike bis ins 19. Jahrhundert. Da-
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
her dann auch die 'sexuale' Terminologie Maskulinum, Femininum, Neutrum. Daß Genus und Sexus zwei verschiedene Dinge und trotzdem nicht strikt voneinander zu trennen sind, scheint klar. Die Healisten' gehen deshalb primär von Sexus aus und versuchen daraus die Formkategorie des Genus' abzuleiten, während die Tormalisten' eine sexusunabhängige Einteilung der Substantive in Klassen (= Genera) zugrundelegen und die Sexusbeziehungen als sekundär betrachten.27 Die schon immer zumindest in Ansätzen latent vorhandene Kontroverse trat in ihre konstruktivste Phase Ende des 19. Jahrhunderts mit den Schriften von BRUGMANN zum nominalen Geschlecht (v. a. 1889 und 1897).28 Ihm schließen sich in Folge MEILLET, LOHMANN, VELTEN, MARTINET u. a. an, die den 'Genus-Traditionalisten' BOPP, GRIMM, WUNDT, PAUL, HIRT, VENDRYES u. a. gegenüberstehen.29 BRUGMANNs Theorie hat den Vorteil, daß sie nicht auf mehr oder weniger suspekte extralinguistische Faktoren rekurriert, sondern das Phänomen Genus innerhalb von Sprache selbst erklärt. So ist es nun möglich, das indogermanische System vor ein und demselben Hintergrund parallel zu anderen Substantivklassifikationen zu sehen, ζ. B. die Nominalklassen afrikanischer Sprachen, die Numeralklassifikation oder die semitischen Genera (s. o.).30 BRUGMANNs zentraler Gedanke war der, daß die Sexusinterpretation des Genus' sekundär ist. Er stützt sich dabei v. a. auf die Tatsache des nicht vorhandenen Zusammenhangs von natürlichem und grammatischem Geschlecht. Natürliches Geschlecht kann zum einen durch verschiedene Wurzeln ausgedrückt werden, ohne daß die Flexion variiert, ζ. B. lat. pater vs. mäter (BRUGMANN 1897: 4), zum anderen vereinen die sogenannten Epicoena in einem Wort mit fixem grammatischen Genus undifferenziert beide natürlichen Geschlechter, z. B. der Hase, die Maus (a. a. O. 12). Daraus schließt er, daß die Genuskategorien primär andere Funktionen hatten, an die sich dann die Bedeutungen für weibliche und männliche Lebewesen anlagerten. Dabei geht er zentral von einer stufenweisen Entwicklung aus, bei der sich zuerst die feminine Bedeutung abspaltet und die maskuline Kategorie 'nur' als negativer Gegensatzterm dazu existiert (BRUGMANN 1889: 103). Das bedeutet auch, daß die Zusammenlagerung von weiblichem
27 Zu den Termini 'Realisten' und 'Formalisten' s. ROYEN (1929:42 und passim). 28 Zu einer Zusammenfassung der Thesen BRUGMANNs vgl. WHEELER 1898. 29 Einen Überblick zu dieser Kontroverse geben z. B. ROYEN (1929:1-270) im Detail, FODOR1959 in Zusammenfassung. 30 Zu einer 'formalistischen' Betrachtungsweise der semitischen Genera s. IBRAHIM 1973.
Substantiv
149
Sexus und femininem Genus motiviert, die Funktionsverschmelzung von männlichem Sexus und maskulinem Genus aber funktional opaque ist bzw. sein kann. Was ist aber nun die eigentliche Bedeutung von femininem Genus und was hat Sexus damit zu tun? If one examines all the words of the Indo-European languages which are formed with the [feminine] suffixes -a-, -íé-(-í), he comes readily to the view that the original function of these suffixes was to form a b s t r a c t s and c o l l e c t i v e s . [...] Latin fuga, 'flight', juventa, 'youth', aciis, 'sharpness', materies, 'matter', "building material' (BRUGMANN 1897: 25f.; Hervorhebung P. M. V.).
Den Zusammenhang von Abstrakt-/Kollektivbedeutung und femininem Sexus erklärt er dann mit einer Bedeutungsverlagerung 'weibliches Wesen' aus der Wurzel in das Suffix und einer anschließenden Ubergeneralisierung. Das setzt einen bestimmten Zusammenhang zwischen Abstraktum und Konkretum voraus, der allerdings in Kapitel 3.2.2 bereits als Reduktionsphänomen beschrieben wurde, z. B. die Bedienung als abstrakte Handlung oder als Träger der Handlung. So wie idg. *guenä ursprünglich Tearing' geheißen haben könnte und dann auf das gebärende Wesen angewandt wurde, das notwendigerweise weiblich war, wanderte dieses Sem ins Suffix, wo es in dieser Bedeutung produktiv wurde (BRUGMANN 1897: 25ff.). Meines Erachtens ist diese Schlußfolgerung BRUGMANNs bezüglich der Bedeutungsverlagerung nicht ganz haltbar, weil dafür zum einen zu wenig motivierende Lexeme vorlagen und zum anderen kein zwingender Grund für die Produktivität ersichtlich ist. Trotzdem scheint er insofern Recht zu haben, als ein direkter Zusammenhang zwischen Kollektivum und weiblichem Wesen zu bestehen scheint. Interessanterweise ist dieser Zusammenhang auch für andere als indogermanische Sprachen dokumentiert. Im klass. Arabischen, mit den zwei Genera Maskulinum und Femininum, dient das Suffix -atun zur Bildung von S i n g u l a t i v a aus Kollektive (dam* un Tränen' vs. dam*atun Träne'; FISCHER 21987: 49), von K o l l e k t i v a (muslimun 'Moslem' vs. muslimatun 'Moslemschaft'; a. a. O. 52), von A b s t r a k t a und von w e i bl i eh e n P e r s o n e n b e z e i c h n u n g e n (fatan 'junger Mann' vs.fatätun 'junge Dame'; a. a. O. 62). Ähnliches stellt UNTERBECK (1993: 51f., 69ff.) für das Koreanische, eine Nicht-Genussprache, fest, wo das Suffix -ne nicht nur kollektivische, sondern auch die, inzwischen veraltete, Bedeutung 'Mutter/Ehefrau von x' hat: nam.còng.ne 'Männer, Mannsvolk'; Sun I-ne 'Mutter von Suni'. Liegt hier nur zufällig eine Verbindung von Femininum zur abstrakt-grammatischen Funktion Kollektiv/Singulativ bzw. Abstraktum vor? Ich werde darauf im folgenden noch genauer eingehen. An dieser Stelle ist erst zu fragen, welches die andere Perspektive
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
ist und was es mit dem Neutrum in den indogermanischen Sprachen auf sich hat. Die dem Kollektivum/Abstraktum, dem Indefiniten, entgegengesetzte Perspektive vertritt das Definite, Individualisierende. Dies entspricht dem Maskulinum und nicht dem Neutrum, da jenes und das Femininum miteinander gekoppelt sind und der gleichen Perspektive angehören. In seiner Arbeit von 1889 hat JOHANNES SCHMIDT (1889/1980: Iff.) darauf hingewiesen, daß die Plurale der indogermanischen Neutra eigentlich kollektivische Bedeutung hatten, was sich daran zeigt, daß zum Verb ursprünglich singularische Kongruenz vorliegt. Wenn der 'Plural' der Neutra aber ursprünglich ein Kollektivum ist, so kann man annehmen, daß die zugrundeliegenden Formen sich einer Pluralisierung entzogen, und daß der Kollektiv lediglich als Pluralersatz im Dienste einer einheitlichen Paradigmatik dient. Der Kollektiv kann diese Aufgabe erfüllen, da er 'Vielheit innerhalb einer Einheit' und damit 'qualitative Unterteilung' signalisiert. TICHY (1993: 6f.) schlägt eine andere Alternative vor, die sie für wahrscheinlicher hält, daß nämlich die ursprünglichen Formen für den Nom./Akk. PI. durch Kollektive ersetzt wurden. Es ist eigentlich eine derivative Kategorie, die auch mit Maskulina möglich war (HARDARSON 1987: 81 ff.). Diese derivative Kategorie ist die Grundlage für das spätere Femininum, das nicht nur kollektive, sondern auch weibliche Bedeutung auf sich vereinte. Zugrunde liegen also im urindogermanischen Neutrum ursprünglich offensichtlich Entitäten kontinuativer Natur, „Unlebendiges, Unenergisches, Massiges", so daß Abstrakte auch eher feminin oder neutral als maskulin sind (BRUGMANN 1904b: 358). Die neutralen Plurale auf -« sind laut SCHMIDT (1889/1980: 9) nämlich „ursprünglich collective feminine singulare", so daß ein formgleiches Nebeneinander von Femininum Singular und Neutrum Plural vorliegt, vgl. lat. locus - loca vs. villa. SCHMIDT (1889/1980: 8f.) weist auch auf die Parallele zum Semitischen hin, wo ebenfalls Kollektivität mit Femininum verknüpft ist (s. o.). Es sieht also so aus, als würden drei Genera vorliegen mit den Bedeutungen Individuum (Maskulinum), Kollektivum (Femininum) und Kontinuativum (Neutrum), das den Singular der Feminina als Plural nutzt. In den ältesten Belegen indogermanischer Sprachen, v. a. dem Hethitischen, ist allerdings eine Zweigliedrigkeit dokumentiert. Das Hethitische unterscheidet zwei Genera, das g e n u s c o m m u n e (Maskulin-Feminin, persönliches Geschlecht), in dem d a s a l t e M a s k u l i n u m u n d Feminin u m z u s a m m e n g e f a l l e n sind [(...)], und das g e n u s n e u t r u m (unpersönliches Geschlecht) (FRIEDRICH 1940:14; Hervorhebung P. M. V.).
In Anbetracht dessen ist es u. U. naheliegender, nicht einen Zusam-
Substantiv
151
menfall von Genus, sondern eine ursprüngliche Zweiteilung mit einer späteren Abspaltung anzunehmen.31 Damit läge ein zweigliedriges System von Animata vs. Inanimata vor, wie schon VON HUMBOLDT ([1827]/1907: 28) oder MEILLET (21926a: 211 und [1919]/2l926b: 202) als Grundlage für Genus vorgeschlagen hatten. Lebendiges, Energisches, Unmassiges vs. Unlebendiges, Unenergisches, Massiges (s. o. in Anlehnung an BRUGMANN1904: 358) korreliert mit den Merkmalen définit vs. indefinit. Diese Opposition Definitheit vs. Indefinitheit ist aber affin zu den thematischen Rollen Subjekt und Objekt bzw. Agens und Patiens und diese korrelieren wiederum mit belebt und unbelebt. TICHY (1993: 2f.) betrachtet die Unterscheidung belebt vs. unbelebt als zweitrangig und unterscheidet Genus distinctum und Genus indistinctum nach dem Vorhandensein bzw. Fehlen distinkter Agens/Patiens-Markierungen. Ich denke, daß die Korrelationen aber nicht übersehen werden sollten. OSTROWSKI (1985: 317) schlägt vor, für eine frühe Stufe des Indogermanischen nicht Kasus, sondern eher eine Opposition Definitus vs. Indefinitus anzusetzen. Die Suffixe lieferten die Bedeutung für Definitoder Indefinitheit. Dem entspräche etwa idg. *mëms-0 ed-mi 'ich esse Fleisch' vs. *mëmsô-m ed-mi 'ich esse das Fleisch', so daß eine Opposition Quantität vs. Qualität vermittelt wird. Das paradigmatische Nebeneinander wandelte sich zu einer lexemabhängigen Markierung. Wenn Unbelebte überwiegend im Indefinitus und damit als Patiens fungieren, werden sie prototypisch die Indefinitendung erhalten und umgekehrt. Für Belebte sind eher beide Möglichkeiten naheliegend, so daß dadurch die bekannte Struktur von unterschiedlichen Nominativ- und Akkusativformen im Maskulinum und derselben Akkusativform im Neutrum mit analogem Ausgleich im Nominativ motiviert ist. So korrelieren also définit und indefinit, belebt und unbelebt. Darauf kann nun die Numerusunterscheidung aufbauen, denn nur Definita sind primär einer Pluralisierung zugänglich, bevor eine übergeneralisierende Paradigmatisierung einsetzt. Dadurch wird noch etwas anderes deutlich, daß nämlich die Kategorien Genus, Numerus und Kasus aufeinander aufbauen und immer auf dasselbe Prinzip einer generellen Unterscheidung Definitheit und Indefinitheit zurückgehen. Auf dieser Ebene der zwei Genera sind belebte Maskulina und Feminine nur durch verschiedene lexikalische Wurzeln unterschieden, was sich auch an dem Fehlen einer speziellen Femininmarkierung bei vie-
31 Zum besonderen Status des Anatolischen s. TICHY (1993:17f.).
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
len Adjektiven zeigt (HARDARSON 1987: 73f.). Das feminine Genus ist also erst durch Abspaltung entstanden, wobei 'Animatus' oder 'Inanimatus' das Quellgenus sein kann. Autoren älterer Arbeiten wie MEILLET gehen ganz selbstverständlich davon aus, daß das feminine Genus eine Spaltung innerhalb der Belebtenklasse war (MEILLET 2 1926a: 212). Erst später wird das Femininum aufgrund seiner ursprünglichen Kollektivbedeutung als Abspaltung des Ina ni ma tus' betrachtet (ζ. Β. VAILLANT 1936:101). Da das Femininum erst sekundär auch belebte Entitäten bezeichnete, ist diese Abspaltungstheorie folgerichtiger. Sie wird außerdem gestützt durch ähnliche Vorgänge in nichtindogermanischen Sprachen. Auch im Semitischen hat sich das feminine Sexus morphologisch erst sekundär herausgebildet. Es fand allerdings keine Abspaltung statt, die semitischen Sprachen besitzen nur zwei Genera, sondern eine Amalgamierung mit einem der Genera, „indem das Femininum die ehemaligen Inanimata absorbierte" (HARDARSON 1987:87; vgl. a. 86f. und 107f.: Anm. 22). Es besteht also keine Unverträglichkeit zwischen belebtem Femininum und Inanimatus, ganz im Gegenteil. Da belebtes Femininum und Maskulinum einen ebensolchen Gegensatz darstellen wie die Perspektiven définit und indefinit, liegt es nur nahe, daß sich ein neues feminines Sexus an die Kategorie anlagern kann, die dem maskulinen Sexus, dem Animatus, gegenübersteht und Inanimatus verkörpert. Wo die Bedeutung 'weibliche Person' kulturell außerdem automatisch mit einer Notion 'Zugehörigkeit zu einem Volk/einer Familie/einem Mann' verknüpft ist, kann es nicht weiter überraschen, daß dieser Zusammenhang zur abstrakt-grammatischen Funktion Kollektiv gestützt wird. Grundsätzlich ist es jedoch genauso naheliegend, wenn sich das Femininum an die Kategorie für Belebte anlagert, was ohnehin durch spätere Entwicklungen in einigen indogermanischen Sprachen geschieht, wenn das altererbte Genussystem zusammenbricht. Trotzdem kann man an dieser Stelle resümieren, daß das Genussystem nicht nur und auch nicht primär mit Sexus zu tun hat, sondern mit abstrakt-grammatischen Kategorien, die die Perspektiven der Indikativität und Prädikativität vermitteln, was sich auch in einer Einteilung von Belebt vs. Unbelebt widerspiegelt. Das maskuline Genus vertritt das Prinzip der Indikativität, der Definitheit, worunter auch männliche (und weibliche) Lebewesen fallen, neutrales und feminines Genus vertreten das Prinzip der Prädikativität, der Indefinitheit, wobei letztere Klasse auch weibliche Personenbezeichnungen impliziert. Ich meine, daß dieses System im Lexikon, und speziell im Primärlexikon, auf synchroner Ebene durch mannigfache Entwicklungen, Über-
Substantiv
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schneidungen und Reanalysen aber relativ opaque geworden ist. Es mag noch gewisse Regelmäßigkeiten geben, ζ. B. die (historisch nachvollziehbare) Beobachtung, daß Massennomina und Oberbegriffe sich um das neutrale Genus konzentrieren (vgl. KÖPCKE1982; KÖPCKE/ZUBIN 1983 und 1984; ZUBIN/KÖPCKE 1981). Ich denke aber, daß die Sprachgemeinschaft auch jeweils von der historischen Entwicklung unabhängige Regeln schafft, um Remotivation oder Opaqueheit zu bewirken, und diese sind an die ursprüngliche Motivation gebunden. Im Sekundärwortschatz scheint aber das ursprüngliche Prinzip noch (wieder?) relativ durchsichtig und damit komme ich auf die anfangs gemachte Beobachtung zurück, daß es gewisse Parallelen zwischen Genus und den verschiedenen Abstraktivarten gibt. Auch GRIMM (1831: 530) war der Zusammenhang zwischen Genus und bestimmten Ableitungsarten schon aufgefallen, v. a., daß explizit abgeleitete eher feminin und mehr abstrakt, nicht-explizit und implizit abgeleitete eher maskulin und abstrakter sind (vgl. Kapitel 3.2.3). Das Merkmal der Definitheit der Maskuline ist mit den am stärksten definiten Abstrakta, den 'definite wholes' verknüpft, die auffälligerweise oft Maskulina sind (Hieb, Stich, Treff, Klick, Schuß usw.). Der
Grad der stärksten Indefinitheit bei den sekundären Abstrakta ist mit dem Neutrum, dem ursprünglichen 'Indefinitus', verbunden. Neutra sind so massenartig, daß sie keinen oder einen stilistisch extrem markierten Plural bilden können: *die Laufen < das Laufen, *die Gesinge < das Gesinge, *die Schönen < das Schöne.
Zwischen diesen Gruppen scheinen die femininen Abstrakta zu stehen, die typischerweise Suffixe aufweisen (v. a. -heit, -keit, -ung, -e) und weder ausgesprochen définit noch ausgesprochen indefinit sind. 3.2.4
Zusammenfassung
Substantive werden ontologisch oft mit Bezeichnungen für Konkreta gleichgesetzt. Innerhalb der Konkreta gibt es aber eine Scheidung in Individuativa und Kontinuativa oder Massennomina. Individuativa stellen Ganzheiten dar und sind zählbar, während Kontinuativa teilbaren Massen entsprechen und nur in ganz bestimmten Interpretationen zählbar sind. 'Echt' zählbar werden sie v. a. mit Quantifikatoren, d. h. Substantiven oder Maßangaben, mit denen bestimmte Teile définit gemacht werden und deshalb zählbar sind (eine Tasse Milch, drei Liter Tee). Zu den Kontinuativa zählen auch Kollektive, die massenartige Zusammenfassung von Individuativa, und Abstrakta. Nicht alle Sprachen favorisieren im Lexikon schwerpunktmäßig den gleichen Substantivtyp. Es gibt Sprachen, in denen Substantive, unabhängig von ihrer außersprachlichen Erscheinungsform, typi-
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
scherweise grammatisch als ¡Continuativa konzeptioniert sind. Dazu gehört z. B. das Chinesische, wo die Mehrzahl der Substantive erst dann zählbar wird, wenn spezifische Klassifikatoren zwischen Zählwort oder Demonstrativum und Substantiv gestellt und damit individuiert werden. Man spricht deshalb auch von klassifizierenden Sprachen. Hier sind also die sekundären Individuativa die merkmalhaften Substantive. In den indogermanischen Sprachen sind überwiegend Individuativa die merkmallosen, typischen Substantive. Merkmalhaft ist dagegen die 'Vermassung', der Plural. Ebenso merkmalhaft sind sekundäre Kontinuativa. Dies sind auffälligerweise Kollektive und Abstrakta, die mit Hilfe von Affixen innerhalb der Wortbildung entstehen. Wortbildung dient also (u. a.) dazu, auf sekundärem Weg untypische Substantive entstehen zu lassen. Bemerkenswert ist, daß diese sekundären Kontinuativa aber selbst wieder auf zweiter Ebene die Merkmale der Definitheit und Indefinitheit tragen. Sie konzentrieren sich dabei um drei Zentren. Am indefiniten Ende befinden sich die Kollektive in Reinform, repräsentiert durch substantivierte Infinitive und Adjektive im Neutrum, die weder pluralisiert werden noch einen indefiniten Artikel zu sich nehmen können. Ihnen gegenüber stehen die 'definite wholes', formal unabgeleitete Substantive, die in starkem Maße Eigenschaften von 'count-nouns' widerspiegeln und in expliziter Weise zur Reduktion, zur Konkretisierung neigen. Dazwischen befinden sich die expliziten Ableitungssubstantive, die Affinitäten zum einen und zum anderen Pol haben, in nicht-konkretisierter Form aber eher mit Indefinitheit korrelieren. Man denke nur an das Beispiel Krankheit, das im Plural immer 'Arten von Krankel ten' und weniger 'Fälle von Krankeit' bezeichnet, ein verbreitetes Kontinuativmerkmal. Interessant ist außerdem die Verbindung zu Genus, weil sich diesbezüglich im Sekundärwortschatz gewisse Regelmäßigkeiten feststellen lassen. Suffixabstrakta sind eher feminin, affixlose Abstrakta maskulin und substantivierte Adjektive und Infinitive in Kollektivfunktion sind neutral. Bei der Frage nach der Erklärung dieser Regularitäten, und damit nach der Bedeutung von Genus, kann weder der gängige Verweis auf Sexus noch der auf Kongruenz befriedigen. Ein neuer, sehr lohnender Ansatz ist aber im Rahmen von Genus als Nominalklassifizierung gegeben. Das Genus der indogermanischen Sprachen ist dabei einer der Angelpunkte neben Numeralklassifikation (z. B. Chinesisch) und Nominalklassifikation i. e. S. (z. B. Suaheli). Die Tatsache, daß Genus viel mit Substantivarten zu tun hat, zeigt sich schon daran, daß es an individuativzentrierte Idiome, d. h. Sprachen mit
Verb
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'count-nouns' als Schwerpunkt gebunden ist (und dabei im übrigen mit Kongruenz einhergeht). Im Gegensatz dazu stehen genuslose, kontinuativzentrierte Idiome, d. h. Sprachen mit 'mass-nouns' als Schwerpunkt. Betrachtet man die indogermanische Forschung zum Thema Genus, so stellt man fest, daß es im letzten Jahrhundert zwei Lager gegeben hat. Auf der einen Seite befanden sich die Realisten, die Genus auf Sexus beziehen wollten (ζ. B. GRIMM). Ihnen gegenüber standen die Formalisten, die Sexus als sekundäre Entwicklung betrachteten und die Motivation von Genus in solch abstrakten Substantivkonzepten wie Definitheit und Indefinitheit sahen (z. B. BRUGMANN). Letztere gehen davon aus, daß dem indogermanischen Dreiersystem eine Opposition Individuum/Belebt (Maskulinum) und Kontinuativum/Unbelebt (Neutrum) zugrundelag, zu dem eine Abspaltung Kollektivum (Femininum) kam.
3.3
Verb
3.3.2
Verhärten
und
Aspektualität
Es mag überraschen, warum hier, und dazu noch parallel zu 'Substantivarten und Quantifizierung', das Phänomen der Aspektualität erörtert werden soll. Nicht nur, daß es sich um ein tiefgreifendes terminologisches und konzeptuelles Problem handelt, nämlich um die Differenzierung von Aspekt und Aktionsarten, weshalb ich auch vorerst den neutraleren, übergreifenden Terminus der Aspektualität gewählt habe. 32 Es ist auch nicht unmittelbar einsichtig, welche Bedeutung Aspektualität für Verben und damit für die Wortartenfrage hat. Der letzte Punkt kann allerdings schnell geklärt werden. Aspektuellverbale Differenzierungen sind analog zu substantivischen Quantifizierungsdifferenzierungen zu interpretieren. Es besteht nämlich hinsichtlich Aspektualität " a n a 1 o g y in the class of verbs to the difference between a c o u n t noun anda m a s s n o u n " (ALLEN 1966: 193; Hervorhebung P. M. V.). Oder wie es KOSCHMIEDER (1929: 28) formuliert: Sie [die Begriffe Perfektiv und Imperfektiv] sind die Gegensätzlichkeiten, die zusammen den Begriff Aspekt bilden, etwa wie Singular und Plural die Gegensätze sind, die zusammen den Begriff Numerus ausmachen.
32 Der Begriff 'Aspektualität' als Oberbegriff für Aspekt und Aktionsart geht auf BONDARKO1967 zurück. FLÄMIG 1965 verwendet dafür 'Aktionalität'.
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
Auf die Ähnlichkeiten der Aktionsartendifferenzierung mit der substantivischen Numerusdistinktion hat auch schon DRESSLER (1968: 56ff.) hingewiesen, er spricht von 'verbaler Pluralität'. Auch MOURELATOS ([19781/1981: 203) erkannte diese parallele Konzeptualisierung und formulierte explizit den daraus resultierenden Zusammenhang zwischen den kardinalen Wortarten: Of several approaches taken« I turn here to one that seems particularly attractive for the reason that it treats a s p e c t u a l p h e n o m e n a as manifestations of the play of c a t e g o r i e s so f u n d a m e n t a l as to span the distinction between v e r b s a n d η ou η s (Hervorhebung P. M. V.).
Daraus wird unmittelbar ersichtlich, warum das Phänomen der Aspektualität nicht zu umgehen ist. Zum einen findet sich eine ähnliche Konzeptualisierung wie bei Substantiven, d. h. auch hier werden sich Konsequenzen für den verbalen Wortschatz und mögliche Wortbildungsmodelle ergeben. Zum anderen hat diese parallele Struktur aber ganz sicher Folgen für die Konzeptionalisierung der Wortarten insgesamt im System einer Sprache und damit auch hinsichtlich von Wortartübergängen bzw. Wortartwechseln. Die Parallelität von Aspektualität und Quantifizierung bzw. Referentialisierung wurde zuerst v. a. innerhalb der Philosophie thematisiert, u. a. von STEWART 1971, TAYLOR 1977, TER MEULEN 1980, BACH 1986 (nach KRIFKA 1989: 96). Voraussetzung war eine Analyse der Ereignissemantik bzw. 'Zeitkonstitution'.33 Es geht um das Phänomen, daß ein Verb wie laufen einem Massennomen wie Wein gleicht, insofern Teilvorgänge eines Vorgangs, der mit laufen bezeichnet werden kann, in der Regel wieder mit laufen bezeichnet werden können. Umgekehrt gleicht ein Verb wie wie [sie] einschlafen einem gequantelten nominalen Prädikat wie ein Glas Wein, da Teile von Vorgängen, die mit einschlafen bezeichnet werden, im allgemeinen nicht mit einschlafen bezeichnet werden können (KRIFKA 1989:96).
KRIFKA nennt diese Verben atelisch bzw. telisch (nach GAREY 1957). Atelische Verben gleichen also Massennomina, insofern sie ein indefinites Ganzes darstellen, das unendlich geteilt und auf das immer wieder der gleiche Begriff angewandt werden kann. Das entspricht dem aristotelischen 'Wasser'-Konzept. Telische Verben dagegen gleichen den Individuativa, da sie ein definites Ganzes repräsentieren, das nicht weiter geteilt werden kann, ohne daß ein anderer Begriff dafür notwendig wird. Dies entspricht dem aristotelischen 'Silben'-Konzept. Wenn eine Silbe unterteilt wird, kann das, was sich daraus er-
33 Diesen Terminus verwendet KRIFKA 1989 in Anlehnung an FRANÇOIS 1985, um den terminologischen Problemen hinsichtlich Aspekt und Aktionsart aus dem Weg zu gehen.
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Verb
gibt, nicht mehr Silbe, sondern muß Buchstabe genannt werden (vgl. dazu Kapitel 2.3.2 und 3.2.1). ARISTOTELES (Metaphysik, Buch Θ, Kapitel 6, 1048b) beschreibt den Unterschied zwischen telischen und atelischen Verben folgendermaßen: Von diesen Dingen muß man also die einen als Bewegungen, die anderen als wirkliche Tätigkeiten (Wirklichkeiten) bezeichnen. Jede Bewegung ist nämlich unvollendet, ζ. B. Abmagerung, Lernen, Gehen, Bauen. Dieses sind Bewegungen, und zwar unvollendete; denn einer kann nicht zugleich gehen und gegangen sein, oder bauen und gebaut haben, oder werden und geworden sein, [...]. Dagegen kann dasselbe Wesen zugleich sehen und gesehen haben, zugleich denken und gedacht haben. Einen Vorgang von dieser Art nenne ich wirkliche Tätigkeit (Wirklichkeit) [enérgeia], einen von jener Art Bewegung [kinesis].34
Was ARISTOTELES hier beschreibt, sind verschiedene Arten der Zeitkonstitution in der außersprachlichen Wirklichkeit, die sich i. a. auch sprachlich niederschlagen. Dies hat Konsequenzen für die Selektion bestimmter sprachlicher Strukturen. VENDLER ([1957] /1967b: 99f.) konstruiert daraus vier "time schemata", nämlich a c t i v i t y t e r m s (to run), a c c o m p l i s h m e n t t e r m s (to run a mile), a c h i e v e m e n t t e r m s (to reach the summit) und s t a t e t e r m s (to love somebody). 'Activity terms' und 'accomplishment terms' werden dabei von ihm zu ' p r o c e s s e s ' , 'achievement terms' und 'state terms' zu ' n o n p r o c e s s e s ' zusammengefaßt.
run a müe
run
love
reach the summit
Ausdrücke der ersten Gruppe "consist of successive phases", im Gegensatz zu denen der zweiten, die entweder keine Veränderung in der Zeit haben oder deren Zeitwert aufgrund ihrer Punktförmigkeit den Wert Null haben (VENDLER [1957]/1967b: 99f.). Strukturell schlägt sich das darin nieder, daß Ausdrücke für Prozesse im Englischen eine 'progressive form' bilden können, die für Nicht-Prozesse ungrammatisch ist: I'm running und I'm running a mile vs. *I'm knowing und *I'm rea-
34 ARISTOTELES (Metaphysik, Buch θ, Kapitel 6, 1048b) nennt die Verben mit einer Grenze in der Zeit, entgegen dem heutigen Sprachgebrauch, unvollendete, denn von diesen Handlungen „enthält keine ein Ziel, sondern sie betreffen nur das zum Ziel Führende". Verben wie sehen nennt er vollendet, weil sie intern ein Ziel enthalten und dieses unablässig verwirklichen.
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
ching the summit. Da die 'progressive form' Ausdrücke als andauernd, indefinit und Stativ markiert, können Elemente mit stativer Bedeutung nicht nochmals 'stativiert' werden (vgl. PALMER 1974: 73). Auch punktuelle Ausdrücke entziehen sich einer auf Zeitdauer basierenden Operation (vgl. COMRIE 1976/1981: 42f.). Innerhalb dieser Einteilung sind den jeweils zwei Untergruppen aber wiederum ähnlich oppositionelle Merkmale zuzuweisen. 'Activities' (run·, Prozess) und 'states' (know; Nicht-Prozess) beziehen sich nämlich auf eine nicht-definite Zeitperiode, 'accomplishments' (run a mile-, Prozess) und 'achievements' (reach the summit; Nicht-Prozess) auf eine definite Zeitperiode (VENDLER [1957]/1967b: 106f.). Hier liegt jeweils kein bzw. ein festgesetzter Endpunkt vor ("set terminal point"; a. a. O. 100). Dies zeigt sich, wenn man das aristotelische Kriterium anwendet, denn "[...], if someone stops running a mile, he did not run a mile, [...]", aber "[...] the man who stops running did run, [...]" (a. a. O. 100). Im ersten Fall ist der gesetzte Endpunkt nicht erreicht worden, die Handlung ist unvollendet geblieben, im zweiten Fall gibt es keinen Endpunkt bzw. alle Endpunkte werden (nach ARISTOTELES) stets erreicht (s. o.). In ähnlicher Weise korreliert das Kriterium des inhärenten oder nicht-inhärenten Endpunktes auch mit Ausdrücken für definite (how long? und Antwort in) oder indefinite Zeitspannen (for how long? und Antwort for) (VENDLER [1957]/1967b: lOOf.): How long did it take to draw the circle? 7For how long did he draw the circle? He did it in twenty seconds. For how long did he push the cart? 7How long did it take to push the cart? He was pushing it for half an hour. KENNY (1963; 175) gruppiert, aber unabhängig von VENDLER, aufgrund dieser Eigenschaften auch anders, indem er die 'definiten' Ausdrücke, d. h. VENDLERs 'accomplishments' und 'achievements' als 'performance v e r b s ' zusammenfaßt. Daneben stellt er ' s t a t i c v e r b s ' (nicht-prozesshaft) und ' a c t i v i t y verbs' (prozesshaft), so daß er letztendlich zu einer Dreiteilung kommt. Als Reaktion auf VENDLER und KENNY schlägt MOURELATOS ([19781/1981: 201) eine Zweiteilung in ' s t a t e s ' u n d ' o c c u r r e n c e s ' vor, also de facto die VENDLERschen Prozesse und Nicht-Prozesse, splittet letztere aber in 'activities' und 'performances', wobei 'performances' wie bei KENNY 1963 'accomplishments' und 'achieve-
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Verb
merits' umfassen. Sein Schema ist weniger sprachstrukturell als vielmehr ontologisch an Zuständen und Handlungen orientiert.35
reach the summit
run a müe
Ich möchte an dieser Stelle noch keine Entscheidung darüber treffen, ob überhaupt eine bzw. welche der drei Unterteilungen der sprachlichen Realität am nächsten kommt, das ist Kapitel 3.3.2 vorbehalten. Es sei aber an dieser Stelle bereits vermerkt, daß man sich nicht von der Ontologie 'veführen' lassen darf. Ebenso wie bei den Substantiven ist auch hier zu erwarten, daß es Sprachen gibt, die auf g r a m m a t i s c h e r E b e n e eine der Kategorien sehr viel stärker favorisieren, auch wenn dies den ontologischen Verhältnissen zu 'widersprechen' scheint. Darauf, wie unzuverlässig dieses ontologische Kriterium im Sprachvergleich funktioniert, hat z. B. ADONE (1990: 91f.) im Rahmen der Verben des Mauritius Kreol hingewiesen. Auch hier nehmen stative Verben keinen Marker für Durativität (pe) zu sich, doch ist die Verteilung von Stativen Konzepten ganz anders als z. B. im Englischen: mo pe galupe und parallel I am running, aber mo pe truve im Gegensatz zu *I am seeing. Die sprachlichen Verhältnisse spiegeln also nur bedingt die Verhältnisse der außersprachlichen Wirklichkeit oder ihre kognitiven Entsprechungen, worauf z. B. philosophische Untersuchungen konzentriert waren. Deshalb wende ich mich jetzt der linguistischen Perspektive dieser Thematik und damit auch der Problematik von Aspektualität bzw. Aspekt und Aktionsart zu. Ich konzentriere mich hier allerdings auf die inhaltlichen Fakten und sehe davon ab, einen ausführlichen forschungsgeschichtlichen Über-
35 Zu einer kurzen Zusammenfassung von VENDLER 1967, KENNY 1963 und MOURELATOS 1981 s. KRIFKA (1989: 98ff.). MOURELATOS nennt 'activities', 'performances', 'accomplishments' und 'achievements' außerdem 'processes', 'events', 'developments' und 'punctual occurences'.
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
blick zur Terminologie und zum Terminologiestreit zu geben. Dies kann z. B. bei ANDERSSON 1972 (Kapitel 3 und 7) nachgelesen werden; auch SCHWALL 1991 ist in dieser Hinsicht empfehlenswert, da sie sich ausführlich mit der Forschungsliteratur zum slavischen und romanischen Aspektsystem beschäftigt. Sowohl Aktionsarten als auch Aspekt liegt eine Begrifflichkeit von zwei zeitlich bestimmten Subkategorien zugrunde, für die es unterschiedliche Termini gibt, etwa perfektiv und imperfektiv, telisch und atelisch, resultativ und nicht-resultativ, durativ und nicht-durativ usw. 36 EISENBERG (31994: 117) spricht bei Aktionsarten von durativ und punktuell, durative Verben sind etwa schneien, regnen, arbeiten, punktuelle ζ. B. ankommen, einschlafen, sterben.: Durative Verben bezeichnen Vorgänge, die eine gewisse zeitliche Erstreckung haben [(...)]• Punktuelle Verben [(...)] dagegen bezeichnen Vorgänge, die sich zu einem Zeitpunkt abspielen. Sie werden so verstanden, als hätten die von ihnen bezeichneten Vorgänge keine zeitliche Erstreckung.
Neben dieser Grobunterteilung existieren v. a. innerhalb der punktuellen Aktionsart mehrere spezifische semantische Ausformungen derselben. So spricht man von Inchoativa, wenn der Beginn bezeichnet wird (einschlafen, öffnen), von Egressiva, wenn der Endpunkt bezeichnet wird (totschlagen, sterben) ( a . a . O . 117). Bei HEIDOLPH/FLÄMIG/MÖTSCH (21984: 502f.) finden sich noch Iterativa bei Wiederholung eines Geschehens (atmen), Intensiva (brüllen) u. ä. Tatsache ist jedoch, daß das System der Aktionsarten, wie EISENBERG ( 3 1994: 117) richtig beobachtet, sehr unterschiedlich und uneinheitlich beschrieben wird und wurde. Eines der Probleme liegt darin, daß Uneinigkeit diesbezüglich besteht, ob Aktionsart die einem Verb zugrundeliegende semantische Zeitkonzeption beschreibt, und zwar im Rahmen von nur zwei entgegengesetzten Vorstellungen von Handlungsverläufen, oder aber v. a. auf die damit verknüpften morphologischen bzw. syntaktischen 37 Gegebenheiten und ihre Bedeutungen ab-
36 Eine umfassende Liste zur Terminologie findet sich bei DAHL (1981: 80), teilweise basierend auf ANDF.RSSON 1972. 37 Syntaktisch deshalb, weil auch Sätze wie Paula schreibt an einem Brief vs. Paula schreibt einen Brief oder Karl schwimmt in die Ostsee vs. Karl schwimmt in der Ostsee aktionsartlich unterschiedlich, nämlich im weitesten Sinne als perfektiv vs. imperfektiv, gedeutet werden können (Beispiele EISENBERG 3 1994:117). Unter diesem Blickpunkt aspektueller Differenzierung thematisiert LEYS 1989 auch bestimmte Präpositionen und ihre Rektion, v. a Dativ und Akkusativ, denen er ein bestehendes bzw. entstehendes Verhältnis und damit einen nicht-summativen bzw. summativen Aspekt zuschreibt.
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zielt. Wenn man den Schwerpunkt auf die formalen Gegebenheiten richtet, sind Aktionsarten außerdem als einzelsprachliche, ansonsten als universale Erscheinung zu werten. Diesen Punkt 'zwei Arten von Handlungsverläufen' vs. 'formale Gegebenheiten und ihre Bedeutungen' hat fürs Deutsche STEINITZ1981 problematisiert, wobei sie sich für die letzte Lösung entscheidet, weil die morphologischen bzw. syntaktischen Mittel nicht nur den Verlauf der Handlung in zweierlei Hinsicht charakterisieren, sondern außerdem zusätzliche Bedeutungselemente hinzufügen. Aufgrund der zusätzlichen Bedeutungselemente muß, wer die erste Auffassung vertritt, fürs Deutsche konsequenterweise die Kategorie der Aktionsart ablehnen; dies ist ζ. B. bei ADMONI ( 4 1982: 172) der Fall. Daneben stützt sich STEINITZ 1981 für die morphologisch merkmallosen Verben auf ISACENKO (1962: 358ff., 397ff.), der hinsichtlich der Bezeichnung für die Zeitkonstitution der Simplizia (oder der opaque gewordenen Ableitungen) anstelle von 'Aktionsart' den Begriff ' V e r b a l c h a r a k t e r ' eingeführt hat. Verben wie sterben oder schneien wären dann nicht von der Aktionsart her punktuell oder durativ, sondern hinsichtlich ihres Verbalcharakters. Der Begriff der Aktionsart wäre dann nur für synchron morphologisch merkmalhafte Verben zulässig. Im Gegensatz zum Aktionsartenphänomen wird die Aspektkategorie nun nicht als eine lexikalische-derivative, sondern als eine grammatisch-flexivische betrachtet (ANDERSSON 1972: 11). Um den Unterschied zwischen Aktionsart und Aspekt aufzuzeigen, sollen kurz die Verhältnisse im Russischen betrachtet werden, das als Aspektsprache bekannt ist. Immer wieder kann man dazu ähnliches lesen, nämlich daß es zu (nahezu) jedem Verb (jeder Verbbedeutung) im Russischen zwei Formen gäbe, die eine im perfektiven, die andere im imperfektiven Aspekt (soverSénnyj vs. nesoverSénnyj vid) (ζ. Β. TAUSCHER/KIRSCHBAUM 181989: 242). Auf die Frage, was die Aspekte ausdrücken, schreiben TAUSCHER/KIRSCHBAUM (181989: 247f.): Der Aspekt [(...)] kennzeichnet die B e t r a c h t u n g s w e i s e , der eine Handlung seitens des Sprechenden in einem bestimmten Sinnzusammenhang unterliegt. Der vollend e t e Aspekt bezeichnet eine Handlung, die im Hinblick auf ihre zeitliche Begrenzung [...] betrachtet wird. [...] Der u n v o l l e n d e t e Aspekt bezeichnet eine Handlung, die in ihrem Ablauf [...] betrachtet wird, ohne daß man dabei das Moment ihrer zeitlichen Begrenzung als wesentlich ins Auge faßt. In den Aspekten verfügt die russische Sprache demnach über ein Mittel, den Verlauf einer Handlung in der Zeit von zwei verschiedenen Blickrichtungen aus zu charakterisieren.
Es handelt sich also um eine Kategorie, die zum einen die Merkmale der Definitheit und Indefinitheit wiederholt, wie sich schon für die Aktionsarten gezeigt hat. Zum anderen ist der Aspekt offensichtlich stark pragmatisch bestimmt, hängt also von der S i c h t w e i s e (lat.
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
aspectus 'Anblick'!) des Sprechers ab und ist nicht von der lexikalischen Semantik des Verbs bestimmt, also dem Verb nicht inhärent. Hier liegen aber bereits mehrere Fehler bzw. Übergeneralisierungen vor. Der erste besteht in der Behauptung, daß jede Verbbedeutung in zwei Ausformungen existiert. Dies ist im Russischen nicht bzw. noch nicht der Fall. Ganz im Gegensatz hat das Russische sowohl ein- als auch zweiaspektige Verben, und von Aspekt als flexivischer Kategorie kann man, wenn überhaupt, auch nur bei zweiaspektigen Verben sprechen. Die meisten Simplicia sind imperfektiv, also várit' 'kochen'. Durch Präfigierung, z.B. raz-, erhält man raz-várit' 'zer-kochen', das gleichzeitig einen Endpunkt der Aktion signalisiert, in dem Fall also perfektiv ist. Der perfektive Aspekt drückt einen Vorgang als ganzheitliches, zusammengefasstes Geschehen aus, der imperfektive Aspekt lässt dieses Merkmal unausgedrückt (ISACENKO 1962:350).
Man beachte, daß hier, genau wie im Deutschen, sowohl eine spezifische lexikalische Komponente vorliegt als auch eine durch diese lexikalische Komponente bedingte perfektive Bedeutung. Es handelt sich hier also eigentlich um zwei einaspektige Verben, da die lexikalische Kernbedeutung differiert. Jetzt gibt es aber zu razváñt' 'zerkochen' in der Tat ein Verb, das identische Lexik besitzt. Es signalisiert zeitliche Imperfektivität und wird durch Suffigierung abgeleitet: razváñ-yat' 'gerade dabei sein etwas zu zerkochen'. Man spricht von 'sekundärer Imperfektivierung'. In razváñt' und razvárivat' liegt jetzt eindeutig ein zweiaspektiges Verb vor. Einen ähnlichen Fall repräsentieren délat' (ipf.) und s-délat' (pf.), die beide 'tun, machen' bedeuten (Beispiele ANDERSSON 1972: 6ff.). Dies kommt allerdings nicht sehr häutig vor, i. a. hat die Präfigierung eine primär wortbildende, also semantisch-additive Funktion. In einer Sprache mit Aspektopposition gibt es also auch Aktionsartverben mit perfektiv-additiver Bedeutung; es wird als Aspektpartner jeweils das Verb selektiert, dessen Zusatzbedeutung am wenigsten stört, am besten paßt oder am geringsten ausgeprägt ist. Der jeweils optimale Aspektpartner ergibt sich aus dem Kontext, die Zuordnung ist dynamisch, nicht statisch; es kann die lexikalische oder die aspektuelle Funktion dominieren (LEHMANN 1988). Das einzige 'aspektl>ildende Mittel ist also die sekundäre Imperfektivierung, denn nur sie hat keine lexikalische, sondern eine rein aspektual-grammatische Funktion. Noch heute existieren Verben mit dem Suffix -yva-/ -iva- mit iterativer Bedeutung (obédat' 'zu Mittag essen', obédyvat'
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'zu Mittag zu essen pflegen'), so daß zu vermuten ist, daß diese iterativ-kontinuierliche Bedeutungskomponente der Ursprung der heutigen Imperfektive war (ANDERSSON 1972: 21). Die Aspektualität ist bei der Präfigierung ein reines Nebenprodukt, die aber verstärkt zutage tritt, wenn eine Sprache eine Kategorie Aspekt ausbildet. Die Aspektkategorie im Russischen entwickelte sich erst seit dem Altkirchenslavischen (9. Jhd. n. Chr.), wo sie ihren Ausgang in einer Opposition der Vergangenheitstempora Aorist (abgeschlossene Vergangenheit) vs. Imperfekt (unabgeschlossene Vergangenheit) hat. Diese Formen sind im modernen Russischen geschwunden und werden von einer aspektualen Opposition Perfekt vs. Imperfekt wahrgenommen. Im Bulgarischen dagegen existieren beide Systeme unabhängig nebeneinander und erlauben einen großen Variantenreichtum (ANDERSSON 1972: 2). Aspekt ist eine Kategorie, die in ihrem Aufbau die zugrundeliegenden basalen Zeitkonstitutionsunterschiede in Verben nutzt. Erst wenn keine semantischen Unterschiede mehr ausgedrückt werden und nur eine lexikunabhängige Differenzierung hinsichtlich der inneren Struktur möglich ist, kann man von Aspekt als grammatischer Kategorie sprechen. COMRIE (1976/1981: 4) nennt das eine perspektivische Alternation zwischen "situation from outside" und "situation from inside". Wenn man die Existenz einer Aspektkategorie also von der doppelten Perspektive hinsichtlich der Zeitkonstitution abhängig macht, und zwar ohne zusätzliche semantische Veränderungen, so bleibt im Russischen als Kandidat dafür nur die sekundäre Imperfektivierung. Hier besteht allerdings das Problem, daß die hohe Produktivität nicht gegeben ist, die für grammatische Kategorien gefordert wird. Auch das Russische ist also erst auf dem Weg zur Grammatikalisierung seiner Aktionsarten in Richtung Aspekt. Ein Unterschied zum Deutschen ist allerdings insofern gegeben, als es im Deutschen sehr viel weniger aktionsartliche Verbpaare und sehr viel mehr '(Im-) Perfektiva tantum' gibt. Historisch gesehen entwickelt sich das Deutsche weg, das Russische hin zu einem Aspektsystem. Es ist also durchaus gerechtfertigt, Aspekt und Aktionsart unter Aspektualität zusammenzufassen, denn beide beziehen sich auf Zeitkonstitutionen. Die Aktionsarten zeichnen sich aber durch zusätzliche semantische Komponenten aus, die zur Zeitkonstitution beitragen (können). Der Aspekt ist eine stark abstrahierte, reduzierte Form der Aktionsarten, da er auf eine duale Sichtweise der Handlung als teilartig oder ganzhaft beschränkt ist. Beide Systeme sind nicht immer klar zu scheiden, da Aspekt konzeptionell und historisch auf den Aktionsarten aufbaut, so daß es immer auch Übergangszonen gibt.
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
In diesem Zusammenhang fühlt man sich an die Opposition von Nominalklassifikation und Genus erinnert. Die Klassenzeichen sind eher 'aktionsartlich', sie drücken nie nur Numerus-Verhältnisse aus, sondern haben stark derivative Bedeutung und sind auf bestimmte Klassen beschränkt: Suaheli mfoto TCind', watoto TCinder', kitoto ländlich', uto to 'Kindheit'; yai 'Ei', mayai 'Eier', maji 'Wasser'. Der Plural der Genussprachen verhält sich eher wie die Aspektkategorie, da er inhaltlich extrem abstrakt ist und sich im Prinzip mit jeder Wurzel verbinden kann. Es gibt kaum Selektionsbeschränkungen, im Englischen ist sogar nur ein einziges s-Element Übriggeblieben, das eine Funktion hat, wie sie fürs Russische das perfektive s-Element bekommt (s. o. sdélat' (pf.) 'tun, machen'). 3.3.2 Exkurs: Verbalkategorien LEISS 1992 hat eine Arbeit zu den Verbalkategorien des Deutschen veröffentlicht, aus der ich die Hauptpunkte zur sprachlichen Kategorisierung und zu den deutschen Verbalkategorien Aspekt, Genus verbi, Tempus und Modus vorstellen, erläutern und teilweise ergänzen möchte. Ihre Arbeit ist deshalb von besonderer Relevanz, weil sie nicht nur eine Theorie zur sprachlichen Kategorisierung liefert, sondern auch zeigt, welche Rolle die Teil-Ganzes-Opposition und Aspektualität innerhalb der Verbalkategorien spielt. Der Grundgedanke ist, daß die verschiedenen grammatischen Kategorien einer Sprache einen jeweils unterschiedlichen Status haben, was ihre Komplexität betrifft. Die einfacheren Kategorien stellen die elementaren Bausteine der komplexeren Kategorien dar und bilden so das Fundament für die kategoriale Architektur einer Sprache. [...] Es gibt keine einzelnen gleichrangigen Kategorien, wie allgemein angenommen wird. Vielmehr lassen sich alle Kategorien aus e i n e r Kategorie bzw. Grunddifferenzierung ableiten (LEISS 1992: Iff.).
LEISS nennt diese Grunddifferenzierung anaphorisch vs. kataphorisch, worin sich interessanterweise und unabhängig vom UNITYPKonzept im Prinzip wiederum Individuativität und Prädikativität bzw. Definitheit und Indefinitheit spiegeln. Der Begriff der Anaphorik bezieht sich auf Bekanntes, Zuvor-Erwähntes und ist deshalb zu Thema, Extensionalität, Referentialität, Indexikalität, Subjektivität, Nominalität, Definitheit, Individuativität u. ä. affin. Mit dem Begriff der Kataphorik verhält es sich umgekehrt (vgl. Kapitel 3.1). Durch die beiden Prozesse der Übergeneralisierung und Reinterpretation kommt es zur Entstehung immer neuer und komplexerer Kategorien, die auf weniger komplexen aufbauen und aus ihnen 'erwachsen'. Durch eine bereits inhärent in der Sprache vorhandene und an die doppelte Perspektive angelehnte Grunddifferenzierung bilden sich
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bestimmte strukturelle Verhaltensweisen heraus. So weisen ζ. B. inhärent stative Verben im Englischen keine merkmalhafte, 'stativierende' ing-Form auf. Wenn solche Markierungen aber übergeneralisiert werden und sich auf die gesamte Kategorie erstrecken, kommt es aufgrund von Inkompatibilitäten zu Reinterpretationsprozessen und zur Um- und Neudeutung des grammatischen Merkmals. Perfektive Verben können im Russischen aufgrund ihrer Abgeschlossenheit ζ. B. keine Gegenwartsbedeutung haben. Die Übergeneralisierung des entsprechenden Formans' erzeugt einen anderen, in dem Fall Zukunftsbezug. Würde nun außerdem die existierende analytische Futurform der imperfektiven Verben übergeneralisierend auf perfektive bezogen, müßte eine Uminterpretation stattfinden und das könnte dann die modale Bedeutung sein, wie LEISS etwa für die werden-Konstruktion mit modaler Bedeutung im Deutschen annimmt. Die modale Interpretation ist ohnehin stark mit futurischer Bedeutung verknüpft, denn was zeitlich noch nicht verwirklicht ist, trägt das Merkmal von 'unsicher, möglich'. Zum Tragen kommt diese Teilbedeutung in einer Konfliktsituation, wenn futurischer Bezug nicht möglich ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn perfektive Verben diese für sie 'überflüssige' Form systematisch einbauen müssen. Damit liegen der Entstehung neuer Kategorien Merkmalskonflikte und eine Integration der ursprünglich widersprüchlichen Inhalte auf höherer Ebene zugrunde. Auch HOLENSTEIN (1985: 98) hatte bereits Ähnliches beobachtet: „Zu Sprachabwandlungen kommt es aufgrund von Spannungen zwischen widersprüchlichen Tendenzen". LEISS unterscheidet dabei Übergangs- und Vollkategorien. Nur letztere haben die Reinterpretationsphase bereits durchlaufen und zeichnen sich durch die Neutralisierung der zugrundeliegenden Differenzierung innerhalb der neuen Kategorienbedeutung aus. Erstere haben die Übergeneralisierungs- und Reinterpretationsphase noch nicht erreicht, die entsprechenden Formen haben sich noch nicht an die 'falschen' Elemente gelagert. Dies sind vorbereitende Übergangskategorien, von denen nach der Umwandlung in Vollkategorien oft Relikte im System erhalten bleiben. Der Markiertheitsaufbau auf inhaltlicher Ebene ist begleitet von einem Markiertheitsabbau auf formaler Ebene. Es findet eine Vereinheitlichung der Elemente statt, wobei durchaus relikthaft Formen bestehen bleiben können. Anfangs kommt es zur Ausbildung analytischer Formen und damit ergibt sich ein Kreislauf von syntaktischer zu wortbildender zu flexivischer Markierung. Erst letztere sind Markierungen von Vollkategorien. Übergangskategorien zeichnen sich eher durch syntaktische oder 'wortbildende' Elemente aus, für die typisch ist,
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
daß sie i. a. nicht regelhaft sind, sondern nur Teilkategorien anhaften. Die syntaktische Ebene stellt eine ikonische Struktur dar, hier sind Präsuppositionen so verwirklicht, daß sie überhaupt nicht ins Bewußtsein dringen. Verstöße gegen diese Struktur, von Thema zu Rhema, von définit zu indefinit u. ä., müssen markiert werden und das geschieht durch die kategorial-morphologischen Markierungen. Sie reparieren aber die Verstöße nur insofern, als sie sie erst ermöglichen, indem sie durch Marker auf den Verstoß und auf die sich aus dem Konflikt neu ergebende Bedeutung hinweisen. Wenn die affinen Vorstellungen nicht konträr, sondern parallel verwirklicht sind, gibt es keine Notwendigkeit für morphologische Markierungen. Im besten Fall sind zusätzliche Interpretationen kontextbedingt. Morphologisch ausgebaute Systeme lassen wenig Spielraum für Kontexte, sie liefern bereits 'versteinerte' Kontextbedingungen. Mit der stärkeren Kontextgebundenheit ist aber einer der Vorteile von Sprache, ihre Bereitstellung kontextunabhängiger imaginärer Redeuniversen unterlaufen. Kategoriale Elemente sind indexikalischer Natur, denn ihre Funktion ist hinweisender Natur. Mit ihnen konstruiert der Sprecher einen vom Hier und Jetzt, d. h. vom unmittelbaren Äußerungskontext unabhängigen, imaginären Standpunkt. Der Sprecher führt einen imaginären Kontext und damit imaginäre Realitäten ein. Von dem jeweiligen Standpunkt, ob real oder imaginär, verweist er auf die durch die Symbole eingeführten Objekte und Sachverhalte, erfüllt damit das Redeziel, die Referenz. Erst durch die 'grammatische Deixis' wird die Konkretisierung der symbolischen Zeichen und damit Referenz auf die außersprachliche Wirklichkeit möglich, und zwar ohne dazugehöriges Kontextwissen des Hörers durch den Sprecher, dieses wird zusätzlich konstruiert. Es handelt sich damit um eine Vervielfachung der Redeuniversen ohne notwendige konkrete Erfahrung, lediglich durch die Kombination symbolischer Mittel. LEISS geht davon aus, daß die Vollkategorien des Deutschen Aspekt (im Neuhochdeutschen stark in Auflösung befindlich), Genus verbi, Tempus und Modus sind. Sie stellen eine Hierarchie von weniger komplexen zu mehr komplexen Kategorien dar und bauen dementsprechend aufeinander auf bzw. gehen auseinander hervor. Übergangskategorien sind dabei das Resultativum zwischen Aspekt und Genus verbi (Passiv) und das Perfekt zwischen Genus verbi (Passiv) und Tempus. Sobald die Übergangskategorien sich nicht nur mit den ihnen affinen Elementen, sondern übergeneralisierend mit allen verbinden, kommt es zu Reinterpretationsprozessen und damit zu Vollkategorien, wobei Relikte der Übergangskategorien im System verbleiben (können). Zu-
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gründe liegt all dem eine Perspektivierung, die innerhalb des Aspekts bzw. der Äspektualität, als Dichotomie von Innen (Ipf.) versus Außen (Pf.)38, bei Genus verbi als Geschehen versus Handlung, bei Tempus als Jetzt versus Nicht-Jetzt, bei Modus als Realis versus Irrealis verwirklicht ist (LEISS 1992: 152). Die Affinitäten bestimmen die möglichen Entwicklungen. Die Aspektualitätskategorie mit ihrem Dualismus von perfektiv und imperfektiv liegt der verbalen Kategorienhierarchie zugrunde. Psycholinguistische Befunde zeigen, daß Tempuselemente von Kindern anfangs aspektual und erst im Laufe der Entwicklung temporal gedeutet werden (STEPHANY 1985). Aspektuelle Merkmale werden näher am Verbstamm realisiert als temporale bzw. modale, wobei die relative Reihenfolge Aspekt-Tempus-Modus ist, und häufiger durch Derivation als durch Flexion zum Ausdruck gebracht wird (BYBEE 1985). Der Stellenwert von unmarkierten, basalen, implizierenden Kategorien wird auch dadurch deutlich gemacht, daß sie ikonisch näher zum modifizierten Element realisiert werden. Die Bedeutung der Äspektualität als temporale (Nicht-) Abgeschlossenheit ist allerdings nur eine mögliche, wenn auch naheliegende, Interpretation. Im Prinzip geht es um die Perspektivierung von Innen und Außen, die in verschiedener Hinsicht mit Vorstellungen von indefinit und définit verknüpft sein kann. Dazu gehört auch die Anzahl der Partizipanten, was sich in den Verbklassen transitiv und intransitiv niederschlägt. Transitivität ist wiederum stark mit Telizität, Perfektivität, Handlung und Agentivität, Intransitivität mit Atelizität, Imperfektivität, Zustand und Nicht-Agentivität verknüpft (HOPPER/THOMPSON 1980: 252). Das überrascht auch nicht weiter, da Individuierung und damit Definitheit durch immer weitere Einschränkung des Referenten durch mehr zusätzliche Information erzielt wird. Diese wird aber im Prädikat verwirklicht, das durch immer mehr Partizipanten immer umfangreicher erscheint. Dadurch wird auch durchsichtig, daß die präfigierten Verben im Deutschen aufgrund ihrer prototypischen Transitivierungsfunktion' Affinitäten zum Perfektivpol haben. Das wird v. a. dann deutlich, wenn man formal und semantisch noch 'durchsichtige' Partner gegenüberstellt: jagen - erjagen, schießen - erschießen, spielen -
verspielen
usw. Erwähnenswert sind hier neben er- und ent- v. a. die mit be- prä-
38 In Zukunft verwende ich die Differenzierung von perfektiv und imperfektiv im Rahmen von Äspektualität und differenziere nicht zwischen Aspekt und Aktionsart, außer da, wo es notwendig erscheint.
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figierten Verben: bereisen, besingen, bekriegen, bebiken, jdn. (passiv) berauchen, etxv. behonigen39 usw. Diese deverbalen Verbableitungen auf be- sind seit Jahrhunderten besonders produktiv (BRAUN 1982: 217) und gelten als die typische Verbgruppe mit w e r t i g k e i t s e r h öh e n d e n Präfixen (ZIFONUN 1973:175). PUSCH 1972 spricht von holistischen Verben, weil das Ereignis (auch) als unteilbares Ganzes gesehen werden kann: sie stiegen vier Stunden lang auf den Berg und kehrten dann vorzeitig um vs. 7sie ¡¡¿stiegen vier Stunden lang den Berg und kehrten dann vorzeitig um (Beispiel LEISS 1992: 265). Im Gegensatz zum Gotischen allerdings, wo ein aspektuelles System noch relativ ausgeprägt ist, löst sich dieses im Deutschen verstärkt seit mittelhochdeutscher Zeit auf, indem immer mehr Verben durch 'Verschleiß' neutral oder imperfektiv werden. Der Mangel an perfektiven Formen wird durch Präfixbildungen und v. a. analytisch durch Funktionsverbgefüge ausgeglichen. Die Kategorie des Passivs ist in bezug auf die Dichotomie transitiv vs. intransitiv eine Kategorie im Dienste des Intransitivs. Das ursprüngliche Subjekt wird eliminiert oder an die Peripherie gerückt, während das ursprüngliche (direkte) Objekt zum Hauptmitspieler des Verbs wird. Intransitivität korreliert mit Atelizität und Zustand (s. o. HOPPER/THOMPSON 1980). Letzteres gilt allerdings nur für die Nominativ/Akkusativ-Sprachen, wo das Aktiv mit Handlungsverben und definiten Agens-Subjekten sowie indefiniten Patiens-Objekten und das Passiv dementsprechend mit Geschehensverben und Patiens-Subjekten korreliert. Das Passiv vermittelt eine sekundäre Geschehens- bzw. Zustandskonstruktion mit (sekundär) intransitiven und imperfektiven Verben. Solche sekundären Zustände ergeben sich v. a. aus Nachfolgezuständen von perfektiven Handlungen40, deshalb ist Passivität oft mit (primärer) Perfektivität verknüpft. Umgekehrt ist das Antipassiv in Ergativ/Absolutiv-Sprachen mit Imperfektivität verknüpft (LAZARD 1989: 312f.). Das Antipassiv steht ebenfalls im Dienste des Intransi-
39 Die Verben bebiken, berauchen und behonigen sind Okkasionalismen aus Zeitschriftenartikeln und Gesprächen. 40 Die Tatsache, daß Perfektivität sekundär mit Stativität verknüpft ist, nutzen manche Sprachen auf raffinierte Weise. Im allgemeinen können die Stativen Verben im Russischen keine Außenperspektive schaffen, da sie keine innere Grenze aufweisen (MILLER 1970). Eine Pseudo-Totalisierung ist aber möglich, wenn man den Zustand als Folge einer punktuellen und damit telischen Handlung definiert. So schafft man ζ. B. einen pf. Aspektpaar russ. uzndt ' 'erkennen', zu ipf. znat' 'wissen' (SCHWALL 1991:69).
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tivs, erzeugt aber eine sekundäre Handlungsperspektive mit AgensSubjekten. In Basissätzen, sozusagen dem 'Antiaktiv', sind Zustandsverben, definite Patiens-Subjekte und indefinite Agens-Objekte typisch. Die Geschehensperspektive in Nominativ/Akkusativ-Sprachen ist aber nicht das Ziel des Passivs, sondern eher eine Begleiterscheinung. Das Passiv ist eine Hegelkategorie', die bei Konflikten der verschiedenen Ebenen für das definite Subjekt auf Kosten der semantischen Rollen arbeitet. Das 'definite Passiv' markiert und stuft einen definiten Patiens ins Subjekt vor und ermöglicht ihn so erst. Mit dem Patiens im Fokus geht aber die Geschehensperspektive einher, ebenso wie in Ergativ-Sprachen im Antipassiv Handlungen mit Agens-Subjekten korrelieren. Geschehen und Handlung hängen also mit den semantischen Rollen im Subjektfokus zusammen. Die entgegengesetzte Strategie verfolgt das 'indefinite Passiv', das im Subjekt ein indefinites Agens 'erlaubt' (es wird getanzt). Da kein Patiens vorgestuft wird, entsteht auch keine Geschehensperspektive. Auch das Merkmal der Intransitivität ist nur eine 'Begleiterscheinung'. Nur dann können untypische, d. h. indefinite Agentia oder definite Patientia ins Subjekt vorgestuft werden, wenn es keinen "besseren' Anwärter für diese Rolle gibt. Die semantische Ebene ist relativ arbiträr, zum Subjekt passen sowohl Agens als auch Patiens, sowohl Geschehens- als auch Handlungsverben. Einer einmal in einer Sprache festgelegten Zuordnung muß allerdings Rechnung getragen werden. Die Funktion des Passivs ist es, ein bereits deñnites Patiens an privilegierter Position zu realisieren. Das Passiv ist dabei der Ausdruck einer Strategie, die darauf zielt, Dominanzkonflikte zwischen dem Merkmal der Deflnitheit und dem Agensmerkmal zugunsten des Definitheitsmerkmals zu entscheiden (LEISS1992:150).
Eine Passivkategorie ist in einer Sprache immer dann nicht obligatorisch, wenn keine Konflikte zwischen semantischen und syntaktischen Merkmalen bestehen, so wie zwischen Definitheit und Patiens oder Indefinitheit und Agens (s. o.). Dies ist z. B. in Topic-Sprachen wie dem Chinesischen der Fall. Das Topic ist dadurch charakterisiert, daß das, worauf sich die Prädikation bezieht, durch Definitheit und Erstposition charakterisiert ist. Zentral ist dabei die Definitheit des Referenten. Es ist irrelevant, ob es sich semantisch gesehen um ein Agens oder ein Patiens handelt. Dadurch sind im übrigen auch Kasusmarker redundant, sie sind nämlich an die Differenzierung der semantischen Rollen gebunden. Weichen die Interpretationen von den Präsuppositionen ab, werden Kontextwissen oder syntaktische Elemente benötigt, es gibt aber keine Kategorien, keine vorgefertigten, kanalisierten Kontexte.
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
Die Passivkategorie im Deutschen hat eine interessante Entwicklungsgeschichte, die zeigt, daß zum einen Vollkategorien über verschiedene Zwischenstufen entstehen und zum andèren die aspektuellen Merkmale stark selektiv wirken. Eine solche Zwischenstufe oder Übergangskategorie vor dem Passiv stellt das Resultativum mit der Bedeutung eines Folgezustandes in Form von sein + Partizip Perfekt (Partizip II) dar. Es repräsentiert die erste Stufe der Ausprägung der Passivkategorie und ist heute nur relikthaft vorhanden, wobei es als Zustandspassiv eingeordnet wird. Es wurde bereits im Zusammenhang mit dem Passiv erwähnt, daß es sich hierbei um eine sekundäre Geschehenskonstruktion handelt, in der sekundäre Intransitivität mit sekundärer Atelizität korreliert, die aber von perfektiven Verben gebildet wird. Ähnliches gilt für das Antipassiv, das eine sekundär intransitive Handlungskonstruktion ist, die auf imperfektiven Verben aufbaut. Im Zusammenhang mit der sekundären Atelizität kommt das Resultativum ins Spiel. Es setzt sich nämlich aus zwei Phasen zusammen, einer telischen und einer daraus folgenden atelischen, damit ist ein Folgezustand impliziert und Zustände sind typischerweise atelisch. Im Althochdeutschen wird das Partizip II nur mit perfektiven Verben gebildet, wobei es zwei Erscheinungsformen gibt, nämlich mit uuesan (nur im Präsens) und mit uuerdan (Präsens und Präteritum). Es dominiert das Merkmal der Perfektivität, so daß es sich primär um Resultativa handelt, d. h. um Zustände, die sich durch das Erreichen der Grenze einer Handlung ergeben, Nachfolgezustände also. Mit intransitiven Verben ergibt sich aktivische, mit transitiven Verben passivische Bedeutung. Nhd. ich bin gekommen und er ist erschlagen sind außerdem sekundäre Präsensbildungen, d. h. sie repräsentieren ein Zustandspräsens zu einem perfektiven Verb, das eigentlich kein Präsens bilden kann. Gleichzeitig liegt mit der uuerdan + Partizip Ii-Bildung aber dann eine neue, sekundäre Sichtweise des Nachfolgezustandes in Form einer Handlung bzw. eines Vorganges vor. Es handelt sich dann um ein Vorgangsresultativ, das analog mit transitiven Verben passivisch, mit intransitiven Verben aktivisch zu interpretieren ist: ahd. er uuard gislahhan vs. er uuardh quhoman (Isidor). Es liegt also jeweils ein von perfektiven Verben gebildetes Zustande- und Vorgangsresultativ vor, das mit transitiven Verben passivisch, mit intransitiven Verben aktivisch zu interpretieren ist. Alle Resultativa setzen perfektive Verben aufgrund ihres Nachfolgezustandes voraus und sind gleichzeitig anaphorisch, d. h. (evtl. sekundär) intransitiv. Diese intransitiven und sekundär imperfektiven Resultativbildungen können nun in zwei Richtungen aufgelöst werden:
Verb
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1. hinsichtlich der Aspektualität, 2. hinsichtlich der (In-) Transitivität. Das V o r g a n g s r e s u l t a t i ν mit werden + Partizip II bleibt sekundär intransitiv, läßt als Eingangselemente aber nur noch transitive Verben zu. Wird dieser Zustand nun hinsichtlich der Aspektualität aufgelöst, treten in die Konstruktion auch imperfektive Verben ein. Hier wird der Merkmalskonflikt von Handlung + Nachzustand (wird erschlagen) vs. Handlung (wird geliebt) durch Neutralisierung zugunsten der Handlungsperspektive gelöst. Dadurch ist ein Vorgangspassiv entstanden, das aspektual neutral ist und deshalb eine Vollkategorie Passiv darstellt. Die Passiv-Konstruktion ist im Deutschen mit werden gebildet, in anderen Sprachen steht in dieser Funktion auch ein Medium oder Reflexiv, das mit Imperfektivität bzw. Handlung verknüpft ist. Das Z u s t a n d s - oder Pa t i e n s r e s u l t a t i ν mit sein + Partizip II geht zwei verschiedene Wege. Im einen Fall bleibt es sekundär intransitiv und hebt, zumindest theoretisch, die aspektuelle Gebundenheit auf. Dadurch steht bei den transitiven Verben ist erschlagen neben ist geliebt, wobei letztere Konstruktion unüblich ist, da sie wird geliebt entspricht. Das ist durch die Imperfektivität motiviert, die keine Resultativität zuläßt. Die Konstruktion mit perfektiven und primär intransitiven Verben (ist angekommen) nimmt keine imperfektiven Verben auf und bleibt relikthaft als echtes Resultativ im System erhalten. Im anderen Fall bleibt die Perfektivität erhalten, aber die sekundär intransitiven Verben werden neuerlich transitiviert und zwar durch das Verb haben. Die haben + Partizip II-Bildung ist ursprünglich die aktivische Entsprechung zu den sekundär intransitiven perfektiven Verben, so daß sich kataphorische Vorgangs- bzw. Agensresultativa von primär transitiven Verben ergeben: er hat erschlagen. Treten in die Konstruktion nun auch Imperfektiva ein, so entstehen nicht-resultative Resultativa, reine Vorgangsbedeutungen: er hat geliebt. Erst danach können auch intransitive und imperfektive Verben ein 'Perfekt' bilden: er hat geschlafen (s. BEHAGHEL 1900; zum Perfekt allgemein PAUL 1902). Ursprünglich wiesen nämlich nur perfektive Verben ein Partizip II auf -n bzw. -t auf. Eines der Perfektivierungsmittel war die Präfigierung durch ge-, so daß es zu mhd. getuon zwar getan, zu tuon aber kein Partizip II gab. Nach dem Abbau der Aspektopposition wurde diese Selektion aufgehoben und ge- ist der allgemeine Partizip II-Marker. Diesem Homogenisierungssog unterlagen alle Verben, die ursprünglich kein Partizip II bzw. kein ge-Element aufwiesen. Dies galt für alle Imperfektiva, die ja überhaupt kein Par-
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
tizip II ausgebildet hatten, aber auch für Verben, die bereits inhärent perfektiv waren und deshalb kein ge- hatten, ζ. B. mhd. funden vs. nhd. gefunden.*1 Aufgrund der späten Entwicklung solcher Partizipien kam es deshalb zu dialektalen Sonderformen: mhd. gewesen, gewest, gesin. Dem Homogenisierungssog entzogen sich nur durch andere Präfixe bereits modifizierte Verben, die auch heute noch kein zusätzliches ge- zu sich nehmen, da bereits das jeweilige Präfix Perfektivwirkung hatte: entleibt, erschossen, ¡¡¿kocht.*2 Das mit dem Partizip II gebildete sogenannte Perfekt ist nun aber nicht mehr resultativ, hat also keinen aspektuellen, sondern nur noch temporalen, und zwar präteritalen Bezug. Bei der neuen Merkmalskollision von haben + Partizip II von perfektiven und imperfektiven Verben muß das Eingangsmerkmal als temporale Abgeschlossenheit uminterpretiert werden. Imperfektive Verben können nur temporal und nicht aspektual abgeschlossen sein, während für perfektive Verben beides zutreffen kann. Die präsentisch-resultative Lesart wird verdrängt und durch die präterital-unabgeschlossene ersetzt. Damit ist aus einem Perfekt, einem aspektual präsentischen Resultativ, ein nicht-aspektuales Präteritum im Sinne eines Vergangenheitstempus' geworden. Das historisch ältere Vergangenheitstempus, das sogenannte Präteritum, wird verdrängt und durch ein neues analytisches Vergangenheitstempus ersetzt (Träteritumschwund')· Das Plusquamperfekt, das ursprünglich das preteritale Resultativ der perfektiven Verben war, wird jetzt als Vorvergangenheit interpretiert. Temporalität selbst ist sekundäre Innenperspektivierung, denn dem Hörer werden Anweisungen gegeben, sich auf der Zeitgeraden zum 'Zeitort' des Ereignisses zu begeben. Die Parallelität von Ereignis und Betrachter ist unabdingbar. Die einzelnen Tempora selbst vermitteln das spezifische Verhältnis von Sprechzeitpunkt, also Ausgangspunkt der Deixis, und Ereigniszeitpunkt. Die Parallelität von Betrachterund Ereignisort ist aber typisch für Imperfektivität, weshalb Temporalität die Domäne der imperfektiven Verben ist. Bei perfektiven Verben, deren Abgeschlossenheitscharakter Handlungs- und Betrachterparallelität verhindert, wird die temporale Innenperspektive durch sekundäre Stativierung erzielt. Das ist das, was beim perfekti-
41 Hier liegen auch einige (z. T. konkurrierende) Relikterscheinungen in Form von alten, unpräfigierten Partizipien vor, die aufgrund ihrer Form manchmal auch als 'Ersatzinfinitiv' bezeichnet werden, obwol sie, historisch gesehen, die ursprünglichen sind: er hat es tun wollen vs. er hat es gewollt (FOURQUET1969:56). 42 Zum ge-Partizip s. genauer MAIER 1901. Zur Entstehung des nhd. Verbalsystems s. a. FOURQUET 1969 und OUBOUZAR 1974.
Verb
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ven Präsens oder Präteritum vorliegt (ich habe/hatte erschlagen). Aufgrund ihrer aspektualen Merkmale haben die verschiedenen Verbtypen Affinitäten zu bestimmten temporalen Perspektiven. Bei einem voll ausgebauten Aspektsystem mit jeweils zwei Aspektpartnern ist ein präsentischer Zeitbezug am leichtesten mit primär imperfektiven Verben zu realisieren, während sich die Abgeschlossenheit der Perfektive für Vergangenheits- oder Zukunftsbezug anbietet. Damit ist mit aspektualen Mitteln ein temporales ±Vergangenheit- oder ±Zukunft-System realisiert.43 Vergangenheit vermittelt den anaphorischen, Zukunft den kataphorischen Pol von Temporalität. Bricht das Aspektsystem zusammen, so fehlt den Perfektiva der Gegenwerts- und den Imperfektive der Vergangenheits- (oder Zukunfts-) Bezug. So entsteht dann im Deutschen sekundär ein präsentisches Perfektiv (abgeschlossene Gegenwart) und ein präteritales Imperfektiv (unabgeschlossene Vergangenheit). Erst mit diesem sogenannten Imperfekt, der (unabgeschlossenen) Vergangenheit der Imperfektive und dem Plusquamperfekt, der (abgeschlossenen) Vergangenheit der Perfektiva, hat sich eine Vollkategorie Präteritum hereusgebildet. Die Entwicklung ist im ersten Fell schon so weit fortgeschritten, deß fest nicht mehr zwei Formalternativen, sondern nur noch eine, nämlich das ursprünglich präsentische Perfekt der Perfektiva, als einzige temporele (d. h. unebgeschlossene) Präteritumform existiert. Das ursprüngliche, synthetische Präteritum schwindet. Das Plusquamperfekt wird dann dementsprechend eis Vor-Präteritum und nicht mehr eis präteriteles Perfekt interpretiert. De euch hier die Unebgeschlossenheit dominiert, rückt zunehmend nicht mehr seine Funktion eis reletiv-präteriteles Tempus in den Vordergrund: nachdem wir angekommen waren, setzten wir uns. Viel stärker tritt einfech nur die vergengene Komponente hervor: gestern Abend waren wir im Restaurant gewesen. Reletive Tempore werden denn zu ebsoluten, wenn die Aspektuelität nicht mehr wirksam ist. Dadurch, daß das Präsens der Perfektiva in den Vergangenheitsbereich wendert, fehlt den Perfektive erneut ein Präsens. Wegen des Vorhandenseins nur eines imperfektiven Präsens' gibt es also keine Vollkategorie Präsens. Die präsentischen Formen der Perfektiva drücken nämlich Zukunftsbezug aus, während die Imperfektive ein 43 Nach diesen zwei Systemen unterscheidet man prospektive und retrospektive Sprachen. Erstere, zu denen u. a. die Indogermania zählt, markieren mit der Präsens- (eigentlich -Vergangenheits-) Form Gegenwart und Zukunft. Letztere, darunter nordamerikanische Indianersprachen, beziehen sich mit der Präsens- (eigentlich -Zukunfts-) Form auf Gegenwart und Vergangenheit (ULTAN [19721/1978: 88).
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
analytisches Futur mit werden + Infinitiv bilden (können). Hier beginnt sich der Non-Past-Bereich aufzuspalten. Imperfektiva verwenden (v. a. in ambigen Kontexten) zur Verdeutlichung des Futurbezugs im Gegensatz zum Gegenwartsbezug die xaerien + Infinitiv-Fügung. Wie es scheint, erfüllte diese Funktion im Alt- und Mittelhochdeutschen noch eine andere Fügung, nämlich sein und v. a. werden + Partizip Präsens Aktiv (Partizip I). RICK (1905: 21ff.) beobachtet fürs Alt- und KLEINER (1925: 90f.) teilweise noch fürs Mittelhochdeutsche, daß diese Konstruktion auffallend häufiger von imperfektiven, bzw. nicht-zusammengesetzten, Verben gebildet wird und futurische Bedeutung aufweist. Alle futurischen Partizip I-Fügungen wurden aber im Deutschen durch werden + Infinitiv zurückgedrängt, evtl. durch Vermischung von Partizip- und flektierten Infinitivformen (zum Partizip I s. auch noch Kapitel 3.3.3). Dies ist die neue FuturUmschreibung für Imperfektiva, wenn ein möglicher, aber unzutreffender Gegenwartsbezug vermieden werden soll. Werden jetzt aber die Perfektiva mit einer Form und Bedeutung konfrontiert, die sie bereits besitzen, wird die betreffende Form uminterpretiert und zwar modal. Das gleiche passiert, wenn kataphorische, also zukunftsbezogene, Tempora mit inkompatiblen anaphorischen, also vergangenheitsbezogenen, Elementen konfrontiert werden und umgekehrt: er wird gestern schwimmen
gewesen sein vs. morgen kaufte ich Brot, wenn ich
hier wäre. So sind zwei Modusvarianten entstanden, einmal auf kataphorischen, einmal auf anaphorischen Tempora basierend. Gerade in den süddeutschen Dialekten, wo der Präteritumschwund besonders fortgeschritten ist, haben diese Formen Modalbedeutung übernommen. So sind die grammatischen Kategorien „in diachroner Hinsicht verschiedene Stadien ihrer selbst, in synchroner Hinsicht stehen sie in Reinterpretationszusammenhängen" (LEISS 1992: 281). 3.3.3 Perfektiva
und
Imperfektiva
Nach den Ausführungen der letzten Kapitel ist deutlich geworden, daß zum einen die Konzeptionierung von Perfektiva und Imperfektiva eine große Rolle für die Herausbildung von Kategorien spielt, und daß zum anderen der aspektual-zeitliche Faktor keine obligatorische Bedingung darstellt. Im Rahmen von Aspektualität liegt offensichtlich eine Opposition von Außen- und Innenperspektive zugrunde, die in verschiedener Hinsicht mit den Konzepten (Nicht-) Individualisiertheit korrelieren kann. Jede weitere Einschränkung der Extension durch zusätzliche intensionale Merkmale bewirkt eine Individuierung und damit Terfektivität' i. w. S., d . h . s e m a n t i s c h e P e r f e k t i v i t ä t . Dem
Verb
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steht eine s e m a n t i s c h e I m p e r i e k t i v i t ä t gegenüber. Jede Aktionsartenmodifizierung durch präfigierende (oder suffigierende) Elemente ist eine Terfektivierung' im allgemein-semantischen Sinne. Dies ka nn, muß sich aber nicht in den zeitlichen Bereich erstrecken, daher auch die Kontroversen hinsichtlich Aktionsart und Aspekt. Erst wenn jedes Aktionsartenverb zusätzlich innerhalb der rein temporalen Bedeutung eine weitere Perspektivierungsmöglichkeit bereitstellt, soll man von Aspekt sprechen. Aspekt ist also die maximal grammatikalisierte Form von Aktionsarten. Diese Stufe, daß alle oder fast alle Verben zweiaspektig sind, hat aber noch nicht einmal das als Aspektsprache bekannte Russische erreicht. Das bekannteste Mittel, um Zweiaspektigkeit zu erreichen, ist dort die sogenannte 'sekundäre Imperfektivierung'. Durch diese erhalten einaspektige 'perfektive' Verben durch Suffigierung einen imperfektiven Partner, der sich nur im Z e i t me r k ma 1 unterscheidet: razvárit' 'zerkochen' vs. razvárivat' 'gerade dabei sein ,etwas zu zerkochen'(s. Kapitel 3.3.1). Auch das Russische baut also ein 'Aspektsystem' im eigentlichen Sinne gerade erst auf. ANDERSSON (1972:1) vergleicht die zweiaspektigen Verben mit Substantiven, die Singularund Pluralformen aufweisen, also an der vollausgebauten Kategorie teilhaben. So gesehen sind auch im Russischen (noch) zu viele Verben 'Perfektive tantum'. Es wird sich zeigen, daß das Attribut einer Aspektsprache viel eher dem Englischen zusteht. Bei den grammatischen Kategorien sind verschiedene Auswirkungen der Oppositionspole spürbar. Im Passiv ist das der Faktor der (In-) Transitivität, der (Nicht-) Eingeschränktheit durch Partizipanten, im Tempus der Zeitfaktor, die inhärente (Nicht-) Grenzbezogenheit der Handlung. Dadurch liegt die scheinbar paradoxe Situation vor, daß Aspektualität allen Kategorien zugrundeliegt, die Aspektkategorie in ihrer reinsten Form aber erst dann entsteht, wenn die anderen Kategorien schon ausgebildet sind'; daß der Zeitfaktor auch im ersten Fall eine Rolle spielt, liegt daran, daß Verben sich eben durch Zeitsensibilität auszeichnen. Auf dieser Ebene bestehen starke Korrelationen zwischen einem hohen vs. einem niedrigen Grad an Transitivität (Anzahl der Partizipanten), Aktionalität (Handlung vs. Geschehen), Perfektivität (Telizität vs. Atelizität), Kontrolliertheit der Handlung und Agentivität (vs. Patientivität) (HOPPER/THOMPSON 1980: 252). Wie stark diese Affinitäten sind, hat sich bereits in Kapitel 3.3.2 im Zusammenhang mit der Kategorie Genus verbi gezeigt. Hauptmerkmale des (definiten) Passivs waren (sekundäre) Intransitivität, Geschehensperspektive, (sekundäre) Atelizität und Patientivität: der Ball wird geworfen.
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
Die Kategorie des Aktivs ist hingegen unmarkiert, sie erscheint hinsichtlich (In-) Transitivität und Aspektualität nicht spezifiziert. Wesentlich ist hier die Fokusierung des definiten Agens' und der dazugehörigen Handlungsperspektive. Dies ist die typische Konstellation in Nominativ-Akkusativ-Sprachen, wo stativische Konstruktionen im Prädikat nicht die Regel darstellen. Solche Stativa können aber durch Kopula verb + Nominalelement {er ist dumm/ein Dummkopf) oder im Bereich der Handlungsverben sekundär durch die Passivkonstruktionen reproduziert werden. Es ist kein Zufall, daß Nominalprädikative und Resultativa, 'frühe' Passive, die gleiche syntaktische Struktur haben. FRAJZYNGIER 1978 macht diese Beobachtung bei verschiedenen, genetisch nicht verwandten Sprachen und betrachtet sein-Passive deshalb als Untergruppe von Nominalprädikaten. Erstere sind die formale Kopie der letzteren, womit nicht nur deren Stativität, sondern auch I nt r a ns i t i v i t ä t , I m p e r f ek t i v i t ä t und Ν orni na 1 i t ä t einhergeht. Da die Partizipien historisch gesehen ohnehin Adjektivableitungen von Verbalwurzeln sind, sieht man gerade auf älteren Stufen germanischer Sprachen noch deutlich die 'Adjektivität' des Partizips II. In den nachfolgenden Beispielen kongruiert das starke Verbaladjektiv mit dem Subjekt oder Objekt des Satzes: ahd. phïgboum habe ta sum giflanzötan (Mask. Akk. Sg.) 'einen Feigenbaum hatte einer gepflanzt'; aitisi, ek hefe hann kallapan (Mask. Akk. Sg.) 'ich habe ihn gerufen'; peir eru gengnçr (Neutr. Nom. Pl.) 'sie sind gegangen'. Das Passiv ist das Mittel der Erzeugung der Stativperspektive für agentivitätskonzentrierte Sprachen und greift zuerst bei p e r f e k tiven transitiven Handlungsverben. Wie aber sieht es bei den patienszentrierten Ergativ-Absolutiv-Sprachen aus? Hier wird der definite Patiens und die Geschehensperspektive in unmarkierten Basissätzen fokusiert. Im Basissätzen von Ergativsystemen herrschen stative transitive Verben (im Sinne von HOPPER/THOMPSON 1980) verbunden mit Perfektivität vor (BECHERT 1977: 9). Erzeugt wird dies durch Konstruktionen Kopula + Partizip II, wobei im Basissatz der Agens im Ergativ (E) und das Patiens im Absolutiv (A) steht, mit dem das Verb kongruiert: bask. etxe -a haiek eraiki -a house -A they-(E) build-PERF -A 'the house is built by them (they-built)' (SALTARELLI 1988: 218f.). SCHUCHARDT schreibt (21968: 6):
d -a be-3SgPRES -A
Verb
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Die z u s a m m e n g e s e t z t e K o n j u g a t i o n [...] spielt im Bask, eine noch wichtigere Rolle als in unseren Sprachen. Vor allem hat sie eine weit grössere Ausdehnung; die einfache Konjugation, [...], kommt nur bei v e r h ä l t n i s m ä s s i g w e n i g e n Verben vor; [...]. [...] Es handelt sich [bei den Hilfsverben] wie in anderen Sprachen wesentlich um 'sein ' und 'haben ', [...] (Hervorhebung P. M. V.).
Damit liegt im Prinzip wiederum, allerdings abgeleitete, Imperfektivität vor, die mit Stativität und aufgrund der zugrundeliegenden Perfektivität auch mit Transitivität harmoniert. Sekundär erzeugt wird eine Handlungsperspektive, Antipassiv genannt, in der abgeleitete Intransitivität und außerdem 'echte' Imperfektivität dominiert (LAZARD 1989: 312f.). Das ist ein ähnliches Konzept, wie im Rahmen der Substantive beobachtet, nämlich daß ontologische und grammatische Merkmale nicht übereinstimmen müssen. Trotzdem Begriffe für konkrete Gegenstände der außersprachlichen Wirklichkeit zuerst erworben werden, können sie grammatisch wie Kontinuativa behandelt werden und in manchen Sprachen, ζ. B. Chinesisch, überwiegen. Es gibt ontologisch "bessere' Verbkonzepte, die auch früher erworben werden, es gilt der Erwerb von Stativ- nach Handlungskonzepten (ζ. B. BLOOM et al. 1980: 390). Die Ontologie bestimmt also auch hier nicht die Verteilungshäufigkeit wie die Ergativsysteme mit dem Schwerpunkt auf der Stativen Perspektive gezeigt haben. Außerdem weisen früherworbene Basisverben typischerweise einen 'doer' auf und ein Objekt, das von der Handlung affiziert wird (BLOOM et al. 1980: 390). Es handelt sich also um transitive Verben mit hoher Affektion des Objekts, was nach HOPPER/THOMPSON 1980 (s. o.) für Telizität spricht. Aspektsysteme können auf grammatischer Ebene dagegen unterschiedlich zentriert sein, perfektiv oder imperfektiv. Deutsch hat in merkmalloser Form ein imperfektìv-zentriertes Verbsystem mit merkmalhafter Perfektivbildung, sprich Präfigierung. Den entgegengesetzten Pol repräsentiert das (moderne) Englische mit seinem merkmallosen perfektiv-zentrierten Verbsystem und merkmalhafter Imperfektivbildung, das aufgrund seiner Andersartigkeit als 'widersinnig' erscheint. Woran erkennt man diese Perfektiv-Zentrierung und wie kam es dazu? In den älteren Stufen vieler germanischer (und auch anderer indogermanischer) Sprachen gab es (noch) ein ausgeprägtes Aspektualitätssystem. Ich spreche hier bewußt von Aspektualität, weil ich mich auf semantische, nicht grammatische (Im-) Perfektivität beziehe. Wie in Kapitel 3.3.1 gezeigt, besteht zwischen Aspekt und Aktionsart ohnehin
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
nur ein gradueller Unterschied. Auch bei Aktionsarten ist so etwas wie (Im-) Perfektivität verwirklicht, nur nicht im r e i n zeitlichen Sinne, was sich jeweils in der weiteren oder engeren Interpretation von Aspekt niederschlägt. Nur so ist es zu verstehen, daß SZEMERÉNYI (41990: 332ff.), der vom engen Ansatz einer aspektuellen Opposition ausgeht, Aspekt für die meisten indogermanischen Sprachen und die rekonstruierte Ursprache rundweg ablehnt. Seine Begründung ist wie voraussehbar die, daß durch die formalen Veränderungen die Bedeutung des Verbs und nicht nur sein zeitlicher Aspekt geändert wird (a. a. O. 333f.). Das widerspricht allerdings nicht der hier vertretenen Auffassung von Aspektualität, die auch von STREITBERG vertreten wird. STREITBERG hatte, ausgehend von seiner Kenntnis des Slavischen, in einem Aufsatz von 1891 u fürs Germanische ebenfalls ein Aspektsystem (i. w. S.) postuliert und dies v. a. an gotischen Beispielen gezeigt. Dabei scheint es sich auch hier schon um ein neueres System zu handeln. Aspektuelle Gegensätze, die noch im Griechischen durch Präsensstamm für Imperfektivität und Aoriststamm für Perfektivität repräsentiert sind, werden im Gotischen durch fehlende bzw. vorhandene präpositionale Präfigierung ausgedrückt. Dabei ist v. a. das Präfix ga- mit der qualitativ geringsten Verbmodifikation quantitativ am stärksten vertreten (STREITBERG 1891: 102). Deshalb sprechen manche hier auch bewußt von Aspekt im Gegensatz zu Aktionsart: got. sitan - gasitan 'sitzen, sich setzen', bairan - gabairan 'tragen, zu Ende tragen', standan - gastandan 'stehen, zum Stehen kommen' (KRAUSE 3 1968: 213f.). Dieses ga- ist historisch gesehen das gleiche Präfix ge-, mit dem heute das Partizip II nicht-abgeleiteter Verben gekennzeichnet ist, und das als Partizip II-Kennzeichen mit übernommen wurde, weil nur perfektive Verben ein solches bilden konnten (s. Kapitel 3.3.2). Interessant ist, daß dieses 'individuierende' Präfix auch kollektivischen Bezeichnungen anhaftet, die die Vielheit in einer Ei nheit signalisieren und deshalb auch pluralisierbar sind: Gewässer, Gesang, Geschoß, Gebot usw. (s. a. WILMANNS 1896: 205ff.). Ein ähnliches Aspektualitätssystem wie das Gotische wiesen alle älteren germanischen Sprachen auf, auch Altenglisch und Althochdeutsch, doch traten hier Veränderungen ein, die in den beiden Sprachen letztendlich zu spiegelverkehrten Verhältnissen führten. Die Aspektualitätsunterschiede im Deutschen waren noch bis in die
44 Der Aufsatz ist die revidierte und erweiterte Form von STREITBERGs Habilitationsschrift aus dem Jahre 1889.
Verb
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mittelhochdeutsche Zeit spürbar, wo sie zu dem selektiven Aufbau des Passiv- und Tempussystems führten. Immer stärker dominierte aber dann im grammatischen System das Merkmal der Imperfektivität bzw. das der aspektuellen Neutralität. Das System ist auf Imperfektivität oder aspektuelle Neutralität ausgerichtet. Alle Verben, ob präfigiert oder nicht, finden darin Eingang. Passiv und Präsens sind heute genauso aspektneutrale Kategorien wie es das Perfekt schon fast ist und wie es Futur und Konjunktiv vielleicht noch werden. Nach der Auflösung der Aspektpaare dominiert also Imperfektivität bzw. aspektuelle Neutralität und alle Verben werden grammatisch so behandelt, als besäßen sie diese Eigenschaft. Präfigierte, markierte Verben, weisen zwar noch immer Perfektivität auf, aber in zunehmend schwächerer Form. Die imperfektiven Verben wirken wie ein Magnet und 'entvölkern' die Gruppe der Perfektiva. Welche Möglichkeiten gibt es, diese Gruppe sekundär zu stärken? Ein immer produktiver werdendes Mittel ist die Bildung von Funktionsverbgefügen (FVG). Schon 1963 (und noch einmal 1987) wies VON POLENZ auf die Funktionalität der FVG gerade im Bereich der A k t i o n s a r t e n hin. LEISS (1992: 255ff.) präzisiert das dahingehend, daß sie vornehmlich die Funktion haben, die perfektiv(er)en Partner zu nur noch schwach perfektiven Verben stellen. So ist in Gefahr bringen perfektiver als gefährden, zur Sprache bringen perfektiver als besprechen, zur Aufführung bringen perfektiver als aufführen usw. Durch die weitere Einführung eines Substantivs zum relativ inhaltsleeren Verb wird die Anzahl der Partizipanten und damit der Grad an Transitivität erhöht, was nach HOPPER/THOMPSON (1980: 252) mit Perfektivität (i. w. S.) korreliert. Das Nominalabstraktum hat hier außerdem qua seiner Funktion als Substantiv einer individuativzentrierten Sprache die Aufgabe, die schwache Perfektivität zusätzlich zu stärken. Da Perfektivität und futurischer Bezug affin sind, überrascht es auch nicht weiter, daß FVG hinsichtlich der Ausführung der Handlung in die Zukunft weisen und kein werden-Futur benötigen. Jedes FVG hat eine 'aktivische' und eine 'passivische' Variante, also eine Handlungs- und eine Geschehensfügung: in Gefahr bringen/geraten, zur Aufführung bringen/kommen, zur Sprache bringen/kommen usw. Es gibt kein werden-Passiv der Geschehenskonstruktion, wohl aber ein formales Passiv der Handlungskonstruktion: zur Sprache bringen/zur Sprache gebracht werden - zur Sprache kommen. Das Passiv der Handlungskonstruktion entspricht semantisch in etwa der Geschehenskonstruktion, formal ist es allerdings mit dem Aktiv der Handlungskonstruktion verknüpft. Meines Erachtens ordnen sich jetzt ohnehin schon existierende stative Konstruktionen mit Nominalab-
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
straktum und haben oder sein diesen Mustern zu, so daß es zusätzlich sogar schon Aspektpartner innerhalb der FVG gibt: in Gefahr bringen/kommen (pf.) - in Gefahr sein (ipf.). Neben den FVGn tragen auch syntaktische Angaben oder verschiedene Konstruktionsweisen der Ergänzungen zur jeweiligen Perspektivierung bei und modifizieren sie. So sagte ein Therapeut in einer Fernsehsendung zum Problem Drogensucht: wir sind gerade dabei, einen Therapieplatz für sie zu finden. Durch 'gerade' ist die Perfektivität des Verbs aufgehoben bzw. wird uminterpretiert als 'versuchen zu finden' oder sogar als 'suchen'. Ähnlich ambig können Ausdrücke für indefinite oder definite Zeitspannen wirken: er korrigierte drei Stunden lang Schulaufgaben vs. er korrigierte die Schulaufgaben in drei Stunden. Es fällt auf, daß offensichtlich auch die (In-) Definitheit der Verbalphrase eine Rolle spielt. Soll Definitheit der Nominalphrase und adverbiale Durativität zugleich ausgedrückt werden, ist es besser, das direkte Objekt durch eine Präpositionalphrase wiederzugeben: er korrigierte an den Schulaufgaben drei Stunden lang. Dies deutet schon darauf hin, daß auch mit Hilfe des Kasusrahmens noch weitere Perspektivierungen des Sachverhalts durch den Sprecher möglich sind. Ich möchte an dieser Stelle jedoch nicht auf diese spezifische Ausformung eingehen, man vgl. dazu z. B. ICKLER1990. Außerdem gibt es als Perspektivierungsmöglichkeit auch immer noch das Mittel der Präfigierung, wobei v. a. auf die hohe Produktivität von wertigkeitserhöhendem be- hingewiesen wird (s. Kapitel 3.3.2). PUSCH (1972: 130) bezeichnet diese Bildungsweisen als holistisch, ganzheitlich, was besonders in einem Satzpaar wie Adam schmierte Farbe an die Wand - Adam beschmierte die Wand mit Farbe deutlich wird. Ihr fällt v. a. auch auf, daß es diesbezüglich Unterschiede zum Englischen gibt, wo einem Paar wie schmieren/beschmieren nur e i η unpräfigiertes Verb smear gegenübersteht. Das merkmallose Verb scheint dort also die perfektive Bedeutung zu vertreten, da die merkmalhafte 'expanded form' (EF) die Handlung ja imperfektivierend, als im Verlauf befindlich, darstellt: I'm smearing. Darauf zielt u. U. auch die Beobachtung von QUIRK et al. (1985: 177f.) ab, daß sich im Englischen Handlungsverben wie 'count nouns' und stative Verben wie 'noncount nouns' verhalten. An diesen Gedanken muß man sich erst einmal gewöhnen, doch spricht das grammatische Verbsystem des Englischen für eine perfektive Konzeptionierung der merkmallosen Verben. Im Grunde ist dies die gleiche Art von Umkehrung, gemessen am Deutschen, wie sie im Bereich der chinesischen Substantive existiert, mit der Fokusierung auf dem Kontinuativbereich. Wie zeigt sich diese aspektuelle 'Umkehrung'?
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Verb
Merkmallose englische Verben im 'simple present' verhalten sich genauso wie die slavischen perfektiven Verben im Präsens: aufgrund der bestehenden Außenperspektive kann mit dem bloßen Tempuszeichen kein aktueller Gegenwartsbezug und damit keine Innenperspektive hergestellt werden. Handlungsverben im Englischen tragen die Bedeutung 'Handlung als Faktum' bzw. 'Habitualität': ζ. B. he builds a house bzw. he swims. Das sind Teilfunktionen des Präsens' imperfektiver Verben, die auch von perfektiven Verben wahrgenommen werden können. Wenn etwas als Faktum konstatiert wird, muß es in seiner Gesamtheit bekannt sein. Dagegen sind Habitualität und aktuelle Gegenwart ohnehin parallel mögliche Interpretationen bei potentieller Unabgeschlossenheit. Diese indefinite Unabgeschlossenheit wird 'kopiert', indem distinkte Einheiten als Kontinuum betrachtet werden. Übrig bleibt das Merkmal der (definiten) Unabgeschlossenheit, woraus sich ebenfalls habituell-iterative Bedeutung ergibt:
_
•definite • Habitualität • _
- indefinite - H Habitualität - l ·
-
Deutlich ist hier die konzeptionelle Parallele zum nominalen Plural, weshalb DRESSLER (1968: 56ff.) u. a. auch Iterativität als „verbale Pluralität" bezeichnete 45 . Daneben finden sich für die Präsensform von perfektiven Handlungsverben noch Interpretationen als Futur und als historisches Präsens (VENDLER [1957]/1967b: 103; LANGACKER 1982: 277). Beide Deutungen für die Präsensform perfektiver Verben sind zum einen aus dem Russischen, zum anderen aus dem Bulgarischen bekannt (ζ. B. HILL 1991: 26). Zukünftiger und vergangener Bezug sind gleichwertig möglich, weil dabei nicht die Identität von Sprech- und Handlungsraum gefordert ist, die das perfektive Konzept nicht liefern kann. Unter diesem Blickwinkel wäre es sicher lohnend, auch das Phänomen des historischen Präsens' neu zu untersuchen, das, anders als das Futur, bisher kaum mit der Aspektualitätsopposition in Zusammenhang gebracht wurde. VENDLER ([1957]/1967b: 103) weist auf die 'scheinbare Paradoxie' hin, daß der Gegenwartsbezug englischer Verben nicht mit dem Präsens, sondern mit dem Perfekt hergestellt wird. Das ist aber folgerichtig, wenn es sich um perfektive Konzepte handelt. Das Perfekt gibt
45 Außerdem gehen die zu den russischen perfektiven Verben mit -yva- gebildeten sekundären Imperfektivierungen auf iterative Verben zurück (TSCHERNYCH 1957/ 1977: 236; s. Kapitel 2.3.2).
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
eine abgeschlossene Handlung mit Bezug zur Gegenwart, also eine abgeschlossene Gegenwart, wieder, das Plusquamperfekt eine abgeschlossene Handlung mit Verbindung zu einem vor dem Sprechzeitpunkt liegenden Bezugspunkt. Im Gegensatz zum Deutschen kann das englische Plusquamperfekt nicht als absolutes Tempus mit der Bedeutung Vorvergangenheit oder Vor-Präteritum interpretiert werden (COMRIE 1985: 26). Das Imperfekt (1) ist ein Tempus der Imperfektiva und als unabgeschlossene Vergangenheit zu interpretieren. Als solches zeigt es sich auch noch bei der Gruppe von merkmallosen imperfektiven Verben im Englischen, den Stativa. Die Handlung (nicht das E r g e b n i s der Handlung!) kann auch noch in der Gegenwart Gültigkeit besitzen: he resembled, Harry (and he still does). Das ist bei den Nicht-Stativa nicht der Fall. Im Imperfektiv ist die Handlung durch die Perfektivität in der Vergangenheit endgültig abgeschlossen und hat keinen Bezug zur Gegenwart: he swam Cand he still does) (Beispiele LANGACKER 1982: 277). Das deutet darauf hin, daß die nichtstativen Verben im Englischen perfektiv sind, was von BRINTON (1988:16) unterstützt wird: I believe that the simple f orm is a marker of perfective aspect [...]. The simple past [...] indicates a past p e r f e c t i v e s i t u a t i o n , that is, a situation in the past seen as a c o m p l e t e w h o l e [(...)]. The simple p r e s e n t likewise indicates a p r e s e n t p e r f e c t i v e (Hervorhebung P. M. V.).
Da die jeweils imperfektiven Aspektpartner fehlen, hat sich das Englische dafür eine neue Form in der Funktion s e k u n d ä r u n a b g e s c h l o s s e n e r p e r f e k t i v e r H a n d l u n g e n geschaffen. Da die einfachen Formen bereits besetzt sind, muß diese Funktion von einer anderen Konstruktion erfüllt werden. Das Germanische hatte seinen Imperfektiva schon immer die zusätzliche Möglichkeit geboten, Handlungsausschnitte als im aktuellen Verlauf befindlich darzustellen. Der Fokus richtet sich auf die gerade a k t u e l l e Teilhandlung, bezieht aber nicht die zugrundeliegende Handlung als solche ein, die potentiell unbegrenzt bleibt. Dies geschieht durch die Konstruktionen sein oder werden + Partizip Präsens (Partizip I) von imperfektiven Verben. Möglicherweise sind das die Ergänzungen zu sein oder werden + Partizip II, die ja überwiegend für Perfektiva zuständig waren. Daneben haben diese Konstruktionen, v. a. inchoatives werden + Partizip I, auch zukünftigen Zeitbezug (fürs Gotische s. MAROLD 1875, MOSSÉ 1938 I: 25; fürs Ahd. MOSSÉ 1938 I: 42, RICK 1905: 24f.; fürs Mhd. WINKLER 1913: 82f„ KLEINER 1925: 91). Auf die futurische Bedeutung der Konstruktion mit sein + Partizip haben auch RAIBLE (1982: 287) fürs Finnische und JESPERSEN (1932/1954: 202) bzw. LEISI (1960: 219) fürs Englische hingewiesen.
Verb
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Die aktuelle Bedeutung einer Handlung kann aber auch von der einfachen Verbform wiedergegeben werden, denn "incompleteness of single action and incompleteness of process in gemerai are not kept apart [...]" (MARCHAND 1955: 47). Er raucht kann sowohl habituellen als auch aktuellen Bezug haben, weil sich im Neuhochdeutschen, wie auch im Neufranzösischen, die partizipale Verbperiphrase nicht als System etabliert hat und deshalb weitgehend verschwunden ist bzw. das Partizip als prädikatives Adjektiv interpretiert wird: sie ist wütend, er ist kränkelnd. Teilweise sind neue syntaktische Umschreibungen danebengetreten: dt. am/beim x-en sein. Italienisch und Spanisch weisen die Verbperiphrase noch auf: span, estoy leyendo un libro 'ich lese gerade ein Buch'. Im Gegensatz zum Englischen ist diese Konstruktion aber nicht obligatorisch, sondern eine s t i l i s t i s c h e V a r i a n t e und kann durch das einfache Verb ersetzt werden. Das Englische hat diese Variante dagegen grammatikalisiert, um sich imperfektive Aspektpartner zu den perfektiven Verben zu schaffen. Die Entwicklung eines Progressive zu einem Imperfektiv ist nichts Ungewöhnliches und kann in verschiedenen Sprachen beobachtet werden (BYBEE/DAHL 1989: 82f.; sie gehen fürs Englische allerdings noch von einer Zwischenstellung aus). Durch die Verknüpfung von Einzelhandlung und Imperfektiv!tät ist die Konstruktion ein hervorragendes Instrument, um die Umgrenzung der Perfektiva zu 'durchbrechen' und die Innenperspektive zu erzeugen. Da es sich um eine imperfektivierende Funktion handelt, können Verben, die bereits stativ sind, sie i. a. nicht zusätzlich bilden: *Harry is resembling his father, *Paul is
knowing the answer (LANGACKER [1987]/1991b: 85). Manchmal wird die Konstruktion aber auch verwandt, "to stress the immediate present aspect of a process", z. B. I am remembering now (MARCHAND 1955: 50). Lange war die 'expanded form' nicht im Passiv möglich, das ja aufgrund der Konstruktion to be + Partizip II ein typisches Zustandspassiv und damit schon imperfektiv ist. Ungrammatisch war z. B. *the/a house is being built (DELANCEY 1982: 172f.). Erst im 18. Jahrhundert setzte sich diese Formbildung durch, als das englische System mit merkmallosen perfektiven und merkmalhaften imperfektiven Verben weitgehend etabliert war. Interessant ist, daß sich das jeweilige Merkmal der (In-) Definitheit auch auf das Subjekt überträgt, wobei Definitheit mit Generizität korreliert. Die Perfektivität des Verbs wird im Subjekt als generisch, ganzhaft interpretiert: dogs bark (= alle Hunde haben die Eigenschaft, daß sie bellen können). Imperfektivität steht für Aktualität, Teilartigkeit, Unbestimmtheit: dogs are barking (= einige Hunde bel-
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
len jetzt).46 Dasselbe Phänomen wiederholt sich im Gegensatz von Gerund und Infinitiv: I saw him cross the street vs. I saw him crossing the
street. Im ersten Satz ist von einer abgeschlossenen, ganzartigen Handlung die Rede, im zweiten von einer unabgeschlossenen, teilartigen. Wie sieht die historische Entwicklung im Englischen genauer aus? Die 'expanded form' (EF) ist aus dem Germanischen ererbt und findet sich deshalb schon im Altenglischen (s. NICKEL 1966). Zum Ende der mittelenglischen Periode im 15. Jahrhundert ist sie weit verbreitet (GÖRLACH 1974: 95). Ab dem 15. Jahrhundert findet man dafür immer stärker eine Verbform auf -ing. Sie geht wahrscheinlich auf eine Konstruktion mit Lokalpartikel und Verbalnomen he was on fighting bzw. he was α-fighting zurück (MOSSÉ 1925: 296), wobei speziell die Konstruktion mit Lokalelement typisch für die Entwicklung des Progressivums ist (BYBEE/DAHL 1989: 79). Dieser Zusammenfall bzw. diese Entlehnung überrascht nicht, sind doch die merkmalhaften Substantive kontinuative Abstrakta und mit den Imperfektiva konzeptverwandt (s. Kapitel 3.2.1). Im 18. Jahrhundert festigte sich die aspektuelle Opposition dann endgültig. Im Altenglischen ist die Frequenz der EF in den nördlichen Dialekten „wesentlich höher" als im Süden (NICKEL 1966: 303). Dies fällt mit einer anderen Erscheinung um dieselbe Zeit zusammen, die die gleiche geographische Ausbreitung hat und offensichtlich die Ursache für die Ausbreitung der EF darstellt: der Schwund des Präfixes ge- (WEICK 1911: 144f.). Eine Verallgemeinerung von ge-Präfigierungen führte zur semantischen Diffusheit und konnte nicht mehr länger mit Perfektivierung verknüpft werden. Die perfektivierende Wirkung des Präfixes schwächte sich rapide ab, so daß schon im Altenglischen und zunehmend ab dem 11. Jahrhundert aspektuelle Synonymie von zusammengesetzten und nicht-zusammengesetzten Verben vorlag (MOSSÉ 1925: 292). Viele Verben konnten sowohl terminativ als auch durativ interpretiert werden, z. B. to have als 'haben' (durativ) oder 'nehmen' (terminativ) (s. VAN DRAAT 1902). Die aspektuelle Deutung war nicht mehr von der morphologischen Beschaffenheit des Verbs abhängig, so daß das Präfix funktionslos wurde, sich lautlich zu gi-, iund f-abschwächte und im Mittelenglischen schließlich ganz ver-
46 Ähnlich im Russischen, das sich mit Hilfe des Verbalaspekts eine nominale Determination mit der Opposition bestimmte vs. unbestimmte Menge schafft: On kosil (ipf.) travú 'Er mähte Gras' vs. On skosíl (gf.) trami ΈΓ mähte das Gras' (BIRKENMAIER 1977:417).
Verb
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schwand (YVEICK 1911: 145). Mit dem 13. Jahrhundert war kein morphologisches Mittel zur Aspektmarkierung bei den Verben mehr gegeben (MOSSÉ 1925: 292). Alle Verben konnten in ihrer merkmallosen Form als perfektiv oder imperfektiv interpretiert werden. Das Englische nahm die Entwicklung hin zur Perfektivität, wohl gestützt durch die 'expanded form', die als mögliche Imperfektivkonstruktion bereitstand. Eine weitere Folge der beschriebenen Entwicklung ist dabei vor allem, daß mit dem Verlust des Mittels der Präfigierung die produktive Bildung neuer perfektiver Verben unmöglich geworden war. Es können zu allen Verben nur imperfektive Partner gebildet werden. So gesehen ist das Englische, noch viel stärker als das Russische, eine Aspektsprache. Wo kommen aber neue Verben her, und zwar perfektive, die ins System passen? Eine 'Rekrutierungsmöglichkeit' ist bekannt und wird schon von MOSSÉ (1925: 296f.) erwähnt. Dies sind Verben mit post-verbalen Partikeln, 'phrasal' oder 'prepositional verbs' genannt. Sie bilden in der Zeit des Systemumbaus vom Altenglischen zum frühen Neuenglischen neue Verben und zwar Perfektiva, denn sie sind "functional equivalents of the older prefixed verbs" (BRINTON 1988: 185).47 Es liegen ursprünglich räumliche Modifikationen vor, die aber schon im Altenglischen aspektual uminterpretiert werden (BRINTON 1988: 215ff.). Eine ähnliche Funktion wie in älterer Zeit ge- nimmt dabei v. a. die Partikel up aufgrund ihrer weitgehenden Sinnentleerung ein: to eat ug, to look ujL· to make u. ä. sind in ihrer Bedeutung stark abstrahiert. Auch für andere Konstruktionen wird der Begriff 'phrasal verbs' manchmal verwandt, "i. e. verbs of a very wide and general meaning which, together with a substantive, are introduced as the equivalent of a simple verbal expression" (BIESE 1939: 282). Eindeutig entspricht diese Beschreibung den Funktionsverbgefügen. Sie fungieren, so behaupte ich, analog zum Deutschen, als Perfektiva, obwohl in der einschlägigen Literatur m. W. nicht explizit auf diesen Zusammenhang eingegangen wird. BIESE (1939: 285) weist darauf hin, daß diese Konstruktionen "may be said to be a very marked feature during all periods from early ME. [Middle English] up to the present time". Es handelt sich v. a. um die Verben give, make, have, take, die mit Konver-
47 Einen ähnlichen, aber noch früher gelagerten, Präflxverlust hat das Isländische erlitten (man beachte auch hier das Nord-Süd-Gefälle!). Er wird in analoger Weise durch präpositionale und adverbiale Fügungen kompensiert: z. B. sid til 'abwarten', sjdum e-d. 'etwas besorgen', halda fram 'behaupten', koma fyrir 'geschehen'usw. (DE LA CRUZ 1972: 77).
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
sionssubstantiven verknüpft werden: have a smoke, take a dip, take a ride, give a try, have a go usw. Die Perfektivität der Wendung wird zum einen, wie schon angedeutet, durch die Erhöhung des Grades der Transitivität erreicht. Dem entspricht das charakteristisch transitive Satzmuster des modernen Englischen: es heißt eher to give a shout als nur to shout. Zum anderen besteht der zweite Teil der FVG aus einem Substantiv (Nominalabstraktum), das noch speziell zur Gruppe der d e f i ni t e η Abstrakta gehört und damit die Perfektivität erhöhen kann. Möglicherweise ist das eine weitere Erklärung für die in Kapitel 3.3.2 aufgeworfene Frage hinsichtlich der hohen Frequenz der Konversionssubstantive. FVG scheinen in vielen Sprachen ein Mittel der Rekrutierung neuer Verbausdrücke zu sein. Darauf weist BALLY (21944: 247) auch fürs Französische hin, das nur in sehr eingeschränkter Weise Verbmodifikationsmittel besitzt: «Nombreuses sont les périphrases verbales où l'équivalent du suffixe est un verbe plus ou moins vide [(...)], suivi d'un adjectif ou d'un substantif», ζ. B. avoir recours, faire impression, prendre feu, entrer en jeu, se mettre en route usw. In diesen Zusammenhang paßt auch die sogenannte Verbserialisierung, derer sich afrikanische Sprachen, aber auch asiatische Idiome wie Chinesisch, Thailändisch usw. bedienen. Hier werden mehrere Prädikate 'hintereinandergeschaltet', um neue Partizipanten einzuführen und die Prädikation so zu erweitern und einzuengen. Zur Erläuterung hier noch einmal das in Kapitel 2.3.1 zitierte Beispiel: Yoruba mo mú ìwé wá ilé (Kwa) I took book came home Ί brought a book home'. (Beispiel SEILER 1988a: 81) mú dient hier als Funktionsverb und führt ein neues Patiens-Element {ìwé) ein, das nicht (!) in der Valenz des Hauptverbs wá verankert ist. BISANG (1992: 24) hat das gleiche Phänomen nun für Chinesisch, Khmer, Thai, Hmong und Vietnamesisch untersucht und beschreibt diese Operation als Determinierung und K o n k r e t i s i e r u n g des Verbs: „Diese Konkretisierung zeigt sich in Sprachen mit Verbserialisierung in der Setzung eines weiteren Verbs, das sich markierungslos an das zu konkretisierende Verb anschließt". Unter Umständen ist das eine weitere Variante, um eine Einengung und 'Perfektivierung' der Handlung zu erreichen. Dabei werden die betreffenden Verben zunehmend abstrakter, so daß sie die Funktion von Adverbien oder Präpositionen aufnehmen können, also wie die erwähnten 'phrasal verbs' funktionieren.
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Verb
Yoruba (Kwa)
mo fi çbçn gé I took cleverness cut Ί cut the tree cleverly' (Beispiel SEILER 1988a: 82) Thai khäw yip ihoychaat oo càak he grasp flag go out depart 'He grasped the flag out of the cupboard' (Beispiel SEILER 1988a: 85 nach KÖLVER 1983: 71)
igi tree
tûu cupboard
Möglicherweise ist das ein (weiteres) Mittel der Perfektivbildung bei manchen, möglicherweise überwiegend isolierenden, Sprachen. Die gleiche Funktion, nämlich die Bereitstellung von Perfektiva, wird auch von K o n v e r s i o n s v e r b e n erfüllt. TRNKA ([1969]/ 1982: 350) ist m. W. der einzige, der diese Tendenz zumindest ansatzweise erkannte, ohne das jedoch weiter auszuführen: In the present writer's view the chief motive of the wide extension of the conversion of nouns into verbs in English is to be sought in the speaker's strong need of new verbs with strikter semantic b o u n d a r i e s and more d e f i n i t e shades of meaning [...] (Hervorhebung P. M. V.).
TRNKA zielt hier direkt auf die semantische Konkretisierung der Verben und damit auf ihre Perfektivierung ab. Die Verwendung von Substantiven in verbaler Funktion ist in vielen Sprachen verbreitet und bereitet keine Interpretationsschwierigkeiten, aufgrund, wie PLANK (1981:113) meint, „eines vermutlich universellen Prinzips der Beziehung zwischen Substantiven und Verben". Diese universelle Beziehung scheint die zu sein, daß sich Verben und Substantive respektive konkrete Gegenstände und dynamisch-aktive Handlungen gegenseitig i m p l i z i e r e n : mit Gegenständen kann etwas gemacht werden und Handlungen erstrecken sich auf Gegenstände. Ein solches Konzept, das beide Aspekte in sich vereint, kann als ontogenetische Basis-Wortart betrachtet werden. MAYERTHALER (1982: 29) nennt dieses Konzept 'Aktionsding', definiert als „Menge der Aktionen, die man mit χ machen kann". Die Benennung ist allerdings unglücklich gewählt, da durch das Determinativkompositum die Betonung auf dem Gegenstandsaspekt liegt. Genauso (un-) gerechtfertigt wäre es, von einer 'Dingaktion' zu sprechen. In der Tat ist in diesem Konzept beides gleichwertig: Ding und Aktion. Im Spracherwerb gehen solche Ding-Aktion-Konglomerate den grammatikalischen Wortarten voraus bzw. liegen ihnen zugrunde (MAYERTHALER 1982: 30ff.). Dazu paßt, daß nach BLOOM et al. (1980: 390) frühe, als Verben identifizierbare Elemente typischerweise eine auf ein affiziertes Objekt
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
gerichtete Handlung enkodieren. Daher auch ihre semantische Transitivität und implizite Perfektivität (s. o.). Konversionsverben sind überwiegend von Benennungen für konkrete Gegenstände abgleleitet (BEHAGHEL 1901: 1; MARCHAND 1964a: 105) und implizieren diesen Gegenstand in einer geeigneten Form. Am nächsten stehen dem ontogenetischen Basiskonzept Verben, die DingAktion-Konglomerate kopieren, indem sie eine typische instrumentale Verwendung des Gegenstandes enkodieren. Diese Art von Verben ist in allen Sprachen vorhanden, auch in der 'American sign language', "where the noun referring to an object is quite obviously related in form to the verb for the action performed with this object". So benennt das Zeichen für 'Stuhl' auch 'sitzen' (SUPALLA/NEWPORT 1978: 100). Wenn unbelebte Gegenstände die Grundlage sind, fallen die Verben mit überwiegender Mehrheit in diese semantische Klasse, die man als instrumental' bezeichnen könnte (s. CLARK 1982; PANAGL 1977; KARIUS1977 und 1985). Das gilt besonders dann, wenn man Instrumentalität im weitesten Sinne als 'geeignet zu, verwenden als, tun mit' festlegt. Dies paßt gut zum Konzept des Ding-Aktion-Konzepts. Darüberhinaus ist aber jede weitere Interpretation einer semantischen Einschränkung möglich, die explizit durch adverbiale Bestimmungen aufgelöst wird. So ergibt sich im Zusammenhang mit Personen eine Interpretation, der am ehesten 'sich spezifisch verhalten wie ein x' entspricht, da Personen selten als Instrumente gebraucht werden. Konversionsverben sind v. a. in der Kindersprache vertreten (s. CLARK 1982): to scale 'wiegen'
to key 'öffnen'
to needle 'nähen'
to trouser 'Hosen anziehen'
to dust 'Staub wischen' to bell läuten'
to cracker s.th. 'crackem' to gun 'erschießen'
to basket 'einkorben' to nut 'Nuß aufbrechen'48 milch-en 'Milch trinken'
to chocolate (milk) 'mit Schokolade versehen' mietze-ln näse-ln 'miauen' 'Nase putzen'
48 Weitere englische Beispiele s. a. CLARK/CLARK 1979.
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Verb
wau-en t>ellen' bouton(n)-er 'verschließen'
musik-en dieb-eti 'Musik machen' 'stehlen' crai(v)-er pipe-r 'mit Kreide schreiben' 'rauchen' Nachfolgend einige Beispiele aus Texten oder Gesprächen: zwei Völker krieg-en eine Zeitung schlagzeil-t ein Mantel ist gefibel-t sie judo-t zweimal pro Woche eine Billard-Kugel loch-en feinschmeck-en à la carte49 urlaub-en in Dänemark die RAF bomb-t wieder einen Zahn wurzel-η ein Gericht kräuter-n to tape s. o. to bug a room to taxi (to Scotland Yard) to microwave s.th. to shoe o.s. to pen s.th. to alibi s. o. to blackberry to nose (a ball) to bone s.th. to to to to to to
'einen Krieg führen" 'mit einer Fibel versehen' 'in ein Loch treffen' 'Bomben werfen' 'Wurzel entfernen' 'mit Kräutern versehen'
'Schuhe anziehen' 'schreiben' 'Brombeeren sammeln' 'mit der Nase schieben' 'etw. vergraben' (wie einen Knochen)
coffeehouse in the afternoon boss s. o. needle s. o. birth a baby cloakroom s.th. envelope s.th.
Damit sind in jeder Sprache aufgrund des von PLANK postulierten, und von mir Ding-Aktion-Konglomerat genannten, natürlichen Zusammenhangs zwischen Substantiven und Verben grundsätzlich immer merkmallose Übergänge möglich, speziell wenn es sich um instrumentale Verwendungen handelt. Aufgrund der obligatorischen Implikation ei-
49 Dazu gibt es auch die Bildung feinschmecker-n, die, was selten ist, vom Nomen agentis abgeleitet wird.
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
nes Substantivs sind die Verben inhärent perfektiv und merkmallos. Auf das Faktum der inhärenten und formal motivierten Implikation bei desubstantivischen Verben hatte bereits PORZIG (1934: 80) hingewiesen. Er vergleicht sie mit den „wesenhaften Bedeutungsbeziehungen", semantisch-implikativen Beziehungen wie sie auch vorliegen in blond/Haar, reiten/Pferd, küssen/Lippen u. ä. Die mit dem jeweiligen Substantiv zusammenhängenden möglichen Handlungen sind äußerst vielfältig, so daß ihre jeweilige Interpretation von der spezifischen Umgebung abhängt, weshalb manche Autoren hier auch von 'contextuáis' sprechen (CLARK/CLARK 1979; ARONOFF 1980). Das ist in einer Sprache, die dringend neue merkmallosperfektive Verben braucht, von besonderem Vorteil. In der Tat sind speziell im Englischen, das ein systematisches, produktives Mittel zur Imperfektivierung, aber nicht zur Perfektivierung, hat, die Konversionsverben so zahlreich, daß im Prinzip jedes (konkrete) Substantiv diesen Prozeß durchlaufen kann. Die Frage, warum Konversionsverben also vom System gestützt bzw. sogar gefordert werden, ist, auch unabhängig vom Argument des häufig bemühten Flexionsschwundes, relativ einfach zu beantworten. Das Englische hat einen Systemzusammenbruch erlebt, nach dem Perfektivität mit Merkmallosigkeit, Imperfektivität mit Merkmalhaftigkeit gleichgesetzt wird. Produktiv ist die Bildung von imperfektiven Aspektpartnern. Neue Perfektiva können jederzeit durch syntaktische Prozesse wie FVG oder 'phrasal verbs' gebildet werden. Das System der imperfektiven Verbform war mit dem 18. Jahrhundert voll etabliert (s. o.). Dazu paßt nun ein Prozeß, der merkmallose Perfektiva schafft. Der Prozeß der Bildung der Konversionsverben wird Ende des 18. Jahrhunderts besonders produktiv (BIESE 1939) und fällt so mit der grammatischen Etablierung der EF zusammen. Dies gilt nicht für die anderen germanischen Sprachen, z. B. Deutsch, die keine merkmalhaften Imperfektive haben und deshalb merkmalhafte Perfektiva benötigen. Perfektivität ist vom Konzept eng mit Eingrenzung und deshalb mit Nominalität und verbaler Transitivität verknüpft. Die geschaffenen Verben sind merkmallos und perfektiv. Zum einen bauen sie auf merkmallosen Substantiven, meist sogar Konkreta, auf. Zum anderen implizieren sie inhärent ein Objekt, nämlich das in der Basis genannte, und sind so inhärent définit. Bei Sprachwandel scheint es, daß immer das gleiche Prinzip vorliegt. In jeder Sprache gibt es bestimmte Muster, nach denen sekundäre merkmallose Verben und Substantive in einer gewissen Anzahl geschaffen werden können. Kommt es nun wie im Englischen aus den genannten Gründen zu einer erhöhten Produktion dieser Typen, wird auf
Verb
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diesen Mustern aufgebaut, wobei gleichzeitig eine Abstraktion und Verschärfung ihrer Eigenschaften, eine Grammatikalisierung, eintritt. Zu der Frage, ob es sich nun sowohl im Deutschen als auch im Englischen um Konversionsverben handelt, und was diese auszeichnet, muß ich auf die Kapitel 4.2 und 4.4 verweisen. Vorläufig lassen sich zwei Dinge feststellen. Genau wie bei den englischen Konversionssubstantiven, wird hier der Primärwortschatz bereichert, aus Gründen, die mit der historischen Entwicklung zusammenhängen. Das ist ein wichtiger Unterschied, den es aber noch genauer zu untersuchen gilt. Dagegen können die entsprechenden Verben im Deutschen eher als nicht-affigierte, wenn man so will, null-derivierte, Verben gelten, da sie funktional den perfektiven Präfixverben entsprechen, die den Sekundärwortschatz repräsentieren. Durch ihre inhärente Perfektivität sind sie merkmallos. Davon auszunehmen sind Verben auf -(is)ierert, vgl. die Okkasionalismen: eine Suppe tomat-isieren 'mit Tomaten versehen' Sauerkraut paket-isieren ein Motorrad pilot-ieren charm(e)-ieren 'Charme versprühen' Es handelt sich hier um suffixale Perfektivbildungen, was daran deutlich wird, daß sie wie die präfigierten Verben im Perfekt kein zusätzliches ge- zu sich nehmen. Das Affix fungiert bereits als Perfektmarker: tomatisiert, paketisiert, pilotiert, charmiert. Alle merkmallosen Verben dagegen nehmen den Marker ge- zu sich, unabhängig davon, ob sie perfektiv oder imperfektiv sind. Das ist auf einen Homogenisierungsprozesses zurückzuführen, durch den selbst inhärent perfektive und deshalb präfixlose Perfekta wie mhd. funden zu nhd. gefunden wurden (vgl. Kapitel 3.3.2). 3.3.4 Zusammenfassung Verben haben ontologisch gesehen mit Prozessen zu tun, mit Veränderungen in der Zeit. Diese Veränderungen unterscheiden sich aber in ihrer Qualität. Sie sind entweder so minimal bzw. so kurzzeitig, daß der Prozeß als in seiner Art kontinuierlich aufgefaßt wird. Sie können aber auch so starke Veränderungen beschreiben, daß der Prozeß als einmalig und abgeschlossen, als zu seinem Ende gekommen, betrachtet werden muß. Die zwei Extrempunkte werden von Stativen, teilbaren und punktuellen, nicht-teilbaren, ganzheitlichen Verben vertreten. Im Gegensatz zu Adjektiven ist bei Verben der zeitliche Faktor gramma-
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
tisch immer impliziert. Temporalität im beschriebenen Sinne hat aber (noch) nichts mit der Kategorie Tempus zu tun. Es ist eine polarisierte Organisation der den Prozessen zugrundeliegenden basalen Zeitkonzepte, die auch als Aspektualität bezeichnet wird. Man unterscheidet Imperfektivität oder Teilbarkeit und Perfektivität oder Nicht-Teilbarkeit, Ganzheitlichkeit. Ontologische Konzepte werden aber sprachlich nicht immer gleich präsentiert. In der grammatischen Konzeptionalisierung herrscht eine gewisse Willkür, v. a. an den Randbereichen, wo sich die Hauptkategorien überschneiden. Oft wird ein Konzept übergeneralisiert, was dazu führt, daß die 'störenden' Elemente in der Kompensation dieser Übergeneralisierung neue Kategorien ausbilden. Bei einer Übergeneralisierung von Imperfektivität bauen die perfektiven transitiven Elemente die Passivkategorie auf. Sie erzeugen sekundäre Imperfektivität bzw. Stativität (Resultativität) durch Intransitivierung und Fokusierung der Geschehensperspektive. Wenn auch Imperfektive in diese Konstruktion Eingang finden, ist aus dem Resultativum eine Vollkategorie des Passivs entstanden; innerhalb der Passivkategorie 'stören' aber wiederum die intransitiven Perfektiva, die der Geschehensperspektive unzugänglich sind. Sie bauen aus dem Resultativum eine Tempuskategorie auf. Darin finden erst die transitiven Perfektiva, dann die transitiven Imperfektiva und zum Schluß die intransitiven Imperfektiva Eingang. Eine neue qualitative Vollkategorie mit rein temporaler Bedeutung ist entstanden. Innerhalb der Tempuskategorie stören wiederum die Perfektiva, da sie das Zukunftstempus bereits mit dem Präsens ausdrücken. Der Konflikt läßt eine neue, ohnehin naheliegende Interpretation des Futurs entstehen, nämlich Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit u. ä. Finden in die Konstruktion auch die Imperfektiva Eingang, ist die Vollkategorie Modus entstanden. Kategorisierung liegt Übergeneralisierung und eine Ausgliederung der störenden Elemente im Zuge einer regelhaften und hierarchischen Aussonderung affiner Merkmale auf verschiedenen Ebenen zugrunde. Werden die ausgesonderten Elemente mit solchen konfrontiert, die sich durch nicht-affine, widersprüchliche Merkmale auszeichnen, führt die Konfrontation zur Uminterpretation und zur Ausbildung neuer Kategorien. Diese affinen Merkmale sind im Bereich der Imperfektivität Atelizität, Geschehen, Intransitivität, Präsens, Indikativität. Im Bereich der Perfektivität ist es Telizität, Handlung, Transitivität, Nicht-Präsens, Konjunktivität. Hat eine Sprache imperfektive Verben und Kategorien übergeneralisiert und sind diese Verben merkmallos, benötigt sie perfektive Verben. Dafür stehen Perfektivierungen auf syntaktischer oder morphologischer Ebene bereit. Mit
Adjektiv und Adverb
193
der Perfektivität gehen automatisch die affinen Merkmale einher. Sprachen wie das Englische haben allerdings merkmallose perfektive Verben übergeneralisiert, sich aber mit der 'expanded form' bereits ein produktives Mittel zu deren sekundärer Imperfektivierung geschaffen. Es fehlen neue merkmallose perfektive Verben. Hier werden merkmallose, inhärent perfektive Formen produktiv. Es sind instrumentale Verben, die ontogenetisch ohnehin weit verbreitet sind und von Substantiven für konkrete Gegenstände abgeleitet werden. Der Gegenstand ist meist das inhärente Instrument der Handlung.
3.4
Adjektiv und Adverb
3.4.1
Substantiv,
Verb und
Adjektiv50
In vielen Sprachen wird neben die kardinalen Wortarten Substantiv und Verb eine weitere Kategorie Adjektiv gestellt. Während Substantiven und Verben ontologisch gesehen Gegenstände und Handlungen sowie funktional gesehen Referenz und Prädikation entsprechen, sind dies für das Adjektiv Eigenschaft und Modifikation. Eine Modifikation wie in ein linguistisches Buch ist aber immer auch Spezifizierung, Determination, Einengung der Referenz. Insofern hat das Adjektiv im Prinzip keine andere Funktion als das Verb bzw. die ganze Prädikation, die funktional darauf ausgerichtet ist, das Subjekt weiter zu spezifizieren. Dem entspricht, daß attributive Adjektive sich dadurch auszeichnen, daß sie in der Mehrheit der Fälle r e s t r i k t i v e n , aussondernden und nicht appositiven Relativsätzen entsprechen (VENDLER 1968: 86). Es handelt sich um Eigenschaften, die im Zusammenhang mit dem beschriebenen individuellen Objekt relevant sind, aber nicht zu dessen unabdingbarer klassenspezifischer Intension gehören: 'That is, an adjectival description will serve to distinguish between two members of the same species, that are referred to by a single common noun" (DIXON 1977:63). Das Adjektiv oder die Adjektivfunktion scheint also zwischen den Polen Substantiv und Verb zu stehen. Zum einen fungiert es wie die Prädikation als Referenzeinschränkung, zum anderen kann es selbst Teil der referierenden Gruppe sein. Dabei können auch andere Elemen-
50 Die Thematik kann hier nur angeschnitten werden, eine auch nur annähernd erschöpfende Untersuchung ist in diesem Rahmen nicht möglich. Eine ausführliche Untersuchung zur Wortart Adjektiv auf funktionaler Ebene, v. a. in ihrem Verhältnis zu Verben und Substantiven, ist 1994 von BHAT erschienen.
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
te die Modifikationsfunktion erfüllen: das Buch auf dem Boden: das Buch, das auf dem Boden liegt: Peters Buch; bei laufendem Motor; die geöffnete Schachtel; die Haustür: das Riechsalz u. ä. Probleme gibt es hinsichtlich dessen, wann eine Modifikation ein Adjektiv ist. Vor allem in den letzten drei Fällen wird häufig von 'Adjektivierung' gesprochen, von 'adjektivierten' Partizipien, Substantiven oder Verben. Gerade diese Art der Adjektivierung von Substantiven ist speziell im Englischen sehr verbreitet: gold watch, i¿¿ cream, stone wall, street panic usw. Solche Fälle reiht (MARCHAND 21969b: 360) unter 'conversion', 'functional change' oder 'syntactic transposition'. BAUER (1983: 228) möchte lieber von 'compounding' sprechen, wobei der Modifikator seine Wortart beibehält. QUIRK et al. (1972/1989: 1013f.) unterscheiden deshalb zwischen Konversionen, bei denen der Modifikator prädikativ und attributiv gebraucht werden kann (gold watch-this watch is gold, ice cream**this cream is ice) und Komposita, bei denen nur die attributive Verwendung möglich ist (street panic^*this street is panic). Die Ambiguität bzw. Zwischenstellung des Adjektivs zeigt sich auch noch darin, daß Adjektive, so sie überhaupt in einer Sprache als gesonderte Wortart existieren (s. u.), oft als Untergruppe der Substantive oder der intransitiven Verben betrachtet werden. Der erste Fall ist Sprechern indogermanischer Idiome am vertrautesten. Nicht umsonst ist der Begriff des 'Nomens' so ambig und bezeichnet im engeren Sinn das Substantiv oder im weiteren Sinn Substantiv und Adjektiv (oder sogar alle deklinierbaren Wortarten, also Substantiv, Adjektiv, Numerale und Pronomen). Diese von den Grammatiken der klassischen Sprachen 'geerbte' Einteilung ist dort insofern sinnvoll, als die Formmerkmale von Substantiv und Adjektiv wirklich weitgehend übereinstimmen. Man denke an lat. bonus, bona, bonum 'gut' oder âcer, âcris, acre 'scharf', die (noch) weitgehend zu den jeweiligen substantivischen Formen stimmen: amicus, amica, dònum: victor, nàvis, mare. Im Germanischen aber ist zum einen das Eindringen pronominaler Formen in die starke (vokalische) Adjektivdeklination viel weiter fortgeschritten. Zum anderen hat sich das Germanische eine zweite, die schwache, Deklination parallel für fast alle Adjektive geschaffen, die auf der konsonantischen n-Deklination aufbaut und ursprünglich individualisierend war. Noch im Neuhochdeutschen steht diese schwache Form beim definiten, nicht aber beim indefiniten Artikel: der runde Tisch - ein runder Tisch. Spätestens mit dem Mittelhochdeutschen, als sich die Formen aufgrund von Vokalabschwächung und Endungsverlust rapide änderten, mußten die Parallelen weitgehend verschwinden. Erst im Mittelalter findet man auch in deutschen
Adjektiv und Adverb
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Grammatiken zunehmend die terminologische Differenzierung in 'Nomen substantivum' und 'Nomen adjevtivum' (BR0NDAL 1948; LYONS 1966). Trotz der verlorengegangenen genauen Formübereinstimmung sind die Kategorien die gleichen geblieben. Der einzige Unterschied besteht darin, daß Adjektive zusätzlich ein flexibles Genus und die Kategorie der Gradierung aufweisen. Dies ergibt sich aufgrund ihrer Eigenschaft als semantische Primitiva. E i n e Eigenschaft ist leicht variierbar. Ein Cluster von Merkmalen wie bei Verben oder Substantiven bringt die Schwierigkeit mit sich, daß festgelegt werden muß, welches der Merkmale von der Gradierung betroffen ist. So beinhaltet das Augmentativsuffix im Italienischen in irgendeiner Form eine Vergrößerung des durch das Substantiv ausgedrückten Gegenstandes. Welchen Bereich dies betrifft, ist jedoch konventionalisiert: ital. nasone 'große Nase', librone 'dickes Buch' u. ä. Solche Formen tendieren zur Lexikalisierung, wie in säuseln, betteln, die kaum mehr als Diminutive zu sausen und bitten aufgefaßt werden können. Diese Merkmalsübereinstimmung der Adjektive mit den Substantiven ist jedoch nicht universal. Wieder einmal ist es z. B. das Chinesische, das auch hier spiegelbildliche Verhältnisse liefert. Äquivalente für Eigenschaften wie gào 'groß', pàng 'fett', mëilt 'schön', köng 'leer' usw. werden nicht als adjektivische Substantive, sondern als 'adjectival v e r b s ' betrachtet (LI/THOMPSON 1981:141ff.). Sie verhalten sich wie Verben im Chinesischen, indem sie sich: 1. mit der Negation bù 'nicht' verbinden: wö bu pàng 'ich bin nicht fett', 2. die Partikel le (perfektiver Aspektmarker) zu sich nehmen: wö pàng le 'ich bin fett geworden' und 3. selbständig, ohne die Kopula shi 'sein', das Prädikat bilden: wö pàng 'ich bin fett' = wö xiào 'ich lache'. Ebenso wie stative Verben können sie 4. keinen durativen Aspektmarker ζài zu sich nehmen: *wö zài zhldào nèi-jiàn shì I DUR know that-CLASS matter = *tä zài pàng '3PSg ist fett' (alle Beispiele LI/THOMPSON 1981: 218f.). Aus diesem Grunde können sie auch a l s ' s t a t i v e v e r b s ' bezeichnet werden(RAMSEY 1987: 72). Genau die gleiche Parallele hatte z. B. auch LYONS 1966 zwischen englischen 'stative verbs' und Adjektiven gezogen. Genau hier, in der S t a t i v i t ä t , liegt die Gemeinsamkeit zwischen indogermanischen und chinesischen (und anderen konzeptähnlichen)
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Wortarten und Wortartenkonzeptionen
Adjektiven. Das Merkmal der Stativität können beide Kategorien, Substantiv und Verb, erfüllen. Warum ist das so? Stativität oder 'time-stability' ist eines der wesentlichen Merkmale von Substantiven (ζ. B. GIVÓN 1979: 320). Die Nicht-Veränderung in der Zeit ist unabdingbar, um Wiedererkennung, 'Gestaltkonstanz', speziell von belebten Entitäten, zu gewährleisten. Individuativa sind sozusagen die 'perfektiven Stativa'. {Continuativa, die zusätzlich die Eigenschaft der Teilbarkeit aufweisen, wären dann analog als 'imperfektive Stativa' zu interpretieren. Genau diese Merkmalsverbindung von Teilbarkeit und Stativität, eigentlich nur ein anderer Ausdruck für Zustand, besitzen aber auch Adjektive. Im Gegensatz zu den Individuativa, die referieren und klassifizieren, sind Adjektive nur klassifizierend.51 So/luv : luv/ (GÖRLACH 1974: 83; Hervorhebung P. M. V.).
Zur selben Zeit geht auch ein anderer Prozeß innerhalb der Verbkategorie vonstatten, der bereits in Kapitel 3.3.3 thematisiert wurde. Die Rede ist vom Schwund des Präfixes ge-, das noch im Altenglischen als verbaler Perfektivmarker fungiert. Am Anfang steht die Übergeneralisierung der Präfixverwendung, was zu semantischer Diffusheit führt, so daß sich die perfektivierende Wirkung immer mehr abschwächt. Ab dem 11. Jahrhundert liegt dann zunehmend aspektuelle Synonymie von zusammengesetzten und nicht-zusammengesetzten Verben vor. Da die aspektuelle Deutung nicht mehr von der Markierung durch das Präfix abhängt, wird es funktionslos, schwächt sich ab und verschwindet dann ganz. Mit dem 13. Jahrhundert existiert kein morphologisches Mittel zur Perfektivierung mehr, alle Verben können nun
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in ihrer merkmallosen Form als perfektiv oder als imperfektiv interpretiert werden. Dabei 'gewinnt' die perfektive Interpretation. Meines Erachtens wird diese Entwicklung gestützt durch das Vorhandensein einer auf den älteren Sprachstufen aller germanischen Sprachen existierenden Form Kopula + Partizip I zur Darstellung einer gerade im Verlauf befindlichen Handlung. Diese ΎεΓίβυίβίοπη', die im Spätmittelenglischen durch die 'expanded form' (EF) Kopula + Verbalnomen auf -ing ersetzt wird, entwickelt sich zur Imperfektiv-Markierung. Dadurch wird die perfektive Interpretation der merkmallosen Verben zum einen erst ermöglicht oder gestützt, zum anderen aber gleichzeitig kompensiert bzw. ergänzt. Die EF nimmt ab dem 14. Jahrhundert stark zu und hilft, ein neues Aspektsystem aufzubauen. Dieses hat sich im 18. Jahrhundert als Kategorie konsolidiert. In dieselbe Zeit fällt die Etablierung des Perfekts als Resultativum, da perfektive Verben im System 'normal' sind. Das Perfekt repräsentiert das funktionale Präsens der perfektiven Verben, während das formale Präsens nur noch faktischen oder habituellen Bezug hat, der nicht mit Perfektivität kollidiert. Aktualität dagegen ist unvereinbar mit Perfektivität und wird anhand der EF markiert. Durch diesen verbalmorphologischen 'Unfall' passiert im Lexikon etwas völlig Unerwartetes: d e r Ma r k i e r t h e i t s s t a t us v o n S u b s t a n t i v e n und V e r b e n i s t i d e n t i s c h , der polare Gegensatz der beiden Kategorien hat sich nivelliert. Merkmallose Substantive und Verben sind définit, merkmalhafte indefinit. Substantive und Verben sehen, zusätzlich gestützt durch Apokope-Vorgänge, in ihrer merkmallosen Basisform gleich aus.13 Dazu passen auch die Beobachtungen von SHERMAN 1975 oder KREIDLER 1987, daß die Menge der Paare, die sich durch 'stress-differenciation' unterscheiden wie to import (Vb.) vs. import (Subst.) nicht zunehmen bzw. im Verhältnis zur Menge der anderen Verben immer geringer werden. Es hat hinsichlich der Merkmale der Wortarten eine l e x i k a l i s c h e N e u t r a 1 i si e r u n g stattgefunden, die zu M ul t i f u n k t i ona 1 i t ä t führt. Das hat auch Konsequenzen für den Umbau des Flexionssystems. Da, historisch gesehen, die Verben zu Substantiven 'geworden' sind, liegt es nahe, daß der Ausgleich von den Substantiven zu den Verben erfolgt. Nominale Elemente wandern also zu den Verben und nicht umgekehrt. Dies läßt sich gut an zwei exemplarischen Fällen zeigen. Das Problem des s-Suffixes als nominaler Plural und verbaler Singular
13 Auf die Umkehrung des Markiertheitsstatus' von Substantiven und Verben im Englischen und den Zusammenhang zur Konversion weist LEISS1991 hin.
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Wortartenkonzeptionen und Wortartenwechsel
wurde bereits oben angesprochen. Während das Pluralformans der Substantive originär ist und auf die Übergeneralisierung des -s der starken Maskulina der germanischen a-Deklination (Nom. Sg. st an, Nom. Pl. s t ä n a s ) im Laufe des Mittelenglischen zurückgeht, gilt die Herkunft des verbalen -s als unsicher. Es breitet sich fast im gesamten Paradigma des Präsens' Indikativ aus und verdrängt die alten Markierungen. In der Standardvariante des Neuenglischen ist davon nur noch die Markierung in der 3. Person Sg. des Präsensparadigmas geblieben. 14 Auffällig, aber folgerichtig, ist, daß die geographische Ausbreitung dieses Flexivs im Mittelenglischen genau die gleiche Laufrichtung nimmt wie der Abbau der Perfektiv- und der Aufbau der Imperfektivmarkierung, nämlich von Norden nach Süden. Präs. Ind.
S
Midi
Ν
l.Sg.
-(e)
-(e)
-0
2.Sg.
-(e)st
-(e)st
-(e)s
3.Sg.
-(e)t>
-(e)j5
-(e)s
PI.
-et»
-en
-(e)s
(GÖRLACH 1974: 67) Während sich das alte Verbalsystem in der geschriebenen Sprache noch länger hält, überwiegt im 16. Jahrhundert in der gesprochenen Sprache bereits das s-Formans (GÖRLACH 1974:67). Eine ähnlich substantivmorphologische Dominanz läßt sich auch für die EF beobachten. Noch im Altenglischen konstituiert sie sich aus dem Kopulaverb und dem Partizip Präsens, das auf germ. * - a n d - / - e n d zurückgeht: h e wees h u n t i e n d e . Im Mittelenglischen, etwa 13. bis 15. Jahrhundert, fallen Partizip Präsens und Verbalsubstantiv jedoch zusammen, und zwar wiederum in der n o m i n a l e n Form (GÖRLACH 1974: 95). Das Verbalsubstantiv wird mit dem germanischen Suffix * - i n g ö / - u n g ö gebildet und hat die Funktion, im System die indefiniten Abstrakta zur Verfügung zu stellen. Durch die funktionale Affinität kann hier ein Formenzusammenfall stattfinden. Die Richtung des Zusammenfalls von Verb zu Substantiv ist jedoch nicht zufällig, sondern in der vorangehenden lexikalischen Neutralisierung der Verben in Richtung Substantive zu sehen. Der Systemdruck zeigt sich auch in der Wortbildung. Obwohl eine lexikalische Neutralisierung stattgefunden hat, bleiben die Substan-
14 Zum mereologischen Zusammenhang von verbalem Präsens- und nominalem Pluralsowie Genusmarker -s vgl. LEISS1991.
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tive (vorerst) unangetastet. Der Schwerpunkt liegt auf den merkmallosen Individuativa, Kontinuativa sind merkmalhaft. Bei den Verben gibt es nun zwar ein produktives Mittel der Imperfektivierung, die EF, aber es fehlen neue perfektive, und zwar merkmallose Verben. Hier treten die merkmallosen Substantive ein, um perfektive Verben zu schaffen. Es handelt sich um semantische Perfektivität, die durch die weitere Merkmalsanreicherung einer Handlung durch ein Instrument entsteht. Die Anreicherung ist aber inhärent und deshalb mit Merkmallosigkeit verknüpft. Ausgangspunkt sind die Ding-Aktion-Konglomerate, bei denen Handlung und implizites Instrument miteinander 'verschweißt' sind. Sie kennzeichnen in starkem Maße die Kindersprache, ζ. B. milchen 'Milch trinken' (CLARK 1982). Die instrumentale Bedeutung bildet deshalb auch einen Schwerpunkt innerhalb der Konversionsverben. Obwohl konkrete Substantive immer noch die Hauptquelle der Konversionsverben darstellen, sind auch Partikel im Gegensatz zum Deutschen und Französischen stark vertreten. Letztere Bildungsart ist allerdings erst im Ausbau begriffen, ζ. B. to down im Sinne von 'to put down' oder to okay 'to say okay'. Es hat also eine Art Grammatikalisierung im Rahmen der Konversionsverbstruktur stattgefunden. Dabei genügt irgendeine semantische Anreicherung, die über die ursprüngliche Instrumentbedeutung hinausgeht. Allerdings verstärkt sich für das neueste Englisch der Eindruck, daß nun auch das Substantivsystem nicht mehr unangetastet bleibt. Das zeigen die sich häufenden Beobachtungen, daß die merkmallosen Individuativa des Englischen sich immer mehr wie Kontinuativa verhalten können und zwar o h n e daß sie stilistisch markiert wären, z. B. enough table. Meines Erachtens läßt sich diese relativ neue Entwicklung als G e g e n r e a k t i on z u r l e x i k a l i s c h e n N e u t r a l i s i e r u n g und als Tendenz zur erneuten D i v e r g e n z der Wortarten deuten. Diese Tendenz macht sich immer stärker bemerkbar. Hier sind es nun in neuerer Zeit in verstärktem Maße die syntaktisch perfektiven, d. h. phrasalen, Verben, die ohne zusätzliche Markierung als Abstrakte und sekundäre Individuativa ins Substantivsystem wandern können, z. B. a stir, a frown. Dieser Weg bleibt vielen merkmallosen Perfektive versperrt, weil sie ohnehin von Substantiven abgeleitet sind, z. B. a taxi > to taxi > *a taxi im Sinne von 'Taxifahrt'. Die von
BIESE als 'definite wholes' bezeichneten Substantive können aufgrund ihrer Besonderheiten den Indi vidua tivwortschatz bereichern und in den favorisierten 'Kontinuativierungsprozeß' eintreten. Dieselbe Funktion, nämlich die Bereitstellung merkmalloser konti-
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Wortartenkonzeptionen und Wortartenwechsel
nuatíver Substantive, scheint ein Prozeß zu erfüllen, den schon PREUSS (1962/63:109) als immer produktiver werdend und sogar den Wechsel Substantiv > Verb zurückdrängend, daneben gestellt hatte. Es handelt sich um die Verwendung von Adjektiven in Substantivfunktion. Mit Formulierungen wie the sick, the homeless, the unusual, the unkind, the unknown entstehen sach- oder personengebundene Kol 1 e k t i ν a . Nicht-zählbare Entitäten sind singularisch und kongruieren auch so: the unknown is/*are to be feared. Zählbare Entitäten sind morphologisch zwar niemals pluralisch, kongruieren aber so: the unkind/*unkinds are/*is to be feared (OLSEN 1988). So entstehen im Englischen zusätzlich neue und v. a. merkmallose Kontinuativa. Der Prozeß, den ich beschrieben habe, scheint geradezu paradox zu sein. Erst ist aufgrund der Merkmalsneutralisierung der substantivischen und verbalen Basiskategorie ein merkmalloser Wechsel zwischen beiden Wortarten möglich, wobei S > V besonders favorisiert wird, weil hier aufgrund der historischen Entwicklung eine 'Lücke' entsteht. Als Gegenreaktion auf die Einebnung der kardinalen Wortarten, so scheint es, erlangen nun fast alle Individuativa die, bei vielen bereits potentiell angelegte, Fähigkeit, in merkmalloser und zudem stilistisch unmarkierter Form als grammatische Kontinuativa zu fungieren. Der Ausbau dieser Entwicklung erfordert u. a. neue Individuativa, die gerade durch die Möglichkeit des Wortartwechsels in Form von stark definiten deverbalen Abstrakta wie a stand usw. zur Verfügung stehen. Diese werden im übrigen auch dadurch favorisiert, daß mit ihnen syntaktisch perfektive Verben bzw. Funktionsverbgefüge gebildet werden, ζ. B. to have a go. Man könnte nun annehmen, daß in diesem neuen System die Individuativa als merkmalhaft in Korrelation zu den merkmallosen Kontinuativa stehen, ζ. Β. I like lamb vs. I have a lamb/lambs. Genau darauf zielt ALLAN 1980 ab, wenn er feststellt: [...], the countable NP is the marked opposition (ALLAN 1980:565). [...], countability is marked syntagmatically in singular NP's; in plural NP's it is marked morphologically, [...]. But uncountability is never marked (a. a. O. 545).
Beim distributiven Plural zeigt sich noch einmal, daß hier zwei konträre Merkmale verknüpft sind, Kontinuativität und Individuativität. Im 'alten' System ordnete sich die Markierung der Kontinuativität zu, im 'neuen' ist davon immer stärker die Individuativität betroffen. Zu diesem 'neuen' System paßt auch, daß Adjektive, die ja konzeptuell Kontinuativa ähneln, eine Markierung one(s) erfordern, wenn sie sich explizit auf individuelle Entitäten beziehen, ζ. B. the tall girl ~ the tall one. Das zweite Element one(s) wirkt so fast wie ein ge-
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nereller Klassifikator, auf jeden Fall handelt es sich aber um eine Markierung für 'countability'. Die Frage ist nun: gibt es eine direkte Verbindung zwischen dem Phänomen Multifunktionalität, wie in Kapitel 4.1 stellvertretend für Cayuga und Chinesisch beschrieben, und dieser sekundären lexikalischen Neutralisierung im Englischen, die ebenfalls zur Multifunktionalität der Stämme führt. Bisher wird von zwei verschiedenen Systemen ausgegangen, wobei das erste schwerpunktmäßig durch Multifunktionalität und Neutralität und das zweite durch Divergenz und Nicht-Neutralität der Wortarten gekennzeichnet ist. Ich behaupte nun, daß das, was im Englischen traditionell Konversion genannt wird, primär im Nomen-Verb-System anzusiedeln ist, aber als Hinentwicklung in Richtung Nominalitäts-Verbalitäts-System in Form von Merkmalsneutrali si e r u n g der kardinalen, ehemals divergenten, Wortarten. Das führt zu Neutrali t ä t und Multifunktionalität. Ich unterscheide hier explizit und absichtlich zwischen dem Zustand und der historischen Entwicklung. Wahrscheinlich ist das nicht der einzige Weg, der zu diesem ersten System führt, aber es ist zumindest ein möglicher und einleuchtender. Möglicherweise gibt es in dieser Hinsicht in vielen Sprachen Interessantes zu entdecken, wenn sie erst auf diesen Aspekt hin untersucht werden. Nur wenige Sprachen sind aber über einen so langen Zeitraum belegt, daß solche Umbrüche im Wortartensystem dokumentiert sind. Meist deuten nur Relikte auf ein früheres System hin, wie beim Cayuga, für das SASSE (1993: 214) eine ältere Wortartendistinktion vermutet. Das Englische ist deshalb ein besonderer Glücksfall, weil sich der Umbruch direkt miterleben läßt. Ich stelle also folgende These auf: Konversionserscheinungen sind die Folge eines Wortartenzusammenbruchs in Nomen-Verb-Sprachen. Wenn die ansonsten spiegelbildlich angelegten Basiswortarten Substantiv und Verb eine Veränderung erleiden, so daß a) die merkmalhaften und merkmallosen Subkategorien die gleichen Konzepte vertreten oder b) es innerhalb einer (oder beider) Wortart(en) zur Neutralisierung der Konzepte kommt15, führt das zu einer sekundär erworbenen lexikalischen Multifunktionalität. Das hat den Zusammenfall der Flexionsmarkierungen und ihren Abbau zur Folge. Von den Veränderungen ist offensichtlich primär die Wortart betroffen, die den 'Zusammenbruch' erlitten hat. Durch den Konzeptzusammenfall bzw. die
15 Den Hinweis, daß auch schon die Neutralisierung, und nicht die Umkehrung, des Konzepts einer Wortart genügen kann, verdanke ich HANS-JÜRGEN SASSE.
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Wortartenkonzeptionen und Wortartenwechsel
Nicht-Distinktion der Konzepte der Basiskategorien ist es nun möglich, daß Elemente 'wechseln' bzw. gleichzeitig mehreren Wortarten angehören können. Diese 'Wechsel' sind allerdings nicht willkürlich. Das vorausgehende und noch mitwirkende System bestimmt auch die weitere Entwicklung. Da s ' n e u e ' S y s t e m i s t i n s e i n e r S t r u k t u r a n d a s ' a l t e ' g e b u n d e n und d i e s e m v e r p f l i c h t e t . Neue Strukturen entstehen immer aus den Ressourcen des zugrundeliegenden Systems und dem dadurch vorgegebenen Spielraum der Möglichkeiten. Dies ist etwa der Fall bei den Ding-AktionKonglomeraten, die als merkmallosen Perfektivverben fungieren und Vorlage für einen Grammatikalisierungsprozeß sein können. Durch den Zusammenbruch der Wortarten wird der Sekundärwortschatz abgebaut, Differenzierungen werden zunehmend auf die syntaktische Ebene verlagert, der Unterschied zwischen Morphologie und Syntax und damit auch zur syntaktischen Umkategorisierung verschwindet. Die Multifunktionalität wird für den Ausbau des merkmallosen Wortschatzes genutzt. Dies ist im Englischen v. a. beim Aufbau der perfektiven und merkmallosen Verben aus Substantiven der Fall. Hier wird zum einen der Zusammenhang und zum anderen der Unterschied zur Nullderivation deutlich. Nicht die s e m a n t i s c h e n Strukturen sind wesentlich, sie können sogar weitgehend übereinstimmen. Die Funk t i on macht den Unterschied. Nullderivationen sind besondere Konzepte des Sekundärwortschatzes in Nomen-Verb-Sprachen. Wenn derselbe semantische und merkmallose Komplex zur Normalität wird und unter bestimmten Prämissen den Primärwortschatz aufbaut, liegt Konversion vor. Konversion ist also notwendigerweise durch Multifunktionalität, Merkmallosigkeit und Normalität bestimmt. Das funktioniert sogar dann, wenn dieselben Mittel zur neuerlichen Wortartdifferenzierung genutzt werden. Die sekundär definiten Abstrakte des Englischen wie a frown, a stir, a go, a hurry etc. können aufgrund ihrer Definitheit den individuativzentrierten Primärwortschatz bereichern. Das ist jedoch so lange nicht nötig, wie Individuativa überwiegen. Zur erneuten Wortartendifferenzierung werden aber Individuativa verstärkt als Kontinuativa genutzt. Aufgrund der Multifunktionalität und ihrer Definitheit bereichern die definiten Abstrakte die Individuativa des Primärwortschatzes, die gleichzeitig als Kontinuativa genutzt werden. Wegen ihrer Verknüpfung von Merkmallosigkeit und primärer Indefinitheit, können die definiten Abstrakte nun auch direkt, ohne Umwege, den neuen Primärwortschatz, die merkmallosen Kontinuativa aufbauen. Demselben Zweck dient auch die verstärkte Substantivierung von Adjektiven in Kollektivfunktion: the rich, the poor usw. Dies führt ebenso zu merkmallosen
Resümee
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{Continuativa und verstärkt die Annahme, daß syntaktische Umkategorisierungen beim Wortschatzaufbau mithelfen. Das gleiche ist der Fall, wenn indefinit-verbale ing-Bildungen zu substantivischen merkmallosen Kontinuativa werden (Gerund: seeing is believing), denn die mg-Markierung bringen sie von woanders mit. Solange es auf dem Weg zur Multifunktionalität noch gewisse Flexionsunterschiede gibt, sind auch Konversion und syntaktische Umkategorisierung noch zu scheiden. Beim zunehmenden Verfall der Endungen ist aber auch diese Trennung nicht mehr möglich. Bei echter Multifunktionalität und einem Nominalitäts-Verbalitäts-System gibt es sozusagen nur noch syntaktische Umkategorisierungen. Die Konversion ist eine Etappe auf dem Weg von einem Nomen-Verb-System zu einem Nominalitäts-Verbalitäts-System, von dem es die erste(n) Stufein) darstellt. Allerdings vermute ich fürs Englische aufgrund der neuerlicher Wortartdistinktion keine weitergehende Entwicklung mehr in Richtung Nominalitäts-Verbalitäts-System. Wahrscheinlicher ist eine Konsolidierung der derzeitigen Wortartenstruktur bzw. eine Rückkehr zur Nomen-Verb-Sprache.
4.5
Resümee
Ich unterscheide hinsichtlich der Frage nach den Wortarten und dem Wortartwechsel grundsätzlich zwischen zwei basalen Wortartkonzepten, dem Nomen-Verb- und dem Nominalitäts-Verbalitäts-Konzept. Das ist deshalb von Bedeutung, weil, wenn man in der Linguistik von Wortarten spricht, immer auf das traditionelle Nomen-VerbKonzept Bezug genommen wird. Dies erweist sich als fatal, weil dann im vorgegebenen, vordefinierten Sinne viele Sprachen ein Defizit aufweisen, da es in ihnen keine Wortarten gibt bzw., wenn man trotzdem Wortarten ansetzt, sich diese Wortarten extrem überschneiden und eine Art 'chronischer' Wortartwechsel vorliegt. Ich habe diese für das Nominalitäts-Verbalitäts-Konzept typische Erscheinung Multifunktionalität genannt. Sie kommt deshalb zustande, weil es zwar auf syntaktischer Ebene Funktionen gibt, ohne die keine Sprache auskommt, diese sind aber nicht obligatorisch an bestimmte Lexikoneinheiten gebunden. Ausgehend von den Lexikoneinheiten, liegt in Hinblick auf die syntaktischen Funktionen Neutralität vor. Eine Situation, durch die Multifunktionalität favorisiert wird, ist (weitgehende) Neutralität, Merkmalshomogenität bereits bei den Lexikoneinheiten. Möglicherweise handelt es sich dabei sogar um eine obligatorische Bedingung, das läßt sich hier jedoch nicht ent-
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Wortartenkonzeptionen und Wortartenwechsel
scheiden. Die Multifunktionalität ist in diesen 'kalten' Sprachen auch nicht total, eine eventuelle Selektion erfolgt aber nicht auf der Ebene der Grammatik, sondern sie ist stark von Semantik und Kontext geprägt. Grammatisch gesehen liegt aber weitgehend Neutralität vor. Wenn man versucht, auf dieser Basis Wortarten zu fixieren, wird man zu dem Schluß kommen, daß es entweder keine oder sehr viele gibt, die v. a. durch Distributionen und weniger durch die Lexikoneinheiten selbst definiert sind. Aufgrund ihrer Neutralität finden nämlich ständige 'Wortartwechsel' statt, die wie syntaktische Umkategorisierungen aussehen. Da die Elemente dabei keine Markierung am Wort tragen, zählt man diese Umkategorisierungen oft zu den merkmallosen Wortartwechseln. Merkmallose Wortartwechsel gibt es auch in Sprachen mit NomenVerb-Konzepten, in denen solche Wechsel allerdings anderer Art sind. Diese Sprachen sind dadurch gekennzeichnet, daß die Lexikonelemente in ihrer Grundform bestimmten morphologischen und syntaktischen Kategorien zugewiesen sind, es handelt sich um 'zementierte' Merkmalskomplexe. Diese 'Zementierung' kann nicht einfach aufgelöst, wohl aber auf Umwegen modifiziert und hintergegangen werden. Dafür stehen natürlich auch Elemente anderer Wortarten zur Verfügung. So entstehen ζ. B. durch Derivationen neue komplexere 'Zementierungen' im Sekundärwortschatz, die die Funktion haben, Lücken und funktionale Defizite des Primärwortschatzes auszugleichen. Unter Bewahrung dieser Funktion kann in besonderen Fällen auch Merkmallosigkeit vorliegen, wenn in ikonischer Weise sekundär Merkmale des Primärwortschatzes auftreten und so auch seine Merkmallosigkeit kopiert wird. In den Fällen kann und soll man von Nullderivation oder merkmalloser Derivation sprechen. Diese Erscheinung ist sorgfältig von der, ebenfalls merkmallosen, syntaktischen Umkategorisierung in Nomen-Verb-Sprachen zu trennen. Dabei handelt es sich um eine andere Methode, 'defizitäre' Bereiche des Primärwortschatzes kompensatorisch zu füllen. Indes ist hier nur die syntaktische Ebene betroffen, es entsteht i. a. kein neues lexikalisches Element. Auffällig ist, daß jeweils eine Übereinstimmung zwischen dem Merkmalskonzept der Ziel- und der Endkategorie vorliegt. Offenbar handelt es sich um eine partielle Neutralisierung, die Teilbereiche der jeweiligen Wortarten betrifft und eine Wechselmöglichkeit bzw. Multifunktionalität auf syntaktischer Ebene nach sich zieht. Das bedeutet auch, daß die Distributionen nicht M a r k e r sind, die ein Element zu einem anderen m a c h e n , sondern die Distributionen sind die U r sa eh e eines gemeinsamen zugrundeliegenden Grundkonzeptes.
Resümee
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Den Terminus 'Konversion' habe ich für eine andere Art der sekundären Neutralisation reserviert. Dieser Terminus ist ursprünglich im Zusammenhang mit merkmallosen Wortartwechseln im Neuenglischen verwandt worden, deshalb habe ich es bei dieser Benennung belassen. Die Besonderheit ist ein durch historische Entwicklungen bedingter Zusammenbruch auf der Ebene der basalen Wortarten Verb und Substantiv. Der Konzeptzusammenfall hat lexikalische Neutralisierung, Markierungsabbau und zunehmend Verlagerung der 'Wortartendifferenzierung' auf die syntaktische Ebene zur Folge. Dadurch sind (merkmallose) 'Wortartübergänge' möglich, die den Primärwortschatz bereichern, aber (noch) von den funktionalen Zwängen des zugrundeliegenden und nachwirkenden Systems beeinflußt sind. Dabei ist es kein Zufall, wenn bei einer solchen Entwicklung die bereits vorhandenen Möglichkeiten merkmallosen Wortartwechsels genutzt und ausgebaut werden, d. h. im Bereich der syntaktischen Umkategorisierung und der Nullderivation. Je stärker der Merkmalsabbau voranschreitet, desto eher tritt der Zustand der reinen Multifunktionalität und damit rein 'syntaktische Umkategorisierungen' ein. Der Vergleich von Englisch und Chinesisch kommt also nicht von ungefähr. Dieser Zustand der umfassenden Multifunktionalität ist im Englischen aber nicht erreicht und es ist auch sehr fraglich, ob er jemals eintritt, da das Englische bereits vorhandene Möglichkeiten zu einer neuerlichen Differenzierung der Hauptwortarten im Bereich der Substantive nutzt. Wenn man nach Konversionserscheinungen, d. h. nach Parallelen des englischen Spezifikums im Deutschen sucht, dann kann dies nur in den syntaktischen Umkategorisierungen liegen. Nur hier ist der (partielle) Neutralitätszustand zwischen den Wortarten gegeben, der die Konversion im Englischen auszeichnet. Es ist also möglich und wahrscheinlich, daß es eine Schaukelbewegung zwischen Nomen-Verb- und Nominalitäts-Verbalitäts-Konzepten gibt, und daß der jeweilige Wortartenzustand einer Sprache immer nur eine Etappe einer solchen zyklischen Bewegung von Zusammenfall und Aufbau darstellt. Ein letztes Wort gilt der Terminologie. Alle beschriebenen Fälle des merkmallosen Wortartwechsels beruhen in irgendeiner Form auf Neutralisierung oder Neutralität auf irgendeiner Ebene und daraus folgender Unterdifferenzierung oder auch Multifunktionalität i. w. S. Man sollte vermeiden, eine spezifische, an bestimmte Bedingungen gebundene Erscheinung mit einem Terminus zu belegen, den man gleichzeitig für den abstrakten Überbau verwendet. Also, nicht Konversion für die englischen Erscheinungen und gleichzeitig für das, was ich hier Unterdifferenzierung oder Multifunktionalität i. w. S. genannt habe.
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Wortartenkonzeptionen und Wortartenwechsel
Deshalb unterscheide ich 1. Multifunktionalität i. w. S. oder Unterdifferenzierung für die abstrakte Beschreibung des Phänomens, 2. Multifunktionalität i. e. S. in Nominalitäts-Verbalitäts-Sprachenund 3. Nullderivation, syntaktische Umkategorisierung und Konversion, die in Nomen-Verb-Sprachen Multifunktionalität i. w. S. oder eine Entwicklung dorthin unter ganz bestimmten Bedingungen repräsentieren.
5. Kapitel: Schlußresümee Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist ein Phänomen, das verschiedene Namen trägt, u. a. Konversion, Nullderivation, syntaktische Umkategorisierung, und das im weitesten Sinne als merkmalloser Wortartwechsel beschrieben werden kann. Der Terminus 'Konversion' selbst geht auf SWEET 1891 zurück, der damit Fälle im Neuengl. wie ζ. B. to walk - a walk oder good - the good (Personenkollektivum) belegt. Versucht man nun, ein innerhalb einer bestimmten Sprache und eines bestimmten Sprachtyps definiertes Phänomen auf andere Sprachen zu übertragen, führt dies allzuleicht zu Verwirrung und der Frage: was ist eigentlich Konversion, was ihre Funktion? Es erscheint am günstigsten, zur Beantwortung dieser Frage einen funktionalen Ansatz zu wählen, der sich in der morphologischen Natürlichkeitstheorie und dem UNITYP-Ansatz findet. Beide postulieren einen nicht-arbiträren, nach bestimmten allgemeingültigen Regeln funktionierenden, motivierten Zusammenhang zwischen Form und Inhalt. Der formalen Opposition von Markierung und Nicht-Markierung entspricht dabei auf inhaltlicher Ebene ein auf mereologischen Grundlagen basierendes Kontinuum mit den Polen Definitheit und Indefinitheit i. w. S. Da es sich zum einen um die Eigenschaft der Merkmallosigkeit und zum anderen um Wortarten handelt, war der erste Schritt, herauszufinden, wodurch sich merkmallose im Gegensatz zu merkmalhaften Substantiven, Verben und Adjektiven auszeichnen. Dabei stellt sich heraus, daß die Konzeptionierung bzw. die Repräsentation der einzelnen Wortarten einer Sprache von ganz wesentlicher Bedeutung ist. Nicht alle Sprachen verknüpfen die gleichen semantischen mit den gleichen formalen Merkmalen, haben die gleichen Wortartenkonzeptionen, auch wenn eine gewisse prototypische Ausrichtung existiert. Die semantische Opposition besteht für Substantive innerhalb der Quantifizierung, für Verben innerhalb der Aspektualität und für Adjektive innerhalb einer nach ±Permanenz geschiedenen Stativität. Eine Perspektive wird als basal 'gesetzt' und nicht markiert, für die andere gilt das umgekehrte. Welchen Perspektiven welche Markie-
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Schlußresümee
rungen zugeordnet sind, ist im Prinzip arbiträr. Dabei scheint es zwei Arten von 'Semantik' zu geben, einmal auf ontologischer und einmal auf grammatischer Ebene. Das Deutsche läßt im Substantivbereich überwiegend die definite, individuative Perspektive, z. B. Singular, merkmallos, und markiert Indefinitheit, z. B. Plural und Abstraktion (z. B. -er; -heit, -ung). Merkmallose sekundäre Abstrakta vereinigen aufgrund ihrer Definitheit im Sinne von Singulativität beide Merkmale in sich, z. B. Treff, Blas, Schlag, Sieg usw. Das Chinesische verhält sich nahezu spiegelbildlich. Ontologische Individuativa, z. B. Gegenstände, werden hier grammatisch so behandelt, als wären sie Massennomina. Sie sind bereits in merkmalloser Form indefinit und markieren daher Aussonderung bzw. Individuativität: ein Stück Schokolade vs. chin. i-ge rén 'ein-STUCK Mensch'. Im Verbalbereich ist es das Englische, das sich spiegelbildlich zum Deutschen verhält. Hier sind imperfektive Verben merkmallos (schießen), perfektive merkmalhaft (erschießen). Dort sind imperfektive Verben merkmalhaft (going), perfektive merkmallos (go). Obwohl es sich ontologisch gesehen bei der Form go um Imperfektivität handelt, wird es grammatisch so behandelt, als wäre es perfektiv. So ist etwa die für Imperfektivität typische Wiedergabe des aktuellen Geschehensverlaufs im Englischen nicht mit der merkmallosen Form möglich: *I go now. Merkmallose sekundäre Verben sind in beiden Sprachen überwiegend instrumentale Verben, die durch die zusätzliche Partizipanteneinschränkung mit inhärenter Perfektivität verknüpft sind. Nun genügt es aber nicht, zu wissen, mit welchen semantischen Konzepten (Nicht-) Markierungen verbunden sind. Es kommt auch darauf an, ob der jeweilige Bereich favorisiert wird, weil er die nicht-normale, unterbesetzte Perspektive repräsentiert. Das Deutsche T)raucht' kontinuative, merkmalhafte Substantive und perfektive, merkmalhafte Verben. Kontinuative, merkmallose Substantive und perfektive, merkmallose Verben sind also eher Randerscheinungen und zusätzliche Subkategorien. Das Englische dagegen braucht' perfektive, merkmallose Verben, weil zwar (fast) alle Verben mit Hilfe der -ingForm imperfektiviert, aber durch kein produktives Mittel perfektiviert werden können. Das erklärt, warum im Englischen Konversionen von Substantiven zu Verben (ζ. Β. a taxi - to taxi) hochfrequent sind. Am Wortartwechsel sind aber immer mehrere Wortarten beteiligt, und es ist auch die Frage zu beantworten, wie sich das Zusammenspiel der verschiedenen Wortartenkonzeptionen, also das Gesamtkonzept der Wortarten, auswirkt. Konversion oder merkmalloser Wortartwechsel ist offensichtlich typisch für Sprachen, die angeblich wenig
Schlußresümee
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bis gar nicht ausgeprägte Wortarten haben. In einem solchen Fall ist es fraglich, wie man dann überhaupt von Wortartwechsel (oder auch mehrfacher Wortartenzugehörigkeit) sprechen kann. Das Problem, und gleichzeitig seine Lösung, liegt darin, daß man zwischen zwei Wortartensystemen bzw. zwei Polen auf einem Wortartensystemkontinuum unterscheiden muß. Im einen Fall ist die Wortart fix an ein Lexem gebunden und zwar schon im Lexikon, das sind die Nomen-Verb-Sprachen. Im anderen Fall ist die 'Wortart' nur an die syntaktische Funktion gebunden, das sind die Nominalitäts-VerbalitätsSprachen. Zwar bestehen zwischen den ontologischen Merkmalen der Lexeme und den syntaktischen Funktionen gewisse Affinitäten, doch ist es keine fixe, grammatikalisierte Verknüpfung, da sie sehr stark von Semantik und Kontext abhängt. Hinsichtlich der syntaktischen 'Wortarten' scheinen daher unzählige 'Wortartwechsel' vorzuliegen. Es handelt sich also eigentlich um 'syntaktische Umkategorisierungen'. Die Lexeme verhalten sich hinsichtlich der syntaktischen Funktionen neutral, sie sind multifunktional. Möglicherweise ist Multifunktionalität obligatorisch an eine Konzeptneutralität der Wortarten gebunden. Für das Englische läßt sich zeigen, daß Konzeptneutralität zumindest e i η Weg ist, der zu Multifunktionalität führen kann. Die historische Entwicklung im Englischen führt dazu, daß Substantive und Verben eine sekundäre Neutralisierung ihrer Konzepte erfahren. Dadurch nivelliert sich die Merkmalsverteilung der beiden Wortarten. Merkmallose, individuative Substantive stehen merkmalhaften, perfektiven Verben und merkmalhafte, kontinuative Substantive stehen merkmalhaften, imperfektiven Verben gegenüber. Dadurch wird auf sekundärem Wege eine lexikalische Neutralität und somit Multifunktionalität erzeugt. Das Spezifische an der englischen Konversion ist, daß sie eine Station auf dem Weg von einer Nomen-Verb- zu einer Nominalitäts-VerbalitätsSprache darstellt. Lexikalische Neutralisierung führt zu Multifunktionalität. Mit Nullderivation hat das nichts zu tun. Der wesentliche Unterschied zur Konversion ist, daß Nullderivation ihren Platz immer innerhalb des merkmalhaften Sekundärwortschatzes hat. Bei der Konversion wird dieser abgebaut, so daß es im Prinzip nur noch einen merkmallosen Primärwortschatz gibt. Die spiegelbildliche Perspektive muß nicht durch Elemente anderer Klassen und entsprechende, spezifische Markierungen ausgedrückt werden. Durch seine Wortartenneutralität kann das jeweilige Element selbst die andere Perspektive vertreten, indem es eine andere syntaktische Funktion besetzt. Wenn man versuchen will, das Prinzip der Konversion, also ein mit Multifunktionalität verknüpftes Phänomen, auf eine Nomen-Verb-
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Schlußresümee
Sprache zu übertragen, bleibt daher als einziger Kandidat die 'syntaktische Umkategorisierung'. Hier werden, wie bei der Multifunktionalität, nur syntaktische Funktionen gewechselt, oder besser gleichzeitig wahrgenommen. Auch liegt bei den 'wechselnden' Wortarten lexikalische Teilneutralität vor. Quell- und Endkategorie weisen gleiche Konzeptionen auf, man vergleiche etwa prädikative Substantive, die nicht referieren und sich grammatisch wie Kontinuativa verhalten und Stative (kontinuative) Verben aufbauen, also Indefinitheit i. w. S. repräsentieren: sie ist Lehrerin. Die 'syntaktischen Umkategorisierungen' stellen die Multifunktionalität innerhalb der Nomen-Verb-Sprachen dar, sie sind ihre 'Konversionen'. Syntaktische Umkategorisierungen und Derivationen sind in Nomen-Verb-Sprachen die Instrumente, mit Hilfe derer Wortarten um neue Elemente bereichert werden können. Nominalitäts-Verbalitäts-Sprachen benötigen diese Mittel nicht, da ihre Lexeme nicht fix an die syntaktischen Funktionen gebunden sind. Deshalb können syntaktische Umkategorisierung und Derivation als spezifisch für Nomen-Verb-Sprachen gelten. Konversionen dagegen stellen eine der Multifunktionalität verbundene Erscheinung dar, die auf dem Weg von einer Nomen-Verb- zu einer Nominalitäts-Verbalitäts-Sprache auftritt.
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Autorenregister Adams, V. 10 Admoni, W. 161,212 Adone, D. 159 Allan, K. 139,264 Allen, R. L 155 Alleton, V. 213 Andersen, H. 52 Anderson, S. R. 54 Andersson, S.-G. 160,161,162,163,175 Arens, H. 99,112 Aristoteles 50,75,93,94,99,113,157,158 Aronoff, M. 190 Bach, E. 156 Bally, Ch. 16-17,18,40,185,238 Barron, R. 80 Barz, 1.27,28,41,136,137,240 Bauer, L. 11,45,194 Bechert, J. 176 Behaghel 0.22,23,26,171,187,249,250 Benveniste, É. 136,137,206, 207 Bergenholtz, H. 1, 29, 41, 100,101, 102, 103,104,105,230,242,243 Bhat, D. N. S. 193 Biermann, A. 91, 115, 116,117, 123, 126, 127 Bierwisch, M. 216 Biese, Y. M. 9,44,138,185,190,263 Birkenmaier, W. 184 Bisang, W. 86,185, 234 Bloom, L. 177,187,196 Bloomfield, L. 9,39 Bogorodickij, V. A. 32 Bolinger, D. L 202,203,204,207,211 Bondarko, Α. V. 155 Boom, H. van den 135 Bomschein, M. 138 Braun, P. 168 Braune, W. 204 Brinkmann, H. 136,142,249 Brinton, L. J. 182,185 Brandal, V. 99,195
Broschart, J. 83,84,85,86,87 Brugmann, K. 148,149,150,151,155,205 Bühler, K. 49 Burks, A. W. 49 Buscha, J. 207 Buslaev, F. 1.32 Bußmann, H. 25,26,27,28,29,39,45,99 Butt, M. 138 Bybee, ]. L. 167,183,184 Cao, Χ. H. 123,124,144 Cate, A. P. ten 249 Chao, Y. R. 122,123,229 Chappell, H. 86 Charitonova, I. J. 245 Chierchia, G. 117 Clark, Ε. V. 119,188,190,263 Clark, H. H. 188,190 Oasen, Β. 77 Claudi, U. 77,142 Comrie, Β. 158,163,181,206 Corbe», G. G. 142,143 Coseriu, E. 17-18,20,115,118 Crocco-Gáleas, G. 96 Croft, W. 50,117,130, 203,220, 221,233, 236,238 ¿ukovskij, Κ. 1.119,196 Cusic, D. D. 117 Dahl, Ö. 160,183,184 Darmesteter, A. 13,14 De la Cruz, J. M. 185 Delancey, S. 183 Delbrück, Β. 205 Deutsch-Chinesisches Taschenwörterbuch 123 Diemer, L. 205 Diewald, G. M. 50 Diez, F. 13 Dixon, R. M. W. 143,193,197 Dionysios Thrax 99,101,102,112 Dokulil Μ. 1,12,25,26,29,30,34,40,42, 242
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Autorenregister
Donegan, P. 58 Dotter, F. 58 Dowty, D. 208 Draat, P. F. van 184 Dragunov, Α. A. 212,213,230 Dressier, W. U. 47,58, 65,72,156,181 Drossard, W. 80,84,85,86 Dubois, J. 15 Duden-Grammatik der deutschen Gegenwartssprache 102,103,104 Eichinger, L. M. 208,217 Eisenberg, P. 160,208,212 Eist, G. van der 101,102 Engel, U. 101 Erben, J. 26,27,28, 29,41, 44,243,249 Ertel, S. 51 Esaù, H. 248 Ewald, P. 129 Fillmore, C. J. 86 Fischer, W. 66,149 Flämig, W. 155,160 Fleischer, W. 26, 27,28,29,30,41,44,45, 136,137,240,248 Fodor, 1.148 Fourquet, J. 172 Frajzyngier, Z. 176,201,252 François, J. 156 Fränkel, E. 205 Frei, H. 12 Friederid, A. D. 75 Friedrich, J. 150 Galkina-Fëdoruk, E. M. 33,36 Garey, H. B. 156 Gauger, H.-M. 17,18-19,20,40,45 Gentner, D. 109,110,119,127,196 Gersbach, B. 138 Givón,T. 110,196,204 Glaser, E. 121 Görlach, M. 184,260 Goudge, T. A. 49 Graf, R. 138 Grammatika russkogp jazyka 33 Grammatika sovremennogo russkogo literatumogo jazyka 33,40 Greenbaum, S. 10,11,39,180,194,259 Greenberg, J. H. 47,121,126,143 Grevisse, M. 15,45 Grimm, J. 13,20,21,39,139,153,155,240 Habermann, M. 244 Hafitz, J. 177,187,196
Hänsch, G. 14,15 Hardarson,}. A. 150,152 Haviland, S. E. 119 Heidolph, K. E. 160 Heine, B. 77, 82 Helbig, G. 207 Henzen, W. 23, 24, 25, 26, 27, 30, 41, 44, 45 Hertrampf, A. 8-9 Hill, P. 181 Hirtle, W. H. 258 Holenstein, E. 165 Hopper, P. J. 77,167,168, 175, 176, 177, 178,200,210,213 Höppner, W. 142 Humboldt, W. von 151 Hiinnemeyer, F. 77 Ibrahim, M. H. 148 Ickler, I. 89,180 Isaienko, Α. V. 161,162 Iturrioz, J.-L. 80,129,132-133,135 Jacobsen, W. H. 108 Jakobson, R. 47,52, 54-55, 58,73, 74,119, 130,203,255 Jellinek, M. H. 23 Jespersen, O. 9,129,182 Julien, S. 225 Kaitz, B. 99 Karius, 1.188 Karlgren, B. 230,260 Kastovsky, D. 30,39,118,139 Keenan, E. L. 54 Kenny, A. 158,159 Kilani-Schoch, M. 58 Kirschbaum, E.-G. 161,205,206 Kleiner, M. 174,182 Kloocke, H. 249 Kluge, F. 22 Kölver, U. 77,81, 85,86,122,144,187 Koning, W. 132 Kopeke, K.-M. 153 Koschmieder, E. 155 Koziol, H. 9 Krause, W. 178 Kreidler, Ch. W. 261 Krifka, M. 93,114,116,117,124,125,130, 156,159,246 Kruisinga, E. 7,8,10,39 Kuhn, W. 80, 82,126 Kühnhold, I. 27, 30,31,41,241
Autorenregister Kupfer, Η. Κ. P. 123, 230 Kurylowicz, J. 23 Lallemand-Rietkötter, Α. 14,15 Langacker, R. W. 112,113,181, 182, 183, 213,256 Lazard, G. 168,177 Lee, D.W. 9 Leech, G. 10,11,39,180,194,259 Lehmann, Ch. 77, 80, 84,129,130,131 Lehmann, V. 162 Leisi, E. 24, 25, 118, 119, 120, 122, 125, 182,202,203,204,209 Leiss, E. 56, 71, 72, 89, 92, 109, 111, 118, 143, 142, 164, 165, 166, 167, 168, 169, 174,179,201,206,207,232,233,261 Leskien, Α. 205 Lewandowski, Th. 143 Leys, 0.160 Li, C. Ν. 91,122,123,130,195, 213 Lieber, R. 10,30 Lifter, K. 177,187,196 Lipka, L. 25 Lippert, W. 224,234 Ljung, M. 217 Löbel, E. 214 Lomonosov, M. V. 32 Lopatin, V. V. 33,37,40 Lyons, J. 10,114,195,214 Ma, J. 230 Maier, G. 172 Marchand, H. 6, 9-10, 11, 30, 33, 39, 44, 45,183,188,194,243,259,260 Marold, C 182 Maspéro, H. 225 Matsubara, T. 86 Matthews, P. H. 10 Mätzner, E. 8,13,21,39 Mayer, R. 114 Mayerthaler, W. 47, 51, 58, 61, 62-63, 64, 70,72,73,74,96,187, 203, 216,255 McLuhan, M. 234 Meillet, Α. 151,152 Mel'Aik, I. Α. 34-35, 40, 41,42,45 Mettke, Η. 69 Meulen, Α. ter 156 Meyer, R. M. 139 Meyer-Lübke, W. 13,14 Miller, J. E.168 Moravcsik, E. 53,144 Morris, C W. 50, 51
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Mosel, U. 84,85 Mossé, F. 182,184,185 Mötsch, W. 160 Mourelatos, A. P. D. 156,158,159 Mugdan, J. 1,29,41,105,242, 243 Mühlhäusler, P. 232 Müller, P. O. 244 Munske, H. H. 58 Naumann, Β. 28, 29,39,41,253 Newport, E. L. 188 Nickel, G. 184 Norman, J. 121,125,229 Nöth, W. 48 Nyrop, Κ. 13,14,15 Olsen, S. 28, 30, 41, 105, 134, 137, 240, 251,252,264 Ono, Y. 85 Ostrowski, M. 82,151 Oubouzar, E. 172 Pagliuca, W. 77 Palmer, F. R. 158 Panagl, 0.12,58,188 Paul, H. 22,23,26,120,171,208 Peirce, Ch. S. 47,48-49, 50, 52,74 Pennanen, E. V. 44 Perrott, D. V. 145 Peäkovskij, A. M. 31,35 Pichón, E. 14 Plank, F. 187,189,235 Platon 47,48,73, 99 Polenz, P. von 28,29,30,41,179,244 Porzig, W. 133,190 Posner, R. 206,210,216,253 Poticha, Z. A. 33,36 Pottier, B. 56 Premper, W. 86 Preuss, F. 139,264 Pusch, L. F. 168,180 Pustet, R. 197 Putzer, 0.30,41 Quine, W. van 0.114,117,196 Quirk, R. 10,11,39,180,194,259 Raíble, W. 76,87,182 Ramsey, S. R. 195 Reh, M. 77 Reis, M. 138 Rick, Κ. 174,182 Robins, R. H. 99 Rojzenzon, L. I. 36-37 Ross, J.R. 108,234
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Autorenregister
Royen, G. 126,142,148 Roidestvenskij, J. V. 230 Russkaja grammatika 33,38,40 Saltarelli, M. 176 Samuelsdorff, P.-0.85 Sandberg, Β. 248 Sanskij, Ν. M. 33,35,36 Sapir, E. 51,210,234,236,253 Sasse, H.-J. 105, 106, 108, 219, 220, 223, 225,226,227,228,235,265 Saussure, F. de 46, 73 Schachter, P. 197,198,199 Schaeder, Β. 100,101,102,103,104,230 Schippan, Th. 135,138,249 Schmidt, J. 150 Schuchardt, H. 176 Schwall, U. 160,168 Sechehaye, Α. 16, 24 Seiler, Η. 75, 76, 79, 80, 81, 82, 83, 84,85, 86, 87, 88,90, 91, 92,107,109,119,126, 129, 134, 136, 137, 185, 187, 214, 216, 231 Serzisko, F. 81,82,85,144,145 Sherman, D. 261 Smirnickij, A. 1.1,11-12,33,34,40,42 Sommer, F. 215 Serensen,K. 139 Soudek, L 139 Stampe, D. 56-57,58,73,74 Stein, G. 217 Steinitz, R. 161 Stephany, U. 167 Stewart, M. F. 156 Streitberg, W. 178 Supalla, T. 188 Svartvik, J. 10,11,39,180,194,259 Sweet, H. 2,6,7,39,45,258, 259,271 Szemerényi, 0 . 1 7 8 Tauscher, E 161,205,206 Taylor, Β. 156 Tesnière, L. 17,19-20,40 Thiele, J. 15,16,40 Thompson, S. Α. 91, 122, 123, 130, 167, 168, 175, 176, 177, 178, 195, 200, 210, 213 Tichy, E. 150,151 Townsend, C E. 33 Traugott, E. C 77 Trnka, Β. 187 Trubetzkoj, Ν. S. 47,52-53, 56, 58,73
Tschernych, P. J. 181 Ullmer-Ehrich, V. 248,249 Ultan, R. 173 Uluchanov, I. S. 33 Unbegaun, B. 0 . 3 3 Unterbeck, Β. 124,125,139,145,149 Usener, R 23,24 Vaillant, A. 152 Vater, R 134,240,251 Vendler, Z. 132, 157, 158, 159, 181, 193, 202,209,210,211,214 Vinogradov, V. V. 32,33,34,35,40 Vinokur, G. 0 . 3 2 Vogel, P. M. 206,207 Vostokov, A. Ch. 32 Walter, R 82,108 Warren, Β. 217 Waugh, L. 55 Weick, F. 184,185 Weinreich, U. 139,142 Weisgerber, L. 24,26 Wellmann, H. 27, 30, 31, 41, 136, 137, 139,240,249 Wheeler, Β. 1.148 Whorf, Β. L. 121 Wickens, M. Α. 128 Wierzbicka, Α. 128,202,203 Wilmanns, W. 21,22,39,178,247 Winkler, J. 182 Wirth, J. R. 53 Worth, D.S. 33 Wunderli, P. 20,40 Wurzel, W. U. 47, 58, 59-60, 61, 63, 66, 67,68,71,74,145,146,147 Zemskaja, Ε. A. 33,37,38 Zifonun, G. 168 Zimmermann, 1.251,255 ¿irmunskij, V. M. 34 Zubin, D. 153 Zurif, Ε Β. 250
Stichwortregister Ablaut 17,20,21,28,32,38,65,68,137, 240,241 Ableitung s. a. Derivation 8,11,14,20,22,28,79,96,128,133, 153,239,241,242,245,253,254 - eigentliche 13,14,15,40 - einfache 9 - implizite 27,28,137,139,240 - merkmallose 138 - uneigentliche 8,13,14,15,16,38,39 Ableitungsbasis 8 Ableitungsrichtung 2,4,18,27,44-45, 242-245 Absolutiv 176 Abstrakte s. a. Kontinuativa, Massennomina 22,79,114,115,117,118,119,122-123, 128-142,147,149,150,153,154,179180,186,196,210,221,222,232,239, 240,248,249,250,251,263,264,266, 272 Abstraktion 78-79,79-80,90,124,127, 129,141 Abstraktiva 79,129,142 Adjektiv 4,100,101,111,119,131-132, 152,193-219,222,236,238,239,240, 241,247,252,264,271 - attributives 201,202,203,204,205, 206,207,208,209,211,212,215,216, 218,254,255 - nominales 203-209,211,212,218 - prädikatives 201,202,203,204,205, 206,207, 208,211,212,215,218,252, 253,254,255,256 - schwaches 194, 205 - Serialisierung 215-216 - starkes 194,204,205,208 - substantiviertes 2,133-134,142,154, 213,224, 240,250-253, 264,266-267 - verbales 209-211,218,252
- Zugehörigkeit»- 254 Adjektivierung 12,15,16,19,21,26,31, 40,194,253-254 Adverb 4,102,104,199,208,212-214, 218-219,235,254,255,256,257 adverbiale Bestimmung 86,186-187,188, 214 Adverbialisierung 31,35,253 Affigierung 154 afrikanische Sprachen 81,186 Agens 85,86,88,151,168-169,171,176, 232 Agentivität 167,175 Akkusativ 71,151 Aktionsart s. a. Aspektualität 12,93,155-156,160-161,163,175,177178,179 Aktiv 168,170,171,176,179,202 Aktualität 134-136,182,183,192,199, 200,202,203,204,205,207,208,211, 218,235,261,272 Altkirchenslavisch 163 Ammensprache 72 Analogie 36,51-52,60-61,63, 66-67,68, 69,70,72 Anaphorik 164,173,174,251 Angaben 180 Animatus 151,152 Antipassiv 168,169,170,177 Antonymie, verbale 12 Aorist 163,178 Apposition 214 Apprehension 76,78,79-82, 87,91,107 Arabisch 126,149 Arbitrarität 46-56,46,47,49,73,272 Archigrammem 56 Archikategorem 56,63,70 Archilexem 56,117,127 Archiphonem 56 Argumente 131,132,133,79,80
304
Stichwortregister
Artenplural 115,116,118 Artikel 81,99,101,117,120,125,131,132, 137,139-140,146,147,154,194,200, 246,248,251,252 Aspekt 93,98,155,160-164,166,168,170, 171,175,177,178,226,235,250,260261,262 Aspektualität 93,155-164,167,171,172, 173,174-191,201,234,235,271 Attribut 214,215 - nachgestelltes 207,214 - prädikatives 207-209,211 - vorangestelltes 207,214 Attribution 256,257,259 Augmentativ 195 Auslaut 59,60 Auslautverhärtung 59 Außenperspektive 163,181 austronesische Sprachen 106, 219 Auxiliarverb 86 Β airisch 121 Baskisch 176-177 Bedeutungsbildung 2,8,39,46 Bedeutungsebene 6,7, 8,14,16,18 Bemba 199 Bengali 77 Bretonisch 126 Bulgarisch 163,181 Cayuga 225-228,229,235,265 Chinesisch 4,42,91,92, 94,100,111,119, 120,121-123,124,125,126,127,130, 141-141,144,154,169,177,180,186, 195,199,200,212-213,218,221-222, 224-225,226,229-230,234,260,265, 269,272 - klassisches 213,229,260 - Mandarin 5,121-123 count noun s. a. Individuativa 114,115,123,124,125,132,154,155, 180 Definitheit 81,92-93,94,98,115,116, 117,121,131,139-140,151,152,153, 154,158,164,166,167,168,169,205206,207,213,230,261,264,266,271, 272 Defini tus 151 Deiktika 50-51 Deixis 50,84,166 Denotation 50
Derivation s. a. Ableitung 1,5,10,14,15,17,29,78,114,118,123, 129,141,145,150,164,167,226,236, 237,238,242,268,274 - implizite 27,238 - innere 16,17,19 Derivativ 238 Deutsch 3,5, 20-31. 4041, 92-93,94,101102,116,118,128,141,173,177,188189,190,203,204,221,226,227,235, 254,269,272 - Althochdeutsch 60, 67, 69,170,174, 178,182,204,254,255 - Mittelhochdeutsch 60, 67, 69,120, 121,146,168,171,174,179,182,194 - Neuhochdeutsch 56, 67, 69-70,183, 194,222,255 - Süddeutsch 120,174 - Voralthochdeutsch 68, 70-71 Diachronie 32,40,42,43,44,242,245 Diagrammatismus 52,60-61,74,96 Diakritika5 Diathese s. a. Genus verbi 12
Diegueño 80 Dieses 50,74-95,75,76,92,94,97,109 Dimension 76,78,88 Diminution 51,195 Ding-Aktion-Konglomerat 187,188,189, 232,263,266 Diskretheit 116,120,126,127,132 Distribution 100,238,246,268 Durativität 159 Dynamizität 202 Ellipse 21,23,36,121,134,240,251,259 Englisch 3,4, 5,6-12,13,17,21,30,35, 38,39,59,100,128,134,138-142,146147,157-158,159,164,165,175,180186,188-189,190-191,193,194,204, 207,212,220,222,227,229,235,251, 254,258-267,269,272,273 - Altenglisch 44,139,178,184,185,259, 260,262 - Mittelenglisch 184,185,259,260,261, 262 - Neuenglisch 2,44,177,185,186,259, 261,262,263,269,271 Epicoena 148
Stich Wortregister Ergativ 176 Ergativ-Absolutiv-Sprachen 168,169, 176,177 Erstposition 228,230 Eskimo 108 Etikettierung 79,82, 90 expanded form 180,183,184,185,190, 193,261,262,263,272 Extension 50,75,92,97,110,118,164, 174,216,232 Fehlerlinguistik 72 Femininum 142,148-149,150,151-152, 153,154 Finnisch 182 Flexion 6,7,11,23,25,27,30,38,41,45, 66,67,78,101-102,167,229,252,253, 258,261 Flexionsklasse 68-69,146,147 Flexionsschwund 190,254,260,265,267 Form-Inhalt- Analogie 51-52,60-61,74,95 - Asymmetrie 52,53 - Relation 46-73,73,95-96,271 Formalisten 148,155 Formebene 6 Formnomen 124 Französisch 3,13-20,38,39-40, 58,120, 183,186,189,212,214,254 Frequenz 53-54,63,72, 73,97,228,230, 243 funktionale Sprachbetrachtung 3,4,47, 52, 74,271 Funktionsverb 86,186 Funktionsverbgefüge 168,179-180,185, 186,190,264 Funktionswechsel, syntaktischer 7,9,10, 30 Futur 165,173,174,179,181,182,192 Generalisierung 79,80,81.123,126,200 Generalität 234 generative Grammatik 30,57 Generizität 116,125,183,251 Genitiv 120,130-131,136,213, 254 Genus 1,12,30,34,37, 54,77,81-82,142153,164,195,251,253 - commune 147,150 - distinctum 151 - in distinctum 151 Genus verbi s. a. Diathese
305
166,167 Genuskollektivum 116,119,125,134, 135,200,248,250,251 Genuskongruenz 78,79,81-82 germanische Sprachen 177,178,182, 184,190,194,204,205,254,259,261, 262 Gerund 184,267 Gotisch 168,178,182 Graduierung 44,61,100,195 Grammatikalisierung 77,79,82,83,87, 94,163,175,183,191,227,228,232, 236,237,263,266,273 Graphematik, natürliche 58 Griechisch 105,106,136,178,206,235 Grundflexion 67-68,69-70 haben + Partizip Perfekt 171,172-173, 202 Habitualität 181,183,235,261 Hausa 198 heiße Sprachen 234 Hethitisch 150 Hmong 186 Homonymie 104-105 Hopi 121 Hyperonym 56,118 Hyponym 118 Hypostase 17,19,23,24,26,40 Hypostasierung 23,24, 25,26,41 Igbo 197 Ikon 49,50 Ikonismus - konstruktioneller 52,61,63,69,74 - phonetischer 48,49,51 - syntaktischer 66 Ikonizität 56-64,61,62,63,96,114,138, 141,166,167,268 Imperfekt 163,182 Imperfektiv 235,93,160,165 Imperfektiva 174-191, 222,241, 261 Imperfektivierung, sekundäre 162,163, 175,181,193 Imperfektivität 168,170,171,172,173, 174-175,176,177,192,196,199,201, 248,249,250,257,272,273 Inanimatus 151,152 Indefinitheit 92-93,94,98,117,131,151, 152,153,154,158,164,166,168,169, 200,248,252,255,261,266,271,272, 274
306
Stichwortregister
Indefiniti» 151 Index 49, 231 Indexikalität 166 Indianersprachen 80, 81,85,90,121,124, 173,210,253 Indikativität 76,77, 78,79,83, 88,94-95, 97,98,109,114,123,152 Individualisierung 75,79,80,81, 92,124, 144,234 Individuativa s. a. count noun, Konkreta 114,115,116,118,119,120,121,123, 124,125,128,137,138,140,144,150, 153,154,156,196,222,226-227,241, 246,263,266,263,264,272 Individuativität 113,164, 167, 168-169, 200,222, 234,240,272, 273 Indizierung 79, 81 indogermanische Sprachen 90,106,116, 118,124,126,136,146,148,150,152, 154,177,194,202,204,219,225,227, 228,233,235,237 Infinitiv 22,27, 28,31,40,45,174,184, 213-214, 248 - substantivierter 22,27,31,40,100,128, 132,134,135-136,137,139,142,154, 235,238, 247, 248-250,251, Inkorporation 210,216,253,254 Innenperspektive 163,172,174,181,183 Instrument 86, 263 Instrumental 205 Instrumen tali tat 188, 189,193,241, 272 Intension 50,51,75, 92, 97,110,118,216, 232 Intransitivität 85,167,168,169,170-171, 175,176,177,192,201,257 Isländisch 185 Italienisch 183,195 Iterativität 132,162-163,181 Jiddisch 142 Junktion 76 kalte Sprachen 234, 268 Kasus 61,71,83,85,86,151,169,233 Kasusrahmen 180 Kataphorik 164,171,173,174 Kategorie(n) - grammatische 166,169,174,6,15,18, 34,61,151,233,234,260,268 - lexikalische 105-106,108,219-220,223, 225,226,227,228,229,230,231,232,
233,235,236 - pragmatische 233,236 - semantische 232,233,236 - syntaktische 105-106,108,219-220, 223,225,226,227,228,229,230,231, 232,233,235,236,237,238,268,273, 274 - verbale 71,164-174,201,260 Kausativität 12,83, 86 Khmer 186 Klassifikation s. a. Nominalklassifikation, Numeralklassifikation 90, 91,124,126,127,129,142-147,148, 154,234 - durch Artikel 78,79,81 - durch Verb 78, 79,80 Klassifikator 81,91,92,122,123,124,125, 127,143-144,154,200,265 Klitisierung 78 Kodierung - semantische 61, 62 - formale 61,62,63 Kognition 58,62,73,113 Kollektion 78,79,80,90,124,126-127 Kollektivität 178,251 Kollektivum 118,119,125-126,126-127, 128,141,142,147,149,150,152,153, 154,196,199,239,252,264,266-267, 271 Komlexität 53,54, 58,62,72,73 Komplementarität 74-88, 74,75,91,94 Kompositum s. a. Zusammensetzung 1,11,13,15,17,18,19,119,137,194, 210,213,214,253,254,258 Kongruenz 65,78, 79,81-82, 90,116,124, 132,142,143,144,147,150,176 Konjunktion 102 Konkreta s. a. count noun, Individuativa 79,114,115,124,128,129,133-134,153 Kontext 87,96,166,169,228,232,234, 236,268,273 Kontinuativa s. a. Abstrakta, Massennomina 115,119,120,121,122,124,126,140, 141,147,150,153,154,177,184,196, 222,223,226,239,246,248,252,253, 263,264,266,267,272,273,274
Stichwortregister Kontinuum (Unityp) 76, 77, 78,95,97 Konversion 1,2,4,5,6,7,9,10,11,12, 15,16,17,18,23,26,27,28,29,30,31, 34,35,37,38,39,40,41,42,43,45,95, 96,105,128,137,138,139,140,141, 142,147,186,187,188-190,191,194, 221,223,224,226,236, 258-267,269, 270,271,272,273,274 - syntaktische 27,28 Konzeptionierung 3,4,97,99-223,123, 192,199,200,220,224-270,236,265266,271,272,273,274 Kopula 84,200,201,206,207,209,210, 211,212,218,252,255-256,257 Koreanisch 149 Kreolsprachen 159,232 Kumulativität 93,94,111,117 Latein 111,137,199,206 Lautsymbolik 48,51 Lexemklasse 102-103 Lexik 66, 78, 227,228,229,230,233,238, 239 - natürliche 64 Lexikalisierung 6,8,12,14,20,22,23,25, 35,36,46,195,242,253 markiert 53, 54-56, 58-59,61-62, 63-64, 67,68,70,71, 73,85,89,90,93, 96,97, 203,212,221,232,235,271,272 Markiertheitsabbau 71,165 Markiertheitsaufbau 71-72,74,165 Markiertheitstheorie 47,52-53,58,73-74 Markiertheitsumkehrung 70-71, 72 Markiertheitswert 61,62,65,261 Markierung 3,4,53,117,165,166,233, 238-239,241,246,268, 271-272,273 Maskulinum 31,33,137-138,142,148149,150,151,152,153,154,240,251 Masse 80,90 Massennomina s. a. Abstrakta, Kontinuativa 91-93,115,116,117,118,120,124,125, 126,127,128-129,130,153,156,200, 217,222,272 Medium 171 Merkmalhaftigkeit 52,61-62,89,96,114, 123,141,154,177,180,184,190,202, 212,221,222,223,236, 238, 239,241, 256,261,263,271,272, 273 Merkmallosigkeit 3,52,61-62,89,96,137, 141,154,177,180,185,190,193,212,
307
220,221,222,233,236,237,241,243, 244,245,256,258,261,263,264,266, 268,271,272,273 Messen 80,90,120,121,122,123,125, 126,153,246 Metapher 96 Miminaläußerung 227,228 Möbiusband 87 Modalwort 102 Modifikation 194,202,220 Modus 165,166,167,174,179,192 Morphologie 57,58,60 - natürliche 47,58,64,71, % Motiviertheit - (Wortbildung) 44,242 - (Form-Inhalt) 46-56,47,73, 95 Movierung 82 Multifunktionalität 5,43,105,224-236, 237,247,261,265,266,267-268,269, 270,273,274 Nahuatl 210 Namengebung 78,79,82,88,90 Natürlichkeit 56-64,56-57, 62,64,65,66, 68,69,71,74,97 Natürlichkeitskonflikte 57,59,64-74,64, 67,74 Natürlichkeitstheorie 4,47, 56-58,73-74, 271 Nennwörter 50-51, 75 Neutralisation 56,63,69,70,71,72,73, 165,171,247,250,261,262,263,264, 265,268,269,273 Neutralität 228,230,234,235,247,265, 267,268,269,273,274 Neutrum 142,147,150,151,152,153, 154,250 Nomen - acti 138 - actionis 130,131,133-134,135,136-137 - adjectivum 195 - agentis 87-88,133-134,136,235 - qualitatis 133-134,135 - substantivum 195 Nomen-Verb-Sprache 226, 236,238,246, 247,265,266,267,268,269,270,273, 274 Nomen-Verb-Unterscheidung 76, 83, 107-108,109 Nominalisator 130,212-213 Nominalisierung 114,117,129-133,135
308
Stichwortregister
Nominalität 107-108,109,164,176,190, 197-198,199-200,212,213,216,218, 226,231-232,233,234,235,236,237, 253 Nominalitäts-Verbalitäts-Sprache226, 238,265,267,269,270,273,274 Nominalklassen 81-82 Nominal klassenkongruenz 78,79,81-82 Nominalklassifikation s. a. Klassifikation 143,144,145,154,164 Nominalsatz 206 Nominativ 71,151,205 Nominativ-Akkusativ-Sprachen 168, 169,175 Nootka 108 Normalform 27,241 Normalität 64-74,66-67,68,69,74,97, 146,203,255,266 Null - Ableitung 138,141,29,30,33 - Affix 9,12,15,16,30,31,38 - Allomorph 9,39,95,212,241 - Derivation 1,5,10,11,37,38,39,40, 41,191,221,223,224,226,236,237245,259, 266,268,269,270,271,273 - Element 9,10,11,18,29,30,33,34,39 - Form 234,256 - Morphem 9,10, 28,30,39,241 Numeralklassifikation s. a. Klassifikation 77,78,79,81,120,121,143-144,145, 147,154 Numerus 61,62,69,70,77,91,98,113, 114,115,118,128,142,145,151,155156,164,175,227,233,234,264 Objekt 86,130-131,132,136,151,168, 177,208,232 Onoma 99 Onomatopoetika 4647,73 Ontologie 24,25,113,114,125,159,177, 187,191-192,217,226,228,229,230, 231,272,273 Oppositionalität 52,53,61,73,74-88,74, 75,94,271 Orientierung 83,85 ostasiatische Sprachen 90,124,186 Palatalisierung 31,32,58 Papua-Neuguinea-Sprachen 121 Paradigma 7,12,35,36,37,41,45,67
Paradigmenwechsel 1,11,12,29,34,40, 45 Partikel 102 Partitiv 120-121 Partizip 194,214,218,254,256,257 - Perfekt 170-172,176,178,182,183, 201,252,257 - Präsens 136,174,182,183,201,202, 257,262 Partízipant 82-83,84, 85,86,87,88,107, 167,175,179,186,272 Partizipation 76,78,82-87,83,88,107 Partizipatum 83,84,85,86,87,88,107 Passiv 85,166,168-172,175,176,179, 183,192,201,252 - Vorgangs-171 - Zustand»-180,183 Patiens 85,86,151,168-169,176,186,232 Patientivität 175 Perfekt 166,171,172,173,179,181-182, 201,252 Perfektiva 174-191,222,239,260,266 Perfektivität 93,165,167,168,170,171, 172,173,174-175,176,177,179,192, 199,201,241,248,249,250,257,261, 263,272 Permanenz 200,202,203,206,207,210, 213,216,218,271 Personalmarkierung 205-206,206-207, 262 Perspektive 89-94,89,94,97-98,123,222, 223,271,272,273 Perspektivierung 89-94,89,91,95,97-98, 111,112,167,175,180 Phonologie 52,57,58,60,68 - natürliche 58-60,64, 73 Phraseologismen 125 Pinyin 5 Plural 7,30,52, 54,62,68-69,70-71,80, 91,92,115,116,117,118,120,122,125, 127,128,132,135,137,138,141,144, 150,151,154,164,178,181,234,240, 246,248,251,252,262,272 - distributiver 69-70,144,222,264 - kollektiver 69-70,144 Plurale tantum 70,116,118 Plusquamperfekt 172,173,182 polynesische Sprachen 106,219,226 Ponca 81 Possession 76
Stich Wortregister Potentialität 134-136,204,205,211 Prädikat 88,111,133,167,186, 208,227, 228.232 - logisches 83-84,88,110 - nominales 79,84,125,176,200,201, 206,221,222,241,252, 253,255,256, 274 Prädikation 86,110,169,186,193,208, 214,220,227,228,256 - inhärente 208 Prädikativität 78,79,80,83,87,88,92, 94-95,97,98,109,113,114,123,152, 164,212 Präfigierung 15,18,32,137,139,162, 167-168,171-172,175,177,178,180, 184,185,191. 240,241,249,257,260 Prager Schule 47, 52,73 Präposition 102,104,214,254,256 Präpositionalphrase 131,135,180 Präsens 55,56,170,172-173,174,178, 179,181,182,192,207,261, 262 - historisches 181 Präsuppositionen 123,53,72,89,166, 169.233 Präteritum 170,172-173,174 Präteritumschwund 172,174 Primärwortschatz 115,118,135,137,138, 139,191, 239,245,246, 266,268,269, 273 Privativität 53 Produktivität 43,190 Progressi vum 157-158,165,180,182,183, 184,190,204,222,235,261 Pronomen 101,103,131,132,137,194, 196,205, 215 Proprium 124,215 prospektive Sprachen 173 Prototypie 57, 60, 62,73,91,92, 93, 94, 97,109,111,112,167,271 Prozeß 100 - morphologischer 64,74 - phonologischer 58, 59,60,64,70,73 Psycholinguistik 167 Quantifizierung 112-127,132,155,156, 271 Quechua 198 Realisten 148,155 Reduktion 1,7-8,21,23 - (syntaktische) 132-133,135,149, 248 Referent 169, 201, 211,214, 218,256
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Referenz 50-51,75,91,92,110,122,164, 166,193,202,209,216,218,220,221, 222,227,228,230,231,232,274 Reflexiv 171,250 Regeln, phonologische 59 Reinterpretation 71-72,164-165,166, 174,192 Relationalität 79,87,90,91,124 Relativsatz 131-132,193,213,215 Restriktion 214,215 Resulta ti vum 166,170-172,176,192,201, 252,257,261 - Vorgangs-170-171 - Zustande-170-171 retrospektive Sprachen 173 Rhema 99,110,118,166,231,232 romanische Sprachen 254 Rückbildung 14,15,18,19,40,44-45,221 Russisch 3,5,31-38,40,93,119,142,161163,164,165,168,175,181,185,205206,212 Sachverhalt 79, 82-83 Satz - komlexer 83,86-87,227 - analytischer 118 Satzinhalt 133-135 Schwedisch 147 - Altschwedisch 71 sein + Partizip Perfekt 170,171,182,201, 202,252 sein + Partizip Präsens 174,182,261 Sekundärwortschatz 115,139,153,154, 191,239,241,246,266,268,273 Semantik 111-112,169,228,229,232,258, 268,272,273 Semantizität 145 semitische Sprachen 90, 124,148,150, 152 Serialisierung 66 Sexus 147,148,152,155,252 Simplizia, sekundäre 137 Singular 52,54,62,68-69,70-71,91,9293,116,122,141,145,146,150,234, 246,251,272 Singulare tantum 91-93,116 Singulativ 126,138,142,149,200,222, 272 slavische Sprachen 178,181,205 Solches 50,74-95,75,76,92,94,97,109 Solidarität 79,80,90
310
Stichwortregister
Spanisch 183, 204 Spracherwerb 57,59,63-64,68,72,109, 112,119,125,127,177,187,196,232, 241 Sprachperzeption 57,58,60,73 Sprachphilosophie 114,156 Sprachproduktion 57,58,60 Sprachstörungen 59, 63-64,68,72,250 Sprachtyp 2,3,30,65,78 - agglutinierender 65,229,260 - analytischer 260 - flektierender 40,45,65, 66,100,260 - introflektierender 65,66 - isolierender 35,65,66,100,187,229, 260 - polysynthetischer 65,106,108,219, 226,253 - synthetischer 260 Sprach typologie 47 - natürliche 65 Sprachverarbeitung 75 Sprachwandel 56,64, 67,71,72, 74,77, 190-191,242,266 Sprecher-Hörer-Konstellation 88 Sprechereigenschaften 62 Stammflexion 66,67-68 Stativität 110,111, 158,165, 167,168-169, 170,172,176,177,179-180,182,183, 192,195-196,197,200,201,202,205, 212,213,217,218,222,226,241,252, 253,255,256-257,271,274 Stimmhaftigkeit 60 Stimmhaftmachung 59, 70 Stimmlosigkeit 60,70 Stimmlosmach ung 56,59,60 Strukturalismus 46,47,73 Struktureigenschaften, systemdefinierende 66-69 Suaheli 82,116,144,145-146,154,164 Subdimension 77 Subjekt 86,110,111,130-131,151,168, 169,183,208,232 Subordination 214 Substantiv 4, 80,84,91, 92-93,94,99, 101,105,107,109-110,111,112-155, 175,179,193-199,200-201,207,213, 217-218,222,223,224,226,233,234, 235,236, 237,238,239,240,247,250, 252,261, 262,263,264,265, 269,271, 272,273, 274
- relationales 80,119,132 Substantivierung 12,13,15,16,21,22, 26,28,31,35,36,37,38,40,41,46,95, 105,128,129,133-135,136,204,205, 206,209,218,238,240,246,248,250, 251,267 Substanz 26,100,124 Substanznomen 124 Subtechnik 77 Suffigierung 9,15,18,27,32,33,39,43, 138,153,154,162,175,191,248,249, 250,257 Suffix 9,13,31 Suffixoid 141 Suprasegementalia 10,11,32 Symbol 49,50 Synchronie 18,21,29,32,36,37,40,42, 43,44,242,243,244 Syntax 2,13,21,22,23,28,41-42,45-46, 78,166,169,229,246,258,269 - natürliche 58, 64 System(un)abhängigkeit 67 Systemangemessenheit 66,68 Tagalog 106,219 Technik 76-77,90, 95 Teil-Ganzes 92,94,114,156,164 Teilbarkeit 92,93,94,98, III, 113,196, 199 Telizität 156,157,167,168,170,175,177 Temporalität 172,175,192,202,217,234, 235 Tempus 166,167,173,179,192,233 - absolutes 173 - relatives 173 Thai 81,144,186,187 Thema 110,166,231,232 tobe + Partizip Perfekt 183 Topic 169,232 Topic-Sprachen 169,230 Transformation 17 Transitivität 83,85,167,168,169,170171,175,176,177,179,186,188,190, 192,201,257 Translation 15,19,20,40 Transnumeralität 81,91,115,122,127 Transnumerus 222,234 Transposition 16,17,18,19,25,26,28,35, 40 Türkisch 65 Übergangskategorien 165,166,170,192
Stichwortregister Übergen eralisierung 68,71,151,164-165, 166,192,260 Umkategorisierung, syntaktische 5,7,8, 9,10,12,14,19,20,22,23,27,29,31, 39,40,45,194,220,223,224,226,230, 236,237,238,245-258,266,267,268, 269,270,271,273-274 Umlaut 38,65 UNITYP 4,74-88,74, 75,76,87,94-95, 97,164,271 unmarkiert 53, 54-56,58-59, 61-62,63-64, 67,68,70,71,73, 85,89,90, 93,96,220 Unterdifferenzierung 224,227,269,270 Valenz 83,84-85,86,131,168,186 Variabilität 145 Varianz 53,54 Verb 4,80,84,93-94,99,101,107,109, 110-111,119,155-193,193-199,217218,223,224,226,234,235,236,237, 238,239,240,241,247,250,257,261, 262,263,264,265,269,271,272,273, 274 - Geschehens- 168-169,170,175,176, 179,192 - Handlungs-168-169,170,171,175, 176,177,179,181,196,201,222 - Partikel-185,186,190 - schwaches 68 - starkes 68 Verbalcharakter 93,161 Verbalisierung 22,27,46 Verbalität 107-108,109,197-198,199-200, 218,226,231-232,233,234,234,235, 236,237 Verbklassen 83,84 Verbserialisierung 83,86,186 Verwandtschaftsnamen 119 Vietnamesisch 123,186 Vokalharmonie 65 Vollkategorien 165,166,170,171,173, 192 Vorvergangenheit 172,182 Wendepunkt 76,77 werden + Infinitiv 174 werden + Partizip Perfekt 170,171,182 werden + Partizip Präsens 174,182 Wort 7,12,18,20,29,43,45,46,65,103, 104-105,227 Wortableitung, innere 11 Wortart 3,4,6,7,25,29,30,42,84,97,
311
99-223,99-112,156,187,219,222,223, 260,263,264,265,266,267,268,269, 271,272-273,274 Wortartendistinktion 99-106 Wortartenforschung 99 Wortartwechsel 3,4,11,12,14,16,20, 22,25,26,27,28,29,34,39,40,41,42, 43,45,104,105,156,223,224-270,230, 231,245,266,267,268,272-273,274 - merkmalloser 2,3,4,6-45,96-97,219, 224,238,268,269,271,272 Wortbildung 1,6,7,8,9,14,17,18,20, 21,28,30,32,39,40,45,114,115,154, 242,245,246,247,258 - innere 20,21,27 Wortbildungstypen 1,32 Wortfeld 117,118 Wortform 29,46,104 Wortgebildetheit 242 Yoruba 86,186,187 Zeichen 48-49, 50, 75,166 - ikonisches 60 Zeichensprache 188 Zeichentheorie 47, 48,73,74 Zeigwörter 50-51,75 Zeitkonstitution 156,157-159,161,163 zirkumpazifische Sprachen 81,129 Zusammensetzung s. a. Kompositum 1,20,194
STUDIA LINGUISTICA GERMANICA ELISABETH LEISS
Die Verbalkategorien des Deutschen
Ein Beitrag zur Theorie der sprachlichen Kategorisierung VI, 334 Seiten, zahlreiche Tabellen. 1992. Ganzleinen ISBN 3 11 012746 6 (Band 31)
WALTER TAUBER
Mundarten und Schriftsprache in Bayern (1450-1800) Untersuchungen zur Sprachnorm und Sprachnormierung im Frühneuhochdeutschen XIII, 371 Seiten. 1993. Ganzleinen ISBN 3 11 013556 6 (Band 32)
FRANK HEIDERMANNS
Etymologisches Wörterbuch der germanischen Primäradjektive VIII, 719 Seiten. 1993. Ganzleinen ISBN 3 11 013666 X (Band 33)
REGINA DOERFERT
Die Substantivableitung mit -heit/-keit, -ida, -î im Frühneuhochdeutschen XVI, 340 Seiten. Mit zahlreichen Tabellen. 1994. Ganzleinen ISBN 3 11 014195 7 (Band 34)
Walter de Gruyter
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Berlin · New York
STUDIA LINGUISTICA
GERMANICA
ULRIKE HASS-ZUMKEHR
Daniel Sanders Aufgeklärte Germanistik im 19. Jahrhundert XVI, 640 Seiten. 1995. Ganzleinen ISBN 3 11 014331 3 (Band 35)
HANS RUEF
Sprichwort und Sprache Am Beispiel des Sprichworts im Schweizerdeutschen X, 303 Seiten. 1995. Ganzleinen ISBN 3 11 014494 8 (Band 36)
FRANZ XAVER SCHEUERER
Zum philologischen Werk J. A. Schmellers und seiner wissenschaftlichen Rezeption Eine Studie zur Wissenschaftsgeschichte der Germanistik XII, 255 Seiten. Mit 5 Abbildungen. 1995. Ganzleinen ISBN 3 11 014650 9 (Band 37)
Sprachhelden und Sprachverderber Dokumente zur Erforschung des Fremdwortpurismus im Deutschen (1478-1750) Ausgewählt und kommentiert von William Jervis Jones X, 687 Seiten. 1995. Ganzleinen ISBN 3 11 014480 8 (Band 38)
Walter de Gruyter
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Berlin · New York